Unser Klima verändert sich - Folgen - Ausmaß - Strategien - AUSWIRKUNGEN AUF DIE WASSER-WIRTSCHAFT IN SÜDDEUTSCHLAND
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Unser Klima verändert sich Folgen – Ausmaß – Strategien AUSWIRKUNGEN AUF DIE WASSER- WIRTSCHAFT IN SÜDDEUTSCHLAND Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz
Tanja Gönner Dr. Werner Schnappauf Wolfgang Kusch Umweltministerin Bayerischer Staatsminister für Umwelt, Präsident des des Landes Baden-Württemberg Gesundheit und Verbraucherschutz Deutschen Wetterdienstes Das Sachverständigen-Gremium „Intergovernmental Panel on Climate Change“ der Vereinten Nationen geht davon aus, dass sich infolge des anthropogen verursach- ten „Treibhauseffektes“ die mittlere globale Temperatur in den nächsten Jahrzehn- ten deutlich erhöhen wird. Damit einhergehen wird eine signifikante Änderung des globalen Klimas. Diese Klimaänderung wird Auswirkungen auf den regionalen Was- serhaushalt haben. Verlässliche Aussagen über die Folgen des Klimawandels auf Länderebene waren bisher jedoch nicht möglich. Es mangelte an Daten und Fak- ten, wie die künftige Entwicklung des Wasserhaushaltes und seiner Komponenten abzuschätzen und zu bewerten ist. Mit dem Kooperationsvorhaben KLIWA haben sich die Länder Baden-Württemberg und Bayern zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst das Ziel gesetzt, mögli- che Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt süddeutscher Fluss- gebiete herauszuarbeiten, Konsequenzen aufzuzeigen und Handlungsempfeh- lungen abzuleiten. Zunächst lieferte die Analyse und Bewertung von meteorologi- schen und hydrologischen Daten des 20. Jahrhunderts die Grundlage für die Abschätzung bereits eingetretener Klimaänderungen. Die Entwicklung neuartiger regionaler Klimaszenarien erlaubte erstmals in Deutschland Aussagen über regiona- le Klimafolgen. Die Übertragung dieser Ergebnisse auf die in den Ländern vorhan- denen Wasserhaushaltsmodelle machen so insbesondere Aussagen über die Entwicklung des Hochwassergeschehens in den nächsten 50 Jahren möglich. Die Länder Baden-Württemberg und Bayern haben damit bundesweit als erste den Klimaänderungsfaktor bei der Bemessung von technischen Hochwasserschutz- einrichtungen eingeführt. So kann bereits bei der Planung die prognostizierte Erhöhung von Hochwasserabflüssen berücksichtigt werden. Mit KLIWA verfolgt die Klimaschutzpolitik in den Ländern Baden-Württemberg und Bayern einen wichtigen Baustein einer vorausschauenden Daseinsvorsorge.
INHALT SEITE DAS KLIMA 1 DER ERDE 4 KLIWA – KLIMAVERÄNDERUNG 6 2 UND WASSERKREISLAUF 3 KLIWA – VERÄNDERUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT 8 4 KLIMAFORSCHUNG MIT MODELLEN 10 WASSERHAUSHALTS- 12 5 MODELLE 6 KLIWA – UNSER KLIMA VON MORGEN 14 ANPASSUNGSSTRATEGIEN 16 7 FÜR DIE ZUKUNFT IMPRESSUM WEITERE INFORMATIONEN Herausgeber www.kliwa.de LUBW Landesanstalt für Umwelt, www.um.baden-wuerttemberg.de Messungen und Naturschutz www.stmugv.bayern.de Baden-Württemberg www.lubw.baden-wuerttemberg.de Referat 43 www.bayern.de/lfu Hydrologie und Hochwasservorhersage www.dwd.de Griesbachstr. 1 76185 Karlsruhe Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) Referat 81 Klimawandel, Klimafolgen und Wasserhaushalt Bürgermeister-Ulrich-Straße 160 86179 Augsburg im Auftrag des Umweltministeriums Baden-Württemberg und des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucher- schutz und des Deutschen Wetterdienstes Konzept und Realisation ÖkoMedia PR, Stuttgart Stand: August 2006
Spielt das Klima verrückt... 2002 setzte das Jahrhunderthochwasser an Elbe und Donau weite Landstriche unter Wasser, 2003 folgte der Jahr- hundertsommer mit Temperaturen bis zu 40°C. 2005 war weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeich- nungen. Im Winter 2005/2006 lag der Schnee in manchen Regionen so hoch, dass selbst Schneepflüge kapitulierten und Hallendächer einstürzten, weil sie den außergewöhnlich hohen Schneemassen nicht standhalten konnten. Ist diese Häufung der Wetterextreme Zufall oder ein Hinweis dafür, dass der Klimawandel schon in vollem Gange ist? ...ODER SIND DAS GANZ NORMALE Die historischen Klimaschwankungen sind WETTERKAPRIOLEN? auf natürliche Ursachen wie eine veränderte Sonnenaktivität sowie auf die Erdrotation zu- Im Laufe der Jahrmillionen war das Erdklima rückzuführen – und spielten sich in Zeiträu- immer wieder größeren natürlichen Schwan- men von 10.000 oder 