Vom Ausschluss zur Integration? Frauen und Olympische Spiele
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Vom Ausschluss zur Integration? Frauen und Olympische Spiele Von Gertrud Pfister Einleitung/Fragestellung Der Weg der Frauen nach Olympia war mit zahlreichen Stolpersteinen gepflastert. Der Widerstand richtete sich dabei nicht nur gegen die Beteiligung von Frauen am Sport, sondern auch gegen die "Emanzipation" und die als bedrohlich imaginierte Veränderung der Geschlechterordnung an sich. In einer Zeit, in der Modernisierungsprozesse die Geschlechterrollen im Alltag zu verändern drohten, sollten Sport und Olympische Spiele dazu beitragen, den Mythos männlicher Stärke aufrecht zu erhalten. An den Auseinandersetzungen über die Beteiligung der Frauen an Olympischen Spielen waren Gruppen mit divergierenden Interessen, u.a. das IOC, die internationalen Fachverbände und der Internationale Frauensportverband, beteiligt. Im folgenden Beitrag sollen die Forderungen, Strategien und Ideologien dieser Interessengruppen rekonstruiert werden. Dabei wird deutlich gemacht werden, dass auch unter den am Diskurs beteiligten Frauen die Integration in die von Männern dominierten Olympischen Spielen umstritten war. Abschließend wird nach der Bedeutung der "olympischen Emanzipation" für die Bewegungskultur der Frauen und Mädchen sowie nach den gegenwärtigen Problemen und den Perspektiven der Frauen in der Olympischen Bewegung gefragt. Außenseiterinnen bei Olympischen Spielen Die Olympischen Spiele der Neuzeit waren von Männern für Männer erfunden worden. Frauen hatten in der olympischen Arena nichts zu suchen und in der olympischen Bewegung nichts zu melden. Wäre es nach dem Willen Baron de Coubertins, dem "Macher" der Spiele, gegangen, dann hätten Frauen überhaupt nur die Aufgabe gehabt, die Athleten von den Zuschauerrängen aus zu bewundern und die Sieger zu bekränzen. Deshalb durfte auch keine einzige Athletin bei den Wettkämpfen der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen 1896 antreten. Ironie des Schicksals: Zwei Frauen liefen "inoffiziell" die Marathonstrecke, eine vor und die andere nach den offiziellen Wettkämpfen (Pfister 2002). Allerdings waren die Verantwortlichkeiten für die Organisation der Spiele zunächst nicht eindeutig festgelegt. Da die Olympischen Spiele 1900 und 1904 im Rahmen einer Weltausstellung stattfanden und die Entscheidung über das Programm weitgehend in den Händen des jeweiligen Organisationskomitees lag, wurde in vieler Hinsicht gegen Ideal des Olympismus verstoßen. Zu den von Coubertin beklagten negativen Entwicklungen zählte die Zulassung von Frauen zu einem Fest, das er als zeremonielle Feier männlichen Athletentums beschreibt. Bereits bei den zweiten Olympischen Spiele in Paris 1900 treten 17 Frauen zu Wettkämpfen in den Oberschichtsportarten Golf und Tennis an, freilich "ohne offizielle Zustimmung von Seiten des IOC". Außerdem konnten Frauen an einigen der sogenannten gemischten Wettkämpfe teilnehmen. Die erste Olympiasiegerin war Helen de Pourtalès, die im Mai 1900 gemeinsam mit drei Männern in einem der elf Segelwettbewerbe siegte. Und es gab noch weitere "gemischte" Wettkämpfe, u.a. im Ballonfahren, im Drachensteigen und im Dressurreiten, bei denen sich allerdings die Wissenschaftler streiten, ob sie "olympisch" waren oder nicht. Wenn sie berücksichtigt werden, dann beteiligten sich wesentlich mehr Frauen an den Spielen von 1900, als bisher von der Sportgeschichte an- und wahrgenommen wurde. Nachdem 1904 in St. Louis nur acht amerikanische Bogenschützinnen an den Spielen teilgenommen hatten, stieg die Zahl der Olympiateilnehmerinnen 1908 und 1912 langsam an. Gleichwohl blieb das Programm für Frauen auch bei diesen Spielen auf wenige Sportarten mit hohem Sozialprestige und hohem Gesundheitswert beschränkt. 1908 standen Bogenschiessen, Tennis und Eiskunstlauf auf dem Programm der Frauen, außerdem beteiligte sich jeweils eine Frau am Segeln und am Motorbootfahren. 1912 durften Frauen im Schwimmen und Tennis antreten. Die ersten Olympiateilnehmerinnen stammten überwiegend aus dem jeweiligen Gastgeberland; relativ kontinuierlich beteiligten sich vor dem 1. Weltkrieg nur Athletinnen aus Großbritannien, dem Land mit der längsten Sporttradition. Sie fehlten nur
