Gute Arbeit Betriebsräte in Berlin - IG Metall Berlin
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Inhalt 04 Mehr als 100 Jahre Erfahrung Siemens Dynamowerk 06 Viel und gute Arbeit für die nächsten Jahre! Siemens Gasturbinenwerk 08 Unsere Kompetenz muss bleiben! Siemens Schaltwerk 10 Zukunft für das Mercedes-Benz Werk in Marienfelde Mercedes-Benz Werk 12 Wenn Unternehmen sehr schnell wachsen Daimler Group Services Berlin 14 Mercedes-Benz Bank und IG Metall? Na klar! Mercedes-Benz Bank Service Center Berlin 16 Investitionen bedeuten Veränderungen BMW Motorradwerk Berlin 18 Den steten Wandel begleiten, die Zukunft sichern Procter & Gamble (ehemals Gillette) 20 Wir setzen uns dafür ein, dass Tarifverträge und Gesetze eingehalten werden Stadler Pankow 22 Den Standort sichern in bewegten Zeiten Otis ES (Electronic System) 25 Jetzt geht es an die Substanz Osram 28 Wir sind die GEwerkschaft in GE GE Energy Power Conversion 30 100 Euro-Material-Gutschein für Auszubildende ASB Autohaus Berlin 32 Hightech-Standort wählt Betriebsrat Jenoptik Diode Lab 34 35 Stunden in West und Ost! Thales Transportation Systems 36 Coriant in Berlin: gelebte Globalisierung Coriant 38 Geheimhaltung im Interesse der Kunden IAV (Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr) 40 Sorry, ich bin ein Kostenfaktor Vodafone
Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, liebe Betriebsräte, tagtäglich arbeiten die IG Metall-Betriebsräte in Betrieben für gute Arbeitsbe- dingungen der Beschäftigten in Berlin, oft nicht sichtbar nach außen gemeinsam mit Vertrauensleuten, Jugend- und Auszubildendenvertretern und den Vertrau- enspersonen der Menschen mit Behinderung. Diese Arbeit ist so vielfältig wie die Herausforderungen, die die Betriebsräte gemeinsam mit den Beschäftigten tagtäglich angehen: Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen, Entgelt- und Arbeitszeitgestaltung, Vereinbarkeit von Fami- lie und Beruf, Gleichstellung, Gestaltung der Arbeitsplätze und der Arbeitsumge- bung, Ausbildung und berufliche Weiterbildung, Gestaltung der Sozialeinrich- tungen, Datenschutz und Datensicherheit – um nur einige Themen zu nennen. Betriebsräte tragen ein starkes Stück Demokratie in die Wirtschaft und die Industrie. Bereiche, in denen Demokratie sonst ein Fremdwort wäre. Keine Form von Demokratie und demokratischer Arbeit ist so nahe und so konkret am Alltag der Menschen wie diese im Arbeitsalltag. Dieser Beitrag und die Wirkung der Betriebsratsarbeit endet nicht an den Toren der Unternehmen, sondern reicht weit in die Gesellschaft hinein. Die Betriebsräte leisten daher einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität und Lebendigkeit unserer Demokratie. Beteiligung, Mitbestimmung und Demokratie in den Unternehmen haben heute mehr denn je eine Bedeutung für den gegenwärtigen und künftigen wirt- schaftlichen Erfolg des Landes: in Form von sozialem Ausgleich, von höherer Innovationskraft und Produktivität, in Form von vernünftigem Wirtschaften statt einer einseitigen Ausrichtung der Wirtschaft an kurzfristigem Profitdenken. Unsere Betriebsrätinnen und Betriebsräte in Berlin sind einzigartige und un- terschiedliche Charaktere – Menschen, die viele Rollen verkörpern und Aufga- ben meistern, aktiv aus Überzeugung und orientiert am Allgemeinwohl. Mit dieser Broschüre wollen wir von einem Teil der Vielfalt dieser Betriebsrats- arbeit erzählen. Wir können in dieser Handreichung nur einen Ausschnitt der Arbeit von mehr als 400 Betriebsratsgremien, die im Zuständigkeitsbereich der Berliner IG Metall tätig sind, darstellen. Von der guten Arbeit der Betriebsräten in Berlin berichten wir regelmäßig auf unserer Homepage www.igmetall-berlin.de. Wir danken allen Betriebsräten in Berlin herzlich für ihre Arbeit, die für alle Beschäftigten in Berlin und die IG Metall sehr wertvoll ist. Klaus Abel Regina Katerndahl Erster Bevollmächtigter Zweite Bevollmächtigte 3
»Gute Arbeit - Betriebsräte in Berlin« Mehr als 100 Jahre Erfahrung Siemens Dynamowerk Berlin Hauptsitz: Berlin und München, Firmenzentrale in Mün- chen, Divisionszentrale in Nürnberg, Sitz der Business Unit Large Drives: Nürnberg. Das Dynamowerk ist dort zugeordnet. Gegründet 1906. Beschäftigte: rund 850 in Berlin Portfolio: Maschinen ab ca. 10 Megawatt – leistungsmäßig ansonsten nicht begrenzt. Branchen: Öl und Gas, Schiffbau, Mining, Stahl, Luftzerlegung, Indus- triegeneratoren; Plattformbasierte Maschinen und Son- dermaschinen nach Kundenwünschen. Service weltweit für Maschinen im DW-Spektrum Ausbildungsbetrieb für technische und kaufmännische Berufe, dual Studie- rende, intensive Zusammenarbeit mit Hochschulen und Fachhochschulen Beschäftigtenstruktur: circa 60 % Angestellte (Technik, Vertrieb, Personal, Finanzen, Kun- denbetreuung) und circa 40 % technisch-gewerblich Be- schäftigte Betriebsrat: 13 Mitglieder Tarifbindung: Flächentarifvertrag Metall- und Elektroindustrie Berlin- Brandenburg, Tarifgebiet I 4
Olaf Bolduan, Betriebsratsvorsitzender » Betriebsratsarbeit ist eine Balance zwi- weltweilt beachtet wird, da es direkt an das schen Co-Management und Konflikt- Kraftwerk angeschlossen ist. Die intensive management«, sagt Olaf Bolduan. Er Zusammenarbeit mit den Hochschulen wur- ist Betriebsratsvorsitzender, Mitglied im Ge- de ausgebaut und ist bis heute wichtig für samtbetriebsrat, Aufsichtsrat und Sprecher den Standort. der Berliner Siemensbetriebe – und schon »Die enge Kooperation im Konflikt war lange im Geschäft. Wer mit Olaf durch den entscheidend. Alle haben mitgearbeitet: Betrieb geht, erlebt, dass er auf gleicher Au- Beschäftigte, die Führung am Standort, Be- genhöhe mit allen redet, sei es ein junger triebsrat und IG Metall«, so Olaf. »Seit 2002 Facharbeiter, der den Kopf ins Büro steckt, bin ich im Gesamtbetriebsrat und bringe weil er eine schnelle Frage stellen will oder mein Wissen und die gute Vernetzung hier der Abteilungsleiter, der eine Info hat. »Füh- in Berlin ein. Auch die Berliner Betriebsräte rungskräfte und Fachspezialisten sind auch in den Siemensbetrieben arbeiten sehr viel unsere Kollegen. Wir schätzen ihre Expertise besser zusammen. Die ergänzende Sicht tut hoch ein«, sagt er. »Dabei ist die Führungs- uns allen gut.« kultur entscheidend.