Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft - Deutscher Verband für Landschaftspflege
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Deutscher Verband für Landschaftspflege Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft Nr. 29 der DVL-Schriftenreihe „Landschaft als Lebensraum“
Deutscher Verband für Landschaftspflege Impressum Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft Herausgeber: Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) e. V. Fotos Umschlag: Titelseite: Peter Roggenthin, Rückseite: Lohwasser/DVL Konzeption: Corinna Friedrich, Isabell Raschke, Dr. Jürgen Metzner Redaktion: Corinna Friedrich In Zusammenarbeit mit: Klaus Amann, Norbert Bäuml, Thomas Bigalke, Rainer Blaschke, Barbara Fiselius, Olivia Kummel, Martina Prielmeier, Stefan Reuter, Peter Riegg, Nadja Stoschek, Werner Thumann, Ralf Worm, Niklas Zander Layout & Satz: Nicole Sillner, www.almagrafica.de Bezug über Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) e. V. Promenade 9, D-91522 Ansbach E-Mail: sekretariat@dvl.org Internet www.dvl.org Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne die Zustimmung des Herausgebers unzulässig. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen und Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Zitiervorschlag: Deutscher Verband für Landschaftspflege e. V. (2021) Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft, Nr. 29 der DVL-Schriftenreihe „Land- schaft als Lebensraum“ Diese Publikation entstand im Rahmen des Projektes „Natürlichen Wasserrückhalt in der Agrarlandschaft verbessern – Katastrophen durch Starkregen und Trockenheit verhindern“ von April 2020 bis Oktober 2021. Das Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Natur- schutz und nukleare Sicherheit. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren. ISSN 2197-5876 Gedruckt auf 100 % Blauer Engel Recyclingpapier © Deutscher Verband für Landschaftspflege e. V., Ansbach 2021
Vorwort 4/5 Vorwort In den letzten Jahren häufen sich durch den Klima- Viele der dargestellten Projekte und Maßnahmen wandel Wetterextreme wie Starkregen und Dürren. werden von Landschaftspflegeorganisationen mit In der Landwirtschaft liegt deshalb eine zukünftige den Zielen Naturschutz, Biodiversitätsförderung Herausforderung darin, durch spezielle Land- oder Landschaftsgestaltung bereits seit mehr als 30 schaftsgestaltungs- und Bodenschutzmaßnahmen Jahren erfolgreich praktiziert – wie z. B. die Pflan- die Wasserspeicherfähigkeit der Flächen zu er- zung und Pflege von Landschaftselementen oder höhen, um dadurch Starkregenereignisse oder Dür- Streuobstwiesen. Andere Maßnahmen sind noch in ren abzupuffern. Mit Maßnahmen in der Flur, auf der Pilotphase – wie der Versuch die Durchwachsene Feldstückebene und an Gewässern kann die Ab- Silphie als mehrjährige Energiepflanze auf trocke- flussgeschwindigkeit von Niederschlägen reduziert nen Standorten zu etablieren. Gerade im Hinblick und damit die Wasserinfiltration erhöht und Erosion auf die zunehmenden Trockenphasen sehen wir die vermindert werden. Notwendigkeit, neue Ansätze schnell zu verbreiten, um auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Geeignete Maßnahmen sind grundsätzlich bekannt, Agrarlandschaft reagieren zu können. Landschafts- bedürfen aber einer stärkeren Umsetzung in der pflegeorganisationen können hier Werkzeuge und Praxis. Hierzu sind eine verstärkte Beratung und Be- Multiplikatoren sein. gleitung der Landwirtinnen und Landwirten sowie von Kommunen und anderen Akteuren notwendig. In Kapitel 1 werden zunächst die Zusammenhänge Landschaftspflegeorganisationen können mit ihrer und Entwicklungen von Klimawandel, Wasser- Drittelparität aus Landwirtschaft, Naturschutz und haushalt und Landwirtschaft beschrieben. Im An- Politik diese Aufgabe übernehmen. schluss daran werden in Kapitel 2 Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Agrar- Diese Ausgabe der Schriftenreihe wirft einen Blick landschaft dargestellt. Das Kapitel 3 zeigt dann, auf verschiedene Leuchtturmprojekte von Land- wie die Maßnahmen erfolgreich in die Praxis um- schaftspflegeorganisation in Deutschland und gesetzt werden können. Die Publikation beinhaltet beschreibt Erfolgsfaktoren bei der praktischen Um- außerdem Leuchtturmprojekte verschiedener Land- setzung. Im Fokus stehen dabei Maßnahmen zur schaftspflegeorganisationen in ganz Deutschland Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in sowie weiterführende Informationsboxen. Abgrenzung zu Bewässerung. Weiterhin wird pri- mär die Menge der Wasserinfiltration betrachtet An dieser Stelle möchten wir uns bei den beteiligten und nicht die Wasserqualität im Sinne der Wasser- Landschaftspflegeorganisationen und allen Inter- rahmenrichtlinie (WRRL). viewpartner*innen für die Unterstützung bedanken.
Inhalt Vorwort 5 1. Klimawandel, Wasserhaushalt und Landwirtschaft 9 1.1 Veränderte Wasserverfügbarkeit 10 1.2 Auswirkungen auf Boden und Landwirtschaft 12 1.3 Anpassungsstrategien und Risikomanagement 13 2. Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft 17 2.1 Einflussfaktoren auf die Wasserinfiltration 17 2.2 Maßnahmen in der Flur 20 2.3 Produktionsintegrierte Maßnahmen 27 2.4 Gewässerbezogene Maßnahmen 39 3. Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung 45 3.1 Spezifische Aufgabenbereiche abstecken 45 3.2 Die Stärken der Landschaftspflegeorganisationen nutzen 49 3.3 Projekte initiieren 49 3.4 Akteure verstehen und frühzeitig einbinden 53 3.5 Flächen sichern 56 3.6 Landwirt*innen beraten 57 3.7 Finanzierungsmöglichkeiten erschließen 59 3.8 Kompetente Planungsbüros finden 63 3.9 Mit Öffentlichkeitsarbeit unterstützen 65 4. Zusammenfassung 69 5. Abkürzungen 70 6. Literatur 71
6/7 Infoboxen Was sind Extremwetterereignisse? 9 Fachbegriffe zum Wasserrückhalt 12 Die Initiative „boden:ständig“ ermöglicht koordinierte Maßnahmen für Boden- und Gewässerschutz auf Flurebene 21 Wasserstand von Mooren erhöhen 25 Möglichkeiten von Agroforstsystemen 29 Fruchtfolgen und Aussaatzeitpunkte dem Klimawandel anpassen 37 Leuchtturmprojekte Praxisbeispiel: (Augen-)Weide für Heckrinder und Wanderer – Entrohrung und Renaturierung der Auen im Naturpark Aukrug 23 Praxisbeispiel: Mehrjährige Energiepflanzen als Alternative zu Mais anbauen – Durchwachsene Silphie und Wildpflanzen auf trockenen, mageren Böden in der Prignitz 30 Praxisbeispiel: Humus aufbauen mit Landschaftspflegematerial und Schafwollpellets 34 Praxisbeispiel: Demeterhof schließt Biotopverbundnetz in trockener, strukturarmer Agrarlandschaft 36 Praxisbeispiel: „Naturnähe statt Designerbiotopschutz“ – Bäche renaturieren nach dem „LEV-Prinzip“ 41 Praxisbeispiel: In einem Beratungstag zur artenreichen Streuobstwiese auf Ackerland – mit dem „Fokus Naturtag“ 47 Neue Initiative: Humus aufbauen in Kooperation mit regionalen Firmen – Das „Kelheimer Humustandem“ 51 Praxisbeispiel: Landschaftspflegeverband agiert als Dienstleister für Kommunen zu Gewässer- und Bodenschutzmaßnahmen 54 Praxisbeispiel: „Das blaue Band der Havel“ entwickelt regionalen Kulturlandplan zur standort- angepassten, klimaschonenden Bodennutzung 62