100.000 Jahren ab. kungen unterworfen. Mal war Europa tro- Doch seit Beginn der Industrialisierung steigt pisch, mal lasteten mächtige Eispanzer auf der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre, der dem Land. Sedimentbohrkerne, Pollenana- während des letzten Jahrtausends relativ Abweichung der Jahresmit- lysen und Baumringe geben Aufschluss über konstant bei etwa 280 ppm (parts per mil- teltemperatur (°C ) von der die frühen Klimaschwankungen der Erde. lion) lag, an. Mittlerweile (2006) werden 377 Durchschnittstemperatur aus Seit etwa 1860 werden Wetterdaten regel- ppm gemessen, die jährliche Steigerungsrate dem langjährigen Mittel mäßig und systematisch erfasst. Deren Aus- liegt bei etwa 1,5 ppm. Dieser anthropogene 1961 – 1990. wertung weltweit zeigt, dass sich seit Be- (vom Menschen verursachte) Treibhauseffekt Wie die Grafik zeigt, fand mit ginn der Klimaaufzeichnungen die globale lässt die Temperatur der Erde ansteigen. Die Beginn des 20. Jahrhunderts Durchschnittstemperatur um etwa 1 °C er- Treibhausgasgehalte der Atmosphäre be- eine deutliche Klimaerwär- mung auf der Nordhalbkugel höht hat. Das scheint keine große Verände- einflussen maßgeblich die globale Tempera- statt. rung zu sein – stimmt aber bedenklich, wenn tur. Daher ist es für die Vorhersage des Erd- man in Betracht zieht, dass es während der klimas wichtig, durch realitätsnahe Annah- letzten Eiszeit, die vor rund 10.000 Jahren zu men von Treibhausgaskonzentrationen, die Ende ging, auf der Erde nur 4–5 °C kühler Bandbreite der künftigen Globaltemperatur war als heute. zu kennen. TREIBHAUS ERDE MENSCH, WAS MACHST DU DENN FÜR EIN KLIMA! Die angenehme globale Durchschnittstempe- ratur von momentan +15 °C haben wir dem Um die Entwicklung des Erdklimas realis- natürlichen atmosphärischen Treibhauseffekt tisch abschätzen zu können, muss daher zu verdanken. Die Erdatmosphäre, die die neben den natürlichen Klimafaktoren der Erde wie eine wärmende Hülle umgibt, be- „Faktor Mensch” berücksichtigt werden. Da- steht aus 78 Prozent Stickstoff, 21 Prozent zu wurden von dem Sachverständigen-Gre- Sauerstoff und einem Prozent Edelgase. Da- mium „Intergovernmental Panel on Climate zu kommen die Gase Wasserdampf, Kohlen- Change” (IPCC) der Vereinten Nationen dioxid und Methan, die nur 0,1 Prozent der sogenannte Emissions-Szenarien entwickelt. Atmosphäre ausmachen. Diese Spurengase In diese Szenarien fließt ein, wie sich die wirken wie die Glasscheiben eines Ge- Weltbevölkerung entwickeln wird, welchen wächshauses: Sie lassen die kurzwelligen Lebensstandard sie anstrebt, welche Ener- Sonnenstrahlen durch und halten die lang- gieträger sie verwenden und wieviel Energie wellige Wärmestrahlung teilweise zurück. sie verbrauchen wird. Die Szenarien reichen Deshalb werden sie auch Treibhausgase von einer „Wir machen weiter wie bisher”- genannt. Ohne den natürlichen Treibhausef- Gesellschaft bis zu einer sich vom Materialis- fekt würde die Durchschnittstemperatur der mus abkehrenden, umweltbewussten Welt- Erde bei lebensfeindlichen –18 °C liegen. bevölkerung. 4
DAS KLIMA DER ERDE 1 ANTHROPOGENE TREIBHAUSGASE UND IHRE WESENTLICHEN EMISSIONSQUELLEN Kohlendioxid (CO2) Verbrennung fossiler Brennstoffe Methan (CH4) Reisanbau, Viehzucht, Müllfäulnis Distickstoffoxid (N2O) Verbrennungsvorgänge, Verkehr Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW) Spraydosen, Kühlschränke IPCC-EMISSIONS-SZENARIEN CO2-Emissionen (Mrd t Kohlenstoff) 28 ökonomisch 24 20 A1 A2 16 global regional 12 B1 B2 8 ökologisch 2000 2020 2040 2060 2080 2100 A1 Eine Welt mit schnellem Wirtschaftswachstum B2 Eine Welt mit Schwerpunkt auf lokale und schneller Einführung neuer und effizienter Lösungen für ökonomische und ökologische Technologien. Nachhaltigkeit. A2 Eine heterogene Welt mit einem Schwerpunkt IS 92a „Wir machen so weiter wie bisher”- Szenarium auf traditionelle Werte (family values and (1992) local traditions). B1 Eine sich vom Materialismus abkehrende Welt und die Einführung sauberer Technologien. 5
