Immobilien- und Hypothekarmarkt - Quo vadis? - Fahrländer ...

Die Seite wird erstellt Niko-Veit Lutz
 
WEITER LESEN
Immobilien- und Hypothekarmarkt - Quo vadis? - Fahrländer ...
cutting through complexity TM

                      FINANCIAL SERVICES

     Immobilien- und
  Hypothekarmarkt –
                  Quo vadis?
Executive Summary
Eine aktuelle Immobilienpreisblase gibt es nicht;          Die nächste Korrektur im Immobilienmarkt
es besteht jedoch regional eine Überhitzungsgefahr.        kommt und wird Spuren in den Bankbilanzen
                                                           hinterlassen
Die Schweiz als wirtschaftgeografischer Raum, und
mit ihr der Immobilienmarkt, zeichnet sich durch eine      Angesichts sich verändernder Rahmenbedingungen
Reihe von Vorteilen aus. Die intakten volkswirtschaftli-   wird eine Korrektur des anhaltend steigenden Preisge-
chen Rahmenbedingungen, das steigende Volksein-            füges im Wohnungs- und Büroimmobilienmarkt früher
kommen, die politische Stabilität, die ausgesprochen       oder später eintreten. Ursache dafür könnten mehrere
hohe Lebensqualität, die gesunden öffentlichen Finanzen    Faktoren sein: Erstens ist ungewiss, wie lange die
und die flexiblen Arbeitsmarktverhältnisse mit einem       guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch an-
aktuell positiven Wanderungssaldo von hochqualifi-         halten und damit den anscheinend ungebrochenen
zierten Arbeitskräften wirken sich auf den Immobilien-     Zustrom von Fachkräften in die Schweiz begünstigen
markt langfristig nicht nur stabilisierend, sondern po-    werden, und zweitens, wie lange das tiefe Zinsumfeld
sitiv aus. Dies gilt insbesondere für Arbeits- und Wohn-   noch bestehen bleibt.
immobilien in attraktiven Regionen mit internationaler
Ausstrahlung. In einigen wenigen Regionen und              Erhöhten Risiken ausgesetzt sind die «Hypotheken-
Subsegmenten waren in den letzten Jahren real deut-        Neugeschäfte», während der Bestand an Hypotheken
liche Immobilienpreissteigerungen zu beobachten,           geringere Risiken beinhaltet. Mit der «Festhypothek»
welche Merkmale einer Überhitzung aufweisen. In der        haben die Banken ein Produkt geschaffen, das den
Schweiz bestehen aktuell keine Preisblasen, denn so-       Kreditnehmern erlaubt, sich zu tiefen Zinsen über eine
wohl bei den Märkten für Wohneigentum als auch bei         fixe Laufzeit zu finanzieren und mit der Gewissheit,
den Renditeliegenschaften sind die zu beobachtenden        dass die Zinskosten bis zumindest zur Fälligkeit
Preisanstiege weitestgehend rational erklärbar.            eingefroren sind. Dass nach Ablauf der Festhypothek
                                                           neu refinanziert werden muss – unter Umständen zu
                                                           markant höheren Zinsen – wird nicht selten verdrängt.
                                                           Vor diesem Szenario warnen wiederholt die Schweize-
                                                           rische Nationalbank (SNB) und die Eidgenössische
                                                           Finanzmarktaufsicht (FINMA). Eine wesentliche Rolle
                                                           spielen die «Exception-to-Policy» (ETP)-Geschäfte,
                                                           bei denen die Grundsätze einer angemessenen Kredit-
                                                           politik nicht eingehalten werden.

                                                           Obschon die Tragbarkeitsregeln auch für höhere
                                                           Zinsen bereits überall ausgelegt sind, verbleibt ein
                                                           hohes Unsicherheitselement. Niemand weiss, wie
                                                           hoch das Zinsniveau bei Ablauf der Festhypotheken in
                                                           drei oder zehn Jahren sein wird. Die Banken werden
                                                           nicht um die höhere Wahrscheinlichkeit von Verlusten
                                                           herumkommen, wenn sie nicht insbesondere
                                                           langfristige Festhypotheken mit ebenfalls langfristig
                                                           ausgerichteten Amortisationsregeln verbinden.