« Auch im Juni 2015 ist die Lage nicht Olaf Bolduans Augen leuchten, wenn er rosig. Die Energiewende, Konflikte in der von erreichten Etappenzielen erzählt, von Welt, ein niedriger Gas- und Ölpreis … All gelungenen Verhandlungen für die Kollegen. das wirkt sich aus auf die Auftragslage im Er ist mit ganzem Herzen Betriebsrat. Dynamowerk. Aber immerhin: Es gibt mehr In den mehr als 100 Jahren des Bestehens als 800 Beschäftigte im Dynamowerk. Leih- gab es viele schwierige Zeiten. »2001 – das arbeit gibt es nur in Zeiten mit einer Spit- war ein Lehrstück am offenen Herzen«, be- zenauslastung. richtet Olaf. »Wir waren damals auf dem Das Dynamowerk passt sich an die neuen Weg zu einer verlängerten Werkbank. Es war Herausforderungen an. Die Digitalisierung die Rede von Ausgliederung in eine GmbH, ist in vollem Gange. Nicht nur Motoren von einer Reduzierung der Arbeitsplätze auf werden entwickelt, sondern auch die zuge- 300 Beschäftigte im Werk. Klar war, dass wir hörige Software. Industrie 4.0 – »Natürlich handeln mussten.« passen wir uns an, gehen diesen Weg mit. Betriebstrat und IG Metall holten ex- Gemeinsam mit Hochschulen, Entwicklern terne Berater ins Haus. Sie erarbeiteten und Facharbeiten bereiten wir den Weg in in enger Kooperation mit dem Siemens- die Zukunft. Wir sind lieber klug dabei und Team der IG Metall einen »Masterplan+« verschließen uns nicht.« Predrag Savic, stellvertretender – ein Alternativ-Konzept für das Dynamo Die Bandbreite der Betriebsratsarbeit, er- Betriebsratsvorsitzender werk. Die Arbeit des Betriebsrats und die zählt Olaf, reicht vom einzelnen Azubi bis zähen Verhandlungen mit Unterstützung zur Strategiefrage des Unternehmens. Am der Beschäftigten hatten Erfolg. »Wir woll- Ende geht es um die Frage guter Arbeit in ten keine »quick and dirty«-Lösung. Es ging Deutschland – auch in Zukunft. Olaf Boldu- 2001 um Sein oder Nichtsein.« Und alle ge- an lacht. An dieser Stelle zitiere ich gerne meinsam haben es geschafft: Wichtige In- Werner von Siemens: »Für den augenblick- vestitionen für die Zukunft kamen nach Ber- lichen Gewinn, verkaufe ich die Zukunft lin. Ein Prüffeld wurde aufgebaut, das heute nicht.« 5
»Gute Arbeit - Betriebsräte in Berlin« Viel und gute Arbeit für die nächsten Jahre! Interview mit Günter Augustat, Betriebsratsvorsitzender im Siemens Gasturbinenwerk Berlin 6
Günter Augustat, Betriebsratsvorsitzender Anfang des Jahres wurde bekannt, dass Wenn bei Euch 800 Stellen abgebaut Mit dem bundesweiten Siemens-Aktionstag rund 800 Kolleginnen und Kollegen im würden, was dann? Betrifft das Eure am 9. Juni 2015 und unserem demonstra- Gasturbinenwerk ihren Arbeitsplatz verlieren Fertigungstiefe? tiven Spaziergang von 1.800 Kolleginnen sollen. Wie geht Ihr als Betriebsrat mit so Die Berliner Fertigungstiefe und Ferti- und Kollegen zu unserem Betriebsversamm- einer Nachricht um? gungsflexibilität ist verbunden mit einer lungsort haben wir gezeigt, dass wir zusam- Seit Ende 2014 befinden wir uns in Perso- hohen Fertigungs- und Lösungskompetenz. menstehen und handeln. nalanpassungsdiskussionen aus Gründen Im letzten Jahrzehnt haben wir Lastspit- der Kapazitäts- und Komplexitätsreduzie- zen sicher getragen. Jetzt soll die noch am Was für andere Aufgaben bearbeitet Ihr rung. Jetzt geht es um Produktionsverlage- Standort verfügbare Fertigungstiefe für Ge- als Betriebsrat in diesen Zeiten? rungen weg aus dem Gasturbinenwerk, die häuse- und Rotorkomponenten ins Ausland Mit 25 Betriebsrätinnen und Betriebsräten einen Teil der 800 Kolleginnen und Kolle- verlagert werden, um Produktkosten zu op- sind wir für 3.800 Kolleginnen und Kolle- gen betreffen. timieren. gen da und beraten zu Alltagsfragen im Be- Es herrscht große Betroffenheit und Un- Eine hochkomplexe Fertigung wird aus- trieb, sichern die Rechte der Beschäftigten, mut bei den Kolleginnen und Kollegen und einander gerissen. Wir befürchten Lieferzei- aber sorgen auch für eine wirtschaftliche im Betriebsrat. Wir haben dem Management ten- und Qualitätsprobleme, den Verlust der Zukunft unseres Werks. Nach den letzten in den letzten Wochen klar gemacht, dass es Reaktionsfähigkeit, der Flexibilität und des Betriebsratswahlen, bei der erstmalig ein von uns ein hartnäckiges Veto gibt. Der Be- über Jahrzehnte aufgebauten Know-how gemeinsamer Betriebsrat aus Werk und Ser- triebsrat hat die Berliner Landespolitik und für den Berliner Standort und seine Ferti- vice entstand, sind wir zu einem gemeinsam die Bundespolitik um Unterstützung gebe- gung von Neuanlagen und Servicekompo- handelnden Gremium zusammengewach- ten. Die Politik will uns auch weiterhin den nenten. Wir befürchten nicht abzudeckende sen. Rücken stärken. Risiken für die Zukunft der Gasturbinen Das Thema Gesundheit und Belas- fertigung bei Siemens. tungsanalyse ist gegenwärtig ein wichti- Am 3. Juni wurden aus Ägypten insgesamt ges Thema. Ein anderes ist die Integration 24 Turbinen in Auftrag geben. Was bedeutet Was macht Ihr als Betriebsrat, der TACR in unsere Schaufelfertigung. Der das für die Auslastung in Eurem Werk? um all das zu verhindern? Betrieb für Turbinenschaufelbeschichtung Uns freut dieser Auftrag für unsere effizi- Der Betriebsrat ist mit anderen Betroffenen und Reparatur gehörte vormals zu Siemens. ente H-Klassen Technologie, denn damit des Power und Gas-Restrukturierungspro- Den Integrationsprozess haben wir inten- haben wir weltweit über 70 Gasturbinen gramms wie Mülheim und Görlitz vernetzt siv begleitet. Situationsbedingt beraten wir unserer neuesten Gasturbinengeneration und stimmt sich über den Gesamtbetriebs- viele Kolleginnen und Kollegen zu den In- verkauft. Insgesamt werden wir an unserem rat ab. Die IG Metall und Politik sind unse- teressenausgleichen und begleiten sie zu Standort in diesem Jahr die 1000. Gastur- re Partner, diesen industriellen Exodus zu Personalgesprächen. Mit einer intensiven bine fertigen. Damit ist eine gute Auslas- verhindern. Berlin braucht eine innovative Öffentlichkeitsarbeit informieren wir die tung für die nächsten Jahre gesichert. Auch Industrie und Hochtechnologie, dazu gehört Beschäftigten ständig über aktuelle Ent- unser Service mit der Neuanlagenmontage auch unsere Komponentenfertigung für die wicklungen. am Standort profitiert davon. Das heißt: dann am Standort montierten neuen Gas- Viel und gute Arbeit für die nächsten Jahre! turbinen und Serviceaufträge. Siemens Gasturbinenwerk Gründung: seit 1909 AEG Turbinenfabrik, seit 1969 KWU/ Siemens Gasturbinenwerk Beschäftigte: rund 3.800 Be- schäftigte Produkt: Gasturbinen ab einer Leistung von Michael Müller, Regierender Bürgermeister 100 Megawatt, Gasturbinenservice Betriebsrat: 25 Mit- von Berlin (links) glieder Tarifbindung: Flächentarifvertrag Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg, Tarifgebiet I 7
»Gute Arbeit - Betriebsräte in Berlin« Siemens Schaltwerk Gründung: 1917 Beschäftigte: rund 3.200 Produk- te: Schalttechnik für Hoch- und Mittelspannunganla- gen: Entwicklung, Fertigung und Vertrieb Betriebsrat: 23 Mitglieder Tarifbindung: Flächentarifvertrag Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg, Tarifgebiet I 8
