Verlagshäuser 2020 Herausforderungen in einem sich wandelnden Medienmarkt - Oktober 2010 - goetzpartners
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Die Autoren Inhalt Vorwort: Dr. Alexander Henschel, Digitale Schnellstraßen und klassische Pfade: Managing Director Wohin geht die Reise der Verlage? 3 1. These: Digitale Evolution statt Revolution: Trotz iPad und Co. wird das klassische Buch überleben – Verlage müssen sich aber auf die digitalen Formate einstellen und sie als Chance begreifen 4 Runar Friedrich, Senior Consultant 2. These: Das Geschäftsmodell der Verlage wird sich entscheidend ändern: Im Fokus steht die qualitative Wissens- vermittlung und eine Ausdehnung des Produktangebotes 11 3. These: Die neuen technischen Möglichkeiten bringen die Verlage in die „Komplexitätsfalle“: Die Einbindung von Bewegtbildern als die nächste Herausforderung 17 Die zehn wichtigsten Erkenntnisse für Buchverlage 20 Studiendesign 22 Abbildungsverzeichnis 22 Über goetzpartners 23 Herzlicher Dank an Sara-Sumie Yang für die tatkräftige Mitarbeit bei der Erstellung der Studie sowie Manuela Nikui und Birgit Gelsdorf für ihre Unterstützung.
Vorwort _ 3 Vorwort Digitale Schnellstraßen und klassische Pfade: Wohin geht die Reise der Verlage? Schon vor Jahren wurde ein radikaler Wandel im Medienmarkt und der Buch- branche ausgerufen. Das Internet werde alles in sich „aufsaugen“ und das klas- sische Buch ersetzen. Wie sich zeigte, leben Totgesagte länger. Mit dem Auftau- chen von Smartphones und Tablet-Computern im Markt geht diese Diskussion in eine neue Runde. Spätestens seit Apple mit dem iPhone und iPad und einer riesigen Marketingmaschine im Hintergrund in den Markt drängt, fragen sich viele Verlagshäuser, welche Risiken, aber auch welche Chancen sich durch diese neuen Formate und Märkte ergeben. Wurden wichtige Entwicklungen verschla- fen? Ist man bereits im Hintertreffen und auf die neuen Player Apple, Google und Co. angewiesen? Unbestritten ist, dass sich Medienmarkt und Mediennutzergewohnheiten stark verändern. Die neuen Endgeräte und Applikationen verleihen diesem Wandel eine neue Dynamik. Verlage konkurrieren nicht mehr nur untereinander, sondern müssen sich auch gegen neue Wettbewerber wie Google, Amazon oder Apple behaupten. Dadurch entstehen andererseits attraktive neue Möglichkeiten: Die Wertschöpfungskette der Verlage wird in ihrer letzen Stufe erweitert und diversifiziert. Außerdem erlauben neue Produkte, Vertriebsmöglichkeiten und Umsatzquellen den Verlagen, in benachbarte Bereiche ihres Stammgeschäftes vorzustoßen. So bieten bereits heute z. B. einige Fachverlage neben dem eigent- lichen Inhalt auch Software und Schulungen an. goetzpartners hat im Rahmen dieser Studie Geschäftsführer und Bereichslei- ter (IT, Neue Medien, Produktentwicklung) von 25 der Top 50 Buchverlage in Deutschland interviewt, darunter unter anderem Fachbuch- und Belletristik- Verlage sowie Sach- und Schulbuchverlage. Aus den Ergebnissen und aufgrund umfassender Projekterfahrung hat goetzpartners drei zentrale Thesen für das zukünftige Geschäftsmodell und die aktuellen Herausforderungen der Verlage abgeleitet. Im Grundsatz gelten diese für jede Art von Verlagshaus. Die Studie weist aber auch auf die unterschiedliche Relevanz für die verschiedenen Verlags- arten (Fachbuch, Belletristik etc.) hin. These 1 analysiert die Umsatzseite der digitalen Medien. Darauf aufbauend zeigt These 2 die Veränderungen der Geschäftsmodelle der Verlage auf. These 3 fasst die aktuellen Herausforderungen rund um die Bewältigung der Komplexität der neuen Medien zusammen. Die Studie zeichnet ein realistisches Bild der Herausforderungen und Entwick- lungen der Verlagshäuser für das aktuelle Jahrzehnt.
4 _ Verlagshäuser 2020 1. These: Digitale Evolution statt Revolution Trotz iPad und Co. wird das klassische Buch überleben – Verlage müssen sich aber auf die digitalen Formate einstellen und sie als Chance begreifen Obwohl iPad und Co. den E-Book-Hype ankurbeln und dem elektronischen Buch eine großartige Zukunft eröffnen, führt das E-Book vor allem in der Belletristik bislang eher ein Nischendasein. Die digitalen Umsätze werden zwar in den kommenden Jahren ansteigen, das klassische Buch wird sich aber langfristig nicht von elektronischen1 Formaten verdrängen lassen. In den nächsten Jahren wird es weiterhin den Hauptumsatz der deutschen Buchverlage ausmachen. Dennoch müssen sich die Verlage auf eine Zu- kunft einstellen, die in allen Lebensbereichen von einer immer weiter zu- nehmenden Digitalisierung bestimmt wird, und schon heute dafür Sorge tragen, den Zug in die digitale Zukunft nicht zu verpassen. Abbildung 1: Umsatzentwicklung digitaler Digitale Umsätze: Gegenwart und Zukunftsaussichten Medien je nach Verlagsart [in %-Punkten vom Umsatz] Betrachtet man aktuelle Verkaufszahlen, stellt man fest, dass – mit Aus- Status quo Wachstum Prognose 2015 nahme der Fachverlage – der bisher mit digitalen Medien erzielte Umsatz +9–14% +10–15% eher marginal ist (Abbildung 1). Während sich der Anteil digitaler Medien Belletristik 1% am Gesamtumsatz2 im Bereich der Fachliteratur im zweistelligen Bereich +25% 50–75% bewegt und bei einigen Fachverlagen sogar schon zu einem bedeutenden 25–50% Umsatzmotor entwickelt hat, liegt dem Börsenverein des Deutschen Buch- handels zufolge der Umsatzanteil von elektronischen Büchern in der Belle- Fachinformation/ Wissenschaft tristik noch unter einem Prozent. Die vorliegende Studie bestätigt diese Einschätzung. +10% 20–25% 10–15% Andere Verlage* Die unterschiedliche Ausgangssituation der verschiedenen Verlagsarten * Unter andere Verlage fallen Lehr- und Schülbücher, Kinderbücher zeigt sich besonders deutlich in den Umsatzzahlen. Für Fachverlage sind und Tourismuspublikationen die Umsatzzahlen der digitalen Medien bereits heute deutlich höher Grundwert Schwankung (Schwankung zwischen 25%–50% laut Befragung). Sie haben in den letzten (goetzpartners) Jahren den Wandel bereits eingeleitet und mit spezifischen Angeboten für ihre Zielgruppen Paid-Content-Angebote entwickelt sowie eine Diversifi- zierung in neue Produktangebote angestoßen. Für alle Verlagsarten kris- tallisiert sich heraus, dass Wachstum nur im digitalen Segment möglich ist und dessen Bedeutung entweder noch zunimmt (Fachverlage) oder in den nächsten Jahren zu einem neuen „Standbein“ werden wird. 1) Die Worte „elektronisch“ und „digital“ werden im Rahmen dieser Studie synonym verwendet 2) Digitale Medien umfassen E-Books, elektronische Zeitschriften, Hörbücher, DVDs sowie Software