02 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Banken haben genügend Zeit, sich vorzubereiten            Autoren
um die Auswirkungen zu steuern

Für die meisten Banken ist die Vergabe von Hypothe-       KPMG AG
karkrediten von zentraler Bedeutung. Rund drei Viertel    Hans Stamm, Kurt Stoll,
des Gesamtertrages einer Bank stammt aus diesem           Thomas Fischer
Geschäftszweig. Das bietet Anlass genug, dieses
Geschäft entsprechend den finanziellen Möglichkeiten
zu gestalten. Dass Risiken im Hypothekargeschäft
                                                          cutting through complexity TM
bestehen, ist unbestritten. Diese müssen durch eine
massvolle Politik und angemessene organisatorische
Massnahmen minimiert werden, vor allem vor dem
Hintergrund eines Tiefzinsumfelds, das verführerisch      Hochschule Luzern – Wirtschaft
auf die Kreditnehmer wirken kann. Die Risikopolitik ist   Prof. Dr. Maurice Pedergnana
so zu gestalten, dass der geografische Spielraum wie
auch die Vergabekriterien klar festgelegt sind. Letzte-
res betrifft insbesondere die strikte Einhaltung der
Belehnungsgrundsätze wie auch der Tragbarkeits-
aspekte und die Amortisationen der Schulden. Einer
offenen und ehrlichen Aufklärung der Kunden im
Beratungsgespräch ist dabei höchste Priorität einzu-
räumen, falschen Vorstellungen und Überschätzun-
gen der eigenen finanziellen Möglichkeiten der Kredit-
nehmer Einhalt zu gebieten. Darüber hinaus erfolgt        KloessRealEstate
insbesondere bei Neuhypotheken häufig eine erwei-         Dr. Stephan Kloess
terte Auslegung der Tragbarkeitsregeln im Rahmen
von ETP-Geschäften. Dies gilt es restriktiver zu hand-
haben und in einem aussagekräftigen ETP-Reporting
festzuhalten.

Die Welt lebt von Veränderungen. Diese machen auch        Fahrländer Partner AG
vor dem Hypothekargeschäft nicht Halt und sollten         Dr. Stefan Fahrländer
frühzeitig erkannt werden; haben sie doch einen
bedeutenden Einfluss auf die Ertragslage der Bank.
Durch intelligente Frühwarnsysteme und mit Hilfe von
Szenarioanalysen und Stresstests der wesentlichen
Rahmenbedingungen (beispielsweise Zinsniveau, re-
gionale Preisentwicklung), können überraschende
Entwicklungen frühzeitig erkannt und gegebenenfalls
entsprechende Massnahmen eingeleitet werden. Es
spricht einiges dafür, dass vergleichsweise tiefe Zin-
sen weiter vorherrschen. Dennoch sind Banken gut be-
raten, ihr Asset und Liability Management (ALM) so
auszugestalten, dass sie gegen allfällige abrupte Zins-
erhöhungen abgesichert sind, selbst wenn dadurch
der Ertrag geschmälert wird.

                                                                                           | 03
Ausgangslage und
Zielsetzung der Studie
Ausgangslage der Studie

Wer die Entwicklung des Immobilienmarktes verstehen und deren Auswirkungen auf die Schweizer Banken
analysieren will, muss sich zunächst mit der Entwicklung des volkswirtschaftlichen Umfelds auseinandersetzen.

Erst mittels einer vertieften Analyse der Kräftefelder in den vielfältigen Ursache-Wirkung-Beziehungen im
gesamten Immobiliengeschäft lässt sich schliesslich eruieren, worin die wesentlichen Risiken für Schweizer Ban-
ken in den kommenden Jahren liegen werden und ob bereits in der Gegenwart ein Handlungsbedarf besteht.