Mit KLIWA dem süddeutschen Klima auf der Spur Aufgrund der Ergebnisse der Klimamodellierung mit unterschiedlichen Modellen und den IPCC-Szenarien gehen die führenden Forschungsinstitute von einer globalen Erwärmung von 1,4 °C bis 5,8 °C in den nächsten hundert Jahren aus. Dieser Temperaturanstieg wird Auswirkungen auf den Wasserkreislauf haben, was sich in stärkerer Verdunstung, vermehrter Wolkenbildung, höheren Niederschlägen und veränderter Wasserführung in den Gewässern äußern kann. HAT DER KLIMAWANDEL SCHON den Zeitraum 2021–2050. Mit den zukünfti- Das Kooperationsvorhaben EINGESETZT? gen Klimadaten wurden wiederum engma- KLIWA ist in mehrere aufein- schige Modelle für den Wasserhaushalt der ander aufbauende Bereiche Angesichts der Häufung von Hochwasser- einzelnen Flussgebiete gefüttert. Zum Teil aufgeteilt ereignissen in den letzten Jahren stellt sich werden schon konkrete Handlungsempfeh- die Frage, ob dies nun schon Vorboten des lungen ausgesprochen. Zunächst konzentrie- PROJEKTBEREICHE VON Klimawandels sind oder nicht. Alles ganz nor- ren sich die Untersuchungen noch auf die KLIWA mal? Oder werden wir in Zukunft vermehrt Hochwasserproblematik. Im Weiteren sollen mit solchen extremen Wetterlagen und auch andere Auswirkungen auf den Wasser- Bereich A: Hochwassern leben müssen? Wenn ja, kann haushalt wie Niedrigwasser oder veränderte Ermittlung bisheriger man in diesem Fall voraussagen, wie sich Grundwasserneubildung beleuchtet werden. Veränderungen des Klimas das Klima und der Wasserhaushalt bei uns und des Wasserhaushalts ändern werden und wie man geeignet darauf DONNERWETTER, UNSER KLIMA reagieren kann? Bereich B: Unter Klima versteht man das langjährige Abschätzung der möglichen DAS PROJEKT KLIWA mittlere Verhalten von meteorologischen Auswirkungen des Klima- Größen, insbesondere Temperatur und wandels auf den Wasser- Um dieser Frage konkret nachzugehen, ka- Niederschlag, während mit Wetter der haushalt men die Länder Baden-Württemberg und aktuell herrschende Zustand dieser meteoro- Bayern sowie der Deutsche Wetterdienst logischen Größe gemeint ist. Mit der Wetter- Bereich C: überein, in dem Kooperationsvorhaben vorhersage wird versucht, das Wetter der Erfassung künftiger Verände- „Klimaveränderung und Konsequenzen für nächsten Tage in seinem zeitlichen Ablauf rungen des Klimas und des die Wasserwirtschaft” (KLIWA) längerfristig möglichst genau vorherzusagen. Die langfris- Wasserhaushalts gebiets- und fachübergreifend zusammenzu- tige Änderung des Klimas wird dagegen arbeiten. Ziel von KLIWA ist es, mögliche durch Klima-Szenarien abgebildet, d.h. hier Bereich D: Auswirkungen der Klimaveränderung auf den werden möglichst zukünftige Klimazustände Anpassung des wasserwirt- Wasserhaushalt süddeutscher Flussgebiete beschrieben, abhängig von den sie beeinflus- schaftlichen Handelns herauszuarbeiten, Konsequenzen aufzuzeigen senden künftigen gesellschaftlichen, wirt- und Handlungsempfehlungen zu entwerfen. schaftlichen und technischen Entwicklungen. Für gezielte regionale Hoch- Klima-Szenarien beziehen sich immer auf län- wasserschutzmaßnahmen EINFLÜSSE AUF DEN WASSER- gere Zeitabschnitte in der Zukunft – mindes- muss man wissen, welche HAUSHALT – VORGEHENSWEISE tens 30 Jahre. Flussgebiete besonders hoch- wassergefährdet sind. Dazu Inzwischen kann das Projekt KLIWA eine KLIWA IM WEB ist auch eine regionale Klima- Vielzahl von Ergebnissen aufweisen. Zu- prognose notwendig. Bislang nächst wurden langjährige meteorologische Weitere Informationen über das KLIWA- wurden Klimamodelle jedoch und hydrologische Messdaten bayerischer Projekt können auf der Homepage nur global oder für großräumi- und baden-württembergischer Wettersta- www.kliwa.de abgerufen werden. Im ge Gebiete wie z.B. Nord- tionen analysiert und Trends ermittelt. Diese Download-Bereich stehen umfassende europa erstellt. Stationen dienten als Grundlage für die Berichte und Publikationen über Ergebnisse Simulation mit regionalen Klimamodellen für und Arbeitsweisen bereit. 6
K L I WA – K L I M AV E R Ä N D E R U N G U N D WA S S E R K R E I S L A U F 2 DER KREISLAUF DES WASSERS Die Erdoberfläche ist zu zwei Dritteln mit Schnee – wieder auf die Erde. Der Nieder- Wasser bedeckt. Dieses Wasser ist natürlich schlag fließt über Gewässer ab oder ver- nicht ortsfest, sondern zirkuliert in einem ge- sickert im Boden und trägt so zur Grund- waltigen Kreislauf als Dampf, Flüssigkeit wasserneubildung bei. Das meiste Wasser oder Eis rund um den Globus. Wasser, das jedoch verdunstet wieder. Die einzelnen von der Erdoberfläche verdunstet, steigt als Komponenten des natürlichen Wasser- Wasserdampf auf, kondensiert zu Wolken kreislaufes werden durch den Klimawandel und fällt als Niederschlag – Regen oder verändert. Niederschlag Verdunstung v. Pflanzen Verdunstung v. Boden Sickerwasser Oberflächenabfluss Verdunstung v. Pflanzen Zwischenabfluss Sickerwasser Abfluss kapillarer Wasseraufstieg Grundwasserabfluss Schematische Darstellung von Komponenten des Wasserhaushaltes (Nach Wohlrab et al. 1992, verändert) 7