1. These: Digitale Evolution statt Revolution _ 5 E-Book-Markt USA: Ein Blick über den großen Teich Blickt man auf die andere Seite des Atlantiks, zeigt sich, dass die Vereinig- Abbildung 2: E-Book-Umsätze in den USA ten Staaten bereits einen Schritt weiter sind, was die Verbreitung von elektronischen Büchern und digitalen Lesegeräten betrifft. Vor allem seit 2006: Nov. 2007: März 2010: Die ersten Sony der Einführung von Amazons E-Book-Reader Kindle sind die Umsätze in Reader sind Kindle-Start in den USA Verkaufsstart von Apples iPad erhältlich die Höhe geschnellt. Schätzungen zufolge macht der Umsatzanteil der E-Books in den USA bereits etwa 5% aus. Laut dem Branchenverband 1.200 +887 Association of American Publishers belief sich der Umsatz mit E-Books [Umsatz in Mio. EUR] 2009 auf 313 Millionen Dollar. Mit einem Umsatzplus von 177% ist das 600 +246 E-Book damit größter Wachstumsmotor in der Buchindustrie. Im ersten +47 313 Halbjahr wuchs der Markt um satte 200%. Bis 2015 wird sich dieses 20 30 44 54 67 113 Wachstum fortsetzen und ein Marktvolumen von ca. 3 Mrd. US-Dollar 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010e 2015e erreichen (Abbildung 2). Wir gehen davon aus, dass dieses Wachstum zu (goetzpartners) ca. zwei Drittel den klassischen Buchmarkt „kannibalisieren“ und das letzte Drittel in realem Wachstum umgesetzt wird. Auch in den USA profitieren vor allem die Fachverlage von dem starken Wachstum, aber im Gegensatz zu Deutschland werden in den USA auch immer mehr Belletristik-Titel in elektronischer Form verkauft. Allerdings gehen die Experten davon aus, dass das klassische Buch weiterhin der Hauptumsatzträger bleibt und die digitalen Formate der Wachstumsmo- tor sind. Neue Chancen in der digitalen Welt Die multimedialen Möglichkeiten eröffnen den Verlagen eine aufregende, neue Welt. Neben den Fachverlagen nehmen vor allem auf bestimmte Be- reiche fokussierte Verlage, wie z. B. Ratgeber- oder Reiseverlage, digitale Formate als Chance wahr, die dem Anwender attraktiven Zusatznutzen und bei den Produkten Raum für Innovationen bieten. Multimedialität: Texte lassen sich mit Audio- und Bild-Elementen er- gänzen. Videos und Animationen können Dinge veranschaulichen, die bisher mit Text beschrieben wurden. Das iPad sticht gegenüber seiner aktuellen Konkurrenz vor allem durch seine Vielfarbigkeit und den Touchscreen hervor, ein Feature, mit dem sich viel Neues gestalten lässt. Autoreninterviews, Audiokommentare oder Videoanleitungen z. B. für Kochbücher könnten das gedruckte Wort ergänzen und Inhalte veranschaulichen. Interaktivität: Tablets ermöglichen auch die Miteinbeziehung des Le- sers durch interaktive Inhalte beispielsweise bei Ausbildungspubli- kationen. So können Lerninhalte direkt abgefragt oder vertiefende Informationen und Links direkt neben der Hauptinformation platziert werden. Der User hat auf der anderen Seite die Möglichkeit, ortsunab- hängig und zu jeder Zeit Informationen einzuspielen.
6 _ Verlagshäuser 2020 Aktualität: Digitale Formate bieten die Möglichkeit, dass Inhalte stets auf dem neuesten Stand sind und leicht aktualisiert werden können. Ein Feature, das in einer schnelllebigen Welt von essenzieller Bedeu- tung ist. Mobilität: Tablets ermöglichen flexiblen Medienkonsum. Nutzer kön- nen überall auf Inhalte zugreifen. Zukünftig könnten Tablets nicht nur als Unterhaltungsgerät fungieren, sondern sich auch in der Arbeitswelt etablieren, z. B. als multifunktionaler Wegweiser bei Begehungen oder für digitale Krankenakten. Personalisierung: Inhalte könnten zukünftig stärker auf den jeweiligen Nutzer zugeschnitten werden, z. B. mit dem eigenen Wunschbuch oder der individuellen Zusammenstellung von Fachinformationen. „Vor allem in der Belletristik Digitale Zukunftsvisionen vs. greifbare Realität: Unterschiedliche Zielgruppen haben unterschiedliche Präferenzen werden elektronische Produkte als eher flüchtig wahrgenommen auf- Entscheidend für die Zukunft klassischer Druckerzeugnisse bleibt letztlich grund der begrenzten Haltbarkeit die Einstellung der Leser. Fest steht, dass bestimmte Printprodukte, wie von Datenträgern, Endgeräten und z. B. Kinderbücher oder Bildbände, aufgrund der besonderen Ausgestal- tung ihrer Haptik weiterhin für ihre Zielgruppe attraktiv bleiben. Aber auch Software-Programmen.“ hier zeigen sich in den USA bereits neue Tendenzen und Trends, die nach Dr. Hermann Riedel, Carl Hanser Verlag Deutschland überschwappen könnten. Vor allem im Bereich Kinderbuch nutzen Verlage die digitalen Formate, um Inhalte mit Animationen und Geräuscheffekten zu versehen und um Interaktion und Partizipation zu er- möglichen. Disney ist dabei ein früher Marktführer, was den Verkauf von Kinder-E-Books betrifft. Aber auch die anderen Kinderbuchverlage tüfteln an innovativen Ideen, wie z. B. einem Do-it-yourself-Programm, mit dem Eltern, Großeltern oder Kinder selbst Geschichten in ihrer eigenen Stimme aufnehmen können. Trotz dieser digitalen Tendenzen glauben auch die Abbildung 3: Anteil der Verlage mit digitalen amerikanischen Verlage noch nicht daran, dass das klassische Kinderbuch Produkten im Markt vom Aussterben bedroht ist. 100% Anders als in der Belletristik verhält es sich im Fachbuchbereich. Hier ver- langen Kunden vermehrt nach elektronischen Formaten. Während die 67% 82% 80% Bereits im Markt Publikumsverlage weiterhin auf Printausgaben setzen, wird Fachliteratur vor allem aus dem wissenschaftlichen, technischen und medizinischen Be- 0% 11% In Planung reich bereits seit Jahren in elektronischer Form publiziert. 9% Nur Print- 20% 22% produkte 9% Fach- information/ Belletristik Andere Verlage Die Verbreitung mobiler Endgeräte: Entscheidend für die Verbreitung Wissenschaft digitaler Formate (goetzpartners) Ob sich die elektronischen Formate gegenüber den klassischen Printaus- gaben durchsetzen, hängt letztlich von der Verbreitung der Endgeräte, der
1. These: Digitale Evolution statt Revolution _ 7 Preispolitik für die digitalen Formate und dem direkten Zugang und der einfachen Nutzung vielfältiger Applikationen für den Endkonsumenten ab. Bislang bewegen sich die Endgeräte in einer Preiskategorie, welche eine flächendeckende Verbreitung erschwert. Erst wenn Tablet-Computer und die darauf abspielbaren digitalen Inhalte zu erschwinglichen Preisen er- hältlich sind, wird es zu einem digitalen Durchbruch kommen. Ein in Indien vorgestellter Tablet-Prototyp für 35 Euro zeigt, dass auch hier ein Wandel im Gange ist. Bis zum Start der IFA in Berlin 2010 hatten rund zwei Dutzend Hersteller „Durch die Kombination der tech- den Start eines eigenen Tablet-Computers angekündigt. Von dem rasant nischen Möglichkeiten mobiler wachsenden Markt wollen sich viele Anbieter eine Scheibe abschneiden. Da viele aber lediglich ein Me-too-Produkt ohne echte Differenzierung an- Computer mit einem für Printmedien bieten, wird sich der Markt sehr schnell konsolidieren. Am Ende werden hochgradig kompatiblen Formfaktor etwa vier bis fünf Endgeräte den Markt dominieren. und Bedienkonzept bieten Tablets ein enormes Potential für Verlage. Für die Verlage bedeutet dies zum einen, ihre Inhalte unabhängig vom End- gerät anzubieten (siehe These 3), und zum anderen aber auch, sich unabhän- Neben der multimedialen Präsen- gig von singulären Vertriebsstrategien und Partnern zu machen. tation der Inhalte, etwa durch die Integration von Videos oder Podcasts, Die Bedeutung des iPads eröffnen sich gerade für Reiseverlage Eine herausragende Stellung im Markt der Tablet-Computer hat das iPad vollkommen neuartige Anwendungs- als Pionier. Von den meisten Verlagen wird das iPad als Beginn einer neu- möglichkeiten - beispielsweise die en Technologiegeneration gesehen, das die Entwicklung neuer Produkte individuelle Steuerung medialer ermöglicht. Ob sich das Apple-Produkt letztlich durchsetzen wird, bleibt offen. Schon heute wird es aufgrund mangelnder Multitasking-Fähigkeit Inhalte unter Berücksichtigung von und Schnittstellen vielfach kritisiert. Der begrenzte Nutzen und Mehrwert aktuellem Standort oder persön- des iPads für die spezifischen Kundengruppen der Fachverlage erklärt auch lichen Präferenzen des Nutzers.