Technik nordhessen Informationen aus den technisch-wissenschaftlichen Vereinen Nordhessens - VDE Kassel

 
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Technik nordhessen Informationen aus den technisch-wissenschaftlichen Vereinen Nordhessens - VDE Kassel
2-2017

  technik nordhessen
  Informationen aus den technisch-wissenschaftlichen Vereinen Nordhessens

E-Antriebe aus dem VW Werk Kassel         Ladeinfrastruktur der E-Mobilität   Berichte aus den Vereinen:
                                                                              VDI / VDE / DGS / REFA
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Editorial         technik nordhessen 2-2017     3

Liebe Leserinnen, liebe Leser,
in dieser Ausgabe widmen wir uns erneut – nach der ers-
ten „tn“-Ausgabe 1-2012 – dem Thema Elektromobilität.
In der Zwischenzeit hat sich einiges getan, sowohl in der
Fahrzeugtechnologie als auch im Bereich der Speicher.
Und es geht nicht mehr nur darum, emissionsarme bzw.
–freie Fahrzeuge zu entwickeln, sondern es geht immer
(mehr) auch um das Thema „Mobilitäts-Konzepte“.

U    nd dass es kein neues Thema ist, zeigt ein Auszug
     aus einem Buch von Wilfrid Bade aus 1938 – also
vor fast 80 Jahren – über den Lohner-Porsche. Ferdinand
Porsche baute bereits 1901 einen Elektromotor in einen                        Jürgen Sapara © tecteam GmbH
Kraftwagen ein. Dieser leistete 12 PS und war als Naben-
motor konstruiert, er konnte also wahlweise in ein, zwei
oder alle vier Räder eingebaut werden:                       A    nschließend bleiben wir im Werk Kassel von Volks-
                                                                  wagen, aber gehen von der Entwicklung in die
                                                             Produktion: Dipl.-Ing. Dieter Appelt, verantwortlich für
                                                             die Leitplanung für Getriebe und E-Antriebe weltweit,
                                                             beschreibt viele detaillierte Hintergründe der E-Antriebs-
                                                             Fertigung.

                                                             D   ipl.-Wirtsch.-Ing. Nicolas Spengler von der
                                                                 EnergieNetz Mitte GmbH beschreibt die Herausforde-
                                                             rungen der Elektromobilität aus Sicht eines Netzbetreibers.

                                                             D    ie Plug’n Charge GmbH entwickelt und produziert La-
                                                                  desäulen in verschiedenen Ausführungen. Dr. Chris-
                                                             tian Kahl erläutert als Geschäftsführer, welche Details in
                                                             Entwicklung und Produktion beachtet werden müssen.

                                                             D    ie Regionalmanagement Nordhessen GmbH koope-
                                                                  riert im Projekt FREE (www.FREE-E-MOBIL.de) mit
                                                             einigen anderen Institutionen und Unternehmen. Manuel

G   anz unumstritten ist das Thema auch nicht, gibt es
    doch immer mal wieder Berichte darüber, was passie-
ren könnte/würde, wenn alle Nutzer von Verbrennern auf
                                                             Krieg beschreibt in seinem Beitrag, worauf es neben der
                                                             Technik noch so alles ankommt.

E-Autos umsteigen würden...
                                                             H    arald Wersich von der DGS Sektion Kassel/ASK stellt
                                                                  fünf Thesen zur Transformation unseres Mobilitäts-

D    er erste Beitrag ist von Roland Gaber und beschäftigt
     sich mit dem Golf CitySTROMer. Bereits 1987 hatte
                                                             systems vor, um nachhaltig mobil zu sein.

er seinen ersten „e-Golf“. Und das Thema hat ihn die gan-
zen Jahre, ja Jahrzehnte begleitet.                          U   nd es gibt wieder einige Beiträge der Vereine in
                                                                 diesem Heft, u.a. zu den Jahresmitgliederversamm-
                                                             lungen und einigen personellen Veränderungen.

D   anach erläutert Dr.-Ing. Gerd Stöhr, Leiter der Kons-
    truktion E-Maschine bei Volkswagen im Werk Kassel,
was dort in Richtung Elektroantriebe so alles entwickelt
                                                             Nun wünschen wir Ihnen viel Spaß und Freude beim
                                                             Lesen dieser „technik nordhessen“!
wurde und wird. Am Beispiel des Golf GTE zeigt er
Details des Antriebs und Optimierungspotentiale für die      Jürgen Sapara
Zukunft auf.                                                 und das Redaktionsteam der „technik nordhessen“

                                                             Bild auf der Titelseite
                                                             Bild © Fotolia56292917_XL, Bildmontage © „tn“-Redaktion / (wd)
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4            technik nordhessen 2-2017               Inhaltsverzeichnis

                Elektromobilität
                Der VW Golf CitySTROMer                                                                  5

                Entwicklung der E-Antriebe im VW Werk Kassel                                             8

                E-Antriebsfertigung im VW Werk Kassel                                                    12

                Herausforderungen an die E-Mobilität                                                     18

                Ladeinfrastruktur in Nordhessen                                                          20

                Projekt FREE                                                                             23
                Fünf Thesen zur Transformation unseres Mobilitätssystems                                 26

                Interview Student
                Lucie Hülser: „...am liebsten in Nordhessen!“                                            29

                Berichte aus den Vereinen
                Gepr. Techn. Betriebswirt/in werden mit REFA                                             30

                JMV 2017 des VDI Nordhessen                                                              31

                JMV 2017 des VDE Kassel                                                                  33

                JMV 2017 der DGS-Sektion Kassel/ASK                                                      35

                Alles neu bei REFA Hessen e.V.                                                           36

                Personalia des VDI                                                                       38

                Personalia des VDE                                                                       40

                Ankündigung Tag der Technik 2017                                                         42

                Nächste Ausgabe                                                                          42

                Kontakt                                                                                  43

                Impressum
Herausgeber: Technisch-wissenschaftliche Vereine Nordhessens (siehe Rubrik „Kontakt“, vorletzte Seite)
    Redaktion: Jürgen Sapara (js), E-Mail: redaktion-tn@sapara.de, www.technik-nordhessen.de
                Christian Axel (ca), VDE
                Wolfgang Dünkel (wd), VDE/VDI
                Norbert Heinicke, VDI
                Harald Wersich, DGS
      Auflage: 5000 Exemplare je Ausgabe
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Der VW Golf CitySTROMer                  technik nordhessen 2-2017             5

Der Golf CitySTROMer – vier Jahrzehnte Elektromobilität
Wie alles anfing? Bei mir ganz ein-             troantrieb auf den Markt – den Golf
fach mit dem Satz: „Bau doch mal ein            CitySTROMer. Er entstand zwar nur in
Elektroauto“! Bei Siemens in Kassel             einer Kleinserie, stieß aber dennoch
für Werkzeugmaschinenantriebe in                ein Fenster in die Zukunft auf. Denn
Drehstromtechnik zuständig fuhr ich             dieser Golf avancierte zur automobi-
seit 1987 bereits einen Golf II mit             len Vision der emissionsfreien Fort-
Gleichstrommotor, Bleibatterie und              bewegung. Diese Vision wurde Ende
Antriebstechnik von ABB, welche vom             2013 Realität, als Volkswagen seine
Energieversorger RWE in einer Klein-            ersten Elektro-Automobile in einer,
serie zum Testwagen umgebaut wur-               allerdings immer noch bescheidenen
den und von denen ich eines vor dem             Großserie auf den Markt brachte.
Verschrotten gerettet hatte. Elektrisch
infiziert war ich also schon und so be-
gann es:

                                                                                              Roland Gaber, Jahrgang 1957, wuchs in Mel-
                                                                                              sungen auf und ließ sich nach dem Abschluss
                                                                                              der dortigen Fachoberschule bei Siemens in
                                                                                              Kassel zum Energie-Anlagenelektroniker aus-
                                                                                              bilden, absolvierte danach die Technikerschule
                                                                                              in der Fachrichtung Datenverarbeitung und
                                                                                              schloss eine weitere Ausbildung zum Antriebs-
                                                                                              techniker für Werkzeugmaschinen bei Siemens
                                                                                              in Erlangen an. Eine mehrjährige Tätigkeit für
                                                                                              Siemens in Kassel, u. a. im Werk Kassel der
                                                                                              Volkswagen AG, schloss sich an. Aufgrund
Golf III CitySTROMer mit Roland Gaber vor der „demotec-Halle“ des Fraunhofer IWES in Kassel   seiner seit 1987 privat betriebenen Entwicklung
(alle nicht besonders gekennzeichneten Bilder © „tn“-Redaktion / (wd))                        rein elektrischer Antriebssysteme und hierbei
                                                                                              gewonnener Erfahrungen wechselte er 1991
Ein Daihatsu Cuore, der Willi Volmar            Kleinserie, Großserie, 1989, 2013 –           zur Siemens Automobiltechnik in Würzburg und
gehörte und der in der Getriebekonst-           die Zero-Emission-Fahrzeuge zeigten           war dort bis 2007 mit dem Prototypenbau und
ruktion im VW-Werk Kassel tätig war,            und zeigen, dass Volkswagen wie               Test von Versuchsfahrzeugen befasst. Mit der
„verlor“ seinen Verbrennungsmotor               auch etliche andere namhafte Fahr-            E-Mobilität verbundene Tätigkeiten bei Con-
und bekam dafür einen modifizierten             zeugbauer seit Jahrzehnten die Ent-           tinental und SMA wie auch privat – 2009 bei
Drehstrommotor mit Umrichter für                wicklung dieser abgasfreien Techno-           der Entwicklung eines elektrisch angetriebenen
Werkzeugmaschinen von Siemens.                  logie vorantrieb. Sie verdeutlichen           Rennmotorrads, welches Geschwindigkeitswelt-
Der entscheidende Vorteil gegenüber             aber auch, dass sich der Weg in die           meister wurde – folgten von 2007 bis 2010,
den Gleichstrommotoren war die wei-             Zukunft beim besten Willen nicht              heute ist er als Mitarbeiter von Fraunhofer
test gehende Wartungsfreiheit, hohe             erzwingen ließ. Erst kontinuierliche          IWES in Kassel im Bereich der technischen
Dynamik und Überlastfähigkeit.                  Forschung und ein ebenso kontinuier-          Begleitforschung für die Elektromobilität mit
                                                licher Fortschritt machen die Zukunft         vielfältigen Aufgaben, unter anderem der
Und in der Automobilindustrie? Mitte            greifbar, wenn die Zeit dafür reif ist.       maritimen Elektromobilität befasst.
der 70er Jahre z. B. begann Volkswa-            Erste Forschungsergebnisse in Sa-             (Bild © Volkswagen AG/Volkswagen Classic)
gen im Rahmen seiner Forschung mit              chen Elektroantrieb lieferte 1976 ein
dem Aufbau und der Erprobung von                Golf der Generation I. Er war mit ei-
Elektrofahrzeugen. Und bereits vor              nem 20 kW leistenden Elektromotor
fast dreißig Jahren brachte VW dann             ausgestattet. Bis 1986 diente dieser
sein erstes Modell mit reinem Elek-             erste E-Golf als Versuchsfahrzeug, in
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6          technik nordhessen 2-2017            Der VW Golf CitySTROMer

dem unterschiedliche Batterietypen               Fahrzeug einfach an eine herkömm-                Die ersten Exemplare gingen zunächst
und Elektromotoren getestet wurden.              liche 230-Volt-„Haushaltssteckdose“              an regionale Energieversorger in ganz
                                                 angeschlossen. Das herausziehbare                Deutschland und an die Telekom. Äu-
1989 debütierte der erste                        Steckerkabel befand sich hinter einer            ßerlich praktisch nicht von seinen
Golf CitySTROMer                                 Klappe im Kühlergrill.                           konventionellen Serienbrüdern zu

Die wertvollen Erfahrungen mit dem
Versuchsträger flossen in den Golf
CitySTROMer ein, der auf Basis der
zweiten Golf-Generation entwickelt
wurde. Mit ihm drang 1989 das ers-
te Elektrofahrzeug in das reguläre
Modellprogramm von Volkswagen
vor. Dank seines 18,5 kW leistenden
Gleichstrommotors beschleunigte der
Golf CitySTROMer in 13 Sekunden auf
50 km/h und erreicht eine Höchst-
geschwindigkeit von 100 km/h. Als
Stromspeicher waren unter dem
Kofferraumboden, wo üblicherweise
Tank und Reserverad sind, 16 war-
tungsfreie Blei-Gel-Batterien einge-
baut, die bei einer Gesamtspannung
von 96 Volt über eine Kapazität von              Golf III CitySTROMer mit Roland Gaber an der häuslichen „Tanke“
120 Amperestunden (Ah) verfügten.
Dies ermöglichte Reichweiten von                 1993 brachte Volkswagen den zweiten              unterscheiden, überraschte der zwei-
rund 50 Kilometern. Damit die gespei-            Golf CitySTROMer Typ III                         te Golf CitySTROMer mit einer für
cherte Energie nahezu ausschließlich                                                              die damaligen Verhältnisse herausra-
für den Vortrieb genutzt werden konn-            Als Volkswagen 1991 die dritte Gene-             genden Alltagstauglichkeit, die auch
te, wurden die Nebenverbraucher                  ration des Bestsellers Golf vorstellte,          heute noch Respekt abverlangt. Mit
weitgehend von anderen Quellen ver-              lief parallel längst die Entwicklung             Technologien wie der Bremsenergie-
                                                 eines neuen CitySTROMers auf Hoch-               Rückgewinnung (Rekuperation) setz-
                                                 touren. Erste Versuchsfahrzeuge wur-             te dieser Golf in den 90er Jahren die
                                                 den schon 1992 aufgebaut und Ende                Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit.
                                                 1993 ging der 3er in Serie; gebaut               Das lautlos arbeitende Triebwerk be-
                                                 wurde er in Kooperation mit Siemens,             schleunigt mit einer Spitzenleistung
                                                 die für die Antriebs- u. Batterielade-           von 30kW den dreitürigen 1,6-Tonner
                                                 technik zuständig war. Insgesamt 120             auf eine Höchstgeschwindigkeit von
                                                 CitySTROMer auf Basis der dritten                110 km/h. Bei konstant 50 km/h – also
                                                 Golf-Generation entstanden bis 1996.             im urbanen Bereich und abhängig
                                                 Von Siemens in Kassel in das Kompe-              von der Topologie – sind Reichweiten
                                                 tenzzentrum für E-Antriebe in Kraft-             von bis zu 100 Kilometer realistisch.
                                                 fahrzeugen in Würzburg wechselnd,                Anders als die überwiegende Mehr-
                                                 hatte ich die einmalige Gelegenheit              heit der Elektromobile, verfügt der
                                                 den VW Golf CitySTROMer Typ III                  Golf III CitySTROMer über ein Fünf-
Vorderer Batteriepack des Golf III CitySTROMer
                                                 und andere Fahrzeug-Prototypen der               gang-Schaltgetriebe statt einer einstu-
                                                 Automobilindustrie mit zu entwickeln             figen Übersetzung.
sorgt. So sorgte im Golf CitySTROMer             und den ersten Prototyp des Golf´s
eine mit Dieselkraftstoff betriebene             selbst mit aufzubauen – das war noch             Die Energie zum Betrieb des Elekt-
Heizung auch im Winter für angeneh-              echte „Pionierarbeit“.                           romotors wird in 16 wartungsfreien
me Temperaturen. Um die Antriebs-                                                                 Blei-Gel-Batterieblöcken mit einer Ka-
batterie wieder aufzuladen, wurde das                                                             pazität von 180 Amperestunden (Ah)
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Der VW Golf CitySTROMer                     technik nordhessen 2-2017                7

gespeichert; die Spannung beträgt wie
bei der ersten Generation 96 Volt. We-
gen der begrenzten Batterieleistung
wurde der Antrieb auf maximal 20kW
Dauerleistung ausgelegt. Der wasser-
gekühlte Gesamtantrieb bestand aus
einen Drehstrom-Synchronmotor und
dem Stromrichter (auch Frequenzum-
richter genannt). Als „Tankstelle“ dient
auch hier jede herkömmliche 230-Volt-
Steckdose. Je nach Entladezustand
dauert die vollständige Aufladung des
Fahrakkus bis zu ca. 8 Stunden, also
z.B. während der Arbeitszeit oder über
Nacht Zuhause. Als Faustformel gilt:
1 Stunde laden ergibt ca. 10 km Fahrste-
cke. Mit einem externen Schnelllader
dauert die Aufladung ca. 1 Stunde (das
Aufladen der Akkus auf 80 Prozent ih-       Systemarchitektur des Golf III CitySTROMer (Bild © Roland Gaber)
rer Kapazität dauert rund anderthalb
Stunden, das vollständige „Befüllen“
nimmt etwas mehr Zeit in Anspruch).

Heute besitze ich sechs Golf III
CitySTROMer, die von der Familie ge-
nutzt werden. Seit 1987, dem Beginn
meiner privaten Entwicklung von rein
elektrischen Antriebssystemen und
dem Umbau von Konversionsfahrzeu-
gen, fahre ich täglich mit einem Elektro-
auto, zuerst ein Golf Typ II und dann der
Golf III CitySTROMer. Seit 2010 führt
der Weg von meinem Wohnort Körle
zu meinem Arbeitsplatz bei Fraunhofer
IWES im Königstor in Kassel.

