Vier Jahre für die Fairkehrswende - POLITIKPAPIER Empfehlungen für eine Regierungs-Charta mit Kurs auf Klimaneutralität und soziale Gerechtigkeit ...

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Vier Jahre für die Fairkehrswende - POLITIKPAPIER Empfehlungen für eine Regierungs-Charta mit Kurs auf Klimaneutralität und soziale Gerechtigkeit ...
Vier Jahre für die Fairkehrswende
Empfehlungen für eine Regierungs-Charta mit Kurs auf Klimaneutralität und
soziale Gerechtigkeit im Verkehr in der 20. Legislaturperiode (2021–2025)

POLITIKPAPIER
Vier Jahre für die Fairkehrswende - POLITIKPAPIER Empfehlungen für eine Regierungs-Charta mit Kurs auf Klimaneutralität und soziale Gerechtigkeit ...
Impressum

Vier Jahre für die Fairkehrswende
Empfehlungen für eine Regierungs-Charta mit Kurs auf
Klimaneutralität und soziale Gerechtigkeit im Verkehr in
der 20. Legislaturperiode (2021–2025)

ERSTELLT VON

Agora Verkehrswende
Anna-Louisa-Karsch-Str. 2 | 10178 Berlin
T +49 (0)30 700 14 35-000
F +49 (0)30 700 14 35-129
www.agora-verkehrswende.de
info@agora-verkehrswende.de

PROJEKTLEITUNG

Christian Hochfeld
christian.hochfeld@agora-verkehrswende.de

Dr. Philipp Prein
philipp.prein@agora-verkehrswende.de

DURCHFÜHRUNG

Autor:innen: Christian Hochfeld, Dr. Günter
­Hörmandinger, Wolfgang Aichinger, Dr. Carl-­Friedrich
 Elmer, Benjamin Fischer, Anne Klein-Hitpaß,
 ­Philipp Kosok, Dr. Urs Maier, Kerstin Meyer, Marena
  ­Pützschler, Ernst-Benedikt Riehle, Maita Schade,
   Fanny ­Tausendteufel, Michelle Waltring

Redaktion: Dr. Philipp Prein
Satz: Juliane Franz und Marica Gehlfuß
Titelbild: adobestock.com | draghicich
                                                           Bitte zitieren als:
                                                           Agora Verkehrswende (2021): Vier Jahre für die Fair-
                                                           kehrswende. Empfehlungen für eine Regierungs-Charta
                                                           mit Kurs auf Klimaneutralität und soziale Gerechtigkeit
                                                           im Verkehr in der 20. Legislaturperiode (2021–2025).
Veröffentlichung: September 2021
65-2021-DE                                                 www.agora-verkehrswende.de
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Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die Klimapolitik im Verkehrssektor steht vor einer Zäsur.     Wie die Fairkehrswende konkret aussehen kann, zeigen
Das Ende 2019 von der Bundesregierung verabschiedete          wir mit diesem Politikpapier. Dabei konnten wir auf
Klimaschutzprogramm 2030 reicht bei weitem nicht aus,         unsere Studien aus den vergangenen Monaten und
um die selbst gesteckten Klimaschutzziele im Verkehrs-        Jahren und auf den Austausch mit Expert:innen aus
sektor zu erreichen. Die wissenschaftlichen Analysen          verschiedenen politischen Lagern und wirtschaftlichen
im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des               Branchen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen
Bundeswirtschaftsministeriums kommen unabhän-                 aufbauen. Als Orientierung diente uns insbesondere
gig voneinander zu dem Schluss, dass bis 2030 eine            die Studie Klimaneutrales Deutschland 2045, die wir
Klimaschutzlücke von mehr als 30 Millionen Tonnen             zusammen mit führenden wissenschaftlichen Instituten
CO2-Äquivalenten im deutschen Verkehrssektor klafft.          sowie mit unseren Partnern von Agora Energiewende
Durch die Novelle des Klimaschutzgesetzes Ende April          und der Stiftung Klimaneutralität entwickelt haben. Sie
2021 wächst diese Lücke automatisch noch einmal um            liefert einen technisch und wirtschaftlich realisierbaren
weitere 10 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente an. Denn          Zielpfad, um Deutschlands Treibhausgasbilanz in den
verschärft wurden nur die Ziele, aber nicht die Politik-      kommenden rund 25 Jahren auf null zu senken. Politi-
instrumente, mit denen die Ziele erreicht werden sollen.      sche Handlungsempfehlungen haben wir auch bereits
Das kürzlich beschlossene Sofortprogramm 2022 hat             im Juni mit den Politikinstrumenten für ein klimaneu­
daran kaum etwas geändert.                                    trales Deutschland und im August mit dem Klimaschutz-­
                                                              Sofortprogramm vorgelegt. Während wir uns dort für den
Es liegt also an der neuen Bundesregierung, die Zäsur         Verkehr auf eine Auswahl konzentriert haben, gehen wir
zu vollziehen und endlich eine umfassende ­Strategie          in diesem Papier auf alle wesentlichen Hebel, Prinzipien
für den Verkehrssektor vorzulegen. Dabei wird es nicht        und Instrumente für eine erfolgreiche Fairkehrswende-­
ausreichen, wie in der Vergangenheit nur einzelne             Politik ein.
Politik­instrumente mehr oder weniger ambitioniert und
unabhängig von anderen anzupassen oder neu zu verab-          Ob die Fairkehrswende gelingen wird, hängt von der
schieden. Es braucht ein ressortübergreifendes Verständ-      Regierungspolitik in der kommenden Legislaturperiode
nis dafür, welche Instrumente als Teil eines kohärenten       ab. Es ist die letzte Chance, einen Weg zu finden, um die
und konsistenten Gesamtkonzepts erforderlich sind, um         Klimaschutzziele 2030 zu erreichen. Nutzen wir sie! Mit
die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen.          unserem Politikpapier hoffen wir, einen Beitrag dazu
                                                              leisten zu können. Unser Dank geht an alle, die uns bei
Eine solch umfassende Klimaschutzpolitik im Verkehr           der Erarbeitung dieser Empfehlungen unterstützt haben.
muss vor allem drei Prinzipien folgen: Effektivität,          Sie haben uns viele wichtige Anregungen gegeben. Wir
Effizienz und sozialer Ausgewogenheit. Wenn die Politik       freuen uns auf die weitere Debatte und wünschen eine
diesen Prinzipien folgt, wird die Verkehrswende in drei­      anregende Lektüre.
fachem Sinne zu einer Fairkehrswende, also einer für
alle fairen Verkehrswende. Fair, weil sie die Klimaziele      Christian Hochfeld
im Verkehr effektiv erreicht und so die Freiheit und die      für das Team von Agora Verkehrswende
Mobilität kommender Generationen sichert; fair, weil sie      Berlin, 16. September 2021
die Ressourcen für die Transformation effizient einsetzt
und die Kosten für alle dadurch niedrig hält; fair schließ-
lich auch, weil sie die verbleibenden Kosten gerecht ver-
teilt, soziale Schieflagen beseitigt und zukünftig vermei-
det. So, und nur so, wird es gelingen, die Akzeptanz einer
breiten Mehrheit für die anstehenden Veränderungen zu
gewinnen. Die Alternative hieße: Scheitern!

