Immobilien- und Hypothekarmarkt - Quo vadis?
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Executive Summary Eine aktuelle Immobilienpreisblase gibt es nicht; Die nächste Korrektur im Immobilienmarkt es besteht jedoch regional eine Überhitzungsgefahr. kommt und wird Spuren in den Bankbilanzen hinterlassen Die Schweiz als wirtschaftgeografischer Raum, und mit ihr der Immobilienmarkt, zeichnet sich durch eine Angesichts sich verändernder Rahmenbedingungen Reihe von Vorteilen aus. Die intakten volkswirtschaftli- wird eine Korrektur des anhaltend steigenden Preisge- chen Rahmenbedingungen, das steigende Volksein- füges im Wohnungs- und Büroimmobilienmarkt früher kommen, die politische Stabilität, die ausgesprochen oder später eintreten. Ursache dafür könnten mehrere hohe Lebensqualität, die gesunden öffentlichen Finanzen Faktoren sein: Erstens ist ungewiss, wie lange die und die flexiblen Arbeitsmarktverhältnisse mit einem guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch an- aktuell positiven Wanderungssaldo von hochqualifi- halten und damit den anscheinend ungebrochenen zierten Arbeitskräften wirken sich auf den Immobilien- Zustrom von Fachkräften in die Schweiz begünstigen markt langfristig nicht nur stabilisierend, sondern po- werden, und zweitens, wie lange das tiefe Zinsumfeld sitiv aus. Dies gilt insbesondere für Arbeits- und Wohn- noch bestehen bleibt. immobilien in attraktiven Regionen mit internationaler Ausstrahlung. In einigen wenigen Regionen und Erhöhten Risiken ausgesetzt sind die «Hypotheken- Subsegmenten waren in den letzten Jahren real deut- Neugeschäfte», während der Bestand an Hypotheken liche Immobilienpreissteigerungen zu beobachten, geringere Risiken beinhaltet. Mit der «Festhypothek» welche Merkmale einer Überhitzung aufweisen. In der haben die Banken ein Produkt geschaffen, das den Schweiz bestehen aktuell keine Preisblasen, denn so- Kreditnehmern erlaubt, sich zu tiefen Zinsen über eine wohl bei den Märkten für Wohneigentum als auch bei fixe Laufzeit zu finanzieren und mit der Gewissheit, den Renditeliegenschaften sind die zu beobachtenden dass die Zinskosten bis zumindest zur Fälligkeit Preisanstiege weitestgehend rational erklärbar. eingefroren sind. Dass nach Ablauf der Festhypothek neu refinanziert werden muss – unter Umständen zu markant höheren Zinsen – wird nicht selten verdrängt. Vor diesem Szenario warnen wiederholt die Schweize- rische Nationalbank (SNB) und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA). Eine wesentliche Rolle spielen die «Exception-to-Policy» (ETP)-Geschäfte, bei denen die Grundsätze einer angemessenen Kredit- politik nicht eingehalten werden. Obschon die Tragbarkeitsregeln auch für höhere Zinsen bereits überall ausgelegt sind, verbleibt ein hohes Unsicherheitselement. Niemand weiss, wie hoch das Zinsniveau bei Ablauf der Festhypotheken in drei oder zehn Jahren sein wird. Die Banken werden nicht um die höhere Wahrscheinlichkeit von Verlusten herumkommen, wenn sie nicht insbesondere langfristige Festhypotheken mit ebenfalls langfristig ausgerichteten Amortisationsregeln verbinden. 02 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Banken haben genügend Zeit, sich vorzubereiten Autoren um die Auswirkungen zu steuern Für die meisten Banken ist die Vergabe von Hypothe- KPMG AG karkrediten von zentraler Bedeutung. Rund drei Viertel Hans Stamm, Kurt Stoll, des Gesamtertrages einer Bank stammt aus diesem Thomas Fischer Geschäftszweig. Das bietet Anlass genug, dieses Geschäft entsprechend den finanziellen Möglichkeiten zu gestalten. Dass Risiken im Hypothekargeschäft cutting through complexity TM bestehen, ist unbestritten. Diese müssen durch eine massvolle Politik und angemessene organisatorische Massnahmen minimiert werden, vor allem vor dem Hintergrund eines Tiefzinsumfelds, das verführerisch Hochschule Luzern – Wirtschaft auf die Kreditnehmer wirken kann. Die Risikopolitik ist Prof. Dr. Maurice Pedergnana so zu gestalten, dass der geografische Spielraum wie auch die Vergabekriterien klar festgelegt sind. Letzte- res betrifft insbesondere die strikte Einhaltung der Belehnungsgrundsätze wie auch der Tragbarkeits- aspekte und die Amortisationen der Schulden. Einer offenen und ehrlichen Aufklärung der Kunden im Beratungsgespräch ist dabei höchste Priorität einzu- räumen, falschen Vorstellungen und Überschätzun- gen der eigenen finanziellen Möglichkeiten der Kredit- nehmer Einhalt zu gebieten. Darüber hinaus erfolgt KloessRealEstate insbesondere bei Neuhypotheken häufig eine erwei- Dr. Stephan Kloess terte Auslegung der Tragbarkeitsregeln im Rahmen von ETP-Geschäften. Dies gilt es restriktiver zu hand- haben und in einem aussagekräftigen ETP-Reporting festzuhalten. Die Welt lebt von Veränderungen. Diese machen auch Fahrländer Partner AG vor dem Hypothekargeschäft nicht Halt und sollten Dr. Stefan Fahrländer frühzeitig erkannt werden; haben sie doch einen bedeutenden Einfluss auf die Ertragslage der Bank. Durch intelligente Frühwarnsysteme und mit Hilfe von Szenarioanalysen und Stresstests der wesentlichen Rahmenbedingungen (beispielsweise Zinsniveau, re- gionale Preisentwicklung), können überraschende Entwicklungen frühzeitig erkannt und gegebenenfalls entsprechende Massnahmen eingeleitet werden. Es spricht einiges dafür, dass vergleichsweise tiefe Zin- sen weiter vorherrschen. Dennoch sind Banken gut be- raten, ihr Asset und Liability Management (ALM) so auszugestalten, dass sie gegen allfällige abrupte Zins- erhöhungen abgesichert sind, selbst wenn dadurch der Ertrag geschmälert wird. | 03
Ausgangslage und Zielsetzung der Studie Ausgangslage der Studie Wer die Entwicklung des Immobilienmarktes verstehen und deren Auswirkungen auf die Schweizer Banken analysieren will, muss sich zunächst mit der Entwicklung des volkswirtschaftlichen Umfelds auseinandersetzen. Erst mittels einer vertieften Analyse der Kräftefelder in den vielfältigen Ursache-Wirkung-Beziehungen im gesamten Immobiliengeschäft lässt sich schliesslich eruieren, worin die wesentlichen Risiken für Schweizer Ban- ken in den kommenden Jahren liegen werden und ob bereits in der Gegenwart ein Handlungsbedarf besteht. Einflussfaktoren Immobilienmarkt 7 Mögliche Risiken in der Bankbilanz 1 2 6 Quantitativ Mietermarkt/ Nutzermarkt Diversifikation Vermögensmarkt/ Hypothekarkredite Kapitalmarktstruktur- und Entwicklung Transaktionsmarkt Höhe der Marge Baumarkt/ Höhe der Entwicklungsmarkt Wertberichtigung Höhe /Qualität Hypothekarvolumen Wettbewerbsfähigkeit 3 + 4 Ratio Fristigkeit zur und Entwicklung Ausleihung /Einlagen (Mikro/Makro) Eigentümer/Investoren Wachstum/Volumen ETP Private/Institutionelle BANK Motivation, 6 Qualitativ Konsum, Soziodemographische Cash/Wert Reifegrad Kreditprozess Struktur und Entwicklung Renditeerwartung Qualität Risikomanagement/ Immobilien/ Frühwarnsysteme Finanzierungswert Qualität Erfassung/ Reporting ETP-Prozess 5 Zinsstruktur & -niveau x = Thesen 04 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Die Analyse der Wirkungszusammenhänge folgt Auf dem Mietermarkt treffen Angebot und Nachfrage letztlich immer derselben Logik: Die volkswirtschaftli- nach Flächen aufeinander. Hieraus bildet sich der Preis chen Rahmenbedingungen und deren Veränderung für den Quadratmeter. Aufgrund des auf dem Mieter- beeinflussen den Immobilienmarkt respektive dessen markt zu erzielenden Cashflows stellen die Investoren Teilmärkte am stärksten. Dies findet seinen qualitati- auf dem Vermögensmarkt Überlegungen über die ven und quantitativen Niederschlag in der Bankbilanz. Werte der Immobilien an. Unabhängig von den Immo- bilienmärkten und als zweite Inputgrösse für den Wert Der Transmissionsmechanismus vom Immobilien- der Immobilien haben die Investoren einen Verzin- markt zur Bankbilanz ist allerdings vielfältig und er- sungsanspruch an die Assetklasse Immobilien. Dieser folgt in direkter und indirekter Beeinflussung. Dessen wird in erster Linie durch die vorhandenen Opportuni- Kenntnis ist von grosser Bedeutung, um eine Bank täten auf dem Kapitalmarkt bestimmt. Somit hängt rechtzeitig und risikoarm durch zyklische Auf- und die Nachfrage auf dem Vermögensmarkt von den Abwärtsbewegungen auf dem Immobilienmarkt zu Miethöhen, deren Potenzialen sowie den alternativ steuern und zu lenken. möglichen Verzinsungen auf dem Kapitalmarkt ab. Der Immobilienmarkt zeichnet sich typischerweise durch grundlegende langfristige Trends und durch Wichtig für die Beurteilung von Zyklen, ist die Identifi- eher kürzer- und mittelfristige Marktschwankungen zierung der Herkunft einer gestiegenen oder steigen- entlang dem Trendverlauf aus. Charakteristisch für den Nachfrage. Löst sich beispielsweise die Nachfrage den Immobilienmarkt ist erfahrungsgemäss, dass die auf dem Vermögensmarkt aufgrund von Anlagedruck vorübergehende, über die Trendentwicklung hinaus- und niedrigen Alternativverzinsungen von der realen gehende Aufwärtsbewegung eher langsam und Nachfrage auf dem Mietermarkt ab, so erhöht sich die über viele Jahre stattfindet. Anders verläuft nach Gefahr von Überhitzungen und in der Folge auch von einem Wendepunkt – dessen Auslöser vielfältig sein Blasenbildung. kann - die Abwärtsbewegung. Letztere führt den Im- mobilienmarkt letztlich und teils nach einem vorüber- gehenden Überschiessen des Trendverlaufs immer wieder an die langfristige Trendentwicklung heran. Die Abwärtsbewegung verläuft vergleichsweise eher rasch und ist oftmals mit einer Reihe von Kettenreakti- onen verbunden. Das beschriebene zyklische Verhalten der Immobilien- märkte liegt an den unterschiedlichen Elastizitäten der Nachfrage und des Angebotes. Zeigt sich die Nachfra- ge als elastisch und abhängig von exogenen Faktoren, wie der Wettbewerbsfähigkeit von Märkten, der Ent- wicklung soziodemografischer Strukturen sowie der Verfassung der Kapitalmärkte, ist das Angebot im Vergleich unelastisch. Flächen können erst mit einem Zeitverzug von 2 bis 4 Jahren auf den Markt kommen, um eine erhöhte Nachfrage zu befriedigen. Werden Flächen dagegen nicht mehr benötigt, dauert es i.d.R. länger als deren Erstellung, bis diese wieder vom Markt verschwinden. Um Zyklen auf den regionalen und sektoralen Immobi- lienmärkte zu beobachten respektive zu prognostizie- ren sind die Entwicklungen auf den Nutzer-(Mieter-)- märkten, dem Vermögensmarkt sowie dem Baumarkt zu betrachten. | 05
Zielsetzung der Studie Mit der vorliegenden Studie wollen wir dem Leser die Zusammenhänge zwischen dem Immobilienmarkt und dem Hypothekargeschäft der Banken aufzeigen. Sie ist als Nachschlagewerk für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen sowie für Kreditfachleute und Im- mobilieninteressierte erarbeitet worden. Sie behandelt die Situation am Wohnungsmarkt; beleuchtet jedoch auch Aspekte des umfassenden Immobilienmarktes wenn angezeigt. Für die Studie wurde ergänzend eine Umfrage bei rund zwanzig im Hypothekargeschäft tätigen Banken durchgeführt. Die Umfrage erfolgte schweizweit in der Zeit von November 2010 bis April 2011. Die befragten Institute decken rund die Hälfte des Hypothekarvolu- mens der Schweizer Privathaushalte ab. In unserer Studie analysieren wir die Ergebnisse wichtiger Aus- sagen. Die Kategorisierung erfolgt nach Grösse der Hypothekarausleihungen und umfasst folgende drei Gruppen: – Grössere Universalbanken mit einem Hypothekarvolumen von > CHF 15 Mrd. – Kleinere und mittlere Kantonalbanken mit einem Hypothekarvolumen von < CHF 15 Mrd. – Kleinere und mittlere Regionalbanken mit einem Hypothekarvolumen von < CHF 15 Mrd. Wir nehmen in dieser Studie keine regionalen Unter- scheidungen vor. Die an der Umfrage beteiligten Banken werden detailliert über die Ergebnisse der Studie orientiert. Basierend auf der Ursache- / Wirkungskette beleuchtet die vorliegende Studie den Themenkreis in sieben Thesen. Der methodische Aufbau zielt dahin, unsere Thesen mit einem «Learning» sowie einem «Self Assessment» aus Sicht der Autoren zu untermauern. Anhand der «Learnings» und der «Self Assessments» können sich der Verwaltungsrat und/oder die Ge- schäftsleitung ein Bild über die Situation der Bank machen und daraus ableiten, ob ein möglicher Hand- lungsbedarf für das Institut bestehen könnte. 06 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
These 1: Mittelfristiges Korrekturpotenzial trotz langfristig positiver Tendenzen 08 These 2: Makroökonomie dominiert Immobilienmarkt 14 These 3: Hohe Nachfrage trifft auf rigides Angebot 22 These 4: Renditen orientieren sich an falschen Massstäben 28 These 5: Zinsniveau verführt 34 These 6: Weiteres Volumenwachstum führt zu erhöhten Risiken 42 These 7: Risiken in der Bankbilanz sind unvermeidbar, aber steuerbar 52 | 07