        Einflussfaktoren                             Immobilienmarkt                       7         Mögliche Risiken in der Bankbilanz

  1                                           2
                                                                                           6         Quantitativ
                                                        Mietermarkt/
                                                        Nutzermarkt                               Diversifikation
                                                     Vermögensmarkt/                             Hypothekarkredite
       Kapitalmarktstruktur-
         und Entwicklung                             Transaktionsmarkt                            Höhe der Marge
                                                        Baumarkt/                                    Höhe der
                                                     Entwicklungsmarkt                            Wertberichtigung
                                                                                                  Höhe /Qualität
                                                                                                Hypothekarvolumen
       Wettbewerbsfähigkeit
                                               3 + 4                                            Ratio Fristigkeit zur
        und Entwicklung
                                                                                                Ausleihung /Einlagen
          (Mikro/Makro)
                                                  Eigentümer/Investoren                        Wachstum/Volumen ETP
                                                    Private/Institutionelle
                                                                                                                                  BANK
                                                         Motivation,                       6         Qualitativ
                                                          Konsum,
      Soziodemographische                                Cash/Wert                             Reifegrad Kreditprozess
            Struktur
        und Entwicklung                              Renditeerwartung                      Qualität Risikomanagement/
                                                        Immobilien/                             Frühwarnsysteme
                                                     Finanzierungswert
                                                                                                Qualität Erfassung/
                                                                                               Reporting ETP-Prozess

   5                                                              Zinsstruktur & -niveau

  x = Thesen

04 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Die Analyse der Wirkungszusammenhänge folgt               Auf dem Mietermarkt treffen Angebot und Nachfrage
letztlich immer derselben Logik: Die volkswirtschaftli-   nach Flächen aufeinander. Hieraus bildet sich der Preis
chen Rahmenbedingungen und deren Veränderung              für den Quadratmeter. Aufgrund des auf dem Mieter-
beeinflussen den Immobilienmarkt respektive dessen        markt zu erzielenden Cashflows stellen die Investoren
Teilmärkte am stärksten. Dies findet seinen qualitati-    auf dem Vermögensmarkt Überlegungen über die
ven und quantitativen Niederschlag in der Bankbilanz.     Werte der Immobilien an. Unabhängig von den Immo-
                                                          bilienmärkten und als zweite Inputgrösse für den Wert
Der Transmissionsmechanismus vom Immobilien-              der Immobilien haben die Investoren einen Verzin-
markt zur Bankbilanz ist allerdings vielfältig und er-    sungsanspruch an die Assetklasse Immobilien. Dieser
folgt in direkter und indirekter Beeinflussung. Dessen    wird in erster Linie durch die vorhandenen Opportuni-
Kenntnis ist von grosser Bedeutung, um eine Bank          täten auf dem Kapitalmarkt bestimmt. Somit hängt
rechtzeitig und risikoarm durch zyklische Auf- und        die Nachfrage auf dem Vermögensmarkt von den
Abwärtsbewegungen auf dem Immobilienmarkt zu              Miethöhen, deren Potenzialen sowie den alternativ
steuern und zu lenken.                                    möglichen Verzinsungen auf dem Kapitalmarkt ab.

Der Immobilienmarkt zeichnet sich typischerweise
durch grundlegende langfristige Trends und durch          Wichtig für die Beurteilung von Zyklen, ist die Identifi-
eher kürzer- und mittelfristige Marktschwankungen         zierung der Herkunft einer gestiegenen oder steigen-
entlang dem Trendverlauf aus. Charakteristisch für        den Nachfrage. Löst sich beispielsweise die Nachfrage
den Immobilienmarkt ist erfahrungsgemäss, dass die        auf dem Vermögensmarkt aufgrund von Anlagedruck
vorübergehende, über die Trendentwicklung hinaus-         und niedrigen Alternativverzinsungen von der realen
gehende Aufwärtsbewegung eher langsam und                 Nachfrage auf dem Mietermarkt ab, so erhöht sich die
über viele Jahre stattfindet. Anders verläuft nach        Gefahr von Überhitzungen und in der Folge auch von
einem Wendepunkt – dessen Auslöser vielfältig sein        Blasenbildung.
kann - die Abwärtsbewegung. Letztere führt den Im-
mobilienmarkt letztlich und teils nach einem vorüber-
gehenden Überschiessen des Trendverlaufs immer
wieder an die langfristige Trendentwicklung heran.
Die Abwärtsbewegung verläuft vergleichsweise eher
rasch und ist oftmals mit einer Reihe von Kettenreakti-
onen verbunden.