Horst Hennig, Betriebsratsvorsitzender Unsere Kompetenz muss bleiben! » Das Schaltwerk Berlin, die weltweit Besondere Produkte Gemeinsam werden wir das stemmen größte Produktionsstätte ihrer Art, Schaltanlagen aus Berlin kommen weltweit Der Rundgang führt durch Arbeitsgebiete, hat eine lange Tradition als Wiege zum Einsatz, erzählt Horst Hennig stolz. die von dem Stellenabbau bedroht sind. zukunftsweisender Schalttechnik. Hier ent- Sie werden gebraucht in Kraftwerken, Um- Horst Hennig wirkt nachdenklich. »Das tut stehen Produkte und Systeme, die heute wie spannwerken und Ortsnetzen, Verkehrsan- weh. Hier ist eine sehr moderne Technik, die morgen die wirtschaftliche und zuverlässige lagen und der Gebäudetechnik. Im Grunde dazu führt, dass wir für andere Hersteller Verteilung elektrischer Energie sichern hel- sind es Lichtschalter – nur in einer Dimensi- Lieferanten sein könnten. Beispielsweise fen«, steht auf einer Unternehmensseite im on von Hoch- und Mittelspannung. bei der Fadenwickelei gibt es außer uns nur Internet. Siemens muss stolz sein auf dieses Wir gehen gemeinsam über das Gelände. noch ein Werk in der Schweiz, das herstellt. Werk der Zukunft. 2001 wurde es als »Werk An jeder zweiten Ecke wird Horst von Kol- Geben wir die Fadenwickelei auf, verlie- des Jahres« ausgezeichnet. legen »auf eine Minute« angehalten. Es gibt ren wir an Kompetenz und Fertigungstiefe. viele Fragen in solchen Zeiten. Zu spüren Fraglich, ob das eine kluge Entscheidung Lohnende Investitionen ist das gute Miteinander im Werk. Beein- ist. Der Betriebsrat hofft, mit Hilfe externer »Uns hat die Nachricht vom möglichen druckend sind die neuen Fertigungshallen, Berater Alternativen ausarbeiten zu kön- Stellenabbau kalt erwischt«, berichtet in denen die Kolleginnen und Kollegen ar- nen. Aber auch das geht nur mit allen hier Horst Hennig, Betriebsratsvorsitzender im beiten. In der Gießharz-Fertigung berichtet am Standort.« Schaltwerk. »Viele Kolleginnen und Kolle- Horst Hennig, dass hier seit Monaten unter Dann treffen wir wieder einen Kollegen, gen könnten hier in Berlin ihren Arbeits- Vollauslastung gearbeitet wird. Es wird über der Horst schnell etwas fragen will. »Wir platz verlieren. 1996 und 1997 haben wir kontinuierliche Schichtauslastung nach- sind hier eine gute Mannschaft. Wir haben gemeinsam am Standort eine harte Krise gedacht, weil die Auftragslage so hoch ist. schon viel geschafft. So schnell lassen wir gemeistert. Unsere Produkte wurden durch- »Wir gehen bei all dem als Beschäftigte und uns nicht die Zukunft nehmen. Gemeinsam strukturiert, die Fertigung angepasst, es Betriebsrat mit«, sagt er. »Aber wir erwarten werden wir das stemmen - mit Beschäftig- wurde investiert. Danach haben wir einen auch vom Management, dass es eine posi- ten, Betriebsrat und der IG Metall«, sagt er echten Boom am Markt erlebt.« Horst Hen- tive Entscheidung für weitere Investitionen nach dem Gespräch mit dem Kollegen. nig erzählt von einem richtigen Miteinan- in den Berliner Standort gibt – statt Men- der von Beschäftigten und Werksleitung. schen ihren Arbeitsplatz zu nehmen.« Willy Der Vertrieb wurde nach Berlin geholt. Die Brandt war hier und auch Konrad Adenauer Nähe von Entwicklung, Fertigung und Ver- besuchte das Werk in den Wiederaufbau- trieb hat sehr geholfen. 2004 wurden Millio- zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg »als das nen in das Behälterzentrum investiert, 2006 Werk in Schutt lag«. Die Schaltwerker sind mit 10 Millionen die Fadenwickelei ausge- stolz und viele Familienverbände arbeiten baut. Im Jahr 2012 folgte eine Investition hier. »Bei manch einem Auszubildenden von circa 70 Millionen für zwei neue Ferti- habe ich schon den Vater in der Ausbil- gungshallen in der Hochspannung, die nach dung gehabt«, erzählt Horst Hennig, der neuesten Erkenntnissen gestaltet wurden. als Meister viele Kollegen ausgebildet hat. 9
»Gute Arbeit - Betriebsräte in Berlin« Zukunft für das Mercedes-Benz Werk in Marienfelde S eit vielen Jahren setzt sich der Be- Frühzeitig mitmischen triebsrat für sichere Arbeitsplätze im »Für die Belegschaft ist die Vereinbarung Mercedes-Benz Werk in Marienfelde ein klares, gutes Signal: Das Werk nimmt ein. Nach langen Verhandlungen zur Zu- am derzeitigen Wachstum von Mercedes kunft des Werkes, Zukunftsbild genannt, und den Zukunftschancen der Branche teil. ist es dem Betriebsrat gelungen, weitere Die Beschäftigung ist damit bis ins Jahr Investitionsentscheidungen zu erhalten. 2024 gesichert«, so Ute Hass. »Es lohnt In den nächsten Jahren werden insgesamt sich, als Betriebsrat frühzeitig bei den In- rund 500 Millionen Euro in die Zukunft vestitionsentscheidungen des Unterneh- des Mercedes-Benz Werkes in Marienfel- mens mitzumischen.« de investiert. Das Berliner Werk wird zu Ute Hass kennt das Werk schon seit einem High-Tech-Standort für die Kom- 1976. Sie war Vetrauensfrau im Werk, bis ponentenfertigung zur Verminderung von sie 1984 in den Betriebsrat gewählt wurde. CO2-Emissionen ausgebaut. »Arbeitsplätze Seit 2002 ist die gelernte Industriekauffrau für die Zukunft sichern. So macht Betriebs- Betriebsratsvorsitzende im Werk. ratsarbeit richtig Spaß«, sagt Ute Hass, Be- triebsratsvorsitzende im Werk. »Wir haben Mehr Ausbildungsplätze uns mit der Werkleitung darauf geeignet, Für mehr Ausbildungsplätze im Werk setzt in diesem Jahr weitere 15 Festeinstellungen sich das Betriebsratsgremium seit vie- vorzunehmen. Schon im letzten Jahr ha- len Jahren ein. »Wir haben die Frage der ben wir 30 neue Kolleginnen und Kollegen Ausbildung eng mit der Forderung nach eingestellt. Unter den 30 neuen Kollegen weiteren Investitionen gekoppelt«, erklärt waren 20 Übernahmen von Leiharbeitskol- Ute. »Es ist uns gelungen, ab 2016 vier zu- legen und 10 Übernahmen aus dem Werk in sätzliche Ausbildungsplätze im Jahr für die Ludwigsfelde. Für die Kollegen in Leiharbeit nächsten drei Jahre zu vereinbaren. Damit ist eine Festeinstellung wie ein Sechser im haben wir im Jahr 24 Ausbildungsplätze Lotto.« im Werk.« Michael Rahmel, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender Mercedes-Benz Werk Marienfelde Gründung: seit 1902 in Berlin Beschäftigte: rund 2.550 Beschäftigte Produkte: Hochmoderne und um- weltfreundlich hergestellte Komponenten und Teile Betriebsrat: 21 Mitglieder Tarifbindung: Flächenta- rifvertrag Metall- und Elektroindustrie Berlin-Branden- burg, Tarifgebiet I mit Ergänzungstarifvertrag (teilweise Flächentarifvertrag Baden-Württemberg) 10