                          Roland Gaber      Ein Teil der Gaber-Flotte auf den Straßen um Körle (Bild © Volkswagen AG/Volkswagen Classic)

       Prüfungen mit „Sach“verstand!
             Tankanlagen, Heizölbehälter gem. VAwS
                    Abscheideranlagen gem VGS (Anhang 49)
        Generalinspektion für Leichtflüssigkeitsabscheideranlagen
        (DIN EN 858/DIN 1999-100) und Fettabscheider (DIN EN 1825/DIN 4040-100)

               Wassergefährdende Stoffe und Abwasser                              Freie Sachverständige für Umwelttechnologie
               (Beratung und Schulung)                                                              Dipl.- Ing. Petra Witzmann
                                                                                                      Göttinger Str. 25 · 34123 Kassel
         Arbeitssicherheit                                                                    Tel. 0561 9531690 · Fax.: 0561 9832418
                                                                                             Mobil: 0171 5217652 · witzmann@FSU.de
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8          technik nordhessen 2-2017            Entwicklung von E-Antrieben bei VW

Entwicklung von Elektroantrieben im Werk Kassel
Einleitung: Beginn der Entwicklung von           • die E-Maschine beeinflusst über
E-Antrieben im Werk Kassel                         ihren Wirkungsgrad die Reichwei-
                                                   te in hohem Maße,
Die Produktentwicklungsaktivitäten               • leistungsdichte E-Maschinen sind
im Werk Kassel der Volkswagen AG                   für automobile Anwendungen not-
begannen in 2005 mit der Kompo-                    wendig,
nentenentwicklung für Doppelkupp-                • die automobilen Anforderungen
lungsbauteile. In 2006 wurde man                   sind in Auslegung, Konstruktion
aufmerksam auf eine Entwicklung der                und Fertigungsprozess zu berück-
Forschung der Volkswagen AG. In dem                sichtigen,
betrachteten Magneto-Elektrischen-               • Baukasten-Lösungen des E-Motors
Getriebe-Automaten (MEGA) der For-                 sind für alle Elektrifizierungs-Vari-
schung waren gegenüber heutigen                    anten notwendig,
konventionellen Fahrzeuggetrieben                • eine Großserienfertigung mit hoch
nur noch wenige Zahnräder verbaut.                 automatisierbaren Einzelprozes-
Schon damals erkannte man, dass                    sen ist anzustreben,                    Dr.-Ing. Gerd Stöhr, 54, studierte von 1983
man den Standort ausgehend von der               • Optimierungspotenziale        gegen-    – 1988 Allgemeinen Maschinenbau an der
Getriebe-Produktion, die den Großteil              über z.B. Industriemotoren sind         Universität Kassel und begann seine berufliche
der Fertigung im Werk Kassel aus-                  insbesondere im Aufbau der Kern-        Laufbahn als Betriebsmittelkonstrukteur bei
macht, in Richtung der Elektroantriebe             komponente Statorpaket (Wick-           Mercedes Benz in Kassel. Nach Tätigkeiten bei
ausrichten muss. Deshalb begannen                  lung, Blechpaket) umzusetzen.           Thyssen Henschel als System- und Anwen-
damals die Aktivitäten in Richtung                                                         derbetreuer sowie Thyssen Transrapid als
Elektroantriebe und wurden seit 2009             Die genannten Themen werden in je-        Konstrukteur und Projektingenieur, beide in
kontinuierlich verstärkt, so dass heute          dem Entwicklungsprozess für die E-        Kassel, war er von 2000 bis 2008 Projektingeni-
bereits drei Elektroantriebe für eUp,            Antriebe betrachtet und kontinuierlich    eur und Fachreferent in der Konzernforschung
eGolf und Golf GTE am Standort Kas-              vorangetrieben. Derzeit konzentrie-       der Volkswagen AG in Wolfsburg. Nach seiner
sel in Serie gefertigt werden.                   ren sich die Entwicklungsaktivitäten      Promotion an der TU Berlin in der Fachrichtung
                                                 in Kassel auf die Antriebsentwicklung     Maschinenbau kam er 2008 als Fachreferent
Folgende Themen sind Schwerpunkte                für den zukünftigen Modularen-Elek-       Elektrische Antriebe zur Getriebekomponenten-
bei der Entwicklung der Elektroantrie-           trifizierungs-Baukasten (MEB) sowie       Entwicklung ins Werk Kassel der Volkswa-
be:                                              auf die Nachfolgeprodukte der Hyb-        gen AG und übernahm 2010 die Leitung der
                                                                                           Entwicklung E-Maschine / Antriebskonzepte im
                                                                                           Geschäftsfeld Getriebe. Seit 2017 ist er Leiter
                                                                                           der Konstruktion E-Maschine.

                                                                                           ridantriebe, um die Elektrifizierungs-
                                                                                           Offensive von Volkswagen möglich zu
                                                                                           machen.

                                                                                           Auswahl des geeigneten E-Maschinen-
                                                                                           Prinzips

                                                                                           Vorwiegend werden aus Gründen der
                                                                                           hohen Leistungsdichte und des sehr
                                                                                           guten Wirkungsgrades Permanent Er-
                                                                                           regte Synchronmaschinen (PSM) mit
                                                                                           erhöhtem Reluktanzanteil (Hybrid-
Heutiger Baukasten für Elektroantriebe (alle Bilder © Volkswagen AG)                       Synchronmotor mit Lufttaschen im
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Entwicklung von E-Antrieben bei VW                          technik nordhessen 2-2017              9

Rotor) in elektrifizierten Fahrzeugen              schine hat und große Fortschritte in                 Golf GTE dargestellt werden. Aus-
eingesetzt.                                        Bezug auf den Wirkungsgrad gemacht                   gehend von Lastenheftvorgaben zu
                                                   hat. Die unten stehende Darstellung                  Bauraum und Drehmoment-Drehzahl-
                                                                                                        Kennfeld wird ein magnetischer Kreis
                                                                                                        entworfen, der in mehreren Berech-
                                                                                                        nungsschleifen mit einem FEM-Be-
                                                                                                        rechnungsprogramm entwickelt und
                                                                                                        optimiert wird. Parallel dazu wird
                                                                                                        auch schon die auszuwählende Ferti-
                                                                                                        gungstechnologie für Rotor, Stator und
                                                                                                        Wicklung festgelegt und optimiert.
                                                                                                        Dies ist wichtig, um einen kostenop-
                                                                                                        timierten Antrieb sowie eine großse-
                                                                                                        rientaugliche Fertigung schon in der
                                                                                                        frühesten Entwicklungsphase zu er-
                                                                                                        möglichen.

Zur Auswahl stehende E-Maschine-Prinzipien (Quelle © Fa. Brusa, 2008)
                                                                                                        Für den Antrieb des Golf GTE kommt
                                                                                                        eine Einzelzahnwicklung für den Sta-
Durch die notwendigen Seltenen Er-                 gibt einen Überblick der möglichen                   tor zum Einsatz, bei der vorgewickelte
den Metalle und deren vorwiegender                 E-Maschinen-Prinzipien.                              Spulen auf die Zähne des Statorblech-
Förderung in China und hoher Kosten                                                                     paketes aufgesteckt und anschließend
sind alternative Antriebe zur PSM                  Entwicklungsvorgehen am Beispiel der                 über ein Verschaltelement verbunden
anzustreben. Zunächst wird das ein-                E-Maschine für den Golf GTE                          werden. Der Rotor wird aus mehreren
gesetzte Magnetmaterial soweit wie                                                                      Blechpaket-Segmenten aufgebaut, in
möglich gesenkt, indem ein maxima-                 Die grundsätzliche Vorgehensweise                    die vorher die Magnete gefügt wur-
ler Reluktanzanteil vorgesehen wird.               zur Entwicklung des magnetischen                     den:
Außerdem wird derzeit neben der                    Kreises einer elektrischen Maschine
PSM auch die Asynchronmaschine fa-                 für einen Fahrzeugantrieb soll hier                  Weitere Optimierungen des E-Motors
vorisiert, da sie Vorteile als Allrad-Ma-          am Beispiel des Antriebes für den                    werden durch den Einsatz von ver-

