Gute Arbeit Betriebsräte in Berlin - IG Metall Berlin

Die Seite wird erstellt Julian Lindemann
 
WEITER LESEN
Gute Arbeit Betriebsräte in Berlin - IG Metall Berlin
Berlin

Gute Arbeit
     Betriebsräte in Berlin
Gute Arbeit Betriebsräte in Berlin - IG Metall Berlin
Inhalt
04		 Mehr als 100 Jahre Erfahrung
		 Siemens Dynamowerk
06		 Viel und gute Arbeit für die nächsten Jahre!
		 Siemens Gasturbinenwerk
08		 Unsere Kompetenz muss bleiben!
     Siemens Schaltwerk
10		 Zukunft für das Mercedes-Benz Werk in Marienfelde
		 Mercedes-Benz Werk
12		 Wenn Unternehmen sehr schnell wachsen
		 Daimler Group Services Berlin
14		 Mercedes-Benz Bank und IG Metall? Na klar!
		   Mercedes-Benz Bank Service Center Berlin
16		 Investitionen bedeuten Veränderungen
		   BMW Motorradwerk Berlin
18		 Den steten Wandel begleiten, die Zukunft sichern
		   Procter & Gamble (ehemals Gillette)
20		 Wir setzen uns dafür ein, dass Tarifverträge und Gesetze eingehalten werden
		   Stadler Pankow
22		 Den Standort sichern in bewegten Zeiten
		   Otis ES (Electronic System)
25		 Jetzt geht es an die Substanz
		   Osram
28		 Wir sind die GEwerkschaft in GE
		   GE Energy Power Conversion
30		 100 Euro-Material-Gutschein für Auszubildende
		 ASB Autohaus Berlin
32		 Hightech-Standort wählt Betriebsrat
		   Jenoptik Diode Lab
34		 35 Stunden in West und Ost!
		   Thales Transportation Systems
36		 Coriant in Berlin: gelebte Globalisierung
		   Coriant
38		 Geheimhaltung im Interesse der Kunden
		   IAV (Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr)
40		 Sorry, ich bin ein Kostenfaktor
		   Vodafone
Gute Arbeit Betriebsräte in Berlin - IG Metall Berlin
Vorwort
  Liebe Leserinnen und Leser,
  liebe Betriebsräte,

  tagtäglich arbeiten die IG Metall-Betriebsräte in Betrieben für gute Arbeitsbe-
  dingungen der Beschäftigten in Berlin, oft nicht sichtbar nach außen gemeinsam
  mit Vertrauensleuten, Jugend- und Auszubildendenvertretern und den Vertrau-
  enspersonen der Menschen mit Behinderung.
      Diese Arbeit ist so vielfältig wie die Herausforderungen, die die Betriebsräte
  gemeinsam mit den Beschäftigten tagtäglich angehen: Erhalt und Schaffung
  von Arbeitsplätzen, Entgelt- und Arbeitszeitgestaltung, Vereinbarkeit von Fami-
  lie und Beruf, Gleichstellung, Gestaltung der Arbeitsplätze und der Arbeitsumge-
  bung, Ausbildung und berufliche Weiterbildung, Gestaltung der Sozialeinrich-
  tungen, Datenschutz und Datensicherheit – um nur einige Themen zu nennen.
      Betriebsräte tragen ein starkes Stück Demokratie in die Wirtschaft und die
  Industrie. Bereiche, in denen Demokratie sonst ein Fremdwort wäre. Keine Form
  von Demokratie und demokratischer Arbeit ist so nahe und so konkret am Alltag
  der Menschen wie diese im Arbeitsalltag. Dieser Beitrag und die Wirkung der
  Betriebsratsarbeit endet nicht an den Toren der Unternehmen, sondern reicht
  weit in die Gesellschaft hinein. Die Betriebsräte leisten daher einen wesentlichen
  Beitrag zur Stabilität und Lebendigkeit unserer Demokratie.
      Beteiligung, Mitbestimmung und Demokratie in den Unternehmen haben
  heute mehr denn je eine Bedeutung für den gegenwärtigen und künftigen wirt-
  schaftlichen Erfolg des Landes: in Form von sozialem Ausgleich, von höherer
  Innovationskraft und Produktivität, in Form von vernünftigem Wirtschaften
  statt einer einseitigen Ausrichtung der Wirtschaft an kurzfristigem Profitdenken.
      Unsere Betriebsrätinnen und Betriebsräte in Berlin sind einzigartige und un-
  terschiedliche Charaktere – Menschen, die viele Rollen verkörpern und Aufga-
  ben meistern, aktiv aus Überzeugung und orientiert am Allgemeinwohl.

  Mit dieser Broschüre wollen wir von einem Teil der Vielfalt dieser Betriebsrats-
  arbeit erzählen. Wir können in dieser Handreichung nur einen Ausschnitt der
  Arbeit von mehr als 400 Betriebsratsgremien, die im Zuständigkeitsbereich der
  Berliner IG Metall tätig sind, darstellen. Von der guten Arbeit der Betriebsräten in
  Berlin berichten wir regelmäßig auf unserer Homepage www.igmetall-berlin.de.

  Wir danken allen Betriebsräten in Berlin herzlich für ihre Arbeit, die für alle
  Beschäftigten in Berlin und die IG Metall sehr wertvoll ist.

  Klaus Abel		                  Regina Katerndahl
  Erster Bevollmächtigter       Zweite Bevollmächtigte

                                                                                         3
Gute Arbeit Betriebsräte in Berlin - IG Metall Berlin
»Gute   Arbeit - Betriebsräte in Berlin«

                                           Mehr als 100 Jahre Erfahrung

                                                       Siemens Dynamowerk Berlin

                                                        Hauptsitz: Berlin und München, Firmenzentrale in Mün-
                                                        chen, Divisionszentrale in Nürnberg, Sitz der Business
                                                        Unit Large Drives: Nürnberg. Das Dynamowerk ist dort
                                                        zugeordnet. Gegründet 1906. Beschäftigte: rund 850
                                                        in Berlin Portfolio: Maschinen ab ca. 10 Megawatt –
                                                        leistungs­mäßig ansonsten nicht begrenzt. Branchen: Öl
                                                        und Gas, Schiffbau, Mining, Stahl, Luftzerlegung, Indus-
                                                        triegeneratoren; Plattformbasierte Maschinen und Son-
                                                        dermaschinen nach Kundenwünschen. Service weltweit
                                                        für Maschinen im DW-Spektrum Ausbildungsbetrieb
                                                        für technische und kaufmännische Berufe, dual Studie-
                                                        rende, intensive Zusammenarbeit mit Hochschulen und
                                                        Fachhochschulen Beschäftigtenstruktur: circa 60 %
                                                        Angestellte (Technik, Vertrieb, Personal, Finanzen, Kun-
                                                        denbetreuung) und circa 40 % technisch-gewerblich Be-
                                                        schäftigte Betriebsrat: 13 Mitglieder Tarifbindung:
                                                        Flächentarifvertrag Metall- und Elektroindustrie Berlin-
                                                        Brandenburg, Tarifgebiet I