Ute Hass, Betriebsratsvorsitzende »Gerade haben wir eine Befragung zum The- »Parallel dazu haben wir eine Arbeitsgrup- ma »Mobiles Arbeiten« durchgeführt. Diese pe im Gesamtbetriebsrat gegründet, die sich Befragung wurde vom Gesamtbetriebsrat mit familienfreundlichen Arbeitszeiten – mitinitiiert. Spürbar ist – auch bei uns in auch im Dreischichtbetrieb in der Produk- Berlin – dass die Kolleginnen und Kollegen tion – beschäftigt«, berichtet Ute. ein hohes Interesse an dem Thema haben, Chancengleichheit und Frauenförderung um Arbeit und Leben besser zu vereinba- liegen Ute Hass besonders am Herzen. Seit 17 ren. Aufgrund der Befragungsergebnisse Jahren leitet sie auf Gesamtbetriebsratsebene und der Diskussionen in den Werken wird den Arbeitskreis »Vereinbarkeit Arbeit und der Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebs- Leben, Frauenpolitik«, in dem Kolleginnen vereinbarung auf den Weg bringen, in die aus allen Werken vertreten sind. Die Anregungen, Wünsche und Erwartungen der Frauen konnten eine Reihe von Betriebs- Kollegen einfließen.« vereinbarungen zu Frauenförderung, Teilzeit, Familienzeit, Pflegezeiten und Be- triebskindergarten abschließen. »Verein barkeit spielt meiner Erfahrung nach eine immer größere Rolle«, sagt Ute. »So- wohl für Frauen als auch für Männer.« 11
»Gute Arbeit - Betriebsräte in Berlin« Wenn Unternehmen sehr schnell wachsen Jörg Butzke, Betriebsratsvorsitzender (links) S eit 2008 schon fünf Betriebsratswah- Expatriate-Management (Betreuung aller len. Das hört sich nach Unruhe an. ausländischen Einsätze der Beschäftigten) Jörg Butzke wirkt gar nicht aufge- in Berlin. Im Schnitt wurden seit 2008 jähr- regt. Selbstbewusst erzählt er, dass 2008 am lich zwischen 100 und 150 Leute eingestellt. Standort 16 Leute gestartet sind. Er selbst »Alles wurde in explosiver Geschwin- war damals von Hamburg nach Berlin ge- digkeit aufgebaut«, erzählt Jörg Butzke. Er kommen, um das neue Shared-Service Un- ist seit sechseinhalb Jahren Betriebsrats- ternehmen von Daimler mit Leben zu erfül- vorsitzender. Mit seinem Kollegen Mirko len. Im Juni 2015 arbeiten 763 Frauen und Scherraus, stellvertretender Betriebsratsvor- Männer in der Mitte Berlins. Gestartet war sitzender, und mittlerweile elf weiteren Kol- das Unternehmen mit der Rechnungsprü- leginnen und Kollegen im Betriebsrat sind fung für die 16 deutschen Daimler-Werke. sie ein gutes Team. »Wir haben in kurzer Heute befinden sich zum Beispiel die Hu- Zeit extrem viel lernen müssen«, berichtet man Resources Administration (Arbeiten, er. »Das war manchmal ein richtiger Wett- die im Zusammenhang mit dem Personal- lauf mit den Anforderungen. Jetzt profitie- wesen stehen), das Recruiting (Personal ge- ren wir untereinander sehr von dem aufge- winnen) für alle Werke, das Controlling, das bauten Wissen.« 12
Mirko Scherraus, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender Warum eigentlich ein Gute Kommunikation Gegenseitige Wertschätzung Shared-Service Unternehmen? Mit seinem Kollegen Mirko Scherraus und Von Anfang an ist die IG Metall ganz »Als Daimler-Tochter sind wir günstiger - dem Betriebsrats-Team wurde dem Thema selbstverständlich auf unseren Betriebs- ›das Sparschwein‹ der AG, so Jörg Butzke. Kommunikation von Anfang an hohe Auf- versammlungen dabei. Die Tarifbindung ist »Wir wurden nicht aus sozialen, sondern merksamkeit gewidmet. Es gibt ein Logo ein Thema, bei dem es bei uns in der DGSB aus wirtschaftlichen Gründen aufgebaut.« für den Betriebsrat, ein Lay-Out für alle kontrovers zugeht. Im Unternehmen gibt Das ist ein extremes Spannungsfeld: Das Newsletter-Varianten, stehende Strukturen es einen Ergänzungs-Tarifvertrag, der auf Management baute Aufgaben und somit mit deren Hilfe der Betriebsrat sehr regel- dem Kfz-Handwerk-Tarif aufsetzt mit einer Arbeitsplätze in der Daimler AG ab und in mäßig informiert. »Wir müssen hier einen eigenen Entgeltlinie. »Derzeit verhandeln der DGSB auf. Spagat schaffen. Einerseits die vielen neuen wir eine neue Stellen- und Vergütungsland- Kollegen informieren, einbinden – und an- schaft im Unternehmen«, so Jörg Butzke. Konzernbetriebsrat und Vernetzung dererseits die Kollegen nicht langweilen, die »Den aktuellen Patchwork-Teppich versu- Jörg Butzke hatte schnell erkannt, dass die schon ein, zwei, drei oder mehr Jahre bei chen wir transparent und wertschätzend Vernetzung, der Kontakt mit den anderen uns sind«, erklärt Jörg. Vorbild bei vielem zugleich zu gestalten«. Konzerntöchtern sehr wichtig ist. »Ich habe war der Gesamtbetriebsrat bei Daimler, der mit Kollegen den Arbeitskreis der ›kleineren sehr professionell kommuniziert. Konzerntöchter‹ gegründet. Wir haben hier gemeinsam einen Blick auf den gemeinsa- Gleitzeit ohne Kernzeit men Bedarf«, berichtet er. Gemeinsam ste- »Auch wenn in der Daimler AG mehr ver- hen auch schwierige Themen auf der Agen- dient wird: Wir haben sehr gute Arbeitsbe- da: Wie beteiligen wir auch in den kleinen dingungen hier. Gleitzeit ohne Kernzeit ist Konzerntöchtern die Beschäftigten am Un- eine unserer Errungenschaften«, berichtet ternehmenserfolg? Welche Entgeltsysteme Jörg. 75 Prozent der Beschäftigten sind haben wir? »Wir erleben immer wieder: Ei- Frauen. Es gibt mehr Frauen in Führungspo- nigkeit macht stark.« sitionen als Männer. Der Altersdurchschnitt in der DGSB liegt bei 33 Jahren. Inzwischen gibt es längst Kolleginnen und Kollegen, die nach einer Schleife in einem anderen Daimler Unternehmen in die DGSB zurück- kehren. Ein Obstkorb in jeder Abteilung, der für alle kostenfrei ist, kostenlos Kaffee und Wasser – das sind Standards, die vom Betriebsrat angeregt wurden. »Die IG Metall Daimler Group Services Berlin ist immer an unserer Seite. Wir gewinnen Daimler Group Services Berlin (DGSB): 100-prozentige durch gute Basisarbeit und persönliche An- Tochter von Daimler, gegründet 2008 in Berlin Haupt- sprachen immer mehr Mitglieder. Bei uns ist sitz: Berlin Beschäftigte: 763 im Juni 2015 – begonnen auch die Geschäftsführung im guten Kon- 2008 mit 16 Angestellten Shared Service Unterneh- takt mit der IG Metall«, berichtet er. men: Finanzdienstleistungen wie Rechnungsprüfung für die 16 Daimler-Werke in Deutschland, Human Re- sources, Recruiting und mehr Beschäftigtenstruktur: 75 % Frauen, Angestellte. Altersdurchschnitt 33 Jahre Betriebsrat: 13 Mitglieder Tarifbindung: Ergänzungs- Tarifvertrag angelehnt an Kraftfahrzeughandwerk 13
»Gute Arbeit - Betriebsräte in Berlin« Susanne Hensel, Betriebsratsvorsitzende Mercedes-Benz Bank Service Center Berlin Beschäftigte: rund 800 Beschäftigte Produkte: Fahr- zeugfinanzierung für die Daimler AG Betriebsrat: 13 Mitglieder Tarifbindung: Erstreckungstarifvertrag zum Ergänzungstarifvertrag für Dienstleistungsunternehmen (in der Metall- und Elektroindustrie) 14