8/9 1. Klimawandel, Wasserhaushalt und Landwirtschaft Der natürliche Wasserrückhalt einer Landschaft versickerte und im Grundwasser gespeicherte Was- stellt einen Teil des Wasserhaushalts dar. Der ser (Konradin Medien GmbH 2021, Spektrum Akademi- Wasserhaushalt bezeichnet die Aufstellung der scher Verlag 2000). Aufnahme und Abgabe von Wasser in einem geo- Der Wasserhaushalt ist nur über einen längeren grafischen Gebiet. Er hat einen entscheiden Einfluss Zeitraum, das heißt im Durchschnitt mehrerer auf die vorhandenen Ökosysteme und die Eignung Jahre, wirklich ausgeglichen, da das Verhältnis von zur landwirtschaftlichen Nutzung. Niederschlag und Verdunstung jährlich und auch Der Wasserhaushalt umfasst dabei die fünf Haupt- jahreszeitlich unterschiedlich ist. In Deutschland komponenten: „Niederschlag“ (N), „Abfluss“ (A), überwiegt im Winterhalbjahr der Niederschlag, im „Verdunstung“ (V), „Rücklage“ (R) und „Auf- Sommerhalbjahr die Verdunstung. Der Klimawandel brauch“ (B). Ihr Zusammenhang wird in der so- bewirkt eine Veränderung der Niederschlagsver- genannten Wasserhaushaltgleichung beschrieben: teilung. Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Dürren werden häufiger. Während sich Wasserhaushaltgleichung: N = A + V + (R-B) Niederschläge schwer beeinflussen lassen, gibt es Niederschläge beziehen neben Regen- und Schnee- auf der anderen Seite der Gleichung einen wichti- fällen auch Tau, Nebel und Reif mit ein. Der Abfluss gen Faktor, der durch die Landnutzung maßgeblich umfasst sowohl ober- als auch unterirdische Ab- beeinflusst werden kann: den Abfluss. Wird dieser flüsse. Die Verdunstung bezieht sich auf das Was- verringert, so erhöht sich die Infiltration und damit ser, welches bereits an der Oberfläche verdunstet, die Wasservorräte in Oberboden und Grundwasser. während der Aufbrauch die Verdunstung des im Für die Landwirtschaft ist dabei vor allem das im Boden gespeicherten Wassers beinhaltet. Darüber Oberboden gespeicherte Wasser relevant. Die Er- hinaus zählen zum Aufbrauch auch Quellaustritte höhung der Rücklagen durch eine Reduzierung des und die Wasseraufnahme durch Pflanzen. Die Rück- Abflusses steht im Fokus dieser Publikation. lagen beschreiben das im Boden durch Infiltration Was sind Extremwetterereignisse? Ein extremes Wetterereignis ist ein Ereignis, das an Dauerregenereignisse sind lang anhaltende einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Niederschläge mit einer Dauer von mindestens Jahreszeit selten ist. Die Definitionen für „selten” sechs Stunden und einer stündlichen Nieder- variieren, aber ein extremes Wetterereignis wäre schlagsmenge von mindestens 0,5 l/m² in 12 normalerweise so selten wie oder seltener als das Stunden, im Volksmund auch als „Landregen“ 10- oder 90 %-Perzentil der beobachteten Wahr- bekannt. scheinlichkeitsverteilung (Die Bundesregierung 2008).
Starkregenereignisse, umgangssprachlich als „Ge- einer Trockenperiode gesprochen werden kann. witterregen“ oder „heftige Schauer“ bezeichnet, Die niedrigen Temperaturen im Winter führen hin- sind geprägt von kurzzeitig hohen Niederschlags- gegen zu einer stark verminderten Verdunstung, intensitäten, einer geringen Vorwarnzeit und oft- wodurch auch bei minimalen Niederschlägen kein mals hohen Fließgeschwindigkeiten. Der Deutsche Wassermangel vorliegen kann. Wetterdienst klassifiziert Niederschlagsmengen Der Deutsche Wetterdienst definiert Dürre als ab 15 bis 25 l/m² in 1 Stunde oder 20 bis 35 l/m² einen Mangel an Wasser, der durch weniger in 6 Stunden als Starkregenereignis. Niederschlag und/oder eine höhere Verdunstung Für den Begriff Trockenperiode gibt es keine ein- durch erhöhte Temperatur (oder Wind) als üblich heitliche Definition dafür, ab wie vielen Tagen verursacht wird. Je nach Andauern der Dürre wird ohne, bzw. mit nur sehr geringen Niederschlags- diese entsprechend ihrer Wirkung benannt: mengen, von diesem Ereignis gesprochen werden Meteorologische Dürre: ein bis zwei Monate tro- kann. Das liegt daran, dass der Wasserbedarf ckener als üblich regional und saisonal sehr unterschiedlich ist. Neben dem Niederschlag haben auch die Fakto- Landwirtschaftliche Dürre: zwei Monate und län- ren Verdunstung, Grundwasserstand sowie die ger trocken, es kommt zu Ernteeinbußen Wasserstände der Flüsse einen großen Einfluss Hydrologische Dürre: ab vier Monate, Grund- darauf, wann eine Trockenperiode beginnt. So wasser und Pegel sind betroffen (Deutscher Wetterdienst kann der Wasserbedarf im Sommer schon nach 2020) einigen trockenen Tagen so hoch sein, dass von Abbildung 1: Maispflanzen, © Pixabay 1.1 Veränderte Wasserverfügbarkeit Wie verändert sich die Wasserverfügbarkeit durch den Klimawandel? Eine langjährige Messreihe des Deutschen Wetter- Versorgungsgrades des Bodens mit Wasser in Pro- dienstes über die Bodenwasservorräte der Flächen, zent der nutzbaren Feldkapazität (nFK) für Winter- auf denen Marktfrüchte angebaut werden, zeigt für getreide auf leichten Böden in den Monaten Mai alle Messreihen seit 1970 fallende Werte. Gemessen und Juli sowie für Zuckerrübe auf schweren Böden wurde dabei das langjährige Flächenmittel des in den Monaten Juli und September. Die nutzbare
Klimawandel, Wasserhaushalt und Landwirtschaft 10/11 Feldkapazität kennzeichnet dabei die Menge des Verlauf. Eine Datenreihe, welche Dürren im Ober- im Boden vorhandenen Wassers, das den Pflan- boden von 1952–2020 in der Vegetationsperiode zen und Bodenlebewesen zur Verfügung steht. April bis Oktober analysiert, zeigt eine Häufung der Unterhalb eines Wertes von 50 % nFK muss bei Dürremagnituden in den Jahren 2011–2020 (Hem- den Pflanzen mit Wasserstress gerechnet werden. holtz-Zentrum für Umweltforschung 2020). Für Zuckerrüben auf schweren Böden, Messzeit- Weiterhin arbeitet das Forschungsinstitut an Pro- punkt September, und Wintergetreide auf leichten gnosen über die zukünftige Entwicklung von Dür- Böden, Messzeitpunkt Juli, wurde dieser Wert in der ren und Hochwassern unter der Annahme einer Messreihe seit den 80er Jahren unterschritten (UBA globalen Erwärmung von 1,5 °C, 2 °C und 3 °C. 2017). Als Referenzzeitraum wird die Periode 1971–2000 Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) herangezogen. Hier liegt die durchschnittliche An- beschäftigt sich unter anderem mit der Messung von zahl der Dürremonate bei ungefähr zwei Monaten Dürren und stellt die Daten im sogenannten Dürre- pro Jahr. Im Szenario einer globalen Erwärmung atlas als Karten zur Verfügung. Die Dürremagnitude von 3 °C steigt der Wert bundesweit um über 50 % berechnet sich aus der Länge einer Dürreperiode (siehe Abb. 2). sowie der absoluten Trockenheit im zeitlichen Abbildung 2: Relative Änderung von Dürremonaten, Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung 2020 Die reduzierte Wasserverfügbarkeit im Boden 1,5 °C, 2 °C und 3 °C ist Bestandteil der Prognosen. ist dabei saisonal unterschiedlich ausgeprägt, So wird in den Sommermonaten (Mai bis Oktober) wobei die stärksten Reduktionen im Sommer und generell eine Zunahme der jährlichen Maxima er- Herbst vorliegen. Besonders betroffen von der zu- wartet (UFZ 2018). nehmende Sommertrockenheit sind einjährige Kulturpflanzen durch die Verkürzung der effektiven Die Studie kommt insgesamt zu dem Ergebnis: „Auf die Entwicklungsdauer. Bei der regionalen Verteilung gesamte Bundesrepublik nimmt die Wasserverfügbarkeit der Wasserverfügbarkeit zeigt sich, dass Standorte innerhalb der Vegetationsperiode ab, so dass sich eine mit sandigen Böden stärker von Trockenheit und Notwendigkeit zur Anpassung in der Landwirtschaft deren Änderung betroffen sein werden als Stand- ergibt.“ (Vgl. UFZ 2018: 7) Nach Einschätzungen des orte mit Böden, die Wasser gut speichern können. Weltklimarates wird eine Erwärmung von +1,5 °C Auch die relative Änderung von Hochwassern bei bereits 2040 erreicht werden (IPCC 2021).