nur Athletinnen aus Großbritannien, dem Land mit der längsten Sporttradition. Sie fehlten nur 1904 bei den Olympischen Spielen in St. Louis. Deutschland entsandte zum ersten Mal 1908 Sportlerinnen, zwei Eiskunstläuferinnen, zu den Olympischen Spielen nach London. Elsa Rendschmidt wurde Zweite im Einzelwettbewerb, Anna Hübler gewann mit ihrem Partner Heinrich Burger die Goldmedaille im Paarlauf (Kamper/Mallon 1992, S. 295). Einen Aufschwung erlebte der olympische Frauensport 1912: Zum ersten Mal kämpften Frauen bei den Olympischen Spielen in Stockholm um Meter und Sekunden. Die "feministischen" Schweden - so das Protokoll der Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) von 1911 - hatten Frauen zu Schwimmwettbewerben zugelassen. Dagegen lehnte das Schwedische Organisationskomitee den Antrag der Britischen Athletin Helen Preece auf eine Beteiligung am Modernen Fünfkampf ab. Die Aufnahme einer so populären Sportart wie Schwimmen in das Frauenprogramm förderte die Beteiligung von Sportlerinnen aus zahlreichen Ländern: 11 Nationen hatten Athletinnen zu den Spielen in Stockholm entsandt (Odenkirchen 1993). Dem deutschen Team gehörten 5 Sportlerinnen an, die alle Medaillen erringen konnten. Olympische Spiele und/oder "Frauenolympiaden" Obwohl auch nach dem ersten Weltkrieg der Widerstand gegen die Beteiligung des "schwachen Geschlechts" am Wettkampfsport nicht überwunden war, wurden weitere Sportarten für Frauen olympisch: 1924 das Florettfechten, 1928 der Teamwettkampf im Turnen und die Leichtathletik, die besonders umstritten war. Die Leichtathletik hatte seit je her als die klassische Domäne der männlichen Athleten gegolten. Noch in den 20er Jahren konnte Karl Ritter von Halt, ein bekannter Leichtathlet und IOC-Mitglied von 1929 bis 1964, behaupten: "Der Kampf gebührt dem Mann, der Natur des Weibes ist er wesensfremd. Darum weg mit den Damenleichtathletikmeisterschaften ..." (zit. in Kühn 1926, S. 193). Das Eindringen von Frauen in das Zentrum der Olympischen Bewegung, in das Stadion, stieß bei Coubertin und vielen IOC-Mitgliedern auf energischen, lange anhaltenden, aber letztlich vergeblichen Widerstand. Die Integration in den "Männersport" war eine, die Organisation eigener Verbände und Veranstaltungen war eine andere Möglichkeit für Frauen, Sport und Leistungssport zu betreiben. Zu den ersten internationalen Wettbewerben für Frauen gehörten die "Frauenolympiaden", die 1921, 1922 und 1923 in Monte Carlo als Attraktion für die begüterten und sportbegeisterten Gäste des Fürstentums Monaco ausgetragen wurden (Meyer 1988). Der Erfolg dieser "Olympiaden", bei denen die Leichtathletik im Mittelpunkt stand, erleichterte die Organisation weiterer internationaler Begegnungen im Frauensport. U.a. fand am 30. Oktober 1921 in Paris ein Länderkampf zwischen England und Frankreich in der Leichtathletik und im Fußball statt, den der Französische Frauensportverband (FSFSF) und seine Präsidentin Alice Milliat initiiert hatten. Auf der dieser Begegnung folgenden internationalen Konferenz wurde dann die Fédération Sportive Féminine Internationale (FSFI) gegründet. Anlass war die Weigerung der International Amateur Athletic Federation (IAAF), sich für die Frauenleichtathletik einzusetzen. Begünstigt wurde diese Initiative durch die sportpolitische Konstellation in Frankreich, u.a. durch die Konkurrenz verschiedener eigenständiger Frauensportverbände. Die wichtigste Aktivität der FSFI war die Durchführung "Olympischer Frauenspiele" - 1922 in Paris, 1926 in Göteburg, 1930 in Prag und 1934 in London -, die die Leistungsfähigkeit der Athletinnen dokumentierten und in der Öffentlichkeit auf positive Resonanz stießen (Pfister 1994; 2001). Diese Frauenweltspiele waren die Trumpfkarte in den Auseinandersetzungen um den olympischen Frauensport. Sie boten nicht nur Athletinnen die Chance, durch ihre Beteiligung an internationalen Wettkämpfen die Marginalisierung des Frauensports zu überwinden, sie dienten der FSFI auch als wichtigstes Mittel, Druck auf das IOC und insgesamt Einfluss auf die Entwicklung des Frauensports auszuüben. Die Auseinandersetzungen zwischen der FSFI und seiner Präsidentin, Alice Milliat, auf der einen, und dem IOC und dem IAAF auf der anderen Seite können im Rahmen dieses Beitrags nicht im einzelnen dargestellt werden. Sie endeten erst 1936 mit einem schleichenden Machtverlust und der mehr oder weniger erzwungenen Auflösung der FSFI.
