Vom Burnout zur Beziehung
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ICM Kongress Betreuung für die Betreuenden Vom Burnout zur Beziehung Viele Faktoren tragen dazu bei, dass das Arbeitsumfeld der Hebammen sierungsprobleme sie nicht viel angehen. zunehmend belastet wird: Wirtschaftliche, politische und technolo- Aber die zunehmende Privatisierung des Gesundheitswesens, die ständigen Mass- gische Entwicklungen, die ständige Herausforderung, den Berufsstand nahmen zur Eindämmung der Gesund- zu professionalisieren, die Balance zwischen Beruf und Familie können heitskosten auch als Folge der Globali- zu Erschöpfung und Burnout führen. Der Weg zu vermehrtem Wohl- sierung berühren uns alle. Kosten- senkungen und damit Sparmassnahmen befinden ist nicht eindimensional, er berührt einen globalen, berufli- beim Personal führen zu Stress am chen und persönlichen Kontext. Soll er gelingen, so sind ein Ausgleich Arbeitsplatz und überarbeiteten, unter- zwischen Herz und Hirn und Offenheit für Beziehungen unerlässlich. bezahlten Pflegenden. Untersuchungen über die Ursachen von Burnout zeigen, dass sie in erster Linie im Arbeitsumfeld Bridget Lynch, eine Weltbank, die bei den armen Län- zu suchen sind. Wo wirtschaftliche Anlie- Registered Midwife, dern Schuldzinsen eintreiben – Länder in gen wichtiger sind als menschliche To r o n t o , C a n a d a einem auswegslosen Schuldenkreis, wel- Anliegen, da wird Burnout gefördert. cher ihre Armut zementiert. Statt in Aus- Marktwirtschaftliches Denken hat di- D E R Begriff «Betreuung für die Betreu- bildung, Gesundheitsvorsorge, Hausbau rekte Auswirkungen auf Arbeitsplätze enden» ist relativ neu und im Zusam- oder Aufbau einer nachhaltigen Wirt- und Wohlbefinden des Personals. menhang mit dem weltweit epidemisch schaft investieren zu können, müssen ih- auftretenden beruflichen Burnout ent- re Regierungen Schuldzinsen bezahlen. Unsere Arbeit ist auch politisch standen. Hebammen sind dabei wesent- Die Reichen werden immer reicher und Wie können wir in diesem globalisier- lich mitbetroffen, auch wir internationa- die Armen immer ärmer. Die reichen ten Umfeld füreinander sorgen? Wie len Hebammen hier, ungeachtet unseres Länder kontrollieren dank ihrer Wirt- können wir uns unter diesen harschen sehr unterschiedlichen kulturellen und schaftsmacht den IMF und somit die Bedingungen weiter für den Aufbau sozialen Hintergrunds. Denn ein Phäno- armen Länder – das England von Charles eines autonomen Berufsstands einset- men, welches die Globalisierung überall Dickens ist global geworden. zen? Viele Hebammen dieser Welt stehen auf der Welt zu verbreiten scheint, ist zu- Was hat dies mit uns Hebammen zu vor riesigen Herausforderungen, sie ar- nehmender Stress. tun? Es ist wichtig, dass wir hier an einer beiten mit geschlagenen, rechtlosen, hun- Dieses Referat beleuchtet das Thema internationalen Konferenz die Probleme gernden und armen Frauen, mit Teen- in seinem globalen Kontext, im Berufs- aus internationaler Sicht angehen. Viel- agern, Gefangenen und allein erziehen- kontext, im Kontext unseres Arbeits- leicht denken einige Hebammen aus den Müttern. Wir Hebammen werden zu platzes und schliesslich im persönlichen industrialisierten Ländern, dass Globali- Zeugen solch schwieriger Frauenschick- Kontext. Durch Erkennen der Ursachen von Stress, Erschöpfung und Burnout können wir beginnen, auf allen Ebenen Foto: ICM auch dagegen anzukämpfen. Globaler Kontext: Wirtschaftspolitik und die Sorge füreinander Charles Dickens global Ein Blick auf unseren Planeten zeigt uns sieben Milliarden Menschen, von denen die meisten ohne ausreichende Nahrung und Behausung, Ausbildung und Gesundheitsvorsorge aufwachsen. Wir sehen eine Weltwirtschaft, von der wenige profitieren, während die Armut in den letzten 20 Jahren für den grössten Teil der Weltbevölkerung dramatisch zu- genommen hat. Wir sehen einen Inter- nationalen Monetary Fund (IMF) und 2600 Hebammen aus 80 Ländern im Wiener Kongresszentrum. Schweizer Hebamme Sage-femme suisse 11/2002 9