Mercedes-Benz Bank und IG Metall? Na klar! Interview mit Susanne Hensel, eigenen Vorgesetzen als Betriebsrat gegen- dass viele die Sammlung und Auswertung Betriebsratsvorsitzende übertreten. Das fühlte sich anfangs wie ein von personenbezogenen Daten befürworte- Interessenkonflikt an. ten. Sie sagten: »Ich leiste gute Arbeit und Wie kommt es, dass die IG Metall als Und dann ist da noch der Zeitfaktor. Ob- möchte, dass das auch gesehen wird.« Gewerkschaft in Eurer Bank vertreten ist? wohl wir alle wissen, dass der Arbeitgeber Andere waren wiederum ganz und gar Das Mercedes-Benz Bank Service Center für die Zeit der Betriebsratsarbeit freistel- dagegen. Sie empfanden es als Überwa- wurde 2011 eröffnet. Als Daimler-Tochter len muss, fällt es den nicht freigestellten chung und als eine zusätzliche psychische ist bei uns die IG Metall traditionell als Ge- Betriebsratskollegen teilweise noch schwer, Belastung. Als unser Arbeitgeber uns den werkschaft vertreten. Fuß gefasst hat die IG die Kollegen in der Fachabteilung allein zu- Entwurf einer Betriebsvereinbarung vor- Metall 2010, als bei Daimler Financial Ser- lassen, um sich um Betriebsratsbelange zu legte, mussten wir handeln. vices eine sehr weitreichende Umstrukturie- kümmern. rung stattfand, durch die über 1.000 Kol- Wie habt Ihr es geschafft, leginnen und Kollegen von Umzügen quer Welche Erfolge konntet Ihr das Problem zu lösen? durch die Republik betroffen waren. Die IG bereits verzeichnen? Wir haben uns zum Datenschutzgesetz Metall hat tatkräftig bei unseren Protestak- In unserer telefonischen Kundenbetreuung schulen lassen und zusätzlich die Dienste tionen und den Verhandlungen zum Inter- möchte unser Arbeitgeber die Arbeitsleis- eines gewerkschaftsnahen Beratungsun- essenausgleich und Sozialplan unterstützt. tung von rund 60 Beschäftigten messen: ternehmens in Anspruch genommen. In Welcher Mitarbeiter nimmt wie viele An- einer Arbeitsgruppe haben wir dann mit Euren Betriebsrat gibt es seit März 2014. rufe entgegen? Gesprächsdauer? Nachbe den betroffenen Beschäftigten eine eigene Was waren bislang die größten Heraus arbeitungszeit? Und wie lange ist der Be- Betriebsvereinbarung zur Auswertung von forderungen für Euer junges Gremium? schäftigte für die Kunden verfügbar? Dafür personenbezogenen Daten entworfen, mit Für ein vollkommen neues Gremium, mit sollten die Kollegen Mittagspause, Schu- der alle auf Arbeitnehmerseite Beteiligten überwiegend unerfahrenen Betriebsräten, lungen, Toilettengänge und mehr detailliert einverstanden sind. war die erste große Herausforderung, die dokumentieren. Alle technischen Daten Das Herzstück dieser Vereinbarung ist Rahmenbedingungen abzustecken. Wir ha- sollten dann irgendwie ausgewertet und mit das Verständnis, dass nur die Daten gesam- ben uns in Schulungen das Wissen um Mit- den Planvorgaben und auch unter den Mit- melt und ausgewertet werden, die absolut bestimmungsrechte angeeignet. arbeitern verglichen werden. nötig sind, um Mitarbeiter für die geforder- Auch die Doppelrolle Betriebsrat-Mitar- ten Service Level zu qualifizieren. Es geht beiter fiel den jungen Kollegen am Anfang Was habt Ihr unternommen? in dieser Vereinbarung darum, ein für die schwer. Sie hatten auf einmal Kontakt zur Wir haben mit den betroffenen Beschäftig- Mitarbeiter gesundes Arbeitspensum als Geschäftsführung, müssen teilweise ihren ten gesprochen. Überrascht stellten wir fest, Maßstab anzulegen. Die Auswertung der Daten soll einzig und allein der Qualifi- zierung der Mitarbeiter dienen und nicht zur Leistungsbeurteilung oder Verhaltens- kontrolle. Damit sind wir nun weit entfernt von der allumfassenden Transparenz, die sich unser Arbeitgeber vorgestellt hatte. Die letzten Verhandlungen zu dieser Be- triebsvereinbarung stehen noch aus, aber wir haben positive Signale vom Arbeitge- ber bekommen. Als Betriebsrat können wir ganz selbstbewusst unseren Entwurf ver- teidigen. 15
»Gute Arbeit - Betriebsräte in Berlin« Investitionen bedeuten Veränderungen Rund 100 Millionen Euro werden zusätzlich Wie ist der Stand der Dinge in Euer Spandauer Werk investiert. in Sachen Leiharbeit? Was genau passiert? In der Hochphase der Motorradproduktion B ei uns in Berlin werden die Lackier- sind viele Leiharbeitnehmer im Werk be- kapazitäten und die Logistik ausge- schäftigt. baut. Für die Mitarbeiter wird ein Bei uns erhalten sie den IG Metall-Tarif- neues Parkhaus gebaut. Schon im Herbst lohn. Hierbei, wie bei vielen anderen Fra- 2015 wird der Spatenstich für ein neues gen, hat sich die Zusammenarbeit mit der Versorgungszentrum stattfinden. Das neue, IG Metall bewährt. Die IG Metall ist unser teilautomatisierte Logistikzentrum wird das starker Partner bei der Gestaltung der Ar- modernste der Motorradbranche sein. Die- beitsbedingungen. Auch in diesem Jahr ha- ser Neubau findet direkten Anschluss an die ben wir es geschafft, dass Leiharbeitnehmer Interview mit Markus Kapitzke, Produktion, wodurch täglich mehr als eine eine Chance auf eine unbefristete Einstel- 2. stellvertretender Betriebsrats- Million Teile in die Montage gebracht wer- lung an unserem Standort erhalten. Wir vorsitzender und Vertrauenskörper- den können. richten ein besonderes Augenmerk darauf, leiter im BMW Motorradwerk Berlin dass Kollegen, die schon längere Zeit als Wird es direkt bei Euch Leiharbeitnehmer arbeiten, vorrangig be- neue Arbeitsplätze geben? rücksichtigt werden. Ja, die Investitionen der nächsten Jahre sind ein klares Bekenntnis zum Berliner Wie viele Auszubildende gibt es bei Euch? Standort. Die Stammbelegschaft wird sich An unserem Standort bilden wir insgesamt in den nächsten Jahren vergrößern. Mög- fünf Berufsgruppen aus. In Summe sind das lich ist das nur, weil wir auf neue Technolo- über alle Lehrjahre rund 70 Azubis. Wir gien setzen, um in Gegenwart und Zukunft freuen uns, die neuen Auszubildenden für wettbewerbsfähig zu bleiben. das erste Ausbildungsjahr im September bei uns im Werk begrüßen zu dürfen. In Was bedeuten die Investitionen einer Vorstellungsrunde werden die Neuan- für Eure Betriebsratsarbeit? kömmlinge durch Betriebsrat, Jugend- und Der Betriebsrat ist aktiv in die Prozesse mit- Auszubildendenvertretung (JAV) und IG einbezogen. Durch die neue Strukturierung Metall begrüßt. der Logistik möchte das Unternehmen eini- ge logistische Arbeitsinhalte einkaufen. Die geplante Fremdvergabe bedeutet für eini- ge Menschen, dass sie sich dann beruflich verändern müssen. Der Betriebsrat konnte in Verhandlungen das Entgelt und die Be- schäftigung am Standort Berlin absichern. BMW Erreicht haben wir als Betriebsrat auch, dass ein zukünftig neuer Logistik-Dienstleister BMW: seit 1969 Motorradwerk in Berlin-Spandau Hauptsitz: München Standorte in Deutschland: Mün- einen Tarifvertrag mit der IG Metall ver- chen, Dingolfing, Regensburg, Landshut, Berlin, Leipzig handeln muss. Beschäftigte: circa 1.900 Beschäftigte Produkte: Rund 120.000 Motorräder jährlich – 23 Modelle mit bis zu 40 auswählbaren Farben; Rund 6.000.000 PKW-Bremsschei- ben pro Jahr. Beschäftigtenstruktur Berlin: Alters durchschnitt 45,5 Jahre Betriebsrat: 21 Mitglieder Tarifbindung: Flächentarifvertrag Metall- und Elektro industrie Berlin-Brandenburg, Tarifgebiet I 16