Die FSFI kämpfte zunächst für die Zulassung von Frauen zu leichtathletischen Disziplinen, dann für die Ausweitung des Leichtathletikprogramms bei Olympischen Spielen und später auch für die Durchführung eigener Olympischer Spiele für Frauen mit einem umfangreichen Sportartenangebot. Dabei vertraten insbesondere die Delegierten aus Großbritannien in der FSFI einen eher separatistischen Standpunkt mit dem Argument, dass die Integration in den "Männersport" mit einem Verlust von Macht und Einfluss erkauft werden müsse. Die US-Delegierten in der FSFI unterstützten zwar Alice Milliat und ihre bis Anfang der 30er Jahre dauernden Versuche, in den "olympischen Herrenclub" aufgenommen zu werden, sie mussten dabei aber mit Widerständen in ihrer Heimat rechnen. In den 20er Jahren entwickelte sich in den USA nämlich eine breite Front des Widerstandes gegen den Leistungs- und Wettkampfsport der Frauen (vgl. besonders Hult 1989), der vor allem von Dozentinnen für Leibesübungen an Colleges oder Universitäten getragen wurde. Ihr Ziel war die Förderung des Breitensports; ihre Devise lautete: "A sport for every girl and every girl in a sport" (u.a. Guttmann 1991, S. 138). Auch in den Männergremien IOC und IAAF gab es divergierende Strategien: Zunächst war man sich zwar darin einig, dass die Beteiligung von Frauen an der olympischen Leichtathletik verhindert werden müsse. Später mussten sie ein Mindestmass an Integration zulassen, um ihren Einfluss auf den Frauensport nicht völlig zu verlieren. Die wichtigste Strategie war dabei, Frauen auf wenige Disziplinen zu beschränken. Allerdings differierten die Haltungen der IOC- und IAAF-Mitglieder in der "Frauenfrage" dabei u.a. auch in Abhängigkeit von den Interessen und Direktiven der nationalen Sportverbände. So setzten sich beispielsweise die Amerikaner im IOC im Vorfeld der Olympischen Spiele 1932 für die Leichtathletik der Frauen ein, da sie in Los Angeles auf diese Wettbewerbe, bei denen sich die USA Medaillenchancen ausrechnen konnte, nicht verzichten wollten. Die Forderungen der FSFI, den Frauen bei den Olympischen Spielen 1928 ein umfangreiches Leichtathletikprogramm mit mindestens 10 Disziplinen anzubieten, wurden nur teilweise erfüllt; immerhin wurden Frauen zum ersten Mal zum Kampf um Meter und Sekunden im Olympischen Stadion zugelassen und zwar zu folgenden 5 Disziplinen: Hochsprung, Diskuswurf, 100 m, 4 x 100 m Staffel und 800 m. Besonders umstritten war der Mittelstreckenlauf, der die Kräfte der Frauen zu übersteigen schien. Dass sich einige Athletinnen nach dem Wettkampf erschöpft zu Boden sinken ließen, war Anlass genug, um die gesamten Leichtathletikwettbewerbe der Frauen im IOC erneut zur Disposition zu stellen. Zwar fand der Antrag des IOC- Präsidenten Baillet-Latour auf Abschaffung der Frauenleichtathletikwettbewerbe 1930 keine Mehrheit, der 800 m Lauf wurde aber 1932 aus dem Olympischen Programm gestrichen (Hargreaves 1994; Pfister 1996). Die heftigen Auseinandersetzungen über die Zulassung von Frauen zu Leichtathletikwettkämpfen stehen mit den in dieser Zeit weit verbreiteten stereotypen Vorstellungen über das Wesen der Frau und mit dem Mythos von der "weiblichen Schwäche" in engem Zusammenhang. Die in diesen Auseinandersetzungen vorgebrachten Argumente wie insgesamt die Alltagstheorien über die Fähigkeiten und Aufgaben der Geschlechter inner- und außerhalb des Sports wurden in den 20er Jahren durch den "Mainstream" der Medizin gestützt, deren Erkenntnisse nicht auf empirischen Untersuchungen sondern auf weltanschaulichen Orientierungen