“ die zurückhaltenden Angebote der Fachverlage für dieses Gerät (nur 18% Carolin Hauber, MAIRDUMONT sind im Markt bereits vertreten). Momentan werden Tablet-Computer vor allem als ein Unterhaltungsgadget für private Haushalte gesehen. Daher haben Belletristik-Verlage bei den iPad-Formaten die Nase vorn – bereits 50% der befragten Verlage bieten E-Books an, die auf dem iPad gelesen werden können. Abbildung 4: Angebote für das iPad Für die meisten (Fach-)Verlage steht fest, dass Tablet- Computern in Zukunft eine bedeutende Rolle zu- 100% kommen wird. Grundsätzlich zeigen die Verlagshäuser Formate für iPad auf dem Markt 32% 18% 40% 44% keine besonderen Präferenzen für einen spezifischen Angebote für 36% 36% Gerätetyp. Die technische Umwandlung und umfas- iPad geplant 40% 33% Keine Angebote 45% sende Präsenz der Inhalte auf die gängigsten Endge- für iPad geplant 32% 20% 22% räte (iPad oder WeTab, Kindle oder Sony Reader) blei- Gesamt Fachinformation/ Wissenschaft Belletristik Andere Verlage ben die zentrale Herausforderung. (goetzpartners)
8 _ Verlagshäuser 2020 Kontroversen um die Preisgestaltung bei E-Books oder „Wer hat Angst vorm Elektrobuch?“3 Mit dieser Frage konstatiert „DIE ZEIT“, dass technische Neuerungen seit jeher von Panik begleitet werden, und beschreibt das Unbehagen einiger Verlagshäuser angesichts der neuen Formate. Die eher defensive Hal- tung gegenüber elektronischen Büchern zeigt sich unter anderem bei der Preisgestaltung für E-Books. Anstatt das digitale Geschäft in ihrem Sinne zu steuern und durch ein attraktives Pricing das Wachstum im Segment E-Books anzukurbeln, treten die Verlage auf die Bremse. Die Hoffnung von technologiebegeisterten Lesern, dass Verlage mit Bü- chern im digitalen Format Material-, Druck-, Lager- und Versandkosten sparen und damit auch die Preise für E-Books senken, konnte sich bislang nicht verwirklichen. Stattdessen führte die Mehrheit der Verlage eine Pricing-Strategie ein, bei der das E-Book lediglich 10% bis 20% unter der gedruckten Version erhältlich ist. E-Books zu Dumpingpreisen, wie sie beispielsweise in den USA über das Internetkaufhaus Amazon angeboten werden, soll es in Deutschland bis auf Weiteres nicht geben – das verhin- dert die Buchpreisbindung, die auch für E-Books gilt und den Verlagen die Hoheit über die Preisgestaltung zuspricht. In den USA hat sich eine große Kontroverse um die Preise von E-Books entwickelt. Zum Unmut der Verlagshäuser hat sich über Amazon bereits der Standardpreis von $ 9,99 für E-Books etabliert. Mit seiner Dumping- Strategie will Amazon Marktanteile gewinnen und den Kindle-Verkauf vorantreiben. Nicht ohne Erfolg: 2009 liefen ca. 80% der E-Book-Umsätze über Amazon. Während das Unternehmen E-Books unter dem Einkaufs- preis verkauft, befürchten die amerikanischen Verlagshäuser, dass die Preise für E-Books letztlich so niedrig werden, dass keine gebundenen Ausgaben mehr gekauft werden und die Verlage damit ihre Geschäfts- grundlage verlieren. Mit dem iPad und Apples Bookstore iBooks hat zur Freude der US-Verlagshäuser ein neuer großer Player die Bühne betreten. Bislang räumt Apple den Verlagshäusern bessere Preiskonditionen als Amazon ein. Dadurch gewinnen die Verlage zwar an Verhandlungsmacht gegenüber Amazon, laufen jedoch Gefahr, ihre Abhängigkeit von Amazon zu Apple zu verlagern. Aber nicht nur Apple, auch der Suchmaschinen- riese Google möchte mit seinem Bookstore Google Editions Amazon die marktbeherrschende Stellung streitig machen und das E-Book-Business aufmischen. Mit der Ankündigung des Verkaufs der US-Buchhandels- kette Barnes & Noble im August 2010 wird erwartet, dass sich auch der Buchhandelsriese mit seinem eigenen Lesegerät („Nook“) und dem nach eigenen Aussagen größten E-Book-Shop der Welt künftig auf den Absatz digitaler Leseprodukte konzentrieren wird. 3) DIE ZEIT, 22.10.2009, Nr. 44
1. These: Digitale Evolution statt Revolution _ 9 Der Preisstreit und die damit verbundene akute Sorge der Buchverlage um den Absatz von gedruckten Ausgaben ist aufgrund der hiesigen Buch- preisbindung nur bedingt auf Deutschland übertragbar. Jedoch müssen sich auch hierzulande die Verlagshäuser Gedanken machen, wie sie den Riesen Amazon, Apple und Google begegnen. Schwierig wird es außerdem in Zeiten des digitalen, globalisierten Buchhandels, Regeln wie die Buch- preisbindung aufrecht zu erhalten. Auch die nach wie vor schwächelnde Musikbranche, welche sich lange Zeit gegenüber neuen Geschäftsmodel- len verschlossen hat und für MP3-Alben denselben Preis verlangte wie für CDs, zeigt den Buchverlagen auf, wie es nicht laufen sollte. Digitale Formate als Chance für Innovationen und neue Geschäftsmodelle Ohne eine klare Differenzierung des Produktes wird der Preis von E-Books eine dominante Rolle spielen. Denn für eine Datei möchte keiner so viel zahlen wie für das gedruckte und gebundene Äquivalent, das man in die Hand nehmen, verschenken und signieren lassen kann und das zudem ohne Lesegerät und Strom funktioniert. Die Verlage müssen die neuen Formate daher als Chance sehen und sich neuen Geschäftsmodellen öffnen. Ziel muss es sein, mit den digitalen For- maten dem Kunden erweiterte Produkteigenschaften anzubieten, die für die jeweilige Kundengruppe einen echten Mehrwert bedeuten. Mit der Zeit werden sich die Endgeräte und die darauf erhältlichen Applikationen in ihrer Funktionalität stark erweitern, sodass neue Anwendungsmög- lichkeiten denkbar sind. Bereits heute schaffen iPad und Co. eine Reihe von Möglichkeiten, die sowohl im Wissenschafts- und Fachbuchbereich (z. B. digitale Krankenakten und Diagnostik) als auch in der Belletristik (z. B. integrierte Audiokommentare oder Videos) oder bei anderen Verla- gen (z. B. Kochbuchanimationen, Reisepublikationen mit GPS-Verbindung) Mehrwert generieren können. Paid-Content-Modelle: Mit echtem Mehrwert von „alles kostenlos“ Inter- net Mentalität zur Zahlungebereitschaft Die zentrale Herausforderung für Verlage wird zukünftig darin bestehen, „Digitale Erlösmodelle frei von mit ihren digitalen Produkten einen echten Mehrwert für die Kunden zu Abhängigkeiten großer Player schaffen. Denn nur dann werden Kunden bereit sein, für diese Produkte gleich viel oder sogar noch mehr zu bezahlen. werden am Markt hände- ringend gesucht.“ Die ersten Schritte bei der Einführung neuer Produkte im digitalen Bereich David Obando, Egmont Ehapa prägen das Nutzerverhalten. Im Internet hat sich der Kunde an die kosten- lose Verfügbarkeit der Informationen gewöhnt. Eine spätere „Umerzie- hung“ ist zum Scheitern verurteilt. Daher gilt es, von Beginn an die richtige Preisstrategie zu wählen und eine Balance zwischen Preisakzeptanz der Kunden und Erlösmaximierung der Verlage zu erzielen.