  Industrial Engineering                             Arbeitssicherheit &                                  Coaching
  • Arbeits- und Zeitwirtschaft REFA / MTM
                                                     Gesundheitsschutz                                    • Personalcoaching
  • Projektdurchführung und                                                                               • Businesscoaching
    Projektmanagement                                • Fachkraft für Arbeitssicherheit                      • Einzelcoaching oder Teamcoaching
  • Fabrikplanung und Materialflussoptimierung       • SiGeKo nach BauStellV                                • Coaching / Seminare unter Segeln
  • Prozessoptimierung / TPM                         • Gefährdungsbeurteilungen, auch zu                    • Führungskräfteseminare unter Segeln
    • FMEA / Wertstromdesign / Wertanalyse /           firmeninternen Sonderthemen                        • Hypnocoaching
       OEE / Makigami / Audits / …                   • CE-Zertifizierung und Risikoanalyse                • Sporthypnose
  • Schulungen und Seminare                          • Schulungen und Seminare
  • u.v.m.                                           • Hinführung / Begleitung zu Zertifizierungen
                                                       nach OHSAS 18001 / DIN EN ISO 45001:2017
                                                       und DIN EN ISO 14001
                                                     • u.v.m.
                           Kontakt unter:                                                            E-Mail: scheyk@gs-indust.de
                           Gerhard Scheyk, Kassel / München                                          Tel.: +49 (0)178 / 2174111

                           Weitere Informationen unter: www.gs-indust.de sowie                       www.gs-leinen-los-coaching.de
Technik nordhessen Informationen aus den technisch-wissenschaftlichen Vereinen Nordhessens - VDE Kassel
10         technik nordhessen 2-2017                Entwicklung von E-Antrieben bei VW

                                                                                              Kunde im Fahrzeug den E-Antrieb nur
                                                                                              durch seine Beschleunigung spürt.
                                                                                              Das heißt auch die Akustik ist ein
                                                                                              Parameter, der in die Auslegung des
                                                                                              magnetischen Kreises mit eingeht.
                                                                                              Obwohl der E-Motor schon sehr leise
                                                                                              ist, ist dabei das Ziel, dass keine unan-
                                                                                              genehmen Geräusche an das Fahrer-
                                                                                              ohr gelangen.

                                                                                              Die E-Maschine im Golf GTE ist wie
                                                                                              alle E-Maschinen für Parallel-Hybrid-
                                                                                              antriebe eine Hochdrehmoment-E-Ma-
                                                                                              schine, die mit Kurbelwellendrehzahl
                                                                                              dreht. Im Vergleich dazu haben alle E-
                                                                                              Maschinen, die heute in E-Fahrzeugen
                                                                                              zum Einsatz kommen, einen grund-
                                                                                              sätzlich anderen Aufbau von Rotor
                                                                                              und Stator, da sie bei einer maximalen
                                                                                              Drehzahl zwischen 12.000 und 16.000
                                                                                              1/min betrieben werden und somit
                                                                                              Hochdrehzahl-E-Maschinen sind. Die-
                                                                                              se Auswahl der E-Maschine ist derzeit
                                                                                              nicht physikalisch bedingt, sondern
                                                                                              ergibt sich vielmehr aus den vorlie-
                                                                                              genden Bauraumbedingungen.

                                                                                              Ausblick auf zukünftige Antriebssys-
                                                                                              teme
Stator- und Rotoraufbau
                                                                                              Eine wesentliche Weiterentwicklung
lustarmen Blechen, erhöhten Kupfer-                  Drehmoment-Drehzahl-Kennlinie            in der elektrischen Antriebstechnik ist
füllgraden und der Integration von                   kombiniert mit der Auswahl des           heute die Integration der Leistungs-
leistungsfähigen Kühlungen möglich.                  E-Maschinen-Prinzips.                    elektronik. Auch hier ist der Hauptfo-
All diese Themen werden parallel                     Das Ergebnis ist dann ein E-Motoren-     kus die Reduzierung der Kosten und
                                                                                              der Bauräume. Die Darstellung auf
                                                                                              der nächsten Seite zeigt die derzeitige
                                                                                              Weiterentwicklung in drei Schritten,
                                                                                              die dann im Modularen-Elektrifizie-
                                                                                              rungs-Baukasten umgesetzt sein wird.

                                                                                              Durch die Integration der Komponen-
                                                                                              ten können neue Materialien für die
                                                                                              Halbleiter zu Einsatz kommen, die
                                                                                              eine Erhöhung der Betriebstempera-
Optimierungspotentiale der E-Maschinen-Entwicklung
                                                                                              tur zulassen und somit die Leistungs-
                                                                                              dichte erhöhen. Viele Kabel, Schläuche
betrachtet, um mit einem effizien-                   Design, das die Lastenheftangaben        und Anschlüsse werden überflüssig,
ten Entwicklungsprozess möglichst                    bezüglich Bauraumvorgaben, Dreh-         wodurch die Kosten gesenkt werden
effiziente Motoren umzusetzen. Die                   moment-Drehzahl-Kennlinie und vie-       und die Fahrzeuge für den Kunden at-
oben stehende Grafik erläutert den                   ler weiterer Randbedingungen erfüllt.    traktiver werden.
Entwicklungsprozess anhand einer                     Dies ist die Grundlage dafür, dass der
Entwicklung von E-Antrieben bei VW                   technik nordhessen 2-2017          11

                                                                                              Der Volkswagen Standort Kassel ist
                                                                                              mittlerweile das Leitwerk für den
                                                                                              Elektroantrieb und die Entwicklungs-
                                                                                              abteilung treibt die genannten Weiter-
                                                                                              entwicklungen voran, um auch für die
                                                                                              zukünftigen Fahrzeugkonzepte gut
                                                                                              aufgestellt zu sein.

                                                                                                                   Dr.-Ing. Gerd Stöhr
                                                                                                      Leiter Konstruktion E-Maschine
                                                                                                             Entwicklung E-Maschine
                                                                                                     Werk Kassel der Volkswagen AG

Stufen der Leistungselektronik-Integration                                                    Quellen

Für die E-Fahrzeuge wird heute die             das Verteilen von unterschiedlichen            • Allgemeine Designrichtlinie für
Zentralmaschine, welche sich mittig            Drehmomenten zwischen linkem und                 E-Motoren (2008, Fa. Brusa)
auf der Antriebsachse befindet, ein-           rechtem Rad (Torque-Vectoring), was            • Vo l k s w a g e n - F o r s c h u n g :
gesetzt. Kostenbetrachtungen für den           wiederum eine positive Fahrdynamik               Untersuchung zu Hochdrehmo-
E-Antrieb inklusive der Leistungselek-         in Kurven bzw. das Stabilisieren des             ment / Hochdrehzahl E-Motoren
tronik zeigen, dass diese Anordnung            Fahrzeuges in gefährlichen Fahrsitua-            (2006, Dr. Henke, Dr. Stöhr)
derzeit die wirtschaftlichste Lösung           tionen ermöglicht.                             • Fertigungstechnologien im Werk
darstellt. Durch die Weiterentwick-                                                             Kassel (2014, Dolle, Dr. Stöhr)
lung der Leistungselektronik werden
auch die rechts dargestellten Rad-
nahen- und auch Radnabenantriebe
möglich. Die Senkung der Kosten der
Leistungselektronik ermöglicht den
wirtschaftlichen Einsatz von solchen
Mehrfachantrieben und den damit
verbundenen neuen Fahrzeugkonzep-
ten. Die Nutzung des Fahrzeugbau-
raumes ohne notwendigen Motorraum
wird ganz neue Fahrzeuge entstehen
lassen.

Radnabenantriebe erlauben auch
eine erhöhte Funktionalität, wie z.B.          E-Antriebs-Konzepte in Fahrzeugen

     Unsere Leistungen::                                                                          Wir fertigen für Sie:
      Satz und Layout                                                                              Geschäftsdrucksachen
      Scan, Bildbearbeitung                                              Valentin Hein GmbH
                                                                                                   Produktprospekte

      Offsetdruck                               Offsetdruck · Digitaldruck                         Imagebroschüren
      Qualitäts-Digitaldruck                                                                       Präsentationsmappen
                                                Kupferstraße 1 · 34225 Baunatal
      Weiterverarbeitung                        Tel. (05 61) 49 20 95 · Fax 49 20 96               Formulare
      Mailingkomplettabwicklung                 E-Mail: service@hessen-druck.de                    Kalender und Bücher
                                                Internet: www.hessen-druck.de
      Versand                                                                                      Drehscheiben
12          technik nordhessen 2-2017            Fertigung der E-Antriebe bei VW

