Umsetzung der Einweisungsverpflichtung für medizinprodukte - HandlungsempfeHlung - für Hersteller, anwender, Betreiber und gesetzgeber - APS

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Umsetzung der Einweisungsverpflichtung für medizinprodukte - HandlungsempfeHlung - für Hersteller, anwender, Betreiber und gesetzgeber - APS
Handlungsempfehlung

Umsetzung der
Einweisungsverpflichtung
für Medizinprodukte
Für Hersteller, Anwender, Betreiber
und Gesetzgeber

                                      1
Kurzüberblick (Executive Summary)
                                                            Einweisungen sind Schulungen, die den Anwendern Informationen zur si-
    Adressaten                                              cheren Anwendung des Medizinprodukts vermitteln müssen.
    • Gesetzgeber und Gemeinsamer Bundesausschuss
                                                            Die Vollständigkeit und Qualität von Einweisungen für Medizinprodukte ist
    • Hersteller von Medizinprodukten2
                                                            wesentlich für die Patientensicherheit und muss sichergestellt werden. Dies
    • Betreiber von Medizinprodukten wie
                                                            erfordert Anstrengungen von Betreibern, Herstellern und Anwendern. Die
       Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen und Heime
                                                            Qualität der Einweisungen muss durch interne Audits und Aufsichtsinstitu-
       ambulante Pflegedienste
                                                            tionen überwacht werden.
       niedergelassene Ärzte
       Hebammen                                            Der Hersteller muss seine Einweisungen konzipieren und das Einweisungs-
       Rettungsdienste                                     konzept validieren, damit sie effektiv (inhaltlich richtig, vollständig und
       Physiotherapeuten …                                 wirksam) sind und die Anwender über die Risiken (Restrisiken) wirksam
    • Anwender                                              informiert werden. Dazu muss das Einweisungskonzept des Herstellers di-
    • Patienten und Angehörige                              daktisch an die einzuweisenden Personenkreise angepasst sein.
    • Benannte Stellen
                                                            Die vom Hersteller befugte Person zur Einweisung (zum Beispiel Medizin-
    • Landesbehörden
                                                            produkte-Berater) ist verpflichtet, den Anwendern nach dem Einweisungs-
    • Zertifizierungseinrichtungen
                                                            konzept des Herstellers einzuweisen.
    • Festsetzer von Entgelten
    • GKV-Spitzenverband                                    Jeder Anwender muss nach der Einweisung den sicheren Umgang mit dem
    • Fachhändler als Leistungserbringer                    Medizinprodukt verstanden haben. Die Einweisung ersetzt kein Training an
    • Hersteller von Verwaltungs-Software                   den Medizinprodukten.
                                                            Der Betreiber muss die notwendigen Ressourcen für Einweisungen zur Ver-
                                                            fügung stellen. Das Risikomanagement der Betreiber von Medizinprodukte
                                                            hat die Aufgabe, auch die Umsetzung der Einweisungsverpflichtung sicher-
                                                            zustellen.
                                                            Das nationale Medizinproduktrecht sollte festlegen, dass die Informatio-
                                                            nen zur Sicherheit in den Einweisungen vermittelt werden müssen.
                                                            Einweisungen binden nennenswerte Ressourcen der Gesundheitseinrich-
                                                            tungen. Die Vergütungssysteme müssen deshalb den Einweisungsaufwand
                                                            abbilden.
                                                            Im Rahmen der Konformitätsbewertung sowie bei der Auditierung von Her-
                                                            stellern und Betreibern ist auch auf den korrekten Umgang mit der Einwei-
                                                            sungsthematik zu achten.
                                                            Diese Handlungsempfehlung setzt sich nicht mit Methodik und Didaktik
                                                            der Einweisungen auseinander.

    2 Kursiv gedruckte Begriffe sind im Glossar erläutert

2                                                                                                                                         3
Inhalt                                              5. Anhang						37
                                                          5.1 Gesetzliche Grundlagen			               37
    Kurzüberblick (Executive Summary)			            3     5.2 Beispiele für steigende Komplexität und
    1. Zielsetzung						 6                                    Vielfalt von Medizinprodukten			38
                                                          5.3 Glossar						39
    2. Problemstellung					 7
                                                              5.3.1 Anwender					39
    3. Ist-Zustand						 8                                    5.3.2 Arbeitsschutz				39
      3.1 Relevanz					 8                                     5.3.3 Vom Betreiber beauftragte Person		 39
      3.2 Einweisungsdefizite				 8                           5.3.4 Betreiber					40
      3.3 Einweisung					10                                   5.3.5 Bringschuld				40
          3.3.1 Gesetzliche Verpflichtungen		 10              5.3.6 Compliance				40
          3.3.2 Normen					15                                 5.3.7 Einweisung				40
          3.3.3 Überwachung				16                             5.3.8 E-Learning				41
          3.3.4 Weitere Rahmenbedingungen		   19              5.3.9 Holschuld					41
                                                              5.3.10 Laiengerät				41
    4. Empfehlungen					22
                                                              5.3.11 Lernerfolgskontrolle			42
      4.1 Einweisung					22
                                                              5.3.12 Medizinprodukt				42
      4.2 Gesetzgeber					24                                  5.3.13 Medizinprodukte-Berater			43
      4.3 Hersteller von Medizinprodukten		 26                5.3.14 Medizinprodukte-Buch			43
      4.4 Betreiber					28                                    5.3.15 Patienteneigenes Medizinprodukt   43
          4.4.1 Rahmenbedingungen der Betreiber 28            5.3.16 Restrisiko				43
          4.4.2 Organisation der Betreiber		 29               5.3.17 Risiko					44
      4.5 Vom Betreiber beauftragte Personen		     31         5.3.18 Schulung				44
      4.6 Anwender					32                                     5.3.19 Sicherheit				44
                                                              5.3.20 Training					44
      4.7 Patienten und Angehörige			              33
                                                              5.3.21 Unerwünschtes Ereignis			44
      4.8 Benannte Stellen				33
                                                              5.3.22 Unterweisung				44
      4.9 Landesbehörden				33
                                                          5.4 Verzeichnisse					45
      4.10 Zertifizierungseinrichtungen			34                  5.4.1 Abkürzungsverzeichnis			45
      4.11 Entgeltfestsetzungen				34                         5.4.2 Literatur					46
      4.12 GKV-Spitzenverband				35                     Feedback 						50
      4.13 Fachhändler als Leistungserbringer		    35
                                                        Hinweise 						50
      4.14 Hersteller von Verwaltungs-Software		   35
                                                        Impressum    					51

4                                                                                                            5
1. Zielsetzung                                                                    2. Problemstellung
    Diese Handlungsempfehlung will Patienten besser vor Fehlern bei der Anwen-        Mangelhafte Einweisungen gefährden Patienten und Anwender
    dung von Medizinprodukten schützen.
                                                                                      Die sichere Anwendung von Medizinprodukten erfordert fundierte Kenntnis-
    Die Praxis der Einweisung ist, wie seit langem diskutiert, häufig unzureichend.   se sowie Erfahrung. Diese Kenntnisse werden unter anderem in Schulungen
    Bekannt sind Mängel in deren Vollständigkeit und Richtigkeit, der organisato-     vermittelt. Einweisungen und Unterweisungen sind Schulungen. Einweisungen
    rischen Umsetzung, der Compliance der Anwender, den gesetzlichen Rege-            dienen dem Schutz von Patienten, Anwendern und Dritten. [Böckmann und
    lungen sowie der Auditierung von Einweisungen.                                    Frankenberger 1994]

