Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft - Deutscher Verband für Landschaftspflege

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Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft - Deutscher Verband für Landschaftspflege
Deutscher Verband für
                                           Landschaftspflege

Verbesserung des natürlichen
Wasserrückhaltes in der
Agrarlandschaft

            Nr. 29 der DVL-Schriftenreihe „Landschaft als Lebensraum“
Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft - Deutscher Verband für Landschaftspflege
Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft - Deutscher Verband für Landschaftspflege
Verbesserung des natürlichen
Wasserrückhaltes in der
Agrarlandschaft
Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft - Deutscher Verband für Landschaftspflege
Deutscher Verband für
                                                                                      Landschaftspflege

Impressum
Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft

Herausgeber:               Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) e. V.

Fotos Umschlag:            Titelseite: Peter Roggenthin, Rückseite: Lohwasser/DVL

Konzeption:                Corinna Friedrich, Isabell Raschke, Dr. Jürgen Metzner

Redaktion:                 Corinna Friedrich

In Zusammenarbeit mit:     Klaus Amann, Norbert Bäuml, Thomas Bigalke, Rainer Blaschke,
                           Barbara Fiselius, Olivia Kummel, Martina Prielmeier, Stefan Reuter,
                           Peter Riegg, Nadja Stoschek, Werner Thumann, Ralf Worm, Niklas Zander

Layout & Satz:             Nicole Sillner, www.almagrafica.de

Bezug über                 Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) e. V.
                           Promenade 9, D-91522 Ansbach
                           E-Mail: sekretariat@dvl.org
Internet                   www.dvl.org

Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen
Grenzen des Urheberrechts ist ohne die Zustimmung des Herausgebers unzulässig. Dies gilt insbesondere für
die Vervielfältigungen, Übersetzungen und Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung
in elektronischen Systemen.

Zitiervorschlag:          Deutscher Verband für Landschaftspflege e. V. (2021) Verbesserung des natürlichen
                          Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft, Nr. 29 der DVL-Schriftenreihe „Land-
                          schaft als Lebensraum“

Diese Publikation entstand im Rahmen des Projektes „Natürlichen Wasserrückhalt in der Agrarlandschaft
verbessern – Katastrophen durch Starkregen und Trockenheit verhindern“ von April 2020 bis Oktober 2021.
Das Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz und nukleare Sicherheit. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages.
Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.

ISSN 2197-5876

Gedruckt auf 100 % Blauer Engel Recyclingpapier

© Deutscher Verband für Landschaftspflege e. V., Ansbach 2021
Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft - Deutscher Verband für Landschaftspflege
Vorwort    4/5

Vorwort
In den letzten Jahren häufen sich durch den Klima-     Viele der dargestellten Projekte und Maßnahmen
wandel Wetterextreme wie Starkregen und Dürren.        werden von Landschaftspflegeorganisationen mit
In der Landwirtschaft liegt deshalb eine zukünftige    den Zielen Naturschutz, Biodiversitätsförderung
Herausforderung darin, durch spezielle Land-           oder Landschaftsgestaltung bereits seit mehr als 30
schaftsgestaltungs- und Bodenschutzmaßnahmen           Jahren erfolgreich praktiziert – wie z. B. die Pflan-
die Wasserspeicherfähigkeit der Flächen zu er-         zung und Pflege von Landschaftselementen oder
höhen, um dadurch Starkregenereignisse oder Dür-       Streuobstwiesen. Andere Maßnahmen sind noch in
ren abzupuffern. Mit Maßnahmen in der Flur, auf        der Pilotphase – wie der Versuch die Durchwachsene
Feldstückebene und an Gewässern kann die Ab-           Silphie als mehrjährige Energiepflanze auf trocke-
flussgeschwindigkeit von Niederschlägen reduziert      nen Standorten zu etablieren. Gerade im Hinblick
und damit die Wasserinfiltration erhöht und Erosion    auf die zunehmenden Trockenphasen sehen wir die
vermindert werden.                                     Notwendigkeit, neue Ansätze schnell zu verbreiten,
                                                       um auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die
Geeignete Maßnahmen sind grundsätzlich bekannt,
                                                       Agrarlandschaft reagieren zu können. Landschafts-
bedürfen aber einer stärkeren Umsetzung in der
                                                       pflegeorganisationen können hier Werkzeuge und
Praxis. Hierzu sind eine verstärkte Beratung und Be-
                                                       Multiplikatoren sein.
gleitung der Landwirtinnen und Landwirten sowie
von Kommunen und anderen Akteuren notwendig.           In Kapitel 1 werden zunächst die Zusammenhänge
Landschaftspflegeorganisationen können mit ihrer       und Entwicklungen von Klimawandel, Wasser-
Drittelparität aus Landwirtschaft, Naturschutz und     haushalt und Landwirtschaft beschrieben. Im An-
Politik diese Aufgabe übernehmen.                      schluss daran werden in Kapitel 2 Maßnahmen zur
                                                       Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Agrar-
Diese Ausgabe der Schriftenreihe wirft einen Blick
                                                       landschaft dargestellt. Das Kapitel 3 zeigt dann,
auf verschiedene Leuchtturmprojekte von Land-
                                                       wie die Maßnahmen erfolgreich in die Praxis um-
schaftspflegeorganisation in Deutschland und
                                                       gesetzt werden können. Die Publikation beinhaltet
beschreibt Erfolgsfaktoren bei der praktischen Um-
                                                       außerdem Leuchtturmprojekte verschiedener Land-
setzung. Im Fokus stehen dabei Maßnahmen zur
                                                       schaftspflegeorganisationen in ganz Deutschland
Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in
                                                       sowie weiterführende Informationsboxen.
Abgrenzung zu Bewässerung. Weiterhin wird pri-
mär die Menge der Wasserinfiltration betrachtet        An dieser Stelle möchten wir uns bei den beteiligten
und nicht die Wasserqualität im Sinne der Wasser-      Landschaftspflegeorganisationen und allen Inter-
rahmenrichtlinie (WRRL).                               viewpartner*innen für die Unterstützung bedanken.
Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft - Deutscher Verband für Landschaftspflege
Inhalt
Vorwort                                                                     5

1. Klimawandel, Wasserhaushalt und Landwirtschaft                            9
   1.1 Veränderte Wasserverfügbarkeit                                       10

   1.2 Auswirkungen auf Boden und Landwirtschaft                            12

   1.3 Anpassungsstrategien und Risikomanagement                            13

2. Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft   17
   2.1 Einflussfaktoren auf die Wasserinfiltration                          17

   2.2 Maßnahmen in der Flur                                                20

   2.3 Produktionsintegrierte Maßnahmen                                     27

   2.4 Gewässerbezogene Maßnahmen                                           39

3. Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung                                        45
   3.1 Spezifische Aufgabenbereiche abstecken                               45

   3.2 Die Stärken der Landschaftspflegeorganisationen nutzen               49

   3.3 Projekte initiieren                                                  49

   3.4 Akteure verstehen und frühzeitig einbinden                           53

   3.5 Flächen sichern                                                      56

   3.6 Landwirt*innen beraten                                               57

   3.7 Finanzierungsmöglichkeiten erschließen                               59

   3.8 Kompetente Planungsbüros finden                                      63

   3.9 Mit Öffentlichkeitsarbeit unterstützen                               65

4. Zusammenfassung                                                          69

5. Abkürzungen                                                              70

6. Literatur                                                                71
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Infoboxen
   Was sind Extremwetterereignisse?                                                                 9

   Fachbegriffe zum Wasserrückhalt                                                                 12

   Die Initiative „boden:ständig“ ermöglicht koordinierte
   Maßnahmen für Boden- und Gewässerschutz auf Flurebene                                           21

   Wasserstand von Mooren erhöhen                                                                  25

   Möglichkeiten von Agroforstsystemen                                                             29

   Fruchtfolgen und Aussaatzeitpunkte dem Klimawandel anpassen                                     37

Leuchtturmprojekte
   Praxisbeispiel: (Augen-)Weide für Heckrinder und Wanderer –
   Entrohrung und Renaturierung der Auen im Naturpark Aukrug                                       23

   Praxisbeispiel: Mehrjährige Energiepflanzen als Alternative zu Mais anbauen –
   Durchwachsene Silphie und Wildpflanzen auf trockenen, mageren Böden in der Prignitz             30