Fertigung von Elektroantrieben im Volkswagenwerk Kassel
Einleitung                                        fertigen. Der Standort Kassel ist da-
                                                  für gut aufgestellt, da hier seit 2009
Als einer der größten Automobilher-               die Elektroantriebe für den e-Golf und
steller bietet Volkswagen seinen Kun-             den e-up! sowie die Hybridgetriebe für
den ein umfangreiches Produktportfo-              den Golf GTE und den Passat GTE ent-
lio, um alle relevanten Marktsegmente             wickelt und in Serie gebracht wurden.
zu bedienen. Dies betrifft auch ein               Die dabei gemachten Erfahrungen, die
vielfältiges Angebot an Antriebstech-             seitdem erarbeiteten Strukturen und
nologien, das neben Otto- und Diesel-             Prozesse und die breite Expertise in
motoren auch Erdgas-, Hybrid- und                 der Großserienproduktion bieten die
rein batterieelektrisch betriebene                optimalen Voraussetzungen für die
Elektroantriebe umfasst. Die Treiber              Fertigung von wettbewerbsfähigen
für die Elektromobilität sind dabei               Elektroantrieben.
einerseits der Kundenwunsch nach
geräusch- und emissionslosem Fah-                 Ein wichtiger Aspekt am Standort ist     Dipl.-Ing. Dieter Appelt, 54, studierte von
ren, teils unterstützt durch staatliche           dabei die umfangreiche Zusammen-         1982 – 1987 an der Universität Kassel Allge-
Förderungen, und andererseits die                 arbeit der verschiedenen Bereiche        meinen Maschinenbau. In 1987 begann er als
Einhaltung von Emissions-Grenzwer-                direkt vor Ort, die es ermöglicht, den   Fertigungsplaner für Handschaltgetriebe bei
ten und Auflagen für konventionelle               Produktentstehungsprozess von Elek-      VW im Getriebebau Kassel. In den Jahren 1993
Antriebe bis hin zu temporären Fahr-              troantrieben fast vollständig inner-     bis 2005 realisierte er als Planungskoordinator
verboten in verkehrsreichen Städten.              halb des Werkes Kassel abzudecken.       und später als Projekteiter diverse Projekte
Da sich diese Trends zukünftig noch               Dies umfasst neben den Abteilungen       im Getriebebau und am Standort Bratislava. In
weiter verstärken, ist es erklärtes Un-           Entwicklung, Planung, Fertigung und      2006 übernahm er die Leitung der Pilothalle für
ternehmensziel von Volkswagen, bis                Qualitätssicherung auch den Aufbau       Getriebe in Kassel und führte diese Abteilung
zum Jahr 2025 Weltmarktführer in                  von Prototypen in einem Vorserien-       mit dem Werkzeugbau zum Vorserien-Center
der E-Mobilität zu werden.                        Center, die Analyse von Antrieben ein-   Getriebe zusammen. Seit 2010 ist er Leiter der
                                                  schließlich deren Akustik im Prüffeld    Planung Geschäftsfeld Getriebe, die als Leit-
Aktivitäten am Standort Kassel                    und sogar das After-Sales Geschäft       planung für Getriebe und E-Antriebe weltweit
                                                  durch den Vertrieb Originalteile.        Projekte für Volkswagen realisiert. In 2016 wur-
Eine der größten Herausforderungen                                                         de zudem das Vorserien-Center mit in seinen
bei der Serienfertigung von Elektro-              Fertigungsprozesse                       Verantwortungsbereich der Planung integriert.
antrieben ist es, in großen, volumen-
trächtigen Stückzahlen und mit einem              Eine wesentliche Aufgabe bei der         von Elektroantrieben ist die Indust-
hohen Grad an Automatisierung zu                  Planung und Großserienproduktion         rialisierung der Fertigungsprozesse

e-Golf mit Elektroantrieb aus dem Volkswagenwerk Kassel (alle Bilder © Volkswagen AG)
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Die HÜBNER-Gruppe fertigt als Systemanbieter Produkte für verkehrstechnische
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fahrzeuge) sowie für die Medizintechnik, den Bereich Life Quality und Photonics
(Laser-, Terahertz-, High Frequency Technology).

Die Produktpalette umfasst die Konzeption und Produktion von Faltenbälgen,
Fahrzeuggelenksystemen, flexiblen Übergangssystemen, Faltenvordächern,
Einstiegssystemen, Fenstersystemen, PUR-Schaumformteilen sowie Produkten
aus Gummi und Kunststoffspritzguss, Laser, Terahertz-Spektrometer, Terahertz-
Imager sowie Radarsysteme.

Die HÜBNER Gruppe – das sind weltweit mehr als 2.400 hochqualifizierte
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14         technik nordhessen 2-2017            Fertigung der E-Antriebe bei VW

                                                                                                  reduzierter Einsatz von Druckluft,
                                                                                                  technische Gase oder Kühl- und
                                                                                                  Schmierstoffen
                                                                                                • Geringer Instandhaltungsaufwand
                                                                                                  der Maschinen
                                                                                                • Störungsfreier, bzw. störungsar-
                                                                                                  mer Betrieb der Anlagen durch ro-
                                                                                                  buste Prozesse und Prinzipien der
                                                                                                  Fehlervermeidung wie z.B. „Poka
                                                                                                  Yoke“ (Vertauschungssicherheit in
                                                                                                  der Montage)

                                                                                                Die Industrialisierung der Fertigungs-
                                                                                                prozesse unter Berücksichtigung all
                                                                                                dieser Kriterien wurde bei den bisher
                                                                                                am Standort in Serie gebrachten Elek-
Montage des Elektroantriebes für den e-Golf in Kassel                                           troantrieben auch durch eine enge
                                                                                                Zusammenarbeit mit ausgesuchten
unter Beachtung von automobilen An-              gen an die benötigten Maschinen und            Anlagenlieferanten erreicht. Hierbei
forderungen bezüglich Kosten, Perfor-            Anlagen zu beachten:                           ergaben sich gerade zu Beginn neue,
mance und Qualität. Die Auswahl und                                                             teilweise ungewohnte Herausforde-
Entwicklung geeigneter Fertigungs-               • Erreichung von hohen Sicherheits-            rungen, da viele der Lieferanten erst-
konzepte ergibt sich dabei zwangs-                 und Gesundheitsschutzanforde-                malig Anlagen für automobile Anwen-
läufig aus dem Design und den Pro-                 rungen, wie die Vermeidung von               dungen lieferten. Die für Lieferanten
duktanforderungen, die in Form von                 Unfällen und der Schutz der Mit-             geltenden speziellen Anforderungen
Zeichnungen, Toleranzen und Para-                  arbeiter                                     an die Prozesse und Betriebsmittel,
metern beschrieben sind. Auf dieser
Basis beginnt dann die Industriali-
sierung der Fertigungsprozesse mit
der Definition der einzelnen Prozess-
schritte und der Gegenüberstellung
alternativer Herstellverfahren. Am
Standort Kassel konzentrieren sich
diese Aktivitäten im Vorserien-Center,
wo hochqualifizierte Facharbeiter ma-
nuell und auf prototypischen Anlagen
erste Konzeptbaustufen-Antriebe her-
stellen. Gemeinsam mit Entwicklung,
Planung und Fertigung findet dabei
eine kontinuierliche Optimierung der
Prozessschritte statt. In dieser Phase
wird bereits berücksichtigt, ob und
wie sich spätere hochautomatisierte
Abläufe darstellen lassen.                       Produktentstehungsprozess für Elektroantriebe am Standort Kassel

Die zu erreichenden Ziele bei der                • Ergonomische Gestaltung der Ar-              aber auch die umfangreichen einzu-
Großserienproduktion von Elektroan-                beitsplätze unter Berücksichtigung           haltenden Vorschriften und die hohe
trieben sind dabei robuste Prozesse                der demografischen Entwicklung               Arbeitsteilung in der Automobilindu-
und niedrige Fertigungszeiten bei ho-              der Mitarbeiter                              strie waren den oftmals kleinen, mit-
hem Automationsgrad und geringen                 • Hohe Energieeffizienz mit gerin-             telständischen Unternehmen neu. Die
Investitionen. Außerdem ist eine Viel-             gen Energie- und Medienverbräu-              bisherige Industrialisierung der Ferti-
zahl von Richtlinien und Anforderun-               chen, wie z.B. elektrische Energie,          gungsprozesse kann daher insgesamt
Fertigung der E-Antriebe bei VW               technik nordhessen 2-2017         15

auch als Gemeinschaftsarbeit zusam-
men mit diesen Lieferanten gesehen
werden.