    Diese Handlungsempfehlung                                                         In einer Einweisung vermittelte Kenntnisse unterliegen einem Vergessenspro-
    • beschreibt den Ist-Zustand der Einweisungspraxis,                               zess, zum Beispiel, wenn die Medizinprodukte selten verwendet werden.
    • die Vorgaben in Gesetzen, Verordnungen und Normen,                              Vermittlung und Erwerb der erforderlichen Kenntnisse sind sowohl Bestandteil
                                                                                      des Risikomanagements des Herstellers als auch des Betreibers. Der Anwen-
    • gibt Empfehlungen zum Soll-Zustand und wie er erreicht werden kann
                                                                                      der ist verpflichtet, vor der Anwendung eines Medizinprodukts die notwendi-
    • und beschreibt, wie die Vollständigkeit und Effektivität von Einweisungen       gen Kenntnisse und Erfahrungen zu erwerben.
       sichergestellt werden kann.
    Wegen der Komplexität der Einweisungsthematik richtet sich diese Handlungs-       Bei den aktiven, patienteneigenen Medizinprodukten gibt es wenig Angebote
    empfehlung an alle beteiligten Institutionen, Gruppen und Akteure im Einzel-      für klinische Anwender, die notwendigen Kenntnisse zu erwerben. Postopera-
    nen:                                                                              tiv sehen die klinischen Anwender das patienteneigene Medizinprodukt häufig
    • Gesetzgeber und Gemeinsamer Bundesausschuss                                     erst wenn es gemeinsam mit dem Patienten in den Aufwachraum gebracht
    • Hersteller von Medizinprodukten                                                 wird.
    • Betreiber von Medizinprodukten wie                                              Verschiedene Untersuchungen und auch die Erfahrungen der Experten aus
        Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen und Heime                                  dem Arbeitskreis haben gezeigt, dass die erforderlichen Einweisungen nicht
        ambulante Pflegedienste                                                      immer oder nicht immer mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt werden.
        niedergelassene Ärzte                                                        [Bohnet-Joschko et al. 2015]
        Hebammen
        Rettungsdienste                                                              Personalknappheit oder Zeitdruck zwingen außerdem Anwender häufig, sich
                                                                                      eigenverantwortlich zwischen Krankenversorgung oder dem Kenntniserwerb
        Physiotherapeuten …
                                                                                      durch Einweisung zu entscheiden. [Hölscher et al. 2016] Diese Umstände sind
    • Anwender                                                                        in vielen Gesundheitseinrichtungen bekannt und werden häufig von der Lei-
    • Patienten und Angehörige                                                        tung als auch den Mitarbeitern toleriert. Oft wird dieser Umstand durch das
    • Benannte Stellen                                                                Qualitätsmanagement jedoch weder auditiert noch bewertet.
    • Landesbehörden
    • Zertifizierungseinrichtungen                                                    Trotz Ausweitung und Verschärfung der Vorschriften und Strafandrohung
                                                                                      bleibt der Anteil der mit mangelhafter Einweisung verbundenen Unerwünsch-
    • Festsetzer von Entgelten
                                                                                      ten Ereignisse ein großes Problem. [Jung et al. 2000]
    • GKV-Spitzenverband
    • Fachhändler als Leistungserbringer
    • Hersteller von Verwaltungs-Software

6                                                                                                                                                                    7
3. Ist-Zustand                                                                  • „Einweisungs-Wellen“ vor angekündigten Begehungen der Landes-
                                                                                      behörde.
    Die in diesem Kapitel aufgezeigten Defizite sollen durch Empfehlungen in        • Die Vollständigkeit der Informationen zu Restrisiken wird nicht
    Kapitel 4 behoben werden.                                                         überprüft.
                                                                                    • Das Wissen über Restrisiken ist bei Anwendern nur teilweise abruf-
                                                                                      bar.
    3.1 Relevanz                                                                    • Das verfügbare Fachwissen (zum Beispiel elektrotechnische Zusam-
                                                                                      menhänge zur sicheren Anwendung von Hochfrequenzchirurgiege-
    Ab den 1980er Jahren weisen Studien darauf hin, dass bis zu 60 % aller Ver-       räten) ist unvollständig.
    letzungen oder Todesfälle auf die fehlerhafte Anwendung von medizintechni-      • Einweisungen werden ohne Einweisungskonzept des Herstellers
    schen Geräten zurückzuführen sind [Cooper et al. 1984; Trappe 1988; Häh-           durchgeführt.
    nel und Friesdorf 1989; Bleyer 1992]. Ursächlich waren primär mangelhafte
    oder fehlende Einweisungen, Unkenntnis oder Leichtsinn der Anwender. Dies       • Einweisungskonzepte werden durch die Gesundheitseinrichtung
    war mit ein Anlass, am 14.01.1985 die Medizingeräteverordnung (MedGV)              entwickelt, weil diese nicht auf ein Einweisungskonzept des Herstel-
    in der Bundesrepublik einzuführen. In ihr wurde die Einweisung für eine Reihe      lers zurückgreifen kann.
    von Medizingeräten vorgeschrieben. Die MedGV wurde 1994 durch das MPG           • Für Einweisungen steht kein ruhiger Raum zur Verfügung.
    und seine Verordnungen abgelöst.                                                • Einweisungen werden gestört.
    Eine strukturierte Literaturrecherche hat ergeben, dass nur wenige Untersu-     • Einzuweisende werden herausgerufen.
    chungen zur Thematik stattgefunden haben. [Bohnet-Joschko et al. 2015]          • Die Gruppengröße verhindert freie Sicht für hinten befindliche
    Belastbare Aussagen zur Relevanz von Patientenschäden nach fehlerhafter           Personen.
    Einweisung können deshalb nicht gemacht werden. Mangelnde Meldecom-             • Es wird keine Möglichkeit geboten, ausreichend selbst mit dem
    pliance sowie fehlende Ursachenanalyse tragen zu der mageren Datenlage
    bei. [Hölscher et al. 2014]                                                        Medizinprodukt umzugehen und die Bedienung oder Anwendung
                                                                                       zu üben.
                                                                                    • Erst- und Wiederholungs-Einweisungen werden nicht differenziert.
                                                                                      Einige Einzuweisenden sind unter-, andere überfordert.
    3.2 Einweisungsdefizite                                                         • Anwender setzen vor ihrer Einweisung Medizinprodukte eigenver-
                                                                                       antwortlich am Patienten ein.
    Den Experten der Arbeitsgruppe sind folgende Defizite aus ihrer Berufspraxis
    bekannt:                                                                        • Einzuweisende können in den Einweisungen keine Fragen stellen.

    •   Einweisungen werden nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt.              • Eine Lernkontrolle wird nicht eingesetzt.

    •   Anwender lassen sich nicht einweisen.                                       • Ein Angebot für Wiederholungs-Einweisungen ist nicht vorhanden.

    •   Einweisungen werden rückdatiert.                                            • Wiederholungs-Einweisungen werden nicht genutzt.
    •   Einweisungen sind unvollständig.
    • Die Einweisungsdauer wird auf Vorgabe der Gesundheitseinrich-
      tung verkürzt.

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3.3 Einweisung                                                                                       durch den Hersteller verifiziert werden. [DIN EN ISO 14971:2013]
                                                                                                          Der Entwurf der zukünftigen EU-Verordnung lässt die Einweisung als Zubehör
     Die gesetzlichen Forderungen sollen die Sicherheit der Patienten, der Anwen-                         klassifizieren. [EU Commission 2016] Sie fordert außerdem explizit ein effek-
     der und Dritter gewährleisten. [MPG:2013] Medizinprodukte dürfen nur nach                            tives Risikomanagement des Herstellers und spezifiziert die Anforderungen im
     Maßgabe der MPBetreibV errichtet, betrieben, angewendet und in Stand ge-                             Anhang I Kap. III an die vom Hersteller gelieferten Informationen.
     halten werden. [MPG:2013]                                                                            Hierbei müssen die technischen Kenntnisse, Erfahrungen und Aus- und Wei-
                                                                                                          terbildung der Anwender und gegebenenfalls die Anwendungsumgebung be-
                                                                                                          rücksichtigt werden.

