"Verbraucherpreisindex" Thema: Auswirkungen direkter und indirekter Steuern auf die Preise - Fachbereich IV - Volkswirtschaftlehre Konsum- ...
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Fachbereich IV - Volkswirtschaftlehre Konsum-, Abfall- und Verbraucherforschung Sommersemester 2008 Veranstaltungsnummer: 4100 Prof. Dr. Peter Hecheltjen „Verbraucherpreisindex“ Thema: Auswirkungen direkter und indirekter Steuern auf die Preise
II Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis....................................................................................... III Abkürzungsverzeichnis....................................................................................... IV 1. Hinführung zum Thema................................................................................... 1 2. Begriffserläuterungen..................................................................................... 2 2.1 Inflation.................................................................................................. 2 2.2 Verbraucherpreisindex.......................................................................... 2 3. Staatsfinanzierung........................................................................................... 3 3.1 Steuern.................................................................................................. 3 3.2 Anteile der verschiedenen Steuern am Gesamtsteueraufkommen und Entwicklungen der verschiedenen Steuern.................................... 7 3.3 Reaktionen auf eine Steuererhebung.................................................... 8 4. Erhöhung der Mehrwertsteuer im Januar 2007............................................ 10 4.1 Mehrwertsteuer.....................................................................................10 4.2 Geschichte der Mehrwertsteuer und ihre bisherigen Erhöhungen....... 12 4.3 Die Erhöhung zum 1. Januar 2007 - Erwartungen, Reaktionen und Realität..................................................................................................14 4.4 Zusatzbelastung für die privaten Haushalte......................................... 17 5. Auswirkungen der Mehrwertsteuererhöhung auf den VPI.......................... 21 6. Europäischer Vergleich der Mehrwertsteuer................................................ 24 7. Verfahren zur Bereinigung des HVPI von staatlichen Einflüssen.............. 27 7.1 HVPI-CT............................................................................................... 27 7.2 VPI ohne administrierte Preise............................................................. 29 8. Einfluss von direkten und indirekten Steuern auf Preise............................30 9. Abschließende Bemerkungen........................................................................ 31 Literaturverzeichnis............................................................................................ 32
III Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Verteilung der direkten und indirekten Steuern Abbildung 2: Steueraufkommen Abbildung 3: Anteil der Umsatzsteuer am Gesamtsteueraufkommen Abbildung 4: Überwälzungsmöglichkeiten bei unterschiedlichen Preiselastizitäten der Nachfrage Abbildung 5: Verteilung der Bundeseinnahmen im Jahr 2007 Abbildung 6: Erhöhungen der Mehrwertsteuer Abbildung 7: Ausgabenanteile differenziert nach Haushaltsnettoklassen Abbildung 8: Durchschnittliche Zusatzbelastung durch die Mehrwertsteuer- erhöhung bezogen auf die privaten Konsumausgaben nach Haushaltsnettoeinkommensklassen Abbildung 9: Haarschnitt Herren Abbildung 10: Waschmaschinenreparatur Abbildung 11: Entwicklung des VPI Abbildung 12: Tabaksteuer und VPI Abbildung 13: Mehrwertsteuersatz im EU-Vergleich Abbildung 14: Differenz der Monatsraten zwischen dem HVPI und dem HVPI-CT Abbildung 15: Differenz der Jahresraten zwischen dem HVPI und dem HVPI-CT
IV Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz Art. Artikel BRD Bundesrepublik Deutschland bzw. beziehungsweise EU Europäische Union EVS Einkommens- und Vermögensstichprobe HVPI- CT Harmonisierter Verbraucherpreisindex zu konstanten Steuersätzen VPI Verbraucherpreisindex UStG Umsatzsteuergesetz z.B. zum Beispiel
1 1. Hinführung zum Thema Im Rahmen dieser Seminararbeit wird sich mit den Auswirkungen direkter und indirekter Steuern auf die Preise befasst. Zunächst wird auf die allgemeine Problematik der Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Steuern eingegangen. Des Weiteren wird das Aufkommen und die Aufteilung der verschiedenen Steuern betrachtet. Das Hauptaugenmerk der Arbeit liegt auf der Steuererhöhung der regulären Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent des vergangenen Jahres. Dies war bisher die größte Erhöhung in der Geschichte der Mehrwertsteuer. Es werden die Erwartungen der Bevölkerung, das Marktverhalten der Unternehmen, die Prognosen hinsichtlich der Folgen für den Verbraucherpreisindex sowie die eventuell anstehenden Zusatzbelastungen für die privaten Haushalte betrachtet. Außerdem wird die Umsatzsteuer im europäischen Vergleich dargestellt und der Versuch der Einführung eines Harmonisierten Verbraucherpreisindex zu konstanten Steuersätzen.
2 2. Begriffserläuterungen 2.1 Inflation Unter Inflation wird in der Volkswirtschaftlehre ein andauernder Anstieg des Preisniveaus verstanden. Private Haushalte müssen bei einem Anstieg der Güterpreise mehr Geld ausgeben, um ihren Lebensstandard zu halten. Der Geldwert oder die Kaufkraft einer Währung nimmt im Laufe der Jahre durch die Inflation ab, also verschlechtert sich das Austauschverhältnis von Geld im Verhältnis zu anderen Gütern.1 Der Art. 105 des EU-Vertrages schreibt den EU-Ländern das geldpolitische Ziel der Preisniveaustabilität vor. Preisstabilität bedeutet mathematisch eine Inflationsrate von Null. Dies ist jedoch gefährlich, da bei einem Rückgang des Preisniveaus eine Deflation mit viel schlimmeren Folgen droht. Heute wird in den meisten Fällen unter Preisstabilität eine Inflationsrate zwischen ein und zwei Prozent verstanden. Produkte werden ständig weiterentwickelt und verbessert, was sich in leicht erhöhten Produktenpreisen widerspiegelt. Die Europäische Zentralbank, deren primäres Ziel Preisniveaustabilität ist, verfolgt ein Inflationsziel von nahe, aber unter zwei Prozent.2 Meistens wird zur Messung der Inflation der Verbrauchpreisindex herangezogen. 2.2 Verbraucherpreisindex Sofern sich eine Zentralbank als Hauptaufgabe Preisniveaustabilität gesetzt hat, ist es wichtig, dass die Preisentwicklungen sorgfältig und realistisch analysiert werden. Um einen möglichst genauen Überblick zu erhalten, müssten die Preise aller in einer Volkswirtschaft angebotenen Güter beobachtet werden, was aber erfassungstechnisch problematisch werden würde. Um trotzdem zu aussagekräftigen Zahlen zu kommen, wird die Gütermenge auf einen repräsentativen Warenkorb reduziert. Mithilfe eines Preisindizes soll eine Aussage über die Höhe der Inflation in Teilbereichen einer Volkswirtschaft getroffen 1 Vgl. Altmann, Jörn (2007), S. 122 f. 2 Vgl. Altmann, Jörn (2007), S. 123.