Im Fokus: Das Klima im 20. Jahrhundert Der Klimawandel ist keine Zukunftsmusik. Klimawandel hat längst schon begonnen. Um die bisherige Klimaentwicklung einschätzen zu können, müssen zuerst die Daten aus der Vergangenheit untersucht werden. Aus der Untersuchung langjähriger Messreihen lässt sich die natürliche Schwankungsbreite der Wetterdaten bestimmen und eventuell ein Trend ablesen. Für das KLIWA-Projekt wurden Messwerte von über 350 süddeutschen Wetterstationen herangezogen. ES IST WÄRMER GEWORDEN Die Niederschläge haben vor allem im Win- ter in manchen Regionen um bis zu 35 Pro- Die durchschnittliche Lufttemperatur in Süd- zent zugenommen. Besonders betroffen sind deutschland ist im Zeitraum von 1931–2000 in Baden-Württemberg der Schwarzwald und um 0,5–1,2 °C gestiegen. Dabei ist der der Nordosten, in Bayern Franken und Teile stärkste Anstieg ab den 90er Jahren des des Bayerischen Waldes. letzten Jahrhunderts zu verzeichnen. Am ausgeprägtesten war die mittlere monatliche WESTLAGE ZYKLONAL: DAS Temperaturzunahme im Monat Dezember WETTER, DAS DEN REGEN BRINGT mit 1,8 – 2,7 °C, vor allem im Westen und in den tieferen Lagen bis 500 m über NN. Die vermehrten Niederschläge im Winter sind auf die Zunahme bestimmter Groß- WEISSE WEIHNACHT – wetterlagen über Europa zurückzuführen. ERINNERUNG AUS KINDERTAGEN Eine Zeitreihenanalyse von 1881 bis 1989 ergab, dass sich besonders in den Monaten Mildere Winter bedeuten weniger Schnee. Dezember und Januar die sogenannten Auch hier ist der Trend aus den langjährigen zonalen Zirkulationen häuften. Die hydrolo- Messreihen klar erkennbar. Vor allem in den gisch bedeutsamste Großwetterlage ist die tiefer gelegenen Gebieten bis 300 m ü. NN „Westlage zyklonal”, die von einem Azoren- und in den westlichen Landesteilen nahm in hoch und einem Islandtief angetrieben wird. den Jahren ab 1951/52 die Schneedecken- Diese vom Atlantik nach Westeuropa rei- dauer um 30–40 Prozent ab, in den mittleren chende Strömung bringt oft ergiebige Nie- Lagen (300–800 m ü. NN) um 10–20 Pro- derschläge mit sich – im Flachland durch die zent. Lediglich in den Hochlagen fiel teil- mildere Meeresluft meist in Form von Re- weise sogar mehr Schnee. Da Schnee nichts gen. Zonale Großwetterlagen sind aber auch anderes ist als zeitweise festgesetztes Was- für heftige Winterstürme verantwortlich. ser, ist die Schneebedeckung eine wichtige Trauriges Beispiel ist der Sturm „Lothar”, der Größe im Wasserhaushalt, z.B. für die Was- im Dezember 1999 eine Schneise der Ver- serführung in den Gewässern. wüstung durch Westeuropa schlug. TROCKENE SOMMER, WO FLIESST ALL DER REGEN HIN... VERREGNETE WINTER ... in der Regel an den Pegel. Die Langzeit- Die jährliche Niederschlagsmenge ist in den messungen an ausgewählten Flusspegeln meisten Gebieten im Untersuchungszeit- zeigen, dass in den letzten 30 Jahren die raum etwa gleich geblieben. Verändert hat Hochwasserereignisse in Baden-Württem- sich aber die Niederschlagsverteilung: Das berg und Bayern vor allem im Winterhalbjahr Winterhalbjahr ist feuchter, das Sommerhalb- zugenommen haben. jahr trockener geworden. 8
K L I WA – V E R Ä N D E R U N G E N I M 2 0 . J A H R H U N D E RT 3 LUFTTEMPERATUR MittlereTemperaturzunahme im Monat Dezember im langjährigen Mittel von 1931–2000. SCHNEEDECKENDAUER Rückgang der mittleren Schneedeckendauer im Zeitraum 1951/52–1995/96. 9
Instrumente der Klimaforschung Fast alle führenden Forschungsinstitute gehen mittlerweile von einem globalen Klimawandel aus. Selbst schnelle und effektive Klimaschutzmaßnahmen können die sich abzeichnende Klimaänderung nicht verhindern, denn das heute in die Atmosphäre abgegebene Kohlendioxid wird dort noch 30–40 Jahre wirksam sein und zur Erwärmung beitragen. Zudem ist es beim derzeitigen Energiehunger der Welt unmöglich, die Emissionen auf Null zu setzen, da bei jedem Verbrennungsprozess weiteres CO2 entsteht. WIE VERLÄUFT DIE FIEBERKURVE? DER TEUFEL STECKT IM DETAIL – GLOBALE KLIMAMODELLE REGIONALE KLIMAMODELLE WETTER – EINE FOLGE DES KLIMAS Schon die Wettervorhersage ist oft ein Die Gitterweite eines globalen Klimamodells schwieriges Unterfangen. Wer hat nicht ist für eine regionale Klimaprognose natürlich ... aber