                                                                                                                      3
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Inhalt
Vorwort3

Plädoyer für eine Regierungs-Charta der F
                                        ­ airkehrswende                            7
    Das Paradigma der K  ­ limaneutralität                                          7
    Der Zielpfad für ein klima­neutrales Deutschland 2045                          8
    Vier Hebel: Wo die Klimapolitik im V  ­ erkehrssektor ansetzen sollte          9
    Drei Prinzipien: Effektivität, Effizienz, soziale Ausgewogenheit              10
    Politikinstrumente: Wirksame Mischung statt Allheilmittel                      11
    Die Hebel in Bewegung setzen                                                  12
    Der Weg in der nächsten ­Legislaturperiode                                    16

1 | Faire Preise im Straßenverkehr                                                17
    1.1 CO2-Emissionen sozial gerecht bepreisen                                    18
    1.2 Infrastruktur- und Umweltkosten verursachergerecht anrechnen               19
    1.3 Anreize für den Kauf klima­freundlicher Fahrzeuge s­ etzen                 19

2 | Gemeinwohl im Stadtverkehr                                                   20
    2.1   Autozentrierung im Straßen­verkehrsrecht überwinden                     21
    2.2   Vorteile für emissionsfreie F
                                      ­ ahrzeuge ermöglichen                      21
    2.3   Öffentlichen Raum für alle ­nutzbar machen                              21
    2.4   Kommunen als Gestalter der ­Verkehrswende stärken                       22

3 | Mehr Angebote für den ländlichen Raum                                        23
    3.1 Vorteile des ländlichen Raums für Elektromobilität nutzen                 24
    3.2 Mobilität auch ohne eigenes Auto ermöglichen                              24
    3.3 Ländliche Kommunen mit R  ­ essourcen ausstatten                          25

4 | Offensive für den Nahverkehr                                                 26
    4.1 Finanzmittel für Betrieb und Ausbau von Bus und Bahn erhöhen              27
    4.2 Digitalisierung im öffentlichen Verkehr voranbringen                      27

5 | Verdopplung der Fahrgastzahlen im Bahnverkehr                                28
    5.1 Netz für den Deutschlandtakt ausbauen                                     29
    5.2 Infrastrukturentgelte für fairen Wettbewerb anpassen                      29

6 | Schnellhochlauf der Elektromobilität                                         30
    6.1 Antriebswende bei Pkw, ­leichten Nutzfahrzeugen und Bussen v ­ oranbringen 31
    6.2	Ausbau der Ladeinfrastruktur beschleunigen und Finanzierung dauerhaft
         sichern31
    6.3 Digitalisierung und autonomes Fahren als Beitrag zur Verkehrswende nutzen 32

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7|S
   tärkung der Schiene und Elektrifizierung der Straße
  im Güterverkehr                                                                   33
   7.1 Schienengüterverkehr stärken                                                 34
   7.2 Straße und Schiene besser miteinander verbinden                              34
   7.3 Elektromobilität im Straßengüterverkehr voranbringen                         34

8 | Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturplanung und -finanzierung 36
   8.1 Verkehrswegeplanung am Klimaschutz ausrichten                                37
   8.2 Straßennutzungsgebühren a
                               ­ usweiten und umverteilen                           37

9 | Strukturwandel in Industrie und Regionen                                        38
   9.1 Die Transformation vorantreiben                                              39
   9.2 Investitionen für die Transformation erleichtern                             39
   9.3 Strukturwandel in den Regionen flankieren                                    39

10 | Verkehrswende als Gemeinschaftswerk                                            41
   10.1 Neue Allianzen für die ­Verkehrswende schmieden                             42
   10.2 Kommunen als Orte der ­Verkehrswende stärken                                43
   10.3 Internationale Zusammenarbeit für die globale Verkehrswende intensivieren   44

                                                                                                         5
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Vier Jahre für die Fairkehrswende - POLITIKPAPIER Empfehlungen für eine Regierungs-Charta mit Kurs auf Klimaneutralität und soziale Gerechtigkeit ...
Plädoyer für eine Regierungs-Charta
der ­Fairkehrswende

Mit diesem Politikpapier plädiert Agora Verkehrswende         gen und desto größer sind die Spielräume für deren
dafür, dass die neue Bundesregierung zu Beginn der            Ausgleich.
20. Legislaturperiode eine Charta der Fairkehrswende        • Die verbleibenden Kosten genauso wie die Chancen
erarbeitet und verabschiedet, unterzeichnet von allen         der Transformation sind, drittens, so gerecht wie
relevanten Bundesministerien. 30 Jahre lang ist es            möglich zu verteilen. Die Beseitigung von sozialen
Deutschland nicht gelungen, die Treibhausgasemissio-          Schieflagen der bestehenden Klima- und Verkehrs­
nen im Verkehrssektor zu senken. Der Ausstoß liegt seit       politik sowie die soziale Ausgewogenheit der neuen
1990 kaum verändert bei rund 160 Millionen Tonnen             klimapolitischen Instrumente ist nicht nur ein Gebot
CO2-Äquivalenten pro Jahr. Nun soll er in den kommen-         der Gerechtigkeit, sondern sie ist auch notwendig, um
den rund 25 Jahren auf null sinken. Offensichtlich muss       die Unterstützung und die Akzeptanz in Gesellschaft
sich die Klimapolitik im Verkehrssektor radikal ändern.       und Wirtschaft zu sichern.
Klimaneutralität wird bis 2045 nur möglich sein, wenn
diese politische Wende in den kommenden Monaten             Diese Einleitung und die folgenden Kapitel führen aus,
beginnt. Eine Charta der Fairkehrswende kann dafür          welche Aspekte in einer Charta der Fairkehrswende
die Orientierung und Verbindlichkeit gewährleisten, die     berücksichtigt werden sollten und mit welchen Inst-
bisher gefehlt hat. Sie wäre Karte und Kompass für das      rumenten und Maßnahmen die Ziele erreicht werden
Handeln der Bundesregierung und somit auch für die          können. Bestenfalls kann dieses Politikpapier damit als
relevanten Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesell-       Orientierung bei den anstehenden Koalitionsverhand-
schaft – mindestens für die kommende Legislaturperi-        lungen und bei der Erarbeitung einer Charta der Fair-
ode, idealerweise auch darüber hinaus.                      kehrswende dienen.

Der Begriff Fairkehrswende steht für eine faire Ver-
kehrswende für alle. Der Aspekt der Fairness bezieht sich   Das Paradigma der K
                                                                              ­ limaneutralität
dabei auf mehrere Dimensionen:
• Erstens geht es um die schnelle und umfangreiche          Der klimapolitische Diskurs ist in eine neue Phase
  Minderung des Treibhausgasausstoßes, also die             übergegangen. War vorher viele Jahre lang um das
  ­ökologische Effektivität. Das Bundesverfassungs-         notwendige und machbare Maß an Emissionsverminde-
   gericht hat dies mit seinem Beschluss vom Frühjahr       rung gerungen worden, haben sich die meisten Staaten
   2021 sehr deutlich gemacht. Ohne eine effektive          mittlerweile verbindlich auf das Ziel der Klimaneutralität
   Klimapolitik werden junge sowie kommende Gener­          festgelegt. Damit sind nun alle Sektoren, auch der Ver-
   ationen übermäßige Belastungen in Form von Klima­        kehrssektor, durch das Ziel der Netto-Null-Emissionen
   schäden und Freiheitseinschränkungen erleben. Die        in einen neuen Zusammenhang gestellt.
   Herausforderung, Klimaschäden zu vermeiden und
   Emissionen zu senken, wird für sie immer größer          Die Bundesrepublik Deutschland hat sich auf dem
   werden, je weniger ältere Generationen heute tun.        UN-Klimagipfel 2019 zu dem Ziel der Klimaneutralität
• Weitere Verzögerungen beim Klimaschutz würden,            bis 2050 bekannt. Ebenso haben dies die europäischen
   zweitens, nicht nur Ungerechtigkeiten zwischen den       Staats- und Regierungschefs getan. Inzwischen haben
   Generationen mit sich bringen, sondern sie würden        sich mit den USA, Japan und Südkorea weitere der größ-
   überdies zu insgesamt höheren Kosten führen, da          ten Volkswirtschaften der Welt zum Ziel der Klimaneu-
   das Verschleppen von Transformationsschritten die        tralität bis Mitte des 21. Jahrhunderts bekannt. China
   Gefahr von Stranded Assets und kostspieligen Struk-      plant für 2060 mit dem Erreichen von Netto-Null-Emis-
   turbrüchen mit sich bringt. Ökonomische Effizienz ist    sionen. Entsprechend der Analyse Net Zero by 2050: A
   deshalb ein Prinzip der Fairkehrswende: Je kosten­       Roadmap for the Global Energy Sector der Internationalen
   effizienter die Verkehrswende gelingt, desto geringer    Energieagentur wird – Stand Frühjahr 2021 – das Ziel
   sind die Risiken unausgewogener Belastungswirkun-        der Klimaneutralität bis 2050 in mehr als 40 Ländern