     3.3.1 Gesetzliche Verpflichtungen                                                                    Art und Umfang der Schulungen hängen von mehreren Faktoren ab:
                                                                                                          • von den im Entwicklungsprozess festgelegten
                                                                                                            Maßnahmen zur Risikobeherrschung,
     3.3.1.1 Medizinprodukterecht
                                                                                                          • von den technischen Kenntnissen, der Erfahrung, der
     Medizinprodukte-Hersteller                                                                             Aus- und Weiterbildung, gegebenenfalls der Anwen-
     Die Herstellung von Medizinprodukten ist in Europa durch die Medizinproduk-                            dungsumgebung sowie der Verfassung der vorgesehe-
     terichtlinie geregelt. [EG 2007/47:2007] Die Grundlegenden Anforderungen                               nen Anwender und
     darin legen fest, dass etwaige Risiken im Zusammenhang mit der vorgesehe-                            • von weiteren gesetzlichen Vorgaben, zum Beispiel zur
     nen Anwendung gemessen am Nutzen für den Patienten vertretbar sein müs-                                Einweisung.
     sen und durch Anwendungsfehler bedingte Risiken weitestgehend verringert
     werden müssen. Dabei sind dem Stand der Technik und der Praxis Rechnung                              In der praktischen Umsetzung heißt das, dass zwei augenscheinlich vergleich-
     zu tragen.                                                                                           bare Produkte durchaus unterschiedliche Ansätze der Risikominimierung ver-
                                                                                                          wenden und sich daher auch in der Schulungsintensität deutlich unterscheiden
     Der Hersteller muss also die Risiken soweit reduzieren, dass das Restrisi-                           können. Abhängig von Produkt und Hersteller kann es vorkommen, dass eine
     ko akzeptabel ist2. Die Grundsätze der integrierten Sicherheit fordern: Nur                          Belieferung durch den Hersteller erst erfolgt, wenn detaillierte Schulungen der
     wenn eine sichere Konstruktion oder Schutzmaßnahmen nicht möglich oder                               Anwender erfolgt und dokumentiert sind.
     nicht ausreichend sind, darf der Hersteller das Risiko durch Unterrichtung der
     Benutzer über die Restrisiken (Informationen zur Sicherheit) reduzieren. Ge-                         Das Risikomanagement eines Herstellers muss auch die Sammlung und Aus-
     brauchsanweisung und alle weiteren Informationen zur Sicherheit sind Teil des                        wertung von Informationen aus den der Herstellung nachgelagerten Phasen
     Medizinprodukts. Die Einweisung übermittelt Informationen zur Sicherheit an                          umfassen. [DIN EN ISO 14971:2013] Hierzu gehören sowohl die Auswertung
     den Anwender und ist damit Teil des Medizinprodukts.                                                 von Informationen zu Vorkommnissen als auch Erkenntnisse von Medizinpro-
                                                                                                          dukte-Beratern, dass Anwender essentielle Kenntnisse und Fertigkeiten in Be-
     Alle Maßnahmen zur Risikobeherrschung müssen vom Hersteller auf ihre                                 zug auf das betrachtete Medizinprodukt nicht oder nur unvollständig besitzen
     Wirksamkeit untersucht werden. [E DIN EN 62366-1:2014] Zudem müssen                                  oder die Einweisungen verkürzt werden. In solchen Fällen muss ein Hersteller
     die Umsetzung und Wirksamkeit dieser Risikobeherrschungsmaßnahmen                                    seine Einweisungen und Einweisungspraxis verbessern.

                                                                                                          Die Einweisung ist einerseits ein Mittel zur Risikokommunikation und damit
     2 Die Restrisiken, die der Hersteller für sein Medizinprodukt identifiziert hat, sind die Risiken,   ein Instrument der Risikobeherrschung [DIN EN ISO 14971:2013]. Anderer-
     mit denen der Anwender umzugehen hat. Der Begriff Restrisiko ist bei Anwendern weitgehend            seits ist sie ein Teil der Benutzer-Produkt-Schnittstelle [DIN EN 62366:2016].
     unbekannt. Deshalb wird zur besseren Verständlichkeit im weiteren Text durchgehend von Risiko
     gesprochen, auch wenn das Restrisiko gemeint ist.
                                                                                                          Das Erreichen der Ziele der Einweisung muss deshalb verifiziert und validiert

10                                                                                                                                                                                          11
werden. Die Verifikation überprüft in Form eines Typtests vor dem Konformi-          Anwendung und Betrieb von den Medizinprodukten, die in Anlage 1 gelis-
     tätsbewertungsverfahren, ob alle notwendigen Risikoinformationen in der Ein-         tet sind, ohne Ersteinweisung sowie die unrichtige Führung des Medizinpro-
     weisung enthalten sind und didaktisch und methodisch adäquat transferiert            dukte-Buches. Diese Sanktionsandrohung ist aber wenig wirksam, weil der
     werden. Die Validierung nach dem Inverkehrbringen kann nicht generell er-            Mindestinhalt der zu dokumentierenden Einweisung vage bleibt und so die
     folgen. Hier helfen nur Tests, ob die eingewiesenen Personen die notwendigen         Feststellung einer pro-forma-Einweisung kaum gelingen kann.
     Risikoinformationen verstanden haben. [E DIN EN 62366-1:2014]                        Die Verpflichtung für Wiederholungs-Einweisungen ergibt sich, wenn erforder-
     Ein Hersteller darf Informationen an Fachkreise abgeben und einweisen nur            liche Kenntnisse vergessen wurden, implizit aus der Forderung nach sicherer
     über Personen, die für die jeweiligen Medizinprodukte die erforderliche Sach-        Anwendung.
     kenntnis und Erfahrung besitzen (Medizinprodukte-Berater). [MPG:2013;
     Böckmann und Frankenberger 1994] Der Medizinprodukte-Berater muss die                Für Laiengeräte (z.B. automatische elektrische Defibrillatoren) enthält die MP-
     Erfüllung der gesetzlichen Einweisungspflicht bescheinigen. Eine unkorrekte          BetreibV eine Ausnahme von der Einweisungspflicht. [MPBetreibV:2017]
     Einweisung darf nicht bescheinigt werden. Dokumentiert der Medizinproduk-            Die Betreiberpflichten für Patienteneigene Medizinprodukte werden durch die
     te-Berater falsch, zum Beispiel auf Druck vom Betreiber, ist dieses sehr kritisch,   neue MPBetreibV geregelt und den Krankenkassen, Pflegekassen beziehungs-
     da das Dokument der Landesbehörde zur Einsicht bei deren Kontrollen vor-             weise Sanitätshäusern übertragen. (§3 Abs. 2)
     gelegt werden muss.

     Die Einweisung der Vom Betreiber beauftragten Person hat für Medizinproduk-          Verantwortung des Betreibers
     te der Anlage 1 laut § 10 Abs. 1 Nr. 2 anhand der Gebrauchsanweisung zu              Die Verantwortung des Betreibers regelt § 3 MPBetreibV. Er muss die organisa-
     erfolgen. [MPBetreibV:2017] Die Einweisung anderer Anwender soll laut § 10           torischen Rahmenbedingungen schaffen und sicherstellen, dass alle Anwender
     Abs. 2 unter Berücksichtigung der Gebrauchsanweisung erfolgen. [ebenda]              die erforderlichen Einweisungen und ggfs. auch Wiederholungs-Einweisungen
                                                                                          zur Aufrechterhaltung der Kenntnisse erhalten. Zudem verlangen Qualitäts-
     Im Allgemeinen sind Gebrauchsanweisungen didaktisch für das Lesen konzi-             management und Risikomanagement die Auditierung der wichtigsten Prozes-
     piert und deshalb für Einweisungen eher ungeeignet. Der Bezug auf die Ge-            se, wozu auch die ordnungsgemäße Einweisung gehört. Diese Bringschuld ist
     brauchsanweisung entstammt der [MedGV:1985] und sollte wahrscheinlich                Geschäftsführern der Betreiberorganisationen zum Teil nicht bekannt.
     sicherstellen, dass die Einweisung vollständig und richtig ist. Allerdings nimmt
     der deutsche Gesetzgeber durch diese Formulierung Einfluss auf die Form der
     Einweisung, die nach europäischem Recht als Teil des Medizinprodukts aber            Verantwortung des Anwenders
     in der alleinigen Verantwortung des Herstellers liegt (s.o.).                        Der Anwender handelt immer in eigener Verantwortung und darf ein Medizin-
                                                                                          produkt erst dann anwenden, wenn er sicher im Umgang und der sachgerech-
                                                                                          ten Anwendung ist. Aus § 4 Abs. 2 und 3 MPBetreibV leitet sich die Verpflich-
     Medizinprodukte-Betreiber                                                            tung des Anwenders ab, sich eigenständig um erforderliche Einweisungen und
     § 4 Abs. 2 der MPBetreibV erlaubt die Anwendung von Medizinprodukten nur             gegebenenfalls auch um Folgeeinweisungen zu bemühen (Holschuld).
     solchen Personen, die die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und
     Erfahrung besitzen. Nach §4 Abs. 3 muss in die sichere Anwendung aller               Diese Holschuld und der Tatbestand eines Vergehens bei fehlender Einwei-
     Medizinprodukte eingewiesen werden. §10 Abs. 3 MPBetreibV schreibt vor,              sung sind Anwendern zum Teil nicht bekannt.
     dass die Einweisungen für die in der Anlage 1 aufgeführten Medizinprodukte
     im Medizinprodukte-Buch zu dokumentieren sind.
     Die MPBetreibV definiert verschiedene Ordnungswidrigkeiten, zum Beispiel