Das beschriebene zyklische Verhalten der Immobilien-
märkte liegt an den unterschiedlichen Elastizitäten der
Nachfrage und des Angebotes. Zeigt sich die Nachfra-
ge als elastisch und abhängig von exogenen Faktoren,
wie der Wettbewerbsfähigkeit von Märkten, der Ent-
wicklung soziodemografischer Strukturen sowie der
Verfassung der Kapitalmärkte, ist das Angebot im
Vergleich unelastisch. Flächen können erst mit einem
Zeitverzug von 2 bis 4 Jahren auf den Markt kommen,
um eine erhöhte Nachfrage zu befriedigen. Werden
Flächen dagegen nicht mehr benötigt, dauert es i.d.R.
länger als deren Erstellung, bis diese wieder vom
Markt verschwinden.

Um Zyklen auf den regionalen und sektoralen Immobi-
lienmärkte zu beobachten respektive zu prognostizie-
ren sind die Entwicklungen auf den Nutzer-(Mieter-)-
märkten, dem Vermögensmarkt sowie dem Baumarkt
zu betrachten.

                                                                                                                | 05
Zielsetzung der Studie

Mit der vorliegenden Studie wollen wir dem Leser
die Zusammenhänge zwischen dem Immobilienmarkt
und dem Hypothekargeschäft der Banken aufzeigen.
Sie ist als Nachschlagewerk für Verwaltungsräte und
Geschäftsleitungen sowie für Kreditfachleute und Im-
mobilieninteressierte erarbeitet worden. Sie behandelt
die Situation am Wohnungsmarkt; beleuchtet jedoch
auch Aspekte des umfassenden Immobilienmarktes
wenn angezeigt.

Für die Studie wurde ergänzend eine Umfrage bei
rund zwanzig im Hypothekargeschäft tätigen Banken
durchgeführt. Die Umfrage erfolgte schweizweit in der
Zeit von November 2010 bis April 2011. Die befragten
Institute decken rund die Hälfte des Hypothekarvolu-
mens der Schweizer Privathaushalte ab. In unserer
Studie analysieren wir die Ergebnisse wichtiger Aus-
sagen. Die Kategorisierung erfolgt nach Grösse
der Hypothekarausleihungen und umfasst folgende
drei Gruppen:

   – Grössere Universalbanken mit
     einem Hypothekarvolumen von > CHF 15 Mrd.

   – Kleinere und mittlere Kantonalbanken mit
     einem Hypothekarvolumen von < CHF 15 Mrd.

   – Kleinere und mittlere Regionalbanken mit
     einem Hypothekarvolumen von < CHF 15 Mrd.

Wir nehmen in dieser Studie keine regionalen Unter-
scheidungen vor. Die an der Umfrage beteiligten
Banken werden detailliert über die Ergebnisse der
Studie orientiert.

Basierend auf der Ursache- / Wirkungskette beleuchtet
die vorliegende Studie den Themenkreis in sieben
Thesen. Der methodische Aufbau zielt dahin, unsere
Thesen mit einem «Learning» sowie einem «Self
Assessment» aus Sicht der Autoren zu untermauern.
Anhand der «Learnings» und der «Self Assessments»
können sich der Verwaltungsrat und/oder die Ge-
schäftsleitung ein Bild über die Situation der Bank
machen und daraus ableiten, ob ein möglicher Hand-
lungsbedarf für das Institut bestehen könnte.

06 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
These 1:
Mittelfristiges Korrekturpotenzial trotz langfristig positiver Tendenzen                                 08

These 2:
Makroökonomie dominiert Immobilienmarkt                                                             14

These 3:
Hohe Nachfrage trifft auf rigides Angebot                                                      22

These 4:
Renditen orientieren sich an falschen Massstäben                                          28

These 5:
Zinsniveau verführt                                                                  34

These 6:
Weiteres Volumenwachstum führt zu erhöhten Risiken                              42

These 7:
Risiken in der Bankbilanz sind unvermeidbar, aber steuerbar                52

                                                                                                              | 07
These 1:
Mittelfristiges Korrekturpotenzial trotz langfristig
positiver Tendenzen