                                                                                                                      7
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Vier Jahre für die Fairkehrswende | Plädoyer für eine Regierungs-Charta der ­Fairkehrswende

angestrebt. Diese Länder sind für etwa drei Viertel der       Der Zielpfad für ein klima­neutrales
weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.                     Deutschland 2045
In Deutschland hat der Beschluss des Bundesverfas-            Dass Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 technisch und
sungsgerichts zu den Verfassungsbeschwerden gegen das         wirtschaftlich realisierbar ist, haben Agora Energie-
Bundes-Klimaschutzgesetz im April 2021 eine weitere           wende, Agora Verkehrswende und die Stiftung Klima-
Tempoverschärfung bei den Emissionsminderungszielen           neutralität in der gemeinsamen Studie Klimaneutra-
für Treibhausgase erwirkt: Der Bundestag hat im Juni          les Deutschland 2045 (KNDE) gezeigt. Dabei wurden
2021 eine Novelle des Klimaschutzgesetzes beschlossen,        nicht nur sämtliche Wirtschaftssektoren ausführlich
die Klimaneutralität bis 2045 vorgibt und die Ambition        modelliert, sondern auch ihre Wechselwirkungen
auch bei den jährlichen Emissionsobergrenzen für die          untereinander. Ein zentrales Element ist die umfas-
einzelnen Sektoren erhöht. Demnach müssen bereits             sende Elektrifizierung aller Bereiche einschließlich des
bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens             Verkehrssektors. Gekoppelt ist dies mit einem massiven
65 Prozent unter das Niveau von 1990 sinken. Für den          Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung sowie dem
Verkehrssektor ist eine Reduktion um 48 Prozent bis           Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft, deren größter Anteil
2030 vorgesehen.                                              im Elektrizitätssektor liegt zum Zweck der saisonalen
                                                              Energiespeicherung.
Es gilt nun, das Bekenntnis zum Ziel der Netto-Treib-
hausgasneutralität bis 2045, in § 3 Absatz 2 des Klima-       Im Verkehrssektor rechnet die Studie mit Treibhausgas­
schutzgesetzes verankert, durch politisches Handeln,          emissionen von 89 Millionen Tonnen CO2-Äquivalen-
also konkrete Instrumente und Maßnahmen, in die               ten im Jahr 2030. Das entspricht einer Minderung um
Wirklichkeit umzusetzen. Die Gewissheit des Ziels und         etwa 46 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990. Um
die Notwendigkeit, einen gangbaren Weg dorthin aufzu-         das Minderungsziel zu erreichen, empfiehlt die Studie,
zeigen, machen Konzepte erforderlich, die politisch lange     einfach formuliert, folgende verkehrsspezifischen Ziele:
als unvorstellbar galten. Die Konzeptentwicklung kann         Im Jahr 2030
dagegen auf zwei Jahrzehnte Vorarbeit aufbauen. Diese         • fährt mehr als jeder vierte Pkw und jedes vierte
Vorarbeit ist ein entscheidender Vorteil – besonders dort,       ­leichte Nutzfahrzeug elektrisch;
wo es um technologische Entwicklungen geht. Sie schafft       • wird ein Drittel der Fahrleistung im Straßengüter­
jedoch auch Herausforderungen, weil die bestehenden,              verkehr elektrisch erbracht;
historisch gewachsenen Politikinstrumente Stückwerk           • haben sich die Fahrgastzahlen der Bahn verdoppelt;
sind. Diese haben ihren Ursprung in einer Frühphase der       • sind die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr
Klimapolitik, in der vielfältige Ansätze teilweise parallel       auf dem Weg zur Verdopplung bis 2035;
erarbeitet worden waren.                                      • wird ein Viertel mehr Wegstrecke mit dem Fahrrad
                                                                  oder zu Fuß zurückgelegt;
In einer Situation grundlegender Neuorientierung der          • wird im Güterverkehr jede vierte Tonne auf der
Klimapolitik, die alle Wirtschafts- und Gesellschaftsbe-          ­Schiene bewegt.
reiche umfassen wird, ist der Ansatz einer schrittweisen
Weiterentwicklung einzelner Klimaschutzinstrumente            Das novellierte Klimaschutzgesetz gibt für den deutschen
kein zielführender Weg mehr. Die verschiedenen Ansätze        Verkehrssektor bis 2030 noch ambitioniertere Ziele als
müssen vielmehr in ihren Wirkungsweisen und in ihren          die KNDE-Studie vor, da die Lastenverteilung ­zwischen
Wechselwirkungen verstanden und unter dem Para-               den Sektoren zur Erreichung des übergreifenden Minde-
digma der Klimaneutralität zusammengedacht werden.            rungsziels von 65 Prozent – gegenüber 1990 – in anderer
                                                              Art und Weise vorgenommen wurde. Das Klimaschutz-
                                                              gesetz sieht bis 2030 eine maximale Treibhausgasemis-
                                                              sionsmenge von 85 Millionen Tonnen vor. Das Sektorziel
                                                              liegt damit noch einmal um vier Millionen Tonnen unter
                                                              dem Zielwert der KNDE-Studie. Zur Veranschaulichung:
                                                              In weniger als zehn Jahren sind die Emissionen des

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Vier Jahre für die Fairkehrswende - POLITIKPAPIER Empfehlungen für eine Regierungs-Charta mit Kurs auf Klimaneutralität und soziale Gerechtigkeit ...
Agora Verkehrswende | Plädoyer für eine Regierungs-Charta der F
                                                                                                      ­ airkehrswende