12                                                                                                                                                                          13
3.3.1.2 SGB V und G-BA Richtlinien                                                  3.3.2 Normen
     Qualitätsmanagement ist für die Einrichtungen des Gesundheitswesens durch           In der DIN EN 15224 sind die Anforderungen der allgemeinen Qualitäts-
     § 135a Abs. 2 Nr. 2 des SGB V mandatorisch. Dementsprechend hat der                 management-Norm DIN EN ISO 9001 auf die spezifischen Situationen im
     Gemeinsame Bundesausschuss die Qualitätsmanagement-Richtlinie Kran-                 Gesundheitswesen angepasst. Die DIN EN 15224 fordert analog zu der DIN
     kenhäuser (KQM-RL), die Qualitätsmanagement-Richtlinie vertragsärztliche            EN ISO 9001, dass
     Versorgung und die Qualitätsmanagement-Richtlinie vertragszahnärztliche             • die oberste Leitung das Qualitätsmanagementsystem der
     Versorgung veröffentlicht. Es ist geplant, die 3 Richtlinien durch eine übergrei-     Organisation in geplanten Abständen bewerten muss,
     fende Qualitätsmanagement-Richtlinie zu ersetzen. [QM-RL:2015]                        um dessen fortdauernde Eignung, Angemessenheit und
     Keine dieser Einzel-Richtlinien als auch die sektorübergreifende Richtlinie           Wirksamkeit sicherzustellen (§5.6). Dadurch wird unter
     enthalten Detailregelungen. Details müssen derzeit durch die einzelnen Leis-          anderem auditiert, ob die verfügbaren Ressourcen ein ge-
     tungserbringer festgelegt werden.                                                     setzeskonformes Einweisungswesen erlauben,

     Die Ausgestaltung des klinischen Risikomanagements ist in der Richtlinie des        • die Organisation die Notwendigkeit von Schulungen (und
     G-BA [KQM-RL:2014] nur partiell skizziert. Zwar wird dort die Verpflichtung           damit auch die von Wiederholungsschulungen) ermitteln
     der Leitung zur Definition der Risikostrategie angesprochen, die Überprüfung          und für deren Umsetzung sorgen muss (§ 7.2),
     des Rahmens und dessen Anpassung bei Notwendigkeit sind regulatorisch               • der Erfolg einer Schulung durch die Organisation geprüft
     jedoch bisher ausgespart. Der übliche PDCA-Zyklus ist angelegt, nur getrof-           werden muss, um die Wirksamkeit der ergriffenen Maß-
     fene Maßnahmen nicht aber die Wirksamkeit der Rahmenbedingungen zu                    nahme beurteilen zu können (ebenda).
     überprüfen.
                                                                                         Der § 7.2 weist darauf hin, dass diese Anforderungen ebenso auf externes als
     Auch die jährlichen Statistikdaten nach § 135a und § 137 SGB V geben kei-           auch auf vertraglich gebundenes Personal, das in klinische Prozesse einge-
     ne Auskunft, ob die Leitungsebene zum Beispiel die notwendigen Ressourcen           bunden ist, anzuwenden sind.
     bereitstellt, die Umsetzung der eigenen Vorgaben zur Qualitätspolitik wirksam
     auditiert und gegebenenfalls den Rahmen anpasst.                                    Ohne solche Audits kann das Qualitätsmanagement unerkannt aus dem Ru-
                                                                                         der laufen.

     3.3.1.3 Arbeitsschutzgesetz                                                         Die Überprüfung des Rahmens und dessen Anpassung bei Notwendigkeit
                                                                                         sind genauso wie im Qualitätsmanagement unverzichtbare Bestandteile des
     Das Arbeitsschutzgesetz dient dazu, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz        Risikomanagements. Dies ist deshalb in den verschiedenen Normen zum Ri-
     der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu             sikomanagement ausgeführt. [ISO 31000:2009; ONR 49000:2010; DIN EN
     sichern und zu verbessern. [ArbSchG:2015] § 12 verpflichtet den Arbeitge-           ISO 14971:2013; Brühwiler 2008, 2012]
     ber/Betreiber, die Anwender regelmäßig zu unterweisen, wenn Sicherheit und
     Gesundheitsschutz des Anwenders dies erfordern. Dies beinhaltet auch die
     Unterweisung in neue Arbeitsmittel. Man muss daraus ableiten, dass neben
     den in der Anlage 1 aufgeführten Medizingeräten auch solche Medizinpro-
     dukte regelmäßig unterweisungspflichtig sind, die eine Gefährdungssituation
     für den Mitarbeiter darstellen. [Berufsgenossenschaft Holz und Metall 2015]
     Dies ist Betreibern von Gesundheitseinrichtungen zum Teil nicht bewusst.
     Die Strahlenschutzverordnung und die Röntgenverordnung verlangen jährli-
     che Unterweisungen. [StrlSchV; RöV]

14                                                                                                                                                                      15
3.3.3 Überwachung                                                                Medizinprodukte sind vielfältig und teilweise komplex und erfordern ent-
                                                                                      sprechend qualifiziertes Überwachungspersonal aus unterschiedlichen Be-
                                                                                      rufsgruppen (medizinisches Personal, Pharmazeuten, Ingenieure, Verwal-
     3.3.3.1 interne Überwachung                                                      tungs-fachpersonal usw.). Hieraus erklärt sich, dass auch Mitarbeiter ohne
                                                                                      medizintechnischen Hintergrund in der Überwachung tätig sind.
     Die innere Überwachung im Rahmen des Qualitäts- und Risikomanagements
     soll die ausreichende Ausgestaltung und Wirksamkeit des Rahmens (Politik,
     Aufgabendelegation und Ressourcen) überprüfen. Da die Gesetze und Richt-         Überwachung der Hersteller
     linien dieses zwar für die Hersteller von Medizinprodukten aber derzeit noch     Die Überwachung der Hersteller bezieht sich auf die Erfüllung der Vorausset-
     nicht für die Einrichtungen des Gesundheitswesens erfordern, ist vielfach die-   zungen für das erstmalige Inverkehrbringen gemäß der Europäischen Richt-
     ses wichtige Regulativ noch nicht installiert. Einrichtungen, die sich jedoch    linien sowie der nationalen Medizinprodukte-Gesetzgebung. Die Landesbe-
     nach einem Maßstab zertifizieren lassen, der diese Elemente enthält (zum Bei-    hörden überprüfen die Einweisungen der Betreiber durch den Hersteller oder
     spiel DIN ISO 15224), müssten zwangsläufig Defizite bei den Einweisungen         einer hierzu befugten Person nur selten.
     durch Audits erkennen und in der Folge abstellen.

                                                                                      Überwachung der Fachhändler als Leistungserbringer
     3.3.3.2 externe Überwachung                                                      Diese unterliegen zwar der Überwachung der Landesbehörden, werden aber
                                                                                      faktisch nur anlassbezogen kontrolliert. Da viele keine (Erst-)Einweisungen
     Überwachung durch die Landesbehörden bzgl. § 5 MPBetreibV                        durchführen, erhalten in diesen Fällen Patienten und Betreiber wie zum Bei-
     Nach § 26 Abs. 1 MPG muss die zuständige Behörde die Einhaltung der              spiel, niedergelassene Ärzte oder Physiotherapeuten die Risikoinformationen
     Vorschriften über Medizinprodukte überwachen. Die Überwachung ist Län-           nicht unmittelbar.
     dersache. [MPGVwV:2012] Die Landesbehörden vollziehen die Bundesgeset-
     ze in eigener Angelegenheit. Die Überwachung der Landesbehörden bezieht
     sich sowohl auf das Inverkehrbringen als auch das Betreiben von Medizin-         Überwachung der Betreiber
     produkten. Bundesweit sind die Aufgaben auf ca. 60 Behörden verteilt. [DIM-      Die Überwachung der Betreiber bezieht sich in diesem Kontext auf die drei Mo-
     DI 2015] Mit Problemen des Vollzuges des Medizinprodukterechtes und der          dule Aufbereitung (entsprechend der Empfehlung der Kommission für Kran-
     Koordination der Zusammenarbeit der Länder beschäftigt sich seit 2002 die        kenhaushygiene und Infektionsprävention und des Bundesinstitutes für Arznei-
     Arbeitsgruppe Medizinprodukte (AGMP) der Konferenz der Gesundheits- und          mittel und Medizinprodukte), Medizinprodukte-Management (entsprechend
     Arbeitsminister. Die Rahmenbedingungen für eine bundeseinheitliche, quali-       der MPBetreibV) und Qualitätssicherung labormedizinischer Untersuchungen
     tätsgesicherte Überwachung durch die Länder wurden zwischenzeitlich durch        (entsprechend RiliBÄK) [MPGVwV:2012] Bei Krankenhäusern wird auf Grund
     die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinproduk-        der Komplexität häufig nur ein Modul pro Audit/Überwachungsmaßnahme
     tegesetzes“ festgelegt. [MPGVwV:2012] Die Zentralstelle der Länder für Ge-       geprüft. Im niedergelassenen Bereich und anderen Gesundheitseinrichtungen
     sundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten wurde als zentrale        werden die Module meist zusammen auditiert. [persönliche Mitteilung]3
     Koordinierungsstelle für die Medizinprodukteüberwachung bestimmt.