nicht nur, denn schon einmal einen Ausflug geplant und zu unscharf. Regionale topographische auch die Beschaffenheit stand bei prognostiziertem Sonnenschein Besonderheiten wie kleinere Gebirgszüge der Erdoberfläche beein- buchstäblich im Regen? Eine zuverlässige oder Flussniederungen fallen dabei buchstäb- flusst das Klima. Einige Wetterprognose ist mit den heutigen Mitteln lich durchs Raster. Beispiele: für maximal 5–7 Tage möglich. Die langfristi- ge Vorhersage des Erdklimas ist eine un- Da es derzeit noch kein optimales Verfahren Das für seinen Breiten- grad relativ warme Europa gleich komplexere Aufgabe, da viele Para- für die Erstellung regionaler Klimaszenarien verdankt sein mildes meter und Größen berücksichtigt werden aus dem globalen Klimamodell gibt, wurden Klima dem Golfstrom, müssen, die sich gegenseitig beeinflussen. für KLIWA drei verschiedene Verfahren zur einer warmen Meeres- Das führt zu einer schier unüberschaubaren Simulation des regionalen Klimas ausge- strömung. Datenflut und einem Rechenaufwand, der wählt. Dadurch erhält man eine gewisse nur von Supercomputern bewältigt werden Bandbreite denkbarer Entwicklungen und Schnee- und Eisflächen kann. Vergleichsmöglichkeiten. sorgen für kühleres Klima, da sie das Sonnenlicht Globale Klimamodelle basieren wie die Wet- Drei Verfahren zur regionalen reflektieren. tervorhersage auf einem atmosphärischen Klimamodellierung Modell, werden aber durch ein Ozean-, ein eine statistische Methode Regen, der über Waldge- Schnee- und Eis- sowie ein Vegetationsmo- ein statistisches dynamisches Verfahren bieten niedergeht, ver- dell ergänzt, da diese Faktoren erheblich auf ein regionales dynamisches Klimamodell dunstet zumeist wieder, das Klima einwirken. Die anthropogenen während Regen auf ver Einflüsse (der "Faktor Mensch") werden in Alle drei Verfahren setzen auf dem globalen siegelten Flächen wie z.B. den verschiedenen IPCC-Szenarien be- Klimamodell ECHAM 4 auf. Der "Faktor in Städten hauptsächlich rücksichtigt. Mensch" ging mit dem Emissions-Szenario im Gully verschwindet B2 – einer kontinuierlich steigenden Weltbe- und über die Kanalisation Für die globale Klimamodellierung wird die völkerung, die nachhaltige lokale Lösungen ins nächste Gewässer Erde in ein bestimmtes Raster aufgeteilt. auf ökonomische, soziale und Umwelt- geleitet wird. Die Rechenleistung der heutigen Computer probleme findet – mit ein. Damit wurde der lässt momentan einen Gitterabstand von Zeitraum 2021–2050 simuliert. Für die weite- etwa 250 x 250 km2 zu. Durch die Variabilität ren Abschätzungen wurden dann die Ergeb- der Faktoren kann ein globales Klimamodell nisse herangezogen, die sich mit dem statis- keine festen Werte angeben, sondern nur tisch dynamischen Verfahren ergeben haben. eine Bandbreite, in der sich beispielsweise Dessen Veränderungen des Niederschlags- die Temperatur oder der Niederschlag be- geschehens sind nebenstehend für das wegen. So kommt es auch zu der Aussage, Sommer- und das Winterhalbjahr dargestellt. dass bis 2100 die globale Temperatur um 1,4–5,8 °C ansteigen wird. 10
KLIMAFORSCHUNG MIT MODELLEN 4 PROZENTUALE ÄNDERUNG DER MITTLEREN NIEDERSCHLAGSSUMME (MAI – OKT.) SZENARIO ZUKUNFT GEGENÜBER IST-ZUSTAND Im hydrologischen Sommer- halbjahr sind nur geringere Unterschiede in der räum- lichen Verteilung der Nieder- schlagsveränderung festzu- stellen; es treten überwie- gend kleine Abnahmen des Niederschlags auf. PROZENTUALE ÄNDERUNG DER MITTLEREN NIEDERSCHLAGSSUMME (NOV. – APR.) SZENARIO ZUKUNFT GEGENÜBER IST-ZUSTAND Im Winterhalbjahr wird die jährliche Niederschlags- summe dagegen deutlich zunehmen. Davon betroffen werden vor allem der Schwarzwald, der Oden- wald, der Spessart und die Rhön sein. Mehr Nieder- schläge wird es auch entlang der Donau geben. 11