Fachbegriffe zum Wasserrückhalt Grundwasser: unterirdisches Wasser, das die künstlicher Maßnahmen, wie Rückhaltebecken Hohlräume der Lithosphäre zusammenhängend oder Polder (Wasserretention). ausfüllt und dessen Bewegungsmöglichkeit aus- Wasseraufnahme: erfolgt meist über Wurzeln schließlich durch die Schwerkraft bestimmt wird. bzw. Rhizoide (bei Moosen) im Bereich der Fein- Infiltration: Anteil des Niederschlages, der in den wurzeln, in der Wurzelhaarzone. Boden eindringt und in Abhängigkeit von Nieder- Wasserdurchlässigkeit, Wasserleitfähigkeit: Eigen- schlagsintensität, Wassergehalt und Wasserdurch- schaft eines porösen Mediums, z. B. eines Bodens, lässigkeit des Bodens dem Gravitationspotenzial in seinem Porenraum Wasser zu leiten (hydrauli- folgend versickert. sche Leitfähigkeit). Treibende Kraft der Wasser- Infiltrationsrate: Menge, die je Zeiteinheit ver- bewegung sind Potenzialgradienten. Je größer sickert. Sie hängt neben der Wassermenge von die Poren sind, desto schneller kann sich das der Korn- und Porengröße ab, da das Wasser Wasser bewegen. Wenn alle Poren (Hohlräume) sich in feineren Poren langsamer bewegt als in mit Wasser gefüllt sind (Wassersättigung), spricht gröberen. Eine Rolle spielt ferner die Wasserleit- man von der gesättigten Wasserleitfähigkeit. fähigkeit der Bodenoberfläche, die sich durch Wassersättigung: beschreibt, in welchem Ausmaß Verschlämmung (Verstopfen der Poren des Bo- die Hohlräume des Untergrundes (Bodens) mit dens durch eingewaschene Feinsubstanz) wäh- Wasser gefüllt sind. rend eines Infiltrationsvorgangs verringern kann. Wasserspeicher, Wasserbehälter: Anlage zur Spei- Retention: in der Hydrologie: Durchflussver- cherung von Trink- oder Brauchwasser (Spektrum zögerung aufgrund der Speicherwirkung natür- Akademischer Verlag 2000, Spektrum Akademischer licher Gegebenheiten (z. B. Flussaue) oder Verlag 2001). Abbildung 3: Ackerboden mit geringer Wasserinfiltrationsrate, © Pixabay
Klimawandel, Wasserhaushalt und Landwirtschaft 12/13 1.2 Auswirkungen auf Boden und Landwirtschaft Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz Die Mechanismen sind aber nicht gleichzusetzen, LABO nennt als Auswirkungen des Klimawandels da Oberflächenabfluss z. B. auf Grünlandflächen auf unsere Böden das Risiko abnehmender Humus- auch ohne Sedimenttransport stattfinden kann. Der gehalte und -vorräte, eine zunehmende potenziel- mit der Erosion einhergehende Humusverlust führt le Wasser- und Winderosionsgefährdung, ein zu- neben einer Verschlechterung der Bodenqualität nehmendes Risiko von Boden schad verdichtungen auch zu einer geringeren Wasserspeicherkapazität sowie Veränderungen des Bodenwasserhaushaltes des Bodens – Humus kann die 5-fache Menge sei- (LABO 2010). Die Deutsche Anpassungsstrategie nes Gewichtes an Wasser speichern. Dürren führen an den Klimawandel schätzt den Wassermangel als zu einer Abnahme der Wasservorräte im Oberboden ausschlaggebenden ertragsmindernden Faktor für und bei längerer Dauer (ab etwa vier Monaten) im die Landwirtschaft ein (Die bundesregierung 2008). Grundwasser. Trockene Böden sind zudem anfällig Als Beispiel kann das Dürrejahr 2018 genannt für Winderosion. werden. Die Daten der deutschlandweiten Ernte- Die Trockenheit der Böden schädigt die Pflanzen. statistik zeigen hier starke Einbußen. Das Bundes- Zunächst kommt es zur Stagnation des Pflanzen- landwirtschaftsministerium stufte die anhaltende wachstums. Die Poren verschließen sich, um Trockenheit als „Ereignis von nationalem Ausmaß“ Verdunstung zu vermeiden. Es werden keine Nähr- ein. So lagen die Hektarerträge bei Getreide (ohne stoffe mehr über die Wurzeln aufgenommen. Bei Körnermais) um 16 % unter dem dreijährigen Mit- längerem Wasserstress sterben die Pflanzen schließ- tel der Vorjahre (BMEL 2018). lich ab. Der Klimawandel und seine Auswirkungen Stark- und Dauerregen führen zu einem höheren auf Wetter und Böden führt also letztlich zu einer Oberflächenabfluss, die mit einer verstärkten Wasser- Verminderung der Erträge in der Landwirtschaft erosion einhergehen. Der Prozess der Erosion ist (Bundesinformationszentrum Landwirtschaft 2020). dabei eng mit dem Oberflächenabfluss verbunden. 1.3 Anpassungsstrategien und Risikomanagement Im Dürrejahr 2018 betrug der finanzielle Schaden geschaffen werden sollen. „Bund und Länder be- rund 770 Millionen Euro. Bund und Länder stell- fürworten bislang vorrangig Maßnahmen, die ten daraufhin Hilfsprogramme zur Unterstützung die Eigenverantwortung der landwirtschaftlichen existenzgefährdeter Betriebe in Höhe von 340 Mil- Unternehmer zur Risikovorsorge stärken und die lionen Euro bereit. Dabei konnten jedoch nur Be- Rahmenbedingungen für eine strukturelle und or- triebe Unterstützung bekommen, bei denen der ganisatorische Stärkung des Sektors verbessern.“ Ernterückgang >30 % im Vergleich zum Vorjahr (Vgl. BMEL 2020). betrug (BMEL 2000). Angesichts dieser Größen- ordnung stellt sich die Frage, wie sich landwirt- Auch private Versicherungen, wie sie z. B. für Hagel schaftliche Betriebe gegen Extremwetterereignisse oder Hochwasser ein sinnvolles Instrument sein und insbesondere die zunehmende Trockenheit ab- können, sind im Bereich von Dürren kaum praktika- sichern können. bel. Im Fall von Trockenheit sind die Versicherungen im Vergleich zu anderen Extremwetterereignissen Zwischen Bund und Ländern besteht die im Jahr sehr teuer, da im Schadensfall ganze Landstriche 2012 getroffene Vereinbarung, wonach Land- betroffen sind. wirt*innen zuvorderst selbst geeignete Wege fin- den müssen, um mit extremen Wetterereignissen Diskutiert wird im Zusammenhang mit Trockenheit umzugehen, und hierfür Rahmenbedingungen auch immer der Ausbau von Bewässerungsanlagen,