     Die überwachenden Mitarbeiter der Landesbehörden haben unterschiedliche
     fachliche Qualifikationen, da teilweise weitere Zuständigkeiten zu anderen
     Gesetzen und Rechtsverordnungen von den handelnden Personen mit über-
                                                                                      3 Zur Überwachungspraxis der Landesbehörden sind derzeit keine systematischen Untersu-
     wacht werden müssen (z.B. Arbeitsschutz, Strahlenschutz) und die Überwa-
                                                                                      chungen bekannt. Deshalb kann hier nur auf Informationen aus vertraulichen Gesprächen mit
     chung nach dem MPG sich nicht nur auf die Medizintechnik beschränkt.             Mitarbeitern von Landesbehörden hingewiesen werden.

16                                                                                                                                                                                17
Die Medizinprodukte-Bücher werden bei den Audits auf die Dokumentation             Markteinführung. Die Qualitätsmanagement- und Risikomanagement-
     der Beauftragten- und Anwender-Einweisung und Funktionsprüfungen unter-            Systeme des Herstellers müssen natürlich auch die Effektivität der Risikokom-
     sucht. Bei Überwachungsaudits fiel auf, dass nach Einkauf über Händler häu-        munikation zum Anwender, also zum Beispiel die Vollständigkeit und Effekti-
     fig die Nachweise über Erst- und Wiederholungs-Einweisungen nicht verfügbar        vität der Einweisung umfassen. Folglich müsste die Zertifizierungsstelle auch
     waren. [persönliche Mitteilung]                                                    diese Aktivitäten betrachten.

     Im Krankenhaus werden häufig solche Stationen und Funktionsbereiche
     geprüft, in denen viele Medizinprodukte der Anlagen 1 und 2 MPBetreibV             Betreiber
     angewendet werden. Eine Überprüfung der erfolgten Einweisung erfolgt               Zertifizierer auditieren das Qualitätssystem der Betreiber, zum Beispiel der
     stichprobenartig meistens nur bei den anwesenden Mitarbeitern/-innen. Die          Krankenhäuser. Die zugrundeliegenden Regelwerke sind zum Beispiel DIN EN
     Landesbehörden analysieren im Allgemeinen nicht, ob Einweisungswellen vor          ISO 9001, DIN EN 15224 oder KTQ®. Einige Betreiber lassen auch ihr Risi-
     den angekündigten Begehungen stattgefunden haben. Der Auditschwerpunkt             komanagement nach der ISO 31000 auditieren. Das KTQ® Regelwerk wird
     der Überwachungsbehörden bezüglich der Einweisung liegt meistens auf dem           von der KTQ GmbH herausgegeben, deren Träger die Vertreter der Selbstver-
     formellen Nachweis geleisteter Unterschriften.                                     waltung im Gesundheitswesen sind. Bei deren Audits werden die Compliance
                                                                                        und die Effektivität von Einweisungen nicht regelhaft auditiert.
     Aus Landesbehörden wird berichtet, dass in Pflegeeinrichtungen Anlage 1-
     Produkte nur selten eingesetzt würden. Deshalb beschränke sich dort eine
     fachspezifische Überprüfung auf die allgemeinen Anforderungen aus § 4 Abs.
     5 MPBetreibV. [persönliche Mitteilung]                                             3.3.4 Weitere Rahmenbedingungen
     Ist eine Fehlanwendung vorgefallen, kann sich die inhaltliche Prüfung durch
     die Aufsichtsbehörde schwierig gestalten.                                          3.3.4.1 Wirtschaftliche Gesichtspunkte

                                                                                        Gesundheitseinrichtungen stehen in Konkurrenz zueinander und unter wirt-
     Überwachung durch Benannte Stellen und weitere Institutionen                       schaftlichem Druck. Dieses schlägt sich in Personaleinsparungen nieder und
                                                                                        kann sich leider auch auf zugestandene Zeiten für Einweisungen auswirken.
     Hersteller                                                                         Einweisungen sind Standardprozesse im Betrieb einer Gesundheitseinrich-
     Benannte Stellen bewerten vor dem Markteintritt die Konformität von Medizin-       tung. Die durch Einweisungen gebundenen Zeiten müssen selbstverständlich
     produkten mit den europäischen Richtlinien (generelle Sicherheit des Produk-       in den Vergütungssystemen abgebildet werden.
     tes). Je nach Klassifizierung des Produktes, erfolgt dies jedoch in unterschied-
     lichen Nachweisstufen. Das Konzept der hinweisenden Sicherheit mittels
     Risikokommunikation (die Gebrauchsanweisung sowie das Einweisungskon-              3.3.4.2 Sicherheitskultur
     zept) gehört zur Produktentwicklung und damit zum Produkt. Die Benannte
     Stelle müsste deren Konformität also ebenso bewerten wie zum Beispiel das          Als Sicherheitskultur werden jene Teilaspekte der Organisationskultur bezeich-
     Gerät oder die Software. Diese Überprüfung des Einweisungskonzeptes ist            net, die sich auf die Art und Weise beziehen, wie Gesundheit und Sicherheit
     aber zurzeit noch nicht üblich.                                                    im Betrieb gewährleistet werden. Der Ausdruck „Kultur“ verweist dabei auf die
                                                                                        gelebte Alltagspraxis in der Organisation, die Art und Weise, in der gewöhn-
     Zertifizierungsstellen bewerten die Qualitätsmanagementsysteme von                 lich und routiniert gehandelt wird. [Hölscher et al. 2016] Die Sicherheitskul-
     Medizinprodukte-Herstellern. Dies umfasst alle Aktivitäten, auch die nach der      tur ist ein wesentliches Merkmal der Resilienz des Betriebes (Fähigkeit, trotz

18                                                                                                                                                                       19
Belastungen und nach fehlerhaften Ereignissen sicher zu handeln). In Or-         Es passiert immer wieder, dass Personal nicht oder nur verspätet eingewiesen
     ganisationen, in denen die Sicherheitskultur schwach ausgeprägt ist, werden      wird und dadurch medizintechnische Geräte (kurzfristig) ohne entsprechende
     freiwillige und vorgeschriebene Maßnahmen zur Risikoreduktion wie zum Bei-       Einweisungen betrieben werden. Geschäftsführer, Leitungspersonal und An-
     spiel Einweisungen weder adäquat gefördert noch umgesetzt und die Compli-        wender der Einrichtung stehen in der Haftung.
     ance der Einzuweisenden ist gering. Häufig ist Personal zu Einweisungsbeginn     Einweisung ist Teil der Arbeitszeit. Bei improvisierten, kurzfristigen Terminen
     anwesend, verlässt dann aber den Einweisungsort, um Patienten zu versorgen.      für Mitarbeiter, die parallel zur Versorgung stattfinden, sind Versorgungs-
     In solchen Fällen und nach pro-forma-Einweisungen weisen die Unterschriften      und/oder Einweisungsdefizite unabdingbar.
     zur Dokumentation der erfolgten Einweisung auf Defizite in der Sicherheits-
     kultur hin.
     Ein wesentlicher Faktor bei Aufbau und Pflege einer Sicherheitskultur ist die    Belegärzte, Honorarpersonal, Leiharbeitskräfte
     ungute „Konkurrenz“ zwischen Erfüllung patientennaher Tätigkeiten inklusive      Personalmangel und wirtschaftliche Gründe führen in Gesundheitseinrichtun-
     der ausgeweiteten Dokumentation einerseits und der Umsetzung Sicherheits-        gen verstärkt zum Einsatz von Honorar- und/oder Leiharbeitskräften. Auch
     relevanter Maßnahmen unter Rahmenbedingungen einer nicht ausreichen-             für diese Personengruppen müssen die Betreiber der Medizinprodukte (zum
     den Zahl oder Qualifikation der Mitarbeiter und eine unzureichende Unter-        Beispiel ein Krankenhaus) die gesetzlich geforderte Einweisung sicherstellen.
     stützung durch die Leitung. [Rothmund et al. 2015; Hölscher et al. 2016]         Häufig fordert der Betreiber die Nachweise nicht ein.