   Praxisbeispiel: Humus aufbauen mit Landschaftspflegematerial und Schafwollpellets               34

   Praxisbeispiel: Demeterhof schließt Biotopverbundnetz in trockener,
   strukturarmer Agrarlandschaft                                                                   36

   Praxisbeispiel: „Naturnähe statt Designerbiotopschutz“ –
   Bäche renaturieren nach dem „LEV-Prinzip“                                                       41

   Praxisbeispiel: In einem Beratungstag zur artenreichen Streuobstwiese auf Ackerland –
   mit dem „Fokus Naturtag“                                                                        47

   Neue Initiative: Humus aufbauen in Kooperation mit regionalen Firmen –
   Das „Kelheimer Humustandem“                                                                     51

   Praxisbeispiel: Landschaftspflegeverband agiert als Dienstleister für Kommunen
   zu Gewässer- und Bodenschutzmaßnahmen                                                           54

   Praxisbeispiel: „Das blaue Band der Havel“ entwickelt regionalen Kulturlandplan zur standort-
   angepassten, klimaschonenden Bodennutzung                                                       62
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© Peter Roggenthin
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1. Klimawandel, Wasserhaushalt
   und Landwirtschaft

Der natürliche Wasserrückhalt einer Landschaft            versickerte und im Grundwasser gespeicherte Was-
stellt einen Teil des Wasserhaushalts dar. Der            ser (Konradin Medien GmbH 2021, Spektrum Akademi-
Wasserhaushalt bezeichnet die Aufstellung der             scher Verlag 2000).

Aufnahme und Abgabe von Wasser in einem geo-
                                                          Der Wasserhaushalt ist nur über einen längeren
grafischen Gebiet. Er hat einen entscheiden Einfluss
                                                          Zeitraum, das heißt im Durchschnitt mehrerer
auf die vorhandenen Ökosysteme und die Eignung
                                                          Jahre, wirklich ausgeglichen, da das Verhältnis von
zur landwirtschaftlichen Nutzung.
                                                          Niederschlag und Verdunstung jährlich und auch
Der Wasserhaushalt umfasst dabei die fünf Haupt-          jahreszeitlich unterschiedlich ist. In Deutschland
komponenten: „Niederschlag“ (N), „Abfluss“ (A),           überwiegt im Winterhalbjahr der Niederschlag, im
„Verdunstung“ (V), „Rücklage“ (R) und „Auf-               Sommerhalbjahr die Verdunstung. Der Klimawandel
brauch“ (B). Ihr Zusammenhang wird in der so-             bewirkt eine Veränderung der Niederschlagsver-
genannten Wasserhaushaltgleichung beschrieben:            teilung. Extremwetterereignisse wie Starkregen
                                                          oder Dürren werden häufiger. Während sich
Wasserhaushaltgleichung: N = A + V + (R-B)
                                                          Niederschläge schwer beeinflussen lassen, gibt es
Niederschläge beziehen neben Regen- und Schnee-           auf der anderen Seite der Gleichung einen wichti-
fällen auch Tau, Nebel und Reif mit ein. Der Abfluss      gen Faktor, der durch die Landnutzung maßgeblich
umfasst sowohl ober- als auch unterirdische Ab-           beeinflusst werden kann: den Abfluss. Wird dieser
flüsse. Die Verdunstung bezieht sich auf das Was-         verringert, so erhöht sich die Infiltration und damit
ser, welches bereits an der Oberfläche verdunstet,        die Wasservorräte in Oberboden und Grundwasser.
während der Aufbrauch die Verdunstung des im              Für die Landwirtschaft ist dabei vor allem das im
Boden gespeicherten Wassers beinhaltet. Darüber           Oberboden gespeicherte Wasser relevant. Die Er-
hinaus zählen zum Aufbrauch auch Quellaustritte           höhung der Rücklagen durch eine Reduzierung des
und die Wasseraufnahme durch Pflanzen. Die Rück-          Abflusses steht im Fokus dieser Publikation.
lagen beschreiben das im Boden durch Infiltration

  Was sind Extremwetterereignisse?

  Ein extremes Wetterereignis ist ein Ereignis, das an    Dauerregenereignisse sind lang anhaltende
  einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten            Niederschläge mit einer Dauer von mindestens
  Jahreszeit selten ist. Die Definitionen für „selten”    sechs Stunden und einer stündlichen Nieder-
  variieren, aber ein extremes Wetterereignis wäre        schlagsmenge von mindestens 0,5 l/m² in 12
  normalerweise so selten wie oder seltener als das       Stunden, im Volksmund auch als „Landregen“
  10- oder 90 %-Perzentil der beobachteten Wahr-          bekannt.
  scheinlichkeitsverteilung (Die Bundesregierung 2008).
Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft - Deutscher Verband für Landschaftspflege
Starkregenereignisse, umgangssprachlich als „Ge-    einer Trockenperiode gesprochen werden kann.
 witterregen“ oder „heftige Schauer“ bezeichnet,     Die niedrigen Temperaturen im Winter führen hin-
 sind geprägt von kurzzeitig hohen Niederschlags-    gegen zu einer stark verminderten Verdunstung,
 intensitäten, einer geringen Vorwarnzeit und oft-   wodurch auch bei minimalen Niederschlägen kein
 mals hohen Fließgeschwindigkeiten. Der Deutsche     Wassermangel vorliegen kann.
 Wetterdienst klassifiziert Niederschlagsmengen
                                                     Der Deutsche Wetterdienst definiert Dürre als
 ab 15 bis 25 l/m² in 1 Stunde oder 20 bis 35 l/m²
                                                     einen Mangel an Wasser, der durch weniger
 in 6 Stunden als Starkregenereignis.
                                                     Niederschlag und/oder eine höhere Verdunstung
 Für den Begriff Trockenperiode gibt es keine ein-   durch erhöhte Temperatur (oder Wind) als üblich
 heitliche Definition dafür, ab wie vielen Tagen     verursacht wird. Je nach Andauern der Dürre wird
 ohne, bzw. mit nur sehr geringen Niederschlags-     diese entsprechend ihrer Wirkung benannt:
 mengen, von diesem Ereignis gesprochen werden
                                                     Meteorologische Dürre: ein bis zwei Monate tro-
 kann. Das liegt daran, dass der Wasserbedarf
                                                     ckener als üblich
 regional und saisonal sehr unterschiedlich ist.
 Neben dem Niederschlag haben auch die Fakto-        Landwirtschaftliche Dürre: zwei Monate und län-
 ren Verdunstung, Grundwasserstand sowie die         ger trocken, es kommt zu Ernteeinbußen
 Wasserstände der Flüsse einen großen Einfluss
                                                     Hydrologische Dürre: ab vier Monate, Grund-
 darauf, wann eine Trockenperiode beginnt. So
                                                     wasser und Pegel sind betroffen (Deutscher Wetterdienst
 kann der Wasserbedarf im Sommer schon nach
                                                     2020)
 einigen trockenen Tagen so hoch sein, dass von

 Abbildung 1: Maispflanzen, © Pixabay

1.1 Veränderte Wasserverfügbarkeit

Wie verändert sich die Wasserverfügbarkeit durch den Klimawandel?
Eine langjährige Messreihe des Deutschen Wetter-     Versorgungsgrades des Bodens mit Wasser in Pro-
dienstes über die Bodenwasservorräte der Flächen,    zent der nutzbaren Feldkapazität (nFK) für Winter-
auf denen Marktfrüchte angebaut werden, zeigt für    getreide auf leichten Böden in den Monaten Mai
alle Messreihen seit 1970 fallende Werte. Gemessen   und Juli sowie für Zuckerrübe auf schweren Böden
wurde dabei das langjährige Flächenmittel des        in den Monaten Juli und September. Die nutzbare
Klimawandel, Wasserhaushalt und Landwirtschaft    10/11

Feldkapazität kennzeichnet dabei die Menge des            Verlauf. Eine Datenreihe, welche Dürren im Ober-
im Boden vorhandenen Wassers, das den Pflan-              boden von 1952–2020 in der Vegetationsperiode
zen und Bodenlebewesen zur Verfügung steht.               April bis Oktober analysiert, zeigt eine Häufung der
Unterhalb eines Wertes von 50 % nFK muss bei              Dürremagnituden in den Jahren 2011–2020 (Hem-
den Pflanzen mit Wasserstress gerechnet werden.           holtz-Zentrum für Umweltforschung 2020).