Auch auf Seiten des Betreibers der
Fertigungsanlagen verursachten die
neuen Fertigungsprozesse und –anla-
gen zu Beginn zusätzlichen Aufwand.
Um die richtigen Prozessparameter zu
finden und aufeinander abzustimmen,
mussten neues Wissen aufgebaut und
vielschichtige Erfahrungen gesam-
melt werden. Dies soll im Folgenden
beispielhaft an Schlüsselprozessen
der Statorfertigung erläutert werden.
Bei den Elektroantrieben für den
e-Golf und den e-up! handelt es sich
dabei um das Wickeln von Parallel-
drähten, das automatisierte Einziehen
dieser Drähte und das anschließende Beispiele für Prototypen-Prozesse: Isolation schneiden/prägen / Spulen wickeln / Spulen einzie-
Kontaktieren, zusammenfassend als hen / Imprägnieren (im Uhrzeigersinn von links oben)
Wickel- und Einziehtechnik bezeich-
net. In der Statorfertigung des Antrie- spulen, das Setzen der Spulen und de- Elektromaschinen für automobile An-
bes für den Golf GTE kommt hingegen ren Kontaktierung.                                 wendungen besteht allgemein in der
 GB_Kassel_Anz_Image-Heiz_140x100_4c_GB_Anz_Image
die  sogenannte Einzelzahnwicklung                                 24.02.16 21:31         Seite 1 einer maximalen Leis-
                                                                                       Erreichung
zum Einsatz. Die Schlüsselprozesse Die wesentliche Herausforderung tungsdichte, für die ein hoher Kup-
hierbei sind das Wickeln der Einzel- bei der Fertigung von Statoren für ferfüllgrad in den Nuten der Statoren

       Energie sparen
                                                                                                 Sanitärtechnik
                                                                                                 Heizungstechnik
                                                                                                 Klimatechnik
                                                                                                 Rohrleitungs- und Anlagenbau

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16          technik nordhessen 2-2017             Fertigung der E-Antriebe bei VW

erforderlich ist. Vor allem bei der Auto-          Obwohl bei dem Elektroantrieb des                   hier hohe Anforderungen beim indivi-
matisierung der Wickel- und Einzieh-               Golf GTE statt der Wickel- und Ein-                 duellen Positionieren der Drähte vor
technik besteht hierdurch ein Zielkon-
flikt zwischen dem Einbringen der
Drähte ohne die Isolation zu beschä-
digen und einer möglichst hohen Fer-
tigungsgeschwindigkeit. Erschwerend
kommt hinzu, dass die einzubringen-
den Drähte biegeschlaff sind. Gerade
bei der Inbetriebnahme der ersten An-
lagen zur Statorfertigung am Standort
Kassel wurden deshalb umfangreiche
Versuche mit verschiedenen Anlagen-
parametern von der Prozessgeschwin-
digkeit bis hin zur Kantenrundung
der Drahtführungen durchgeführt, bis
schließlich die geplante Fertigungs-
kapazität erreicht werden konnte.
Beim anschließenden Kontaktieren
wiederrum müssen viele einzelne,
isolierte Drähte mit einem Kabelschuh               Schlüsselprozesse bei der Statorfertigung von Elektroantrieben in Kassel
verbunden werden, sodass eine nie-
derohmige Verbindung entsteht. Auch                ziehtechnik eine Einzelzahnwicklung                 dem Schweißen bestehen. Insgesamt
hier ist es entscheidend, die richtigen            verwendet wird, bestehen hier ähnli-                konnte bei dieser Statorfertigung mit
Anlagenparameter zu finden, um bei                 che Herausforderungen. Zwar ist das                 der Einzelzahnwicklung aber ein hö-
großer Hitze und Verformung durch                  Einbringen des Kupfers bei Einzel-                  herer Automatisierungsgrad als bei
Einstemmen die Verbindung in der er-               spulen einfacher, jedoch ist dafür der              der Einziehtechnik erreicht werden,
forderlichen Güte sicherzustellen.                 Aufwand beim Kontaktieren höher, da                 vor allem, weil die Einziehtechnik

Schlüsselprozesse in der Statorfertigung e-Golf / e-up!: Wickeln von Paralleldrähten / Automatisiertes Einziehen / Kontaktieren (v. li. n. re.)

Schlüsselprozesse in der Statorfertigung Golf GTE: Wickeln von Einzelspulen / Spulen setzen / Kontaktieren (v. li. n. re.)
Fertigung der E-Antriebe bei VW                       technik nordhessen 2-2017      17

beim Konfektionieren des Wickelkop-
fes noch immer einen hohen manuel-
len Mitarbeitereinsatz erfordert. Von
Hand erfolgt hier das Bündeln von
Drähten und Aufschieben von Isola-
tionsschläuchen, sowie das Vorberei-
ten des elektrischen Verschaltens der
drei Phasen des Elektroantriebes. Um
die hohe erforderliche Qualifikation
der hierzu eingesetzten Mitarbeiter
sicherzustellen, durchlaufen diese ein
eigenes, standortspezifisches Prozess-
trainingscenter.

Zusätzlich zu neuen Fertigungs-
prozessen erweitert sich bei Elekt-
roantrieben auch das Portfolio der
Qualitätskontrolle. Einerseits benöti-
gen diese Antriebe neue elektrische      Konfektionierung des Wickelkopfes
Prüfungen, wie z.B. Widerstandmes-
sung, Stoßspannungsmessung und
Teilentladungsprüfung. Andererseits      mögliche Breitenelektrifizierung und               für nationale und internationale Ferti-
verändern sich aber auch die Anforde-    steigende Stückzahlen bei batteriebe-              gungsstandorte. Aufgrund der bisheri-
rungen bei bekannten Prüfungen wie       triebenen Fahrzeugen aus, um auch in               gen Aktivitäten ist der Standort Kassel
z.B. der Akustikprüfung. Obwohl hier     Zukunft sowohl weitere Elektroantrie-              für eine elektrische Zukunft sehr gut
schon eine große Erfahrung durch         be als auch neue Hybridgetriebe in Se-             aufgestellt.
die Geräuschprüfung von Getrieben        rie zu bringen. Diese Projekte können
besteht, stellen Elektroantriebe zu-     allerdings nur mit neuen hochauto-                                          Dieter Appelt
sätzliche Anforderungen, weil die        matisierten Anlagen mit großer Ferti-              Leitung Planung Geschäftsfeld Getriebe
Überlagerung durch Verbrennungs-         gungskapazität wirtschaftlich erfolg-                     Werk Kassel der Volkswagen AG
motorgeräusche entfällt. Das Opti-       reich umgesetzt werden. Gleichzeitig
mieren der Fertigung auf akustisch       erfolgt aus dem Volkswagenwerk
unauffällige Antriebe ist daher ein      Kassel heraus auch der Rollout der
langwieriger, iterativer Prozess, der    Elektrifizierung des Antriebsstranges
umfangreiches Know-how und Equip-
ment erfordert.

Darüber hinaus existieren viele weite-
re Herausforderungen bei der Indus-
trialisierung der Fertigungsprozesse
von Elektroantrieben, von denen das
Handling dünner Rotor-Stator Bleche,
eine hohe Wuchtgüte bei Rotoren, das
Handling und Führen von Permanent-
magneten und das Imprägnieren der
Wicklungen nur einige exemplarische
Beispiele für neue Prozesse sind.

Ausblick

Die aktuellen Anstrengungen am
Standort Kassel richten sich auf eine    Konzeptstudie I.D. mit Elektroantrieb aus Kassel
18         technik nordhessen 2-2017           Herausforderungen der E-Mobilität