z. B. in der Deutschen Anpassungsstrategie an der Waldlandschaften festgelegt. Eine wichtige Maß- Klimawandel (DAS) oder der Deutschen Ackerbau- nahme ist darüber hinaus der Wissenstransfer und strategie 2035. Bewässerung ist aber kostspielig die Förderung von angepassten Formen der Land- sowie zeitaufwendig und lohnt sich deshalb auch bewirtschaftung, Tierhaltung, Tierernährung und aus ökonomischen Gründen nicht für alle Kulturen, Tiergesundheit (UBA 2021). Die Deutsche Acker- wie beispielsweise Getreide. Bei Kreisregnern ver- baustrategie will die regionale Betroffenheit eva- dunsten 50 % des Wassers bereits, bevor es den luieren und darauf basierend Empfehlungen für Boden erreicht. Tröpfchenbewässerung ist zwar einen an den Klimawandel angepassten Ackerbau im Wasserverbrauch effizienter, allerdings ist es ableiten. Dabei sollen die Aspekte Kulturarten, Sor- notwendig, die Schläuche jedes Jahr neu auf den ten und Fruchtfolgen, Bewirtschaftungsmethoden, Feldern auszubringen, sie regelmäßig auf undichte Bodenbearbeitung oder Erosionsschutz einbezogen Stellen hin zu überprüfen und das Material ge- werden (BMEL 2021). gebenenfalls zu erneuern (Rademaker 2020). Das europäische LIFE Projekt „AgriAdapt“ zur nachhaltigen Anpassung der Landwirtschaft an Zudem wird in der Deutschen Ackerbaustrategie den Klimawandel (2016–2020) sieht notwendige ein grundlegendes Problem von Bewässerungs- Anpassungsmaßnahmen in vier Bereichen vor: anlagen festgehalten: „Der Ausbau von Bereg- (1) Diversifizierung zur Risikominimierung, d. h. nungs-/Bewässerungskapazitäten kann durch das z. B. für Ackerbau weite Fruchtfolgen, Gemenge- regional verfügbare Wasserangebot begrenzt sein.“ anbau, Anbau verschiedener Sorten, (2) Boden- (Vgl. BMEL 2021: 38). So kommt es bereits jetzt schutz und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, in einigen Regionen in den Sommermonaten zu gesunde Struktur und vielseitiges Bodenleben, (3) Wasserknappheit. Extensivierung und (4) Tierwohl, wie kühlere Ställe Eine einfache Lösung zur Risikoabsicherung der (AgriAdapt 2020). Landwirtschaft gegen den Klimawandel und ins- Weiterhin hat das Bundesumweltministerium am besondere die Problematik der Trockenheit gibt 8. Juni 2021 beim 3. Nationalen Wasserforum es nicht. Die einzelnen Bundesländer verfolgen den Entwurf der Nationalen Wasserstrategie vor- derzeit unterschiedliche Strategien beim Risiko- gestellt, der in den nächsten Jahren weiter ab- management. Die Strategien umfassen Ad-hoc gestimmt werden soll. Einer der vier Schwerpunkte Hilfen, individuelle Beratung landwirtschaftlicher behandelt das Themenfeld „Wasserknappheit vor- Betriebe, spezifische Investitionsprogramme, die beugen, Nutzungskonflikte vermeiden.“ Hier wird Förderung von Diversifizierung sowie Forschungs- als Ziel für 2050 definiert: „(…) Der Wasserhaushalt projekte zur Optimierung des landwirtschaftlichen ist gegen Klimaextreme gewappnet. Landschaft Umgangs mit Extremwetterereignissen (Hartung und Böden fungieren dabei als natürliche Wasser- 2020). speicher. Uferbereiche von Seen und Flüssen sowie Die Landwirtschaft wird sich in der Produktion an Auen, Altarme und Senken sind naturnah gestaltet die veränderten Bedingungen anpassen müssen. und dienen wieder als natürliche Rückhalteräume und Puffer bei Hochwasser und Speicher für nieder- So sieht z. B. die Deutsche Anpassungsstrategie schlagsarme Phasen. Moore sind renaturiert. Für an den Klimawandel für den Bereich Landwirt- ausreichende Grundwasserneubildung ist gesorgt schaft unter anderem vor, zukünftig angepasste …“ (BMU 2021). Pflanzensorten zu entwickeln und Verfahren zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und der Dieser Ansatz der Nationalen Wasserstrategie Bodenstruktur im Rahmen von Agrarumweltmaß- wird auch in dieser Publikation verfolgt. Im nach- nahmen zu fördern. Zudem sind in der Gemein- folgenden wird gezeigt, wie Akteure aus Land- schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur wirtschaft, Naturschutz und Verwaltung durch und des Küstenschutzes (GAK)“ die Förderung entsprechende Nutzung und Bewirtschaftungsmaß- von Infrastruktur zur Bewässerung sowie des nahmen die Wasserverfügbarkeit in der Agrarland- Wasserrückhalts in dürregefährdeten Agrar- und schaft erhöhen können. Abbildung 4: Traktor auf ausgetrocknetem Boden, © Her- mann Kollinger, Pixabay
Klimawandel, Wasserhaushalt und Landwirtschaft 14/15 © Hermann Kollinger/Pixabay
© Peter Roggenthin
16/17 2. Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft Die Wasserinfiltrationsrate in Böden hängt von Agrarlandschaft mit vielen Landschaftselementen, verschiedenen Faktoren ab, die in diesem Kapitel kurzen Hanglängen und einem hohen Boden- beschrieben werden. Im Anschluss werden Maß- bedeckungsgrad zu schaffen. Denn dann verlaufen nahmen zur Verbesserung der Wasserinfiltration, bei Niederschlägen und Schneeschmelze die Ober- unterschieden nach drei Bereichen vorgestellt: flächenabflüsse weniger in lineare Formen, bei Produktionsintegrierte Maßnahmen sowie Maß- denen sich Abflüsse konzentrieren. Stattdessen nahmen in der Flur und Maßnahmen an Gewässern. bilden sich dezentrale Abflüsse. Dies bewirkt gerin- gere Fließgeschwindigkeiten, höhere Versickerung Das übergeordnete Ziel bei der Verbesserung der und eine verminderte erosive Wirkung. Wasserinfiltration ist es, eine kleinstrukturierte 2.1 Einflussfaktoren auf die Wasserinfiltration Die Wasserdurchlässigkeit des Bodens wird einer- andererseits von der Nutzung und Bewirtschaftung seits von den regional vorherrschenden Boden- der Böden. Das Umweltbundesamt hat in einer Stu- eigenschaften wie Bodenart, Humusgehalt, die die steuerbaren Einflussgrößen durch Nutzung Lagerungsdichte, Porengrößenverteilung und und Bewirtschaftung auf die Stärke des Einflusses hydraulische Wasserleitfähigkeit beeinflusst, hin untersucht (UBA 2020): Nutzung: Wald > Grünland > Acker Oberflächenverschlämmung und Bodenbedeckung Makroporen Bodenbearbeitung Bodenverdichtung Anbauverfahren Humusgehalt und Hydrophobie Abbildung 5: Einflussfaktoren auf die Wasserinfiltration, nach Stärke des Einflusses absteigend sortiert, Quelle: UBA 2020, eigene Darstellung