basierten. Die Sorge um das Wohl der Frauen verband sich mit der Sorge um die Aufrechterhaltung der herrschenden Geschlechterordnung. So meinte z.B. ein Gynäkologe 1931: "Bei der erwachsenen Frau müssen alle sportlichen Übungen vom Standpunkt der Fortpflanzung aus betrachtet werden" (Küstner 1931, S. 791). Und Hugo Sellheim, Direktor der Universitäts-Frauenklinik in Leipzig warnte:" Durch zu viel Sport nach männlichem Muster wird der Frauenkörper direkt vermännlicht ... Die weiblichen Unterleibsorgane verwelken und das künstlich gezüchtete Mannweib ist fertig" (Sellheim 1931, S. 1740). Insgesamt trug die Medizin mit ihren Ge- und Verboten zur Marginalisierung der Frauen im Wettkampfsport entscheidend bei (zusammenfassend Pfister 1990). Trotz der erwähnten Widerstände erlebte der Frauensport bei den Spielen 1928 in Amsterdam sowohl im Hinblick auf die Ausweitung des Wettkampfprogramms, als auch im Hinblick auf die Teilnehmerinnenzahlen einen weiteren Aufschwung: 11,5% der Wettbewerbe wurden für Frauen ausgerichtet, und 9,6% der Olympioniken waren weiblich, ein Prozentsatz, der erst wieder 1952 übertroffen wurde.
wieder 1952 übertroffen wurde. Auffallend ist, dass den deutschen Olympiateams überproportional viele Frauen angehörten. Auch für die als "unweiblich" geltenden leichtathletischen Disziplinen wurden zahlreiche deutsche Athletinnen gemeldet, die sowohl 1928 als auch 1936 sehr erfolgreich waren. 1928 erkämpfte Lina Radke-Batschauer im 800-m-Lauf sogar die erste Goldmedaille in der Leichtathletik für Deutschland (Pfister 1994). 1936, bei den von den Nationalsozialisten organisierten und zu Propagandazwecken genutzten Spielen in Berlin, stellte Deutschland in der Leichtathletik, aber auch in der Gesamtabrechnung das stärkste Frauenteam, das 13 der 45 Medaillen erringen konnte. Obwohl der Hochleistungssport der Frauen den Direktiven der Rassenhygiene und der nationalsozialistischen Weiblichkeitsideologie widersprach, wurden Spitzenathletinnen wie Christl Cranz oder Gisela Mauermayer intensiv gefördert, weil sie die šberlegenheit des NS-Systems demonstrieren sollten. Athletinnen im Kalten Krieg Auch nach dem 2. Weltkrieg war die Beteiligung der Frauen an den Olympischen Spielen noch nicht unumstritten. So schlug der IOC-Präsident Avery Brundage 1952 erneut vor, die Frauenwettbewerbe abzuschaffen (Mayer 1960, S. 222), und noch 1966 wurde im IOC diskutiert, Kugelstoßen und Diskuswerfen aus dem Olympischen Frauenprogramm zu streichen (Hargreaves 1994, S. 216). Trotzdem nahm die Zahl der Olympiateilnehmerinnen, der für Frauen ausgerichteten Wettbewerbe und der Länder, die Frauenteams zu den Spielen entsandten, kontinuierlich zu. Die Beteiligung der leistungsstarken sowjetischen Sportlerinnen seit 1952 und die Einführung der ersten Teamsportart für Frauen, Volleyball 1964, waren Meilensteine in der Geschichte des Olympischen Frauensports, der jetzt auch immer mehr ins Rampenlicht der Öffentlichkeit trat. Schon in den dreißiger und vierziger Jahren waren Athletinnen wie Babe Didrikson, Sonja Henie oder Fanny Blankers-Koen, die "fliegende Hausfrau", bekannt gewesen, und in der Fernseh- und Mediengesellschaft wurden Wilma Rudolph oder Olga Korbut, später Nadia Comaneci oder Katharina Witt zu Idolen, die modische Frauenideale - schlank, anmutig, nicht allzu muskulös und auf jeden Fall "weiblich" - repräsentierten. Der Star der Spiele von Seoul, Florence Griffith-Joyner, kompensierte ihre androgynen Körperformen durch ein extrem weibliches Outfit. Seit einigen Jahren sind es vor allem die