10 _ Verlagshäuser 2020 „Neue Produktformen, neue Ob es in den nächsten Jahren zu einem Mentalitätswechsel bezüglich der Zahlungsbereitschaft kommt, hängt daher im Wesentlichen davon ab, wie Geschäftsmodelle sowie neue die Verlage sich verhalten und strategisch positionieren. Vertriebswege, die einen echten Mehrwert für den Kunden auf- Trend zur Mitwirkung der Kunden bei der Content-Gestaltung zeigen, werden zukünftig noch Um Mehrwert zu schaffen, muss man wissen, was die Kunden bewegt und mehr an Bedeutung gewinnen.“ einen Mehrwert bedeutet. Im nächsten Schritt gilt es herauszufinden, wo- Michael Bruns, Weka Media für der Kunde bereit ist zu bezahlen. Dementsprechend werden Verlage darauf abzielen, die Kunden stärker in die Content-Gestaltung mit einzu- beziehen. Um die Wünsche, Präferenzen und Bedürfnisse der Kunden zu identifizieren, muss die Interaktion mit dem Kunden institutionalisiert und gepflegt werden. Abbildung 5: Nutzung von Social-Media- Die neuen Medien bieten, z. B. über eigene Online-Shops, die Möglich- Aktivitäten der Verlage keit, direkten Kundenkontakt herzustellen, mehr über das Medienver- halten der Leser zu erfahren und dabei die großen Buchhandelsketten Accounts bei Facebook/Twitter/Xing 36% zu umgehen. Die meisten Verlage verfügen bereits über eigene Web- Eigene Online- Shops. Während das webbasierte Geschäft bei Fach- und Wissen- 8% Community-Plattform schaftsverlagen stark ausgeprägt ist und bereits einen bedeutenden Beides 28% Anteil am Gesamtumsatz ausmacht, spielt der stationäre Buchhandel im Bereich Belletristik und bei anderen Verlagssegmenten nach wie vor Keine Social-Media- Präsenz 28% eine große Rolle. Online-Vertriebskanäle werden jedoch immer wich- tiger und sollen in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden. (goetzpartners) Auch über Social Media und Online Communities können Kundenkon- takte etabliert, neu gestaltet und gepflegt werden. Jedoch zeigen sich hier Grenzen auf. Aufbau und Pflege einer Community ist in der Regel mit hohen Kosten verbunden, wenn es darum geht, einen geschützten Raum mit Moderation und Management zu etablieren. Insgesamt be- trachtet man in der Verlagsbranche die Bedeutung und Wirksamkeit von Accounts bei Facebook & Co. als eher gering. Die bloße Präsenz in den gängigen Social-Media-Foren bringt aus Sicht der Verlage wenig. Da sich Social-Media-Nutzer jedoch gerne von Empfehlungen anderer Nutzer beeinflussen lassen, können die Verlagshäuser mit innovativen und pfiffigen Ideen versuchen, sie auf sich aufmerksam zu machen. Fast alle Verlage haben im Rahmen der Befragung angegeben, dass sie im Bereich Social Media präsent sein wollen. Sie testen die etablierten Foren an, ohne sie jedoch überstrapazieren zu wollen. Teilweise wer- den auch eigene Communities aufgebaut.
2. These: Das Geschäftsmodell der Verlage wird sich entscheidend ändern _ 11 Digitale Evolution statt Revolution Während einige Enthusiasten bereits die größte Revolution seit der Er- findung des Buchdrucks proklamieren, betrachten die meisten Verlage in der Buchbranche die aktuellen Entwicklungen eher nüchtern. Dennoch verfolgen sie mit großer Aufmerksamkeit, wie sich der Markt entwickelt. Statt einer digitalen Revolution, welche radikale Veränderung und Wandel impliziert, entspricht die zunehmende Digitalisierung in der Buchbranche eher einer digitalen Evolution, einer Entwicklung, die graduell das Verlags- wesen verändern wird. Kritisch wird für die Verlage sein, sich bereits jetzt auf die kommenden Änderungen einzustellen und den Markt und die Kunden zu kennen. Ziel der Verlagshäuser muss es sein, die Veränderung in ihrem Geschäftsmo- dell frühzeitig einzuleiten und aktiv das Marktumfeld mitzugestalten, um nicht am Ende nur mit- oder gar hinterherzulaufen. 2. These: Das Geschäfts- modell der Verlage wird sich entscheidend ändern Im Fokus steht die qualitative Wissens- vermittlung und eine Ausdehnung des Produktangebotes Auf Basis der im vorigen Kapitel skizzierten digitalen Evolution ergeben sich weitreichende Änderungen im Geschäftsmodell für jede Art von Ver- lag. Auf der einen Seite steht die allgegenwärtige Bedrohung frei verfüg- barer Informationen oder auch Raubkopien im Internet, auf der anderen drängen neue Wettbewerber wie z. B. Amazon oder Google in die klassi- schen Märkte der Verlage ein und überbrücken deren Wertschöpfungskette (z. B. bietet Amazon zunehmend Verlagsaktivitäten für Autoren an). Die digitale Entwicklung ermöglicht es den Verlagen aber auch, ihr An- gebotsspektrum zu erweitern und in angrenzende Produktbereiche vor-
12 _ Verlagshäuser 2020 zudringen. Der Rückgang des klassischen Printgeschäftes soll über ein Wachstum in Bereichen wie z. B. Erweiterung des Angebots durch Dienst- leistungen, Ausbau des Online-Angebots oder neue Produkte mehr als kompensiert werden. Mit diesem Schritt betreten viele Verlage allerdings Neuland und müssen ihre Organisationsstrukturen und internen Prozesse verändern. „Fachinformationen werden Printverlage werden zu Content-Providern mit erweitertem Aufgaben- spektrum und müssen sich gegen den Konkurrenten Internet abgrenzen in der heutigen Zeit vermehrt von Nicht-Verlagen gemacht.“ Heute befinden sich die Verlage nicht mehr nur in einem Konkurrenzver- Norbert Froitzheim, hältnis untereinander. Vor allem gegenüber dem Informationslieferanten Deutscher Ärzte-Verlag GmbH Internet müssen sich die Verlage immer stärker behaupten und ihre Da- seinsberechtigung erkämpfen. Das Internet bietet nicht nur eine Fülle kos- tenloser Information, sondern ermöglicht auch jedem Einzelnen, als Autor aufzutreten und seine Werke zu veröffentlichen, z. B. über Open-Access- „Größter Wettbewerber bleibt Plattformen. Die traditionelle Rolle der Verlage wird dadurch immer weiter infrage gestellt. das Internet und das kostenlose Angebot von Information.