Für Zuckerrüben auf schweren Böden, Messzeit-
                                                          Weiterhin arbeitet das Forschungsinstitut an Pro-
punkt September, und Wintergetreide auf leichten
                                                          gnosen über die zukünftige Entwicklung von Dür-
Böden, Messzeitpunkt Juli, wurde dieser Wert in der
                                                          ren und Hochwassern unter der Annahme einer
Messreihe seit den 80er Jahren unterschritten (UBA
                                                          globalen Erwärmung von 1,5 °C, 2 °C und 3 °C.
2017).
                                                          Als Referenzzeitraum wird die Periode 1971–2000
Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)           herangezogen. Hier liegt die durchschnittliche An-
beschäftigt sich unter anderem mit der Messung von        zahl der Dürremonate bei ungefähr zwei Monaten
Dürren und stellt die Daten im sogenannten Dürre-         pro Jahr. Im Szenario einer globalen Erwärmung
atlas als Karten zur Verfügung. Die Dürremagnitude        von 3 °C steigt der Wert bundesweit um über 50 %
berechnet sich aus der Länge einer Dürreperiode           (siehe Abb. 2).
sowie der absoluten Trockenheit im zeitlichen

Abbildung 2: Relative Änderung von Dürremonaten, Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung 2020

Die reduzierte Wasserverfügbarkeit im Boden               1,5 °C, 2 °C und 3 °C ist Bestandteil der Prognosen.
ist dabei saisonal unterschiedlich ausgeprägt,            So wird in den Sommermonaten (Mai bis Oktober)
wobei die stärksten Reduktionen im Sommer und             generell eine Zunahme der jährlichen Maxima er-
Herbst vorliegen. Besonders betroffen von der zu-         wartet (UFZ 2018).
nehmende Sommertrockenheit sind einjährige
Kulturpflanzen durch die Verkürzung der effektiven        Die Studie kommt insgesamt zu dem Ergebnis: „Auf die
Entwicklungsdauer. Bei der regionalen Verteilung          gesamte Bundesrepublik nimmt die Wasserverfügbarkeit
der Wasserverfügbarkeit zeigt sich, dass Standorte        innerhalb der Vegetationsperiode ab, so dass sich eine
mit sandigen Böden stärker von Trockenheit und            Notwendigkeit zur Anpassung in der Landwirtschaft
deren Änderung betroffen sein werden als Stand-           ergibt.“ (Vgl. UFZ 2018: 7) Nach Einschätzungen des
orte mit Böden, die Wasser gut speichern können.          Weltklimarates wird eine Erwärmung von +1,5 °C
Auch die relative Änderung von Hochwassern bei            bereits 2040 erreicht werden (IPCC 2021).
Fachbegriffe zum Wasserrückhalt

Grundwasser: unterirdisches Wasser, das die                 künstlicher Maßnahmen, wie Rückhaltebecken
Hohlräume der Lithosphäre zusammenhängend                   oder Polder (Wasserretention).
ausfüllt und dessen Bewegungsmöglichkeit aus-
                                                            Wasseraufnahme: erfolgt meist über Wurzeln
schließlich durch die Schwerkraft bestimmt wird.
                                                            bzw. Rhizoide (bei Moosen) im Bereich der Fein-
Infiltration: Anteil des Niederschlages, der in den         wurzeln, in der Wurzelhaarzone.
Boden eindringt und in Abhängigkeit von Nieder-
                                                            Wasserdurchlässigkeit, Wasserleitfähigkeit: Eigen-
schlagsintensität, Wassergehalt und Wasserdurch-
                                                            schaft eines porösen Mediums, z. B. eines Bodens,
lässigkeit des Bodens dem Gravitationspotenzial
                                                            in seinem Porenraum Wasser zu leiten (hydrauli-
folgend versickert.
                                                            sche Leitfähigkeit). Treibende Kraft der Wasser-
Infiltrationsrate: Menge, die je Zeiteinheit ver-           bewegung sind Potenzialgradienten. Je größer
sickert. Sie hängt neben der Wassermenge von                die Poren sind, desto schneller kann sich das
der Korn- und Porengröße ab, da das Wasser                  Wasser bewegen. Wenn alle Poren (Hohlräume)
sich in feineren Poren langsamer bewegt als in              mit Wasser gefüllt sind (Wassersättigung), spricht
gröberen. Eine Rolle spielt ferner die Wasserleit-          man von der gesättigten Wasserleitfähigkeit.
fähigkeit der Bodenoberfläche, die sich durch
                                                            Wassersättigung: beschreibt, in welchem Ausmaß
Verschlämmung (Verstopfen der Poren des Bo-
                                                            die Hohlräume des Untergrundes (Bodens) mit
dens durch eingewaschene Feinsubstanz) wäh-
                                                            Wasser gefüllt sind.
rend eines Infiltrationsvorgangs verringern kann.
                                                            Wasserspeicher, Wasserbehälter: Anlage zur Spei-
Retention: in der Hydrologie: Durchflussver-                cherung von Trink- oder Brauchwasser (Spektrum
zögerung aufgrund der Speicherwirkung natür-                Akademischer Verlag 2000, Spektrum Akademischer
licher Gegebenheiten (z. B. Flussaue) oder                  Verlag 2001).

Abbildung 3: Ackerboden mit geringer Wasserinfiltrationsrate, © Pixabay
Klimawandel, Wasserhaushalt und Landwirtschaft   12/13

1.2 Auswirkungen auf Boden und Landwirtschaft
Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz         Die Mechanismen sind aber nicht gleichzusetzen,
LABO nennt als Auswirkungen des Klimawandels            da Oberflächenabfluss z. B. auf Grünlandflächen
auf unsere Böden das Risiko ab­nehmender Humus­­-       auch ohne Sedimenttransport stattfinden kann. Der
gehalte und -vorräte, eine zu­nehmende potenziel-       mit der Erosion einhergehende Humusverlust führt
le Wasser- und Winderosionsgefährdung, ein zu-          neben einer Verschlechterung der Bodenqualität
nehmendes Risiko von Boden­      schad­
                                      verdichtungen     auch zu einer geringeren Wasserspeicherkapazität
sowie Veränderungen des Bodenwasserhaushaltes           des Bodens – Humus kann die 5-fache Menge sei-
(LABO 2010). Die Deutsche Anpassungsstrategie           nes Gewichtes an Wasser speichern. Dürren führen
an den Klimawandel schätzt den Wassermangel als         zu einer Abnahme der Wasservorräte im Oberboden
ausschlaggebenden ertragsmindernden Faktor für          und bei längerer Dauer (ab etwa vier Monaten) im
die Landwirtschaft ein (Die bundesregierung 2008).      Grundwasser. Trockene Böden sind zudem anfällig
Als Beispiel kann das Dürrejahr 2018 genannt            für Winderosion.
werden. Die Daten der deutschlandweiten Ernte-
                                                        Die Trockenheit der Böden schädigt die Pflanzen.
statistik zeigen hier starke Einbußen. Das Bundes-
                                                        Zunächst kommt es zur Stagnation des Pflanzen-
landwirtschaftsministerium stufte die anhaltende
                                                        wachstums. Die Poren verschließen sich, um
Trockenheit als „Ereignis von nationalem Ausmaß“
                                                        Verdunstung zu vermeiden. Es werden keine Nähr-
ein. So lagen die Hektarerträge bei Getreide (ohne
                                                        stoffe mehr über die Wurzeln aufgenommen. Bei
Körnermais) um 16 % unter dem dreijährigen Mit-
                                                        längerem Wasserstress sterben die Pflanzen schließ-
tel der Vorjahre (BMEL 2018).
                                                        lich ab. Der Klimawandel und seine Auswirkungen
Stark- und Dauerregen führen zu einem höheren           auf Wetter und Böden führt also letztlich zu einer
Oberflächenabfluss, die mit einer verstärkten Wasser-   Verminderung der Erträge in der Landwirtschaft
erosion einhergehen. Der Prozess der Erosion ist        (Bundesinformationszentrum Landwirtschaft 2020).
dabei eng mit dem Oberflächenabfluss verbunden.