3 werden. Aktuell umfasst der dem Verbraucherpreisindex zugrunde liegende Warenkorb circa 750 Positionen. Diese 750 Positionen sind allerdings zum Teil schon Zusammenfassungen mehrerer Einzelposten. Insgesamt werden rund 1.000 Einzelpreisreihen mit rund 350.000 Einzelpreisen vereinigt.3 3. Staatsfinanzierung 3.1 Steuern Als Steuer wird eine Geldleistung ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistung bezeichnet, die ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen Personen auferlegt, die einen steuerlichen Tatbestand verwirklichen, wobei die Erzielung von Einnahmen wenigstens Nebenzweck sein sollte (Definition der deutschen Abgabenordnung). Damit sind Steuern eine öffentlich-rechtliche Abgabe, denen keine bestimmte staatliche Leistung gegenübersteht und die zwecks Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs ohne Ansehen der Person alle zahlen müssen, die den Tatbestand der Steuerpflicht erfüllen. Steuern sind die Haupteinnahmequelle eines modernen Staates und das wichtigste Instrument zur Finanzierung seines territorial abgegrenzten Staatswesens und anderer (supranationaler) Aufgaben. Durch die finanziellen Auswirkungen auf alle Bürger und die komplexe Steuergesetzgebung sind Steuern und andere Abgaben ein andauernder politischer und gesellschaftlicher 4 Streitpunkt. Neben dem Fiskalzweck kann eine Steuererhebung auch noch weitere Intentionen verfolgen. Steuern können dafür genutzt werden das Verhalten von Steuerpflichtigen in eine bestimmte, vom Gesetzgeber gewünschte, Richtung zu lenken. Hierbei ist das Erzielen von Einnahmen zweitrangig. Beispiele für so genannte Lenkungssteuern sind die Tabaksteuer oder die Alkopopsteuer. Andererseits kann mit Steuervergünstigungen auch ein gesellschaftliches Verhalten unterstützt werden.5 3 Vgl. Altmann, Jörn (2007), S. 135 f. 4 Vgl. Graf, Gerhard (2005), S. 260 f. 5 Vgl. Reding, Kurt / Müller, Walter (1999), S.78.
4 Des Weiteren kann eine Steuer genutzt werden um eine politisch erwünschte Verteilung des Einkommens oder Vermögens zu erreichen. Viele Staaten in Europa haben hierfür ihre Einkommenssteuer mit einer Progression ausgestaltet. Diese führt zu einem steigenden Steuersatz, je höher das individuelle Einkommen ist. Die steuerliche Belastung steigt, je höher das Einkommen des 6 Steuerpflichtigen ist. In Deutschland werden die Steuerarten in direkte und indirekte Steuern unterteilt. Zu den direkten Steuern zählen unter anderem die Einkommensteuer, die Kapitalertragssteuer und die Körperschaftssteuer. Hier werden die Steuern direkt vom Steuerpflichtigen oder über Dritte gezahlt. Steuerschuldner, der gesetzlich Verpflichtete, und Steuerträger, der wirtschaftlich Belastete, sind die gleiche Person. Die Erhebung der direkten Steuern ist im Gegensatz zu den indirekten Steuern mit einem viel größeren Erklärungs- und Ermittlungsaufwand verbunden. Es gibt eine Vielzahl von Ausnahmen und Steuerentlastungen, die beachtet werden müssen. Dem gegenüber steht die Berücksichtigung der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines jeden Steuerpflichtigen, wodurch eine faire Besteuerung gewährleistet wird.7 Im Jahr 2007 betrug das Aufkommen der direkten Steuern 272.083 Mio. Euro.8 Die wichtigsten indirekten Steuern sind die Umsatzsteuer, die Stromsteuer, die Tabaksteuer und die Mineralölsteuer. Steuerschuldner und Steuerträger sind unterschiedliche Personen. In diesen Fällen schuldet ein Dritter, meist der Verkäufer, dem Staat die Steuer. Diejenige Person, die von der Steuer betroffen ist, also der Käufer einer Ware oder einer Dienstleistung, führt die Steuer nicht ab, er zahlt sie nur über einen Aufschlag auf den Preis.9 Im Gegensatz zu den direkten Steuern ist der Erklärungs- und Ermittlungsaufwand sehr gering. Die Steuern werden direkt beim Kauf einer Ware oder einer Dienstleistung erhoben. Die indirekten Steuern sollen beim Verbrauch oder Gebrauch bestimmter Waren zu einer Belastung führen. Hiermit lässt sich neben dem fiskalischen Einnahmeziel, über die Verteuerung der betroffenen Güter, auch eine Lenkungswirkung erreichen. Als Nachteil steht demgegenüber, die 6 Vgl. Brümmerhoff, Dieter (2001), S. 276 ff. 7 Vgl. Waldhoff, C. (2008). 8 Vgl. o.V. e) (2008). 9 Vgl. o.V. c) (2008).
5 Nichtberücksichtigung der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerträger. Tendenziell gelten indirekte Steuern als unsozialer als direkte Steuern, da Geringverdiener einen größeren Anteil ihres Einkommen konsumieren als Besserverdienende und somit relativ stärker von indirekten Steuern belastet werden.10 Das Aufkommen der indirekten Steuern im Jahr 2007 betrug 266.160 Mio. Euro.11 In der folgenden Graphik ist dargestellt, wie sich direkte und indirekte Steuern im Zeitverlauf zueinander verhalten. Im Jahre 1970 waren 53,6 Prozent des Gesamtsteueraufkommens den direkten Steuern und 46,5 Prozent den indirekten Steuern zuzuordnen. Die Differenz war im Jahre 1977 am größten mit einem Unterschied von 24 Prozent. Die direkten Steuern hatten 62 Prozent Anteil und die indirekten Steuern dementsprechend 38 Prozent. Bis zu den Jahren 2000 und 2001 verkleinerte sich die Differenz und das Verhältnis drehte sich sogar leicht zugunsten der indirekten Steuern, in den folgenden Jahren blieb es bei ausgeglichenen 50 Prozent. Abbildung 1: Verteilung der direkten und indirekten Steuern Aufteilung direkter und indirekter Steuern in der BRD 0,700 0,600 0,500 0,400 direkte Steuern in % indirekte Steuern in % 0,300 0,200 0,100 0,000 1970 1973 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2006 Datenquelle: Bundesfinanzministerium 10 Vgl. Graf, Gerhard (2005), S.86. 11 Vgl. o.V. e) (2008).
6 Neben den Steuern gibt es noch weitere Abgaben, die von der öffentlichen Hand erhoben werden. Im Gegensatz zu Steuern stehen diese Zahlungen in einem direkten Zusammenhang mit einer konkreten Gegenleistung durch den Staat. Abgaben sind nochmals unterteilt in Gebühren und Beiträge. Gebühren fallen nur bei tatsächlicher individueller Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung an. Es wird unterschieden zwischen Verwaltungsgebühren, welche Entgelt für die Vornahme von Amtshandlungen sind (z.B. Bescheinigungen, Genehmigungen) und Benutzungsgebühren, welche für die Nutzung von öffentlichen Einrichtungen und Anlagen erhoben werden (z.B. Büchereien, Müllabfuhr, Badeanstalten). Beiträgen steht eine mögliche Nutzung öffentlicher Leistungen gegenüber. Sie werden erhoben, weil eine tatsächliche Gegenleistung in Anspruch genommen werden kann. Die Möglichkeit der Nutzung ist ausreichendes Kriterium, um diese Abgabe leisten zu müssen (z.B. Kurtaxen, Straßenanliegerbeiträge).12 Zur Rechtfertigung der Erhebung von Abgaben wurden einige Prinzipien aufgestellt, anhand derer die Last der Abgaben auf die Staatsbürger verteilt werden sollte. In diesem Zusammenhang werden zwei Prinzipien als Fundamentalprinzipien angesehen, das Äquivalenzprinzip (benefit principle) und das Leistungsfähigkeitsprinzip (ability to pay principle). Das Äquivalenzprinzip besagt, dass Staatsbürger gemäß dem ihnen vom Staat gewährten Nutzen, aus der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen, herangezogen werden sollen. Der Nutzenverlust, der bei Zahlung einer Abgabe an den Staat entsteht, soll dem Nutzenzuwachs aus dieser Inanspruchnahme entsprechen, ihm äquivalent sein. Als zweites Fundamentalprinzip wird das Leistungsfähigkeitsprinzip genannt. Dieses Prinzip fordert, dass jeder Bürger zur Finanzierung der staatlichen Leistungen nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit, im Sinne von Zahlungsfähigkeit, beiträgt. Demnach wäre eine steuerliche Belastung eines Bürgers oder eines Haushalts am individuellen monatlichen Einkommen auszurichten.13 12 Vgl. Kußmaul, Heinz (2006), S.230. 13 Vgl. Brümmerhoff, Dieter (2001), S.385 ff.