“ Um nicht durch das Internet marginalisiert zu werden, müssen Verlage Michael Bruns, Weka Media ihren Mehrwert deutlich herausarbeiten: Hierbei könnten Verlage als Qualitätsgaranten und Gatekeeper gesi- cherten, unvoreingenommenen und geprüften Wissens auftreten und dadurch dem ungefilterten und kostenfreien Informationsangebot des Hauptkonkurrenten Internet entgegentreten. Auch gegenüber den Autoren müssen Verlage ihren Mehrwert aufzeigen, um sie nicht an Open-Access und Self-Publishing-Plattformen oder Amazon4 zu verlie- ren. So könnten sich Verlage künftig als Ideenfabriken positionieren, die sich um die Vermarktung und den Vertrieb der Inhalte auf allen Kanälen bemühen. Auch der Auf- und Ausbau von Markenbildung um das Produkt Buch, sei es nun in elektronischer Form oder als Printerzeugnis, könnte eine erfolgversprechende Strategie darstellen, um sich in der Branche und gegenüber dem Internet zu positionieren. In diesem Sinne könnten „Welten um das Buch“ geschaffen werden, z. B. mit Events oder zu- sätzlichen Merchandise-Artikeln. So könnten zu Kochbüchern entspre- chende Veranstaltungen angeboten oder Kinderbücher mit Videospie- len und Spielsachen ergänzt werden. Auch Online Communities und virtuelle Foren, in denen sich Leser austauschen können, tragen zur Markenbildung bei. 4) Amazon wagt sich mit seinem Encore-Programm immer weiter auf das Gebiet klassischer Verlagsarbeit. Das Programm wählt anhand von Kundenrezensionen erfolgversprechende Debutanten aus, die über Amazons Self-Publishing-Service BookSurge veröffentlichen, und bietet ihnen die Möglichkeit, über den Amazon Store als Hardcover, Kindle-Book oder Hörbuch zu publizieren. Damit schafft es Amazon, Verlage zu umgehen und direkt mit den Autoren zu verhandeln.
2. These: Das Geschäftsmodell der Verlage wird sich entscheidend ändern _ 13 Das Angebot zusätzlicher Dienstleistungen eröffnet ebenfalls neue Möglichkeiten für Umsatz und Differenzierung gegenüber anderen Verlagen und dem Internet. In diesem Sinne bieten diverse Fachverlage schon heute Dienstleistungen wie Schulungen, Seminare, Beratungen oder Help-Desk-Services für Software und Inhalte an. Einige Verlage arbeiten hier auch vermehrt mit Start-up-Unternehmen zusammen, nicht nur um die entsprechenden Dienstleistungen anzubieten, son- dern auch um mit ihrer Zielgruppe noch enger in Kontakt zu treten. Der Ausbau eines auf Mehrwert ausgerichteten Online-Angebots bie- tet den Verlagen die Möglichkeit, in die Offensive zu gehen. Die ge- schickte Verknüpfung von Print- und Online-Produkten kann sogar den Absatz von Printerzeugnissen fördern, wenn sich mit dem Kauf des Printprodukts zusätzliche Informationen abrufen lassen. Digitale Er- gänzungen, Kombi-Produkte und Online Tools müssen jedoch für den Kunden echten Mehrwert bedeuten. Letztlich kann auch die Entwicklung neuer Produkte, welche auf Ta- blets zugeschnitten sind und die multimedialen Möglichkeiten aus- schöpfen, die Verlage davor bewahren, an Bedeutung zu verlieren. Technische Neuerungen werden die Schaffung neuer Produkte weiter- hin vorantreiben. Einige wenige experimentierfreudige Verlage haben sich bereits an die 3D-Technologie gewagt und testen hier neue Mög- lichkeiten aus. Aufbruch in eine digitale Zukunft: Welche Strategie verfolgen die Verlagshäuser? Die Einstellung gegenüber digitalen Medien variiert entsprechend der je- weiligen Ausrichtung des Verlags. Während man im Bereich Belletristik die elektronischen Formate aus einer eher reservierten Perspektive betrachtet, begegnet man im Fachbuchbereich und bei der Gruppe der „anderen Ver- lage“ (Schwerpunkt Schul-/Lehrbuch, Kinder-/Jugendbuch, Ratgeber etc.) bereits vorsichtiger Euphorie angesichts der neuen Möglichkeiten. Dabei sind viele Belletristik-Verlage mit digitalen Angeboten vor allem für das iPad am Markt vertreten – jedoch werden diese Themen nur vereinzelt an- geboten und opportunistisch verfolgt. Eine konsequente Vorwärtsstrate- gie zeichnet sich nicht ab. Unabhängig davon, ob Fach-, Sach- oder Belletristik-Verlag, beobachten alle Verlagshäuser sehr genau, wie sich der Markt für Tablets, Smartphones und digitale Inhalte entwickelt. Betrachtet man die Strategie der Verlage im Bereich digitaler Medien im Einzelnen, zeigt sich jedoch ein deutlich
14 _ Verlagshäuser 2020 differenziertes und uneinheitliches Bild. Die einzelnen Verlagshäuser sind unterschiedlich weit, was den Aufbruch in die digitale Zukunft betrifft, und lassen sich dementsprechend in die folgenden drei Kategorien einordnen. Als „First Mover“ werden diejenigen Verlagshäuser bezeichnet, die schon vor einiger Zeit begonnen haben, sich in verstärktem Maße auf digitale Medien auszurichten und ihre technischen Kapazitäten aus- zubauen, um alle Ausgabekanäle zu bedienen. Diese Verlage befinden sich bereits im Prozess der Umsetzung ihrer digitalen Strategie und bieten in größerem Umfang digitale Produkte an. Einerseits reagie- ren „First Mover“ proaktiv auf den Trend der Digitalisierung und sind investitions-, innovations- und experimentierfreudig, was die neu- en Medien betrifft. Auf der andern Seite laufen sie Gefahr, knappe Ressourcen falsch einzusetzen und jeden Trend mitzugehen. Die „Followers“ dagegen sind gerade noch dabei, sich strategisch neu zu positionieren, oder befinden sich bereits in den Startlöchern. Auch wenn das digitale Angebot momentan noch nicht sehr ausgeprägt ist, wurden bereits Vorkehrungen getroffen, um auf zunehmende Di- gitalisierung und verändertes Nutzerverhalten zu reagieren. Digitale Formate und Online-Angebote sind vorhanden, jedoch im Vergleich zu den „First Movern“ in deutlich beschränkterem Umfang. Insgesamt ist man abwartend, was die Erweiterung und den Ausbau im Bereich digi- tale Medien betrifft. Die „Conservatives“ setzen weiterhin auf das klassische Buch und Druckerzeugnisse. Vereinzelt werden Inhalte in digitalen Formaten an- geboten. Eine digitale Strategie existiert nicht oder wurde noch nicht konkretisiert. Trotz der Zurückhaltung gegenüber digitalen Medien beobachten diese Verlage sehr genau, wie sich der digitale Markt ent- wickelt. Abbildung 6: Strategie der befragten Betrachtet man die Strategie der befragten Verlagshäuser unter Berück- Verlagshäuser sichtigung der unterschiedlichen Verlagstypen, zeigt sich, dass die Verlage im Bereich Fachinformation/Wissenschaft mit knapp 64% die Vorreiter 11 5 9 100% 20,0% unter den Verlagshäusern sind. Über zwei Drittel der Verlage in diesem „First Movers/ 33,3% Pioneers“ Segment sind „First Mover“ und verfolgen eine proaktive Strategie, was 63,6% digitale Formate betrifft. Während sich 27% als „Followers“ auf die tech- 60,0% 44,4% „Followers“ nischen Neuerungen vorbereiten, verschließen sich lediglich 9% elektro- nischen Formaten und setzen weiterhin einen starken Fokus auf Print. 27,3% 20,0% 22,2% „Conservatives“ 9,1% Fach- Belletristik Andere Das Segment der „Conservatives“ macht im Bereich der Belletristik und bei der Gruppe der anderen Verlage mit rund 20% einen größeren Anteil aus information/ Verlage Wissenschaft als bei den Fachbuch- und Wissenschaftsverlagen, bleibt aber doch verhält- (goetzpartners)