1.3 Anpassungsstrategien und Risikomanagement
Im Dürrejahr 2018 betrug der finanzielle Schaden        ge­schaffen werden sollen. „Bund und Länder be-
rund 770 Millionen Euro. Bund und Länder stell-         fürworten bislang vorrangig Maßnahmen, die
ten daraufhin Hilfsprogramme zur Unterstützung          die Eigenverantwortung der landwirtschaftlichen
existenzgefährdeter Betriebe in Höhe von 340 Mil-       Unternehmer zur Risikovorsorge stärken und die
lionen Euro bereit. Dabei konnten jedoch nur Be-        Rahmenbedingungen für eine strukturelle und or-
triebe Unterstützung bekommen, bei denen der            ganisatorische Stärkung des Sektors verbessern.“
Ernterückgang >30 % im Vergleich zum Vorjahr            (Vgl. BMEL 2020).
betrug (BMEL 2000). Angesichts dieser Größen-
ordnung stellt sich die Frage, wie sich landwirt-       Auch private Versicherungen, wie sie z. B. für Hagel
schaftliche Betriebe gegen Extremwetterereignisse       oder Hochwasser ein sinnvolles Instrument sein
und insbesondere die zunehmende Trockenheit ab-         können, sind im Bereich von Dürren kaum praktika-
sichern können.                                         bel. Im Fall von Trockenheit sind die Versicherungen
                                                        im Vergleich zu anderen Extremwetterereignissen
Zwischen Bund und Ländern besteht die im Jahr
                                                        sehr teuer, da im Schadensfall ganze Landstriche
2012 getroffene Vereinbarung, wonach Land-
                                                        betroffen sind.
wirt*innen zuvorderst selbst geeignete Wege fin-
den müssen, um mit extremen Wetterereignissen           Diskutiert wird im Zusammenhang mit Trockenheit
umzugehen, und hierfür Rahmenbedingungen                auch immer der Ausbau von Bewässerungsanlagen,
z. B. in der Deutschen Anpassungsstrategie an der    Waldlandschaften festgelegt. Eine wichtige Maß-
Klimawandel (DAS) oder der Deutschen Ackerbau-       nahme ist darüber hinaus der Wissenstransfer und
strategie 2035. Bewässerung ist aber kostspielig     die Förderung von angepassten Formen der Land-
sowie zeitaufwendig und lohnt sich deshalb auch      bewirtschaftung, Tierhaltung, Tierernährung und
aus ökonomischen Gründen nicht für alle Kulturen,    Tiergesundheit (UBA 2021). Die Deutsche Acker-
wie beispielsweise Getreide. Bei Kreisregnern ver-   baustrategie will die regionale Betroffenheit eva-
dunsten 50 % des Wassers bereits, bevor es den       luieren und darauf basierend Empfehlungen für
Boden erreicht. Tröpfchenbewässerung ist zwar        einen an den Klimawandel angepassten Ackerbau
im Wasserverbrauch effizienter, allerdings ist es    ableiten. Dabei sollen die Aspekte Kulturarten, Sor-
notwendig, die Schläuche jedes Jahr neu auf den      ten und Fruchtfolgen, Bewirtschaftungsmethoden,
Feldern auszubringen, sie regelmäßig auf undichte    Bodenbearbeitung oder Erosionsschutz einbezogen
Stellen hin zu überprüfen und das Material ge-       werden (BMEL 2021).
gebenenfalls zu erneuern (Rademaker 2020).
                                                     Das europäische LIFE Projekt „AgriAdapt“ zur
                                                     nachhaltigen Anpassung der Landwirtschaft an
Zudem wird in der Deutschen Ackerbaustrategie
                                                     den Klimawandel (2016–2020) sieht notwendige
ein grundlegendes Problem von Bewässerungs-
                                                     Anpassungsmaßnahmen in vier Bereichen vor:
anlagen festgehalten: „Der Ausbau von Bereg-
                                                     (1) Diversifizierung zur Risikominimierung, d. h.
nungs-/Bewässerungskapazitäten kann durch das
                                                     z. B. für Ackerbau weite Fruchtfolgen, Gemenge-
regional verfügbare Wasserangebot begrenzt sein.“
                                                     anbau, Anbau verschiedener Sorten, (2) Boden-
(Vgl. BMEL 2021: 38). So kommt es bereits jetzt
                                                     schutz und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit,
in einigen Regionen in den Sommermonaten zu
                                                     gesunde Struktur und vielseitiges Bodenleben, (3)
Wasserknappheit.
                                                     Extensivierung und (4) Tierwohl, wie kühlere Ställe
Eine einfache Lösung zur Risikoabsicherung der       (AgriAdapt 2020).
Landwirtschaft gegen den Klimawandel und ins-
                                                     Weiterhin hat das Bundesumweltministerium am
besondere die Problematik der Trockenheit gibt
                                                     8. Juni 2021 beim 3. Nationalen Wasserforum
es nicht. Die einzelnen Bundesländer verfolgen
                                                     den Entwurf der Nationalen Wasserstrategie vor-
derzeit unterschiedliche Strategien beim Risiko-
                                                     gestellt, der in den nächsten Jahren weiter ab-
management. Die Strategien umfassen Ad-hoc
                                                     gestimmt werden soll. Einer der vier Schwerpunkte
Hilfen, individuelle Beratung landwirtschaftlicher
                                                     behandelt das Themenfeld „Wasserknappheit vor-
Betriebe, spezifische Investitionsprogramme, die
                                                     beugen, Nutzungskonflikte vermeiden.“ Hier wird
Förderung von Diversifizierung sowie Forschungs-
                                                     als Ziel für 2050 definiert: „(…) Der Wasserhaushalt
projekte zur Optimierung des landwirtschaftlichen
                                                     ist gegen Klimaextreme gewappnet. Landschaft
Umgangs mit Extremwetterereignissen (Hartung
                                                     und Böden fungieren dabei als natürliche Wasser-
2020).
                                                     speicher. Uferbereiche von Seen und Flüssen sowie
Die Landwirtschaft wird sich in der Produktion an    Auen, Altarme und Senken sind naturnah gestaltet
die veränderten Bedingungen anpassen müssen.         und dienen wieder als natürliche Rückhalteräume
                                                     und Puffer bei Hochwasser und Speicher für nieder-
So sieht z. B. die Deutsche Anpassungsstrategie
                                                     schlagsarme Phasen. Moore sind renaturiert. Für
an den Klimawandel für den Bereich Landwirt-
                                                     ausreichende Grundwasserneubildung ist gesorgt
schaft unter anderem vor, zukünftig angepasste
                                                     …“ (BMU 2021).
Pflanzensorten zu entwickeln und Verfahren zur
Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und der          Dieser Ansatz der Nationalen Wasserstrategie
Bodenstruktur im Rahmen von Agrarumweltmaß-          wird auch in dieser Publikation verfolgt. Im nach-
nahmen zu fördern. Zudem sind in der Gemein-         folgenden wird gezeigt, wie Akteure aus Land-
schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur       wirtschaft, Naturschutz und Verwaltung durch
und des Küstenschutzes (GAK)“ die Förderung          entsprechende Nutzung und Bewirtschaftungsmaß-
von Infrastruktur zur Bewässerung sowie des          nahmen die Wasserverfügbarkeit in der Agrarland-
Wasserrückhalts in dürregefährdeten Agrar- und       schaft erhöhen können.