08 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Zentral bei einer vertieften Analyse der direkten und        Kapitalmarkt-Struktur und -Entwicklung
insbesondere der indirekten Einflussfaktoren und
deren Wirkungszusammenhängen ist jeweils, von wel-           Die Schweiz profitiert von einer robusten Volkswirt-
chem Zeithorizont man ausgeht. Wichtig ist zudem,            schaft, einem Aufbau von Vermögensersparnissen,
inwieweit es sich um beeinflussbare, endogene und            insbesondere der Erwerbstätigen, einer starken
um nicht beeinflussbare, exogene Faktoren handelt.           Währung mit einer hohen internationalen Anziehungs-
Darüberhinaus spielt es eine Rolle, wie (in)stabil die       kraft sowie tendenziell tiefen Zinsen.
risikotreibenden Faktoren in inhaltlicher und zeitlicher
Hinsicht sind.                                               Die Hypothekarkreditzinsen liegen typischerweise in
                                                             der Bandbreite zwischen 3.5 und 5.5% oder rund
Für eine Bank scheint uns ein Zeithorizont von 5 bis         1.0 bis 2.0% über der Inflationserwartung. Das dürfte
15 Jahren durchaus angemessen und für ihren mittel-          auch in den kommenden Jahren so bleiben. Nur hat
und längerfristigen Planungshorizont (quantitative           sich mittlerweile das Potenzialwachstum der Schwei-
und qualitative Entwicklung des Hypothekarkreditport-        zer Volkswirtschaft gegenüber den siebziger und
folios, längerfristige Eigenmittelentwicklung usw.)          achtziger Jahren erheblich reduziert.
geeignet. Dabei ist die Unterscheidung zwischen dem
langfristigen Trend und den kurzfristigen Schwankun-
gen (Zyklen) um den Trendverlauf wichtig.                        Es gibt keinerlei Anhaltspunkte,
                                                             weshalb sich die Zinsen auf Hypo-
Volkswirtschaftliche Grössen sind von der einzelnen          thekarkrediten inskünftig nicht in der
Bank kaum beeinflussbar. Auf dem makroökonomi-               Grössenordnung von 1.0 bis 2.0 %
schen Fundament als Nährboden kann eine Krise kul-           über der erwarteten Preissteigerung
tiviert werden. Deshalb gilt es in der Praxis besonders,
                                                             bewegen sollten.
folgende volkswirtschaftliche Themenfelder analytisch
detailliert zu durchdringen, weil sie sich unmittelbar
oder stark mittelbar auf die Entwicklung des gesamten        Bei einem potenziellen Entwicklungspfad von rund
Immobilienmarktes und seiner Teilmärkte auswirken:           1.5 bis 2.0% Realwachstum in der Schweizer Volkswirt-
                                                             schaft und einer erwarteten Inflationsrate in der Grö-
– Kapitalmarkt-Struktur und -Entwicklung                     ssenordnung von 1.0 bis 2.5% sind unter Berücksichti-
  Zinslandschaft mit Kurven sowie typischen fristen-         gung der Risikozuschläge auf längere Sicht keine
  bezogenen Niveaus für inländische Hypothekarkre-           Hypothekarzinsniveaus von mehr als 3.5 bis 5.5% zu
  dite; Diversität, Vitalität und Reliabilität des Banken-   erwarten.
  sektors.
                                                             Sodann ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass
– Wettbewerbsfähigkeit und deren Entwicklung                 die Hypothekarschuld eine nominelle Grösse ist, die
  Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft, Wettbe-            in Abhängigkeit vom Amortisationsverhalten des
  werbsfähigkeit insbesondere der exportorientierten         Schuldners und der entsprechenden Vereinbarung mit
  Unternehmungen, globale Wettbewerbsfähigkeit               der Bank stabilisiert oder reduziert werden kann. Was
  des Dienstleistungs-Standorts Schweiz, öffentliche         das Schuldnerrisiko betrifft, ist zumindest die nominel-
  Infrastruktur usw.                                         le Einkommens-, Renten- und Ertragsentwicklung
                                                             einzubeziehen. Das ist übrigens ein Sachverhalt, der in
– Soziodemografische Struktur und Entwicklung                einer statischen Tragbarkeitsprüfung vergessen geht,
  Bevölkerungsentwicklung, Wanderungssaldo, Qua-             nicht selten aber auch in den Beratungsgesprächen
  lifikationsniveau, Altersstruktur, Haushaltsstruktur       der Bank mit ihrer Kundschaft.
  und deren Entwicklung hinsichtlich Lebensstile und
  Lebensphasen in den unterschiedlichen sozialen
  Schichten, Beschäftigungsentwicklung respektive
  Beschäftigungsquote.