Kindfrauen, die sich gut "vermarkten" lassen. Sie verbinden höchste Leistungen mit dem Aussehen eines Models und signalisieren in Kleidung und Haltung weibliche Erotik. Bei den Spielen in Sydney wurden dann auch bei Frauen Muskeln und Waschbrettbäuche modern. Mit der politischen und wirtschaftlichen Konsolidierung hatte der Sport in den 50er Jahren auch in beiden deutschen Staaten einen neuen Aufschwung erlebt. Er gewann im Rahmen der politischen Auseinandersetzungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR, wie insgesamt im Wettstreit der Systeme, immer mehr an Bedeutung. Es kam zu einem "sportlichen Wettrüsten" und einem starken Anstieg des sportlichen Leistungsniveaus vor allem in der DDR und in anderen sozialistischen Ländern. Dabei waren insbesondere die sportlichen Erfolge der Frauen, in die die sozialistischen Staaten u.a. auf Kosten des Breitensports investierten, um die Überlegenheit ihres politischen und ökonomischen Systems zu "beweisen". Seit den 60er Jahren dominieren Athletinnen aus sozialistischen Ländern die Olympischen Wettkämpfe - sie gewannen z.B. 1976 73 % aller Medaillen. Gleichberechtigung - und dann? Die Entwicklung der Olympiateilnahme von Frauen spiegelt zugleich beides wider, die zunehmende Integration der Frauen in den Sport und die immer noch bestehende männliche Dominanz. Auch heute sind mehr als die Hälfte der Olympioniken Männer. Die Chancen von Frauen, an den Olympischen Spielen teilzunehmen, ist dabei in starkem Masse von ihrer Nationalität abhängig: Bei den Olympischen Spielen in Seoul betrug beispielsweise die Frauenquote im englischem Team 35 %, in der spanischen Delegation dagegen nur 18 %. Von den 160 teilnehmenden Ländern entsandten 42, darunter 21 islamische Länder, ausschließlich Männer nach Seoul (Hargreaves 1994, S. 227). In vielen Entwicklungsländern und vor allem auch in islamischen Ländern hat der Frauensport mit zahlreichen Problemen zu kämpfen, die von der geringen Verbreitung des Mädchensportunterrichts über fehlende Sportangebote für Frauen bis hin zu Verboten von gemeinsamem Training beider
Sportangebote für Frauen bis hin zu Verboten von gemeinsamem Training beider Geschlechter reichen. Vor allem die religiösen Gebote - Verhüllung des Körpers in der Öffentlichkeit, keine gemeinsamen Aktivitäten mit Männern - sind Barrieren, die eine Verbreitung westlich orientierter Sportpraktiken verhindern oder zumindest erschweren. In vielen Ländern entspricht Sport zudem nicht der somatischen Kultur von Mädchen und Frauen und/oder er lässt sich nicht in den Lebenskontext integrieren. Derzeit stehen zwei gegensätzliche Strategien und Perspektiven zur Diskussion: Zum einen fordert die Initiative Atlanta Plus, die von französischen Politikerinnen ins Leben gerufen wurde und sich inzwischen weltweit verbreitet hat, die Nationen, die keine Frauen zu den Spielen entsenden, aus der Olympischen Familie auszuschließen. Zum anderen wurden und werden islamische Frauenweltspiele 1993, 1997 und 2001 in Teheran, durchgeführt, bei denen Männer auch vom Zuschauen ausgeschlossen sind. Hargreaves spricht als weiteres Problem der internationalen Sportbewegung die Verteilung der Ressourcen an. Armut hat in vielen Ländern ein Geschlecht: Frauen sind meist in besonderem Masse von Armut betroffen. Sie können sich zudem kaum an sportlichen Aktivitäten beteiligen. Hargreaves stellt daher die Frage, ob es sinnvoll ist, angesichts des täglichen Kampfes um das Überleben Ressourcen für den Leistungssport und damit überwiegend auch für Männer zu verwenden? Inzwischen sind Frauen zu weiteren Sportarten bei Olympischen Spielen zugelassen worden, auch zu den lange als gesundheitsschädlich angesehenen Ausdauerdisziplinen wie dem Marathonlauf (1984). 