Markus Kapitzke, 2. stellvertretender Betriebsratsvorsitzender 17
»Gute Arbeit - Betriebsräte in Berlin« »Den steten Wandel begleiten, die Zukunft sichern« S eit vielen Jahren produzieren die Zu Beginn der Verhandlungen hatte die derzeit noch 1.050 Kolleginnen und Arbeitgeberseite unter anderem vorgeschla- Kollegen in Berlin rund eine Milli- gen, die tarifliche Wochenarbeitszeit deut- arde Rasierklingen pro Jahr. 2005 kaufte lich zu erhöhen und übertarifliche Zulagen das amerikanische Unternehmen Procter & über mehrere Jahre massiv abzuschmelzen. Gamble das Gillette-Werk in Berlin. Zudem hat die Arbeitgeberseite die Ein- Es gibt viele gute Betriebsvereinbarun- führung eines neuen Organisationsmodells gen. Pro Jahr werden zehn junge Menschen vorgeschlagen, das einen erheblichen Stel- als Mechatroniker und Industriemechaniker lenabbau zur Folge gehabt hätte. Die be- ausgebildet. Martin Krause ist seit 2002 Be- triebliche Tarifkommission der IG Metall triebsrat, seit 2010 Betriebsratsvorsitzender hatte eigene Forderungen zur Sicherung des im Werk in Berlin. Er ist sehr direkt, wenn Standorts, der Beschäftigung und der Ent- er erzählt. »Eigentlich wenden wir seit gelte der Beschäftigten erhoben und zahl- 2005 vor allem alle Energie auf, um das reiche alternative Einsparpotentiale aufge- Schlimmste zu verhindern«, sagt er. »Wir zeigt. leben in einer ständigen Wettbewerbssitua- tion mit anderen Klingenwerken. Durch das Verzicht und Investitionen Verlagern von Produktion im Konzern nach Viele dieser Alternativen sind jetzt Bestand- Polen und weltweit erleben wir und andere teil des Tarifvertrags. Auf der einen Seite Standorte ein ständiges Benchmarking.« verzichtet die Belegschaft ab April 2015 auf Ende Februar 2015 haben IG Metall und einen Teil der übertariflichen Zulagen oder das Management von Procter & Gamble alternativ für drei Jahre auf einen Teil des (ehemals Gillette) einen Zukunfts-Tarifver- Weihnachts- und Urlaubsgeldes. Für den trag unterzeichnet. Der Vertrag ist erstmals Verzicht haben Betriebsrat und betriebliche kündbar Ende März 2020. »Es wurde ein ho- Tarifkommission nicht nur Millioneninves- her zweistelliger Millionenbetrag an Inves- titionen und die Sicherung der Arbeitsplät- titionen in das Berliner Werk vereinbart und ze ausgehandelt: »Darüber hinaus konnten bis 2020 sind die Arbeitsplätze von mindes- wir die sehr guten betrieblichen Abfin- tens 670 Beschäftigten gesichert«, berichtet dungs- und Altersteilzeitregelungen bis Martin Krause. Ende 2024 absichern und die 35-Stunden- Woche bleibt unangetastet. Der Betriebsrat Standortsicherung und die betriebliche Tarifkommission haben Auslöser der Verhandlungen war eine glo- ausgezeichnete Arbeit geleistet. Das ist eine bale »Sourcing-Studie« des Konzerns, die gute Nachricht für die Belegschaft und den seit Sommer 2014 die Bedingungen für In- Berliner Standort«, berichtet Martin Krau- vestitionen in eine neue Maschinengenera- se. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis tion und neue Produkte an weltweit unter- 2020 ausgeschlossen. schiedlichen Standorten gegenübergestellt. Dem Berliner Werk drohte ein massiver Stellenabbau, sollten nicht schnell struktu- rell wirksame Kosteneinsparungen erfolgen. Procter & Gamble Procter & Gamble: Gillette wurde 2005 von Procter & Gamble übernommen. Hauptsitz: Cincinnati, USA Be- schäftigte: 1.050 im Juni 2015 Produkte: Drei Produkt familien Rasierklingen: Fusion, Mach3, Venus Beschäf- tigtenstruktur Berlin: Altersdurchschnitt circa 45 Jahre, rund 25 Prozent Frauen Betriebsrat: 13 Mitglieder Tarifbindung: Flächentarifvertrag Metall- und Elektro industrie Berlin-Brandenburg, Tarifgebiet I, Zukunfts sicherungs-Tarifvertrag 18
Martin Krause, Betriebsratsvorsitzender Mehr Mitglieder »Wir hätten dieses Ergebnis ohne unseren guten Organisationsgrad nicht erreicht. Bereits mit der Einführung des Entgeltrah- menabkommens (ERA) 2007 sind bei uns massiv Kollegen Mitglied geworden. Sie haben erlebt, was ohne Gewerkschaft pas- sieren kann«, so Martin Krause. »Unsere Leute erleben, beispielsweise mit Beibehaltung der seinerzeit übertariflichen Nachtschichtzulage, dass sich das gemein- same Eintreten und ein starker Betriebsrat bezahlt machen. Gemeinsam mit der IG Me- tall sind wir gut aufgestellt am Standort.« 19
»Gute Arbeit - Betriebsräte in Berlin« Wir setzen uns dafür ein, dass Tarifverträge und Gesetze eingehalten werden Stadler Pankow Hauptsitz: in der Schweiz Beschäftigte Standort: 1.150 (inklusive rund 200 Leiharbeitnehmer) im Juni 2015 Produkte: Schienenfahrzeuge Beschäftigtenstruk- tur: Altersdurchschnitt 41 Jahre Betriebsrat: 15 Mit- glieder Tarifbindung: Anerkennungstarifvertrag zum Flächentarifvertrag Metall- und Elektroindustrie Berlin- Brandenburg, Tarifgebiet II 20
Iris Ziesche, Betriebsatsvorsitzende I ris Ziesche arbeitet seit 37 Jahren bei Immer wieder hat der Betriebsrat in den gebildet, die sehr selbstständig und verant- Stadler Pankow. Im Werk Berlin werden vergangenen Jahren Hinweise auf psychi- wortungsbewusst arbeiten«, so Iris. Schienenfahrzeuge hergestellt. Schon sche Belastungen an Arbeitsplätzen von »Derzeit haben wir 30 Auszubildende ihre Ausbildung hat sie hier gemacht. Die Kolleginnen und Kollegen bekommen. Nach in verschiedenen Ausbildungsberufen wie Geschichte des heutigen Unternehmens be- guter Vorbereitung wurde im Juli 2015 Elektroniker, Industriemechaniker und in ginnt bereits im Dezember 1896. In den 70er eine Befragung in einer der Abteilungen weiteren technischen Berufen. Im Septem- Jahren gehörte das Werk noch zur »Waggon durchgeführt. »Gemeinsam mit der Perso- ber kommen wieder rund zehn Auszubil- Union«. Danach gehörte das Werk zu »ABB nalleitung haben wir im Vorfeld eine Infor- dende dazu. Wir sind froh, dass die Aus- Henschel« und »Daimler Chrysler Rail Sys- mationsveranstaltung in dieser Abteilung zubildenden hier am Standort auch alle tems« - im Jahr 2000 dann die Gründung durchgeführt«, so Iris Ziesche. Jetzt folgt übernommen werden und wir so unsere der Stadler Pankow GmbH. Eine bewegte die Auswertung, Diskussion der Ergebnisse Fachkräfte sichern.