7 3.2 Anteile der verschiedenen Steuern am Gesamtsteueraufkommen und Entwicklungen der verschiedenen Steuern Bei ihrer Einführung im Jahre 1968 hatte die Umsatzsteuer ein Aufkommen in Höhe von 12.871 Mio. Euro, das Gesamtsteueraufkommen betrug damals 62.280 Mio. €. Dies entsprach einer Umsatzsteuerquote von 20,7 Prozent. 2007 erzielte der Staat durch die Mehrwertsteuer Einnahmen von 169.636 Mio. €. Anteilmäßig am Gesamtsteueraufkommen in Höhe von 538.243 Mio. € war das ein Anteil von 31,5 Prozent. Abbildung 2: Steueraufkommen Steueraufkommen in der BRD 600.000,0 500.000,0 400.000,0 Umsatzsteuer in Mio € 300.000,0 Gesamtsteuer in Mio € 200.000,0 100.000,0 0,0 1968 1971 1974 1977 1980 1983 1986 1989 1992 1995 1998 2001 2004 2007 Quelle: Bundesfinanzministerium
8 Abbildung 3: Anteil der Umsatzsteuer am Gesamtsteueraufkommen Anteil der Umsatzsteuer am Gesamtsteueraufkommen 35,0% 30,0% 25,0% 20,0% Anteil der Umsatzsteuer am 15,0% Gesamtsteueraufkommen 10,0% 5,0% 0,0% 1968 1971 1974 1977 1980 1983 1986 1989 1992 1995 1998 2001 2004 2007 Quelle: Bundesfinanzministerium 3.3 Reaktionen auf eine Steuererhebung Steuern werden von den Belasteten zumeist als unliebsam empfunden, so dass die Steuerpflicht bestimmte Wirkungen hervorrufen kann. Eine dieser möglichen Reaktionen ist eine Preiserhöhung des produzierten Gutes, um die Steuerlast an einen Dritten weiterzugeben (Steuerüberwälzung). Diese Überwälzung der Steuerlast ist bei Verbrauchssteuern ein gewünschtes Ziel des Gesetzgebers. Er will dadurch u.a. allokative Wirkungen erzielen und nebenbei löst er des Weiteren Verteilungswirkungen aus.14 Es wird zwischen einer Vorwälzung auf die Abnehmer und der Möglichkeit der Rückwälzung auf die Lieferanten unterschieden. Im Zuge einer Vorwälzung wird versucht, mit einer Preiserhöhung die Steuerlast weiterzugeben. In welchem Ausmaß dies jedoch funktioniert, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. In welchem Maße die Abnehmer eine Chance haben auf andere Produkte umzusteigen, ist ein zentraler Indikator für das erfolgreiche Überwälzen. Herrscht eine sehr elastische Nachfrage, hat eine Weitergabe der steuerlichen Belastung eine deutliche Mengenreduktion zur Folge. Dieser Nachfragerückgang kann mitunter so deutlich sein, dass eine Überwälzung nahezu ausgeschlossen ist. 14 Vgl. Altmann, Jörn (2007), S. 312.
9 Liegt jedoch eine relativ unelastische Nachfrage für ein Gut vor, so werden trotz der Preiserhöhung nur wenige Konsumenten ihre Nachfrage einschränken und die Anbieter können die Steuerbelastung annähernd vollständig überwälzen. Abbildung 4: Überwälzungsmöglichkeiten bei unterschiedlichen Preiselastizitäten der Nachfrage Quelle: Graf, Gerhard (2005) Wenn ein Unternehmen seine steuerliche Zusatzbelastung nicht auf die Kundenseite, sondern auf die Lieferantenseite überwälzen möchte, wird von einer Rückwälzung gesprochen. Hierbei soll durch eine Reduzierung des Einkaufspreises die steuerliche Belastung kompensiert werden.15 Ein weiteres Kriterium für die Durchsetzbarkeit einer solchen Aktion ist die Wettbewerbssituation in der jeweiligen Branche. Vor dem Hintergrund der Preispolitik von Konkurrenzanbietern ist eine Überwälzung häufig nicht in vollem Umfang möglich. Um eine Steuererhebung trotzdem vollständig an den Endverbraucher weiterzugeben, bietet sich dem Unternehmen das Instrument der Mischkalkulation an. Diese Variante ermöglicht es den Unternehmen, erhöhte Kosten aufgrund von Steuererhöhungen nicht unbedingt komplett auf die von den 15 Vgl. Graf, Gerhard (2005), S.133f.
10 Steuererhöhungen betroffenen Produkte zu überwälzen, sondern diese auch durch Preisanpassungen bei anderen Gütern zu decken.16 Weitere Reaktionen, welche allerdings keine direkten Auswirkungen auf eine Steuererhebung oder Erhöhung haben, sind das komplette Ausweichen oder Vermeiden des steuerpflichtigen Tatbestandes (z.B. ein Raucher gibt das Rauchen auf). Eine weitere Form ist das Reduzieren der Steuerlast (z.B. Raucher reduziert den Zigaretten-Konsum). Eine weitere Reaktion kann außerdem die so genannte Einholung sein. Im Zuge dieser Maßnahme versuchen Haushalte und Unternehmen durch zusätzliches Einkommen ihre Einbußen zu kompensieren (z.B. Überstunden, Nebenjob). Zuletzt ist noch die Steuerhinterziehung zu nennen, um der Steuerpflicht zu entgehen (z.B. falsche Angaben in der Steuererklärung).17 4. Erhöhung der Mehrwertsteuer im Januar 2007 4.1 Mehrwertsteuer Die Umsatzsteuer, die im Volksmund meist Mehrwertsteuer genannt wird, ist eine Steuer, die auf den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen erhoben wird. Als Konsumsteuer zählt sie zu den allgemeinen Verbrauchssteuern, mit denen der gesamte private und öffentliche Verbrauch belastet wird. Die Steuer ist eine indirekte Steuer und wird vom Verkäufer oder Unternehmer an die Finanzbehörden abgeführt. Dies ist für die Unternehmen leichter durchzuführen und zu erheben, als wenn die Endverbraucher das tätigen sollten. Der bürokratische Aufwand ist zudem gering, da die Unternehmen zum Teil verpflichtet sind, die Umsatzsteuer auf Rechnungen getrennt auszuweisen. Für die Unternehmen ist die Mehrwertsteuer kostenneutral, da nur der von ihnen produzierte Mehrwert besteuert wird. Wirtschaftlich getragen wird die Mehrwertsteuer von den Konsumenten. Schuldner und Träger sind folglich nicht personenidentisch. Diese Durchführung der Mehrwertsteuererhebung ist für den Staat recht unbürokratisch.18 16 Vgl. Linz, Stefan / Behrmann, Timm / Müller, Tobias / Kott, Kristina (2006), S.1125. 17 Vgl. Graf, Gerhard (2005), S.130 ff. 18 Vgl. o.V. d) (2008).