These 1: Mittelfristiges Korrekturpotenzial trotz langfristig positiver Tendenzen 08 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Zentral bei einer vertieften Analyse der direkten und Kapitalmarkt-Struktur und -Entwicklung insbesondere der indirekten Einflussfaktoren und deren Wirkungszusammenhängen ist jeweils, von wel- Die Schweiz profitiert von einer robusten Volkswirt- chem Zeithorizont man ausgeht. Wichtig ist zudem, schaft, einem Aufbau von Vermögensersparnissen, inwieweit es sich um beeinflussbare, endogene und insbesondere der Erwerbstätigen, einer starken um nicht beeinflussbare, exogene Faktoren handelt. Währung mit einer hohen internationalen Anziehungs- Darüberhinaus spielt es eine Rolle, wie (in)stabil die kraft sowie tendenziell tiefen Zinsen. risikotreibenden Faktoren in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht sind. Die Hypothekarkreditzinsen liegen typischerweise in der Bandbreite zwischen 3.5 und 5.5% oder rund Für eine Bank scheint uns ein Zeithorizont von 5 bis 1.0 bis 2.0% über der Inflationserwartung. Das dürfte 15 Jahren durchaus angemessen und für ihren mittel- auch in den kommenden Jahren so bleiben. Nur hat und längerfristigen Planungshorizont (quantitative sich mittlerweile das Potenzialwachstum der Schwei- und qualitative Entwicklung des Hypothekarkreditport- zer Volkswirtschaft gegenüber den siebziger und folios, längerfristige Eigenmittelentwicklung usw.) achtziger Jahren erheblich reduziert. geeignet. Dabei ist die Unterscheidung zwischen dem langfristigen Trend und den kurzfristigen Schwankun- gen (Zyklen) um den Trendverlauf wichtig. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, weshalb sich die Zinsen auf Hypo- Volkswirtschaftliche Grössen sind von der einzelnen thekarkrediten inskünftig nicht in der Bank kaum beeinflussbar. Auf dem makroökonomi- Grössenordnung von 1.0 bis 2.0 % schen Fundament als Nährboden kann eine Krise kul- über der erwarteten Preissteigerung tiviert werden. Deshalb gilt es in der Praxis besonders, bewegen sollten. folgende volkswirtschaftliche Themenfelder analytisch detailliert zu durchdringen, weil sie sich unmittelbar oder stark mittelbar auf die Entwicklung des gesamten Bei einem potenziellen Entwicklungspfad von rund Immobilienmarktes und seiner Teilmärkte auswirken: 1.5 bis 2.0% Realwachstum in der Schweizer Volkswirt- schaft und einer erwarteten Inflationsrate in der Grö- – Kapitalmarkt-Struktur und -Entwicklung ssenordnung von 1.0 bis 2.5% sind unter Berücksichti- Zinslandschaft mit Kurven sowie typischen fristen- gung der Risikozuschläge auf längere Sicht keine bezogenen Niveaus für inländische Hypothekarkre- Hypothekarzinsniveaus von mehr als 3.5 bis 5.5% zu dite; Diversität, Vitalität und Reliabilität des Banken- erwarten. sektors. Sodann ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass – Wettbewerbsfähigkeit und deren Entwicklung die Hypothekarschuld eine nominelle Grösse ist, die Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft, Wettbe- in Abhängigkeit vom Amortisationsverhalten des werbsfähigkeit insbesondere der exportorientierten Schuldners und der entsprechenden Vereinbarung mit Unternehmungen, globale Wettbewerbsfähigkeit der Bank stabilisiert oder reduziert werden kann. Was des Dienstleistungs-Standorts Schweiz, öffentliche das Schuldnerrisiko betrifft, ist zumindest die nominel- Infrastruktur usw. le Einkommens-, Renten- und Ertragsentwicklung einzubeziehen. Das ist übrigens ein Sachverhalt, der in – Soziodemografische Struktur und Entwicklung einer statischen Tragbarkeitsprüfung vergessen geht, Bevölkerungsentwicklung, Wanderungssaldo, Qua- nicht selten aber auch in den Beratungsgesprächen lifikationsniveau, Altersstruktur, Haushaltsstruktur der Bank mit ihrer Kundschaft. und deren Entwicklung hinsichtlich Lebensstile und Lebensphasen in den unterschiedlichen sozialen Schichten, Beschäftigungsentwicklung respektive Beschäftigungsquote. | 09
Ein moderates, inflationäres Umfeld begünstigt alle Zweifellos befindet sich die SNB wie derzeit viele Hypothekarkreditschuldner, sofern es ihnen gelingt, Zentralbanken in einem Dilemma, das sie mit ihrer ihre Einkommen, Renten und Kapitalerträge zumin- eigenen Lockerung der Geldpolitik mit verursacht hat. dest teilweise entlang der Inflation zu entwickeln. Wer- Mit einer allfälligen deutlichen Zinserhöhung der SNB den auf Einkommen, Renten und Kapital inflationsbe- dürfte sich die Aufwertung des Frankens gegenüber reinigt in den kommenden Jahren sogar reale Steige- den Währungen seiner wichtigsten Handelspartner rungen erzielt, verringert sich die reale Hypothekar- weiter verstärken und diverse Branchen (Exportindust- schuld über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren. rie, Tourismus usw.) unmittelbar in Schwierigkeiten bringen. Mit einer abrupten Zinserhöhung dürfte nicht Mit der «Normalisierung» der Geldpolitik durch die nur eine Dämpfung der immensen inländischen Nationalbank dürften sich die Hypothekarkreditzinsen, Immobiliennachfrage der jüngsten Zeit einhergehen, die sich schon von den historischen Tiefstwerten im sondern erhebliche Kontraktionsbewegungen im Jahr 2009 loslösen konnten, in den kommenden Jah- Baugewerbe zu beobachten sein – mit all ihren Folge- ren in die untere Hälfte der Bandbreite «normaler» effekten in den kommenden Jahren, die deutlich zu Kapitalmarktverhältnisse bewegen. spüren sein wären. Interessanter ist demgegenüber die Immobiliennach- Wettbewerbsfähigkeit und deren Entwicklung frage aus dem Ausland. Sie ist nicht nur anhaltend, sondern wird durch jede grössere Krise in den umlie- Hinsichtlich ihrer internationalen Wettbewerbsfähig- genden Ländern sogar noch verstärkt. Die Schweiz keit steht die Schweiz – unabhängig von der Vorge- gilt als Standort von solider Natur und hoher Rechtssi- hensweise und Methodologie - nach wie vor in einer cherheit. Die öffentliche Infrastruktur, die Sicherheit Spitzenposition. Es gibt keine Anzeichen, wonach die wie auch die politische Stabilität sowie die landschaft- Lern-, Entwicklungs- und Anpassungsfähigkeit einen liche Qualität sorgen zusätzlich zum steuerpolitischen abrupten Bruch erfahren würde. Die stabilen Rahmen- Umfeld für eine erhebliche Attraktivität der Schweiz bedingungen, die gesunden öffentlichen Haushalte, als Arbeits- und Wohnort. Für Firmen ist die Verfüg- die ausgezeichnete öffentliche Infrastruktur (z.B. im barkeit von (hoch)qualifizierten Arbeitskräften ein Bildungs-, Gesundheits- und Verkehrswesen) und ins- zusätzliches Argument, sich in der Schweiz niederzu- besondere die erhöhte Verfügbarkeit von (hoch)quali- lassen. fizierten Arbeitskräften stärkt den Wettbewerbsstand- ort Schweiz. Damit gehen tendenziell steigende reale Gerade durch ihre hohe Inter- Lohn- und Gewinnentwicklungen einher. nationalität und durch flexible Arbeits- Die Schweiz ist als kleine, offene Volkswirtschaft sehr märkte dürfte die Schweiz im stark von der wirtschaftlichen Entwicklung der wich- kommenden Jahrzehnt zu den Profi- tigsten