2. These: Das Geschäftsmodell der Verlage wird sich entscheidend ändern _ 15 nismäßig klein. Dominierend sind hier die „Followers“. 60% der befragten Belletristik-Verlage und 44% der anderen Verlage stellen sich auf die neu- en, digitalen Formate ein und bieten bereits erste elektronische Produkte an. An vorderster Front einer digitalen Offensive stehen in der Belletristik ein Fünftel, bei den anderen Verlagen bereits ein Drittel der Verlagshäuser. Hier zeigt sich, dass der Großteil der Verlage in der Belletristik und anderer Verlage weniger experimentierfreudig sind und gerade erst beginnen, ihre Strategie im Bereich digitale Welten zu definieren und umzusetzen. Betrachtet man das Gesamtbild, wird noch einmal deutlich, inwieweit die „Verlage werden ein anderes jeweilige Zielgruppe die Strategie der Verlagshäuser beeinflusst. Während Selbstbild entwickeln müssen.“ man im Bereich der Fachinformation und Wissenschaftsliteratur bereits seit Jahren auf digitale Formate setzt, steht man bei den anderen Verlagen Norbert Froitzheim, Deutscher Ärzte-Verlag GmbH und der Belletristik langsam unter Zugzwang. Die Zukunft der Verlage liegt in der Diversifizierung des Angebotes rund um die anvisierte Kundengruppe Viele Verlagshäuser – allen voran die Fachverlage – haben sich aufgrund Abbildung 7: Diversifizierung der Buchverlage stagnierender Umsätze im Stammgeschäft schon vor Jahren in benachbar- te Gebiete und Anwendungen begeben. Diese ringförmige Entwicklung immer weiter vom ursprünglichen Stammgeschäft weg folgt einem Pa- Zusatzservices/ Dienstleistungen radigmenwechsel (Abbildung 7). Nicht mehr das gedruckte Medium Buch Online-Angebote Neue Produkte steht im Mittelpunkt – sondern die anvisierte Kundengruppe. E-Book Markenbildung Hörbuch Einige Beispiele verdeutlichen diese Entwicklung. So sind einige Verlage dazu übergegangen, für ihre Kundengruppen ganze Markenwelten zu kre- Buch ieren, welche sie dann auf verschiedene Endprodukte ausrollen. Anfangs noch auf das Buch beschränkt, geht diese Markenbildung bis hin zur Lizen- (goetzpartners) zierung für Videospiele. Andere Verlage konzentrieren sich auf das Infor- mationsbedürfnis ihrer Kundengruppe und versuchen, dies zu jeder Zeit und vollumfassend zu bedienen. Dies beinhaltet die umfassende Präsenz bei den digitalen Medien, aber auch z. B. die Entwicklung von Software und Schulungen. Das Verlagshaus wird damit zum Informationslieferant, un- abhängig vom gewählten Transportmedium. Diese Erweiterung kann nur gelingen, wenn man die Wünsche und Vor- stellungen der Kunden kennt. Den Kunden sollte nicht nur aktiv die Mög- lichkeit für Feedback und Vorschläge zur Verbesserung gegeben werden. Der nächste Schritt ist die Einbindung in die Produktgestaltung. Der Trans- fer findet folglich nicht mehr nur von innen nach außen, sondern auch in umgekehrter Richtung statt. Manch ein Verlag bekennt sich hierbei zum „Crowdsourcing“ und möchte diesen Schritt der aktiven Einbindung der Kunden in die Produktgestaltung bewusst gehen.
16 _ Verlagshäuser 2020 „Digitale Produkte entstehen Der Paradigmenwechsel hin zu den Informationsbedürfnissen der Kunden und zur Ausdehnung in die digitale Welt bedeutet für die Verlage auch im- nicht in den herkömmlichen mer eine Anpassung der internen Strukturen, Organisationsformen und Abläufen der Printproduktion. Prozesse. Neben der Einbettung der neuen Produkte müssen alte Struk- Die Verlage müssen offen sein turen aufgebrochen und Freiräume für Experimente und Ideen geschaffen für neue Arbeitsweisen.“ werden, um in der digitalen Welt neue Anwendungen und Themen zu te- sten und einzuführen. Reiner Blankenhorn, Langenscheidt Verlag Unternehmensbeispiel – Die Pearson Verlagsgruppe als Media Innovator Die Pearson Verlagsgruppe spiegelt den Wandel im Selbstverständnis, welchen die Verlagshäuser vollziehen müssen, beispielhaft wider. Das britische Verlagsunternehmen hat in den letzten Jahren auf die Heraus- forderungen einer zunehmenden Digitalisierung reagiert und sein Ge- schäftsmodell den neuen Realitäten angepasst. Als ein Vorreiter unter den Verlagshäusern hat Pearson massiv in digitale Strategien investiert, sukzessive neue Geschäftsfelder erschlossen und das Geschäftsmodell er- weitert – mit Erfolg. Die Pearson Verlagsgruppe hat sich in den vergangenen Jahren zum welt- weit führenden Verlag im Bildungsbereich etabliert. Mit einem Umsatz von £ 5,6 Milliarden wuchs das Unternehmen von 2004–2009 um durch- schnittlich 11% p. a. und ist damit weltweit die Nr. 1 unter den Buchverlagen.5 Alle drei Hauptgeschäftsfelder von Pearson (Bildung, Literaturverlag / Pen- guin Group, Business Information / Financial Times Group) wurden mit Online-Angeboten, digitalen Produkten und Dienstleistungen strategisch ausgebaut. So bietet Pearson im Bildungsbereich neben Schul- und Sach- büchern, Nachschlagewerken und Lexika Bildungssoftware und Online- Weiterbildungs- und -Studienkurse an. Technische Möglichkeiten schöpft die Verlagsgruppe aus und ergänzt sein Produktportfolio mit innovativen und zukunftsweisenden Produkten. So bietet Pearson mit dem von Apple entwickelten Schul-Infosystem „PowerSchool“ Pädagogen, Schülern und Eltern einen webbasierten Service an, der sie über Noten, Hausarbeiten und Anwesenheit informiert. Darüber hinaus entwickelt Pearson iPod- Lösungen für Pädagogen und Schüler, z. B. Podcasts zur Aufarbeitung von Lerninhalten oder Vorbereitungshilfen für Prüfungen. Im Bildungsbereich rundet Pearson sein Angebot mit Testcentern und Sprachschulen ab, wel- che die Verlagsgruppe überall auf der Welt betreibt. Auch der Literaturverlag Penguin investiert mit dem Ausbau des E-Book- Angebots und Online Communities ins digitale Geschäft. Eine Online- Initiative der besonderen Art stellt penguin.match.com dar – eine Partner- börse für Leseratten, welche Pearson gemeinsam mit einem externen An- bieter betreibt. 5) „Publishers TOP 50“, The Bookseller, 10. Juli 2009