Entwicklungen und Herausforderungen der Elektromobilität
Im Zuge der weiter voranschreitenden            Die Entwicklung der Elektromobilität
Elektromobilität bringen immer mehr             wird immer größere Auswirkungen
Fahrzeughersteller neue Modelle mit             auf die heutigen Verteilnetze haben,
wachsenden Reichweiten auf den                  denn die Ladesäulen werden in Wohn-
Markt. Mit diesem technologischen               gebieten oder an Verkehrsachsen und
Fortschritt und einem wachsenden                wichtigen Knotenpunkten, wie Auto-
Marktanteil von E-KFZ einhergehend              höfen oder stark frequentierten Bun-
gewinnt das Thema Ladeinfrastruktur             desstraßen, installiert. Das stellt die
zunehmend an Bedeutung. Zum Jah-                Netzbetreiber vor neue Herausforde-
resende 2016 waren bereits mehr als             rungen. Die heutigen Stromnetze sind
3.000 öffentlich zugängliche Ladesäu-           teilweise nicht für die Leistungen der
len in Deutschland verfügbar. Durch             Ladesäulen ausgelegt und eine intel-
das aktuell laufende Förderprogramm             ligente „Vernetzung“ der Ladesäulen,
des Bundes „Förderrichtlinie Ladein-            durch die das Netz entlastet werden
frastruktur für Elektrofahrzeuge in             könnte, ist gerade erst in der Entwick-
Deutschland“ sollen bis 2020 insge-             lung. In der Zukunft könnten Lade-            Dipl.-Wirtsch.-Ing. Nicolas Spengler hat an der
samt 300 Mio. Euro an Fördermitteln             säulen und Fahrzeuge in dem Maße              Universität Kassel Wirtschaftsingenieurwesen
für den Aufbau von bis zu 15.000 Lade-          miteinander kommunizieren, dass es            mit den Schwerpunkten Erneuerbare Energien
säulen zur Verfügung gestellt werden.           zu keiner Überlastung des Stromnet-           und Energieeffizienz studiert. Nach seinem
                                                zes kommen wird.                              Studium arbeitete er bei den Stadtwerken Wolf-
Die EAM hat mit ihren 50 Ladesäulen                                                           hagen in dem Bereich „Erneuerbare Energien
in den letzten Jahren bereits viel For-         Die EAM testet aktuell an den Stand-          und Energieeffizienz“ bis er im Oktober 2014 zu
schungsarbeit geleistet und Erfahrun-           orten Lohfeldener Rüssel und Kirch-           der EnergieNetz Mitte GmbH kam. Dort ist er
gen rund um den Betrieb der Anlagen             heimer Dreieck ein System zum dy-             für das Thema Smart Grid mit dem Fokus auf
gesammelt. In dem logischen nächs-              namischen Lastmanagement. Dabei               der Entwicklung innovativer Produkte für den
ten Schritt wird man sich mit der In-           wird die maximal mögliche Ladeleis-           Netzbetrieb verantwortlich.
tegration der steigenden Anzahl an              tung der Säule auf die angeschlosse-
Ladesäulen in das Netz und den damit            nen Fahrzeuge optimal verteilt. Somit         Herausforderungen bei der Integration
verbundenen Anforderungen an die                können mehrere Fahrzeuge parallel             von Lademöglichkeiten im Haushaltsbe-
Netzplanung und -berechnung ausei-              geladen werden, der Leistungsbezug            reich
nandersetzen.                                   aus dem Netz bleibt jedoch konstant.
                                                                                              Ein anschauliches Beispiel für die
                                                                                              künftigen Erfordernisse stellt der
                                                                                              Haushaltsbereich dar. Heute sind die
                                                                                              Verteilnetze so ausgelegt, dass die
                                                                                              Versorgung eines jeden angeschlos-
                                                                                              sen Haushaltes sichergestellt ist. Eine
                                                                                              steigende Anzahl von Elektroautos in
                                                                                              Verbindung mit der Forderung nach
                                                                                              höheren Leistungen der Ladesäulen
                                                                                              (bis zu 22 kW im Haushaltsbereich
                                                                                              und bis zu 300 kW im öffentlichen
                                                                                              Bereich) zeigt, dass die Netzbetrei-
                                                                                              ber sich den Aufgaben schon in der
                                                                                              nahen Zukunft stellen müssen. Dies
                                                                                              gilt insbesondere, wenn zu bestimm-
                                                                                              ten Zeitpunkten mehrere Fahrzeuge
Hochleistungs-Schnellladesäulen am Lohfeldener Rüssel, an denen ein dynamisches Lastmanage-   gleichzeitig einen bestimmten Netz-
ment getestet wird (Bild © EAM GmbH & Co. KG)                                                 abschnitt belasten, wie es z. B. zur
Herausforderungen der E-Mobilität             technik nordhessen 2-2017             19

klassischen Feierabendzeit in einem Wohngebiet der Fall
sein könnte.

Ziel muss es sein, die Rahmenbedingungen für die kosten-
effiziente Integration von Ladeinfrastruktur in das Strom-
netz zu schaffen. Vor diesem Hintergrund stellen sich den
Netzbetreibern eine Vielzahl von Fragen:

• Wie viele Fahrzeuge können in das Verteilnetz integ-
  riert werden?
• Wie sehr belastet die Elektromobilität den Netzbetrieb
  und dessen Betriebsmittel?
• Oder können die Fahrzeuge als Energiespeicher dienen
  und Netzausbau vermeiden.

Einige dieser Fragestellungen werden aktuell in der vom
Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr
und Landesentwicklung initiierten Verteilnetzstudie Hes-
sen adressiert, an der sich die EAM als Konsortialführer
eines Netzbetreiber-Konsortiums beteiligt.
                                                             Darstellung von Verbrauchern und Erzeugern im Zusammenspiel mit
Die derzeitigen Annahmen zur Berechnung von Lastflüssen      einem regionalen Flexibilitätsmarkt (Bild © House of Energy)
und Kurzschlussströmen werden zukünftig um Szenarien
erweitert werden müssen, in denen eine realistische Abbil-
dung des Ladeverhaltens vieler Nutzer Berücksichtigung       Dafür müssen Flexibilitätspotentiale und die möglichen
finden, um den nötigen Netzausbau planbar bestimmen zu       Vermarktungspotentiale der Fahrzeuge und der Ladeinfra-
können. Dabei werden Aspekte, wie Gleichzeitigkeit der       struktur ermittelt und in einem standardisierten Verfahren
Ladevorgänge, Ladeverhalten der Fahrzeuge, Anzahl der        präqualifiziert werden.
Ladesäulen und deren Leistung, eine große Rolle spielen.
                                                             Die Elektromobile können in dem System einen ähnlichen
Integration in einen regionalen Flexibilitätsmarkt           Platz wie stationäre Batteriespeicher einnehmen und auf-
                                                             grund von Marktanreizen antizyklisch geladen werden,
Eine weitere Möglichkeit wird im Rahmen des SINTEG-          um somit das Netz zu stabilisieren. Durch die zukünftige
Schaufensterprojektes C/sells von der EAM erforscht und      Kommunikation über intelligente Messsysteme und die
in einem Feldversuch erprobt. In dem Projekt C/sells         Nutzung von Energiemanagementsystemen im Haushalts-
werden massentaugliche Lösungen für eine sichere und         bereich können sich Ladeleistungen und Ladestände der
effiziente Vernetzung unterschiedlicher Energieinfrastruk-   Batterien danach richten, wie der aktuelle Zustand des
turen und Handelsmärkten demonstriert. Inhalt des Pro-       Netzes ist.
jektes, das die EAM gemeinsam mit der Universität Kassel
durchführt, ist die Einbindung von Erzeugern und Lasten                                                     Nicolas Spengler
in einen regionalen Flexibilitätsmarkt zur Bereitstellung                                            EnergieNetz Mitte GmbH
von netzdienlichen Flexibilitäten über einen marktba-                                                      Assetmanagement
sierten Mechanismus. Dabei sollen Photovoltaik-Anlagen,
Windparks, Industrieunternehmen, Batterie- oder Wärme-
speicher und auch Elektrofahrzeuge jeder Größe an einem
Marktplatz ihr netzdienliches Verhalten handeln können.
Der regionale Flexibilitätsmarktmechanismus wird mit ei-
nem Ampelkonzept gesteuert. Die Ampelphasen spiegeln
hierbei den prognostizierten Zustand eines Netzbereichs
zu einem bestimmten Zeitpunkt wider.
20         technik nordhessen 2-2017             Ladeinfrastruktur e-Mobilität