sale. Unsere Arbeit ist daher immer auch te Weisheit von Herz und Hand zu über- Hebammen wissen wir, dass der Intellekt politisch. Vor einigen Tagen haben die rollen. Die Geburt darf nicht auf ein me- den Ausgleich durch das Herz braucht – Delegierten des ICM auf Antrag von Gam- dizinisches Prozedere reduziert, evi- ein nie endendes Geben und Nehmen, bia eine Resolution verabschiedet. Diese denzbasierte Risikoeinschätzung darf wie Ebbe und Flut, wie Yin und Yang, wie fordert die vollständige Entschuldung nicht unsere einzige Referenz werden. der Rhythmus des Gebärens. Wir müssen der 52 ärmsten Länder und faire Wirt- aufpassen, dass unsere Professionalität schaftsbedingungen für Entwicklungs- 1000 Geburten, nie ein Dammriss nicht unsere intuitiven Kräfte zuschüttet länder. Nur genügend Druck, auch unser Im November 2001 nahm ich am ers- oder unterwandert. Druck, aus den Industrieländern wird ten regionalen Treffen der karibischen Für uns Hebammen und Pflegende zu IMF, Weltbank und WTO dazu bringen, Mitgliedsländer teil. In einem der bewe- sorgen heisst, unsere innere Weisheit ihre Politik zu ändern. Wenn wir Hebam- gendsten Workshops berichteten zwei und unser Wissen respektieren, das men uns weltweit verbinden und gegen Midis, wie die traditionellen karibischen Herz und die Kunst des Hebammen- die Ungerechtigkeit der globalen Wirt- Hebammen genannt werden, über ihr wesens zu schützen. Tun wir dies nicht, schaftspolitik wehren, dann beginnen Leben und ihre Arbeit. Die beiden wun- dann geraten wir in Konflikt, mit uns sel- wir, auf einer fundamentalen, globalen dervollen Hebammen hatten Tausende ber, mit der Profession oder in unserem Ebene für uns selbst und für einander von Geburten betreut; und als eine der Arbeitsumfeld. Sorge zu tragen. Midis sagte, sie habe in all diesen Jahren keinen einzigen Dammriss erlebt, ging Kontext Arbeitsplatz: Professioneller Kontext: Die ein ehrfürchtiges Raunen durch die Rei- hen der vorwiegend westlich ausgebilde- Entfremdung und Hierarchie Ahnenreihe der Hebammen ten Zuhörerinnen. Eine der Midis sagte: Hierarchie fördert Burnout Uralte Weisheit pflegen «Wir lernten in unserer Ausbildung, mit Die Bedingungen an unserem Arbeits- Der Weg zu Veränderungen ist lang, er unserem Herzen, unseren Händen und ort, sprich: seine hierarchische Organisa- dauert viele Generationen. Wenig wird mit Gott zu arbeiten.» Ich konnte den Ge- tionsstruktur, verhindern es oft, dass wir im Laufe bloss eines Menschenlebens er- danken nicht unterdrücken, dass die uns umeinander kümmern. Solche reicht, so erfolgreich dieses uns auch heutigen Hebammen lernen, mit Gehirn, Strukturen fördern die Entpersonalisie- erscheint. Aber wenn wir anerkennen, Technologie und Wissenschaft zu arbei- rung, was bedeutet, dass die Arbeit wich- dass eine Lebensarbeit nicht mehr als ein ten. In der westlichen Kultur und Medizin tiger wird als die Menschen, mit denen Beitrag an solche andauernden Kämpfe herrscht die Tendenz, den traditionellen wir zusammenarbeiten. In vielen Län- ist, dann können wir unser Leben leben Methoden den Rücken zuzuwenden und dern gilt es als Einmischung in persön- und geniessen und uns gleichzeitig für nur das Neue gelten zu lassen. Dies gilt liche Angelegenheiten, wenn sich je- Veränderungen einsetzen als eine Art Evolution. Aber sollen wir mand nach dem Wohlergehen der Kolle- Wir heute lebenden Hebammen sind Hebammen das traditionelle Hebam- gen erkundigt. Entfremdung ist die üb- Glieder in einer langen Ahnenreihe von menwissen wirklich bloss den Anthropo- liche Folge, die Angestellten