4
Gute Arbeit Betriebsräte in Berlin - IG Metall Berlin
Olaf Bolduan, Betriebsratsvorsitzender

»
       Betriebsratsarbeit ist eine Balance zwi-   weltweilt beachtet wird, da es direkt an das
       schen Co-Management und Konflikt-          Kraftwerk angeschlossen ist. Die intensive
       management«, sagt Olaf Bolduan. Er         Zusammenarbeit mit den Hochschulen wur-
ist Betriebsratsvorsitzender, Mitglied im Ge-     de ausgebaut und ist bis heute wichtig für
samtbetriebsrat, Aufsichtsrat und Sprecher        den Standort.
der Berliner Siemensbetriebe – und schon              »Die enge Kooperation im Konflikt war
lange im Geschäft. Wer mit Olaf durch den         entscheidend. Alle haben mitgearbeitet:
Betrieb geht, erlebt, dass er auf gleicher Au-    Beschäftigte, die Führung am Standort, Be-
genhöhe mit allen redet, sei es ein junger        triebsrat und IG Metall«, so Olaf. »Seit 2002
Facharbeiter, der den Kopf ins Büro steckt,       bin ich im Gesamtbetriebsrat und bringe
weil er eine schnelle Frage stellen will oder     mein Wissen und die gute Vernetzung hier
der Abteilungsleiter, der eine Info hat. »Füh-    in Berlin ein. Auch die Berliner Betriebsräte
rungskräfte und Fachspezialisten sind auch        in den Siemensbetrieben arbeiten sehr viel
unsere Kollegen. Wir schätzen ihre Expertise      besser zusammen. Die ergänzende Sicht tut
hoch ein«, sagt er. »Dabei ist die Führungs-      uns allen gut.«
kultur entscheidend.«                                 Auch im Juni 2015 ist die Lage nicht
    Olaf Bolduans Augen leuchten, wenn er         rosig. Die Energiewende, Konflikte in der
von erreichten Etappenzielen erzählt, von         Welt, ein niedriger Gas- und Ölpreis … All
gelungenen Verhandlungen für die Kollegen.        das wirkt sich aus auf die Auftragslage im
Er ist mit ganzem Herzen Betriebsrat.             Dynamowerk. Aber immerhin: Es gibt mehr
    In den mehr als 100 Jahren des Bestehens      als 800 Beschäftigte im Dynamowerk. Leih-
gab es viele schwierige Zeiten. »2001 – das       arbeit gibt es nur in Zeiten mit einer Spit-
war ein Lehrstück am offenen Herzen«, be-         zenauslastung.
richtet Olaf. »Wir waren damals auf dem               Das Dynamowerk passt sich an die neuen
Weg zu einer verlängerten Werkbank. Es war        Herausforderungen an. Die Digitalisierung
die Rede von Ausgliederung in eine GmbH,          ist in vollem Gange. Nicht nur Motoren
von einer Reduzierung der Arbeitsplätze auf       werden entwickelt, sondern auch die zuge-
300 Beschäftigte im Werk. Klar war, dass wir      hörige Software. Industrie 4.0 – »Natürlich
handeln mussten.«                                 passen wir uns an, gehen diesen Weg mit.
    Betriebstrat und IG Metall holten ex-         Gemeinsam mit Hochschulen, Entwicklern
terne Berater ins Haus. Sie erarbeiteten          und Facharbeiten bereiten wir den Weg in
in enger Kooperation mit dem Siemens-             die Zukunft. Wir sind lieber klug dabei und
Team der IG Metall einen »Masterplan+«            verschließen uns nicht.«                         Predrag Savic, stellvertretender
– ein Alternativ-Konzept für das Dynamo­              Die Bandbreite der Betriebsratsarbeit, er-   Betriebsratsvorsitzender
werk. Die Arbeit des Betriebsrats und die         zählt Olaf, reicht vom einzelnen Azubi bis
zähen Verhandlungen mit Unterstützung             zur Strategiefrage des Unternehmens. Am
der Beschäftigten hatten Erfolg. »Wir woll-       Ende geht es um die Frage guter Arbeit in
ten keine »quick and dirty«-Lösung. Es ging       Deutschland – auch in Zukunft. Olaf Boldu-
2001 um Sein oder Nichtsein.« Und alle ge-        an lacht. An dieser Stelle zitiere ich gerne
meinsam haben es geschafft: Wichtige In-          Werner von Siemens: »Für den augenblick-
vestitionen für die Zukunft kamen nach Ber-       lichen Gewinn, verkaufe ich die Zukunft
lin. Ein Prüffeld wurde aufgebaut, das heute      nicht.«

                                                                                                                                      5
Gute Arbeit Betriebsräte in Berlin - IG Metall Berlin
»Gute   Arbeit - Betriebsräte in Berlin«

                                           Viel und gute Arbeit
                                           für die nächsten Jahre!

                                                                       Interview mit Günter Augustat,
                                                                          Betriebsratsvorsitzender im
                                                                     Siemens Gasturbinenwerk Berlin

6
Gute Arbeit Betriebsräte in Berlin - IG Metall Berlin
Günter Augustat, Betriebsratsvorsitzender

Anfang des Jahres wurde bekannt, dass                     Wenn bei Euch 800 Stellen abgebaut             Mit dem bundesweiten Siemens-Aktions­tag
rund 800 Kolleginnen und Kollegen im                      würden, was dann? Betrifft das Eure            am 9. Juni 2015 und unserem demonstra-
Gasturbinenwerk ihren Arbeitsplatz verlieren              Fertigungstiefe?                               tiven Spaziergang von 1.800 Kolleginnen
sollen. Wie geht Ihr als Betriebsrat mit so               Die Berliner Fertigungstiefe und Ferti-        und Kollegen zu unserem Betriebsversamm-
einer Nachricht um?                                       gungsflexibilität ist verbunden mit einer      lungsort haben wir gezeigt, dass wir zusam-
Seit Ende 2014 befinden wir uns in Perso-                 hohen Fertigungs- und Lösungskompetenz.        menstehen und handeln.
nalanpassungsdiskussionen aus Gründen                     Im letzten Jahrzehnt haben wir Lastspit-
der Kapazitäts- und Komplexitätsreduzie-                  zen sicher getragen. Jetzt soll die noch am    Was für andere Aufgaben bearbeitet Ihr
rung. Jetzt geht es um Produktionsverlage-                Standort verfügbare Fertigungstiefe für Ge-    als Betriebsrat in diesen Zeiten?
rungen weg aus dem Gasturbinenwerk, die                   häuse- und Rotorkomponenten ins Ausland        Mit 25 Betriebsrätinnen und Betriebsräten
einen Teil der 800 Kolleginnen und Kolle-                 verlagert werden, um Produktkosten zu op-      sind wir für 3.800 Kolleginnen und Kolle-
gen betreffen.                                            timieren.                                      gen da und beraten zu Alltagsfragen im Be-
    Es herrscht große Betroffenheit und Un-                  Eine hochkomplexe Fertigung wird aus-       trieb, sichern die Rechte der Beschäftigten,
mut bei den Kolleginnen und Kollegen und                  einander gerissen. Wir befürchten Lieferzei-   aber sorgen auch für eine wirtschaftliche
im Betriebsrat. Wir haben dem Management                  ten- und Qualitätsprobleme, den Verlust der    Zukunft unseres Werks. Nach den letzten
in den letzten Wochen klar gemacht, dass es               Reaktionsfähigkeit, der Flexibilität und des   Betriebsratswahlen, bei der erstmalig ein
von uns ein hartnäckiges Veto gibt. Der Be-               über Jahrzehnte aufgebauten Know-how           gemeinsamer Betriebsrat aus Werk und Ser-
triebsrat hat die Berliner Landespolitik und              für den Berliner Standort und seine Ferti-     vice entstand, sind wir zu einem gemeinsam
die Bundespolitik um Unterstützung gebe-                  gung von Neuanlagen und Servicekompo-          handelnden Gremium zusammengewach-
ten. Die Politik will uns auch weiterhin den              nenten. Wir befürchten nicht abzudeckende      sen.
Rücken stärken.                                           Risiken für die Zukunft der Gasturbinen­           Das Thema Gesundheit und Belas-
                                                          fertigung bei Siemens.                         tungsanalyse ist gegenwärtig ein wichti-
Am 3. Juni wurden aus Ägypten insgesamt                                                                  ges Thema. Ein anderes ist die Integration
24 Turbinen in Auftrag geben. Was bedeutet                Was macht Ihr als Betriebsrat,                 der TACR in unsere Schaufelfertigung. Der
das für die Auslastung in Eurem Werk?                     um all das zu verhindern?                      Betrieb für Turbinenschaufelbeschichtung
Uns freut dieser Auftrag für unsere effizi-               Der Betriebsrat ist mit anderen Betroffenen    und Reparatur gehörte vormals zu Siemens.
ente H-Klassen Technologie, denn damit                    des Power und Gas-Restrukturierungspro-        Den Integrationsprozess haben wir inten-
haben wir weltweit über 70 Gasturbinen                    gramms wie Mülheim und Görlitz vernetzt        siv begleitet. Situationsbedingt beraten wir
unserer neuesten Gasturbinengeneration                    und stimmt sich über den Gesamtbetriebs-       viele Kolleginnen und Kollegen zu den In-
verkauft. Insgesamt werden wir an unserem                 rat ab. Die IG Metall und Politik sind unse-   teressenausgleichen und begleiten sie zu
Standort in diesem Jahr die 1000. Gastur-                 re Partner, diesen industriellen Exodus zu     Personalgesprächen. Mit einer intensiven
bine fertigen. Damit ist eine gute Auslas-                verhindern. Berlin braucht eine innovative     Öffentlichkeitsarbeit informieren wir die
tung für die nächsten Jahre gesichert. Auch               Industrie und Hochtechnologie, dazu gehört     Beschäftigten ständig über aktuelle Ent-
unser Service mit der Neuanlagenmontage                   auch unsere Komponentenfertigung für die       wicklungen.
am Standort profitiert davon. Das heißt:                  dann am Standort montierten neuen Gas-
Viel und gute Arbeit für die nächsten Jahre!              turbinen und Serviceaufträge.

Siemens Gasturbinenwerk

 Gründung: seit 1909 AEG Turbinenfabrik, seit 1969 KWU/
 Siemens Gasturbinenwerk Beschäftigte: rund 3.800 Be-
 schäftigte Produkt: Gasturbinen ab einer Leistung von                                                   Michael Müller, Regierender Bürgermeister
 100 Megawatt, Gasturbinenservice Betriebsrat: 25 Mit-                                                   von Berlin (links)
 glieder Tarifbindung: Flächentarifvertrag Metall- und
 Elektroindustrie Berlin-Brandenburg, Tarifgebiet I

                                                                                                                                                     7
Gute Arbeit Betriebsräte in Berlin - IG Metall Berlin
»Gute   Arbeit - Betriebsräte in Berlin«

                                           Siemens Schaltwerk

                                            Gründung: 1917 Beschäftigte: rund 3.200 Produk-
                                            te: Schalttechnik für Hoch- und Mittelspannunganla-
                                            gen: Entwicklung, Fertigung und Vertrieb Betriebsrat:
                                            23 Mitglieder Tarifbindung: Flächentarifvertrag Metall-
                                            und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg, Tarifgebiet I

8
Gute Arbeit Betriebsräte in Berlin - IG Metall Berlin
Horst Hennig, Betriebsratsvorsitzender

Unsere Kompetenz muss bleiben!