3. These: Die neuen technischen Möglichkeiten bringen die Verlage in die „Komplexitätsfalle“ _ 17 Im Zeitungsbereich bietet die Financial Times Group mit ft.com ein Online- Portal mit zahlungspflichtigen Beiträgen an. Mit knapp 110 000 tatsächlich zahlenden Nutzern ist das Online-Angebot nur bedingt erfolgreich. Trotz- dem möchte sich Pearson auch in diesem Segment künftig weiter in Rich- tung digitale Geschäftsmodelle orientieren. Die Entwicklung von Pearson ist ein gutes Beispiel für den Wandel im Ge- schäftsmodell hin zu digitalen Produkten und einer Expansion des Pro- duktangebotes. Ein Drittel des Gesamtumsatzes wird bereits mit digitalen Umsätzen erwirtschaftet. Die Verlagsgruppe sucht bewusst den Umbruch und die konstante Fortentwicklung durch Experimente und unkonventio- nelle Ideen und nimmt dabei auch das Risiko des Scheiterns in einzelnen Entwicklungen mit ins Kalkül. 3. These: Die neuen technischen Möglichkeiten bringen die Verlage in die „Komplexitätsfalle“ Die Einbindung von Bewegtbildern als die nächste Herausforderung Im digitalen Zeitalter begegnen die Verlage einer stei- Abbildung 8: Herausforderungen der Verlagshäuser genden Komplexität, welche sowohl die Produkte als auch die Prozesse betrifft. Während die traditionelle Suche nach neuen Erlösmodellen, Hauptaufgabe eines Verlags darin bestand, Inhalte zu z. B. Paid Content, neue Produkte 72% generieren, muss er sich heute in verstärktem Maße Multi-Plattform-Problematik 44% der Veredelung und Aufbereitung dieser Inhalte wid- Einbindung von multimedialen Elementen/Bewegtbildern 28% men und möglichst alle Ausgabekanäle von Print bis Digitales Rechtemanagement 24% Online bedienen. Für viele Verlage bedeutet dies Zu- Zusatzkosten für digitale Produkte 16% satzkosten, denen im Gegenzug nicht immer auch Konkurrenz durch das Internet Mehrerlöse gegenüberstehen. Um die Kosten zu kom- 16% Flexibilität und schnelle pensieren und Investitionen zu schultern, suchen viele Anpassungsfähigkeit der Verlage 12% Verlage nach neuen Erlösmodellen. Eine Suche, die Miteinbeziehung der Leser in die Content-Gestaltung 12% sich nicht unbedingt einfach gestaltet und von fast Neugestaltung eigener Vertriebskanäle 4% drei Viertel der befragten Verlage als die drängendste Ergebnis der Befragung der 25 Buchverlage; Mehrfachnennungen möglich Herausforderung angesehen wird. (goetzpartners)
18 _ Verlagshäuser 2020 „Die Einführung medien- Nach der Multi-Plattform-Problematik wartet mit der Einbindung von Bewegtbildern schon die nächste Komplexitätsstufe neutraler, automatisierter Prozesse zur Datenauf- Die Bedeutung, seine unterschiedlichen Zielgruppen auf allen Kanälen – bereitung, um alle Formate sei es nun als Buch, über das Internet, E-Reader oder Smartphones – zu zu bedienen, glich einer erreichen, wurde bereits erläutert. Neben dem klassischen Buch eine elek- tronische Version bereitzustellen, die sich jederzeit abrufbar auf alle mo- Herkulesaufgabe.“ bilen Endgeräte übertragen lässt, bedeutet jedoch nicht nur zusätzliche Dr. Hermann Riedel, Kosten, sondern ist auch mit großem technischem Aufwand verbunden. Carl Hanser Verlag Einige Verlage betonen, dass die Produktionskosten für ein E-Book genau- so hoch seien wie für die Printausgabe. Inhalte neutral aufzubereiten und auf eine Plattform zu bringen, die alle Ausgabekanäle bedient, bleibt eine der größten Herausforderungen und rangiert unter den befragten Verla- gen an zweiter Stelle. Abbildung 9: Veränderung des Produktions- Die Medienneutralität von Daten und das Multi-Channel-Publishing stellen prozesses durch digitalen Wandel für die Verlage eine besonders anspruchsvolle Aufgabe dar. Um Daten auf verschiedene Medien zu übertragen und Inhalte crossmedial vermarkten zu können, müssen Konvertierungen in unterschiedliche Formate vor- Autor Produktion Marketing Distribution genommen werden, die mit großer technischer Komplexität und hohen Kosten verbunden sind. Dazu zählt auch die Anpassung der Inhalte an die Anzeigefähigkeiten der unterschiedlichen Endgeräte. Mit immer neueren, Ausgabekanäle differenzierteren Lesegeräten und Tablet-Computern und einer Vielfalt Inhalt Datenauf- bereitung - Web - Mobile Archivierung von Dateiformaten wie epub, PDF, Mobipocket und Apps wird der Prozess - Print - E-Reader* der Datenaufbereitung weiter an Komplexität zunehmen. Die meisten *iPad, Kindle, Sony etc. Verlage streben eine medienneutrale und weitgehend automatisierte Aufbereitung auf Grundlage einer XML-Datenbasis an. Die Komplexitäts- (goetzpartners) frage muss aber in der Folge noch um mehrere Aspekte erweitert werden, denn für die unterschiedlichen Formate müssen die jeweiligen Rechte an Inhalt, Bild und Ton vorgehalten und mit dem internen Provisionssystem verknüpft werden. Viele Verlage lösen dieses Problem bisher, in dem sie die gesamten Rechte einkaufen und pauschale Vergütungen anstreben. Im Hinblick auf ein zunehmendes Wachstum des digitalen Segmentes be- deutet das für die Verlage einen zunehmenden Kostenfaktor. „Technische Veränderungen, Darüber hinaus möchten einige Verlage künftig die multimedialen Mög- lichkeiten digitaler Formate voll ausschöpfen. Die Einbindung von multi- die man noch nicht absehen medialen Elementen wie Bewegtbildern oder Animationen stellt die Ver- kann, sind eine Chance, die lagshäuser vor neue, technische Herausforderungen. man nutzen muss. Es gilt he- rauszufinden, wie man diese Um der „Komplexitätsfalle“ entgegenzutreten, holen sich die meisten Ver- lage kompetente Partner mit ins Boot. Gleichzeitig legen diese Wert darauf, Chance am besten für sich das technische Know-how auch im Verlag aufzubauen. Das Wissen um tech- nutzen kann.“ nologische Neuerungen und Prozesse verschafft den Verlagen Unabhän- Dirk Wolters, Wolters Kluwer gigkeit und befähigt sie, die Transformation zu steuern. Der Bereich IT wird dadurch nicht nur zu einem strategisch wichtigen Ressort, sondern auch zu einem wesentlichen Innovationsmotor und Labor für Experimente.