Wasserhaushaltsmodelle als Instrument für Abflussprognosen Mit globalen und regionalen Klimasimulationen können jedoch noch keine Aussagen über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserwirtschaft getroffen werden. Deshalb müssen mit den Ergebnissen der regionalen Klimamodelle feinrastrige Wasserhaushaltsmodelle gefüttert werden, um die Änderungen der hydrologischen Komponenten des Wasserkreislaufes insbesondere die Verschärfung von Hochwasserabflüssen infolge der Klimaerwärmung in Süddeutschland zu ermitteln. AUS DER VERGANGENHEIT LERNEN WASSERHAUSHALTSMODELLE – IN DIE ZUKUNFT SEHEN Auf der Grundlage der meteorologischen und Um die Auswirkung der Klimaänderung auf hydrologischen Messdaten aus den Jahren den Wasserhaushalt abzuschätzen, wurden 1951 bis 2000 wurden mit allen drei Verfah- hochaufgelöste Wasserhaushaltsmodelle ren Klima-Szenarien für den Ist-Zustand und (WHM) im 1 x 1 km2-Raster für große Teile Zukunftsszenarien ermittelt. Die Güte der des KLIWA-Gebiets erstellt. Für Baden- Simulationen wurde mit den Messdaten von Württemberg liegen diese Modelle flächen- 1971 bis 2000 geprüft, d.h. die Simulation deckend vor. In Bayern sind bisher für die des Ist-Zustands wurde mit den tatsächli- Flussgebiete nördlich der Donau, insbeson- chen Wetterdaten verglichen. Dadurch kön- dere das Main-Gebiet, Wasserhaushalts- nen systematische Fehler des globalen Klima- modelle angepasst. Dabei ging es zunächst modells zum Teil ausgeglichen werden. Die vor allem darum, die Hochwasserverschär- so gewonnenen Zukunftsszenarien erstre- fung zu untersuchen. cken sich über einen Zeitraum von 2021–2050. Dazu wurden die Ergebnisse der regionalen Um genaue regionale Daten liefern zu kön- Klimaszenarien als Eingangsdaten verwen- nen, wurden die Länder Baden-Württemberg det. Mit einem Wasserhaushaltsmodell kön- und Bayern in 33 Untersuchungsgebiete – nen alle Komponenten des Wasserhaushalts überwiegend nach topographischen und berechnet werden. wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten – aufgeteilt. Diese Gebiete wurden wiederum Komponenten des Wasserhaushalts in neun Regionen zusammengefasst. Niederschlag Wasserführung Verdunstung Bodenfeuchte Grundwasserneubildung Wasseräquivalent der Schneedecke GANZ KLEIN KARIERT – 12
WA S S E R H A U S H A LT S - MODELLE 5 RASTER VON EINEM QUADRATKILOMETER Wasserhaushaltsmodelle sind mathemati- den bei einer rasterbasierten Flächenauf- sche Rechenverfahren zur Beschreibung und lösung von 1 x 1 km2 der Untersuchungs- Quantifizierung der räumlichen und zeitlichen gebiete u.a. folgende hydrologische Teil- Verteilung wesentlicher Komponenten des prozesse beschrieben: Blattbenetzung, Wasserhaushaltes wie Niederschlag, Verduns- Verdunstung, Schneeanhäufung, -verdich- tung, Versickerung, Wasserspeicherung und tung und -schmelze, Bodenwasserspeiche- Abfluss. Mit ihrer Hilfe können die Wirkun- rung, Speicherung und Wassertransport in gen von Veränderungen der eingehenden der Fläche sowie die Fließbewegung in den Komponenten auf das Gesamtsystem „Was- Gerinnen und den Rückhalt in den Seen. serhaushalt“ dargestellt und beurteilt wer- Hinzu kommen Verfahren zur Korrektur und den. In den Wasserhaushaltsmodellen wer- Umrechnung meteorologischer Messgrößen. Anwendungsmöglichkeiten von Acker großflächig versiegelte Bereiche Wasserhaushaltsmodellen Brachfläche baumbestandene Bereiche Extensives Grünland Laubwald Abschätzung der Auswirkungen von Um- Intensives Grünland Mischwald Intensivobstbau Nadelwald weltveränderungen, wie z.B. möglicher Weinbau unversiegelte Flächen Klimaveränderungen oder Landnutzungsän- Siedlung, locker Feuchtfläche derungen auf den Wasserhaushalt (wie Siedlung, dicht Wasserfläche Abfluss, Versickerung und Verdunstung), kontinuierliche Abflussvorhersage für Niedrig-, Mittel-, und Hochwasser im operationellen Betrieb als Werkzeug des Risikomanagements, u.a. zur Ver- besserung der Niedrigwasserbewirt- schaftung und zur Verbesse- rung der Hochwasservorsorge, regionale Untersuchungen des Wasserhaushalts auf der Basis von Flusseinzugsgebieten im Sinne der EU-Wasserrahmen- richtlinie, Prognosen und Szenarien für die Gewässer- entwicklungsplanung, Bereitstellung von hydrologischen Eingangs- größen für Gewässergüte- und Grundwas- sermodelle (z.B. für Wärme- und Sauerstoff- haushalt, Grundwasserneubildung usw.). In Baden-Württemberg liegen für die gesamte Landesfläche Wasserhaushaltsmodelle vor. Sie sind auf der Basis von Tageswerten kalibriert und somit für Prognosen- und Szenarienrech- nungen einsetzbar. In Bayern liegen bis jetzt Modelle für das Main-Gebiet und die nördlichen Donauzuflüsse vor. 13