»
       Das Schaltwerk Berlin, die weltweit     Besondere Produkte                              Gemeinsam werden wir das stemmen
       größte Produktionsstätte ihrer Art,     Schaltanlagen aus Berlin kommen weltweit        Der Rundgang führt durch Arbeitsgebiete,
       hat eine lange Tradition als Wiege      zum Einsatz, erzählt Horst Hennig stolz.        die von dem Stellenabbau bedroht sind.
zukunftsweisender Schalttechnik. Hier ent-     Sie werden gebraucht in Kraftwerken, Um-        Horst Hennig wirkt nachdenklich. »Das tut
stehen Produkte und Systeme, die heute wie     spannwerken und Ortsnetzen, Verkehrsan-         weh. Hier ist eine sehr moderne Technik, die
morgen die wirtschaftliche und zuverlässige    lagen und der Gebäudetechnik. Im Grunde         dazu führt, dass wir für andere Hersteller
Verteilung elektrischer Energie sichern hel-   sind es Lichtschalter – nur in einer Dimensi-   Lieferanten sein könnten. Beispielsweise
fen«, steht auf einer Unternehmensseite im     on von Hoch- und Mittelspannung.                bei der Fadenwickelei gibt es außer uns nur
Internet. Siemens muss stolz sein auf dieses       Wir gehen gemeinsam über das Gelände.       noch ein Werk in der Schweiz, das herstellt.
Werk der Zukunft. 2001 wurde es als »Werk      An jeder zweiten Ecke wird Horst von Kol-       Geben wir die Fadenwickelei auf, verlie-
des Jahres« ausgezeichnet.                     legen »auf eine Minute« angehalten. Es gibt     ren wir an Kompetenz und Fertigungstiefe.
                                               viele Fragen in solchen Zeiten. Zu spüren       Fraglich, ob das eine kluge Entscheidung
Lohnende Investitionen                         ist das gute Miteinander im Werk. Beein-        ist. Der Betriebsrat hofft, mit Hilfe externer
»Uns hat die Nachricht vom möglichen           druckend sind die neuen Fertigungshallen,       Berater Alternativen ausarbeiten zu kön-
Stellenabbau kalt erwischt«, berichtet         in denen die Kolleginnen und Kollegen ar-       nen. Aber auch das geht nur mit allen hier
Horst Hennig, Betriebsratsvorsitzender im      beiten. In der Gießharz-Fertigung berichtet     am Standort.«
Schaltwerk. »Viele Kolleginnen und Kolle-      Horst Hennig, dass hier seit Monaten unter          Dann treffen wir wieder einen Kollegen,
gen könnten hier in Berlin ihren Arbeits-      Vollauslastung gearbeitet wird. Es wird über    der Horst schnell etwas fragen will. »Wir
platz verlieren. 1996 und 1997 haben wir       kontinuierliche Schichtauslastung nach-         sind hier eine gute Mannschaft. Wir haben
gemeinsam am Standort eine harte Krise         gedacht, weil die Auftragslage so hoch ist.     schon viel geschafft. So schnell lassen wir
gemeistert. Unsere Produkte wurden durch-      »Wir gehen bei all dem als Beschäftigte und     uns nicht die Zukunft nehmen. Gemeinsam
strukturiert, die Fertigung angepasst, es      Betriebsrat mit«, sagt er. »Aber wir erwarten   werden wir das stemmen - mit Beschäftig-
wurde investiert. Danach haben wir einen       auch vom Management, dass es eine posi-         ten, Betriebsrat und der IG Metall«, sagt er
echten Boom am Markt erlebt.« Horst Hen-       tive Entscheidung für weitere Investitionen     nach dem Gespräch mit dem Kollegen.
nig erzählt von einem richtigen Miteinan-      in den Berliner Standort gibt – statt Men-
der von Beschäftigten und Werksleitung.        schen ihren Arbeitsplatz zu nehmen.« Willy
Der Vertrieb wurde nach Berlin geholt. Die     Brandt war hier und auch Konrad Adenauer
Nähe von Entwicklung, Fertigung und Ver-       besuchte das Werk in den Wiederaufbau-
trieb hat sehr geholfen. 2004 wurden Millio-   zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg »als das
nen in das Behälterzentrum investiert, 2006    Werk in Schutt lag«. Die Schaltwerker sind
mit 10 Millionen die Fadenwickelei ausge-      stolz und viele Familienverbände arbeiten
baut. Im Jahr 2012 folgte eine Investition     hier. »Bei manch einem Auszubildenden
von circa 70 Millionen für zwei neue Ferti-    habe ich schon den Vater in der Ausbil-
gungshallen in der Hochspannung, die nach      dung gehabt«, erzählt Horst Hennig, der
neuesten Erkenntnissen gestaltet wurden.       als Meister viele Kollegen ausgebildet hat.

                                                                                                                                           9
Gute Arbeit Betriebsräte in Berlin - IG Metall Berlin
»Gute   Arbeit - Betriebsräte in Berlin«

                          Zukunft für das Mercedes-Benz Werk
                          in Marienfelde

                                           S
                                                  eit vielen Jahren setzt sich der Be-     Frühzeitig mitmischen
                                                  triebsrat für sichere Arbeitsplätze im   »Für die Belegschaft ist die Vereinbarung
                                                  Mercedes-Benz Werk in Marienfelde        ein klares, gutes Signal: Das Werk nimmt
                                           ein. Nach langen Verhandlungen zur Zu-          am derzeitigen Wachstum von Mercedes
                                           kunft des Werkes, Zukunftsbild genannt,         und den Zukunftschancen der Branche teil.
                                           ist es dem Betriebsrat gelungen, weitere        Die Beschäftigung ist damit bis ins Jahr
                                           Investitionsentscheidungen zu erhalten.         2024 gesichert«, so Ute Hass. »Es lohnt
                                           In den nächsten Jahren werden insgesamt         sich, als Betriebsrat frühzeitig bei den In-
                                           rund 500 Millionen Euro in die Zukunft          vestitionsentscheidungen des Unterneh-
                                           des Mercedes-Benz Werkes in Marienfel-          mens mitzumischen.«
                                           de investiert. Das Berliner Werk wird zu           Ute Hass kennt das Werk schon seit
                                           einem High-Tech-Standort für die Kom-           1976. Sie war Vetrauensfrau im Werk, bis
                                           ponentenfertigung zur Verminderung von          sie 1984 in den Betriebsrat gewählt wurde.
                                           CO2-Emissionen ausgebaut. »Arbeitsplätze        Seit 2002 ist die gelernte Industriekauffrau
                                           für die Zukunft sichern. So macht Betriebs-     Betriebsratsvorsitzende im Werk.
                                           ratsarbeit richtig Spaß«, sagt Ute Hass, Be-
                                           triebsratsvorsitzende im Werk. »Wir haben       Mehr Ausbildungsplätze
                                           uns mit der Werkleitung darauf geeignet,        Für mehr Ausbildungsplätze im Werk setzt
                                           in diesem Jahr weitere 15 Festeinstellungen     sich das Betriebsratsgremium seit vie-
                                           vorzunehmen. Schon im letzten Jahr ha-          len Jahren ein. »Wir haben die Frage der
                                           ben wir 30 neue Kolleginnen und Kollegen        Ausbildung eng mit der Forderung nach
                                           eingestellt. Unter den 30 neuen Kollegen        weiteren Investitionen gekoppelt«, erklärt
                                           waren 20 Übernahmen von Leiharbeitskol-         Ute. »Es ist uns gelungen, ab 2016 vier zu-
                                           legen und 10 Übernahmen aus dem Werk in         sätzliche Ausbildungsplätze im Jahr für die
                                           Ludwigsfelde. Für die Kollegen in Leiharbeit    nächsten drei Jahre zu vereinbaren. Damit
                                           ist eine Festeinstellung wie ein Sechser im     haben wir im Jahr 24 Ausbildungsplätze
                                           Lotto.«                                         im Werk.«

                                           Michael Rahmel, stellvertretender
                                           Betriebsratsvorsitzender

                                                                                           Mercedes-Benz Werk Marienfelde

                                                                                            Gründung: seit 1902 in Berlin       Beschäftigte: rund
                                                                                            2.550 Beschäftigte Produkte: Hochmoderne und um-
                                                                                            weltfreundlich hergestellte Komponenten und Teile
                                                                                            Betriebsrat: 21 Mitglieder Tarifbindung: Flächenta-
                                                                                            rifvertrag Metall- und Elektroindustrie Berlin-Branden-
                                                                                            burg, Tarifgebiet I mit Ergänzungstarifvertrag (teilweise
                                                                                            Flächen­tarifvertrag Baden-Württemberg)