                                                     Abbildung 4: Traktor auf ausgetrocknetem Boden, © Her-
                                                     mann Kollinger, Pixabay
Klimawandel, Wasserhaushalt und Landwirtschaft   14/15

                                                         © Hermann Kollinger/Pixabay
© Peter Roggenthin
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2. Maßnahmen zur Verbesserung des
   Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft
Die Wasserinfiltrationsrate in Böden hängt von                 Agrarlandschaft mit vielen Landschaftselementen,
verschiedenen Faktoren ab, die in diesem Kapitel               kurzen Hanglängen und einem hohen Boden-
beschrieben werden. Im Anschluss werden Maß-                   bedeckungsgrad zu schaffen. Denn dann verlaufen
nahmen zur Verbesserung der Wasserinfiltration,                bei Niederschlägen und Schneeschmelze die Ober-
unterschieden nach drei Bereichen vorgestellt:                 flächenabflüsse weniger in lineare Formen, bei
Produktionsintegrierte Maßnahmen sowie Maß-                    denen sich Abflüsse konzentrieren. Stattdessen
nahmen in der Flur und Maßnahmen an Gewässern.                 bilden sich dezentrale Abflüsse. Dies bewirkt gerin-
                                                               gere Fließgeschwindigkeiten, höhere Versickerung
Das übergeordnete Ziel bei der Verbesserung der                und eine verminderte erosive Wirkung.
Wasserinfiltration ist es, eine kleinstrukturierte

2.1 Einflussfaktoren auf die Wasserinfiltration
Die Wasserdurchlässigkeit des Bodens wird einer-               andererseits von der Nutzung und Bewirtschaftung
seits von den regional vorherrschenden Boden-                  der Böden. Das Umweltbundesamt hat in einer Stu-
eigenschaften wie Bodenart, Humusgehalt,                       die die steuerbaren Einflussgrößen durch Nutzung
Lagerungsdichte,    Porengrößenverteilung    und               und Bewirtschaftung auf die Stärke des Einflusses
hydraulische   Wasserleitfähigkeit    beeinflusst,             hin untersucht (UBA 2020):

                                         Nutzung: Wald > Grünland > Acker

                                Oberflächenverschlämmung und Bodenbedeckung

                                                      Makroporen

                                                   Bodenbearbeitung

                                                   Bodenverdichtung

                                                     Anbauverfahren

                                            Humusgehalt und Hydrophobie

 Abbildung 5: Einflussfaktoren auf die Wasserinfiltration, nach Stärke des Einflusses absteigend sortiert, Quelle: UBA 2020,
 eigene Darstellung
Die Nutzung stellt die wichtigste Einflussgröße auf                                     1100 mm und bei Ackerland durchschnittlich ca.
die Wasserinfiltration dar, wobei die Kapazität zur                                     800 mm in der Stunde (Abu-Hashim 2011). Die nach-
Wasserinfiltration von Wald/Gehölzen über Grün-                                         folgende Tabelle zeigt maximale Abflussbeiwerte
land zur Ackernutzung abnimmt. So betrug die                                            für vier unterschiedliche hydrologische Boden-
Wasserinfiltration in einer Messreihe von Abu-Ha­                                       gruppen und Landnutzungstypen.
shim 2011 bei Wald etwa 1500 mm, bei Grünland

                                                              Acker                                          Grün-                        Sonstige          Wald
                                                                                                             land
    Hydrologische                  Durchlässigkeit/           Reihen-          Getreide Kleegras, Weide-                    Dauer-        Haine,            Wald
    Bodengruppe                    Abfluss                    kulturen,                       Luzerne, land                 wiese         Obst-
                                                              Sonder-                         etc.                                        anlagen,
                                                              kulturen1                                                                   u. Ä.
    Schotter, Kies, Sand           sehr durchlässig,              0,62            0,54           0,51           0,34          0,10            0,17             0,17
                                   kleinster Abfluss
    Feinsand, Löss, leicht         durchlässig, mä-               0,75            0,70           0,68           0,60          0,46            0,48             0,48
    tonige Sande                   ßiger Abfluss
    lehmiger Sand,                 mäßig                          0,84            0,80           0,79           0,74          0,63            0,66             0,62
    sandiger Lehm,                 durchlässig,
    tonig-lehmiger Sand            mittlerer Abfluss
    Tone, Lehm, dichter            relativ un-                    0,88            0,85           0,84           0,80          0,72            0,77             0,70
    Fels, stauender                durchlässig,
    Untergrund                     großer Abfluss

Tabelle 1: Maximale Abflussbeiwerte für unterschiedliche hydrologische Bodengruppen und Landnutzungstypen, Quelle: Au-
erswald & Seibert 2020

An zweiter Stelle der Einflussgrößen auf die In-                                        Bodenbedeckung. Ab Bedeckungsgraden von etwa
filtrationsrate stehen die Faktoren Oberflächen-                                        30 % kommt es zu wesentlichen Verbesserungen
verschlämmung und Bodenbedeckung. Dabei                                                 der Infiltration. Ziel ist es deshalb, möglichst eine
weisen verschlämmte Böden eine deutlich ver-                                            ganzjährige Bodenbedeckung zu erreichen.
ringerte Wasserinfiltration auf. Verschlämmung ent-
                                                                                        Die drittstärkste Einflussgröße sind Makroporen.
steht durch die sogenannte Planschwirkung beim
                                                                                        Diese haben bei Porenkontinuität und Durch-
Aufprall von Regentropfen auf unbedeckte Boden-
                                                                                        gängigkeit bis zur Bodenoberfläche einen positiven
oberflächen. Dabei wirken drei Mechanismen: (1)
                                                                                        Einfluss auf die Wasserinfiltration. Dies gilt aber
direkte Verdichtung der Bodenoberfläche durch
                                                                                        nur für Starkregenereignisse, während die Wirkung
den Aufprall von Regentropfen, (2) Verstopfung
                                                                                        bei Dauerregen vernachlässigbar ist, da hier das
von Poren durch Einlagerung von abgesprengten
                                                                                        Sättigungsdefizit des Bodens maßgeblich ist. Die
Bodenpartikeln und (3) schichtweise Ablagerung
                                                                                        Bildung und der Erhalt von Makroporen können in
abgesprengter Bodenpartikel, besonders von Ton.
                                                                                        der Landwirtschaft durch konservierende Boden-
Als Ergebnis entsteht eine Schicht von wenigen
                                                                                        bearbeitung, ökologischen Landbau sowie organi-
Millimetern an der Bodenoberfläche, deren Struktur,
                                                                                        sche Substanzen an der Bodenoberfläche gefördert
Rauigkeit und Dichte sich von der des anstehenden
                                                                                        werden.
Bodens unterscheidet. Einfluss auf die Oberflächen-
verschlämmung hat neben den Faktoren Bodenart,                                          An vierter Stelle spielt die Bodenbearbeitung
Humusgehalt und mikrobielle Aktivität vor allem die                                     eine Rolle für die Wasserinfiltration. Dabei kann

1    Sonderkulturen, wie z. B. Spargel, Hopfen, Gemüse oder Wein werden dabei behandelt wie Reihenkulturen, z. B. Kartoffeln, Mais, Zuckerrübe und Sonnenblumen.
Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft    18/19

der Verzicht, bzw. die Minimierung von wenden-             Boden. Diese ist stark vom Humusgehalt sowie
der Bodenbearbeitung über einen mehrjährigen               dem Ausgangswassergehalt abhängig. Auf hydro-
Zeitraum die Wasserinfiltrationskapazität erhöhen.         phoben Böden verläuft die Infiltration nicht
Grund hierfür ist eine höhere Anzahl und Kontinui-         gleichmäßig, wie bei hydrophilen (Altgriechisch:
tät der Makroporen sowie der Erhalt der organi-            „Wasserliebend“) Böden, sondern ungleichmäßig
schen Substanz im Oberboden.                               über präferenzielle Fließwege. Diese werden über
                                                           Makroporen, Spalten und bevorzugte Fließwege
An fünfter Stelle der Einflussfaktoren auf die
                                                           geprägt. Generell führen hydrophobe Böden zu
Wasserinfiltration steht die Bodenverdichtung.
                                                           einem höheren Oberflächenabfluss und geringerer
Dabei haben dichtere Böden eine geringere Wasser-
                                                           Infiltrationsleistung als hydrophile. Versuche zeigen
infiltration in den Oberboden. Die Ursache hier-
                                                           außerdem, dass die hydrophoben Eigenschaften
für liegt im niedrigeren Porenvolumen und somit
                                                           von Böden bei warmen Temperaturen und gerin-
einem geringeren Wasserspeichervermögen. Mit
                                                           ger Bodenfeuchte verstärkt werden. In der Praxis
der Verdichtung verschlechtern sich außerdem die
                                                           bedeutet dies, dass bei Starkregen nach längerer
Bedingungen für Pflanzen wegen einer geringe-
                                                           Trockenheit die Wasserinfiltration bei humusarmen
ren Wasser- und Sauerstoffversorgung und einem
                                                           Böden vermindert wird. Ein höherer Humusgehalt
erschwerten Wurzelwachstum. Der Grund für die
                                                           bewirkt hingegen eine stärkere Wasserinfiltration
Bodenverdichtung liegt bei landwirtschaftlichen
                                                           und damit geringeren Oberflächenabfluss. Humus
Flächen im Befahren mit schweren Maschinen.
                                                           kann das Fünffache seines Gewichts an Wasser
Auch die Anbauverfahren landwirtschaftlicher               speichern. Weitere positive Effekte sind die Er-
Betriebe haben einen Einfluss auf die Wasser-              höhung der Bodenfruchtbarkeit und die Funktion
infiltration. Bestimmte Maßnahmen, die im öko-             als CO2-Speicher (UBA 2020).
logischen Landbau häufig praktiziert werden,
                                                           Basierend auf den beschriebenen Einflussfaktoren
erhöhen die Infiltrationsleistung des Bodens, wie
                                                           werden im Folgenden Maßnahmen zur Ver-
z. B. vielfältige Fruchtfolgen, wiederkehrende
                                                           besserung des natürlichen Wasserrückhaltes in der
Boden­ruhe, Unter­­saat oder Zwischenfruchtanbau.
                                                           Agrarlandschaft vorgestellt. Die Maßnahmen sind
Als letzte Einflussgrößen stehen Humusgehalt               dabei nicht nach der Stärke ihrer Wirkung sortiert,
und Hydrophobie von Böden. Humus bezeichnet                da diese im Einzelfall unterschiedlich ist. Weiterhin
die organische Substanz im Boden. Hydrophobie              handelt es sich lediglich um eine Auswahl an mög-
(Altgriechisch: „Wasserfurcht“) bezeichnet die Be-         lichen Maßnahmen.
netzungshemmung der organischen Substanz im