Das Klima von morgen – die Zukunftsszenarien 2021–2050 Die Ergebnisse der drei Verfahren zur regionalen Klimamodellierung unterscheiden sich zwar mancherorts, aber der Trend geht in dieselbe Richtung. Die ermittelten Werte wurden verglichen, auf ihre Plausibilität geprüft und zu regio- nalen Klimaszenarien zusammengefasst. EHER HEISS UND WENIGER EIS Doch während es im Sommer gegenüber jetzt bis zu 10 Prozent weniger regnet, wird Die Klimasimulationen zeigen, dass die Tem- es im Winter erheblich mehr Niederschläge peratur bis 2050 im Durchschnitt um 1,7 °C geben – in manchen Regionen bis zu 35 zunehmen wird. Im Sommer steigt die mitt- Prozent. Am meisten bekommen die im lere Tagestemperatur um 1,4 °C und beträgt Westen gelegenen Untersuchungsregionen 15 °C. Im Winter fällt die Temperaturzunah- ab. Absoluter Spitzenreiter in Sachen me mit 2 °C auf 4,5 °C höher aus. Am Niederschlag wird der Schwarzwald sein. stärksten steigt die Temperatur in den Mona- ten Dezember bis Februar. Erwähnenswert Zudem werden im Winter die Tage mit star- in diesem Zusammenhang ist, dass dadurch ken Niederschlägen (über 25 mm) deutlich mehr Regen und weniger Schnee fällt. Daher zunehmen, an manchen Messstationen kann es vermehrt zu kleineren und mittleren wird sich die Zahl verdoppeln. Dagegen wird Extremsommer 2003: Hochwassern im Winter kommen. es mehr Tage geben, an denen überhaupt Hitzewelle (in den roten Gebieten) nichts von oben kommt: Trockenperioden in Europa Die Zahl der Sommertage (Tage über 25 °C) im Sommer werden länger ausfallen. wird im Vergleich zu heute an allen Klimasta- tionen deutlich zunehmen. Die Anzahl der WEITERHIN WESTLICHE heißen Tage (über 30 °C) wird sich fast über- WETTERLAGEN all verdoppeln. Demgegenüber wird es weni- ger Frosttage (Tiefsttemperatur unter 0° C) Die für ergiebige Niederschläge sorgenden und Eistage (Dauerfrost) geben. Letztere Westwetterlagen, insbesondere die West- werden sich zumeist halbieren. Die soge- lage zyklonal (WZ), werden auch in Zukunft nannten Eisheiligen werden sich nach vorne im Winterhalbjahr häufiger unser Wetter verschieben: Der letzte Spätfrost wird früher bestimmen. Dadurch steigt die Wahrschein- kommen, in manchen Regionen können die lichkeit für Hochwasserereignisse. Tomaten bis zu zwei Wochen früher ausge- pflanzt werden. FAZIT : DER TREND SETZT SICH FORT MEHR NIEDERSCHLAG IN DEN WINTERMONATEN Es wird wärmer, vor allem im Winter. Die Sommer werden etwas trockener, Je höher die Lufttemperatur desto stärker ist die Winter dagegen wesentlich feuchter. die Verdunstung des Wassers. Das wie- Die Westwetterlagen, die höhere Nieder- derum beeinflusst das Niederschlagsver- schläge bringen können, werden zuneh- halten maßgeblich. men. Daraus ist abzusehen, dass die Hochwassergefahr im Winterhalbjahr Im Simulationszeitraum wird sich der ge- steigt. Vor allem die mittleren Hochwas- fundene Trend mit feuchteren Wintern und ser werden zunehmen, da sich in den trockeneren Sommern fortsetzen. zukünftig milderen Wintern die Schnee- decke mehrfach auf- und abbauen kann. 14
K L I WA – U N S E R K L I M A VON MORGEN 6 BADISCHE TOSKANA? DAS BEISPIEL KARLSRUHE Die mittlere Durchschnittstemperatur, die im Zeitraum 1971–2000 bei 15,1°C lag, wird im Zukunftsszenario 17,4 °C betragen. Statt 16 wird es 32 heiße Tage geben. Das bedeutet, dass sich bei einer Zunahme der Lufttemperatur um 2,3 °C die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Temperaturen über 30 °C verdoppelt. Dagegen gibt es nur noch vier Tage mit Dauerfrost statt wie bisher elf. BAYERISCHE WINTER Auch auf den Bergen friert es weniger – auf der Zugspitze wird es weniger als 180 Eistage geben. Bislang waren es knapp 210 im Jahr. 15
Schutz durch die "Flexible and no regret"-Strategie Auch wenn die Modellkette Globales Modell – Regionale Modelle – Wasserhaushaltsmodelle noch mit einigen Unsicherheiten behaftet ist, weisen die Ergebnisse darauf hin, dass in Zukunft vermehrt mit Hochwasserereignissen zu rechnen ist. Aus Vorsorgegründen wurde daher eine Hochwasser-Anpassungsstrategie entwickelt. Anpassung heißt nicht, dass jetzt überall bei neuen Bauwerken meterhohe Ufermauern errichtet werden. Vielmehr gilt es, die Folgen der erwarteten Klimaänderung mit Maßnahmen abzufangen, die langfristig zweckmäßig und relativ kosten- günstig anpassbar sind. DEN KLIMAWANDEL MIT So wurde für den Bereich der Oberen Donau EINRECHNEN: ein Klimaänderungsfaktor von 1,25 ermittelt. DER KLIMAÄNDERUNGSFAKTOR Auch die kleineren und mittleren Hochwas- ser werden zunehmen. Der Abfluss HQ5 für Bei der Planung von Hochwasserschutzan- ein Hochwasserereignis, das heute etwa alle lagen wird meist der Wert HQ100 zugrunde fünf Jahre auftritt, steigt an der Oberen gelegt. HQ100 ist der Hochwasserabfluss, Donau um 67 Prozent. Für die Zukunft muss der statistisch betrachtet alle 100 Jahre ein- also der