10
Ute Hass, Betriebsratsvorsitzende

»Gerade haben wir eine Befragung zum The-     »Parallel dazu haben wir eine Arbeitsgrup-
ma »Mobiles Arbeiten« durchgeführt. Diese     pe im Gesamtbetriebsrat gegründet, die sich
Befragung wurde vom Gesamtbetriebsrat         mit familienfreundlichen Arbeitszeiten –
mitinitiiert. Spürbar ist – auch bei uns in   auch im Dreischichtbetrieb in der Produk-
Berlin – dass die Kolleginnen und Kollegen    tion – beschäftigt«, berichtet Ute.
ein hohes Interesse an dem Thema haben,           Chancengleichheit und Frauenförderung
um Arbeit und Leben besser zu vereinba-       liegen Ute Hass besonders am Herzen. Seit 17
ren. Aufgrund der Befragungsergebnisse        Jahren leitet sie auf Gesamtbetriebsratsebene
und der Diskussionen in den Werken wird       den Arbeitskreis »Vereinbarkeit Arbeit und
der Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebs-    Leben, Frauenpolitik«, in dem Kolleginnen
vereinbarung auf den Weg bringen, in die      aus allen Werken vertreten sind. Die
Anregungen, Wünsche und Erwartungen der       Frauen konnten eine Reihe von Betriebs-
Kollegen einfließen.«                         vereinbarungen        zu    Frauenförderung,
                                              Teilzeit, Familienzeit, Pflegezeiten und Be-
                                              triebskindergarten abschließen. »Verein­
                                              barkeit spielt meiner Erfahrung nach
                                              eine immer größere Rolle«, sagt Ute. »So-
                                              wohl für Frauen als auch für Männer.«

                                                                                              11
»Gute   Arbeit - Betriebsräte in Berlin«

               Wenn Unternehmen
               sehr schnell wachsen

               Jörg Butzke, Betriebsratsvorsitzender (links)

                                                               S
                                                                      eit 2008 schon fünf Betriebsratswah-    Expatriate-Management (Betreuung aller
                                                                      len. Das hört sich nach Unruhe an.      ausländischen Einsätze der Beschäftigten)
                                                                      Jörg Butzke wirkt gar nicht aufge-      in Berlin. Im Schnitt wurden seit 2008 jähr-
                                                               regt. Selbstbewusst erzählt er, dass 2008 am   lich zwischen 100 und 150 Leute eingestellt.
                                                               Standort 16 Leute gestartet sind. Er selbst        »Alles wurde in explosiver Geschwin-
                                                               war damals von Hamburg nach Berlin ge-         digkeit aufgebaut«, erzählt Jörg Butzke. Er
                                                               kommen, um das neue Shared-Service Un-         ist seit sechseinhalb Jahren Betriebsrats-
                                                               ternehmen von Daimler mit Leben zu erfül-      vorsitzender. Mit seinem Kollegen Mirko
                                                               len. Im Juni 2015 arbeiten 763 Frauen und      Scherraus, stellvertretender Betriebsratsvor-
                                                               Männer in der Mitte Berlins. Gestartet war     sitzender, und mittlerweile elf weiteren Kol-
                                                               das Unternehmen mit der Rechnungsprü-          leginnen und Kollegen im Betriebsrat sind
                                                               fung für die 16 deutschen Daimler-Werke.       sie ein gutes Team. »Wir haben in kurzer
                                                               Heute befinden sich zum Beispiel die Hu-       Zeit extrem viel lernen müssen«, berichtet
                                                               man Resources Administration (Arbeiten,        er. »Das war manchmal ein richtiger Wett-
                                                               die im Zusammenhang mit dem Personal-          lauf mit den Anforderungen. Jetzt profitie-
                                                               wesen stehen), das Recruiting (Personal ge-    ren wir untereinander sehr von dem aufge-
                                                               winnen) für alle Werke, das Controlling, das   bauten Wissen.«

12
Mirko Scherraus, stellvertretender
Betriebsratsvorsitzender

Warum eigentlich ein                                       Gute Kommunikation                              Gegenseitige Wertschätzung
Shared-Service Unternehmen?                                Mit seinem Kollegen Mirko Scherraus und         Von Anfang an ist die IG Metall ganz
»Als Daimler-Tochter sind wir günstiger -                  dem Betriebsrats-Team wurde dem Thema           selbstverständlich auf unseren Betriebs-
›das Sparschwein‹ der AG, so Jörg Butzke.                  Kommunikation von Anfang an hohe Auf-           versammlungen dabei. Die Tarifbindung ist
»Wir wurden nicht aus sozialen, sondern                    merksamkeit gewidmet. Es gibt ein Logo          ein Thema, bei dem es bei uns in der DGSB
aus wirtschaftlichen Gründen aufgebaut.«                   für den Betriebsrat, ein Lay-Out für alle       kontrovers zugeht. Im Unternehmen gibt
Das ist ein extremes Spannungsfeld: Das                    Newsletter-Varianten, stehende Strukturen       es einen Ergänzungs-Tarifvertrag, der auf
Management baute Aufgaben und somit                        mit deren Hilfe der Betriebsrat sehr regel-     dem Kfz-Handwerk-Tarif aufsetzt mit einer
Arbeitsplätze in der Daimler AG ab und in                  mäßig informiert. »Wir müssen hier einen        eigenen Entgeltlinie. »Derzeit verhandeln
der DGSB auf.                                              Spagat schaffen. Einerseits die vielen neuen    wir eine neue Stellen- und Vergütungsland-
                                                           Kollegen informieren, einbinden – und an-       schaft im Unternehmen«, so Jörg Butzke.
Konzernbetriebsrat und Vernetzung                          dererseits die Kollegen nicht langweilen, die   »Den aktuellen Patchwork-Teppich versu-
Jörg Butzke hatte schnell erkannt, dass die                schon ein, zwei, drei oder mehr Jahre bei       chen wir transparent und wertschätzend
Vernetzung, der Kontakt mit den anderen                    uns sind«, erklärt Jörg. Vorbild bei vielem     zugleich zu gestalten«.
Konzerntöchtern sehr wichtig ist. »Ich habe                war der Gesamtbetriebsrat bei Daimler, der
mit Kollegen den Arbeitskreis der ›kleineren               sehr professionell kommuniziert.
Konzerntöchter‹ gegründet. Wir haben hier
gemeinsam einen Blick auf den gemeinsa-                    Gleitzeit ohne Kernzeit
men Bedarf«, berichtet er. Gemeinsam ste-                  »Auch wenn in der Daimler AG mehr ver-
hen auch schwierige Themen auf der Agen-                   dient wird: Wir haben sehr gute Arbeitsbe-
da: Wie beteiligen wir auch in den kleinen                 dingungen hier. Gleitzeit ohne Kernzeit ist
Konzerntöchtern die Beschäftigten am Un-                   eine unserer Errungenschaften«, berichtet
ternehmenserfolg? Welche Entgeltsysteme                    Jörg. 75 Prozent der Beschäftigten sind
haben wir? »Wir erleben immer wieder: Ei-                  Frauen. Es gibt mehr Frauen in Führungspo-
nigkeit macht stark.«                                      sitionen als Männer. Der Altersdurchschnitt
                                                           in der DGSB liegt bei 33 Jahren. Inzwischen
                                                           gibt es längst Kolleginnen und Kollegen,
                                                           die nach einer Schleife in einem anderen
                                                           Daimler Unternehmen in die DGSB zurück-
                                                           kehren. Ein Obstkorb in jeder Abteilung,
                                                           der für alle kostenfrei ist, kostenlos Kaffee
                                                           und Wasser – das sind Standards, die vom
                                                           Betriebsrat angeregt wurden. »Die IG Metall
Daimler Group Services Berlin                              ist immer an unserer Seite. Wir gewinnen
  Daimler Group Services Berlin (DGSB): 100-prozentige
                                                           durch gute Basisarbeit und persönliche An-
  Tochter von Daimler, gegründet 2008 in Berlin Haupt-     sprachen immer mehr Mitglieder. Bei uns ist
  sitz: Berlin Beschäftigte: 763 im Juni 2015 – begonnen   auch die Geschäftsführung im guten Kon-
  2008 mit 16 Angestellten Shared Service Unterneh-
                                                           takt mit der IG Metall«, berichtet er.
  men: Finanzdienstleistungen wie Rechnungsprüfung
  für die 16 Daimler-Werke in Deutschland, Human Re-
  sources, Recruiting und mehr Beschäftigtenstruktur:
  75 % Frauen, Angestellte. Altersdurchschnitt 33 Jahre
  Betriebsrat: 13 Mitglieder Tarifbindung: Ergänzungs-
  Tarifvertrag angelehnt an Kraftfahrzeughandwerk

                                                                                                                                                  13
»Gute   Arbeit - Betriebsräte in Berlin«

Susanne Hensel, Betriebsratsvorsitzende

                                           Mercedes-Benz Bank
                                           Service Center Berlin

                                            Beschäftigte: rund 800 Beschäftigte Produkte: Fahr-
                                            zeugfinanzierung für die Daimler AG Betriebsrat: 13
                                            Mitglieder Tarifbindung: Erstreckungstarifvertrag zum
                                            Ergänzungstarifvertrag für Dienstleistungsunternehmen
                                            (in der Metall- und Elektroindustrie)