                                                                                                                  | 09
Ein moderates, inflationäres Umfeld begünstigt alle         Zweifellos befindet sich die SNB wie derzeit viele
Hypothekarkreditschuldner, sofern es ihnen gelingt,         Zentralbanken in einem Dilemma, das sie mit ihrer
ihre Einkommen, Renten und Kapitalerträge zumin-            eigenen Lockerung der Geldpolitik mit verursacht hat.
dest teilweise entlang der Inflation zu entwickeln. Wer-    Mit einer allfälligen deutlichen Zinserhöhung der SNB
den auf Einkommen, Renten und Kapital inflationsbe-         dürfte sich die Aufwertung des Frankens gegenüber
reinigt in den kommenden Jahren sogar reale Steige-         den Währungen seiner wichtigsten Handelspartner
rungen erzielt, verringert sich die reale Hypothekar-       weiter verstärken und diverse Branchen (Exportindust-
schuld über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren.        rie, Tourismus usw.) unmittelbar in Schwierigkeiten
                                                            bringen. Mit einer abrupten Zinserhöhung dürfte nicht
Mit der «Normalisierung» der Geldpolitik durch die          nur eine Dämpfung der immensen inländischen
Nationalbank dürften sich die Hypothekarkreditzinsen,       Immobiliennachfrage der jüngsten Zeit einhergehen,
die sich schon von den historischen Tiefstwerten im         sondern erhebliche Kontraktionsbewegungen im
Jahr 2009 loslösen konnten, in den kommenden Jah-           Baugewerbe zu beobachten sein – mit all ihren Folge-
ren in die untere Hälfte der Bandbreite «normaler»          effekten in den kommenden Jahren, die deutlich zu
Kapitalmarktverhältnisse bewegen.                           spüren sein wären.

                                                            Interessanter ist demgegenüber die Immobiliennach-
Wettbewerbsfähigkeit und deren Entwicklung                  frage aus dem Ausland. Sie ist nicht nur anhaltend,
                                                            sondern wird durch jede grössere Krise in den umlie-
Hinsichtlich ihrer internationalen Wettbewerbsfähig-        genden Ländern sogar noch verstärkt. Die Schweiz
keit steht die Schweiz – unabhängig von der Vorge-          gilt als Standort von solider Natur und hoher Rechtssi-
hensweise und Methodologie - nach wie vor in einer          cherheit. Die öffentliche Infrastruktur, die Sicherheit
Spitzenposition. Es gibt keine Anzeichen, wonach die        wie auch die politische Stabilität sowie die landschaft-
Lern-, Entwicklungs- und Anpassungsfähigkeit einen          liche Qualität sorgen zusätzlich zum steuerpolitischen
abrupten Bruch erfahren würde. Die stabilen Rahmen-         Umfeld für eine erhebliche Attraktivität der Schweiz
bedingungen, die gesunden öffentlichen Haushalte,           als Arbeits- und Wohnort. Für Firmen ist die Verfüg-
die ausgezeichnete öffentliche Infrastruktur (z.B. im       barkeit von (hoch)qualifizierten Arbeitskräften ein
Bildungs-, Gesundheits- und Verkehrswesen) und ins-         zusätzliches Argument, sich in der Schweiz niederzu-
besondere die erhöhte Verfügbarkeit von (hoch)quali-        lassen.
fizierten Arbeitskräften stärkt den Wettbewerbsstand-
ort Schweiz. Damit gehen tendenziell steigende reale
                                                                 Gerade durch ihre hohe Inter-
Lohn- und Gewinnentwicklungen einher.
                                                            nationalität und durch flexible Arbeits-
Die Schweiz ist als kleine, offene Volkswirtschaft sehr     märkte dürfte die Schweiz im
stark von der wirtschaftlichen Entwicklung der wich-        kommenden Jahrzehnt zu den Profi-
tigsten Handelspartner im unmittelbaren Umfeld, aber        teuren der voranschreitenden
auch erheblich von der Entwicklung des globalen Um-         Globalisierung und der zunehmenden
felds abhängig. Dieses makroökonomische Umfeld ist
                                                            Krisen und Turbulenzen zählen.
eine potenzielle Gefahr. Im ungünstigsten Fall tritt eine
Deflation ein. Diese kann wiederum mit ungewohnt
hoher Arbeitslosigkeit und sinkenden Preistrends auf        Das wirkt sich unabhängig vom Zinsniveau zumindest
dem Immobilienmarkt einhergehen. Im heutigen                stabilisierend, vermutlich jedoch in direkter wie auch
Umfeld von hochverschuldeten Nachbarstaaten (Itali-         in indirekter Hinsicht positiv auf die gesamte (Nachfra-
en, Frankreich, Österreich, Deutschland) mit teils er-      ge-)Entwicklung im Immobilienmarkt aus. Dabei wir-
heblichen Problemen in deren Wirtschafts- und               ken die Kräfte von zwei Seiten. Auf dem Immobilien-
Währungsraum kann die Verhinderung einer Deflation          markt gibt es stets zwei Nachfrage-Entwicklungen,
durchaus als prioritäres Ziel betrachtet werden, das        jene von der Nutzerseite (Mieterinnen und Mieter) und
die Schweizerische Nationalbank zu verfolgen hat. In        jene von der Anleger- und Investorenseite (Nachfrage
einem derartigen Szenario würde das Tiefzinsumfeld          nach Immobilien als Eigentum oder Kapitalanlage).
noch länger anhalten.