Ladeinfrastruktur e-Mobilität aus Nordhessen
Die Steinzeit endete nicht, weil keine             ren Normgehäuse von Spelsberg. Für
Steine mehr da waren. Wo wir heute                 das umhüllende Gehäuse werden Spe-
noch TANKEN, werden wir mit der e-                 zialbetone verwendet, die zusammen
Mobilität LADEN! Und Laden können                  mit führenden Experten wie der Kas-
wir an jeder Ecke, da wir ein bundes-              seler G.tecz Engineering, Dyckerhoff
weit fein verteiltes Stromnetz haben,              und Wiebusch Polymerbeton aus Volk-
aus dem wir schöpfen können. So ist                marsen entwickelt wurden.
die Ladestation die Synapse im intel-
ligenten Stromnetz – natürlich mit                 Die Ladestationen sind für den Start
Ökostrom und klimaneutral. Das Team                in die Elektromobilität konzipiert und
der PLUG´n CHARGE (Einstecken und                  jederzeit erweiterbar für die nächsten
Laden) GmbH aus Nordhessen setzt                   technischen Entwicklungsschritte. Sie
sich aus Fachleuten rund um die e-Mo-              bestehen aus Spezialbeton mit einem
bilität zusammen. PLUG´n CHARGE                    standardisierten Interface. Der Fahr-
(PNC) mit ihrer Zentrale in Bad Ems-               zeugbesitzer kann seinen eigenen Ste-
tal bei Kassel entwickelt und vertreibt            cker (Typ 2 oder Adapter) anschließen.         Dr. Christian Kahl, geboren 1970 in Herdecke im
Ladestationen. Dabei reicht die Palette            Die inneren Normgehäuse der Station            nördlichen Ennepe-Ruhr-Kreis, erwarb zusam-
von Serienprodukten bis hin zur Spe-               haben die Schutzart IP 44 und sind             men mit seinem Bruder Dr. Johannes Kahl 2007
zialanfertigung nach Kundenwunsch.                 für Betriebstemperaturen von -25°C             das Schloss Riede in Bad Emstal und machte es
Zum Angebot gehört natürlich auch                  bis +40°C ausgelegt. Sie sind für die          zum Ausgangspunkt verschiedener innovativer
die Betreuung nach dem Aufbau, wie                 Elektromobilität genormte Gehäuse,             Entwicklungen, zu denen auch die e-Mobilität
Überwachung, Wartung und Abrech-                   die eine einfache Umrüstung bzw.               gehört. Er ist seit 2011 Geschäftsführer der
nungsfunktion.                                     Erweiterung zu einem späteren Zeit-            Plug’n Charge GmbH, die, unterstützt vom Land
                                                   punkt möglich machen (Modularität),            Hessen und in Zusammenarbeit mit Hochschulen
Fest mit Nordhessen verwurzelt, kön-               und von einem äußeren Gehäuse aus              und Partnerunternehmen, eine eigene Produkt-
nen PNC-Produkte nicht typischer                   einem Spezialbeton mit speziellem De-          familie von Ladestationen für Elektrofahrzeuge
sein: zuverlässig, beständig, von ro-              sign (Folierung nach Kundenwunsch)             in Riede entwickelt hat (Bild © Privat)
buster Qualität und Made in Germany.               umgeben sind.
Die Ladetechnik kommt in Form eines
Partnermodells von Phoenix Contact                 Die technischen Komponenten sind               mit einer Ladebuchse IEC-Typ-2 gemäß
im westfälischen Blomberg, die inne-               in den Innen-Gehäusen integriert und           VDE-AR-E 2623-2-2 inkl. Deckel aus-
                                                                                                  gerüstet. Die automatische Erkennung
                                                                                                  des Ladekabels und die Steuerung des
                                                                                                  Ladestroms gemäß IEC 61851 bzw.
                                                                                                  VDE-AR-E 2623-2-2 wird durch den La-
                                                                                                  decontroller gewährleistet. Zusätzlich
                                                                                                  zur automatischen Verriegelung der
                                                                                                  Ladebuchse beim Ladevorgang wird
                                                                                                  eine Netzausfall-Steckerfreigabe ange-
                                                                                                  boten. Alle Stationen beinhalten einen
                                                                                                  Anschluss für 400 V AC, dreiphasig,
                                                                                                  22 kW. Die Ladeleistung von 22 kW
                                                                                                  wird automatisch auf 11 oder 3,7 kW
                                                                                                  angepasst. Zusätzlich kann jeder-
                                                                                                  zeit auf Kundenwunsch (u. a. wegen
                                                                                                  Netzkapazität) generell auf geringere
                                                                                                  Leistungen (z.B. 11kW oder 3,7kW)
e-Parkplatzsystem mit Masterstation in der Mitte und zwei Satelliten mit Dr. Christian Kahl und   heruntergeregelt werden. Weitere
dem fahrzeugeigenen Ladekabel (alle Bilder © (wd))                                                Komponenten sind u. a. ein Lastschütz
Ladeinfrastruktur e-Mobilität                    technik nordhessen 2-2017               21

40A, 4p, ein Fehlerstromschutzschal-    Systemüberwachung, d.h. die Online-              bargeldlosen ad-hoc-Ladens und Roa-
ter allstromsensitiv Typ B, je nach     Überwachung der Stationen bietet.                ming-Funktionen zur Abrechnung.
Ausführung auch mit der Möglichkeit     Die Vernetzung erfolgt über eine
einer automatischen Wiedereinschal-     RS485-Schnittstelle an die System-               Drei einzelne Ladestationen werden
tung, sowie entsprechende Netzteile.    überwachung. Weitere Funktionen für              zum e-Parkplatzsystem von PNC ver-
Damit sind die Voraussetzungen für      unterschiedliche Ladeanwendungen,                bunden. Das System besteht aus einer
ein diskriminierungsfreies und barri-   wie die Autorisierung über RFID, die             Masterstation und zwei e-Satelliten.
erefreies Laden gemäß europäischer      Energiezählung über einen geeichten              Hier bietet sich der richtige Einstieg in
Norm Mode 3 und mit einer im Mode 3     Smart Meter und die Datenübertra-                den Aufbau von Infrastruktur, da sich
automatischen Verriegelung während      gung an das PNC-eigene e-Mobility-               die einzelne e-Ladestation der PNC in
des Ladevorgangs gewährleistet.         Backend-System zur Verwaltung der                einem nächsten Schritt und jederzeit
                                        Nutzerdaten über LAN, GPRS oder                  zu einem e-Parkplatzsystem erweitern
Die Stationen sind je nach Ausführung   GSM stehen zur Verfügung. Darüber                lässt!
für das Laden im System vorbereitet.    hinaus befindet sich PNC momentan
Hierzu ist eine Systemsteuerung inkl.   im Zertifizierungsprozess zur Einbin-            Für den Privatgebrauch steht mit
der Möglichkeit zur Datenkommuni-       dung der Station in weitere e-Mobility           den gleichen technischen Daten wie
kation enthalten, welche auch eine      Systeme, sowie zur Einrichtung des               bei einer einzelnen Ladestation eine

      Unsere Kraftwerke der Zukunft
      Die Zukunft der Energieversorgung ist dezentral und erneuerbar. Davon sind wir über-
      zeugt. Deshalb haben wir 2009 beschlossen, die Energiewende hier bei uns in Nordhes-
      sen selbst in die Hand zu nehmen. Seitdem haben wir vier Windparks projektiert, die im
      langjährigen Mittel pro Jahr rund 158,8 GWh* sauberen Strom ins Nordhessische Netz
      einspeisen. Genug, um rechnerisch 52.900 Haushalte mit einem Verbrauch von 3.000 kWh
      klimaneutral zu versorgen.
                                              *P75-Ertrag: Prognoseertrag, der mit 75-prozentiger Wahrscheinlichkeit erreicht wird.

        /swkassel
      sw-kassel.de
22         technik nordhessen 2-2017        Ladeinfrastruktur e-Mobilität

                                             Hintergrund

                                             Das höchste Lob in Nordhessen lau-
                                             tet, wenn jemand sagt: Is´ ma was
                                             Anneres! Dieses Lob aus berufenem
                                             Munde lasen wir zunächst nur unter
                                             http://plugncharge.de, aber nach
                                             dem aufschlussreichen Besuch auf
                                             Schloss Riede und dem Gespräch mit
                                             Dr. Christian Kahl kurz vor Redakti-
                                             onsschluss dieser Ausgabe der „tn“
                                             schließt sich die Redaktion diesem
                                             Urteil vorbehaltlos an: Keine unle-
                                             serlichen Displays bei Sonnenschein,
                                             einfache Bedienung über RFID, den
                                             nach VDE genormten Stecker und
                                             vieles, vieles mehr. Weiter so!
Dr. Christian Kahl mit fahrzeugeigenem La-                                                   Über einen Browser und einen WLAN-Hotspot
dekabel mit Stecker Typ 2 an der mittleren                                          (wd)     in der mittleren Ladesäule wird der Ladevor-
Ladestation                                                                                  gang gestartet

e-Wallbox und für e-Bikes steht das          Die Stationen haben sich seit zwei
PedelecLadeSystem mit 4, 6 oder              Jahren an verschiedenen Aufstel-
12 Ladepunkten und Freigabe über             lungsorten zwischen München und
Smartphone-App zur Verfügung.                Hamburg in der Praxis bewährt. Ge-
                                             rade wird eine deutsche Touristikrou-
Seit 2016 bietet PNC somit alle Lade-        te mit PNC Produkten elektrifiziert
stationen für Elektrofahrräder und           (www.maerchenstrasse-emobil.de).
Elektroautos. Es gibt Ladestationen für
alle Lademodi verschiedener Stärken                                Dr. Christian Kahl
sowie die verschiedenen Spannungen                              Plug´n Charge GmbH
der Fahrradakkus. Es gibt Ladestati-
onen für die verschiedenen Aufstel-
lungsorte: Garage, Stellplatz, Tiefgara-
ge, Parkplätze, für Wandmontage, als
Standsäule oder als Satellitensysteme,
kabelgebunden und steckergebunden.
Die Ladestationen für e-Autos und Pe-
delecs folgen einem modularen Auf-
bau und bedienen damit die ganze
Palette der Ladeinfrastruktur: über
die Ausrüstung von Parkdecks, bei der
es auf kostengünstige Einzelprodukte
ankommt, bis zu Lösungen für Unter-
nehmen sowie öffentliche Ladestatio-
nen, sind alle denkbaren Anwendun-
gen vorhanden. Um allen zukünftigen
technischen Entwicklungen gerecht
zu werden verfügen die Ladestationen
von PNC über Technik im deutschen            Der Fahrrad-Akku wird mit seinem eigenen Ladegerät geladen, welches diebstahlsicher in der
Industriestandard.                           blauen Box untergebracht ist
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