14
Mercedes-Benz Bank
und IG Metall? Na klar!
Interview mit Susanne Hensel,                    eigenen Vorgesetzen als Betriebsrat gegen-      dass viele die Sammlung und Auswertung
Betriebsratsvorsitzende                          übertreten. Das fühlte sich anfangs wie ein     von personenbezogenen Daten befürworte-
                                                 Interessenkonflikt an.                          ten. Sie sagten: »Ich leiste gute Arbeit und
Wie kommt es, dass die IG Metall als                Und dann ist da noch der Zeitfaktor. Ob-     möchte, dass das auch gesehen wird.«
Gewerkschaft in Eurer Bank vertreten ist?        wohl wir alle wissen, dass der Arbeitgeber         Andere waren wiederum ganz und gar
Das Mercedes-Benz Bank Service Center            für die Zeit der Betriebsratsarbeit freistel-   dagegen. Sie empfanden es als Überwa-
wurde 2011 eröffnet. Als Daimler-Tochter         len muss, fällt es den nicht freigestellten     chung und als eine zusätzliche psychische
ist bei uns die IG Metall traditionell als Ge-   Betriebsratskollegen teilweise noch schwer,     Belastung. Als unser Arbeitgeber uns den
werkschaft vertreten. Fuß gefasst hat die IG     die Kollegen in der Fachabteilung allein zu-    Entwurf einer Betriebsvereinbarung vor-
Metall 2010, als bei Daimler Financial Ser-      lassen, um sich um Betriebsratsbelange zu       legte, mussten wir handeln.
vices eine sehr weitreichende Umstrukturie-      kümmern.
rung stattfand, durch die über 1.000 Kol-                                                      Wie habt Ihr es geschafft,
leginnen und Kollegen von Umzügen quer           Welche Erfolge konntet Ihr                    das Problem zu lösen?
durch die Republik betroffen waren. Die IG       bereits verzeichnen?                          Wir haben uns zum Datenschutzgesetz
Metall hat tatkräftig bei unseren Protestak-     In unserer telefonischen Kundenbetreuung      schulen lassen und zusätzlich die Dienste
tionen und den Verhandlungen zum Inter-          möchte unser Arbeitgeber die Arbeitsleis-     eines gewerkschaftsnahen Beratungsun-
essenausgleich und Sozialplan unterstützt.       tung von rund 60 Beschäftigten messen:        ternehmens in Anspruch genommen. In
                                                 Welcher Mitarbeiter nimmt wie viele An-       einer Arbeitsgruppe haben wir dann mit
Euren Betriebsrat gibt es seit März 2014.        rufe entgegen? Gesprächsdauer? Nachbe­        den betroffenen Beschäftigten eine eigene
Was waren bislang die größten Heraus­            ar­beitungszeit? Und wie lange ist der Be-    Betriebsvereinbarung zur Auswertung von
forderungen für Euer junges Gremium?             schäftigte für die Kunden verfügbar? Dafür    personenbezogenen Daten entworfen, mit
Für ein vollkommen neues Gremium, mit            sollten die Kollegen Mittagspause, Schu-      der alle auf Arbeitnehmerseite Beteiligten
überwiegend unerfahrenen Betriebsräten,          lungen, Toilettengänge und mehr detailliert   einverstanden sind.
war die erste große Herausforderung, die         dokumentieren. Alle technischen Daten             Das Herzstück dieser Vereinbarung ist
Rahmenbedingungen abzustecken. Wir ha-           sollten dann irgendwie ausgewertet und mit    das Verständnis, dass nur die Daten gesam-
ben uns in Schulungen das Wissen um Mit-         den Planvorgaben und auch unter den Mit-      melt und ausgewertet werden, die absolut
bestimmungsrechte angeeignet.                    arbeitern verglichen werden.                  nötig sind, um Mitarbeiter für die geforder-
   Auch die Doppelrolle Betriebsrat-Mitar-                                                     ten Service Level zu qualifizieren. Es geht
beiter fiel den jungen Kollegen am Anfang        Was habt Ihr unternommen?                     in dieser Vereinbarung darum, ein für die
schwer. Sie hatten auf einmal Kontakt zur        Wir haben mit den betroffenen Beschäftig- Mitarbeiter gesundes Arbeitspensum als
Geschäftsführung, müssen teilweise ihren         ten gesprochen. Überrascht stellten wir fest, Maßstab anzulegen. Die Auswertung der
                                                                                               Daten soll einzig und allein der Qualifi-
                                                                                               zierung der Mitarbeiter dienen und nicht
                                                                                               zur Leistungsbeurteilung oder Verhaltens-
                                                                                               kontrolle. Damit sind wir nun weit entfernt
                                                                                               von der allumfassenden Transparenz, die
                                                                                               sich unser Arbeitgeber vorgestellt hatte.
                                                                                               Die letzten Verhandlungen zu dieser Be-
                                                                                               triebsvereinbarung stehen noch aus, aber
                                                                                               wir haben positive Signale vom Arbeitge-
                                                                                               ber bekommen. Als Betriebsrat können wir
                                                                                               ganz selbstbewusst unseren Entwurf ver-
                                                                                               teidigen.

                                                                                                                                           15
»Gute   Arbeit - Betriebsräte in Berlin«

                                                                               Investitionen
                                                                    bedeuten Veränderungen

                                           Rund 100 Millionen Euro werden zusätzlich            Wie ist der Stand der Dinge
                                           in Euer Spandauer Werk investiert.                   in Sachen Leiharbeit?
                                           Was genau passiert?                                  In der Hochphase der Motorradproduktion

                                           B
                                                  ei uns in Berlin werden die Lackier-          sind viele Leiharbeitnehmer im Werk be-
                                                  kapazitäten und die Logistik ausge-           schäftigt.
                                                  baut. Für die Mitarbeiter wird ein               Bei uns erhalten sie den IG Metall-Tarif-
                                           neues Parkhaus gebaut. Schon im Herbst               lohn. Hierbei, wie bei vielen anderen Fra-
                                           2015 wird der Spatenstich für ein neues              gen, hat sich die Zusammenarbeit mit der
                                           Versorgungszentrum stattfinden. Das neue,            IG Metall bewährt. Die IG Metall ist unser
                                           teilautomatisierte Logistikzentrum wird das          starker Partner bei der Gestaltung der Ar-
                                           modernste der Motorradbranche sein. Die-             beitsbedingungen. Auch in diesem Jahr ha-
                                           ser Neubau findet direkten Anschluss an die          ben wir es geschafft, dass Leiharbeitnehmer
        Interview mit Markus Kapitzke,     Produktion, wodurch täglich mehr als eine            eine Chance auf eine unbefristete Einstel-
     2. stellvertretender Betriebsrats-    Million Teile in die Montage gebracht wer-           lung an unserem Standort erhalten. Wir
 vorsitzender und Vertrauenskörper-        den können.                                          richten ein besonderes Augenmerk darauf,
  leiter im BMW Motorradwerk Berlin                                                             dass Kollegen, die schon längere Zeit als
                                           Wird es direkt bei Euch                              Leiharbeitnehmer arbeiten, vorrangig be-
                                           neue Arbeitsplätze geben?                            rücksichtigt werden.
                                           Ja, die Investitionen der nächsten Jahre
                                           sind ein klares Bekenntnis zum Berliner        Wie viele Auszubildende gibt es bei Euch?
                                           Standort. Die Stammbelegschaft wird sich       An unserem Standort bilden wir insgesamt
                                           in den nächsten Jahren vergrößern. Mög-        fünf Berufsgruppen aus. In Summe sind das
                                           lich ist das nur, weil wir auf neue Technolo-  über alle Lehrjahre rund 70 Azubis. Wir
                                           gien setzen, um in Gegenwart und Zukunft       freuen uns, die neuen Auszubildenden für
                                           wettbewerbsfähig zu bleiben.                   das erste Ausbildungsjahr im September
                                                                                          bei uns im Werk begrüßen zu dürfen. In
                                           Was bedeuten die Investitionen                 einer Vorstellungsrunde werden die Neuan-
                                           für Eure Betriebsratsarbeit?                   kömmlinge durch Betriebsrat, Jugend- und
                                           Der Betriebsrat ist aktiv in die Prozesse mit- Auszubildendenvertretung (JAV) und IG
                                           einbezogen. Durch die neue Strukturierung Metall begrüßt.
                                           der Logistik möchte das Unternehmen eini-
                                           ge logistische Arbeitsinhalte einkaufen. Die
                                           geplante Fremdvergabe bedeutet für eini-
                                           ge Menschen, dass sie sich dann beruflich
                                           verändern müssen. Der Betriebsrat konnte
                                           in Verhandlungen das Entgelt und die Be-
                                           schäftigung am Standort Berlin absichern. BMW
                                           Erreicht haben wir als Betriebsrat auch, dass
                                           ein zukünftig neuer Logistik-Dienstleister       BMW: seit 1969 Motorradwerk in Berlin-Spandau
                                                                                            Hauptsitz: München Standorte in Deutschland: Mün-
                                           einen Tarifvertrag mit der IG Metall ver-        chen, Dingolfing, Regensburg, Landshut, Berlin, Leipzig
                                           handeln muss.                                    Beschäftigte: circa 1.900 Beschäftigte Produkte: Rund
                                                                                                  120.000 Motorräder jährlich – 23 Modelle mit bis zu 40
                                                                                                  auswählbaren Farben; Rund 6.000.000 PKW-Bremsschei-
                                                                                                  ben pro Jahr. Beschäftigtenstruktur Berlin: Alters­
                                                                                                  durchschnitt 45,5 Jahre Betriebsrat: 21 Mitglieder
                                                                                                  Tarifbindung: Flächentarifvertrag Metall- und Elektro­
                                                                                                  industrie Berlin-Brandenburg, Tarifgebiet I