Verkehrssektors um knapp die Hälfte (gut 48 Prozent)        All das bedeutet, dass es einer gut austarierten Instru-
zu senken. Das ist nur möglich, wenn auch der Zielpfad      mentenarchitektur bedarf, um die Verkehrswende zum
im Vergleich zur KNDE-Studie noch anspruchsvoller           Erfolg zu führen. Entscheidend sind dabei vor allem vier
ausfällt. So müssen beispielsweise 2030 sicherlich noch     Hebel:
deutlich mehr als die im Rahmen der KNDE-Studie             • Verkehrsaktivitäten: Verkehrsteilnehmer:innen und
angenommenen 14 Millionen E-Pkw auf der Straße                 Wirtschaftsakteure sollten dazu angeregt werden, ihr
sein – also dann eher jeder dritte als jeder vierte Pkw.       Mobilitätsverhalten nachhaltiger zu gestalten. Dies
                                                               betrifft sowohl Entscheidungen darüber, wie viel und
Bis 2045 ist also neben einer vollständigen Dekarboni-         wohin gefahren oder transportiert wird (Aktivitäts­
sierung des Verkehrs auch eine grundlegende Verkehrs­          niveau), als auch die Verkehrsmittelwahl.
verlagerung erforderlich, weg vom motorisierten Indivi-     • Innovationen (Angebot): Sowohl der Fahrzeugbestand
dualverkehr hin zu Rad-, Fuß- und öffentlichem Verkehr.        als auch die Energiebereitstellung müssen auf Klima-
Der Anteil des aktiven und öffentlichen Verkehrs an der        schutztechnologien umgestellt werden. Anbieter und
Personenverkehrsnachfrage wächst im KNDE-Szena-                Produzenten müssen dafür entsprechende Innovatio-
rio auf über 40 Prozent. Nur so ist die Verringerung des       nen und Angebote entwickeln.
Endenergiebedarfs, die für eine sektorübergreifende         • Flottenmodernisierung (Nachfrage): Bei der klima­
Klimaneutralität notwendig ist, im Verkehr erreichbar.         gerechten Modernisierung der Fahrzeugflotte spielt
                                                               die Kaufentscheidung eine wichtige Rolle. Deshalb
Zusammenfassend gilt es also, sowohl eine Mobilitäts­          braucht es Politikinstrumente, die den Absatz emis-
wende als auch eine Energiewende im Verkehr voran­             sionsarmer Fahrzeuge sowie deren Zubehör begüns-
zutreiben. Die Mobilitätswende sorgt dafür, dass der           tigen und CO2-intensive Technologien aus dem Markt
Endenergieverbrauch des Verkehrssektors ohne Ein-              drängen.
schränkung der Mobilität sinkt, indem sich das Ver­         • Infrastrukturen: Nachhaltigere Verkehrsträger und
kehrs­angebot erweitert und multimodales Verkehrs­             Technologien brauchen zum Teil neue Infrastruktu-
verhalten erleichtert wird. Die Energiewende im Verkehr        ren. Dies betrifft sowohl die Verkehrsinfrastruktur als
stellt hingegen sicher, dass der verbleibende Endenergie­      auch die Energieversorgung, aber auch die Digitali-
bedarf des motorisierten Verkehrs mit klimaneutralen           sierung. Für die Planung und Bereitstellung sowie für
Antriebsenergien gedeckt wird und dass diese Energien          die dazugehörige Regulierung ist in der Regel der Staat
effizient und sparsam eingesetzt werden.                       verantwortlich. Eine besondere Herausforderung ist
                                                               dabei, die Planungen mit der langfristigen Entwick-
                                                               lung von Märkten und Technologien in Einklang zu
Vier Hebel: Wo die Klimapolitik im                             bringen.
­Verkehrssektor ansetzen sollte
                                                            Die Politik muss alle diese vier Hebel gleichermaßen wir-
Während sich der Zielpfad für einen nachhaltigen,           kungsvoll einsetzen. Oft wird ein und dasselbe Instrument
klimaneutralen Verkehrssektor zunehmend klarer              an mehreren Hebeln gleichzeitig angreifen. Beispiels-
abzeichnet, stellt sich der Politik die Herausforderung,    weise beeinflussen Kraftstoffpreise direkt die Kosten pro
den Weg dorthin mit geeigneten Instrumenten zu ebnen.       gefahrenem Kilometer und damit die Verkehrsaktivität
Die Aufgabe ist komplex. Vielfältige technische, ökono-     sowie die Wahl des Verkehrsmittels. Sie beeinflussen aber
mische und institutionelle Verflechtungen und Wech-         auch die Kaufentscheidung bei der Fahrzeuganschaffung,
selwirkungen sind zu berücksichtigen und mit Blick auf      zumindest in dem Maße, wie Käufer:innen die durch
ihre Bedeutung für die langfristigen Entwicklungen zu       diese Preise beeinflussten Betriebskosten berücksichti-
bewerten. Die Entscheidungen vieler privater und staat-     gen. Doch kein einzelnes Politikinstrument wird bei allen
licher Akteure sind aufeinander abzustimmen. Zudem          vier Hebeln zugleich das erforderliche Maß an Wirksam-
sind viele der für die Verkehrswende relevanten Märkte      keit erreichen. Es bedarf einer Instrumenten­architektur,
durch Unvollkommenheiten, Hemmnisse und Verzerrun-          die auf die jeweiligen Eigenheiten der Hebel zugeschnit-
gen gekennzeichnet.                                         ten ist, dabei Synergien zwischen den Instrumenten nutzt
                                                            und Reibungsverluste minimiert.

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Vier Jahre für die Fairkehrswende | Plädoyer für eine Regierungs-Charta der ­Fairkehrswende

Drei Prinzipien: Effektivität, Effizienz,                          dem Ziel der Klimaneutralität nicht vereinbar sind,
soziale Ausgewogenheit                                             vermieden werden. Schwierig wird das vor allem
                                                                   dann, wenn auf dem Pfad zur Klimaneutralität –
Für die Auswahl, Ausgestaltung und Abstimmung der                  aufgrund verpasster Zwischenziele – Anpassun-
Politikinstrumente im Verkehrssektor sind drei Prinzi-             gen und Nachsteuerungen vorgenommen werden
pien zu berücksichtigen:                                           müssen.
• Ökologische Effektivität: Der Instrumentenmix muss          • Soziale Ausgewogenheit und Akzeptanz: Nur mit
   gewährleisten, dass die vorgegebenen Emissionsmin-           der Akzeptanz und Unterstützung der Mehrheit der
   derungsziele im Verkehr verlässlich erreicht werden.         Gesellschaft kann die Verkehrswende in einer Demo-
   Diese leiten sich aus dem völkerrechtlich verbind­           kratie gelingen. Akzeptanz wird die Verkehrswende
   lichen Paris-Abkommen sowie dem klimapolitischen             wiederum nur finden, wenn der Übergang zu einem
   Rahmen der EU ab und sind letztendlich im deutschen          klimaneutralen Mobilitätssystem sozial ausgewogen
   Klimaschutzgesetz festgeschrieben. Entscheidend ist          erfolgt und die Chancen und Kosten gerecht verteilt
   hierbei der kumulative Ausstoß von Treibhausgasen            werden. Dazu gehören folgende Aspekte:
   durch den Verkehr, bis das Ziel der Klimaneutralität         • Unterstützung beim Übergang in die postfossile
   erreicht ist. Wird dieses Prinzip nicht eingehalten,            Mobilität: Kompensations- und Unterstützungs-
   geht das vor allem zulasten jüngerer und kommender              maßnahmen sind insbesondere für einkommens-
   Generationen. Sie werden den Folgen der Erderhit-               schwache Haushalte unabdingbar, da diese oftmals
   zung stärker ausgesetzt sein. Ihre Freiheit, Lebens-            nicht über die Mittel verfügen, um kurzfristig ihre
   qualität und Mobilität werden eingeschränkt.                    Mobilitätsroutinen zu ändern oder klimafreund­
• Ökonomische Effizienz: Die Emissionsminderungen                  liche Fahrzeuge anzuschaffen. Auch in den betrof-
   sind zu möglichst geringen volkswirtschaftlichen                fenen Industrien, bei deren Beschäftigten und in
   Kosten zu erreichen. Davon profitieren sowohl heutige           den entsprechenden Regionen wird es gezielter
   als auch kommende Generationen. Dies kann nur                   Transformationshilfen bedürfen, um sozialen und
   gelingen, indem energieeffiziente und ressourcen-               wirtschaftlichen Friktionen vorzubeugen.
   schonende Technologien und Lösungen zum Einsatz              • Gerechte Verteilungswirkung: Soziale Ausge-
   kommen. Dazu gehören folgende Aspekte:                          wogenheit bedeutet ebenso, dass auf die Vertei-
   • Kostenwahrheit und Verursacherprinzip: Voraus­                lungswirkung von Fördermaßnahmen, beispiels-
      setzung für ein volkswirtschaftlich effizientes              weise Kaufprämien, geachtet wird. Diese sollten
      Wirtschaften in einem marktwirtschaftlichen                  eine systematische Subventionierung ohnehin
      System ist, dass die Preise die jeweiligen Kosten            wohlhabender Haushalte zulasten der öffent­
      widerspiegeln – inklusive der Schadenskosten                 lichen Haushalte und damit aller Steuerzahler:in-
      durch Beanspruchung der Umwelt. Die Einpreisung              nen einschließlich der einkommensschwachen
      (Internalisierung) der vormals externen Schadens-            Haushalte vermeiden. Ansonsten könnten Gelder
      kosten beim Verursacher kann einen Beitrag zur               für notwendige Kompensationsmaßnahmen oder
      effizienten Allokation der Ressourcen leisten.               Klimaschutz­investitionen fehlen.
   • Kontinuierlicher technologischer Fortschritt               • Subsidiaritätsprinzip: Entscheidungen sollten
      (dynamische Effizienz): Langfristig effizient ist            möglichst nah bei den Menschen getroffen werden,
      Klimapolitik nur dann, wenn sie nicht nur auf den            die von ihnen betroffen sind. Dabei ist auf eine
      Einsatz der heute kostengünstigsten und res-                 gute Abstimmung zwischen den verschiedenen
      sourcenschonendsten Technologien ausgerichtet                politischen Ebenen von EU, Bund, Ländern und
      ist, sondern auch den stetigen technologischen               Kommunen zu achten.
      Fortschritt fördert.                                      • Transparenz und klare Kommunikation schafft
   • Investitions- und Planungssicherheit: Verbind-                Verständnis und bildet die Grundlage für Zustim-
      liche Ziele und ein langfristig klarer politischer           mung und Veränderungsbereitschaft in der Gesell-
      Rahmen sind Voraussetzungen dafür, dass die                  schaft.
      notwendigen umfangreichen Investitionen getätigt
      und Fehlinvestitionen in Technologien, die mit