Die Nutzung stellt die wichtigste Einflussgröße auf 1100 mm und bei Ackerland durchschnittlich ca. die Wasserinfiltration dar, wobei die Kapazität zur 800 mm in der Stunde (Abu-Hashim 2011). Die nach- Wasserinfiltration von Wald/Gehölzen über Grün- folgende Tabelle zeigt maximale Abflussbeiwerte land zur Ackernutzung abnimmt. So betrug die für vier unterschiedliche hydrologische Boden- Wasserinfiltration in einer Messreihe von Abu-Ha gruppen und Landnutzungstypen. shim 2011 bei Wald etwa 1500 mm, bei Grünland Acker Grün- Sonstige Wald land Hydrologische Durchlässigkeit/ Reihen- Getreide Kleegras, Weide- Dauer- Haine, Wald Bodengruppe Abfluss kulturen, Luzerne, land wiese Obst- Sonder- etc. anlagen, kulturen1 u. Ä. Schotter, Kies, Sand sehr durchlässig, 0,62 0,54 0,51 0,34 0,10 0,17 0,17 kleinster Abfluss Feinsand, Löss, leicht durchlässig, mä- 0,75 0,70 0,68 0,60 0,46 0,48 0,48 tonige Sande ßiger Abfluss lehmiger Sand, mäßig 0,84 0,80 0,79 0,74 0,63 0,66 0,62 sandiger Lehm, durchlässig, tonig-lehmiger Sand mittlerer Abfluss Tone, Lehm, dichter relativ un- 0,88 0,85 0,84 0,80 0,72 0,77 0,70 Fels, stauender durchlässig, Untergrund großer Abfluss Tabelle 1: Maximale Abflussbeiwerte für unterschiedliche hydrologische Bodengruppen und Landnutzungstypen, Quelle: Au- erswald & Seibert 2020 An zweiter Stelle der Einflussgrößen auf die In- Bodenbedeckung. Ab Bedeckungsgraden von etwa filtrationsrate stehen die Faktoren Oberflächen- 30 % kommt es zu wesentlichen Verbesserungen verschlämmung und Bodenbedeckung. Dabei der Infiltration. Ziel ist es deshalb, möglichst eine weisen verschlämmte Böden eine deutlich ver- ganzjährige Bodenbedeckung zu erreichen. ringerte Wasserinfiltration auf. Verschlämmung ent- Die drittstärkste Einflussgröße sind Makroporen. steht durch die sogenannte Planschwirkung beim Diese haben bei Porenkontinuität und Durch- Aufprall von Regentropfen auf unbedeckte Boden- gängigkeit bis zur Bodenoberfläche einen positiven oberflächen. Dabei wirken drei Mechanismen: (1) Einfluss auf die Wasserinfiltration. Dies gilt aber direkte Verdichtung der Bodenoberfläche durch nur für Starkregenereignisse, während die Wirkung den Aufprall von Regentropfen, (2) Verstopfung bei Dauerregen vernachlässigbar ist, da hier das von Poren durch Einlagerung von abgesprengten Sättigungsdefizit des Bodens maßgeblich ist. Die Bodenpartikeln und (3) schichtweise Ablagerung Bildung und der Erhalt von Makroporen können in abgesprengter Bodenpartikel, besonders von Ton. der Landwirtschaft durch konservierende Boden- Als Ergebnis entsteht eine Schicht von wenigen bearbeitung, ökologischen Landbau sowie organi- Millimetern an der Bodenoberfläche, deren Struktur, sche Substanzen an der Bodenoberfläche gefördert Rauigkeit und Dichte sich von der des anstehenden werden. Bodens unterscheidet. Einfluss auf die Oberflächen- verschlämmung hat neben den Faktoren Bodenart, An vierter Stelle spielt die Bodenbearbeitung Humusgehalt und mikrobielle Aktivität vor allem die eine Rolle für die Wasserinfiltration. Dabei kann 1 Sonderkulturen, wie z. B. Spargel, Hopfen, Gemüse oder Wein werden dabei behandelt wie Reihenkulturen, z. B. Kartoffeln, Mais, Zuckerrübe und Sonnenblumen.
Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft 18/19 der Verzicht, bzw. die Minimierung von wenden- Boden. Diese ist stark vom Humusgehalt sowie der Bodenbearbeitung über einen mehrjährigen dem Ausgangswassergehalt abhängig. Auf hydro- Zeitraum die Wasserinfiltrationskapazität erhöhen. phoben Böden verläuft die Infiltration nicht Grund hierfür ist eine höhere Anzahl und Kontinui- gleichmäßig, wie bei hydrophilen (Altgriechisch: tät der Makroporen sowie der Erhalt der organi- „Wasserliebend“) Böden, sondern ungleichmäßig schen Substanz im Oberboden. über präferenzielle Fließwege. Diese werden über Makroporen, Spalten und bevorzugte Fließwege An fünfter Stelle der Einflussfaktoren auf die geprägt. Generell führen hydrophobe Böden zu Wasserinfiltration steht die Bodenverdichtung. einem höheren Oberflächenabfluss und geringerer Dabei haben dichtere Böden eine geringere Wasser- Infiltrationsleistung als hydrophile. Versuche zeigen infiltration in den Oberboden. Die Ursache hier- außerdem, dass die hydrophoben Eigenschaften für liegt im niedrigeren Porenvolumen und somit von Böden bei warmen Temperaturen und gerin- einem geringeren Wasserspeichervermögen. Mit ger Bodenfeuchte verstärkt werden. In der Praxis der Verdichtung verschlechtern sich außerdem die bedeutet dies, dass bei Starkregen nach längerer Bedingungen für Pflanzen wegen einer geringe- Trockenheit die Wasserinfiltration bei humusarmen ren Wasser- und Sauerstoffversorgung und einem Böden vermindert wird. Ein höherer Humusgehalt erschwerten