16
Markus Kapitzke, 2. stellvertretender Betriebsratsvorsitzender
                                                                 17
»Gute   Arbeit - Betriebsräte in Berlin«

                              »Den steten Wandel begleiten,
                              die Zukunft sichern«

                                           S
                                                  eit vielen Jahren produzieren die        Zu Beginn der Verhandlungen hatte die
                                                  derzeit noch 1.050 Kolleginnen und       Arbeitgeberseite unter anderem vorgeschla-
                                                  Kollegen in Berlin rund eine Milli-      gen, die tarifliche Wochenarbeitszeit deut-
                                           arde Rasierklingen pro Jahr. 2005 kaufte        lich zu erhöhen und übertarifliche Zulagen
                                           das amerikanische Unternehmen Procter &         über mehrere Jahre massiv abzuschmelzen.
                                           Gamble das Gillette-Werk in Berlin.             Zudem hat die Arbeitgeberseite die Ein-
                                               Es gibt viele gute Betriebsvereinbarun-     führung eines neuen Organisationsmodells
                                           gen. Pro Jahr werden zehn junge Menschen        vorgeschlagen, das einen erheblichen Stel-
                                           als Mechatroniker und Industriemechaniker       lenabbau zur Folge gehabt hätte. Die be-
                                           ausgebildet. Martin Krause ist seit 2002 Be-    triebliche Tarifkommission der IG Metall
                                           triebsrat, seit 2010 Betriebsratsvorsitzender   hatte eigene Forderungen zur Sicherung des
                                           im Werk in Berlin. Er ist sehr direkt, wenn     Standorts, der Beschäftigung und der Ent-
                                           er erzählt. »Eigentlich wenden wir seit         gelte der Beschäftigten erhoben und zahl-
                                           2005 vor allem alle Energie auf, um das         reiche alternative Einsparpotentiale aufge-
                                           Schlimmste zu verhindern«, sagt er. »Wir        zeigt.
                                           leben in einer ständigen Wettbewerbssitua-
                                           tion mit anderen Klingenwerken. Durch das       Verzicht und Investitionen
                                           Verlagern von Produktion im Konzern nach        Viele dieser Alternativen sind jetzt Bestand-
                                           Polen und weltweit erleben wir und andere       teil des Tarifvertrags. Auf der einen Seite
                                           Standorte ein ständiges Benchmarking.«          verzichtet die Belegschaft ab April 2015 auf
                                               Ende Februar 2015 haben IG Metall und       einen Teil der übertariflichen Zulagen oder
                                           das Management von Procter & Gamble             alternativ für drei Jahre auf einen Teil des
                                           (ehemals Gillette) einen Zukunfts-Tarifver-     Weihnachts- und Urlaubsgeldes. Für den
                                           trag unterzeichnet. Der Vertrag ist erstmals    Verzicht haben Betriebsrat und betriebliche
                                           kündbar Ende März 2020. »Es wurde ein ho-       Tarifkommission nicht nur Millioneninves-
                                           her zweistelliger Millionenbetrag an Inves-     titionen und die Sicherung der Arbeitsplät-
                                           titionen in das Berliner Werk vereinbart und    ze ausgehandelt: »Darüber hinaus konnten
                                           bis 2020 sind die Arbeitsplätze von mindes-     wir die sehr guten betrieblichen Abfin-
                                           tens 670 Beschäftigten gesichert«, berichtet    dungs- und Altersteilzeitregelungen bis
                                           Martin Krause.                                  Ende 2024 absichern und die 35-Stunden-
                                                                                           Woche bleibt unangetastet. Der Betriebsrat
                                           Standortsicherung                               und die betriebliche Tarifkommission haben
                                           Auslöser der Verhandlungen war eine glo-        ausgezeichnete Arbeit geleistet. Das ist eine
                                           bale »Sourcing-Studie« des Konzerns, die        gute Nachricht für die Belegschaft und den
                                           seit Sommer 2014 die Bedingungen für In-        Berliner Standort«, berichtet Martin Krau-
                                           vestitionen in eine neue Maschinengenera-       se. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis
                                           tion und neue Produkte an weltweit unter-       2020 ausgeschlossen.
                                           schiedlichen Standorten gegenübergestellt.
                                           Dem Berliner Werk drohte ein massiver
                                           Stellenabbau, sollten nicht schnell struktu-
                                           rell wirksame Kosteneinsparungen erfolgen.

                                                                                           Procter & Gamble

                                                                                            Procter & Gamble: Gillette wurde 2005 von Procter &
                                                                                            Gamble übernommen. Hauptsitz: Cincinnati, USA Be-
                                                                                            schäftigte: 1.050 im Juni 2015 Produkte: Drei Produkt­
                                                                                            familien Rasierklingen: Fusion, Mach3, Venus Beschäf-
                                                                                            tigtenstruktur Berlin: Altersdurchschnitt circa 45 Jahre,
                                                                                            rund 25 Prozent Frauen Betriebsrat: 13 Mitglieder
                                                                                            Tarifbindung: Flächentarifvertrag Metall- und Elektro­
                                                                                            indus­trie Berlin-Brandenburg, Tarifgebiet I, Zukunfts­
                                                                                            sicherungs-Tarifvertrag

18
Martin Krause, Betriebsratsvorsitzender

Mehr Mitglieder
»Wir hätten dieses Ergebnis ohne unseren
guten Organisationsgrad nicht erreicht.
Bereits mit der Einführung des Entgeltrah-
menabkommens (ERA) 2007 sind bei uns
massiv Kollegen Mitglied geworden. Sie
haben erlebt, was ohne Gewerkschaft pas-
sieren kann«, so Martin Krause.
    »Unsere Leute erleben, beispielsweise mit
Beibehaltung der seinerzeit übertariflichen
Nachtschichtzulage, dass sich das gemein-
same Eintreten und ein starker Betriebsrat
bezahlt machen. Gemeinsam mit der IG Me-
tall sind wir gut aufgestellt am Standort.«

                                                19
»Gute   Arbeit - Betriebsräte in Berlin«

                                                 Wir setzen uns dafür ein,
                                           dass Tarifverträge und Gesetze
                                                      eingehalten werden

                                                         Stadler Pankow

                                                          Hauptsitz: in der Schweiz        Beschäftigte Standort:
                                                          1.150 (inklusive rund 200 Leiharbeitnehmer) im Juni 2015
                                                             Produkte: Schienenfahrzeuge Beschäftigtenstruk-
                                                          tur: Altersdurchschnitt 41 Jahre Betriebsrat: 15 Mit-
                                                          glieder Tarifbindung: Anerkennungstarifvertrag zum
                                                          Flächentarifvertrag Metall- und Elektro­industrie Berlin-
                                                          Brandenburg, Tarifgebiet II