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                                                                                                       ­ airkehrswende

Politikinstrumente: Wirksame                                    ­ öglich, aber zugleich auch so ausdifferenziert wie
                                                                m
Mischung statt Allheilmittel                                    nötig, um den Eigenheiten der jeweiligen Ansatz-
                                                                punkte und Wirkmechanismen gerecht zu werden.
Wenn die Politik das Gesamtkonzept und die Instru-            • Handlungsebenen: Der Anspruch an Konsistenz und
mente zum Verwirklichen der Fairkehrswende zusam-               Kohärenz ist ebenso an das Zusammenwirken der
menstellt, sollte sie die genannten Hebel und Prinzipien        verschiedenen Handlungsebenen zu legen: von der
als Leitplanken verstehen. Gefragt ist ein kohärentes und       internationalen Zusammenarbeit und der EU über den
konsistentes Bündel an Politikinstrumenten. Die Fokus-          Bund bis zu den Ländern und Kommunen. Die natio­
sierung auf einzelne, vermeintlich allumfassend wirk-           nale Klima- und Verkehrspolitik ist eng eingebettet in
same Instrumente wie den Emissionshandel ist nicht              den europäischen Rahmen. Maßgebliche Weichen­
zielführend. Zwar ist die Bepreisung von CO2-Emissi-            stellungen für Fahrzeuge, Kraftstoffe, Ladeinfra­
onen ein unverzichtbares Instrument in allen Sektoren,          struktur, Preissignale und sozialen Ausgleich finden
sie ist aber kein Allheilmittel – eine Schlussfolgerung, zu     sich unter anderem im jüngst vorgeschlagenem Fit for
der auch die EU-Kommission in ihrer Folgenabschät-              55-Paket der EU-Kommission (siehe Kasten). Die
zung (Impact Assessment) zur Reform des europäischen            Positionierung der Bundesregierung im Rat wird
Emissionshandels kommt.                                         entscheidend beeinflussen, wie diese Instrumente
                                                                letztlich ausgestaltet sein werden. Auf nationaler
Im Verkehrssektor gilt dies sogar noch mehr als in ande-        Ebene wird es dann darum gehen, den durch die EU
ren Sektoren, weil die Transformation hier gerade auf           vorgegebenen Rahmen auszugestalten und bei Bedarf
der Nachfrageseite stärker zu spüren ist. Erneuerbarer          zu ergänzen. In einigen Fällen wird es möglich sein,
Strom kommt weiterhin aus der Steckdose, aber neue              über die EU-Vorgaben hinauszugehen. Schließlich
Mobilitätstechnologien und -dienstleistungen verändern          sollte die Bundesregierung den Bundesländern und
den Alltag und die Gewohnheiten der Menschen. Hinzu             den Kommunen mehr Handlungsspielraum gewähren.
kommen vielschichtige Akteurs-, Kompetenz- und                  Viele Initiativen „von unten“ scheitern bisher noch
Anreizstrukturen im Verkehrssektor. Umso wichtiger ist          an restriktiven oder aufwändigen bundespolitischen
es, die Politikinstrumente gut aufeinander abzustimmen.         Vorgaben.
Um die bereits erwähnten Hebel und Prinzipien wirk-           • Sektorenkopplung: Der Verkehrssektor ist sowohl
sam umzusetzen, stehen verschiedene Kategorien von              technisch und ökonomisch als auch regulativ mit ver-
Instrumenten auf verschiedenen Handlungsebenen zur              schiedenen weiteren Wirtschaftssektoren verfloch-
Verfügung. Dabei muss das Zusammenspiel mit anderen             ten. Folglich kann die Verkehrswende nicht isoliert
Sektoren berücksichtigt werden.                                 vom breiteren klimapolitischen Rahmen gedacht
• Instrumentenkategorien: Zur Verfügung stehen vor              und instrumentiert werden. Besonders eng sind die
    allem ökonomische, ordnungsrechtliche und infra-            Verflechtungen mit Blick auf die künftige Energie-
    strukturelle Instrumente. CO2-Bepreisung, Straßen-          versorgung. Um erneuerbaren Strom – und ebenso um
    nutzungsgebühren oder gezielte Förderinstrumente            biogene Energieträger – wird es auf absehbare Zeit
    können zum Beispiel wirtschaftliche Anreize setzen,         Nutzungskonkurrenzen geben. Das gilt nicht nur für
    damit private Akteure Emissionsminderungspoten-             die unmittelbare Verwendung des Stroms in Endan-
    ziale möglichst kostengünstig erschließen. Allerdings       wendungen wie Elektromotoren, sondern noch viel
    sind nicht alle Entscheidungssituationen für Preissig­      mehr für alle strombasierten chemischen Energie-
    nale hinreichend zugänglich – sei es aus administra­        träger wie Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe,
    tiv-praktischen, sozialen oder entscheidungspsycho-         da sie mit hohen Umwandlungsverlusten und folglich
    logischen Gründen. Ordnungsrechtliche Lösungen              einem hohen Primärenergieeinsatz verbunden sind.
    können dann das Instrument der Wahl sein, um dem            Dies wird nicht nur in Deutschland der Fall sein, son-
    Markt einen Rahmen zu setzen. Bei der Planung               dern auch in Drittländern – einschließlich jener, die
    und Bereitstellung von Infrastruktur ist hingegen           als potenzielle Produktionsstandorte für synthetische
    der Staat oftmals als unmittelbar handelnder Akteur         Kraftstoffe gelten.
    ­gefragt. Bei der Zusammenstellung der ­Instrumente
     sollte gelten: So unbürokratisch und schlank wie

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     Das Fit for 55-Paket der Europäischen Kommission

     • Fahrzeuge: Die CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge werden für das Jahr
       2030 deutlich abgesenkt. Für das Jahr 2035 wird eine Reduktion der spezifischen CO2-Emissionen
       um 100 Prozent festgeschrieben, was einem Ausstieg aus Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor bei
       den Neuzulassungen (Phase out) gleichkommt. Die Standards für Lkw und Busse sind nicht Teil des
       Fit for 55-Pakets, werden aber nächstes Jahr einer geplanten Revision unter­zogen. Auch hier sind
       weitere Nachschärfungen zu erwarten. Aufgrund von Binnenmarktregeln ist es für einzelne Mit-
       gliedsstaaten aktuell de facto nicht möglich, ordnungsrechtlich über diese Standards hinauszuge-
       hen. Nationale Instrumente können zwar die Zielerreichung auf europäischer Ebene unterstützen,
       aber es ist fraglich, ob sie das Ambitionsniveau insgesamt anheben können.

     • Kraftstoffe: In der Regelung von Kraftstoffen durch die Richtlinie über erneuerbare Energien wer-
       den die Ziele erhöht sowie neue quantitative Mindest­anforderungen an die Beimischung erneuer-
       barer Kraftstoffe im Luftverkehr (ReFuelEU Aviation) und an die Treibhausgasintensität der Kraft-
       stoffe im Seeverkehr (FuelEU Maritime) gestellt.

     • Ladeinfrastruktur: Die Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe wird
       in eine Verordnung umgewandelt. Es werden deutlich konkretere Mindestanforderungen an das
       Ladenetz und das Tankstellennetz für Wasserstoff formuliert.

     • Preissignale: Das neu zu schaffende Emissionshandelssystem für Gebäude und Verkehr etabliert
       einen EU-weiten CO2-Preis im Straßenverkehr, während die Anpassung der rein auf den Energie­
       gehalt abzielenden Energiebesteuerungs-Richtlinie zu Veränderungen in der Steuerstruktur führt,
       die unter anderem das Ende des Dieselprivilegs bedeuten.

     • Sozialer Ausgleich: Ein neuer Klima-Sozialfonds soll geschaffen werden, um soziale Härten abzu­
       federn, die durch die Preisinstrumente entstehen.