11 In Deutschland wird die Mehrwertsteuer nicht auf alle Produkte zu gleichen Teilen angewendet. Unterschieden wird hier der volle Mehrwertsteuersatz, der Regelsteuersatz, in Höhe von aktuell 19 Prozent, der ermäßigte Satz von zurzeit 7 Prozent und solche Produkte, welche von der Mehrwertsteuer befreit sind. Den ermäßigten Steuersatz in Höhe von 7 Prozent müssen sie nach § 12 Abs. 2 UStG unter anderem zahlen bei Grundnahrungsmitteln, außer Getränken und Alkohol, Leitungswasser, Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Blumen, Tierfutter und Fahrkarten im öffentlichen Nahverkehr. Vollständig umsatzsteuerbefreit nach § 4 UStG sind die Miete, allerdings ohne Nebenkosten, Finanzdienstleistungen mit Ausnahme der Steuerberatung, Gesundheitsleistungen wie Arzthonorare oder Honorare für Krankengymnastik, Kindergärten und -krippen, Abwasser, Briefporto, Rundfunkgebühren oder Auslandsflüge. Die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 2003 zeigten, dass ungefähr 28 Prozent der privaten Konsumausgaben aufgewendet werden, um die Kaltmieten zu bezahlen. Dies stellt den größten Teil der steuerbefreiten Produkte dar. Durchschnittlich 11 Prozent der gesamten Konsumausgaben entfallen auf Nahrungsmittel, was der größte Teil bei den steuerermäßigten Gütern ist. Insgesamt beträgt der Anteil der steuerermäßigten Güter 16 Prozent. 56 Prozent der Konsumausgaben der privaten Haushalte werden im Mittel für Produkte, die dem vollen Mehrwertsteuersatz unterliegen, aufgewendet.19 1968 begann die Mehrwertsteuer mit einem Aufkommen von umgerechnet 12,87 Milliarden Euro. Im Jahr 2006 betrugen die Einnahmen hingegen schon 146,7 Milliarden Euro. In diesen fast 40 Jahren steigerte sich die Steuer damit um fast 1140 Prozent.20 Die Mehrwertsteuer hat an den Gesamteinnahmen der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2007 einen Anteil von 32,7 Prozent. Abbildung 5: Verteilung der Bundeseinnahmen im Jahr 2007 19 Vgl. Strantz, Cosima (2007), S.7. 20 Vgl. Becker, Michael (2008).
12 Quelle: BROTUNDBUTTERBRIEF 4.2 Geschichte der Mehrwertsteuer und ihre bisherigen Erhöhungen Die Ursprünge der Mehrwertsteuer reichen zurück bis ins Altertum. Schon bei den alten Ägyptern, im antiken Athen oder Rom wurden Steuern auf Verbrauchsgüter, meist Luxusgüter, erhoben, um so die Finanzierung des Staatswesens zu unterstützen. Im Mittelalter kehrte diese Idee der leicht zu erhebenden und ertragreichen Steuer wieder zurück und wurde unter dem lateinischen Sammelbegriff teloneum bekannt. In deutschen Städten haben sich im 12. bzw. 13. Jahrhundert die so genannten Um- oder Ungelder als allgemeine oder spezielle Umsatzgelder, die einen Steuercharakter hatten, entwickelt. Auf einen bestimmten Warenwert wurde ein bestimmter Anteil dieses Wertes als Abgabe an den Staat oder den Herrscher abgeführt. Ab dem 15. Jahrhundert dominierten zahlreiche Einzelverbrauchssteuern, Akzisen, bis weit ins 19. Jahrhundert in den meisten deutschen Gebieten. 1774/1755 führte Graf Brühl im Kurfürstentum Sachsen eine Generalkonsumakzise ein, die der modernen Umsatzsteuer ähnelte. In Bremen wurde von 1863 bis 1884 eine allgemeine Umsatzsteuer eingeführt. Der enorme Finanzbedarf während des Ersten Weltkrieges war der Auslöser für ein erneutes Auftreten einer Umsatzsteuer. 1916 wurde eine reichseinheitliche Stempelsteuer auf Warenlieferungen beschlossen, die 1918 durch das Umsatzsteuergesetz, das auf einem System der Allphasen- Bruttoumsatzsteuer basiert, abgelöst wurde. Zu Beginn betrug der Steuersatz 0,5
13 Prozent, der nach wiederholten Änderungen bis 1951 auf 4 Prozent anstieg. Das 1967 beschlossene Umsatzsteuergesetz mit dem Übergang zum System der Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug bildet die Grundlage des heutigen Systems. Auslöser war die Harmonisierungsidee innerhalb der europäischen 21 Gemeinschaft. Am 1. Januar 2008 hatte die Mehrwertsteuer in ihrer heutigen Form ihr 40-jähriges Jubiläum. Sie wurde vor 40 Jahren zu Beginn des Jahres 1968 von der damals regierenden Großen Koalition als System der Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug eingeführt. Die Höhe der Mehrwertsteuer betrug bei der Einführung 10 Prozent auf alle Waren, der ermäßigte Satz auf Güter des täglichen Bedarfs belief sich auf fünf Prozent. Ein halbes Jahr nach der Einführung kam es dann auch zur der ersten von mittlerweile sieben Erhöhungen. Die Mehrwertsteuer wurde auf 11 Prozent angehoben, der ermäßigte Satz auf 5,5 Prozent. Politisch war dies aufgrund der Großen Koalition wiederum leicht durchsetzbar. Fast zehn Jahre später wurde die Mehrwertsteuer wieder angehoben, diesmal allerdings mit Widerstand der Opposition. Die Neuverschuldung hatte eine Rekordhöhe erreicht und vom 1. Januar 1978 an betrug der Satz 12 Prozent bzw. 6 Prozent. Im Gegenzug zu der Erhöhung zum 1. Juli 1979 auf 13 Prozent und 6,5 Prozent wurde das Kindergeld erhöht, die Lohnsteuer und die Lohnsummensteuer wurden gesenkt. Die nächste Erhöhung fand am 1. Juli 1983 statt. Die Mehrwertsteuer stieg auf 14 Prozent, der ermäßigte Satz auf 7 Prozent. 1993 wurde die Mehrwertsteuer als Folge der Fehlkalkulation des Aufbau Ost auf 15 Prozent angehoben. Auch Norbert Blüm profitierte von der erneuten Anhebung auf 16 Prozent am 1. April 1998, um so eine Erhöhung der Rentenbeiträge zu abzuwehren. Sein damaliger Ausspruch "Die Renten sind sicher" wurde mittlerweile zu seiner politischen Lebenslüge. Am 1. Januar 2007 trat die siebte Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Geschichte des Landes mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2006 in Kraft. Mit diesen 21 Vgl. o.V. d) (2008).
14 Mehreinnahmen sollte der Haushalt konsolidiert und die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Wie bei jeder Erhöhung hieß es, dass dies unverzichtbar sei.22 Abbildung 6: Erhöhungen der Mehrwertsteuer Zeitraum Regelsteuersatz verminderter Steuersatz ab 1.1.1968 10 % 5% ab 1.7.1968 11 % 5,5 % ab 1.1.1978 12 % 6% ab 1.7.1979 13 % 6,5 % ab 1.7.1983 14 % 7% ab 1.1.1993 15 % 7% ab 1.4.1998 16 % 7% ab 1.1.2007 19 % 7% Quelle: eigene Darstellung 4.3 Die Erhöhung zum 1. Januar 2007 - Erwartungen, Reaktionen und Realität Zum 1. Januar 2007 wurde die Regelsteuersatz der Mehrwertsteuer von damals 16 auf 19 Prozent angehoben. Der ermäßigte Steuersatz in Höhe von 7 Prozent wurde durch den Beschluss des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 im Herbst 2005 nicht angetastet. Bei den vorangegangenen Beschlüssen lagen zwischen Vereinbarung und Vollzug nur wenige Monate. Diese Erhöhung wurde jedoch bereits mehr als ein Jahr vor dem Vollzug der Steuerveränderung bekannt gegeben, so dass sich die Kunden und Unternehmen darauf einstellen konnten. Die bisherigen sechs Steigerungen der Mehrwertsteuer betrugen jeweils einen Prozentpunkt, diesmal hingegen wurde der Regelsatz um 3 Prozentpunkte erhöht. Die Auswirkungen konnten so nur vermutet bzw. wage geschätzt werden. Durch die Anhebung des Regelsatzes von 16 auf 19 Prozent verteuern sich Güter und Dienste bei einer Vollüberwälzung am Stichtag nicht um komplette 3 Prozent, sondern nur um 2,6 Prozent wie folgende Rechnung zeigt: 22 Vgl. o.V. c) (2006).