werden wie Hebammen. Wir tragen das Vermächtnis logen und Sozialwissenschaftlern über- Waren ausgebeutet – eine gerade unter früherer Hebammen mit uns und inspi- lassen? Sollten wir nicht eher diese Tra- dem Gesundheitspersonal in vielen Län- rieren die zukünftigen Berufskollegin- ditionen studieren und einen Teil davon dern häufige Situation. nen. Wollen wir zu uns als Hebammen, in unsere Ausbildungsprogramme auf- Erst wenn wir uns auch am Arbeits- als Frauen Sorge tragen, dann sind wir nehmen? Ich will damit nicht sagen, dass platz um einander kümmern, setzen wir aufgefordert, diese Ahnenreihe zu re- die Professionalisierung für das Überle- uns gegen die Ausbeutung zur Wehr und spektieren. Sie trägt in sich uralte Weis- ben des Hebammenwesens unnötig ge- weigern uns auch, uns gegenseitig aus- heit, Wissen und Kenntnisse von Frauen, wesen sei. Aber ich denke, wenn wir uns zubeuten. Alle sind mit verantwortlich, die Weisheit des Herzens. Dieses steht je- bewusst werden, dass die Abkehr von gegen Burnout und Erschöpfung einzel- doch in Gefahr, verloren zu gehen und unserer Ahnenreihe uns auch schadet ner anzukämpfen. vor dem rationalen, medizinischen und und den Hebammenberufsstand in eine aufgeklärten Denken der heutigen Wis- Art interne Schizophrenie stürzt, dann Arbeitsbedingungen verändern senschaft zu weichen. Westliche wissen- kann uns das nur weiterbringen. Eine meiner Freundinnen arbeitete schaftliche Werte, evidenzbasierte For- als Executive Director bei Greenpeace schung und statistische Daten haben Ausgleich zwischen Herz und Hirn Canada. Sie hat in ihrer Karriere gelernt, ihren wichtigen Platz in unserer täg- Der Begriff des Sorgens, des Sorge Tra- dass es für einen Manager ausgeschlos- lichen Arbeit, aber drohen die überliefer- gens hat mit dem Herzen zu tun. Als sen ist, einer ausgebrannten und er- schöpften Mitarbeiterin bloss Mitgefühl zu zeigen, aber nichts weiter zu unter- Hebammen-Portrait: nehmen. Wirkungsvollste Massnahme ist, die Arbeitsbedingungen der Mitarbei- Jumiarny Ilyas Kes, terin zu verändern, ihr einen Urlaub zu Suryani Soepardan geben, Arbeitslast und Arbeitsplan zu und Mia Tuningsih ändern, sie mit ihrem Stress nicht allein (von links) kommen zu lassen. Und wir Hebammen? Wie oft aus verschiedenen lassen wir uns darauf ein, wenn eine Kol- Regionen Indone- legin über Burnout klagt? Zu sagen: siens und sind Aus- «Komm wir setzen uns und schauen ein- bildnerinnen an mal, was ich tun könnte, um dir zu hel- Hebammenschulen. fen» ist etwas völlig anderes als: «Du soll- test halt Ferien nehmen!» Allerdings 10 Schweizer Hebamme 11/2002 Sage-femme suisse
Altar unserer Arbeit zu opfern. Familie und Freunde, die uns stark unterstützen, folgen oft erst an zweiter Stelle; unsere Arbeit geht vor. Auch sind wir menschlich und geraten immer wieder in den Zwang, uns bewei- sen zu müssen, besser sein zu müssen als unsere Kolleginnen, damit wir uns selbst wertvoll finden. Wo finden wir den Aus- gleich zwischen Inspiration und Aufopfe- rung, Erreichtem und Verpasstem, zwi- schen den Bedürfnissen von Herz und Hirn, eigenen Bedürfnissen und den- jenigen unserer Familie? Wie sehr ist das, was wir leisten, verhängt mit kultu- rellen Mustern von Macht, Wettbewerb, Erfolg und Niederlage? Gewinnen und Rotbehutete australische Hebammen: Die Gastgeberinnen des nächsten Verlieren sind Wertvorstellungen, die un- ICM-Kongresses. sere Welt zu einem Ort mit extremem und inakzeptablem Reichtum und extre- mer, inakzeptabler Armut gemacht muss die erschöpfte Kollegin dann das Dualität von Stärke und Schwäche haben, sind Ausdruck eines unterent- Hilfsangebot auch akzeptieren können. Hebammen gelten zu Recht oft als wickelten Begriffs von Macht, einer Ideo- Und wir sollten Modelle von Hebammen- stark und engagiert. Unsere