Handelspartner im unmittelbaren Umfeld, aber teuren der voranschreitenden auch erheblich von der Entwicklung des globalen Um- Globalisierung und der zunehmenden felds abhängig. Dieses makroökonomische Umfeld ist Krisen und Turbulenzen zählen. eine potenzielle Gefahr. Im ungünstigsten Fall tritt eine Deflation ein. Diese kann wiederum mit ungewohnt hoher Arbeitslosigkeit und sinkenden Preistrends auf Das wirkt sich unabhängig vom Zinsniveau zumindest dem Immobilienmarkt einhergehen. Im heutigen stabilisierend, vermutlich jedoch in direkter wie auch Umfeld von hochverschuldeten Nachbarstaaten (Itali- in indirekter Hinsicht positiv auf die gesamte (Nachfra- en, Frankreich, Österreich, Deutschland) mit teils er- ge-)Entwicklung im Immobilienmarkt aus. Dabei wir- heblichen Problemen in deren Wirtschafts- und ken die Kräfte von zwei Seiten. Auf dem Immobilien- Währungsraum kann die Verhinderung einer Deflation markt gibt es stets zwei Nachfrage-Entwicklungen, durchaus als prioritäres Ziel betrachtet werden, das jene von der Nutzerseite (Mieterinnen und Mieter) und die Schweizerische Nationalbank zu verfolgen hat. In jene von der Anleger- und Investorenseite (Nachfrage einem derartigen Szenario würde das Tiefzinsumfeld nach Immobilien als Eigentum oder Kapitalanlage). noch länger anhalten. 10 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Soziodemografische Struktur und deren Entwicklung Aus der Sicht des Immobilienmarktes war diese Zuwanderung preistreibend, insbesondere in Jahren, Die Entwicklung der Bevölkerung wie auch deren Be- in denen die Nettomigration rund 100‘000 Personen schäftigungsquote sind wesentliche Treiber der Nach- betrug. Dementsprechend ist ein latentes Risiko vorhan- frage auf dem Wohnungs- und Wohneigentumsmarkt. den, dass hochqualifizierte Arbeitskräfte aufgrund Dazu kommen noch weitere Faktoren (unter anderem ihrer Mobilität das Land auch wieder verlassen und soziale Schicht, Lebensstil, Lebensphase). damit negative Signale auf das Potenzialwachstum der Volkswirtschaft wie auch auf den Immobilienmarkt Auch die Schweiz ist von der Alterung erfasst. Wir be- aussenden. obachten allerdings eine hohe Beschäftigungsquote, was auch zur Steigerung des verfügbaren Haushalts- Aus einer wirklich langfristigen einkommens führt. Im Gegensatz zu den Nachbarstaa- ten zeigt die Bevölkerungsentwicklung, dass bei einem Perspektive wird jedoch dieses Korrektur- einigermassen stabilen wirtschaftlichen Verlauf in gro- potenzial von einem stabilen Trend ssen Teilen der Schweiz in den kommenden zehn Jah- überlagert. In den letzten 30 Jahren hat ren von einem spürbaren, teils deutlichen Wachstum die ständige Wohnbevölkerung um ausgegangen werden kann. Je höher und rascher die 1.5 Mio. zugenommen, rund 50‘000 Wachstumsraten eintreten, desto grösser ist auch ein Menschen mehr leben von Jahr zu Jahr vorübergehendes Korrekturpotenzial. in der Schweiz. Entwicklung der Wohnbevölkerung in der Schweiz Auch für das kommende Jahrzehnt ist insgesamt mit einer deutlichen Zunahme der Bevölkerung zu rech- Die Nettozuwanderung zeigt folgendes Bild nen - das Bundesamt für Statistik (BfS) rechnet im Ba- (in tausend Personen): sisszenario mit 8.8 Mio. bis 2035 - doch nicht alle Ge- biete dürften davon gleichermassen profitieren. 100 Die Unterschiede zwischen schrumpfenden und wach- 75 senden Regionen sowie zwischen peripheren und zen- tralen Lagen dürften sich akzentuieren. Gemäss unse- 50 ren Erwartungen wird der Genferseeraum und die Re- gion Zürich am stärksten profitieren, gefolgt von Basel und Lugano (im Einzugsgebiet von Mailand). 25 In einem erheblichen Teil des Landes wird allerdings 0 auch mit einer negativen Bevölkerungsentwicklung 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 zu rechnen sein. Quelle: BfS 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal Die wesentliche soziodemografische Stütze des Wachstums ist die Zuwanderung, insbesondere von hochqualifizierten Fachkräften, die in den Jahren 2007 bis 2009 besonders hoch ausgefallen ist. Dabei ist zu beachten, dass in den Zuwanderungszahlen nur die Veränderung der ständigen Wohnbevölkerung abge- bildet ist. Darunter aber fallen auch Kurzaufenthalter, die bereits seit einiger Zeit in der Schweiz weilen, nun aber das Kriterium erfüllen, zur ständigen Wohnbevöl- kerung zu zählen. | 11
< -20% Bevölkerungsentwicklung 2007 bis 2020 -20% bis -10% -10% bis -5% -5% bis -1% 1% 1% bis 5% 5% bis 10% 10% bis 20% > 20% Anmerkung: Prospektivmodell 2009, Nachfrageszenario «Trend», Raumplanungsszenario «Wie bisher» Quelle: Prospektivmodell Fahrländer Partner; Kartengrundlage BfS Geostet/swisstopo Gewiss muss in den kommenden Jahren mit einem Abflachen des Wachstums von Immobilienpreisen und Hypothekarkrediten gerechnet werden; allein schon aufgrund der etwas tieferen Zuwanderung und des erhöhten mittleren Zinsniveaus für Hypothekarkredite. Dieses liegt jedoch historisch betrachtet immer nur leicht höher als die (Lohn- und Güter-)Preisniveausteigerungen. Korrekturpotenzial besteht aus makroökonomischer Sicht in Bezug auf – die Zuwanderung und deren unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch auf den Immobilienmarkt; – die wirtschaftliche Entwicklung im Umfeld von hochverschuldeten Nachbarstaaten, die teils auf einen Staatsbankrott hinsteuern und – die starke wirtschaftliche Erholung nicht nur der Schweiz, sondern auch Europas, die mit steigenden Zinsen verbunden wäre. Aus Bankensicht gilt es genau zu analysieren, ob man nationalen Trends und Entwicklungen ziemlich eng folgt, ob diese sogar noch übertroffen werden oder ob die jeweilige Marktregion sich unterdurchschnittlich entwickelt. Zudem hat sich eine Bank genau zu überlegen, wie stark sie die preistreibenden Mechanismen mit einer grosszügigen Kreditpolitik prozyklisch unterstützen oder verstärkt zu einer zurückhaltenden Kreditver- gabe übergehen will. 12 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Learning Nr.1: Self Assessment Korrekturpotenzial durch Abweichungen vom Wichtige Merkpunkte für Ihre Bank: langfristigen Trend in Betracht ziehen Ja Nein Kriterien Trotz zyklischer Schwankungen sind die langfristigen Tendenzen auf dem Schweizer Immobilienmarkt posi- Ist Ihre Bank mit den makroökonomischen tiv. Das heisst aber nicht, dass man sich zurücklehnen Veränderungen vom überge- soll. Vielmehr erfordern diese (potenziellen) Schwan- ordneten Raum und deren Ableitung kungen, dass sich die Banken noch verstärkter als auf das Marktgebiet vertraut? bisher mit überraschenden Abweichungen vom lang- fristigen Trend auseinanderzusetzen