Abbildung 6: Humus erhöht neben der Fruchtbarkeit auch die Wasserrückhaltekapazität von Böden, © Markus Baumeler/
Pixabay
2.2 Maßnahmen in der Flur

Die höchsten Effekte für den Wasserrückhalt kön-        Maßnahmen sind regional unterschiedlich. Gute
nen erzielt werden, wenn Maßnahmen nicht nur            Planungen berücksichtigen dabei Bodentypen, Ab-
auf einzelnen Betrieben umgesetzt werden, son-          fluss und Landnutzungstypen. Eine erosionsschutz-
dern auf Flurebene. Dabei lassen sich viele kleine,     orientierte Flureinteilung zielt darauf ab, Hanglängen
dezentrale, aber strategisch platzierte Maßnahmen       zu verkürzen, den Bodenbedeckungsgrad auf Steil-
einfacher umsetzen als wenige große. Zudem              lagen und an Abflussrinnen zu erhöhen sowie Puffer-
gliedern sie sich besser in das Landschaftsbild         systeme zu Gewässern zu schaffen (DWA 2015).
ein. Umsetzbarkeit und Nutzen der beschriebenen

Erosionsschutzorientierte Flureinteilung durch Keyline Design
Keyline Design oder Schlüssellinienkultur bezeichnet    profitieren dabei besonders von der Verbesserung
die Bepflanzung einer Fläche bzw. Landschaft in         des Wasserhaushalts. Im Grünland entstehen bei
einer an das Gelände angepassten Linienführung.         der Pflanzung von Gehölzen naturnahe Nutzland-
Die Gestaltungsmethode zielt in erster Linie auf die    schaften, die der traditionellen halboffenen Wald-
Optimierung des Wasserrückhaltes und eine besse-        Weidelandschaft ökologisch nahekommen und
re Verteilung und Speicherung von Niederschlags-        gleichzeitig gut zu bearbeiten sind.
wasser ab. Damit bewirkt sie gleichzeitig auch
                                                        Bei einer großflächigen Anwendung können mit der
positive Effekte für Wind- und Erosionsschutz sowie
                                                        Schlüssellinienkultur ganze Landschaften abgekühlt
Humusaufbau.
                                                        und die Regenwahrscheinlichkeit erhöht werden.
Im ersten Schritt wird die Landschaft auf ihre Geo-     Hintergrund hierfür ist die Zunahme des latenten
morphologie hin untersucht, um die Wasserabfluss-       Wärmeflusses, der zu einer Verstärkung von Turbu-
linien bei Niederschlägen zu bestimmen. Als Grundlage   lenz führt. Dadurch wird mehr Wasserdampf an die
wird ein digitales Geländemodell (DGH) verwendet.       Atmosphäre abgegeben. Als Konsequenz erhöht
Auch Daten aus terrestrischen Vermessungen und          sich die Regenwahrscheinlichkeit und die Land-
Fernerkundungsdaten, beispielsweise von Drohnen,        schaft wird insgesamt abgekühlt (Gerhard 2020).
können genutzt werden. Die Planung erfolgt in
einem Geoinformationssystem (z. B. ArcGIS, QGIS).       Auf Flurebene können hier also große Effekte für
                                                        den Wasserrückhalt- und Wasserhaushalt insgesamt
Darauf basierend werden dann Bearbeitungs- und
                                                        erzielt werden. In der Praxis sind großflächige Pla-
Pflanzmuster, die „Schlüssellinien“ oder „Keylines“
                                                        nungen aufgrund unterschiedlicher Eigentumsver-
so erstellt, dass Oberflächen- und Bodenwasser
                                                        hältnisse und Nutzungen sehr komplex. Besondere
entlang der Geländekontur geleitet werden. Ziel ist
                                                        Chancen bieten hier Flurbereinigungs- bzw. Neu-
eine Verkürzung von Hanglängen. Dadurch kann
                                                        ordnungsverfahren. Auch die Deutsche Ackerbau-
das Wasser besser infiltrieren und auch an trockene
                                                        strategie sieht vor, dass Flurbereinigungsverfahren
Stellen geleitet werden. Bei der Erstellung der Be-
                                                        zukünftig stärker auf Bodenschutz und Erosions-
arbeitungs- und Pflanzmuster werden die Aspekte
                                                        schutz ausrichtet werden sollten (BMEL 2021). Im
Bodenart, Bodentyp, die Vegetation und sowie die
                                                        Bundesland Bayern gibt es hierfür bei den Ämtern
Bearbeitungspraxis berücksichtigt.
                                                        für Ländliche Entwicklung bereits eine etablierte Ini-
Wenn auf den modellierten Abflusslinien Vegeta-         tiative über die Projekte zum Boden- und Gewässer-
tion – im Idealfall Gehölz – gepflanzt wird, kann die   schutz auf Flurebene umgesetzt werden können
Abflussgeschwindigkeit zusätzlich verringert und        (siehe Beispiel „boden:ständig“, S. 21). Das Prin-
die Wasserinfiltration erhöht werden. Die Anlage        zip des Keyline Designs kann aber auch auf einzel-
von Schlüssellinienkulturen ist sowohl auf Grünland     nen Betrieben oder Feldstücken mit nachweisbarem
als auch auf Ackerland möglich (siehe Agroforst-/       Erfolg realisiert werden, vor allem in Verbindung mit
Baumfeldwirtschaft, S. 27). Kulturen im Ackerbau        Agroforst-/Baumfeldwirtschaft.
Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft   20/21

Die Initiative „boden:ständig“ ermöglicht koordinierte
Maßnahmen für Boden- und Gewässerschutz auf Flurebene