                                                                                      Einweisung durch frühere Arbeitgeber
     3.3.4.3 Hindernisse für regelkonforme Einweisungen                               Die vollständige und rechtssichere Dokumentation von erfolgten Einweisun-
                                                                                      gen ist für den neuen Arbeitgeber schwierig, wenn Mitarbeiter bei früheren
     Es sind vielerlei Störfaktoren bei der Durchführung von Einweisungen be-         Arbeitgebern schon Einweisungen erhalten haben. Bei Bewerbungsverfahren
     kannt. Sie reichen von schlechten Umgebungsbedingungen wie ungeeigneten          wird nicht immer hinterfragt, in welche Medizinprodukte der Bewerber bereits
     Einweisungsräumen, Unterbrechungen durch Mobil-, Telefon- und Alarmie-           eingewiesen wurde.
     rungssysteme sowie durch zu spät kommendes oder herausgerufenes Perso-
     nal, bis hin zum ungeeigneten Einweisungszeitpunkt, der häufig in die Über-
     gangszeit zwischen zwei Schichten gelegt wird.                                   Sprachbarrieren
                                                                                      Manche Fachkräfte beherrschen die deutsche Sprache nicht oder nur teilwei-
     Eine Einweisung in inhomogenen Zielgruppen mit unterschiedlichem Wissens-        se, sodass es zu Schwierigkeiten beim Verständnis der Inhalte von Einweisun-
     und Erfahrungsstand (zum Beispiel bei Erst- und Folge-Einweisung) über- oder     gen kommen kann.
     unterfordert jeweils einen Teil der Gruppe. Solche Faktoren senken die Com-
     pliance der Teilnahme.

     Verfügbarkeit der Anwender für Einweisungen
     In der Regel sind für eine Einweisung nicht alle erforderlichen Mitarbeiter an
     einem Termin erreichbar. Dieser organisatorische und logistische Aufwand
     muss bei der Planung berücksichtigt werden. Wechselndes Personal führt zu
     erneuten zeit- und kostenintensiven Einweisungen.

20                                                                                                                                                                      21
4 Empfehlungen                                                                    Die folgenden Empfehlungen gelten gleichermaßen für Hersteller als auch
                                                                                       Betreiber von Medizinprodukten, die für die Organisation der Einweisungen
                                                                                       verantwortlich sind:

     4.1 Einweisung                                                                    Im Vorfeld muss für die Einweisung geklärt und kommuniziert werden:
                                                                                       • Zielgruppen / Berufsgruppen
     Voraussetzung jeder Einweisung ist das medizinische Grundlagenwissen zur
     jeweiligen Anwendung (zum Beispiel Zweck und Wirkung der Hämodialyse)             • konkrete Lernziele für die verschiedenen Berufsgruppen
     und Grundlagen des Medizinprodukterechts. Außerdem müssen die Anwender            • Methoden und Formate
     die grundlegenden Wirkungsweisen der Medizinprodukte verstehen, die in ih-        • erforderlich Rahmenbedingungen (zum Beispiel Infrastruktur,
     ren Tätigkeitsbereich fallen. In verschiedenen Fällen kann es dazu notwendig        Gruppengröße, Dauer)
     sein, über ausgewählte technische und naturwissenschaftliche Grundlagen für
     die sichere Anwendung zu verfügen. Diese müssen gegebenenfalls vor der            • notwendige Materialien / Gerätschaften
     Einweisung aufgefrischt werden. Dieses ist nicht Aufgabe der Hersteller.
                                                                                       Damit die Einweisung vollständig, richtig, effektiv und verständlich ist, sollten
     Eine Einweisung soll für ein Medizinprodukt spezifisches Wissen vermitteln zu     folgende Punkte erfüllt sein:
     • Zweckbestimmung, bestimmungsgemäßer Gebrauch                                    • fachliche und didaktische Qualifikationen des Einweisenden
     • Funktionsumfang                                                                 • Eignung des Einweisungskonzeptes in Art und Umfang, das
     • Anwendung                                                                         erforderliche Wissen an die Einzuweisenden erfolgreich zu
                                                                                         vermitteln
     • Risiken
                                                                                       • Zielgruppengerechte Methodik und Didaktik
     • Umgang mit den Risiken
                                                                                           aktivierende Lehrmethoden, um die Nachhaltigkeit des
     • …                                                                                    Gelernten zu stärken
     Der Hersteller identifiziert während der Entwicklung des Medizinprodukts die          Erfahrung und Wissenstand der Einzuweisenden nutzen:
     Restrisiken des Medizinprodukts und schreibt fest, wie diese an den Anwen-             Unerfahrene fragen, Erfahrene teilen ihre Erfahrungen mit
     der kommuniziert werden sollen. Ein Anwender darf ein Medizinprodukt ohne             Lerninhalte sollten so nah wie möglich am praktischen
     Wissen über die Risiken (Restrisiken) nicht einsetzen. Eine Einweisung ist auch        Handeln der Einzuweisenden sein, sie müssen relevant
     erforderlich, weil Gebrauchsanweisungen zum Lernen wenig geeignet sind                 und sinnvoll sein. Sie sollten auf die praktische Anwen-
     deshalb nur selten dafür herangezogen werden. Damit eine Einweisung effek-             dung und Probleme fokussieren. Die Einweisung soll
     tiv ist, muss für sie ein Einweisungskonzept erstellt werden. Nur damit können         anschaulich sein (zum Beispiel an Hand von kritischen
     die Einweisenden bei der Erst- und den Folgeeinweisungen die Vollständigkeit           Situationen und Unerwünschten Ereignissen), um das
     und Wirksamkeit der Einweisung erreichen.                                              Wissen zu festigen und es in der medizinischen Routine
                                                                                            erinnern zu können.
     Das Einweisungskonzept als Risikobeherrschungsmaßnahme ist genauso wie                alternative Lehrmethoden anbieten, um das Wissen mit
     die Gebrauchsanweisung ein Bestandteil des Medizinprodukts. Das Einwei-                geringerem Organisationsaufwand einer größtmöglichen
     sungskonzept ist wie die Gebrauchsanweisung eine Benutzer-Produkt-Schnitt-             Zahl von Einzuweisenden zu vermitteln: zum Beispiel
     stelle. [DIN EN 62366:2016]                                                            Blended-Learning (Kombination von E-Learning und
                                                                                            Präsenzschulungen)

22                                                                                                                                                                         23
• Zusammenfassung der Risiken in einer Checkliste für den                    • Bei Medizinprodukten mit erhöhten Anwendungsrisiken
       Einweisenden und die Einzuweisenden                                          sollte eine Lernerfolgskontrolle nach der Durchführung einer
     • Bereitstellung der Einweisungsinhalte: jederzeitige Zugriffs-                Einweisung durchgeführt werden. Der Hersteller soll diese
       möglichkeit, am besten in digitaler Form                                     Erfolgskontrolle definieren

     • praktische Übungen am Medizinprodukt oder Simulator,                       • Der Hersteller soll die Unterlagen für Schulungen und
       um die Beherrschung in unterschiedlichen Situationen zu                      Einweisungen dem Betreiber und den Anwendern zugänglich
       fördern. Zubehör und Einmalartikel gehören dazu.                             machen, um der Gefahr durch Mängel in selbst erstellten
                                                                                    Einweisungsunterlagen entgegenzuwirken. Das Einwei-
     • Anpassung der Gruppengröße an die Lehrmethode                                sungskonzept des Herstellers kann auch E-Learning Module
     • Prüfung, ob die Inhalte von den Einzuweisenden verstanden                    umfassen.
       und behalten wurden
         heuristisch: Befragung zur subjektive Einschätzung des                  Der Gesetzgeber sollte den Betreiber beauftragen, die Notwendigkeit von
          Kompetenzerwerbs                                                        Wiederholungs-Einweisungen zu überwachen.

         theoretisch: Prüfung des Wissens um die Risiken                         Die MPBetreibV sollte beinhalten, dass das Testat der Einweisung belegen soll,
         praktisch: Prüfung der Handlungskompetenz, zum                          dass die Einweisung entsprechend dem Einweisungskonzept des Herstellers
          Beispiel bei der Fehlersuche und der Beherrschung von                   erfolgt ist. Das falsche Testat einer Einweisung sollte als Ordnungswidrigkeit
          unerwünschten Zuständen                                                 in § 17 MPBetreibV aufgenommen werden.