« Geschichte. im Arbeitsschutz-Ausschuss und danach die Seit 15 Jahren ist Iris Ziesche Betriebs- Festlegung von Maßnahmen, wenn erforder- Informationen zur Altersteilzeit ratsvorsitzende im Werk. »Es gibt immer lich. Nach erfolgter Pilotphase soll dies im Das ist auch nötig. Denn der Betriebsrat er- wieder schwierige Themen, für die wir hart gesamten Unternehmen fortgeführt werden. lebt auch, dass bei den Kollegen ein großer kämpfen müssen, aber insgesamt gehen Be- Informationsbedarf zur Altersteilzeit be- triebsrat und Geschäftsführung am Stand- Mehrarbeit ist Thema steht. »Die Arbeitsbedingungen bei uns in ort konstruktiv miteinander um«, erzählt »Mehrarbeit ist zurzeit immer wieder ein der Produktion sind fordernd. Da es kaum sie. »Leiharbeit war für uns viele Jahre ein Thema bei uns. Bei der heutigen Arbeits- möglich ist, diese Arbeit bis 67 durchzu- schwieriges Thema. Gemeinsam mit der IG verdichtung und in der Urlaubszeit erhalten halten, interessieren sich viele Kollegen für Metall haben wir viele Aktionen durchge- wir immer wieder Hinweise auf die hohe einen früheren Ausstieg aus dem Berufsle- führt und wir haben es geschafft, 2014 eine Belastung«, berichtet Iris. »Wir achten da- ben. Wir beraten zu den neuen Regelungen Betriebsvereinbarung zur Übernahme und rauf, dass Grenzen eingehalten werden. aus dem Tarifvertrag derzeit intensiv«, so besseren Vergütung von Leiharbeitnehmern Wenn wir an den Arbeitszeitkonten sehen, Iris Ziesche. Betriebsratsarbeit besteht aus abzuschließen.« dass dauerhaft zu hohe Überstunden geleis- vielen Einzelfallberatungen. Kollegen kom- tet werden, informieren wir die Vorgesetz- men mit unterschiedlichen Fragen zu ihren Kantine für das Werk ten und suchen das Gespräch, damit gegen- Abrechnungen oder zu ihren Verträgen zum Im Werk gibt es derzeit keine Kantine. »Seit gesteuert wird.« Betriebsrat. Jahren setzen wir uns als Betriebsrat dafür In Berlin-Brandenburg arbeiten in insge- »Wir können viele Unstimmigkeiten ein, auf dem Werksgelände eine Kantine zu samt vier weiteren Betriebsstätten 180 Kol- schon im Vorfeld lösen. Allerdings gibt es errichten«, erzählt Iris. »Bisher leider ohne leginnen und Kollegen, die der Betriebsrat auch zwischendurch harte Auseinanderset- Erfolg. Aber wir bleiben dran. Für manche in Pankow mitbetreut. Den Kontakt kons- zungen«, berichtet Iris Ziesche. »Bisher ist Themen müssen wir einen langen Atem tant zu halten, ist eine Herausforderung für es uns aber gelungen, diese immer außer- haben. Auch die Sozial- und Pausenräume das Betriebsratsteam. »Für die Bearbeitung gerichtlich zu lösen. Wir stehen dafür ein, sind ein Thema. Uns fehlt es an guter Aus- der vielen Themenkomplexe und Betreuung Rechte aus Tarifverträgen und Gesetzen für stattung.« der Betriebsstätten haben wir Ausschüsse die Kollegen durchzusetzen.« 21
»Gute Arbeit - Betriebsräte in Berlin« Dirk Wüstenberg, Betriebsratsvorsitzender Otis ES (Electronic System) Otis: Otis ES (Fertigung und Entwicklung) Hauptsitz: Berlin Produkte: Steuerungen für Fahrtreppen und Aufzugsysteme Beschäftigte: rund 345 Beschäftigte (davon 120 gewerbliche) Betriebsrat: 9 Mitglieder Tarifbindung: Flächentarifvertrag Metall- und Elektro industrie Berlin-Brandenburg, Tarifgebiet I, Ergänzungs- tarifvertrag seit 2005 22
Bezirk Berlin-Brandenburg- Sachsen Vertrauensleute von Otis ES und HQ 10969 Berlin IG Metall Berlin, Alte Jakobstraße 149, Wir stehen für … 5,5 % mehr Lohn, V.i.S.d.P.: Klaus Abel, Erster Bevollmächtigter, Bildungsteilzeit und bessere Alterste ilzeit Wir unterstützen die aktuellen Forderung en der IG Metall Tarifrunde 2015 Den Standort sichern in bewegten Zeiten S chon aus einiger Entfernung sind die Ende 2004 wurde das Fahrtreppenwerk von von Kolleginnen und Kollegen entschieden, Schilder von »IG Metall« und »Be- Otis in Stadthagen geschlossen und nach den Tarifvertrag zu behalten. Der Betriebs- triebsrat« zu lesen am einstöckigen Tschechien verlagert. »Das war ein Schock rat erhielt den Auftrag, auf die 35 Stunden Haus 6 auf dem Otis-Gelände. Nicht in je- für uns alle. Das Werk war hoch gelobt, hinzuarbeiten. »Wir leben als Betriebsrat in dem Unternehmen in Berlin ist die IG Metall machte enormen Gewinn. Aber die ameri- dem Spannungsfeld, einerseits zu sehen, so präsent wie bei Otis. »Bei uns in der Otis kanische Konzernspitze hatte die Verlage- dass Otis gute Gewinne einfährt, die alle ES (Fertigung + Entwicklung) haben wir rung verordnet«, erzählt Dirk Wüstenberg. Beschäftigten erarbeiten, und andererseits mehr als 62 Prozent Organisationsgrad. Die »Plötzlich wurde auch über eine Schließung die Bedrohung von Schließung und Verla- Zusammenarbeit mit der IG Metall ist sehr des Fertigungsstandorts in Berlin nachge- gerung abwehren zu müssen«, so Dirk Wüs- gut«, berichtet der Betriebsratsvorsitzende dacht und die Verlagerung nach Branden- tenberg. Zwei Tage konnte der Betriebsrat Dirk Wüstenberg. burg. Ein hoher Druck wurde aufgebaut.« schon über eine Sonderurlaubs-Regelung Begeistert berichtet er von der Kompe- zurückholen. tenz am Standort in Berlin: »Wir sind ein Standort gesichert Derzeit wird überlegt, wie Sachverstän- wichtiger globaler Entwicklungsstandort Am Ende stand 2005 ein Tarifvertrag zur dige von außen uns beim Thema Stand- weltweit. Unsere Fertigung wird gerade auf Standortsicherung. Die Schließung und ortsicherung helfen können. »Wir wollen Großprojekte umgestellt, darin liegt unsere Verlagerung konnten nach zähen Verhand- unseren Standort sicherer machen und ihn Stärke. Das können nur wenige Standorte. lungen verhindert werden, aber natürlich stetig weiterentwickeln«, so Dirk Wüsten- Wir beliefern Flughäfen in Dubai, Abu Dha- musste auch eine Kröte geschluckt werden: berg. Eine neue Problemlage gibt es durch bi oder auch die U-Bahn in London. Unser Im Werk wird seither 38 statt 35 Stunden die Zusammenlegung mit den Unternehmen Vorteil in Berlin ist die Nähe von Entwick- pro Woche gearbeitet – für das gleiche Geld. Carrier (Klimaanlagen) und Fire & Security lung und Fertigung. Die kurzen Wege er- 2013 hat der Betriebsrat eine Umfrage zum (Sicherheit & Brandschutz). Innerhalb des möglichen ein zeitnahes Reagieren und ein Tarifvertrag gemacht. Gefragt wurde, ob Mutterkonzerns UTC mit Sitz in den USA gutes Miteinander.« es den Wunsch gebe, den Tarifvertrag zu bildet Otis jetzt die organisatorische Einheit kündigen. Mit 60 Prozent Mehrheit wurde BIS – Building Industrial Systems. 23