haben. Hat Ihre Bank die für ihr Marktgebiet relevanten Teilmärkte identifiziert und ana- In vereinzelten Regionen und Subsegmenten sind in lysiert, so dass sie eine marktgebietsspe- den letzten Jahren Immobilienpreissteigerungen zifische Prognose inklusive zu beobachten. Diese Abweichungen können einer- ihrer Abweichungen vom gesamtschwei- seits auf Qualitätsverbesserungen (Baumaterialien, zerischen Trend vorzunehmen Energiebeanspruchung) und anderseits auf Anpassun- in der Lage ist? gen an das europäische Niveau von Zentren (Zürich und Genf/Lausanne im Wettbewerb mit Frankfurt, Hat Ihre Bank in ihrer Strategie und Paris, London usw.) zurückgeführt werden. Geschäftspolitik festgelegt, wie sich ihr Hypothekar-Kreditportfolio quantitativ und Deutliche Abweichungen von der allgemeinen Preis- qualitativ mittel- und längerfristig gegen- niveauentwicklung sind im Immobilienmarkt inflations-, über dem Markt entwickeln soll? flächen- und qualitätsbereinigt selten ein dauerhafter und stabiler Prozess, denn in der wirklich langfristigen Entwicklung erzeugen Immobilien gemäss internatio- nalen Studien gegenüber der volkswirtschaftlichen Preisniveauentwicklung kaum eine signifikant positive Wertsteigerung. Die intakten volkswirtschaftlichen Rahmenbedingun- gen, das steigende Volkseinkommen, die politische Stabilität, die ausgesprochen hohe Lebensqualität, die gesunden Staatsfinanzen und die flexiblen Arbeits- marktverhältnisse mit einem positiven Wanderungs- saldo von hochqualifizierten Arbeitskräften wirken sich auf den Immobilienmarkt langfristig nicht nur stabili- sierend, sondern leicht positiv aus. Dies gilt insbeson- dere für Arbeits- und Wohnimmobilien in attraktiven Regionen mit internationaler Ausstrahlung (Genfersee- raum und Region Zürich, sowie Zug). | 13
These 2: Makroökonomie dominiert Immobilienmarkt 14 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Ausmass und Volumen des Immobilienmarktes Schweiz In der Analyse des Immobilienmarktes wird der Nutzenaspekt häufig zu wenig berücksichtigt. Dabei haben Immobilien nur dann eine Existenzberechtigung, wenn sie genutzt werden! Entsprechend sind verringerte Nut- zungen sowie Leerstandsquoten genau zu verfolgen. Der gesamte Nutzen, den der Immobilienmarkt erbringt, ist im Wesentlichen abhängig von der Makroökonomie und deren Entwicklung. Menschen wohnen, arbeiten, konsumieren und vergnügen sich. Im Zentrum jeder fundierten Analyse stehen deshalb die Nutzer der Immobili- en, sei dies im Bereich Wohnen, Arbeiten oder auch Freizeit. Werden Immobilien genutzt, stiften sie einen Nutzen und haben damit einen Wert. Werden Immobilien nicht genutzt, sind sie nutzlos und entsprechend wertlos bzw. haben gar einen negativen Wert. Im Bereich Wohnen und Büro ist der Nutzer oftmals gleichzeitig der Besitzer (Mieter oder Eigentümer), während bei Verkaufsflächen oder auch in der Hotellerie der Besitzer der Flächen grösstenteils nicht dem Nutzer ent- spricht. Gerade beim Wohneigentum vereinigen sich Nutzer, Besitzer und Eigentümer in einer Person bzw. in einem Haushalt. Dasselbe gilt insbesondere für gewerblich-industrielle Bauten. Ein weiterer zentraler Bereich ist der Entwicklungsmarkt, wobei zwischen Neu-Entwicklung von Immobilien so- wie der Neu-Positionierung von Immobilien unterschieden werden muss. Dieser Markt ist aufgrund der direkten Wirkung auf die Baubranche auch von grosser gesamtwirtschaftlicher bzw. konjunktureller Bedeutung. Eckwerte des Schweizer Immobilien-Marktes 2009 (Anzahl bzw. m2 BGF) (Mrd. CHF) Bestand Netto- Freihand- Bestand Bestandes- Freihand- zugang transaktionen änderung transaktionen EWG 935 000 19 000 37 700 495.6 12.0 20.0 EFH 925 000 9 000 26 300 670.6 7.2 19.1 MWG 2 060 000 11 000 150 000 622.0 Büro (m2 BGF) 50 000 000 650 000 2 000 000 187.0 2 Verkauf m BGF) 32 000 000 420 000 113.0 MFH mit MWG 206 500 600 300 622.0 Bürogebäude 30 000 200 187.0 Quellen: BfS, Fahrländer Partner, Wüest&Partner. | 15
In der Schweiz haben wir einen Bestand von 935‘000 Während ein Grossteil der Bauten der öffentlichen Eigentumswohnungen (EWG) und 925‘000 Einfamili- Hand nur schon aufgrund gesetzlicher Vorgaben kei- enhäuser (EFH). Der Nettozugang beträgt in diesen nen Marktwert aufweist und auch nicht vom Privatsek- Märkten nicht mehr als 1 bis 2%. Zudem betreffen tor gehalten werden kann, wird auch der dem Privat- die Freihandtransaktionen nicht mehr als 3 bis 4% des sektor offene Teil des Universums von einer langjähri- Marktbestandes. Dennoch wird aus den Preisen der gen «buy and hold» Strategie dominiert. Entsprechend letzten Transaktionen einen (Veräusserungs-)Wert in- ist die Sichtbarkeit von Transaktionen sehr begrenzt. klusive Bestand abgeleitet. Ausnahmen bilden Neuvermietungen von Nutzflächen sowie die Wohneigentumsmärkte, womit rund jeweils Darüber hinaus umfasst der Schweizer Immobilien- eine hinreichend grosse Zahl von Freihandtransaktio- markt drei weitere wesentliche Segmente: nen beobachtet werden kann. Diese Objekte weisen zudem eine vergleichsweise geringe Komplexität auf, – Markt für Mietwohnungen (2.06 Mio. Bestand); so dass mittels statistischer Modelle sehr gute Mög- – Markt für Büroflächen (mit 50 Mio. m2) und lichkeiten hinsichtlich Bewertung und Beobachtung – Markt für Verkaufsflächen (mit 32 Mio. m2). der Preisdynamik möglich sind. Der Schweizer Immobilienpark umfasst insgesamt Demgegenüber ist die Zahl der Transaktionen im Seg- rund 1.3 Mio. Gebäude mit Wohnungen, wovon ein ment der deutlich komplexeren MFH, Büro-, Verkaufs- Grossteil reine Wohngebäude sind. Zu den gut 200‘000 und gemischt genutzte Gebäude sehr gering und liegt Mehrfamilienhäusern mit Mietwohnungen kommen einige Hundert Transaktionen pro Jahr in der gesam- rund 25‘000 durch Private, Firmen und institutionelle ten Schweiz. Dazu kommt, dass ein Teil der Transaktio- Investoren gehaltene Bürogebäude sowie Einkaufs- nen im Rahmen von Portfolioverkäufen erfolgt. Somit zentren, Industrie-, Lager- und Logistikgebäude. Diese fällt es schwer, einzelne Marktpreise einwandfrei zu Immobilien bilden zusammen das Immobilien-Investi- identifizieren. tionsuniversum des Privatsektors. Während EFH sowie kleine MFH primär von privaten Entwicklungen im Trend und in der zyklischen Investoren gehalten werden, konzentriert sich die Betrachtung (sog. «Markttemperatur») Nachfrage der institutionellen Anleger auf die rund 42‘000 grösseren Mehrfamilienhäuser, oftmals ab ei- Der Trend und mögliche zyklischen Anpassungs- nem Marktwert von CHF 5 bis10 Mio., was deren Anla- prozesse zeigen schematisch folgende Entwicklung für ge-Universum deutlich reduziert. Viele institutionelle die Jahre 2011 bis 2021: Investoren halten jedoch aus der Vergangenheit her- aus Immobilien mit einem Volumen von CHF 3 bis 10 Marktwert Mio. im Bestand. Weiter halten institutionelle Anleger Marktwert 2011 einen namhaften Anteil der Büro- und Verkaufsliegen- schaften. In jüngster Zeit wenden sich Investoren aufgrund des Anlagedrucks zudem auch Spezialnut- zungen und Projektentwicklungen zu. Ausgewogener Marktwert 2011 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Heutige «Markttemperatur» Erwartung bezüglich Trend-Entwicklungen Erwartung bezüglich zyklischer Entwicklung Quelle: RESC Fahrländer Partner. 16 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