     Diese Konkurrenzsituation bekräftigt einmal mehr            Kenntnis­stand auch langfristig keine Antriebsalter-
     das schon erwähnte Effizienzgebot in allen Formen           nativen zur Verfügung stehen – das heißt insbeson-
     der Endenergienutzung. Auch bei hohem Ausbaugrad            dere im Langstreckenflugverkehr. Mithin sollten die
     der erneuerbaren Energien bleibt es unverzichtbar,          Planung und Förderung des Aufbaus neuer Produkti-
     Energie so effizient zu nutzen wie möglich, nicht           onskapazitäten und Infrastrukturen für synthetische
     zuletzt deshalb, weil auch diese Form der Elektrizi-        Energieträger von Beginn an auf diese Anwendungen
     tätserzeugung Umweltauswirkungen verursacht und             ausgerichtet werden.
     zum Rohstoffverbrauch beiträgt. Ferner ergibt sich
     aus der Knappheit der erneuerbaren Energien, dass
     die Verwendung synthetischer Energieträger auf            Die Hebel in Bewegung setzen
     jene Bereiche beschränkt wird, in denen sie weitge-
     hend unverzichtbar sind. Für den Verkehr bedeutet         Die bisherigen Ausführungen haben die Leitgedanken
     dies eine weitgehende Einschränkung der Nutzung           der Bündelung von Politikinstrumenten für eine Charta
     alternativer Kraftstoffe. Sie sollte auf jene Verkehrs­   der Fairkehrswende skizziert. Die folgenden Abschnitte
     bereiche begrenzt werden, für die nach heutigem           illustrieren anhand ausgewählter Instrumentenbeispiele,

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                                                                                                      ­ airkehrswende

wie aus den jeweiligen Eigenheiten der vier klimapoli-      Indem sie den Nutzer:innen die Kosten (Klimawirkung,
tischen Hebel im Verkehr die Notwendigkeit erwächst,        weitere externe Kosten, Infrastruktur) unmittelbar in
eine darauf zugeschnittene, hinreichend ausdifferen-        Rechnung stellen, können beide Arten der Aktivitäts-
zierte Politik zu entwickeln. Umfassende und konkrete       bepreisung, nach CO2-Ausstoß und Fahrleistung, das
Empfehlungen für die Gestaltung der Politikinstrumente      Verkehrsverhalten wirksam, effizient und verursacher-
in der kommenden Legislaturperiode folgen nach der          gerecht in Richtung nachhaltigerer Mobilitätsmuster
Einleitung in den zehn Themenkapiteln.                      lenken. Werden die Einnahmen sozial ausgewogen
                                                            verwendet beziehungsweise zurückverteilt, kann das
Verkehrsaktivität gestalten                                 eine hohe Akzeptanz für die Instrumente schaffen.
Die Mobilitätswende steht für ein verändertes Verkehrs­     Zugleich gilt es, verkehrsinduzierende, umweltschädliche
verhalten der Menschen und ein verändertes Mobilitäts-      und oftmals auch verteilungspolitisch problematische
angebot. Dies geht einher mit einem neuen Verständnis       Subventionen – wie zum Beispiel bei der Dienstwagen-
der Rolle des privaten Pkw, der lange als Verkehrsmittel    nutzung – abzubauen.
der Wahl für alle Zwecke galt, egal ob auf der Kurz- oder
Langstrecke. Der Wandel wird zuerst vor allem in den        Gerade mit Blick auf die Verkehrsverlagerung würde
Städten kommen, während neue Ansätze in der Vernet-         eine Strategie einzig über Preise aber zu kurz greifen.
zung öffentlicher und flexibel genutzter und geteilter      Neben dem Veränderungsdruck durch höhere Preise
Verkehrsmittel ausgebaut werden.                            (Push-Instrumente) bedarf es auch gezielter Instrumente
                                                            zur Stärkung klimaverträglicher Mobilitätsoptionen
Verkehrsaktivitäten können auf verschiedene Art und         im Personen- und Güterverkehr (Pull-Instrumente). So
Weise angereizt werden. Entscheidend sind sowohl die        gilt es, Alternativen zum privaten Pkw attraktiver zu
Fahrtentscheidung und damit die Verkehrsleistung selbst     gestalten. Dazu gehören, neben einem quantitativ und
als auch die Wahl des Verkehrsmittels. Zu den finanzi-      qualitativ verbesserten Angebot im öffentlichen Verkehr,
ellen Instrumenten, die darauf Einfluss nehmen, zählen      auch ordnungsrechtliche Eingriffe, um beispielsweise
alle Formen der Bepreisung von CO2-Emissionen. Mit          den Radverkehr schneller und sicherer zu machen. Hinzu
steigenden CO2-Preisen nimmt der Anreiz zu, unnötige        kommen weitere Instrumente, die die Verkehrsaktivi-
Fahrten zu vermeiden, aber auch Fahrten zu bündeln          tät auf nichtfinanzielle Art beeinflussen. Dazu zählen
oder auf klimafreundlichere Verkehrsmittel umzusteigen.     Mobilitätsberatung und Mobilitätsmanagement sowie
Das bestehende Abgabensystem ist in dieser Hinsicht         alle Aktivitäten, die auf einen Wandel der persönlichen
nicht zielkonform, denn die Steuern und sonstigen           Einstellung der Menschen zur Mobilität und speziell zur
Abgaben auf die verschiedenen im Verkehr eingesetzten       Pkw-Nutzung abzielen. Im Güterverkehr steht eine – vor
Energieträger sind extrem heterogen und weisen keinen       allem infrastrukturelle – Stärkung der Schiene als Alter-
systematischen Bezug zum Kohlenstoffgehalt bezie-           native zum Lkw im Vordergrund.
hungsweise zur Klimawirkung auf.
                                                            Die Zielgruppe der genannten Instrumente umfasst alle
Auch eine fahrleistungsabhängige Maut würde Verkehrs­       Akteure, die sich für einen bestimmten Weg oder eine
aktivität einen Preis geben, anders als ein Vignetten-      bestimmte Warensendung entscheiden. Sie ist daher
system, das über einen bestimmten Zeitraum gilt und         äußerst heterogen und reicht von Privatpersonen aller
unabhängig von der gefahrenen Distanz ist. In einem         Altersklassen und Lebenssituationen bis hin zu Dispo-
kapitalintensiven und zunehmend CO2-freien Verkehrs-        nenten großer Logistikfirmen. Dementsprechend diversi-
system entfaltet die Nutzungsbepreisung öffentlich          fiziert und spezifiziert müssen auch die Instrumente sein.
finanzierter Infrastrukturen nicht nur eine Lenkungs-
wirkung, sondern sie übernimmt auch zunehmend eine          Innovationen anreizen (Angebot)
wichtige Finanzierungsfunktion für die Infrastruktur.       Ein zentraler Ansatzpunkt zur Erreichung der Klimaziele
Je geringer die Einnahmen aus Steuern und Abgaben auf       im Verkehr ist die Minderung des spezifischen Energie-
fossile Technologien, desto wichtiger wird es, der Fahr-    verbrauchs und damit des CO2-Ausstoßes der genutzten
leistung einen Preis zu geben.                              Fahrzeuge. Hierdurch kann die Verkehrsaktivität zuneh-
                                                            mend vom Treibhausgas-Ausstoß entkoppelt werden.