HQ5-Wert der Oberen Donau mit mal auftritt. Die auf diesem Wert berechne- dem Klimaänderungsfaktor 1,67 multipliziert ten Bauwerke sollen also ein "Jahrhundert- werden. Am Hochrhein beträgt der Klimaän- hochwasser" abfangen können. Die Simu- derungsfaktor für das HQ5 beispielsweise lationen der Wasserhaushaltsmodelle für die 1,45, am geringsten ist er im Einzugsgebiet Flussgebiete in Baden-Württemberg und Oberschwaben-Bodensee mit 1,24. Bayern zeigen, dass die Hochwasserabflüsse besonders im Winter an fast allem Pegeln In Bayern wurde auf der Grundlage der da- zunehmen werden. Daher wurde in beiden maligen Untersuchungsergebnisse ebenfalls Ländern – auch aus Vorsorgeaspekten – fest- ein Klimaänderungsfaktor von pauschal 15 gelegt, bei der Bemessung neuer wasser- Prozent auf den statistischen Wert von wirtschaftlicher Hochwasseranlagen die Aus- HQ100 eingeführt. Damit werden bereits wirkungen des Klimawandels durch einen jetzt die erwarteten Auswirkungen des Klimaänderungsfaktor zu berücksichtigen. Klimawandels bei der Planung neuer staat- licher Hochwasserschutzmaßnahmen in der Für den Neckar wurde beispielsweise ermit- Regel berücksichtigt. Die Grundlagen für den telt, dass die Wasserführung für ein Jahr- Klimaänderungsfaktor werden durch weitere hunderthochwasser (HQ100) bis 2050 um Untersuchungen fortentwickelt. Dies kann 15 Prozent steigt. Daher soll fortan der Wert auch zu einer regionalen Anpassung führen. HQ100 mit dem Klimafaktor 1,15 multipliziert werden, d.h. die Anlagen werden auf einen WAS BEDEUTET DAS IN DER um 15 Prozent höheren Abfluss dimensio- PRAXIS? niert oder so geplant, dass bei Bedarf nach- gerüstet werden kann. Beispiel Hochwasserdamm: Der Damm Neuer HQ100-Wert für den Neckar: wird gebaut wie geplant, an der Außenseite wird aber ein Streifen freigehalten, sodass HQ100 (neu) =1,15 x HQ100(alt) bei Bedarf der Damm problemlos erhöht werden kann. UNTERSCHIEDLICHE KLIMAFOLGEN Beispiel Brücke: Bei der Planung einer UND KLIMAFAKTOREN Brücke fließt der regionale Klimaänderungs- faktor mit ein, da eine nachträgliche Anpas- In Baden-Württemberg wurden mittlerweile sung kaum möglich ist. alle Flussgebiete unter die Lupe genommen. Beispiel Ufermauer: Bei einer neuen Ufer- Die regionalen Unterschiede des Klima- mauer wird die Statik so ausgelegt, dass sie wandels schlagen sich auch in den zu erwar- später gegebenenfalls ohne Schwierigkeiten tenden Hochwasserabflüssen nieder. erhöht werden kann. 16
A N PA S S U N G S S T R AT E G I E N FÜR DIE ZUKUNFT 7 KLIMAÄNDERUNGSFAKTOREN IN BADEN-WÜRTTEMBERG Klimaänderungsfaktoren f(T,K) T (Jahre) 1 2 3 4 5 2 1,25 1,50 1,75 1,50 1,75 5 1,24 1,45 1,65 1,45 1,67 10 1,23 1,40 1,55 1,43 1,60 20 1,21 1,33 1,42 1,40 1,50 50 1,18 1,23 1,25 1,31 1,35 100 1,15 1,15 1,15 1,25 1,25 200 1,12 1,08 1,07 1,18 1,15 500 1,06 1,03 1,00 1,08 1,05 1000 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 Bemerkung: Für Jährlichkeiten T > 1000 a ist der Faktor gleich 1,0 AUSBLICK Bisher hat sich KLIWA vor allem der Hoch- Mit dem gemeinsam mit dem DWD durch- wasserproblematik angenommen. Aber die geführten Projekt KLIWA haben die Länder Klimaänderung hat noch andere Auswirkun- Baden-Württemberg und Bayern ein wichti- gen auf den Wasserhaushalt. Die prognosti- ges Instrument an der Hand, um die Not- zierten trockeneren und wärmeren Sommer wendigkeit von Anpassungsmaßnahmen zu können Niedrigwasser mit sich bringen und erkennen und so die Auswirkungen des damit Landwirten und Binnenschiffern Pro- Klimawandels in regionalem Maßstab abzu- bleme bereiten. Die veränderte Nieder- mildern. Doch ebenso wichtig wie die An- schlagsverteilung hat auch Einfluss auf die passung der Hochwasserschutzmaßnahmen Grundwasserneubildung und die für die Ener- ist die allgemeine Verstärkung des Klima- giewirtschaft bedeutsame Kraftwerksküh- schutzes zur Senkung der Treibhausgas- lung. Ein weiteres Themengebiet ist die Ent- emissionen. Auch wenn sich aufgrund der wicklung der Kurzzeitniederschläge (Gewit- Trägheit des Klimasystems selbst bei einem ter), die in kurzer Zeit viel Wasser bringen sofortigen Emissionsstopp der Temperatur- und damit verstärkt örtliche Überschwem- anstieg erst einmal fortsetzt, so kann doch mungen verursachen können. Wichtig ist das jeder Einzelne dazu beitragen, dass unsere z.B. für die kommunalen Entwässerungs- Nachkommen nicht mit noch größeren netze. Problemen zu kämpfen haben werden.
Sie können auch lesen