So wie die Gesamtwirtschaft Zyklen unterliegt, weisen auch einzelne Märkte und insbesondere Immobilien- märkte Zyklen auf: In gewissen Phasen ist die Nachfrage nach Nutzflächen, aber auch nach Immobilien anhaltend gross, während in anderen Phasen eine geringe Nachfrage festgestellt werden kann. Sind Marktpreise beobacht- bar und bestehen Vorstellungen über ausgewogene Marktwerte sowie Trendentwicklungen, können die aktuelle Markttemperatur sowie die langfristigen und zyklischen Preisentwicklungen modelliert werden. Dabei lohnt es sich, szenariobasiert vorzugehen. Wer heute davon ausgeht, dass wir mit dem Marktwert 2011 deutlich über dem langfristigen Trend liegen, der sollte mit einem zyklischen Korrekturpotenzial rechnen. Das wird allerdings weder in der Stärke nach unten (blaue Linien als drei Beispiele aus einer Vielzahl von möglichen Entwicklungsverläufen) genau festgelegt wer- den können, noch in der Zeitdauer der Erholung. Auf lange Sicht wird sich die Markttemperatur dem langfristi- gen Trend unvermeidlich anpassen. Ein derartiger Anpassungsprozess kann längere Zeit dauern. Die Nachfrage nach Nutzflächen - Wohneigentum, Mietwohnungen, Büro-, Verkaufsflächen usw. - wird zwar in einem starken Masse von der «Zahl der Köpfe» (Wohnbevölkerung) getrieben, weitere zentrale Aspekte sind aber insbesondere regional differenziert zu berücksichtigen: Veränderung der Haushaltsgrössen, Veränderung der Lebensstile und der generellen Wohnbedürfnisse, Veränderungen der finanziellen Verhältnisse und damit der Möglichkeiten der Haushalte auf dem Wohnungsmarkt. Diese Veränderungen werden weiter durch die ge- samtwirtschaftlichen und die Entwicklungen einzelner Branchen beeinflusst. Letztere beeinflussen wiederum in grossem Masse die Nachfrage nach Geschäftsflächen aller Art. Saldo 2020 der Zusatznachfrage nach Bauzonen Wohnen in Hektaren unter 10 -10 bis 0 0 bis 10 10 bis 20 über 20 Anmerkung: Ein negativer Saldo bedeutet einen zusätzlichen Einzonungsbedarf, ein positiver Saldo indiziert einen langfristigen Überschuss an Bauzonen. Nachfrageszenario «Trend», Raumplanungsszenario «wie bisher». Quelle: Prospektivmodell Fahrländer Partner 2008; Kartengrundlage BfS Geostat/swisstopo. Vgl. auch Matter et al. (2008). | 17
Zusatznachfrage nach Mietwohnungen 2007 bis 2020 < -20% -20% bis -10% -10% bis -5% -5% bis -1% 1% 1% bis 5% 5% bis 10% 10% bis 20% > 20% Anmerkung: Nachfrageszenario «Trend», Raumplanungsszenario «wie bisher». Quelle: Prospektivmodell Fahrländer Partner 2008; Kartengrundlage BfS Geostat/swisstopo. Neben der Nachfrage spielt das Angebot - beeinflusst Dies führt insgesamt dazu, dass stark nachgefragte durch die Entwicklungstätigkeit sowie die Raumpla- Standorte – typischerweise zentral und an landschaft- nung - eine zentrale Rolle, insbesondere in den stark lich attraktiven Lagen gelegen – im Zeitverlauf deutlich nachgefragten Regionen. Kann die Nachfrage auf- volatilere Miet- und Transaktions-Preisentwicklungen grund raumplanerischer Vorgaben nicht befriedigt verzeichnen als eher substituierbare, weniger zentrale werden, kommt es zu einer relativen Stärkung der Lagen (die Substituierbarkeit betrifft sowohl Arbeits- Attraktivität der Kerne solcher Regionen sowie zu Ver- als auch Wohnstandorte). Im Allgemeinen sind deshalb drängungseffekten und damit zu einer räumlichen die generell teuren, attraktiven – typischerweise zent- Ausdehnung dieser Regionen. ralen – Lagen konjunkturell volatiler als die günstigen, substituierbaren – typischerweise weniger zentralen – Während das Nutzflächenangebot an Standorten Lagen. mit begrenzten Bauzonenreserven sowohl kurz- als auch mittelfristig relativ unelastisch und gegenüber Führt die konjunkturell gute Lage konjunkturellen Einflüssen sehr rigide ist, ist die zu einer Ausdehnung der Agglomera- Nachfrage eher elastisch und erfährt in Abhängigkeit tionen, ist zu berücksichtigen, dass diese der Veränderung der Rahmenbedingungen (z.B. in konjunkturell schwierigeren Zeiten Einkommen, Zinsen, Migration, Haushaltsgrösse usw.) deutliche Verschiebungen nach links und nach auch wieder schrumpfen können, womit rechts. gerade für Neubauten am Rand solcher Gebiete grosse Ertragsrisiken bestehen. 18 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Volatilität der regionalen Märkte Daraus ergeben sich Risiken unterschiedlicher Art: Während davon auszugehen ist, dass die urbanen vo- In der Synthese können vier Arten von Regionen latilen Regionen primär in der zyklischen Betrachtung identifiziert werden, die wie folgt charakterisiert sind Risiken aufweisen, die «ausgesessen» werden können, (vgl. folgende Graphik): weisen periphere Regionen insbesondere auch in der langen Frist sehr grosse Risiken auf, indem die Nach- Vier Arten von Regionen frage nach Nutzflächen generell rückläufig ist. Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die zyklische Volatilität in den Zentren und an den Top- Lagen hoch ist, in den Agglomerationen bereits deut- lich geringer wird und in der Peripherie gegen Null geht. Gleichzeitig sind es die zyklisch volatilen Märkte der Zentren und Top-Lagen, die den stärksten positi- ven Trend aufweisen, während dieser mit zunehmen- der Distanz zu den Zentren abnimmt und in der Peripherie gar negativ sein kann. Quelle: Fahrländer Partner. Aus der Grafik lassen sich folgende Trends ableiten: Anmerkung Entwicklungstrends Zyklisch volatile Regionen Diese Standorte stehen in in- mit real überdurchschnittlich ternationaler Konkurrenz und positivem langfristigem Trend werden von ökonomischen und regulatorischen Änderun- gen an Konkurrenzstandorten beeinflusst. Normal-zyklische Regionen Diese Regionen stehen primär mit real flachem Trend in lokaler Konkurrenz und die- nen mitunter auch als «Über- lauf» für die Zentrumsgebiete. Zyklisch flach verlaufende Diese Regionen weisen primär Regionen mit real negativem einen kleinen Markt für Einhei- langfristigem Trend mische auf, wobei Wiederver- käufe oftmals schwierig sind. Orte mit geringem Bezug zu Diese Regionen sind insbeson- realwirtschaftlichen Rahmen- dere abhängig vom Erfolg bedingungen des Marketings als Tourismus- standort. | 19