Kraft und logie von Stärke, welche den Schwachen arbeit und Arbeitsplätzen schaffen, die unser Engagement sind sowohl Stärke besiegt. Burnout vermeiden helfen, Modelle wie als auch Schwäche. Gelten wir als stark, das von Greenleaf, welches Gemein- so tendieren wir dazu, bloss diese Seite Andere Form von Macht schaft und Ermächtigung über Struktur zu zeigen. Zeigen wir unsere Verletzlich- Bei der Geburt erleben wir eine ande- und Prozessdenken stellt. keit, so heisst es rasch, wir seien re Form von Macht. Wir sehen eine Frau, schwach – im Kontext der patriarcha- welche nachgibt, loslässt und sich ver- Persönlicher Kontext: lischen Bewertung von stark gegen trauensvoll ihrem Körper und seinen schwach, im Gegensatz zur weiblichen Kräften hingibt. Sie wird verwundbar Tun und Sein Sichtweise von stark und schwach und bekommt Unterstützung von den Be- Sabbath und Retraite als Dualität. Verbergen wir unsere treuenden. Auch dies ist eine Form von Unsere Vorfahren pflegten den uralten Schwäche, dann laufen wir Gefahr, unse- Macht. Wir müssen diese unsere Macht Rhythmus von Arbeit und Ruhe. Sie wus- re eigentlichen Bedürfnisse nicht wahr anerkennen, das uralte Wissen um die sten, dass wir Menschen das Leben nicht zu nehmen, uns nicht um uns zu küm- Macht von Geben und Nehmen, von Kon- nur durch Tun, sondern auch durch Sein mern und uns anderen nicht anzuver- traktion und Loslassen, von sich Einlas- erleben sollten. Dieser Tradition folgt der trauen. Fürsorge geht immer mit Bezie- sen und sich Abgrenzen, von Gleichge- Sabbath, eine Zeit, die nicht vor allem hung einher. Für einander zu sorgen be- wicht und Fluss, Einatmen – Inspiration- dazu dienen soll, neue Kräfte für die deutet, sich für einander zu öffnen und und Ausatmen – Loslassen. Arbeit zu gewinnen, sondern sich Zeit für sich um das Wohlergehen des Nächsten Wenn wir Frauen beim Gebären be- das Leben zu nehmen. zu kümmern. Und dabei tauschen Be- gleiten, dann schenkt uns dieses Geben Eine andere alte Tradition ist die des treuerin und Betreute immer wieder die und Nehmen, diese Beziehung eine tiefe Rückzugs, der Retraite, bei der ebenfalls Plätze. Gegenseitigkeit der Fürsorge ruft Befriedigung. Wir sollten die gleiche Be- das Sein, das «Zu sich schauen» gepflegt nach Verwundbarkeit und Offenheit, ziehung miteinander austauschen, nicht wird – oder gepflegt werden sollte. Denn nach Geben und Nehmen. Fürsorge ist nur mit unseren nahen Freunden und an den heutigen Retraiten wird – zwar eine gemeinschaftliche Anstrengung, Verbündeten, sondern auch im nationa- unterbrochen von guten Mahlzeiten oder Stärke allein führt zu Isolation und Ein- len und internationalen Bereich. Es ist einem Tennismatch – wiederum vor samkeit. Zeit, die Schranken abzubauen und ganz allem gearbeitet, meist an den Geschäfts- bewusst eine weltumspannende Gemein- plänen für das kommende Jahr. Die Die Hebamme als Heldin und schaft aller Hebammen zu schaffen. Eine Retraite im ursprünglichen Sinn ist eine fürsorgliche Gemeinschaft aller Hebam- Gelegenheit, inne zu halten, zu reflektie- Märtyrerin men – was nicht bedeutet, dass wir nicht ren, sich zu regenerieren, sich daran zu Zwischen Beruf und Familie auch streiten sollten! – erlaubt uns, die erinnern, wer wir sind, zu ruhen. Eine Unser Berufsalltag, ständig für den Arbeit, die nötig ist, zu leisten, uns ge- Gelegenheit, Prioritäten neu zu setzen Einsatz bei der schwangeren und ge- genseitig bei unserer Arbeit zu unterstüt- und Stressoren in unserem Privat- und bärenden Frau bereit zu sein, zieht eine zen, uns auszuruhen und einen macht- Arbeitsleben zu identifizieren. Eine Gele- grosse Belastung für unsere Beziehungen vollen, zukunftsgericheten Berufsstand genheit, unsere vielen verschiedenen mit Familie und Freunden nach sich. Wie aufzubauen. Rollen zu klären. Hier sind wir beim zen- oft haben wir unsere Kinder, unsere Übersetzung und Bearbeitung: tralen Punkt der Betreuung für die Be- Ehemänner und Partner wegen unserer Gerlinde Michel treuenden angelangt: wir müssen uns Arbeit zurück gestellt? Wir haben nicht «Care for the Caregiver». Das hier stark gekürzte selbst die Erlaubnis geben, für uns zu nur die Tendenz, wie Märtyrer uns selbst Referat hielt Bridget Lynch am 17. April 2002 in sorgen. sondern auch unsere Familie auf dem Wien. Schweizer Hebamme Sage-femme suisse 11/2002 11