20
Iris Ziesche, Betriebsatsvorsitzende

I
   ris Ziesche arbeitet seit 37 Jahren bei      Immer wieder hat der Betriebsrat in den        gebildet, die sehr selbstständig und verant-
   Stadler Pankow. Im Werk Berlin werden        vergangenen Jahren Hinweise auf psychi-        wortungsbewusst arbeiten«, so Iris.
   Schienenfahrzeuge hergestellt. Schon         sche Belastungen an Arbeitsplätzen von             »Derzeit haben wir 30 Auszubildende
ihre Ausbildung hat sie hier gemacht. Die       Kolleginnen und Kollegen bekommen. Nach        in verschiedenen Ausbildungsberufen wie
Geschichte des heutigen Unternehmens be-        guter Vorbereitung wurde im Juli 2015          Elektroniker, Industriemechaniker und in
ginnt bereits im Dezember 1896. In den 70er     eine Befragung in einer der Abteilungen        weiteren technischen Berufen. Im Septem-
Jahren gehörte das Werk noch zur »Waggon        durchgeführt. »Gemeinsam mit der Perso-        ber kommen wieder rund zehn Auszubil-
Union«. Danach gehörte das Werk zu »ABB         nalleitung haben wir im Vorfeld eine Infor-    dende dazu. Wir sind froh, dass die Aus-
Henschel« und »Daimler Chrysler Rail Sys-       mationsveranstaltung in dieser Abteilung       zubildenden hier am Standort auch alle
tems« - im Jahr 2000 dann die Gründung          durchgeführt«, so Iris Ziesche. Jetzt folgt    übernommen werden und wir so unsere
der Stadler Pankow GmbH. Eine bewegte           die Auswertung, Diskussion der Ergebnisse      Fachkräfte sichern.«
Geschichte.                                     im Arbeitsschutz-Ausschuss und danach die
    Seit 15 Jahren ist Iris Ziesche Betriebs-   Festlegung von Maßnahmen, wenn erforder-       Informationen zur Altersteilzeit
ratsvorsitzende im Werk. »Es gibt immer         lich. Nach erfolgter Pilotphase soll dies im   Das ist auch nötig. Denn der Betriebsrat er-
wieder schwierige Themen, für die wir hart      gesamten Unternehmen fortgeführt werden.       lebt auch, dass bei den Kollegen ein großer
kämpfen müssen, aber insgesamt gehen Be-                                                       Informationsbedarf zur Altersteilzeit be-
triebsrat und Geschäftsführung am Stand-        Mehrarbeit ist Thema                           steht. »Die Arbeitsbedingungen bei uns in
ort konstruktiv miteinander um«, erzählt        »Mehrarbeit ist zurzeit immer wieder ein       der Produktion sind fordernd. Da es kaum
sie. »Leiharbeit war für uns viele Jahre ein    Thema bei uns. Bei der heutigen Arbeits-       möglich ist, diese Arbeit bis 67 durchzu-
schwieriges Thema. Gemeinsam mit der IG         verdichtung und in der Urlaubszeit erhalten    halten, interessieren sich viele Kollegen für
Metall haben wir viele Aktionen durchge-        wir immer wieder Hinweise auf die hohe         einen früheren Ausstieg aus dem Berufsle-
führt und wir haben es geschafft, 2014 eine     Belastung«, berichtet Iris. »Wir achten da-    ben. Wir beraten zu den neuen Regelungen
Betriebsvereinbarung zur Übernahme und          rauf, dass Grenzen eingehalten werden.         aus dem Tarifvertrag derzeit intensiv«, so
besseren Vergütung von Leiharbeitnehmern        Wenn wir an den Arbeitszeitkonten sehen,       Iris Ziesche. Betriebsratsarbeit besteht aus
abzuschließen.«                                 dass dauerhaft zu hohe Überstunden geleis-     vielen Einzelfallberatungen. Kollegen kom-
                                                tet werden, informieren wir die Vorgesetz-     men mit unterschiedlichen Fragen zu ihren
Kantine für das Werk                            ten und suchen das Gespräch, damit gegen-      Abrechnungen oder zu ihren Verträgen zum
Im Werk gibt es derzeit keine Kantine. »Seit    gesteuert wird.«                               Betriebsrat.
Jahren setzen wir uns als Betriebsrat dafür        In Berlin-Brandenburg arbeiten in insge-        »Wir können viele Unstimmigkeiten
ein, auf dem Werksgelände eine Kantine zu       samt vier weiteren Betriebsstätten 180 Kol-    schon im Vorfeld lösen. Allerdings gibt es
errichten«, erzählt Iris. »Bisher leider ohne   leginnen und Kollegen, die der Betriebsrat     auch zwischendurch harte Auseinanderset-
Erfolg. Aber wir bleiben dran. Für manche       in Pankow mitbetreut. Den Kontakt kons-        zungen«, berichtet Iris Ziesche. »Bisher ist
Themen müssen wir einen langen Atem             tant zu halten, ist eine Herausforderung für   es uns aber gelungen, diese immer außer-
haben. Auch die Sozial- und Pausenräume         das Betriebsratsteam. »Für die Bearbeitung     gerichtlich zu lösen. Wir stehen dafür ein,
sind ein Thema. Uns fehlt es an guter Aus-      der vielen Themenkomplexe und Betreuung        Rechte aus Tarifverträgen und Gesetzen für
stattung.«                                      der Betriebsstätten haben wir Ausschüsse       die Kollegen durchzusetzen.«

                                                                                                                                         21
»Gute   Arbeit - Betriebsräte in Berlin«

Dirk Wüstenberg, Betriebsratsvorsitzender

                                            Otis ES (Electronic System)

                                             Otis: Otis ES (Fertigung und Entwicklung) Hauptsitz:
                                             Berlin     Produkte: Steuerungen für Fahrtreppen und
                                             Aufzugsysteme Beschäftigte: rund 345 Beschäftigte
                                             (davon 120 gewerbliche) Betriebsrat: 9 Mitglieder
                                             Tarif­bindung: Flächentarifvertrag Metall- und Elektro­
                                             industrie Berlin-Brandenburg, Tarifgebiet I, Ergänzungs-
                                             tarifvertrag seit 2005

22
Bezirk
                                                                                                                                                             Berlin-Brandenburg-
                                                                                                                                                             Sachsen

                                                                                   Vertrauensleute
                                                                                   von Otis ES und HQ

                                                                                                                                                                                                                    10969 Berlin
                                                                                                                                                                                                  IG Metall Berlin, Alte Jakobstraße 149,
                                                                                  Wir stehen für … 5,5 % mehr Lohn,

                                                                                                                                                                              V.i.S.d.P.: Klaus Abel, Erster Bevollmächtigter,
                                                                                  Bildungsteilzeit und bessere Alterste
                                                                                                                                                         ilzeit
                                                                              Wir unterstützen die aktuellen Forderung
                                                                                                                      en der IG Metall Tarifrunde 2015

Den Standort sichern
in bewegten Zeiten

S
       chon aus einiger Entfernung sind die     Ende 2004 wurde das Fahrtreppenwerk von                             von Kolleginnen und Kollegen entschieden,
       Schilder von »IG Metall« und »Be-        Otis in Stadthagen geschlossen und nach                             den Tarifvertrag zu behalten. Der Betriebs-
       triebsrat« zu lesen am einstöckigen      Tschechien verlagert. »Das war ein Schock                           rat erhielt den Auftrag, auf die 35 Stunden
Haus 6 auf dem Otis-Gelände. Nicht in je-       für uns alle. Das Werk war hoch gelobt,                             hinzuarbeiten. »Wir leben als Betriebsrat in
dem Unternehmen in Berlin ist die IG Metall     machte enormen Gewinn. Aber die ameri-                              dem Spannungsfeld, einerseits zu sehen,
so präsent wie bei Otis. »Bei uns in der Otis   kanische Konzernspitze hatte die Verlage-                           dass Otis gute Gewinne einfährt, die alle
ES (Fertigung + Entwicklung) haben wir          rung verordnet«, erzählt Dirk Wüstenberg.                           Beschäftigten erarbeiten, und andererseits
mehr als 62 Prozent Organisationsgrad. Die      »Plötzlich wurde auch über eine Schließung                          die Bedrohung von Schließung und Verla-
Zusammenarbeit mit der IG Metall ist sehr       des Fertigungsstandorts in Berlin nachge-                           gerung abwehren zu müssen«, so Dirk Wüs-
gut«, berichtet der Betriebsratsvorsitzende     dacht und die Verlagerung nach Branden-                             tenberg. Zwei Tage konnte der Betriebsrat
Dirk Wüstenberg.                                burg. Ein hoher Druck wurde aufgebaut.«                             schon über eine Sonderurlaubs-Regelung
   Begeistert berichtet er von der Kompe-                                                                           zurückholen.
tenz am Standort in Berlin: »Wir sind ein       Standort gesichert                                                     Derzeit wird überlegt, wie Sachverstän-
wichtiger globaler Entwicklungsstandort         Am Ende stand 2005 ein Tarifvertrag zur                             dige von außen uns beim Thema Stand-
weltweit. Unsere Fertigung wird gerade auf      Standortsicherung. Die Schließung und                               ortsicherung helfen können. »Wir wollen
Großprojekte umgestellt, darin liegt unsere     Verlagerung konnten nach zähen Verhand-                             unseren Standort sicherer machen und ihn
Stärke. Das können nur wenige Standorte.        lungen verhindert werden, aber natürlich                            stetig weiterentwickeln«, so Dirk Wüsten-
Wir beliefern Flughäfen in Dubai, Abu Dha-      musste auch eine Kröte geschluckt werden:                           berg. Eine neue Problemlage gibt es durch
bi oder auch die U-Bahn in London. Unser        Im Werk wird seither 38 statt 35 Stunden                            die Zusammenlegung mit den Unternehmen
Vorteil in Berlin ist die Nähe von Entwick-     pro Woche gearbeitet – für das gleiche Geld.                        Carrier (Klimaanlagen) und Fire & Security
lung und Fertigung. Die kurzen Wege er-         2013 hat der Betriebsrat eine Umfrage zum                           (Sicherheit & Brandschutz). Innerhalb des
möglichen ein zeitnahes Reagieren und ein       Tarifvertrag gemacht. Gefragt wurde, ob                             Mutterkonzerns UTC mit Sitz in den USA
gutes Miteinander.«                             es den Wunsch gebe, den Tarifvertrag zu                             bildet Otis jetzt die organisatorische Einheit
                                                kündigen. Mit 60 Prozent Mehrheit wurde                             BIS – Building Industrial Systems.