                                                                                  Der Gesetzgeber sollte möglichst in die europäische Medizinprodukte-Ver-
                                                                                  ordnung einbringen, dass das Erfordernis zur Schulung in der Gebrauchsan-
                                                                                  weisung aufgeführt wird, wenn der Risikomanagementprozess des Herstellers
     4.2 Gesetzgeber                                                              diese Schulung als Risikobeherrschungsmaßnahme für die sichere Handha-
                                                                                  bung des Medizinprodukts fordert.
     Die Vorschläge an den Gesetzgeber zur Ergänzung der MPBetreibV resultie-
     ren aus dem Kapitel 3 sowie der Ist-Analyse des Arbeitskreises.              Damit Schwierigkeiten im organisatorischen Rahmen bei der Umsetzung der
                                                                                  Einweisungsverpflichtung erkannt und behoben werden, sollte der Gesetzge-
     Die Formulierung der Einweisungsverpflichtung in der MPBetreibV sollte mit   ber in seinen Richtlinien die Verpflichtung zu regelmäßigen und unabhän-
     dem Grundgedanken des Neuen Konzeptes [EU Commission 2000] harmo-            gigen Audits im Qualitätsmanagement und Risikomanagement aufnehmen.
     nieren. Die Einweisungsverpflichtung dürfte keine didaktischen oder metho-   Dies würde eine relevante Regelungslücke schließen. Diese Audits müssten
     dischen Vorgaben machen. Die Forderung, dass Einweisungen „an Hand der       nicht nur die Existenz und das Funktionieren des PDCA-Zyklus umfassen, son-
     Gebrauchsanweisung“ durchzuführen seinen, steht hier im Widerspruch. Die     dern insbesondere auch die für das Qualitätsmanagement und das Risikoma-
     Festlegung von Didaktik oder Methodik im Einweisungskonzept als Teil des     nagement notwendigen Aktivitäten der Leitungsebene:
     Medizinprodukts ist Gestaltungsaufgabe des Herstellers.                      • Bereitstellung der notwendigen Ressourcen

     Formulierungsentwurf für die MPBetreibV:                                     • Prüfung der Wirksamkeit des Ansatzes

     • Die Einweisung ist nach dem Einweisungskonzept des Herstel-                • gegebenenfalls Verbesserung des Rahmens
       lers durchzuführen und muss dessen Inhalte wiedergeben.
                                                                                  Nur solche Audits ermöglichen der Leitung und den Aufsichtsgremien eine
                                                                                  Situationsanalyse und die Reaktion auf Mängel im Rahmen sowie systemati-
                                                                                  sche Abweichungen.

24                                                                                                                                                                 25
4.3 Hersteller von Medizinprodukten
                                                                                        Der Hersteller muss die Aktualität seines Einweisungskonzeptes über den Le-
     Um die Einweisung effektiv zu gestalten, muss der Hersteller das Einweisungs-      benszyklus sicherstellen, zum Beispiel bei dem Bekanntwerden eines neuen
     konzept (Inhalte und Methodik) verifizieren und validieren. Die Erarbeitung ei-    Unerwünschten Ereignisses, Änderung der Zweckbestimmung oder Indikatio-
     nes solchen Konzeptes erfordert sehr verschiedene Qualifikationen, über wel-       nen, Änderung von Hardware oder Software. [DIN EN ISO 14971:2013] Es
     che einzelne Mitarbeiter i.d.R. nicht insgesamt verfügen. [IEC TR 61258:2008]      ist unabdingbar, dass der Versionsstand des Einweisungskonzeptes in den Ein-
     Neben den medizinischen Grundlagen (Input zum Beispiel durch Mediziner,            weisungsunterlagen aufgeführt wird, damit der Nachweis der Einweisung und
     Pflegekraft, Pharmazeut) müssen entsprechende Inhalte zum technischen Ver-         seiner Inhalte für Anwender und Betreiber eindeutig ist. Die Einweisungsunter-
     ständnis des Gerätes vermittelt werden (zum Beispiel durch Entwickler, Phy-        lagen sollten regelmäßig überprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden.
     siker, Techniker, Ingenieur) und diese Inhalte müssen methodisch-didaktisch
     aufbereitet und eventuell auch visualisiert werden (zum Beispiel Qualifikation     Ist das Medizinprodukt am Markt, müssen alle Informationen, die ein Her-
     als Dozent, Trainer, Lehrer, Ausbilder, Mediengestalter). [ebenda] Die Verifika-   steller über die unterschiedlichsten Wege erhält (zum Beispiel Reklamationen,
     tion untersucht zum Beispiel durch Gutachten von Experten oder heuristische        Informationen aus Vertrieb und Service) bewertet werden und systematisch
     Analyse, ob die Spezifikation der Gebrauchstauglichkeit (in diesem Fall in         in die ursprünglich erstellte Risikoanalyse und in die zusammenfassende Be-
     Bezug auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Schulungs-/Einweisungskon-       wertung der Risiken einfließen, um die Sicherheitsziele zu erreichen. Bei der
     zeptes) umgesetzt worden ist. [DIN EN 62366:2016, §5.8] Die Validierung,           sicherheitsrelevanten Erkenntnis, dass die Informationen zur Sicherheit nicht
     ob realistisch durchgeführte Schulungen/Einweisungen effektiv sind, und die        effektiv sind, muss der Hersteller nachbessern, gegebenenfalls auch bei schon
     Risiken der avisierten Zielgruppe erfolgreich vermittelt werden können, muss       auf dem Markt befindlichen Medizinprodukten. [DIN EN ISO 14971:2013]
     durch praktische Tests nachgewiesen werden. [DIN EN 62366:2016, § 5.9]             Dies kann auch das Einweisungskonzept und die Art und Weise, wie Einwei-
     Die Norm fordert darüber hinaus, dass für eine notwendige Schulung in den          sungen durchgeführt werden, betreffen.
     Begleitpapieren Richtwerte für die Dauer angegeben sein müssen.
                                                                                        Der Hersteller sollte bei relevanten Änderungen des Einweisungskonzeptes
     Die Pädagogik fordert für Erwachsenenbildung Inhalte, die die Risiken nicht        seine Kunden informieren und ihnen dieses verfügbar machen.
     nur abstrakt, sondern auch in Form von Beispielen (zum Beispiel Unerwünsch-
     te Ereignisse) präsentieren. Dafür benötigt man Personen mit entsprechenden        Der Hersteller muss seine Medizinprodukte-Berater darauf verpflichten, nur
     Erfahrungen mit dem zur Einweisung vorgesehenen Medizinprodukt. Allein             Einweisungen nach dem Einweisungskonzept zu testieren. Nach einer unvoll-
     eine Präsentation der Gebrauchsanweisung ist meist nicht geeignet, das Ver-        ständigen Einweisung riskiert der Hersteller Regressansprüche.
     stehen, Einprägen und Behalten der Risiken adäquat zu fördern.

     Um die Qualität der Einweisungen sicherzustellen, sollten Medizinprodukte-
     Berater nicht nur Sachkenntnis über die notwendigen medizinischen und me-
     dizintechnischen Fakten in Bezug auf ihr Medizinprodukt besitzen, sondern
     auch die Faktoren für eine effektive Wissensvermittlung an Erwachsene be-
     herrschen, zum Beispiel durch eine „Train the Trainer“ Ausbildung.

     Eine Checkliste unterstützt die Vollständigkeit der Einweisung zum Beispiel für
     die Risiken. [IEC TR 61258:2008] Optimal wäre jedoch eine strukturierte An-
     leitung (zum Beispiel in der Form eines Drehbuch) zur Vorbereitung, Durch-
     führung und Erfolgssicherung der Einweisung, welcher der Einweiser lediglich
     zu folgen braucht.

26                                                                                                                                                                       27
4.4     Betreiber                                              4.4.2	Organisation der Betreiber
     Folgende Punkte sollten vom Betreiber umgesetzt werden:        • Risikomanagementprozess umsetzen
                                                                        Pro-forma Einweisungen unterbinden

     4.4.1 	Rahmenbedingungen der Betreiber                             Auditierung der Einweisungsprozesse und ihrer Umset-
                                                                         zung (ob zeitgerecht und vollständig)
     • Etablierung einer offenen Sicherheitskultur                      Erfolg von Einweisungen validieren
     • Verständnis und Einsicht im Management über                      nach einem Unerwünschten Ereignis mit einem Medizin-
         Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Einweisung                produkt:

         Konsequenzen von Einweisungsmängeln                             - Untersuchung, ob die Einweisungsunterlagen das
                                                                            Risiko hinreichend darstellen (x-Check zur Beurteilung
         Nutzen guter Einweisung für die Anwender, Patienten und           des Herstellers)
          Einrichtung
                                                                          - Bewertung des Risikos, gegebenenfalls muss Medizin-
     • Unterstützung, Steuerung der Einweisungsmaßnahmen auf                produkt außer Betrieb genommen werden
       allen Managementebenen
                                                                          - gegebenenfalls Meldung beim BfArM
     • Abschätzung der Personalbindung und Kosten für Einweisun-
       gen bei der Beschaffung von Medizinprodukten, um die er-           - Untersuchung, ob die Eingewiesenen gegebenenfalls
       forderlichen Ressourcen planen und bereitstellen zu können           eine Wiederholungsschulung benötigen

     • Ressourcen für namentliche Einweisung und Wiederho-              Prozess, der die Notwendigkeit von Wiederholungs-
       lungs-Einweisungen inklusive Nachweisdokumentation                Einweisungen zur Auffrischung des unverzichtbaren
       planen und vornehmen,                                             Anwendungswissens überwacht