15 Drei Fünftel der Waren und Dienstleistungen sind von der Erhöhung des Regelsteuersatzes betroffen. In die Berechnung des Verbraucherpreisindex fließen neben den vollständig besteuerten Gütern auch Güter mit ermäßigtem Steuersatz bzw. Güter, die steuerfrei sind, ein. Folglich würde sich eine Vollüberwälzung nicht mit 2,6 Prozent auswirken, sondern mit einem geringen Gewicht von in etwa 1,4 Prozent.23 Die große Vorlaufzeit und die recht große Erhöhung der Steuern ließen den Unternehmen weitgehend Spielraum bei der Überwälzung auf den Endverbraucher. Eine Erhöhung der Preise genau am Stichtag, was der Gesetzgeber sich so vorgestellt hatte, wäre den Konsumenten leicht aufgefallen. Die Unternehmen konnten sich durch geschickte und strategische Preispolitik in ein gutes Bild setzen. Viele Unternehmen und Discounter wie z.B. Aldi oder Lidl, kündigten im August 2006 in großen, offensiven Werbebotschaften an, dass ihre Preise konstant blieben, was der Verbraucher wohlwollend aufnahm. Dass die Preise jedoch zum Teil schon vor diesen werbewirksamen Maßnahmen angehoben wurde, fiel nur wenigen Personen auf. Die Preiserhöhungen wurden zum Teil in der ferienlastigen Sommerzeit durchgeführt und fielen dem Verbraucher nicht in Verbindung mit der Mehrwertsteuererhöhung auf. Dieser Vorzieheffekt war auch bei Versandhäusern zu beobachten. Die für den Winter neuproduzierten Kataloge wurden bereits im Sommer gedruckt, damit sie rechtzeitig zum Saisonstart und zur Verteilung im Herbst fertig sind. Den Verbrauchern wurde eine Preisgarantie auch für die Zeit nach der Steuererhöhung zugesichert, allerdings wurden die Preise im Vorfeld bereits versteckt erhöht. Ob Unternehmen die volle Erhöhung auch komplett an den Verbraucher weitergegeben haben oder konnten, hängt von den Nachfragebedingungen auf den einzelnen Produktmärkten ab. Bei schwacher Nachfrageentwicklung kann es zunächst schwer fallen, eine Mehrwertsteuererhöhung zu überwälzen. Das Verhalten von Konkurrenten bei der Preisbestimmung ist ebenso wichtig, geben 23 Vgl. Deutsche Bundesbank (2006), S. 50.
16 diese die Erhöhung weiter oder lassen diese die Preise konstant zu Ungunsten des eigenen Gewinns. Konstante Preise könnten weitere Wirkungen auf die Beschäftigung oder das Lohnniveau haben. Der Wettbewerbsdruck spielt hier eine große Rolle. Durch geschicktes Verhalten konnten eine bessere Stellung auf dem Markt erreicht werden. Ferner entscheidend ist, ob die Unternehmen die höheren Preise gegenüber den weiterverarbeitenden Unternehmen durchsetzen können oder ob Unternehmen durch festgeschriebene Preise gebunden sind. Eine weitere Möglichkeit die Kosten weiterzugeben ist gegeben durch eine Querfinanzierung. Ein im Blickfeld stehendes, häufig gekauftes Produkt wird bei der Preisbildung nicht geändert. Ein oder mehrere andere Produkte, die nicht so genau betrachtet werden, werden im Preis nach oben korrigiert, so dass die Kosten des ersten Produktes über andere Wege wieder aufgefangen werden. Teilweise werden auch die Verpackungsgrößen verändert, so dass die versteckte Preiserhöhung für den Verbraucher auf den ersten Blick nicht sichtbar wird. Viele Unternehmen haben zusätzlich zu der Mehrwertsteuererhöhung ihre eigenen Preise erhöht.24 Bei einer mikroökonomischen Betrachtung des Sachverhaltes einer Mehrwertsteuererhöhung hat die elastischere Seite einen geringeren Anteil der Erhöhung zu tragen. Wird nun von einem vollständigen Wettbewerb ausgegangen, so wird die Mehrwertsteueranhebung vollständig auf den Verbraucher überwälzt. Kurzfristig würde das Preisniveau ansteigen, aber auf lange Sicht wäre die Preissteigerungsrate bei gleich bleibenden Rahmenbedingungen unverändert. Die Konsumenten könnten auf diese Preiserhöhung mit einem Rückgang beim Kauf von regelbesteuerten Gütern reagieren und auf Alternativgüter umsteigen, sofern dies möglich ist. Die Chefin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Edda Müller, sagte der "Berliner Zeitung" im Mai 2006, dass es schon bald zu vorgezogenen Preisaufschlägen kommen würde. Dies sei bereits bei der Euro-Einführung zu beobachten gewesen, dass der Handel die Preise schon vor der Umstellung von DM auf Euro angehoben habe. Weiterhin sei mit Erhöhungen von deutlich über drei Prozentpunkten auszugehen. Einer Forsa-Umfrage nach planten 12 Prozent von 1000 Befragten, größere Anschaffungen vorzuziehen und bereits im Jahr 2006 zu tätigen.25 24 Vgl. Strantz, Cosima (2007), S. 8. 25 Vgl. o.V. a) (2006).
17 Axel Weber, Bundesbank-Präsident und EZB-Ratsmitglied, warnte im Juli 2006 vor einer allzu starken Dämpfung auf den privaten Verbraucher. Nicht nur die Mehrwertsteuererhöhung würde die Realeinkommen schmälern, sondern auch die steigenden Rohstoffpreise.26 Eine im August 2006 vom Handelsblatt in Auftrag gegebene Online-Umfrage der Aachener Marktforschungsfirma Dialego zeigt, dass 54 Prozent der Befragten der Meinung ist, dass der Handel seine Preise bereits im Vorfeld der Steuererhöhung erhöht hat. Dies bestätigt das Misstrauen der Konsumenten seit der Euro- Einführung im Jahre 2002. Entgegen dieser Angst der Verbraucher betont Destatis Marktforscher Timm Behrmann, dass zum damaligen Zeitpunkt Effekte der Mehrwertsteuererhöhung noch nicht eingetreten seien.27 Im Zuge der Mehrwertsteuererhöhung wurden die privaten Haushalte aber auch entlastet durch eine Senkung der Lohnnebenkosten. Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung wurde zum 01.01.2007 von 6,5 Prozent auf 4,5 Prozent gesenkt. Diese Lohnnebenkostensenkung kommt jedoch nur bei Arbeitnehmern, nicht aber bei den Arbeitslosen an. Ein weiterer Punkt des Haushaltbegleitgesetzes 2006 war, zusätzlich zu der Mehrwertsteuer auch die Versicherungssteuer um 3 Prozentpunkte anzuheben. Der pauschale Beitragssatz für geringfügig Beschäftigte (Minijobs) wird zum 1. Juli 2007 von 25 auf 30 Prozent erhöht, während die Sozialversicherungsfreiheit von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen begrenzt wird auf einen Grundlohn von 25 Euro pro Stunde.28 4.4 Zusatzbelastung der privaten Haushalte Um die Zusatzausgaben eines durchschnittlichen Haushaltes zu berechnen, wird ein durchschnittliches pro Monat zur Verfügung stehendes Budget für den Konsum von 2.177 Euro29 angenommen, was durch die EVS 2003 ermittelt wurde. Für diesen Haushalt berechnen sich die Zusatzkosten bei einer vollständigen Überwälzung durch die Unternehmen wie folgt: 26 Vgl. o.V. b) (2006). 27 Vgl. Schlautmann, C. (2006). 28 Vgl. Bundesfinanzministerium. 29 gesamte monatliche Konsumausgaben eines durchschnittlichen Haushaltes im Jahr 2003 (Quelle: EVS).