                                                                                                                                                                                                                                            23
»Gute   Arbeit - Betriebsräte in Berlin«

              Die Marken bleiben erhalten, aber die Zu-     Beschäftigten. Er hat zum Beispiel Lauf-
              ständigkeiten verändern sich. »Wir werden     gruppen und einen Gymnastikraum auf
              jetzt nicht nur mit Otis-Werken internatio-   dem Betriebsgelände initiiert. In einem
              nal verglichen, sondern auch mit weiteren     Fertigungsbereich mit stark vorgeneigter
              Fertigungsstandorten der BIS-Organisati-      Sitzhaltung können die Frauen längere Er-
              on«, erklärt der Betriebsratsvorsitzende.     holpausen zum Ausgleich nutzen. Ganz ne-
                  »Unser Otis-Management für Europa         benbei erzählt Dirk Wüstenberg von einer
              sitzt in Paris. Dort hat das amerikanische    Kinder-Ferienfahrt, die jährlich organisiert
              Management einen internationalen Blick        wird. Rund 25 bis 30 Kinder nehmen Jahr
              auf die Dinge. 35 Stunden klingen für das     für Jahr daran teil. Früher ging es immer
              Management wie ein Luxusproblem.«             auf eine Nordseeinsel, seit einiger Zeit nach
                                                            Sachsen-Anhalt und in andere Urlaubs-
              Was gut läuft?                                gebiete. 2009 sollte die Ferienfahrt abge-
              Eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit schafft werden, auch das wurde vom Be-
              lässt den Beschäftigten von Otis große Frei- triebsrat verhindert.
              heiten bei der Einteilung ihrer Arbeitszei-
              ten. 100 Stunden plus und minus darf das Weiterbildung bei Otis
              Gleitzeitsaldo aufweisen. Damit ist schon Der Betriebsrat kümmert sich auch um das
              eine Menge möglich. Zu Familie und Beruf Thema Weiterbildung. Otis ermöglicht Be-
              gibt es eine weitere Betriebsvereinbarung, schäftigten ein Studium außerhalb der Ar-
              die regelt, dass bei Themen wie der Pflege beitszeit. Wer sich für diese Art der Weiter-
              von Angehörigen sogar die Wochenstunden bildung entscheidet, bekommt das Studium
              in drei oder vier Tagen erarbeitet werden bezahlt. Das spart 12.000 bis 15.000 Euro.
              dürfen – um dann mehr Tage frei zu haben. »Hier sind schon Kollegen aus der Fertigung
              »Wir regeln Wünsche und Bedarfe sehr in- nach dem Studium in der Entwicklung als
              dividuell«, erzählt Dirk.                     Ingenieur eingestiegen«, erzählt Dirk. »Als
                 Vom Himmel gefallen ist das alles nicht. Betriebsrat gehen wir auch auf Kolleginnen
              Der Betriebsrat hat in vielen Jahren für die- und Kollegen zu und ermutigen sie zur Wei-
              se guten Betriebsvereinbarungen gekämpft terbildung.«
              – mit Unterstützung der Belegschaft. Damit
              nicht genug. Der Betriebsrat engagiert sich
              auch in anderen Bereichen zum Wohl der

24
»Jetzt geht es
an die Substanz«

                                               Sozialplan-Experten
                                               Andreas Felgendreher ist seit 1977 bei Os-
                                               ram, seit 1990 Betriebsrat. Sein Stellvertre-
                                               ter Thomas Wetzel ist seit 1983 bei Osram,
                                               seit 1992 Betriebsrat. Die beiden haben als
                                               Team schon viel durchlebt. Ihren ersten
                                               Sozialplan haben sie 2004 verhandelt, als
                                               der Standort Wedding geschlossen wurde.
                                               Seitdem gab es einen kontinuierlichen Stel-
                                               lenabbau in Berlin. 2006 wurde das Entgelt­
                                               rahmenabkommen (ERA) eingeführt. 2009
                                               wurden erneut 300 Arbeitsplätze abgebaut.
                                               Sehr hart war der Einschnitt in den Jahren
                                               2009 bis 2014, als noch 2.300 Kolleginnen
                                               und Kollegen bei Osram beschäftigt waren.
                                               In diesen fünf Jahren mussten rund 1.000
                                               Kolleginnen und Kollegen gehen. Dank
                                               verschiedener Regelungen und Sicherungs-
                                               abkommen gab es keine betriebsbedingten
                                               Kündigungen, einen deutlich besseren So-
                                               zialplan und es gab sogar rund 60 Kolle-
                                               gen, die in den Siemens-Konzern wechseln
                                               konnten.
                                               »Jetzt geht es aber an die Substanz«, sagt

O
        sram ist ein Begriff in Berlin. Die    Thomas Wetzel. »Im August 2014 wurden
        Osram-Glühlampe kennen viele von       die Beschäftigten informiert, dass bis Ende
        uns. Nicht alle kennen die Lampen,     2017 weitere 306 Stellen abgebaut werden
die am Standort Berlin hergestellt werden,     sollen.« Die beiden Betriebsräte fühlen sich
obwohl sie uns täglich begegnen. Die Stra-     im Stich gelassen vom Management. »Wir
ßenbeleuchtungen, die hellen XENARC Au-        wissen, dass die Licht-Branche vor einem
tolampen, die Shop-Beleuchtungen in vie-       Wandel steht. Wir sind bereit, diesen Wan-
len Einkaufszentren, Modegeschäften sowie      del mitzugehen. Aber wir wehren uns dage-
Lampen für Film und Fernsehen. Viele die-      gen, dass Personalabbau die einzige Lösung
ser Lampen kommen fast ausschließlich aus      sein soll. Wir wollen, dass unsere Ideen auf-
dem Osram Werk in Berlin. Wo viel Licht        gegriffen werden.«
ist, ist auch viel Schatten. Die negativen
Schlagzeilen zum Stellenabbau bei Osram
in Berlin reißen in den letzten Jahren nicht
ab. Am 21. April 2015 hat der Vorstand be-
kannt gegeben, dass der Ausstieg aus dem
klassischen Lampengeschäft kommen wer-
de. »Wir haben immerhin den Aufsichtsrat
überzeugt, vorerst einen Prüfauftrag zu
vergeben«, erzählt Andreas Felgendreher,
Betriebsratsvorsitzender von Osram Berlin.
»Wir werden es nicht verhindern, aber wir
können es begleiten.«

                                                                                         25
»Gute   Arbeit - Betriebsräte in Berlin«

26
Andreas Felgendreher, Betriebsratsvorsitzender               Thomas Wetzel, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

Wie ist das auszuhalten?                                     Gibt es etwas Positives?
»Zu uns kommen die Kolleginnen und Kol-                      »2006 haben wir einen Sozialplan gemacht.
legen mit ihrer Angst«, erzählt Andreas Fel-                 Rund 100 ungelernte Kolleginnen und
gendreher. »Das bringt uns auch manchmal                     Kollegen haben wir damals in eine Quali-
an die Grenzen. Denn wir können diese                        fizierung vermittelt. Sie wurden zu Büro-
Angst nicht nehmen. Wir werden oft auch                      kaufleuten, Mechatronikern, Mechanikern
nicht gut informiert vom Management.«                        ausgebildet«, erzählt Andreas Felgendreher
Und Thomas Wetzel ergänzt: »Wir haben                        mit leuchtenden Augen. »Wenn Du nur
hier Kollegen, denen bricht die Existenz                     mit Personalabbau zu tun hast, kaum noch
weg, wenn sie ihre Arbeit verlieren. Die                     ein normales Betriebsratsthema bearbeiten
Ängste sind extrem. Seit Jahren nehmen                       kannst, zerrt das an den Nerven.«
wir das auch selbst mit nach Hause. Es ist
nicht leicht, das auszuhalten.«
   Stolz sind beide auf ein Eckpunkte-Pa-
pier, das Gesamtbetriebsrat und IG Metall
mit dem Osram-Management verhandelt
haben. Darin verpflichtet sich die Ge-
schäftsführung, die Tarifbindung nicht an-
zugreifen und die bestehenden Regelungen
im Betrieb beizubehalten. »Es ist im Grunde
die Verpflichtung, bei einem Verkauf einen
anständigen Arbeitgeber für uns zu su-
chen«, erläutert Thomas Wetzel.

Osram

 Geschichte: 1919 in Berlin gegründet, 1978 bis 2013
 100 % Tochterunternehmen der Siemens AG, nach dem
 Börsengang 2013 hält die Siemens AG noch 17 %
 Hauptsitz: München Standorte: Deutschland: Mün-
 chen, Berlin, Wipperfürt, Paderborn, Augsburg, Eichstätt,
 Schwabmünchen, Herbrechtingen, Regensburg. Weitere
 Weltweit      Beschäftigte: 1.190 Beschäftigte im Juni
 2015 in Berlin Produkte: Hochdrucklampen HID (High
 Intensity Discharge) für Straßen-, Shop- und Automobil-
 beleuchtungen, Projektionen und Anwendungen bei En-
 tertainment, Film und in der Halbleiter-Industrie; Quarz-
 glas im eigenen Glaswerk mit einer Fertigungsmenge von
 1.400 Tonnen pro Jahr Beschäftigtenstruktur Berlin:
 Altersdurchschnitt 49 Jahre. Betriebsrat: 15 Mitglieder
   Tarifbindung: Flächentarifvertrag Metall- und Elektro-
 industrie Berlin-Brandenburg, Tarifgebiet I

                                                                                                                         27
Sie können auch lesen