3. These: Die neuen technischen Möglichkeiten bringen die Verlage in die „Komplexitätsfalle“ _ 19 Urheberrechtsschutz vs. Benutzerfreundlichkeit Im August 2010 berichteten die Medien, dass Literaturnobelpreisträger Günter Grass die Veröffentlichung seiner Werke im digitalen Format un- tersagt, „bevor ein die Autoren schützendes Gesetz wirksam wird.“ Das Schicksal der Musikindustrie, die Angst vor dem massenhaften il- legalen Download von Büchern aus dem Internet sowie der Schutz des geistigen Eigentums der Autoren machen Dokumentensicherheit für die meisten Verlage zu einem wichtigen und aktuellen Thema. Die Verwirk- lichung von digitalem Rechtemanagement (DRM) bleibt jedoch bei den meisten Verlagen umstritten bzw. wird heftig diskutiert. Einerseits ist Kopierschutz wichtig, um die Urheberschaft der Autoren zu schützen. An- dererseits bedeutet Kopierschutz eine unkomfortable und unpraktische Nutzung für den Kunden. Einige Verlage haben sich daher entschieden, Kopierschutz nur bei bestimmten Produkten anzuwenden, abhängig vom jeweiligen Produkt und von der Zielgruppe. Andere Verlage wiede- rum beharren auf DRM, obwohl es unpraktisch, umständlich und nicht kundenfreundlich ist. Als Fazit lässt sich festhalten, dass das Thema DRM das Wachstum im digitalen Segment effektiv bremst. Die Einschränkung der Nutzerfreund- lichkeit und Gefahr, bei einem Systemabsturz alle Daten zu verlieren, be- raubt die digitalen Bücher der Ubiquität als eines der wesentlichen Vor- teile. Der User möchte nicht nur Sicherheitskopien für die erworbenen Bücher und Texte machen, sondern auch das Produkt auf mehreren End- geräten zugleich nutzen. Das Problem des Kopierschutzes ist daher eng gekoppelt an die Preis- und Produktpolitik der Verlage. Zieht man den Quervergleich zu der Musikindustrie, konnte erst ein einfaches und preis- lich attraktives Angebot den „Sumpf“ der Musiktauschbörsen weitestge- hend trockenlegen. Auch die Verlage werden ihr Preisangebot letztlich so gestalten müssen, dass für die User die Einfachheit des Systems den Reiz des illegalen Kopierens überwiegt. Im Bereich der Produktpolitik – gerade für die Fachverlage – können Ser- vice- und Abomodelle eine Verletzung des Urheberrechtes unterbinden. Dies ergibt sich zum einen überall dort, wo zum Beispiel eine ständige Aktualisierung der Daten vorgenommen wird. Der Kunde wird diesen Service nur im Rahmen einer Zertifizierung erhalten. Auf der anderen Seite können zusätzliche Produkteigenschaften wie z. B. eingebettete Bewegtbilder, Links und Hinweise nur bei gültiger Zertifizierung und Online-Verbindung angezeigt werden und damit einen wirkungsvollen Kopierschutz entfalten.
20 _ Verlagshäuser 2020 Die zehn wichtigsten Erkenntnisse für Buchverlage Die folgenden zehn Aussagen fassen die wichtigsten Erkenntnisse der drei skizzierten Thesen zusammen. Sie dienen den Verlagen zur Überprüfung ihrer Strategie und zeigen attraktive neue Wege auf: 1. Digitale Entwicklung Die digitale Entwicklung ist mehr konstante Evolution denn Revolution. Für die Belletristik-Verlage wird das digitale Segment in der Zukunft ein neues Standbein werden (10%–15% Umsatzanteil), für die Fachverlage bis 2015 das dominante Umsatzsegment (50%–70%) darstellen. 2. Digitale Produkte und Pricing Um die Akzeptanz der Kunden zu gewinnen, muss das Pricing für das E-Book radikal verändert und in eine intelligente Preis- und Produktpoli- tik überführt werden. Beim reinen E-Book als Basisvariante muss ein si- gnifikanter Preisabstand zur Printversion bestehen. Eine einzuführende Premium-Variante unterscheidet sich durch das Angebot zusätzlicher Produkt-Features (Audio-Kommentare, Einbettung des Hörbuches, Hinter- grundinfos, Bewegtbilder etc.), welche dem Kunden einen echten Mehr- wert bieten. Als Folge kann ein gleichwertiger oder sogar höherer Preis als bei der Printversion für dieses Premium-Produkt verlangt werden. 3. Diversifikation Verlage müssen sich diversifizieren. Der Rückgang im klassischen Printge- schäft kann nur durch Wachstum im digitalen Bereich und den Vorstoß in neue Produktsegmente kompensiert werden. Verlage sollten bei dieser Strategie darauf achten, eine Diversifizierung um ihren angestammten Kern zu vollziehen. Dies könnte zum Beispiel die Ausbreitung in angren- zende Produktbereiche (Schulungen und Seminare für die Wissensvermitt- lung) oder Ausweitung um die anvisierte Zielgruppe herum sein (Schaf- fung von Markenwelten für Kinderbücher). 4. Mitbestimmung des Kunden Verlage beziehen heute schon die Kunden in ihre Inhaltsgestaltung ein oder bieten zumindest die Möglichkeit, aktiv Feedback zu geben. Dieser Schritt kann durch Social Communities, das Einrichten von Foren und eine offene Produktgestaltung noch intensiviert werden.
Die zehn wichtigsten Erkenntnisse für Buchverlage _ 21 5. Die Zielgruppe kennen Verlage müssen ihre Kundengruppe besser kennenlernen. Unterschied- liche Zielgruppen haben unterschiedliche Präferenzen. Die digitalen Pro- dukte erlauben es den Verlagen, ihr Angebot kostengünstig auf die jewei- lige Kundengruppe zuzuschneiden, um sich von der Konkurrenz und den großen Playern wie Google und Amazon zu differenzieren. 6. Paid Content Mit der Einführung der Tablet-Computer und Smartphones verbinden viele Verlage die Hoffnung auf neue Erlösquellen. In der Tat gilt es, den Kunden von Anfang an von der Werthaltigkeit des Produktes zu überzeugen und ihn daran zu gewöhnen, für Inhalte zu bezahlen. Hat sich der Kunde erst an eine Gratis-Verfügbarkeit gewöhnt, ist eine Umerziehung nur schwer möglich. 7. Anpassung der Wertschöpfungskette Dies bedingt auch immer eine Anpassung der internen Organisations- struktur und Prozesse: Verlage müssen alte Strukturen aufbrechen und ihre Prozesse verändern. 8. Freiräume schaffen Ideen Verlage müssen den Mut haben, auch unkonventionelle Ideen zu entwi- ckeln und Experimente zu wagen. Dafür müssen Freiräume geschaffen und Innovationen bewusst gefördert werden. 9. Bewegtbilder Die Einbindung von Bewegtbildern gilt als die nächste große Herausfor- derung und bedeutet für die Verlage die nächste Komplexitätsstufe in der technischen Entwicklung. 10. Strategische Partnerschaften Aufgrund der Ressourcenknappheit können Verlage nicht mehr alle Ele- mente der Wertschöpfungskette abdecken. Eine Konzentration auf das Kerngeschäft und das Eingehen von Partnerschaften rückt immer mehr in den Fokus.
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