18 Zusatzausgaben = Einkommen * Quote der regelbesteuerten Güter * prozentuale Zusatzbelastung = 2.177 Euro * 0,56 * 0,026 = 32 Euro Jeder Haushalt müsste diesen Betrag in Höhe von 32 Euro monatlich zusätzlich zu seinen bisherigen Ausgaben bei einer vollständigen Überwälzung durch die Unternehmen zahlen, wenn er sein Ausgabeprofil gegenüber dem Jahr 2003 nicht ändert. Um die Zusatzbelastung eines Haushaltes prozentual auszurechnen, muss die Zusatzbelastung in Relation zu seinem monatlichen Budget gesetzt werden: 32 Euro / 2.177 Euro = 0,0147 Die prozentuale Zusatzbelastung eines Haushaltes beträgt durchschnittlich ungefähr 1,5 Prozent. Diese Angaben betrafen bisher einen durchschnittlichen Haushalt. Mit steigendem Einkommen verändert sich jedoch die Aufteilung der Ausgaben. Ein Haushalt mit geringem Einkommen gibt tendenziell einen größeren Anteil ihres Einkommens für die Wohnungsmiete, Nahrungsmittel und steuerermäßigte Güter aus. Dagegen haben Haushalte mit steigendem Einkommen sinkende Anteile der Ausgaben für Mieten und Nahrungsmittel. Allerdings nimmt bei solchen Haushalten der Anteil der Ausgaben für normal besteuerte Güter zu.
19 Abbildung 7: Ausgabenanteile differenziert nach Haushaltsnettoklassen Quelle: Wirtschaft und Statistik 11/2006 Es lässt sich festhalten, dass private Haushalte mit steigendem Nettoeinkommen einen höheren Anteil ihrer Konsumausgaben für regelbesteuerte Produkte aufwenden. Demnach würde eine Mehrwertsteuererhöhung solche Haushalte stärker treffen, die ein höheres Einkommen haben und somit anteilmäßig mehr Geld für normal besteuerte Güter ausgeben. Folglich wären die Zusatzausgaben hier höher als bei Haushalten mit geringerem Einkommen. Sobald das Grundbedürfnis nach Nahrungsmitteln und Wohnung befriedigt ist, wird sich vollbesteuerten Gütern zugewendet. Die frühe Ankündigung der Mehrwertsteuererhöhung ließ den privaten Haushalten die Möglichkeit, Käufe von Gütern mit vollem Mehrwertsteuersatz in das Jahr 2006 zu verschieben.
20 Abbildung 8: Durchschnittliche Zusatzbelastung durch die Mehrwertsteuererhöhung bezogen auf die privaten Konsumausgaben nach Haushaltsnettoeinkommensklassen Quelle: Wirtschaft und Statistik 11/2006 Eine vollständige Überwälzung der Mehrwertsteuererhöhung durch die Unternehmen würde die Haushalte mit dem geringsten Einkommen durchschnittlich monatlich 9 Euro zusätzlich kosten. Haushalte der höchsten Einkommensklasse hätten im Durchschnitt zusätzliche Aufwendungen in Höhe von 64 Euro zu tragen. Wie oben schon beschrieben, würde ein Durchschnittshaushalt im Monat durchschnittlich zusätzliche Kosten von 32 Euro haben.30 Private Haushalte konnten durch die anstehenden Preiserhöhungen größere Anschaffungen vorziehen und bereits im Jahr 2006 tätigen. Beobachtungen des Bundesamtes für Statistik bestätigen diese Vorzieheffekte. 30 Vgl. Linz, Stefan / Behrmann, Timm / Müller, Tobias / Kott, Kristina (2006), S. 1126 f.
21 5. Auswirkungen der Mehrwertsteuererhöhung auf den VPI Die lange Vorlaufzeit der Mehrwertsteuererhöhung zwischen Bekanntgabe und Realisierung der Anhebung ließ den Unternehmen viele Gestaltungsmöglichkeiten und einen großen Zeitraum bei der Überwälzung der Kosten. Hierdurch ist beim VPI auch kein eindeutiger Anstieg oder auch Sprung zu erkennen. Weder bei der Gesamtindex noch bei den 12 einzelnen Indizes. „30 Prozent des Gesamteffekts entfiel demnach auf eine höhere Preissteigerungsrate bereits im Jahr 2006, rund ein Drittel auf Preissteigerungen zu Jahresbeginn 2007 und der Rest auf verzögerte Anpassungen im Jahr 2007.“31 Führende Ökonomen und Wirtschaftsforscher, insbesondere die Bundesbank, sind laut dem Handelsblatt vom 22. April 2008 der Meinung, dass die Überwälzung der Mehrwertsteuer abgeschlossen ist. Dies wird bestätigt durch eine Berechnung des Bundesamtes für Statistik. Hiernach sind die Preise von ausgewählten regelbesteuerten Waren und Dienstleistungen im Zeitraum von April 2006 bis Dezember 2007 durchschnittlich um rund 2,6 Prozentpunkte stärker gestiegen als im Basisfall ohne 32 Steuererhöhung. Bei einzelnen Produkten ist sehr wohl ein Anstieg zum Stichtag zu erkennen, wie die beiden folgenden Graphiken zeigen: 31 Deutsche Bundesbank (2008), S. 38. 32 Vgl. Deutsche Bundesbank (2008), S. 40 f.
22 Abbildung 9: Haarschnitt Herren - Preisabstand in Prozent gegenüber dem Jahr 2005 Quelle: www.destatis.de Abbildung 10: Waschmaschinenreparatur - Preisabstand in Prozent gegenüber dem Jahr 2005 Quelle: www.destatis.de Dass der VPI keinen stichtagsgenauen Anstieg verzeichnet, ist auf der folgenden Zeitreihe gut zu erkennen.
23 Abbildung 11: Entwicklung des VPI Entwicklung des VPI 108 106 104 102 100 98 96 94 Nov 05 Nov 06 Nov 07 Jan 05 Jul 05 Jan 06 Jul 06 Jan 07 Jul 07 Jan 08 Mrz 05 Mai 05 Sep 05 Mrz 06 Mai 06 Sep 06 Mrz 07 Mai 07 Sep 07 Mrz 08 Mai 08 Quelle: www.destatis.de Um eine Steuererhöhung mit ausgeprägterem Einfluss auf den VPI deutlicher zu sehen, wird die Tabaksteuer, eine indirekte Steuer wie die Mehrwertsteuer, kurz analysiert. Tabaksteuererhöhungen gab es zu den folgenden Zeitpunkten: 1. Januar 2002 1. Januar 2003 1. März 2004 1. Dezember 2004 1. September 2005
24 Abbildung 12: Tabaksteuer und VPI Tabaksteuer und VPI Index 2 - Alkoholische Getränke - Tabakwaren 120 100 80 Index 60 40 20 0 Jan 00 Jul 00 Jan 01 Jul 01 Jan 02 Jul 02 Jan 03 Jul 03 Jan 04 Jul 04 Jan 05 Jul 05 Jan 06 Jul 06 Jan 07 Jul 07 Jan 08 Zeitachse Quelle: www.destatis.de Graphisch ist auf dem Diagramm zu erkennen, dass der Index 2 für alkoholische Getränke und Tabakwaren, der ein Teilindex des VPI ist, nach einer Tabaksteuererhöhung stets angestiegen ist. Begründet werden können diese Anhebungen durch eine stichtagsgenaue und vollständige Überwälzung der höheren Steuern auf den Konsumenten. Die Erhöhung zum 1. Oktober 2006 ist die Überwälzung der Mehrwertsteuer, die die Tabakhändler in einer konzentrierten Aktion durchgeführt haben. Tabakprodukte wurden um durchschnittlich 5 Prozent angehoben.33 6. Europäischer Vergleich der Mehrwertsteuer Aufgrund der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie ist die Umsatzsteuer in der EU relativ gleichförmig geregelt. Im Verhältnis zu den anderen EU-Ländern steht Deutschland mit seiner gegenwärtigen Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent und dem ermäßigten Satz 33 Vgl. Deutsche Bundesbank (2008), S. 33.