                                                                                                                   13
Vier Jahre für die Fairkehrswende | Plädoyer für eine Regierungs-Charta der ­Fairkehrswende

Die Antriebstechnologie beim Pkw befindet sich am             sich hier für ambitionierte Regelungen einzusetzen. Per-
Anfang einer grundlegenden Transformation weg vom             spektivisch sind die europäischen Flottengrenzwerte ein
Verbrennungsmotor hin zum Elektroantrieb. Zwar ist            geeignetes Instrument um ab 2030 auch die spezifische
damit zu rechnen, dass es noch etwas mehr als ein Jahr-       Energieeffizienz von Elektrofahrzeugen zu fördern.
zehnt dauern wird, bis tatsächlich alle neu zugelassenen
Pkw in Deutschland elektrisch angetrieben werden (und         Auf nationaler Ebene können insbesondere gezielte
die Bestandsflotte wird noch länger hohe Anteile an           finanzielle Förderungen – so beispielsweise im Rahmen
Verbrennern umfassen), doch die Richtungsentschei-            eines Investitionsfonds Neue Mobilität – zur Entwick-
dung für den batterieelektrischen Antrieb ist weitgehend      lung innovativer Technologien und Geschäftsmodelle
getroffen. Auch bei schweren Nutzfahrzeugen ist eine          beitragen. Damit wird die Verkehrswende nicht nur
Transformation hin zu elektrifizierten Antrieben zu           in ihrer umweltpolitischen Dimension unterstützt,
erwarten, obgleich noch nicht klar ist, welche Anteile        sondern es wird auch ein Beitrag zur sozialverträg­
Lkw mit batterieelektrischem Antrieb, Oberleitung             lichen Transformation der Mobilitätsbranche geleistet,
oder Wasserstoff-Brennstoffzelle haben werden und ob          indem zukunftsorientierte Arbeitsplätze in Deutschland
diese Anteile regional unterschiedlich ausfallen werden.      geschaffen werden.
Gerade im Bereich des Langstrecken-Lkw ist noch nicht
entschieden, ob sich eine Antriebstechnologie als domi-        Flottenmodernisierung steuern (Nachfrage)
nant erweisen wird.                                            Dem Angebot an emissionsarmen Fahrzeugen muss
                                                               auch eine entsprechende Nachfrage ­gegenüberstehen.
Primärer Adressat der Politikinstrumente in diesem             Die europäischen CO2-Grenzwerte allein werden kaum
Bereich ist die Autoindustrie. Sie wird die erforderlichen    ausreichen, damit Deutschland das zur Einhaltung
verbrauchs- und emissionsarmen Fahrzeuge entwi-               seiner Klimaziele notwendige Tempo bei der Flotten-
ckeln und produzieren müssen. Das wirksamste etab-            transformation erreicht – auch weil die Grenzwerte
lierte angebotsseitige Instrument sind die europä­ischen      Schwächen aufweisen, wie beispielsweise das ­Fehlen
CO2-Flottengrenzwerte. Diese existieren sowohl für Pkw        von Zwischen­zielen für die Jahre zwischen 2025 und
und leichte Nutzfahrzeuge als auch für schwere Nutz-          2030. Daher müssen Instrumente auch gezielt auf
fahrzeuge. Indem sie die durchschnittlichen Emissionen        die Fahrzeuganschaffung einwirken. Angesichts der
der neu verkauften Fahrzeuge begrenzen, bestimmen             langen Nutzungsdauer und hohen Bandbreite an mög-
sie maßgeblich, welche Fahrzeuge überhaupt zum Kauf           lichen Emissionswerten haben heutige Kauf- oder
angeboten werden. Zwar werden auch hoch­emittierende          ­Leasing-Entscheidungen langfristige Konsequenzen bis
Fahrzeuge dadurch nicht ausgeschlossen, aber die Her-          weit in die 2030er Jahre für die Treibhausgasemissionen.
steller stehen unter dem Zwang, diese durch entsprech­
ende Mehrverkäufe niedrig emittierender Fahrzeuge             Anders als bei den angebotsseitigen CO2-Flotten-
auszugleichen.                                                grenzwerten sind nachfrageorientierte Instrumente
                                                              vornehmlich fiskalischer Natur und somit primär auf
Auf diese Weise wirkt die Verordnung bei zuneh-               nationaler Ebene angesiedelt. Sie sind deshalb von
mender Absenkung des Grenzwertes auch als eine Art            besonderer Bedeutung für die Klimastrategie einer
­implizite Quote für Nullemissionsfahrzeuge und damit         nationalen Regierung. Zu diesen Instrumenten zählen
 als Innovationstreiber und Technologiepfad-Mecha-            beispielsweise die Ausgestaltung der Kfz-Steuer sowie
 nismus. Insbesondere die von der Kommission vorge-           temporäre Kaufprämien für emissionsfreie Fahrzeuge.
 schlagene Reduktion des CO2-Ausstoßes neuer Pkw              Das von der Energiesteuer beziehungsweise dem Emissi-
 auf null bis zum Jahr 2035 – de facto ein Ausstieg aus       onshandel ausgehende CO2-Preissignal allein wirkt nicht
 dem Verbrennungsmotor bei Neuzulassungen – ist ein           hinreichend stark, um die Verbesserung der Flotten­
 wichtiges Signal und bietet den Unternehmen langfris-        effizienz im notwendigen Maße anzureizen. Zwar macht
 tige Investitions- und Planungssicherheit. Aufgrund des      die CO2-Bepreisung emissionsarme Fahrzeuge finanziell
 europäischen Binnenmarktes, der auf EU-Ebene geregelt        attraktiver, jedoch wird ihre Effektivität hinsichtlich der
 werden muss, sind angebotsseitige Instrumente häufig         Fahrzeugwahl durch verschiedene Verzerrungen und
 europäisch geregelt. Die Bundesregierung ist gefordert,      Wirkungsbrüche (zum Beispiel fehlende ­Transparenz

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Agora Verkehrswende | Plädoyer für eine Regierungs-Charta der F
                                                                                                      ­ airkehrswende

im Gebrauchtwagenmarkt) abgeschwächt, die zu einer          Infrastrukturen planen und bereitstellen
Unterbewertung künftiger Kraftstoffkosten bei der           Die Transformation bei den Antriebstechnologien geht
Kaufentscheidung führen. Eine reformierte Kfz-Steuer        mit enormen Herausforderungen mit Blick auf die erfor-
kann insbesondere dann effektiv sein, wenn sie zum          derliche klimaneutrale, nachhaltige Energieversorgung
Zeitpunkt der Erstregistrierung ansetzt, weil sie dann      einher. Der Auf- und Ausbau der Energieversorgungs-
solche Verzerrungen und Wirkungsbrüche überwinden           infrastrukturen und der Infrastrukturen für die Digita-
kann. Setzt die Politik allein auf Fördermaßnahmen, dann    lisierung muss in technischer, räumlicher und zeitlicher
ließen sich die notwendigen Emissionsminderungen –          Hinsicht im Einklang mit der fahrzeugseitigen Entwick-
so zeigen verschiedene Projektionen – nicht erreichen;      lung stehen; gleichzeitig bedingt er diese auch. Für Pkw
zudem würde dies die öffentlichen Finanzen überfordern      und Lkw ist vor allem die fahrzeugnahe Infrastruktur
und Haushaltsmittel regressiv beziehungsweise sozial        relevant, insbesondere die Ladeinfrastruktur. Neben
unausgewogen verteilen.                                     Investitionen in die Infrastruktur der Energieversor-
                                                            gungskette sind Investitionen in die Verkehrsinfrastruk-
Zu den fiskalischen Instrumenten kommen nichtfinan­         tur der verschiedenen Verkehrsträger essenzieller Teil
zielle Instrumente hinzu, zum Beispiel, um für Trans-       dieses Hebels. Nur mit einer – auch infrastrukturellen –
parenz und adäquate Kundeninformation zu sorgen.            Stärkung der Bahn, des ÖPNV und auch des nicht-moto-
In Deutschland kommt jedoch die Umsetzung der               risierten Verkehrs gelingt die Mobilitätswende und damit
EU-Richtlinie zum Energieeffizienz-Label seit Jahren        auch die Verkehrswende insgesamt.
nicht voran. Instrumente wie die EU-Richtlinie über die
Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahr-      Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Mit Blick
zeuge beeinflussen das öffentliche Beschaffungswesen        auf Infrastrukturmaßnahmen ist das eine sehr kurze
auch bei Nutzfahrzeugen und Bussen.                         Zeit. Von der Planung bis zur Verwirklichung vergehen
                                                            oft viele Jahre. Aufgrund der hohen ­Kapitalintensität und
Begleitend zur Umstellung auf neue Antriebe ist die         der langen Investitionszyklen können einmal getroffene
Energieversorgung anzupassen. So sind neben finan-          Entscheidungen Strukturen für Jahrzehnte festlegen.
ziellen Anreizen wie die Förderung der Einrichtung          Deshalb ist nicht nur das langfristige Steuerungspoten-
von Wandladestationen (Wallboxes) ordnungsrecht-            zial besonders hoch, sondern auch das Risiko, bestimmte
liche Instrumente essenziell, um (privaten) Akteuren        Verkehrs- oder Energiestrukturen in eine falsche Rich-
die Anschaffung von Ladepunkten für E-Fahrzeuge zu          tung zu lenken und problematische Lock-in-Effekte zu
erleichtern. Hier ist unter anderem die Richtlinie über     erzeugen. Umso mehr kommt es darauf an, Infrastruktu-
die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden relevant, für       ren – auch digitale - vorausschauend und an den Klima-
deren Anpassung die Europäische Kommission Ende             zielen orientiert zu planen, um fehlgeleitete Investitionen
2021 Vorschläge vorlegen wird, denn sie schreibt für        (Stranded Assets) oder eine Verfehlung dieser Ziele zu
bestimmte Gebäudekategorien Mindestausstattungen            vermeiden.
zur Verkabelung von Ladepunkten vor.
                                                            Infrastrukturplanung und -regulierung umfassen
Die Instrumente in diesem Bereich zielen auf alle Akteure   regelmäßig hoheitliche Bereiche und implizieren mithin
ab, die Fahrzeuge – insbesondere Neufahrzeuge – und         zwingend eine aktive staatliche Rolle. Zudem ist ein
fahrzeugnahe Ausrüstung wie Wallboxes per Kauf oder         Großteil der Infrastruktur öffentliches Eigentum, direkt
Leasing anschaffen. Die Zielgruppe ist somit etwas enger    oder indirekt durch Unternehmen im Staatsbesitz.
gefasst als bei der Verkehrsaktivität, aber noch immer      Überdies ist der Staat aufgrund seiner günstigen Finan-
sehr breit gestreut und heterogen. Sie umfasst sowohl       zierungsbedingungen und hohen Risikotragfähigkeit in
Privatpersonen als auch gewerbliche Fahrzeugkäufer: Im      der Lage, umfangreiche, langfristige und risikobehaftete
Jahr 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Krise, wurden    Infrastrukturen bereitzustellen.
2,2 Millionen Pkw gewerblich neu zugelassen, während
die Zahl der privaten Pkw-Neukäufe bei 1,4 Millionen lag.   Wichtige Akteure sind insbesondere Behörden, Unter-
                                                            nehmen im öffentlichen Eigentum und staatlich
                                                            regulierte private Infrastrukturunternehmen. Soweit