Learning Nr. 1: Langfristige Trends und zyklische Self Assessment Entwicklungen sind zu unterscheiden Wichtige Merkpunkte für Ihre Bank: In der Analyse der Gesamtwirtschaft und auch einzel- Ja Nein Kriterien ner Märkte ist jeweils zwischen langfristigen Trends und zyklischen Entwicklungen, die um den langfristi- Verwendet Ihre Bank nutzungs- und gen Trend schwanken, zu unterscheiden. So können objekttypenspezifische Standortratings Märkte über eine längere Zeit von diesem Trend ab- bei den Betrachtungen über die weichen, die Erwartung, dass dies weiterhin so bleibt Objektrisiken? ist aber gefährlich. Letzteres würde einen Struktur- bruch - also eine nachhaltige Veränderung des langfris- Verwendet Ihre Bank in der langfristigen tigen Trends - bedeuten und solche Strukturbrüche Betrachtung der ökonomischen Nach- sind in der Realität extrem selten. haltigkeit von Immobilienwerten zyklische Szenarien? Learning Nr. 2: Räumliche und nutzungsbezogene langfristige Risiken kennen Erstellt Ihre Bank Analysen auch auf Ebene Immobilien-Teilportfolio (Nutzung, Aufgrund regional unterschiedlicher Entwicklungen Objekttypen, Subregionen)? der Branchenstruktur sowie sozio-demographischer Veränderungen (Stichworte: Alterung, sinkende Haus- haltsgrössen, Verschiebungen der Anteile unter-, mit- tel- und oberschichtiger Nachfragersegmente) stellen sich – regional unterschiedlich – bedeutsame Frage- stellungen betreffend ökonomischer Nachhaltigkeit von Immobilienerträgen bzw. Marktwerten. In den grosszentralen Regionen werden praktisch allen Nutzungen und Marktsegmenten langfristige gute Marktchancen eingeräumt. In vielen eher peripheren Regionen, teilweise auch in den Agglomerationen weisen folgende vier Immobili- entypen erhöhte Risiken auf: – Büro- und Gewerbebauten – MFH mit grossen Mietwohnungen – Reihen-EFH und andere EFH im unteren Marktsegment – Hochpreisige (Neu)bauten Bei der Beurteilung der Werthaltigkeit dieser Objekte sollten eingehende Analysen der Makro- und Mikrolage auf Stufe Liegenschaft zur Anwendung kommen. Derartige Analysen sind wenn immer möglich auch auf Ebene Teilportfolio vorzunehmen. 20 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
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These 3: Hohe Nachfrage trifft auf rigides Angebot 22 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Nutzermärkte Nominale Transaktionspreisindizes für EWG, mittleres Segment (Index 1985 = 100) Gute konjunkturelle Rahmenbedingungen, arbeits- marktinduzierte und autonome Nettoimmigration, 300 sinkende Haushaltsgrössen, geringe Zinsen und knappe Bauzonen an zentralen Lagen führen dazu, dass die 250 Nachfrage nach Wohnraum vielerorts seit Jahren grösser ist als das Angebot. Während die Nachfrage zyklisch bedingt schnell ändern kann, ist das Angebot 200 aufgrund der Realisierungsdauer von Projekten kurzfristig rigide. 150 Die Folge davon sind in zyklisch nachfragestarken Perioden steigende Mieten und Wohneigentumspreise 100 Schweiz verbunden mit sinkenden Leerständen. Kt. GE 50 Kt. AG Kt. SZ Wohneigentum Kt. ZH 0 Seit der Immobilienkrise der 1990er Jahre haben die 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Transaktionspreise von Objekten im Wohneigentum Anmerkung: Jeweils neuwertiges Objekt, keine Berücksichtigung einer Altersentwertung. seit 1998/1999 teilweise massiv zugelegt. Im Jahr 2005 Quelle: Transaktionspreisindizes Fahrländer Partner. fanden in der Presse Überhitzungsdiskussionen statt. Seither sind die Preise - mit Ausnahme einer kurzen Folgt man Langfristanalysen, wonach die realen Periode im Jahr 2009 - weiter angestiegen. Ob das Preissteigerungen nach Abzug einer Altersentwertung/ besorgniserregend ist oder nicht, muss insbesondere Demodierung von rund 1% p.a. in etwa konstant sein aus einer längerfristigen Perspektive beantwortet sollten, und geht man davon aus, dass ca. im Jahr werden. 2000 «ausgewogene» Preise bezahlt wurden, sind die Preisentwicklungen in den volatileren Regionen In der realen Betrachtung sind die Preissteigerungen Genfersee (ca. 100% über dem Trend) sowie Zürich/ zwar beachtlich, allerdings nur als Gesamtes. Rechnet Zug (ca. 40% über dem Trend) nach wie vor gross, man die allgemeine Teuerung weg, resultiert für den aber deswegen nicht gleich beunruhigend. Dabei ist Kanton Genf ein Indexstand von 180 Punkten, d.h. seit die Lage in der Stadt Zürich sowie den Seegemeinden 1985 ist eine EWG mit konstanter Qualität im Kanton wiederum ähnlich zur Genfer Situation. Genf real um rund 80 Prozent teurer geworden. Geradezu minim verhält sich der Zuwachs im landes- weiten Mittel - rund 25 Prozent in 26 Jahren: Das ent- spricht einer realen Wertsteigerung von weniger als 0.9%. Dies liegt sogar deutlich unterhalb des realen Wachstums der Schweizer Volkswirtschaft seit 1985! Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten unterschei- den sich die kantonalen Indizes von Zürich und Genf beträchtlich. Analysiert man Subindizes des Kantons Zürich, so liegen die Preisentwicklungen der Stadt Zü- rich sowie der Gemeinden entlang des Zürichsees im Bereich der Genfer Entwicklung. | 23
Während die Preise in den gehobenen Wohneigen- Mietwohnungen tumssegmenten - gerade auch in diesen Regionen - während der Krise 2009 vorübergehend sanken, sind Die Entwicklungen im Mietwohnungs-Nutzermarkt seit Herbst 2009 praktisch ungebremst steigende lassen erwarten, dass die Nachfrage grundsätzlich Preise zu beobachten. Mancher scheint sich zu sagen: zwar gross ist, dass aber immer mehr Haushalte auf- «Job gesichert, billiger wird Geld nicht. Jetzt oder nie». grund ihrer Budgetrestriktion nicht immer grössere, besser ausgestattete MWG mieten können. Dazu In der Tat kann ein geringer, lang kommt die starke Konkurrenz von Wohneigentum, die angebundener Fremdkapitalzins dazu diejenigen Haushalte anzieht, die über entsprechende Vermögen und insbesondere Einkommen verfügen. führen, dass es günstiger ist, heute zu einem hohen Preis zu kaufen, als Obschon es in Zentren wie Zürich nur sehr wenige In- später – bei höheren Zinsen – zu einem vestoren «fertig bringen», Leerstände zu produzieren, günstigeren Preis. sind in der Agglomeration heute bereits einige Objek- te auf dem Markt, die nicht marktfähig sind, da die Obschon