25 in Höhe von 7 Prozent im Mittelfeld. Vor der Erhöhung gehörte Deutschland zu den Ländern mit den geringsten Mehrwertsteuern. Nur Zypern und Luxemburg hatten mit 15 Prozent geringere Sätze. Den momentan höchsten Satz in der Europäischen Union haben Schweden und Dänemark mit 25 Prozent, gefolgt von Polen und Finnland mit 22 Prozent. Werden die vergangenen Jahre angeschaut, dann wird deutlich, dass der Hebesatz in Deutschland meist drei bis fünf Prozent unter dem Durchschnitt der EU liegt, der seinerseits von 1973 bis 2005 von etwa 15 auf ca. 19,5 Prozent gestiegen ist. Wird der ermäßigte Mehrwertsteuersatz betrachtet, gibt es eine Schwankung von 5 Prozent in mehreren Ländern und dem Maximum von 17 Prozent in Finnland. Einige Länder haben sogar eine weitere Unterscheidung in einen ermäßigten Satz, einen speziellen Satz für Dienstleistungen, einen stark ermäßigten Satz und einen Zwischensatz. In Luxemburg beträgt der Normalsatz 15 Prozent, der ermäßigte Satz 6 Prozent (z.B. Erdgas, Elektrizität, Friseurleistungen) und der stark ermäßigte Satz 3 Prozent (z.B. Nahrungsmittel, Arzneimittel, Zeitschriften). Des Weiteren gibt es einen Zwischensatz in Höhe von 12 Prozent (z.B. bestimmte Weine, Waschpulver und Putzmittel, Aufbewahrung und Verwaltung von Wertpapieren). Irland hatte seit 1972 bereits 30 Anpassungen bei den Mehrwertsteuersätzen. 1972 betrug der Regelsatz der Mehrwertsteuer 16,37 Prozent, bis 1983 kletterte der Satz auf 35 Prozent an und sank dann im Laufe der Jahre bis 2005 auf 21 Prozent.34 In der Schweiz sieht die Situation der Mehrwertsteuer ähnlich wie in der EU aus, allerdings mit deutlich niedrigeren Steuersätzen. Nicht alle Leistungen unterliegen dem gleichen Mehrwertsteuersatz. Die meisten Lieferungen von Gegenständen und fast alle Dienstleistungen unterliegen dem Regelsteuersatz in Höhe von 7,6 Prozent. Der reduzierte Satz, der fast alle Güter des täglichen Bedarfs, insbesondere Lebensmittel, Medikamente und Zeitungen, umfasst, beträgt 2,4 Prozent. Ein Sondersatz in Höhe von 3,6 Prozent gilt für Übernachtungen einschließlich Frühstück. In den Bereichen Gesundheit, Sozialwesen, Unterricht, Kultur, Geld- und Kapitalverkehr, Versicherungen, Vermietung von Wohnungen, Verkauf von Liegenschaften fällt keine Mehrwertsteuer an. Die Schweiz hatte 34 o.V. a) (2008), S. 24 ff.
26 sogar geplant, die Umsatzsteuer weiter auf 6 Prozent zu senken, um noch interessanter für ausländische Firmen zu werden.35 Abbildung 13: Mehrwertsteuersatz im EU-Vergleich Quelle: BROTUNDBUTTERBRIEF 35 Vgl. o.V. b) (2008).
27 7. Verfahren zur Bereinigung des HVPI von staatlichen Einflüssen 7.1 HVPI-CT Das primäre Ziel des HVPI ist die Inflationsmessung. Ein Anstieg des Preisniveaus, gemessen an der Veränderung des HVPI, kann jedoch nicht allein auf Marktprozesse, sondern auch auf staatliche Einflüsse zurückzuführen sein. Die Berechnung des Harmonisierten Verbraucherpreisindex zu konstanten Steuersätzen ist ein internationales Projekt, dessen Ziel es ist, einen HVPI zu berechnen, der die Veränderungen von bestimmten Steuern nicht als Preisveränderung nachweist und diese somit nicht indexwirksam werden lässt. Vergleicht man diesen mit dem aktuellen HVPI, so lässt sich die Auswirkungen einer Steuerveränderung an der Differenz quantifizieren. Im Gegensatz zu den bisher auf nationaler Ebene verwendetem Bereinigungsverfahren, bei dem komplette Waren oder Dienstleistungen aus der Berechnung ausgeschlossen werden, werden im Zuge der Berechnung des HVPI- CT nur gewisse staatliche Einflüsse herausgerechnet. Veränderungen des Preisniveaus aufgrund von Marktprozessen bleiben so weiterhin im Index mit berücksichtigt. Zu Beginn des Projekts wurde von Eurostat ein Handbuch, welches alle wichtigen Angaben hinsichtlich der Berechnungsmethode des HVPI-CT beinhaltet, an alle Projektteilnehmer ausgegeben. Hierdurch sollte die Vergleichbarkeit der Ergebnisse auf internationaler Ebene gewährleistet werden. In der ersten Projektphase wurden zunächst alle relevanten Steuerarten ermittelt, welche in die Berechnung des HVPI-CT einbezogen werden sollten. Ausgangspunkt hierfür war eine genaue Auflistung der Steuereinnahmen in der Bundesrepublik Deutschland nach Steuerarten. Hierfür wurden die Daten des Jahres 2004 genommen. Im darauffolgenden Schritt wurden die direkten Steuern aussortiert, die nicht hinzuzurechnen waren. Hierzu zählten die Steuern, die laut Definition des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung (ESVG 1995) festgelegt sind. 36 36 Vgl. Werner, Patrick (2006), S. 1278.
28 Im dritten Schritt wurden dann die Steuern aussortiert, die nicht Bestandteil des HVPI sind. Als Auswahlkriterium dient hierfür die HVPI- Verordnung Nr. 1687/98. Dazu zählen die Kraftfahrzeugsteuer, die Wettsteuer und alle Steuern die mit dem Erwerb oder Besitz von Wohneigentum verbunden sind. Am Ende der ersten Phase blieben folgende Steuerarten, die zur Berechnung des HVPI-CT einzubeziehen sind, übrig: - Verbrauchssteuern (Tabaksteuer, Kaffeesteuer, Branntweinsteuer, Schaumweinsteuer, Zwischenerzeugnissteuer, Mineralölsteuer, Stromsteuer, Biersteuer und Alcopopsteuer) - Umsatzsteuer - Versicherungssteuer - Feuerschutzsteuer In der Zweiten Phase wurde dann mit der Einbindung des HVPI-CT in die laufende Indexberechnung begonnen. Grundlage war hierfür die Schaffung eines Kalenders, der alle steuerlich wichtigen Maßnahmen ab Dezember 2002 für die in der 1. Phase ausgewählten Steuerarten enthält. Desweiteren wurden für die oben aufgeführten Steuerarten genaue Beschreibungen angefertigt, in denen alle Informationen hinsichtlich der Bemessungsgrundlage, der Entwicklung der Steuersätze ab Dezember 2002, die Gültigkeitsbereiche und die relevanten Güter des Warenkorbs genau dokumentiert wurde. Die Berechnungsperiode dieses Projektes erstreckt sich von Dezember 2002 bis Juni 2006. Getreu den Vorgaben von Eurostat wurden je die steuerliche Regelungen vom Dezember des Vorjahres für das Folgejahr konstant gehalten. Als Ergebnis dieses Projektes ergaben sich beträchtliche Differenzen bei den monatlichen Veränderungsraten. Grund für diese Unterschiede sind die in Schritt zwei erfassten Steuersatzänderungen zu diesen Zeitpunkten. Ein ähnliches Ergebnis lässt sich bei dem Vergleich der Jahresraten erkennen. Diese Ergebnisse sind auf den beiden nachfolgenden Graphiken nochmals zu erkennen.37 37 Vgl. Werner, Patrick (2006), S. 1278 f.