                                                                                                                     15
Vier Jahre für die Fairkehrswende | Plädoyer für eine Regierungs-Charta der ­Fairkehrswende

private Investoren in diesem Handlungsfeld erhebliche         instrumenten an den richtigen Hebelpunkten ansetzt
Investitionen tätigen sollen, sind möglichst langfristige     und dabei auf eine gerechte Verteilung der Lasten und
und möglichst verbindliche klimapolitische Vorgaben           Chancen achtet.
bedeutsam, um ihnen Planungssicherheit zu bieten.
Räumlich ist zu unterscheiden zwischen lokalen oder           Eine solche Charta der Fairkehrswende würde Orientie-
kleinräumigen Infrastrukturen (zum Beispiel auf städ-         rung und langfristig verbindlich Rahmenbedingungen
tischer Ebene), großräumigen innerhalb Deutschlands           für alle relevanten Akteure bieten. Die Bundesregierung
sowie großräumigen auf internationaler Ebene (zum             mit ihren Ministerien und Behörden hätte einen klaren
Beispiel für Wasserstoff).                                    Kurs vor Augen, um den Wandel zu gestalten. Unterneh-
                                                              men und Investoren hätten Planungs- und Investitions-
Relevante Instrumente im Bereich der Verkehrsinfra-           sicherheit, um die Transformation anzugehen und neue
strukturen umfassen unter anderem die Bundesver-              Märkte zu erschließen. Länder und Kommunen könnten
kehrswegeplanung und die dazugehörige Verteilung der          ihren Handlungsspielraum nutzen, Konzepte für die
Finanzmittel für Verkehrsinfrastruktur; auf europäischer      Menschen in ihrer Region entwickeln und Mobilitäts­
Ebene die Trans-Europäischen Netze mit ihren nachge-          angebote ausbauen. Die Öffentlichkeit hätte die Möglich-
schalteten Finanzierungsinstrumenten. Auf kommunaler          keit, ein besseres Verständnis für die Herausforderungen
Ebene sind Infrastrukturinvestitionen und Entscheidun-        zu entwickeln, sich auf den Wandel einzustellen und
gen über die Nutzung des öffentlichen Raums wichtig           Mobilität ohne schlechtes Gewissen zu genießen.
für Fortschritte bei der Mobilitätswende, zum Beispiel
beim Bau beziehungsweise bei der Ausweisung von               Die folgenden Kapitel geben eine Übersicht über die Ins-
leistungsfähigen Busspuren, Tramspuren oder neuen,            trumente und Maßnahmen, die die Bundesregierung in
sicheren und bequemen Radwegen.                               der kommenden Legislaturperiode für den Klimaschutz
                                                              im Verkehr in Angriff nehmen sollte. Damit bieten sie,
Im Bereich der Energieversorgungsinfrastrukturen sind         zusammen mit diesem einleitenden Plädoyer, auch eine
beispielhaft Planungsinstrumente wie der Masterplan           Grundlage für die Erarbeitung einer Charta der Fair-
Ladeinfrastruktur oder direkte Investitionsentscheidun-       kehrswende.
gen wie der Aufbau eines Pilotnetzes an Oberleitungs-
infrastruktur auf Autobahnen für elektrische Lkw zu
nennen. Aber auch ordnungsrechtliche Instrumente wie
die CO2-Flottengrenzewerte können für Infrastrukturen
relevant sind, da sie ein Signal für die Elektrifizierung
der Antriebe geben und damit die Planungssicherheit für
private Investitionen in Ladeinfrastruktur erhöhen.

Der Weg in der nächsten
­Legislaturperiode
Es gibt keine einfachen Universallösungen für einen kli-
maneutralen Verkehr in Deutschland. Seit 1990 scheitert
die Politik an der Aufgabe, die Treibhausgasemissio-
nen im Verkehrssektor zu reduzieren. Ein schlüssiges
Gesamtkonzept der Bundesregierung, wie der Verkehr bis
2045 klimaneutral werden soll, ist bisher nicht in Sicht.
Eilig aufgelegte Spontanaktionen und Einzelmaßnahmen
werden an der Lage kaum etwas ändern. Es braucht ein
bis zum Ende gedachtes, kohärentes und konsistentes
Gesamtkonzept, das mit einem breiten Bündel an Politik­

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Bild: adobestock.com | ehrenberg-bilder
                                                      01
Faire Preise im Straßenverkehr
Herausforderung                                            Ziel

Das über Jahrzehnte im Verkehrssektor gewachsene           Eine faire und verursachergerechte Bepreisung von
System aus Abgaben und Subventionen setzt falsche          klimaschädlichen Emissionen im Verkehrssektor setzt
Anreize. Es führt noch nicht konsequent aus dem Ver-       wirkungsvolle finanzielle Anreize: zur Anschaffung
brauch fossiler Energieträger heraus und verschärft die    effizienter Fahrzeuge und zur Verlagerung vom moto-
soziale Ungleichheit. Die jüngsten Schritte zur Wei-       risierten Individualverkehr hin zu klimaverträglichen
terentwicklung der fiskalischen Instrumente – wie die      Verkehrsmitteln. Der Straßenverkehr finanziert seine
Einführung einer CO2-Bepreisung von Kraftstoffen und       Infrastrukturkosten selbst. Weitere Kosten des Straßen-
zusätzliche Fördermaßnahmen für Elektromobilität –         verkehrs, die bisher nicht angerechnet wurden, etwa
greifen angesichts der Emissionsminderungsziele zu         für Umwelt- und Klimaschäden, werden den Verursa-
kurz. Beim Abbau klimaschädlicher Subventionen wur-        cher:innen angelastet. Klimaschädliche Subventionen
den zuletzt keine Fortschritte erzielt, was zugleich den   werden aufgelöst, der fiskalische Spielraum für Klima-
wenig sozialverträglichen Status quo im Verkehrssektor     schutzinvestitionen wächst. Die Fairkehrswende sorgt
zementiert.                                                für sozialen Ausgleich. Wirtschaftlich Schlechtergestellte
                                                           werden durch Ausgleichsmechanismen unterstützt.

                                                                                                                   17
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