F O K U S Internationale Hebammenvereinigung ICM Delegiertenversammlung in Wien, April 2002 Die Delegierten der nationalen Hebammenverbände bilden das P e n e l o p e V. H e l d , beschlussfähige Organ des ICM. Jeder Mitgliedsverband stellt ICM Delegierte für den SHV zwei Delegierte, wobei es in einigen Ländern mehr als einen Verband gibt. Der SHV war durch Jocelyne Bonnet (Genf) und Organisation des ICM Penny Held (Basel) vertreten. Über 120 Delegierte aus Jedes Gremium des ICM und jede Region legten den Delegierten ihren 50 Ländern behandelten eine dicht gedrängte Traktandenliste zu Bericht samt Anliegen vor. Es war frap- pant zu hören, dass die verschiedenen den drei Hauptthemen «Frauengesundheit aus globaler Sicht», Regionen ziemlich ähnliche Sorgen haben. «Hebammenberuf» und «Organisation des ICM». Dank dem Die drei dringendsten Anliegen der Engagement aller Beteiligten konnte eine riesige Anzahl ICM Region Zentraleuropa (darunter die deutschsprachige Schweiz) waren: Geschäfte erledigt und die «Marschrichtung» für die nächsten 1. Die medizinischen Interventionen bei der Geburt steigen in Europa drei Jahre festgelegt werden. dramatisch an. Es ist dringend nötig, das öffentliche Bewusstsein Fotos: Ruth Brauen für Hebammenhilfe zu fördern. 2. Unabhängige Hebammen-(Ausbil- dungs-)programme brauchen För- derung. Die Hebammenausbildung muss die zentrale Rolle der Hebam- me als autonome Profession in der Schwangerenvorsorge, Geburtshilfe und Nachbetreuung stärken. 3. Es ist sehr wichtig, die Partnerschaft mit Frauen und Familien zu stärken, um eine gute Basis für Geburt und Elterschaft zu schaffen. In den letzten drei Jahren wurden sechs neue Verbände in den ICM aufge- nommen (Irland, Quebec, Trinidad und Tobago, Kroatien, Mali, Barbados). Die bisherigen vier regionalen Verbände in Kanada haben fusioniert und als kana- discher Verband ebenfalls die ICM-Mit- gliedschaft erworben. Dank grosser Anstrengungen der Geschäftsleitung und dem Umzug der Geschäftstelle vom teuren London nach Den Haag ist die finanzielle Situation des ICM gesichert. Deshalb wurde eine Erhöhung des Mitgliederbeitrags abge- lehnt. Zwei neu geschaffene Mitglieds- Kategorien und der Unterstützungs- fonds sollen ressourcenarmen Ländern die ICM-Mitgliedschaft erleichtern. Die Sitzung des Exekutivkomitees, ei- ne regionale Konferenz sowie ein Safe- Motherhood Workshop findet im Früh- Jocelyne Bonnet (l.) und Penny Held an der Delegiertenversammlung. ling 2004 in Trinidad statt. Der ICM- 12 Schweizer Hebamme 11/2002 Sage-femme suisse
keiten der Hebammen, die sogenann- ten erforderlichen Kompetenzen, be- gonnen. In sieben Vernehmlassungen wurde das Dokument modifiziert und eine provisorische Erklärung 1999 ge- nehmigt. Es folgte eine Pilotstudie über die Erfassungsinstrumente und weitere Revisionen, bevor die Kompetenzen 2000 / 2001 einem Testlauf unterzogen worden waren. Die Rückmeldungen fielen mehrheitlich bis einstimmig zustimmend aus. In Wien präsentierte Dr. Judith Fullerton von der Universität Texas in El Paso als Hauptverantwort- liche für das Projekt die endgültige Fas- sung. Die Delegierten verabschiedeten mit Akklamation dieses immense Werk, welche für den ICM und seine Die Delegierten aus Gambia (l.) legten eine Resolution