die Wohneigentumspreise an stark nachge- benötigten Mieten zu hoch sind und es für Nachfrager fragten Standorten seit Jahren deutlich über einer günstiger ist, ein Reihen-EFH gleicher Grösse zu Trendlage liegen, ist die zyklische Umkehr im aktuellen kaufen. Umfeld noch nicht erkennbar. Damit baut sich ein immer grösseres Korrekturpotenzial auf, sofern man Vor dem Hintergrund sinkender Haushaltsgrössen, unterstellt, dass der Immobilienmarkt langfristig keine der zunehmenden Alterung sowie der anlaufenden reale Wertentwicklung erfährt. Erneuerung der Portfolios der Wohnbaugenossen- schaften, ist auch in den Zentren zu erwarten, dass die neuen, für die gut verdienenden Haushalte konzipier- ten grossen Wohnungen in naher Zukunft sinkende Erträge aufweisen könnten. Büro- und Verkaufsflächen Mit dem wirtschaftlichen Boom der vergangenen Jah- re gepaart mit Anlagedruck der Investoren sowie der Verfügbarkeit von Brachen ist insbesondere in der Region Zürich enorm viel Büroraum geplant und teil- weise bereits gebaut worden. Hier und auch in ande- ren Regionen zeichnen sich grössere Überkapazitäten ab, wobei zu hoffen ist, dass die Situation nicht so dramatisch wird wie zu Beginn der 1990er Jahre: Ende 1992 bestanden im Büroflächenbereich landes- weit Überkapazitäten im Bereich von 3 Mio. m2 BGF. Gegenüber 1990 sanken die Angebotsmieten für Geschäftsflächen bis 1998/1999 insgesamt um 20 bis 40 Prozent. Im Verkaufsflächenbereich ist die Lage deutlich kom- plexer: Die Mikrolage sowie das Objekt sind hier absolut zentral: Während vielerorts die zentral gelege- nen Innenstädte durch umliegende Einkaufszentren konkurrenziert werden, ist es in den Grosszentren umgekehrt: Die in der Städteperipherie gelegenen Einkaufzentren haben einen eher schweren Stand, 24 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
während die City-Lagen preislich «überborden». Gene- Zum Einfluss auf die Bewertung von rell gilt aber auch für den Verkaufsflächenmarkt, dass Bestandesliegenschaften sehr viele, mittlerweile gar zu viele Flächen verfügbar sind und dass weitere grosse Shopping-Malls geplant Wohneigentum sind. Entsprechende Korrekturen zeichnen sich ab, da der Flächenzuwachs schneller erfolgt, als die Zunahme Die Bewertung von Wohneigentum orientiert sich der Kaufkraft. Das heisst, dass die Flächenproduktivi- grundsätzlich am aktuellen Markt. Diese Bewertung tät ab- und somit der Druck auf die Unternehmen dient letztlich als Belehnungsgrundlage, wobei die Be- zunimmt. lehnung üblicherweise 80 Prozent nicht übersteigen darf. Es besteht demnach ein Sicherheitspuffer. Gleich- wohl kann dieser Puffer - also das Eigenkapital - voll- Transaktionsmärkte für Renditeliegenschaften ständig erodieren und letztlich rein aufgrund der Marktentwicklungen zu einer Belehnung von mehr als An Standorten, an denen ein Mietwohnungsmarkt 100 Prozent führen. überhaupt existiert, steht dieser – so die Standorte bzw. Bestandesliegenschaften überhaupt geeignet Renditeliegenschaften sind – in massiver Konkurrenz zu EWG. Berechnet man die Bruttorendite einer vermieteten EWG, liegt diese Steigende Mieten, sinkende Leerstände sowie sinken- an den stark nachgefragten Standorten deutlich unter de Renditeerwartungen zeitigen alle positive Wirkun- derjenigen, die ein institutioneller Anleger erwarten gen auf die Marktpreise. Da bei der Bewertung von würde. Nur gerade am Genfersee, wo auch ein sehr Bestandesliegenschaften für die Festlegung von Ertrags- grosser Nachfrageüberhang nach Mietwohnungen potenzialen vom aktuellen Markt ausgegangen wird, besteht, folgen die Mieten den EWG-Preisen, so dass werden steigende Abschlussmieten zumindest teilwei- bei einer Vermietung von EWG noch Bruttorenditen se eingepreist. Dasselbe gilt für die sinkenden Leer- von 4% und mehr resultieren. stände und die sinkenden Diskontierungssätze. Insgesamt ist es heute in den Zentren und inneren Agglomerationen praktisch nicht möglich, mit einem Vergleich aktueller Marktwert zu ausgewogenem Ertragswert die Zahlungsbereitschaft für Wohneigen- Marktwert («Markttemperatur») tum zu erreichen. Können Investoren nicht mit höhe- ren Erträgen rechnen, sind sie gezwungen, ihre Rendi- teerwartungen zu senken und damit ihren Kaufpreis zu erhöhen. Daraus ergibt sich die Frage, ob die Eigen- tumspreise zu hoch sind oder die Marktwerte von Ren- diteliegenschaften zu gering. Mehr als 25% 20–25% 15–20%. Quelle: RESC Fahrländer Partner. | 25
Entsprechend liegen die Marktpreise zyklisch bedingt Rationales Verhalten oder Preisblase? heute in vielen Regionen über dem Trend. Die Markt- temperatur ist generell hoch. Wichtig ist zu unterschei- Sind konjunkturelle oder andere fundamentale Fakto- den zwischen Marktpreisen und Bewertungen. ren – wie beispielsweise die Personenfreizügigkeit oder die tiefen Zinsen bei gleichzeitiger guter konjunk- Ob die Bewertungen aufgrund der weit über Trend tureller Lage – für Preissteigerungen verantwortlich, liegenden Erträge sowie weit unter Trend liegenden entsprechen diese nicht der Definition einer Preis- Leerstände und Diskontierungen nachhaltig sind, ist blase: für die Bewertung de jure heute irrelevant, de facto werden sich Korrekturen dereinst in den Büchern «If the reason the price is high today is only because niederschlagen. investors believe that the selling price will be high tomorrow – when «fundamental» factors do not seem Verstärkend kommt hinzu, dass aufgrund der «buy- to justify such a price – then a bubble exists.» (Stiglitz and-hold»-Strategie vieler Investoren, die wirklichen 1990). «...despite our suspicions, it was very difficult Werte durch gezahlte Preise nicht getestet werden to definitively identify a bubble until after the fact - können. Es handelt sich also um «Buch-Bewertun- that is, when its bursting confirmed its existence.» gen». Wert und Preis können durchaus eine Bandbrei- (Alan Greenspan 2002). te von 20% aufweisen – und dies in jeder Markt- verfassung. Folgt man dieser Definition von Preisblase ist davon auszugehen, dass in der Schweiz keine Preisblasen be- stehen, denn sowohl bei den Märkten für Wohneigen- tum als auch bei den Renditeliegenschaften sind die zu beobachtenden Preisanstiege weitestgehend ratio- nal erklärbar. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Preisanstiege als nachhaltig zu betrachten sind. Auch ohne Preis- blase können Preisentwicklungen im Konjunkturver- lauf ein negatives Vorzeichen aufweisen und durchaus bemerkenswert sein. 26 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
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