„Das Machbare jetzt tun!“ So lautet das Motto        Die praktische Umsetzung erfolgt in lokalen
von „boden:ständig“. Derzeit werden bayernweit       Projekten, deren räumliche Abgrenzung nach
rund 100 Projekte im Bereich Boden- und Ge-          Einzugsgebieten erfolgt, auch über mehrere Ge-
wässerschutz über die „Initiative boden:ständig“     meinden hinweg. Fachliches Ziel aller Projekte ist
der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Ent-        es die Flur wieder rückhaltefähiger zu machen,
wicklung koordiniert und betreut. Das erfolgreiche   Nährstoff- und Erosionsausträge zu reduzieren
Modellprojekt „Rottauensee in Niederbayern“          und auch Wasser für Trockenzeiten verfügbar
(2009–2014) wurde mit dem Umweltpreis der            zu halten. „Hierfür ist das Handeln auf drei ver-
Bayerischen Landesstiftung ausgezeichnet. Es         schieben Ebenen notwendig. Erstens die Feld-
folgte eine zweite Phase mit Pilotprojekten in       stückebene, in der Landwirtinnen und Landwirte
ganz Bayern, bei denen neben Landwirt*innen,         aktiv sind. Zweitens Maßnahmen in der Flur-
Gemeinden und staatlichen Fachverwaltungen,          struktur in Zusammenarbeit von Landwirt*innen
wie den Ämtern für Ländliche Entwicklung, den        und Kommunen, und drittens Maßnahmen der
Landwirtschaftsämtern und den Wasserwirt-            Kommunen an Fließgewässern. Dreh- und Angel-
schaftsämtern auch bayerische Landschafts-           punkt der Projekte sind die Maßnahmen auf Flur-
pflegeverbände beteiligt waren. Seit 2017 ist das    ebene“, erklärt Norbert Bäuml.
Erfolgskonzept „boden:ständig“ festes Angebot
                                                     Für die Finanzierung der Maßnahmen selbst wird
der Ämter für Ländliche Entwicklung (ALE) und
                                                     auf bestehende Förderprogramme des Landes
wird weiter ausgebaut. Wie funktioniert die
                                                     Bayern im Bereich der Ländlichen Entwicklung
Initiative?
                                                     sowie der Landwirtschaftsförderung zurück-
„Wichtige Grundvoraussetzung ist der Hand-           gegriffen. Bei Flurneuordnungsverfahren kön-
lungswille der Betroffenen vor Ort. Die Men-         nen bis zu 80 % der Kosten für Maßnahmen
schen müssen das Problem sehen und es selbst         kofinanziert werden. Über das Förderprogramm
lösen wollen. „boden:ständig“ wird nicht von         „FlurNatur“ können Struktur- und Landschafts-
oben angeordnet, sondern entsteht aus den Ak-        elemente auch ohne Flurneuordnungsverfahren
teuren heraus und wird von ihnen getragen“, so       angelegt werden. Maßnahmen auf den landwirt-
Norbert Bäuml, Entwickler und Koordinator der        schaftlichen Flächen werden vor allem über das
Initiative.                                          „Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)“, in we-
                                                     nigen Fällen auch über das bayerische Vertrags-
An jedem der sieben Ämter für Ländliche Ent-
                                                     naturschutzprogramm (VNP) abgedeckt (Bäuml
wicklung in den Regierungsbezirken Bayerns
                                                     2020, Bäuml 2021a).
gibt es eine Ansprechperson für Interessierte, um
boden:ständig-Projekte aufzusetzen und zu steu-
ern. Für die Umsetzungsarbeit vor Ort finanziert     Lässt sich das Erfolgskonzept boden:ständig
das Amt für jedes Projekt ein Umsetzungsteam,        auf andere Bundesländer übertragen?
bestehend aus Fachplanung und Coach. Die Coa-
ches begleiten die Akteure vor Ort und müssen        „Die Struktur der Ländlichen Entwicklung in Bay-
daher sowohl fachliches Know-how als auch sozia-     ern ist mit anderen Bundesländern nicht unmittel-
le Kompetenzen haben. Eine ihrer Hauptaufgaben       bar vergleichbar, aber motivierte Personen gibt
besteht darin, mit Eigentümer*innen und Land-        es überall! In Bayern kam die Initiative nicht von
wirt*innen Kontakt aufzunehmen und zusammen          oben, sondern ist durch engagierte Menschen
mit ihnen machbare Lösungen zu entwickeln. Hier-     vor Ort entstanden,“ berichtet Norbert Bäuml.
für schätzt Norbert Bäuml die Zusammenarbeit mit     „Die Verwaltung für Ländliche Entwicklung
Landschaftspflegeverbänden (LPV).                    hat dies aufgegriffen und entsprechend die
Rahmenbedingungen für eigenverantwortliches           gehört zu den ersten LPV, die bei boden:ständig
  Tun geschaffen.“                                      Projekten aktiv waren. Zuerst 2014 bei Eggelham,
                                                        später am Eisbach, Dirnaich, Mitterskirchen und
  Und was sagen die umsetzenden Land­schafts-
                                                        Immelsham.
  ­pflegeverbände?
                                                        Weiterführende Informationen und Inspiration
  „boden:ständig ist ein Instrument für enga-
                                                        unter: www.boden-staendig.eu/
  gierte Leute vor Ort, die nach passenden UND
  realisierbaren Lösungen suchen, dass örtlich          Hinweis: Auf der Homepage von boden:ständig
  UND zeitlich flexibel bleiben muss, ausreichend       finden sich neben einer Projektübersicht auch
  gut ausgebildete Berater und Mitarbeiter VOR          nützliche Arbeits- und Umsetzungshilfen für die
  ORT benötigt und auf gute Förderinstrumente           Praxis, die im Rahmen beispielhafter boden:stän-
  und praktikable Verfahren angewiesen ist.“ So         dig-Projekte entwickelt wurden.
  das Fazit von Rainer Blaschke, Geschäftsführer
  des LPV Rottal-Inn und boden:ständig-Coach. Er

Landschaftselemente und Uferrandstreifen anlegen und entwickeln
Landschaftselemente wie Hecken, Feldraine und           Der Effekt auf den Wasserrückhalt von Land-
Feldgehölze sowie Uferrandstreifen bewirken eine        schaftselementen liegt zwischen 10 bis 100 % des
höhere Rauheit der Bodenoberfläche. Durch die           Oberflächenabflusses, abhängig von Breite, Tiefe
Stilllegung können sich zudem Bodenleben und            der Wurzeln, Geländegefälle, Gefüge und Wasser-
Bodengefüge (Anzahl, Tiefe und Durchgängigkeit          sättigung des Bodens. Als Richtwert für die Breite
der Poren) weiterentwickeln. Als Resultat werden        von Pufferstreifen kann ein Durchschnittswert von
Abflussgeschwindigkeiten verlangsamt und die In-        10 m veranschlagt werden.
filtrationsrate erhöht.
                                                        Neben dem Effekt für den Wasserrückhalt erhöhen
Entlang von Gewässern wirken Saumstreifen               Landschaftselemente die Biodiversität, indem wert-
(2–5 m), Uferstreifen (> 5–20 m) und standort-          volle Lebensräume und Futter für Vögel und Insek-
gerechter Wald oder Sukzessionsflächen (> 20 m)         ten geschaffen werden. Uferrandstreifen sind mit
als Filter und Puffer zu landwirtschaftlich genutzten   ihrem bandförmigen Verlauf wichtiger Bestandteil
Flächen und verhindern Stoffeinträge.                   der Biotopvernetzung (DWA 2015).

Drainagen umbauen
Bei Drainagen handelt es sich um Kunststoff-            die Rohre („Sauger“) winklig wie Fischgräten auf
schläuche oder Tonrohre, die in einer Tiefe von         ein Hauptrohr („Sammler“) zugeleitet, welches
ca. 60 bis 80 cm und regelmäßigen Abständen in          dann in ein angrenzendes Fließgewässer mündet.
Böden unter landwirtschaftlich genutzten Flächen        Der Drainagebau begann in den 1930er Jahren mit
verlegt sind, um überschüssiges Wasser im Winter        dem Trockenlegen von Auen und wurde bis in die
oder nach Starkregen schnell abzuführen, damit die      1970er Jahre fast auf allen landwirtschaftlichen
Flächen landwirtschaftlich genutzt werden können.       Nutzflächen Deutschlands durchgeführt (LEV Ost-
Durch einfaches Aneinanderstoßen der Rohre exis-        albkreis 2014).

tieren Spalte, in die das Bodenwasser eindringen
kann. Durch die Rohre, die mit leichtem Gefälle         „Heute können wir behaupten, dass, abgesehen von
verlegt wurden, fließt das Wasser dann auf das          einigen Bereichen mit von Natur aus sehr wasser-
nächste Gewässer zu. Bei größeren Flächen wurden        durchlässigen Böden, fast das gesamte Offenland in
Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Agrarlandschaft   22/23

der Bundesrepublik mit deutscher Gründlichkeit flä-    Infokasten „Wasserstand von Mooren erhöhen“
chig trockengelegt ist.“ (Vgl. LEV Ostalbkreis 2014)   auf S. 25).