»Gute Arbeit - Betriebsräte in Berlin« Die Marken bleiben erhalten, aber die Zu- Beschäftigten. Er hat zum Beispiel Lauf- ständigkeiten verändern sich. »Wir werden gruppen und einen Gymnastikraum auf jetzt nicht nur mit Otis-Werken internatio- dem Betriebsgelände initiiert. In einem nal verglichen, sondern auch mit weiteren Fertigungsbereich mit stark vorgeneigter Fertigungsstandorten der BIS-Organisati- Sitzhaltung können die Frauen längere Er- on«, erklärt der Betriebsratsvorsitzende. holpausen zum Ausgleich nutzen. Ganz ne- »Unser Otis-Management für Europa benbei erzählt Dirk Wüstenberg von einer sitzt in Paris. Dort hat das amerikanische Kinder-Ferienfahrt, die jährlich organisiert Management einen internationalen Blick wird. Rund 25 bis 30 Kinder nehmen Jahr auf die Dinge. 35 Stunden klingen für das für Jahr daran teil. Früher ging es immer Management wie ein Luxusproblem.« auf eine Nordseeinsel, seit einiger Zeit nach Sachsen-Anhalt und in andere Urlaubs- Was gut läuft? gebiete. 2009 sollte die Ferienfahrt abge- Eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit schafft werden, auch das wurde vom Be- lässt den Beschäftigten von Otis große Frei- triebsrat verhindert. heiten bei der Einteilung ihrer Arbeitszei- ten. 100 Stunden plus und minus darf das Weiterbildung bei Otis Gleitzeitsaldo aufweisen. Damit ist schon Der Betriebsrat kümmert sich auch um das eine Menge möglich. Zu Familie und Beruf Thema Weiterbildung. Otis ermöglicht Be- gibt es eine weitere Betriebsvereinbarung, schäftigten ein Studium außerhalb der Ar- die regelt, dass bei Themen wie der Pflege beitszeit. Wer sich für diese Art der Weiter- von Angehörigen sogar die Wochenstunden bildung entscheidet, bekommt das Studium in drei oder vier Tagen erarbeitet werden bezahlt. Das spart 12.000 bis 15.000 Euro. dürfen – um dann mehr Tage frei zu haben. »Hier sind schon Kollegen aus der Fertigung »Wir regeln Wünsche und Bedarfe sehr in- nach dem Studium in der Entwicklung als dividuell«, erzählt Dirk. Ingenieur eingestiegen«, erzählt Dirk. »Als Vom Himmel gefallen ist das alles nicht. Betriebsrat gehen wir auch auf Kolleginnen Der Betriebsrat hat in vielen Jahren für die- und Kollegen zu und ermutigen sie zur Wei- se guten Betriebsvereinbarungen gekämpft terbildung.« – mit Unterstützung der Belegschaft. Damit nicht genug. Der Betriebsrat engagiert sich auch in anderen Bereichen zum Wohl der 24
»Jetzt geht es an die Substanz« Sozialplan-Experten Andreas Felgendreher ist seit 1977 bei Os- ram, seit 1990 Betriebsrat. Sein Stellvertre- ter Thomas Wetzel ist seit 1983 bei Osram, seit 1992 Betriebsrat. Die beiden haben als Team schon viel durchlebt. Ihren ersten Sozialplan haben sie 2004 verhandelt, als der Standort Wedding geschlossen wurde. Seitdem gab es einen kontinuierlichen Stel- lenabbau in Berlin. 2006 wurde das Entgelt rahmenabkommen (ERA) eingeführt. 2009 wurden erneut 300 Arbeitsplätze abgebaut. Sehr hart war der Einschnitt in den Jahren 2009 bis 2014, als noch 2.300 Kolleginnen und Kollegen bei Osram beschäftigt waren. In diesen fünf Jahren mussten rund 1.000 Kolleginnen und Kollegen gehen. Dank verschiedener Regelungen und Sicherungs- abkommen gab es keine betriebsbedingten Kündigungen, einen deutlich besseren So- zialplan und es gab sogar rund 60 Kolle- gen, die in den Siemens-Konzern wechseln konnten. »Jetzt geht es aber an die Substanz«, sagt O sram ist ein Begriff in Berlin. Die Thomas Wetzel. »Im August 2014 wurden Osram-Glühlampe kennen viele von die Beschäftigten informiert, dass bis Ende uns. Nicht alle kennen die Lampen, 2017 weitere 306 Stellen abgebaut werden die am Standort Berlin hergestellt werden, sollen.« Die beiden Betriebsräte fühlen sich obwohl sie uns täglich begegnen. Die Stra- im Stich gelassen vom Management. »Wir ßenbeleuchtungen, die hellen XENARC Au- wissen, dass die Licht-Branche vor einem tolampen, die Shop-Beleuchtungen in vie- Wandel steht. Wir sind bereit, diesen Wan- len Einkaufszentren, Modegeschäften sowie del mitzugehen. Aber wir wehren uns dage- Lampen für Film und Fernsehen. Viele die- gen, dass Personalabbau die einzige Lösung ser Lampen kommen fast ausschließlich aus sein soll. Wir wollen, dass unsere Ideen auf- dem Osram Werk in Berlin. Wo viel Licht gegriffen werden.« ist, ist auch viel Schatten. Die negativen Schlagzeilen zum Stellenabbau bei Osram in Berlin reißen in den letzten Jahren nicht ab. Am 21. April 2015 hat der Vorstand be- kannt gegeben, dass der Ausstieg aus dem klassischen Lampengeschäft kommen wer- de. »Wir haben immerhin den Aufsichtsrat überzeugt, vorerst einen Prüfauftrag zu vergeben«, erzählt Andreas Felgendreher, Betriebsratsvorsitzender von Osram Berlin. »Wir werden es nicht verhindern, aber wir können es begleiten.« 25
»Gute Arbeit - Betriebsräte in Berlin« 26
Andreas Felgendreher, Betriebsratsvorsitzender Thomas Wetzel, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender Wie ist das auszuhalten? Gibt es etwas Positives? »Zu uns kommen die Kolleginnen und Kol- »2006 haben wir einen Sozialplan gemacht. legen mit ihrer Angst«, erzählt Andreas Fel- Rund 100 ungelernte Kolleginnen und gendreher. »Das bringt uns auch manchmal Kollegen haben wir damals in eine Quali- an die Grenzen. Denn wir können diese fizierung vermittelt. Sie wurden zu Büro- Angst nicht nehmen. Wir werden oft auch kaufleuten, Mechatronikern, Mechanikern nicht gut informiert vom Management.« ausgebildet«, erzählt Andreas Felgendreher Und Thomas Wetzel ergänzt: »Wir haben mit leuchtenden Augen. »Wenn Du nur hier Kollegen, denen bricht die Existenz mit Personalabbau zu tun hast, kaum noch weg, wenn sie ihre Arbeit verlieren. Die ein normales Betriebsratsthema bearbeiten Ängste sind extrem. Seit Jahren nehmen kannst, zerrt das an den Nerven.« wir das auch selbst mit nach Hause. Es ist nicht leicht, das auszuhalten.« Stolz sind beide auf ein Eckpunkte-Pa- pier, das Gesamtbetriebsrat und IG Metall mit dem Osram-Management verhandelt haben. Darin verpflichtet sich die Ge- schäftsführung, die Tarifbindung nicht an- zugreifen und die bestehenden Regelungen im Betrieb beizubehalten. »Es ist im Grunde die Verpflichtung, bei einem Verkauf einen anständigen Arbeitgeber für uns zu su- chen«, erläutert Thomas Wetzel. Osram Geschichte: 1919 in Berlin gegründet, 1978 bis 2013 100 % Tochterunternehmen der Siemens AG, nach dem Börsengang 2013 hält die Siemens AG noch 17 % Hauptsitz: München Standorte: Deutschland: Mün- chen, Berlin, Wipperfürt, Paderborn, Augsburg, Eichstätt, Schwabmünchen, Herbrechtingen, Regensburg. Weitere Weltweit Beschäftigte: 1.190 Beschäftigte im Juni 2015 in Berlin Produkte: Hochdrucklampen HID (High Intensity Discharge) für Straßen-, Shop- und Automobil- beleuchtungen, Projektionen und Anwendungen bei En- tertainment, Film und in der Halbleiter-Industrie; Quarz- glas im eigenen Glaswerk mit einer Fertigungsmenge von 1.400 Tonnen pro Jahr Beschäftigtenstruktur Berlin: Altersdurchschnitt 49 Jahre. Betriebsrat: 15 Mitglieder Tarifbindung: Flächentarifvertrag Metall- und Elektro- industrie Berlin-Brandenburg, Tarifgebiet I 27
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