     • Risikomanagement etablieren                                  • Ressourcen für Einweisung und gegebenenfalls Wiederholungs-
                                                                      Einweisungen planen und bereitstellen:
         Risikopolitik bekanntgeben
                                                                        Räumlichkeiten (angemessene, störungsfreie Lernumgebung,
         Ressourcen bereitstellen und Vermeidung widersprüch-           Medienverfügbarkeit)
          licher Arbeitsanforderungen, die Mitarbeitern die Ent-
          scheidung zwischen Patientenversorgung und Einweisung         Verfügbarkeit der Einweiser
          aufzwingen                                                      - Medizinprodukte-Berater des Herstellers für Erst-
         Validierung der Wirksamkeit                                       Einweisungen

         Anpassung des Risikomanagements                                 - genügende Anzahl von qualifizierten vom Betreiber
                                                                            beauftragten Personen für Wiederholungs-Einweisungen
         Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates (zum Beispiel
          Krankenhäuser) sollte sich entsprechend dem Deutschen         Verfügbarkeit des einzuweisenden Personals
          Corporate Governance Kodex bezüglich der Umsetzung            Zusammenstellung von Kleingruppen, wenn mit dem
          des Medizinprodukte-Rechtes berichten lassen                   Medizinprodukt praktisch geübt werden soll
         Zahl der unterschiedlichen Medizinprodukte für einen          Verfügbarkeit des Medizinprodukts für die Einweisung
          Zweck minimieren                                              Verfügbarkeit der Einweisungsunterlagen des Herstellers

28                                                                                                                                   29
 Organisation der Erst- und Wiederholungs-Einweisungen        • Zugang für alle Mitarbeiter zu allen Einweisungsunterlagen und
          in der Arbeitszeit                                             Gebrauchsanweisungen (am Arbeitsplatz sowie im Intranet)
         Information der Leitung über Umsetzungsqualität              • Implementierung eines Verfahrens zur Anwender-bezogenen
     • Beschaffungsprozess für Medizinprodukte                           Dokumentation und Archivierung der erfolgten Einweisungen
                                                                         mit Versionsnummer des Einweisungskonzeptes. Auch der An-
         Beschaffung von Medizinprodukten, die möglichst nur            wender muss seine Daten leicht einsehen können.
          den benötigten Funktionsumfang abdecken. Die Beschaf-
          fung von „Universalprodukten“ mit deutlich größerem          • Management bei geplantem Einsatz eines patienteneigenen
          Funktionsumfang zieht eine erheblich höhere Belastung          Medizinprodukts:
          durch Einweisung nach sich.                                      der Patient ist aufzufordern, außer dem Gerät auch sämt-
         Anzahl der Medizinprodukte-Typen auf das notwendige               liche Gebrauchsanweisungen, das komplette Zubehör wie
          Minimum beschränken                                               den Gerätepass mitzubringen.
         Umfang jeder Medizinprodukte-Beschaffung:                        prüfen, ob ein in der Einrichtung vorhandenes und einge-
                                                                            wiesenes Produkt ersatzweise verwendet werden kann
           - vollständige und validierte Einweisungsunterlagen des
             Herstellers                                                   falls nicht möglich,
           - Konzept für Aktualisierung der Einweisungsunterlagen            - Einweisung für das involvierte Personal prüfen
         Software und Updates von Medizinprodukten entspre-           Eine Anpassung der Lernziele an den jeweiligen Einsatzbereich des Medi-
          chend einbeziehen                                            zinprodukts in der Gesundheitseinrichtung (wenn zum Beispiel bestimmte
     • Zuständigkeiten für die Geräte-Einweisungen festlegen           Respirationsmodi in der jeweiligen Einrichtung nicht verwendet werden) muss
     • vor der Erstinbetriebnahme notwenige Einweisungen sicher-       individuell entschieden werden. Dies ist entsprechend zu dokumentieren.
       stellen
     • Personalmanagement
         bei Honorar- und Leihkräften sowie Dienstleistern            4.5 Vom Betreiber beauftragte Personen
           - Vertragliche Absicherung der Einweisungen
           - Stand der Geräte-Einweisungen (z.B. “Gerätepass“)         • Die Vom Betreiber beauftragte Person gemäß § 10 MPBetreibV
             nachweisen lassen, ggf. nachschulen                         (nicht zu verwechseln mit dem Beauftragten für Medizinprodukte-
                                                                         sicherheit nach §6) muss in der Lage sein:
         Im Bewerbungsverfahren für Mitarbeiter hinterfragen, in
          welche Medizinprodukte der Bewerber bereits eingewie-            didaktisch und methodisch erfolgreiche Medizinprodukte-
          sen ist (ggfs. Checkliste der Personalabteilung)                  Einweisungen durchführen zu können

         Einweisungen im Einarbeitungskonzept für neue Mitar-             Wissen berufsübergreifend vermitteln zu können
          beiter festlegen                                                  (medizinisches Personal)

         Verständnisschwierigkeiten bei Personen, die Deutsch nicht       aus entsprechender Erfahrung mögliche Risiken praxisnah
          als Muttersprache haben, erkennen und kompensieren                darstellen zu können
                                                                           in der Organisation weisungsfrei agieren zu können

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• Die Beauftragten Personen sollten sich von den Anwendern          4.7 Patienten und Angehörige
       bestätigen lassen, dass sie
         das Einweisungskonzept des Herstellers verstanden haben,       Wenn ein Patient oder ein Angehöriger den Eindruck hat, dass ein Medizin-
                                                                         produkt nicht richtig beherrscht wird, solle er dies in der Gesundheitseinrich-
         die Risiken kennen und                                         tung zur Sprache bringen, zum Beispiel gegenüber der Pflegekraft, dem Stati-
         das Medizinprodukt sicher anwenden können.                     onsarzt oder dem Patientenfürsprecher.

                                                                         Bei einem geplanten Aufenthalt in einer Gesundheitseinrichtung sollte der
                                                                         Patient oder ein Angehöriger mit der Gesundheitseinrichtung vorab kommu-
     4.6 Anwender                                                        nizieren, ob und welches patienteneigene Medizinprodukt mitgebracht wird.

     Der Anwender muss:
     • prüfen, ob er über das notwendige Grundlagenwissen zur
       Funktion des Medizinprodukts und Verständnis der Risiken          4.8 Benannte Stellen
       verfügt.
                                                                         Die Benannten Stellen sollten prüfen, ob in die Beurteilung der Medizinpro-
     • Die regelhafte Anwendung eines Medizinprodukts ablehnen,          dukte-Konformität nach EU-Recht auch die allein in Deutschland als Risikobe-
       wenn er noch keine Einweisung erhalten hat. Im Notfall ist        herrschungsmaßnahme eingeforderte Einweisung einbezogen werden muss.
       jedoch auch ein noch nicht eingewiesener Anwender ver-            Das würde in Folge bedeuten, dass die Existenz, Vollständigkeit, didaktische
       pflichtet, mit allen verfügbaren Mitteln Hilfe zu leisten. [§34   Effektivität und Aktualität des Einweisungskonzeptes auch geprüft werden
       StGb]                                                             müsste.

     Der Anwender sollte:
     • die für ihn relevanten Inhalte der MPBetreibV kennen
                                                                         4.9 Landesbehörden
     • sich informieren, welche Medizinprodukte in seinem Arbeits-
       bereich eingesetzt werden                                         Die Landesbehörden sollten:
     • bei neuen Produkten oder relevanten Änderungen (z.B. Soft-        • Audits mit ausreichend fachlich qualifizierten Mitarbeitern
       ware Updates) eine entsprechende Einweisung einfordern              durchführen
     • Nachweise über die eigenen Einweisungen sammeln                   • auditieren, ob alle Mitarbeiter der Gesundheitseinrichtungen
     • gegebenenfalls Wiederholungs-Einweisungen (Auffrischung,            (Personalliste) die aus Medizinprodukte-Recht notwendigen
       Aktualisierung, Vertiefung) einfordern                              Einweisungen rechtzeitig bei Arbeitsaufnahme erhalten
     • bei Unklarheiten Verständnisfragen stellen und ggf. Praxis-         haben
       übungen unter Anleitung einfordern                                • auditieren, ob zu den Einweisungspflichtigen Medizinproduk-
     • Fehler und Probleme der Medizinprodukte an die Verant-              ten Einweisungsunterlagen
       wortliche Stelle für Medizinproduktesicherheit melden                 vorhanden und
     • keine Pro-Forma-Einweisungen testieren                                für die Mitarbeiter jederzeit zugänglich sind

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