1996 in Atlanta traten erstmals Frauenteams im Fußball an. Damit ist eine Sportart für Frauen olympisch geworden, die bis vor kurzem als männliche Bastion galt. Und seitdem ist die Zulassung der Frauen zu mehr und mehr Sportarten nicht mehr aufzuhalten. Aber nicht nur der Ausschluss von Frauen aus Sportarten, sondern auch die Inszenierungen von Männlichkeit und Weiblichkeit, beispielsweise im Eiskunstlaufen, und die Einführung von Disziplinen, die nur Frauen offen stehen (Synchronschwimmen und rhythmische Sportgymnastik seit 1984) kann zur Verstärkung geschlechtstypischer Zuschreibungen - Frauen als das anmutige Geschlecht - beitragen. Das olympische Programm wird von den Fachverbänden und dem IOC verantwortet. Nicht nur das IOC ist ein Männerbund - 1993 waren von 93 Mitgliedern 7 weiblich (Hargreaves 1994, S. 221) - auch in den NOKs und den internationalen Sportverbänden befinden sich Männer an den Schalthebeln der Macht. Trotzdem ist in den letzten Jahren eine Sensibilisierung für Frauen und ihre olympischen Probleme zu verzeichnen. So wurde z.B. in die Olympische Charta aufgenommen, dass niemand aufgrund seines Geschlechts diskriminiert werden darf. Inzwischen ist die olympische Bewegung, wie der Hochleistungssport insgesamt, zahlreichen Einflüssen und Entwicklungen ausgesetzt, die nur teilweise im Einflussbereichs des IOC und der Verbände liegen. Stichworte sind: Vermarktung, extreme Zunahme des Trainingsaufwands, ständige Steigerung der Leistungsstandards usw. Viele der damit verbundenen Probleme treffen Frauen in anderer Weise als Männer, schon allein deswegen, weil die Athletinnen in vielen Sportarten wesentlich jünger sind als die Athleten. Im Streben nach Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Olympischen Bewegung sind Fortschritte zu verzeichnen, aber ist das genug? Sind Frauen, wenn sie dann die Integration erreicht und damit - potentiell - Einfluss erlangt haben, nicht zugleich aufgefordert, sich stärker als bisher einzumischen und sich an der Suche nach Lösungen für die Probleme des Hochleistungssports zu beteiligen? Generell ist zudem zu fragen, ob Gleichberechtigung in der Olympischen Bewegung Auswirkungen auf die Situation von Frauen im Breiten- und Freizeitsport hat. Hochleistungssportlerinnen sind eine kleine Minderheit mit ganz spezifischen Problemen, aber auch mit zahlreichen Privilegien. Die überwiegende Mehrzahl der Frauen hat im Sport mit anderen Problemen zu kämpfen, wie z.B. mit der Schliessung des Hallenbads im Wohnviertel, der Schwierigkeit, Kinderbetreuung zu organisieren, den hohen Kosten mancher Sportaktivitäten oder auch dem Fehlen von Sportangeboten in zumutbarer Entfernung. Olympische Erfolge können zwar für den Frauensport werben, sie führen nicht unbedingt zu einem Abbau der Barrieren, die das Sportengagement von Frauen erschweren oder verhindern können.
* Coubertin 1912; vgl. auch Simri 1977; Mitchell 1977; Pfister 1981. Die folgenden Zahlenangaben stammen, wenn nicht anders angegeben, aus Kamper 1972 und Simri 1977. Sie beziehen sich auf die Sommerspiele.vgl. zum folgenden Text auch Pfister 2000, 2001 und 2002. Mitchell 1977, S. 212; Simri 1977. S. 8 Mitchell 1977, 212; Simri 1977, 8. Kluge 1997; Mallon 1998. Vgl. zu den Spielen 1900 Lennartz/Teutenberg 1995; Odenkirchen 1995/96; Kluge 1997; Mallon 1998.
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