zum Schuldererlass für arme Mitgliederverbände sehr wertvoll ist. Länder vor. Die Internationale Hebammenverei- nigung lebt von diesem alle drei Jahre stattfindenden Anlass mit seinem Net- Kongress 2005 wird vom 24. bis 28. Juli heit von Mutter und Kind haben, und working mit Hebammen aus aller Welt. in Brisbane, Australien abgehalten, einen Schuldenerlass für die 52 meist- Die diesjährige Begegnung zeichnete und 2008 werden sich die Hebammen verschuldeten Länder fordert. sich durch eine konstruktive und offe- aus aller Welt in Glasgow, Schottland ne Atmosphäre aus und hat den Ruf treffen. Weitere Positionspapiere des ICM als profilierte Frauen- und be- Die Vertreterin der Canadian Asso- rufspolitische Organisation auf dem in- Frauengesundheit ciation of Midwives forderte den ICM ternationalen Parkett gefestigt. 䉴 auf, nicht nur mit Gesundheitsorgani- Herausragend aus vielen Grundsatz- sationen wie der WHO, sondern auch papieren auf der Traktandenliste wa- mit der Weltbank und anderen Organi- ren: sationen in Verhandlungen zu treten. Weitere wichtige Positionspapiere un- Förderung der vaginalen Geburt im ter anderem zu Themen wie «Betreu- Gegensatz zum Kaiserschnitt ohne ung von Frauen nach Abtreibungen», evidenzbasierte klinische Kriterien: «Betreuung von Neugeborenen», «Ak- Die Delegierten unterstützten ein- tionen zur Reduktion des Tabakkon- stimmig folgende Erklärung: sums», «Hebammen und Menschen- «Der ICM bedauert den Einsatz des rechte» oder «Gewaltprävention für Kaiserschnitts in Fällen, bei denen ge- Frauen» wurden verabschiedet. Ein wisse auf wissenschaftlichen Nach- dringendes Positionspapier, gemein- weisen basierende klinische Kriterien sam erarbeitet vom SHV und vom ICM-Zeitschrift im nicht erfüllt sind. Er unterstützt Mit- Irischen Hebammenverband über an- Abonnement gliedsorganisationen in ihren auf gemessene Gesundheitsdienste (appro- nationaler Ebene stattfindenden Bemü- priate maternity sevices) während «International hungen, den unnötigen Einsatz des Kaiserschnitts zu verhindern, und er- Schwangerschaft, Geburt und Wochen- bett wurde ebenfalls verabschiedet. Midwifery» mutigt Kolleginnen, als Fürsprecherin Das Themenspektrum dieser Grund- Der ICM informiert in seiner für die jeweils betroffene Frau aktiv zu satzpapiere illustriert klar die Vielfalt Zeitschrift «International Midwi- sein und zur Förderung eines gerecht- der Arbeit des ICM. fery» regelmässig über eigene fertigten Einsatzes des Eingriffs mit Das übergeordnete Thema für den Aktivitäten, Anliegen der Mit- Ärzten zusammenzuarbeiten.» internationalen Hebammentag der gliedsverbände aus aller Welt nächsten drei Jahre wurde formuliert: und Gesundheitsinitiativen der Resolution des ICM zum Schulden- «Führungsqualitäten und Schlüssel- internationalen Organisationen erlass der ärmsten Länder: partnerschaften bewirken gute profes- wie WHO und UNICEF. «Interna- Der Hebammenverband aus Gambia sionelle Arbeit und qualitativ hoch- tional Midwifery» erscheint legte der Delegiertenversammlung ein stehende Betreuung von Mutter und sechsmal jährlich in englischer Positionspapier zur globalen ökono- Kind». Sprache und kann zum Preis von mischen Lage vor. Die Hebammenver- 38.5 Euro abonniert werden. treterinnen stimmten mit überwälti- Hebammenberuf Abonnemente bei: ICM HQ, Eisenhower- gender Mehrheit für eine Resolution, laan 138, NL-2517 KN Den Haag, Nieder- welche den negativen Effekt beklagt, 1996 hatte der ICM die Arbeit an ei- lande, info@internationalmidwives.org, den die Schuldenrückzahlungen von ner Erklärung über die grundlegenden www.internationalmidwives.org Entwicklungsländern auf die Gesund- Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähig- Schweizer Hebamme Sage-femme suisse 11/2002 13
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