Aufgrund verstärkter Trockenheit ist die Wirkung       Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft,
der Drainagen zunehmend kontraproduktiv und es         Abwasser und Abfall (DWA 2015) empfiehlt fol-
bestehen Ansätze, diese Drainagen zu entfernen         genden Aspekte bei der Maßnahmenplanung zum
oder umzubauen. Umbau und Entfernung von               Drainagenumbau zu berücksichtigen:
Drainagen stellen die Akteure vor viele Heraus-
                                                       – Wie lang ist der funktionale Abstand der Ent-
forderungen, da Drainagepläne oftmals ungenau
                                                         wässerungsanlage zum Vorfluter? Wie lang be-
sind oder gar nicht existieren.
                                                         nötigt der Drainageabfluss bis zum Eintritt in den
Die Wirkung von Drainagen ist zudem von mehre-           Vorfluter?
ren Faktoren abhängig, die bei der Planung berück-
                                                       – Wie hoch sind die maximalen Abflüsse bei ver-
sichtigt werden müssen. Wichtige Faktoren sind
                                                         schiedenen Niederschlagsereignissen und bei
die Struktur des Einzugsgebietes, die geohydro-
                                                         Schneeschmelze?
logischen Standorteigenschaften des Geländes, die
aktuelle Flächennutzung, die Bodeneigenschaften        – In welcher Reihenfolge treten Zuflüsse in den
und die Intensität von Niederschlagsereignissen und      Vorfluter ein, und wie stark sind die einzelnen
Schneeschmelze. Auch Art, Lage, Flächenumfang            Zuflüsse?
und Alter der Entwässerungsanlage spielen eine
                                                       – Wie sind die geohydrologischen Standorteigen-
Rolle.
                                                         schaften der Entwässerungsanlagen? Handelt es
Je nach Zielsetzung und Ausgangssituation gibt           sich z. B. um ebene oder hängige Lagen?
es unterschiedliche Möglichkeiten. Möglich sind
                                                       – Welche quantitativen Effekte können mit den
der kontrollierte Verzicht auf Instandhaltungsmaß-
                                                         Maßnahmen erzielt werden?
nahmen oder das aktive Stilllegen und Entfernen
von Drainagen. Sie können aber auch eingesetzt         – Wie ändern sich die Nutzungsmöglichkeiten der
werden, um Wasser gezielt umzuleiten oder                angrenzenden Flächen?
zurückzuhalten. Aus Klimaschutzsicht ist die Wie-
                                                       – Erfüllen die Maßnahmen im Ereignisfall ihren
dervernässung von organischen Böden zur CO2-
                                                         Zweck?
Speicherung von besonderer Bedeutung (siehe

  Praxisbeispiel: (Augen-)Weide für Heckrinder und Wanderer –
  Entrohrung und Renaturierung der Auen im Naturpark Aukrug

  Der 380 km² große Naturpark Aukrug liegt in-         naturnahen Bäche begradigt bzw. verrohrt, um
  mitten von Schleswig-Holstein und zeichnet sich      die Entwässerung der drainierten Agrarflächen
  durch eine Landschaft mit sanften Hügeln, weiten     zu gewährleisten, indem sie das Wasser mög-
  Talräumen, naturnahen Wäldern mit typischen          lichst schnell in die größeren Auen abführen.
  Quellen und Fließgewässern aus. Seinen Namen         Als Ergebnis ist der 1974 gegründete Naturpark
  hat der Naturpark von den zahlreichen Auen: Das      Aukrug von zahlreichen verrohrten Vorflutern
  Wort „Krug“ bedeutet, dass die Bäche in natür-       durchzogen.
  lichen Windungen verlaufen (Naturpark Aukrug
                                                       Hier setzt der Naturschutzring Aukrug e. V. mit
  e. V. 2021).
                                                       seiner Arbeit an: Die Lokale Aktion (Landschafts-
  Im Zuge von Flurbereinigungen in den 1960er          pflegeorganisation) ist unter anderem im Bereich
  und 1970er Jahren wurden allerdings viele dieser     der Entrohrung von Drainage-Vorflutern und
Quellbächen im Naturpark tätig. Aufgrund der         Neben den Vorflutern haben der Naturschutzring
engen Einbindung von Landwirt*innen, Kommu-          Aukrug und die Schrobach-Stiftung im Naturpark
nen und anderen Interessengruppen durch den          Aukrug in den letzten Jahren auch mehrere Quell-
Naturschutzring ist die Akzeptanz für diese weit-    bäche in der Agrarlandschaft entrohrt. Diese ver-
gehenden Naturschutzmaßnahmen durchweg               liefen zuvor lediglich in den Quellbereichen noch
hoch.                                                naturnah. „So konnte die Durchgängigkeit für
                                                     alle Lebewesen aus der größeren Au, hier Bünzau
Die Zusammenarbeit erfolgt mit den jeweiligen
                                                     und Stör, bis in die Quellbereiche erreicht wer-
Wasser- und Bodenverbänden und der privaten
                                                     den“, erklärt Niklas Zander.
„Kurt und Erika Schrobach-Stiftung“, die eine
treibende Kraft bei der Gründung des Vereins         Die Besonderheit gegenüber den Renaturierungen,
2001 war und mittlerweile Eigentümerin von           die mit dem Ziel der Erfüllung der Wasserrahmen-
1000 ha Fläche im Naturpark ist. Auf Flächen         richtlinie in Schleswig-Holstein durchgeführt
der Stiftung und bei Einverständnis der Eigen-       werden, bei der die angrenzenden Flächen nicht
tümer*innen auch auf privaten Flächen hat der        durch Überschwemmungen benachteiligt werden
Naturschutzring Aukrug seit 2006 mehrere Ent-        dürfen: Die neuen Bachbetten wurden so knapp
rohrungen von Drainage-Vorflutern durchgeführt,      dimensioniert, dass sie das Wasser bei Niedrig-
die für eine Vernässung der Flächen sowie stär-      bis Mittelwasser komplett aufnehmen können
keren Nährstoff- und Wasserrückhalt sorgen. Die      und so ganzjährig durchgängig sind. Gleichzeitig
Maßnahmen wurden dabei aus unterschiedlichen         kommt es bei Hochwasser schnell zu einer Über-
Quellen finanziert, wie z. B. Mittel des ELER,       flutung in die angrenzenden Wiesen. Dies führt
Naturschutzmittel des Landes Schleswig-Holstein      einerseits zu einer gewünschten Vernässung von
und Ersatzgelder von Ausgleichsmaßnahmen der         tiefgelegenen Bereichen in den größtenteils ex-
beiden betroffenen Kreise.                           tensiv beweideten Flächen. Weiterhin werden
                                                     große Wassermengen, die zuvor ungebremst in
„Das Wasser der Oberlieger muss natürlich weiter-
                                                     die größeren Auen abflossen, zum Teil dauerhaft
hin abgenommen werden, sodass – zumindest
                                                     zurückgehalten. Seit 2016 sind so an Kirchwed-
bis das Gelände das Rohrgefälle abgebaut hat
                                                     delbach, Kapellenbach und Sellbek 2.350 m neue
– offene Gräben geschaffen werden müssen“,
                                                     Gewässer geschaffen worden. Für das Jahr 2021
berichtet Niklas Zander vom Naturschutzring Au-
                                                     sind weitere ca. 500 m am Tönsbek geplant.
krug. „Möglichst schnell wird das Wasser dann
oberflächlich über die Fläche abgeführt und zu-      Im Zuge der Renaturierungsmaßnahmen ent-
sätzlich durch einen Wall oder mehrere Wälle         stand an der Bünzau eine abwechslungsreiche
aufgestaut.“ Die Anstauwälle müssen mit Kies         Weidelandschaft, die von den urtümlichen Heck-
gesichert werden, um Erosion zu vermeiden.           rindern des vom Naturschutzring gegründeten
Als Ergebnis wird nicht nur das Feuchtgrünland       Vereins ERNA – Extensive Robustrinderhaltung
vernässt, es werden auch neue Stillgewässer ge-      im Naturpark Aukrug (www.erna-aukrug.de/)
schaffen. Der Abfluss des Wassers wird durch den     gepflegt wird. Auf dem ausgeschilderten „Bünz­
meist verlängerten, oberflächlichen Verlauf über     au-Wanderweg“ können sich Einheimische und
das Grünland verzögert, die Versickerung wird er-    Gäste über die neu entstandenen Gewässer, die
höht, und durch die aufgestauten Gewässer wird       Lebensraum für Jungfische, Amphibien und Libel-
viel Wasser zusätzlich dauerhaft vor Ort gehalten.   len bieten, freuen.
Ein großer Gewinn für den Wasserrückhalt in dem
Gebiet.

Kontakt: Niklas Zander, Naturschutzring Aukrug e. V., info@naturschutzring-aukrug.de
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