29 Abbildung 14: Differenz der Monatsraten zwischen dem HVPI und dem HVPI-CT Quelle: Wirtschaft und Statistik 12/2006 Abbildung 15: Differenz der Jahresraten zwischen dem HVPI und dem HVPI-CT Quelle: Wirtschaft und Statistik 12/2006 7.2 VPI ohne administrierte Preise Administrative Preise sind staatlich festgesetzte Preise, die nicht aus dem freien Spiel der Marktkräfte gebildet werden. Das Ergebnis wettbewerblicher Marktprozesse, die Preise für Güter und Dienste, passen Politikern oft nicht. Ohne
30 den Ursachen für die politisch als nachteilig angesehene Höhe von Preisen nachzugehen, werden Preise von Staats wegen beeinflusst (z.B. Steuern, Subventionen). Auf nationaler Ebene kam es schon zu Bestrebungen zur Bereinigung des nationalen Verbraucherpreisindex um die Auswirkungen 38 staatlicher Maßnahmen. Basierend auf Gutachten des Sachverständigenrates wurde eine Index „staatlich administrierter Preise“ berechnet welcher den Einfluss des Staates auf die Preise quantifiziert. Waren oder Dienstleistungen bei denen der Staat unmittelbar oder in einem deutlichen stärkeren Ausmaß als bei anderen Gütern Einfluss auf die Preisbildung nimmt, werden aus der Berechnung des VPI heraus gerechnet. Nachteil dieser Methode ist allerdings, dass komplette Gütergruppen aus der Berechnung des Verbraucherpreisindex herausgenommen werden, obwohl deren Preisentwicklung nicht ausschließlich auf staatliche Eingriffe zurückzuführen ist.39 8. Einfluss von direkten und indirekten Steuern auf Preise Die Erhöhung einer indirekten Steuer hat zur Folge, dass die Preise durch die Überwälzung der Kosten durch die Unternehmen auf die privaten Haushalte ansteigen. Hierdurch sehen die privaten Konsumenten direkt die Anhebung und merken, dass die Kaufkraft ihres Geldes schrumpft und das Preisniveau in die Höhe geht. Folglich sinkt das Realeinkommen der Verbraucher. Die Überwälzung der Kosten kann, wie oben beschrieben, über einen längeren Zeitraum geschehen und muss nicht immer stichtagsgenau sein. Werden hingegen die direkten Steuern angehoben, merken die Betroffenen sofort, dass ihre Kaufkraft abnimmt und ihr Realeinkommen sinkt. Bei z.B. einer Erhöhung der Einkommenssteuer nimmt das Netto-Einkommen der Haushalte direkt ab. Die Haushalte werden in den nächsten Lohnverhandlungen versuchen, die Einbußen durch höhere Lohnabschlüsse zu kompensieren. Diese für die Unternehmen entstehenden Kosten, haben wiederum Einfluss auf die Preiskalkulation der Produkte, die vermutlich teurer werden in der nächsten Periode. 38 Vgl. Werner, Patrick (2006), S. 1279 ff. 39 Vgl. Brümmerhoff, Dieter (2001), S. 312 f.
31 Erhöhungen von indirekten Steuern haben eine schnellere Durchschlagskraft auf die Preise, da sofort nach Bekanntgabe einer Steuererhöhung die Güter sich zum Teil verteuern. 9. Abschließende Bemerkungen Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass sowohl die indirekten Steuern als auch die direkten Steuern Einfluss auf die Preise haben. Die Literaturstudie ergab, dass bei indirekten Steuern eine beabsichtigte Überwälzung der Steuerlast auf die Preise durch die Unternehmen statt findet, während bei direkten Steuern der Einfluss auf die Preise eine eher unbeabsichtigte Wirkung zur Folge hat. Bei indirekten Steuern hat eine Erhöhung schneller Einfluss auf die Preise. Wie sich am Beispiel der Mehrwertsteuererhöhung erkennen lässt, finden Preiserhöhungen teilweise vor dem eigentlichen Anstieg der Steuern statt, sofern die Erhöhung frühzeitig bekannt gegeben wird. Die große Vorlaufzeit der Mehrwertsteuererhöhung lässt keinen stichtagsgenauen Anstieg des VPI erkennen. Die Preise wurden über eine längere Zeitspanne angehoben. Bei einzelnen Produkten hingegen ist sehr wohl eine Preiserhöhung zum 1. Januar zu erkennen gewesen. Werden hingegen die direkten Steuer erhöht, so sind die Auswirkungen erst mit einem time-lag zu erkennen. Begründet ist dies durch das sinkende verfügbare Realeinkommen der Arbeitnehmer. Diese fordern in den nächsten Lohnverhandlungen einen Ausgleich, was wiederum höhere Kosten für die Unternehmer darstellt. Diese steigenden Belastungen spiegeln sich in der Preiskalkulation wider und führen zu erhöhten Verkaufpreisen. Abschließend sei anzumerken, dass es bereits Bestrebungen gibt, diese staatlichen Einflüsse auf Preisindizes herauszufiltern, um eine bessere internationale Vergleichbarkeit zu ermöglichen.
32 Literaturverzeichnis Altmann, Jörn (2007) Wirtschaftspolitik, 8. Auflage, Stuttgart 2007. Becker, Michael (2008) Das ungeliebte Jubiläum, online im Internet: http://www.focus.de/finanzen/steuern/mehrwertsteuer/tid- 8423/mehrwertsteuer_aid_2 31092.html (Stand: 6. Mai 2008, Abfrage am 6. Mai 2008). Brümmerhoff, Dieter (2001) Finanzwissenschaft, 8. Auflage, München 2001. Deutsche Bundesbank (2006) Anhebung der Mehrwertsteuer und mögliche Vorzieheffekte, in: Deutsche Bundesbank - Monatsbericht, Mai 2006, S. 50 - 51. Deutsche Bundesbank (2008) Preis- und Mengenwirkungen der Mehrwertsteueranhebung zum 1. Januar 2007, in Deutsche Bundesbank - Monatsbericht, April 2008, S. 31 - 49. Graf, Gerhard (2005) Grundlagen der Finanzwissenschaft, 1. Auflage, Heidelberg, 2005. Kußmaul, Heinz (2006) Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 4. Auflage, München, 2006. Linz, Stefan / Behrmann, Timm / Müller, Tobias / Kott, Kristina (2006) Belastung der Haushalte durch die Mehrwertsteuererhöhung 2007, in: Wirtschaft und Statistik, November 2006, S. 1124 – 1129. Reding, Kurt / Müller, Walter (1999) Einführung in die Allgemeine Steuerlehre, 1. Auflage, München, 1999.
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