Wurzelwachstum. Der Grund für die bewirkt hingegen eine stärkere Wasserinfiltration Bodenverdichtung liegt bei landwirtschaftlichen und damit geringeren Oberflächenabfluss. Humus Flächen im Befahren mit schweren Maschinen. kann das Fünffache seines Gewichts an Wasser Auch die Anbauverfahren landwirtschaftlicher speichern. Weitere positive Effekte sind die Er- Betriebe haben einen Einfluss auf die Wasser- höhung der Bodenfruchtbarkeit und die Funktion infiltration. Bestimmte Maßnahmen, die im öko- als CO2-Speicher (UBA 2020). logischen Landbau häufig praktiziert werden, Basierend auf den beschriebenen Einflussfaktoren erhöhen die Infiltrationsleistung des Bodens, wie werden im Folgenden Maßnahmen zur Ver- z. B. vielfältige Fruchtfolgen, wiederkehrende besserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Bodenruhe, Untersaat oder Zwischenfruchtanbau. Agrarlandschaft vorgestellt. Die Maßnahmen sind Als letzte Einflussgrößen stehen Humusgehalt dabei nicht nach der Stärke ihrer Wirkung sortiert, und Hydrophobie von Böden. Humus bezeichnet da diese im Einzelfall unterschiedlich ist. Weiterhin die organische Substanz im Boden. Hydrophobie handelt es sich lediglich um eine Auswahl an mög- (Altgriechisch: „Wasserfurcht“) bezeichnet die Be- lichen Maßnahmen. netzungshemmung der organischen Substanz im Abbildung 6: Humus erhöht neben der Fruchtbarkeit auch die Wasserrückhaltekapazität von Böden, © Markus Baumeler/ Pixabay
2.2 Maßnahmen in der Flur Die höchsten Effekte für den Wasserrückhalt kön- Maßnahmen sind regional unterschiedlich. Gute nen erzielt werden, wenn Maßnahmen nicht nur Planungen berücksichtigen dabei Bodentypen, Ab- auf einzelnen Betrieben umgesetzt werden, son- fluss und Landnutzungstypen. Eine erosionsschutz- dern auf Flurebene. Dabei lassen sich viele kleine, orientierte Flureinteilung zielt darauf ab, Hanglängen dezentrale, aber strategisch platzierte Maßnahmen zu verkürzen, den Bodenbedeckungsgrad auf Steil- einfacher umsetzen als wenige große. Zudem lagen und an Abflussrinnen zu erhöhen sowie Puffer- gliedern sie sich besser in das Landschaftsbild systeme zu Gewässern zu schaffen (DWA 2015). ein. Umsetzbarkeit und Nutzen der beschriebenen Erosionsschutzorientierte Flureinteilung durch Keyline Design Keyline Design oder Schlüssellinienkultur bezeichnet profitieren dabei besonders von der Verbesserung die Bepflanzung einer Fläche bzw. Landschaft in des Wasserhaushalts. Im Grünland entstehen bei einer an das Gelände angepassten Linienführung. der Pflanzung von Gehölzen naturnahe Nutzland- Die Gestaltungsmethode zielt in erster Linie auf die schaften, die der traditionellen halboffenen Wald- Optimierung des Wasserrückhaltes und eine besse- Weidelandschaft ökologisch nahekommen und re Verteilung und Speicherung von Niederschlags- gleichzeitig gut zu bearbeiten sind. wasser ab. Damit bewirkt sie gleichzeitig auch Bei einer großflächigen Anwendung können mit der positive Effekte für Wind- und Erosionsschutz sowie Schlüssellinienkultur ganze Landschaften abgekühlt Humusaufbau. und die Regenwahrscheinlichkeit erhöht werden. Im ersten Schritt wird die Landschaft auf ihre Geo- Hintergrund hierfür ist die Zunahme des latenten morphologie hin untersucht, um die Wasserabfluss- Wärmeflusses, der zu einer Verstärkung von Turbu- linien bei Niederschlägen zu bestimmen. Als Grundlage lenz führt. Dadurch wird mehr Wasserdampf an die wird ein digitales Geländemodell (DGH) verwendet. Atmosphäre abgegeben. Als Konsequenz erhöht Auch Daten aus terrestrischen Vermessungen und sich die Regenwahrscheinlichkeit und die Land- Fernerkundungsdaten, beispielsweise von Drohnen, schaft wird insgesamt abgekühlt (Gerhard 2020). können genutzt werden. Die Planung erfolgt in einem Geoinformationssystem (z. B. ArcGIS, QGIS). Auf Flurebene können hier also große Effekte für den Wasserrückhalt- und Wasserhaushalt insgesamt Darauf basierend werden dann Bearbeitungs- und erzielt werden. In der Praxis sind großflächige Pla- Pflanzmuster, die „Schlüssellinien“ oder „Keylines“ nungen aufgrund unterschiedlicher Eigentumsver- so erstellt, dass Oberflächen- und Bodenwasser hältnisse und Nutzungen sehr komplex. Besondere entlang der Geländekontur geleitet werden. Ziel ist Chancen bieten hier Flurbereinigungs- bzw. Neu- eine Verkürzung von Hanglängen. Dadurch kann ordnungsverfahren. Auch die Deutsche Ackerbau- das Wasser besser infiltrieren und auch an trockene strategie sieht vor, dass Flurbereinigungsverfahren Stellen geleitet werden. Bei der Erstellung der Be- zukünftig stärker auf Bodenschutz und Erosions- arbeitungs- und Pflanzmuster werden die Aspekte schutz ausrichtet werden sollten (BMEL 2021). Im Bodenart, Bodentyp, die Vegetation und sowie die Bundesland Bayern gibt es hierfür bei den Ämtern Bearbeitungspraxis berücksichtigt. für Ländliche Entwicklung bereits eine etablierte Ini- Wenn auf den modellierten Abflusslinien Vegeta- tiative über die Projekte zum Boden- und Gewässer- tion – im Idealfall Gehölz – gepflanzt wird, kann die schutz auf Flurebene umgesetzt werden können Abflussgeschwindigkeit zusätzlich verringert und (siehe Beispiel „boden:ständig“, S. 21). Das Prin- die Wasserinfiltration erhöht werden. Die Anlage zip des Keyline Designs kann aber auch auf einzel- von Schlüssellinienkulturen ist sowohl auf Grünland nen Betrieben oder Feldstücken mit nachweisbarem als auch auf Ackerland möglich (siehe Agroforst-/ Erfolg realisiert werden, vor allem in Verbindung mit Baumfeldwirtschaft, S. 27). Kulturen im Ackerbau Agroforst-/Baumfeldwirtschaft.
Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft 20/21 Die Initiative „boden:ständig“ ermöglicht koordinierte Maßnahmen für Boden- und Gewässerschutz auf Flurebene „Das Machbare jetzt tun!“ So lautet das Motto Die praktische Umsetzung erfolgt in lokalen von „boden:ständig“. Derzeit werden bayernweit Projekten, deren räumliche Abgrenzung nach rund 100 Projekte im Bereich Boden- und Ge- Einzugsgebieten erfolgt, auch über mehrere Ge- wässerschutz über die „Initiative boden:ständig“ meinden hinweg. Fachliches Ziel aller Projekte ist der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Ent- es die Flur wieder rückhaltefähiger zu machen, wicklung koordiniert und betreut. Das erfolgreiche Nährstoff- und Erosionsausträge zu reduzieren Modellprojekt „Rottauensee in Niederbayern“ und auch Wasser für Trockenzeiten verfügbar (2009–2014) wurde mit dem Umweltpreis der zu halten. „Hierfür ist das Handeln auf drei ver- Bayerischen Landesstiftung ausgezeichnet. Es schieben Ebenen notwendig. Erstens die Feld- folgte eine zweite Phase mit Pilotprojekten in stückebene, in der Landwirtinnen und Landwirte ganz Bayern, bei denen neben Landwirt*innen, aktiv sind. Zweitens Maßnahmen in der Flur- Gemeinden und staatlichen Fachverwaltungen, struktur in Zusammenarbeit von Landwirt*innen wie den Ämtern für Ländliche Entwicklung, den und Kommunen, und drittens Maßnahmen der Landwirtschaftsämtern und den Wasserwirt- Kommunen an Fließgewässern. Dreh- und Angel- schaftsämtern auch bayerische Landschafts- punkt der Projekte sind die Maßnahmen auf Flur- pflegeverbände beteiligt waren. Seit 2017 ist das ebene“, erklärt Norbert Bäuml. Erfolgskonzept „boden:ständig“ festes Angebot Für die Finanzierung der Maßnahmen selbst wird der Ämter für Ländliche Entwicklung (ALE) und auf bestehende Förderprogramme des Landes wird weiter ausgebaut. Wie funktioniert die Bayern im Bereich der Ländlichen Entwicklung Initiative? sowie der Landwirtschaftsförderung zurück- „Wichtige Grundvoraussetzung ist der Hand- gegriffen. Bei Flurneuordnungsverfahren kön- lungswille der Betroffenen vor Ort. Die Men- nen bis zu 80 % der Kosten für Maßnahmen schen müssen das Problem sehen und es selbst kofinanziert werden. Über das Förderprogramm lösen wollen. „boden:ständig“ wird nicht von „FlurNatur“ können Struktur- und Landschafts- oben angeordnet, sondern entsteht aus den Ak- elemente auch ohne Flurneuordnungsverfahren teuren heraus und wird von ihnen getragen“, so angelegt werden. Maßnahmen auf den landwirt- Norbert Bäuml, Entwickler und Koordinator der schaftlichen Flächen werden vor allem über das Initiative. „Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)“, in we- nigen Fällen auch über das bayerische Vertrags- An jedem der sieben Ämter für Ländliche Ent- naturschutzprogramm (VNP) abgedeckt (Bäuml wicklung in den Regierungsbezirken Bayerns 2020, Bäuml 2021a). gibt es eine Ansprechperson für Interessierte, um boden:ständig-Projekte aufzusetzen und zu steu- ern. Für die Umsetzungsarbeit vor Ort finanziert Lässt sich das Erfolgskonzept boden:ständig das Amt für jedes Projekt ein Umsetzungsteam, auf andere Bundesländer übertragen? bestehend aus Fachplanung und Coach. Die Coa- ches begleiten die Akteure vor Ort und müssen „Die Struktur der Ländlichen Entwicklung in Bay- daher sowohl fachliches Know-how als auch sozia- ern ist mit anderen Bundesländern nicht unmittel- le Kompetenzen haben. Eine ihrer Hauptaufgaben bar vergleichbar, aber motivierte Personen gibt besteht darin, mit Eigentümer*innen und Land- es überall! In Bayern kam die Initiative nicht von wirt*innen Kontakt aufzunehmen und zusammen oben, sondern ist durch engagierte Menschen mit ihnen machbare Lösungen zu entwickeln. Hier- vor Ort entstanden,“ berichtet Norbert Bäuml. für schätzt Norbert Bäuml die Zusammenarbeit mit „Die Verwaltung für Ländliche Entwicklung Landschaftspflegeverbänden (LPV). hat dies aufgegriffen und entsprechend die
Rahmenbedingungen für eigenverantwortliches gehört zu den ersten LPV, die bei boden:ständig Tun geschaffen.“ Projekten aktiv waren. Zuerst 2014 bei Eggelham, später am Eisbach, Dirnaich, Mitterskirchen und Und was sagen die umsetzenden Landschafts- Immelsham. pflegeverbände? Weiterführende Informationen und Inspiration „boden:ständig ist ein Instrument für enga- unter: www.boden-staendig.eu/ gierte Leute vor Ort, die nach passenden UND realisierbaren Lösungen suchen, dass örtlich Hinweis: Auf der Homepage von boden:ständig UND zeitlich flexibel bleiben muss, ausreichend finden sich neben einer Projektübersicht auch gut ausgebildete Berater und Mitarbeiter VOR nützliche Arbeits- und Umsetzungshilfen für die ORT benötigt und auf gute Förderinstrumente Praxis, die im Rahmen beispielhafter boden:stän- und praktikable Verfahren angewiesen ist.“ So dig-Projekte entwickelt wurden. das Fazit von Rainer Blaschke, Geschäftsführer des LPV Rottal-Inn und boden:ständig-Coach. Er Landschaftselemente und Uferrandstreifen anlegen und entwickeln Landschaftselemente wie Hecken, Feldraine und Der Effekt auf den Wasserrückhalt von Land- Feldgehölze sowie Uferrandstreifen bewirken eine schaftselementen liegt zwischen 10 bis 100 % des höhere Rauheit der Bodenoberfläche. Durch die Oberflächenabflusses, abhängig von Breite, Tiefe Stilllegung können sich zudem Bodenleben und der Wurzeln, Geländegefälle, Gefüge und Wasser- Bodengefüge (Anzahl, Tiefe und Durchgängigkeit sättigung des Bodens. Als Richtwert für die Breite der Poren) weiterentwickeln. Als Resultat werden von Pufferstreifen kann ein Durchschnittswert von Abflussgeschwindigkeiten verlangsamt und die In- 10 m veranschlagt werden. filtrationsrate erhöht. Neben dem Effekt für den Wasserrückhalt erhöhen Entlang von Gewässern wirken Saumstreifen Landschaftselemente die Biodiversität, indem wert- (2–5 m), Uferstreifen (> 5–20 m) und standort- volle Lebensräume und Futter für Vögel und Insek- gerechter Wald oder Sukzessionsflächen (> 20 m) ten geschaffen werden. Uferrandstreifen sind mit als Filter und Puffer zu landwirtschaftlich genutzten ihrem bandförmigen Verlauf wichtiger Bestandteil Flächen und verhindern Stoffeinträge. der Biotopvernetzung (DWA 2015). Drainagen umbauen Bei Drainagen handelt es sich um Kunststoff- die Rohre („Sauger“) winklig wie Fischgräten auf schläuche oder Tonrohre, die in einer Tiefe von ein Hauptrohr („Sammler“) zugeleitet, welches ca. 60 bis 80 cm und regelmäßigen Abständen in dann in ein angrenzendes Fließgewässer mündet. Böden unter landwirtschaftlich genutzten Flächen Der Drainagebau begann in den 1930er Jahren mit verlegt sind, um überschüssiges Wasser im Winter dem Trockenlegen von Auen und wurde bis in die oder nach Starkregen schnell abzuführen, damit die 1970er Jahre fast auf allen landwirtschaftlichen Flächen landwirtschaftlich genutzt werden können. Nutzflächen Deutschlands durchgeführt (LEV Ost- Durch einfaches Aneinanderstoßen der Rohre exis- albkreis 2014). tieren Spalte, in die das Bodenwasser eindringen kann. Durch die Rohre, die mit leichtem Gefälle „Heute können wir behaupten, dass, abgesehen von verlegt wurden, fließt das Wasser dann auf das einigen Bereichen mit von Natur aus sehr wasser- nächste Gewässer zu. Bei größeren Flächen wurden durchlässigen Böden, fast das gesamte Offenland in
Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft 22/23 der Bundesrepublik mit deutscher Gründlichkeit flä- Infokasten „Wasserstand von Mooren erhöhen“ chig trockengelegt ist.“ (Vgl. LEV Ostalbkreis 2014) auf S. 25). Aufgrund verstärkter Trockenheit ist die Wirkung Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, der Drainagen zunehmend kontraproduktiv und es Abwasser und Abfall (DWA 2015) empfiehlt fol- bestehen Ansätze, diese Drainagen zu entfernen genden Aspekte bei der Maßnahmenplanung zum oder umzubauen. Umbau und Entfernung von Drainagenumbau zu berücksichtigen: Drainagen stellen die Akteure vor viele Heraus- – Wie lang ist der funktionale Abstand der Ent- forderungen, da Drainagepläne oftmals ungenau wässerungsanlage zum Vorfluter? Wie lang be- sind oder gar nicht existieren. nötigt der Drainageabfluss bis zum Eintritt in den Die Wirkung von Drainagen ist zudem von mehre- Vorfluter? ren Faktoren abhängig, die bei der Planung berück- – Wie hoch sind die maximalen Abflüsse bei ver- sichtigt werden müssen. Wichtige Faktoren sind schiedenen Niederschlagsereignissen und bei die Struktur des Einzugsgebietes, die geohydro- Schneeschmelze? logischen Standorteigenschaften des Geländes, die aktuelle Flächennutzung, die Bodeneigenschaften – In welcher Reihenfolge treten Zuflüsse in den und die Intensität von Niederschlagsereignissen und Vorfluter ein, und wie stark sind die einzelnen Schneeschmelze. Auch Art, Lage, Flächenumfang Zuflüsse? und Alter der Entwässerungsanlage spielen eine – Wie sind die geohydrologischen Standorteigen- Rolle. schaften der Entwässerungsanlagen? Handelt es Je nach Zielsetzung und Ausgangssituation gibt sich z. B. um ebene oder hängige Lagen? es unterschiedliche Möglichkeiten. Möglich sind – Welche quantitativen Effekte können mit den der kontrollierte Verzicht auf Instandhaltungsmaß- Maßnahmen erzielt werden? nahmen oder das aktive Stilllegen und Entfernen von Drainagen. Sie können aber auch eingesetzt – Wie ändern sich die Nutzungsmöglichkeiten der werden, um Wasser gezielt umzuleiten oder angrenzenden Flächen? zurückzuhalten. Aus Klimaschutzsicht ist die Wie- – Erfüllen die Maßnahmen im Ereignisfall ihren dervernässung von organischen Böden zur CO2- Zweck? Speicherung von besonderer Bedeutung (siehe Praxisbeispiel: (Augen-)Weide für Heckrinder und Wanderer – Entrohrung und Renaturierung der Auen im Naturpark Aukrug Der 380 km² große Naturpark Aukrug liegt in- naturnahen Bäche begradigt bzw. verrohrt, um mitten von Schleswig-Holstein und zeichnet sich die Entwässerung der drainierten Agrarflächen durch eine Landschaft mit sanften Hügeln, weiten zu gewährleisten, indem sie das Wasser mög- Talräumen, naturnahen Wäldern mit typischen lichst schnell in die größeren Auen abführen. Quellen und Fließgewässern aus. Seinen Namen Als Ergebnis ist der 1974 gegründete Naturpark hat der Naturpark von den zahlreichen Auen: Das Aukrug von zahlreichen verrohrten Vorflutern Wort „Krug“ bedeutet, dass die Bäche in natür- durchzogen. lichen Windungen verlaufen (Naturpark Aukrug Hier setzt der Naturschutzring Aukrug e. V. mit e. V. 2021). seiner Arbeit an: Die Lokale Aktion (Landschafts- Im Zuge von Flurbereinigungen in den 1960er pflegeorganisation) ist unter anderem im Bereich und 1970er Jahren wurden allerdings viele dieser der Entrohrung von Drainage-Vorflutern und
Quellbächen im Naturpark tätig. Aufgrund der Neben den Vorflutern haben der Naturschutzring engen Einbindung von Landwirt*innen, Kommu- Aukrug und die Schrobach-Stiftung im Naturpark nen und anderen Interessengruppen durch den Aukrug in den letzten Jahren auch mehrere Quell- Naturschutzring ist die Akzeptanz für diese weit- bäche in der Agrarlandschaft entrohrt. Diese ver- gehenden Naturschutzmaßnahmen durchweg liefen zuvor lediglich in den Quellbereichen noch hoch. naturnah. „So konnte die Durchgängigkeit für alle Lebewesen aus der größeren Au, hier Bünzau Die Zusammenarbeit erfolgt mit den jeweiligen und Stör, bis in die Quellbereiche erreicht wer- Wasser- und Bodenverbänden und der privaten den“, erklärt Niklas Zander. „Kurt und Erika Schrobach-Stiftung“, die eine treibende Kraft bei der Gründung des Vereins Die Besonderheit gegenüber den Renaturierungen, 2001 war und mittlerweile Eigentümerin von die mit dem Ziel der Erfüllung der Wasserrahmen- 1000 ha Fläche im Naturpark ist. Auf Flächen richtlinie in Schleswig-Holstein durchgeführt der Stiftung und bei Einverständnis der Eigen- werden, bei der die angrenzenden Flächen nicht tümer*innen auch auf privaten Flächen hat der durch Überschwemmungen benachteiligt werden Naturschutzring Aukrug seit 2006 mehrere Ent- dürfen: Die neuen Bachbetten wurden so knapp rohrungen von Drainage-Vorflutern durchgeführt, dimensioniert, dass sie das Wasser bei Niedrig- die für eine Vernässung der Flächen sowie stär- bis Mittelwasser komplett aufnehmen können keren Nährstoff- und Wasserrückhalt sorgen. Die und so ganzjährig durchgängig sind. Gleichzeitig Maßnahmen wurden dabei aus unterschiedlichen kommt es bei Hochwasser schnell zu einer Über- Quellen finanziert, wie z. B. Mittel des ELER, flutung in die angrenzenden Wiesen. Dies führt Naturschutzmittel des Landes Schleswig-Holstein einerseits zu einer gewünschten Vernässung von und Ersatzgelder von Ausgleichsmaßnahmen der tiefgelegenen Bereichen in den größtenteils ex- beiden betroffenen Kreise. tensiv beweideten Flächen. Weiterhin werden große Wassermengen, die zuvor ungebremst in „Das Wasser der Oberlieger muss natürlich weiter- die größeren Auen abflossen, zum Teil dauerhaft hin abgenommen werden, sodass – zumindest zurückgehalten. Seit 2016 sind so an Kirchwed- bis das Gelände das Rohrgefälle abgebaut hat delbach, Kapellenbach und Sellbek 2.350 m neue – offene Gräben geschaffen werden müssen“, Gewässer geschaffen worden. Für das Jahr 2021 berichtet Niklas Zander vom Naturschutzring Au- sind weitere ca. 500 m am Tönsbek geplant. krug. „Möglichst schnell wird das Wasser dann oberflächlich über die Fläche abgeführt und zu- Im Zuge der Renaturierungsmaßnahmen ent- sätzlich durch einen Wall oder mehrere Wälle stand an der Bünzau eine abwechslungsreiche aufgestaut.“ Die Anstauwälle müssen mit Kies Weidelandschaft, die von den urtümlichen Heck- gesichert werden, um Erosion zu vermeiden. rindern des vom Naturschutzring gegründeten Als Ergebnis wird nicht nur das Feuchtgrünland Vereins ERNA – Extensive Robustrinderhaltung vernässt, es werden auch neue Stillgewässer ge- im Naturpark Aukrug (www.erna-aukrug.de/) schaffen. Der Abfluss des Wassers wird durch den gepflegt wird. Auf dem ausgeschilderten „Bünz meist verlängerten, oberflächlichen Verlauf über au-Wanderweg“ können sich Einheimische und das Grünland verzögert, die Versickerung wird er- Gäste über die neu entstandenen Gewässer, die höht, und durch die aufgestauten Gewässer wird Lebensraum für Jungfische, Amphibien und Libel- viel Wasser zusätzlich dauerhaft vor Ort gehalten. len bieten, freuen. Ein großer Gewinn für den Wasserrückhalt in dem Gebiet. Kontakt: Niklas Zander, Naturschutzring Aukrug e. V., info@naturschutzring-aukrug.de
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