10 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Soziodemografische Struktur und deren Entwicklung                                         Aus der Sicht des Immobilienmarktes war diese
                                                                                          Zuwanderung preistreibend, insbesondere in Jahren,
Die Entwicklung der Bevölkerung wie auch deren Be-                                        in denen die Nettomigration rund 100‘000 Personen
schäftigungsquote sind wesentliche Treiber der Nach-                                      betrug. Dementsprechend ist ein latentes Risiko vorhan-
frage auf dem Wohnungs- und Wohneigentumsmarkt.                                           den, dass hochqualifizierte Arbeitskräfte aufgrund
Dazu kommen noch weitere Faktoren (unter anderem                                          ihrer Mobilität das Land auch wieder verlassen und
soziale Schicht, Lebensstil, Lebensphase).                                                damit negative Signale auf das Potenzialwachstum der
                                                                                          Volkswirtschaft wie auch auf den Immobilienmarkt
Auch die Schweiz ist von der Alterung erfasst. Wir be-                                    aussenden.
obachten allerdings eine hohe Beschäftigungsquote,
was auch zur Steigerung des verfügbaren Haushalts-
                                                                                               Aus einer wirklich langfristigen
einkommens führt. Im Gegensatz zu den Nachbarstaa-
ten zeigt die Bevölkerungsentwicklung, dass bei einem
                                                                                          Perspektive wird jedoch dieses Korrektur-
einigermassen stabilen wirtschaftlichen Verlauf in gro-                                   potenzial von einem stabilen Trend
ssen Teilen der Schweiz in den kommenden zehn Jah-                                        überlagert. In den letzten 30 Jahren hat
ren von einem spürbaren, teils deutlichen Wachstum                                        die ständige Wohnbevölkerung um
ausgegangen werden kann. Je höher und rascher die                                         1.5 Mio. zugenommen, rund 50‘000
Wachstumsraten eintreten, desto grösser ist auch ein
                                                                                          Menschen mehr leben von Jahr zu Jahr
vorübergehendes Korrekturpotenzial.
                                                                                          in der Schweiz.

Entwicklung der Wohnbevölkerung in der Schweiz                                            Auch für das kommende Jahrzehnt ist insgesamt mit
                                                                                          einer deutlichen Zunahme der Bevölkerung zu rech-
Die Nettozuwanderung zeigt folgendes Bild                                                 nen - das Bundesamt für Statistik (BfS) rechnet im Ba-
(in tausend Personen):                                                                    sisszenario mit 8.8 Mio. bis 2035 - doch nicht alle Ge-
                                                                                          biete dürften davon gleichermassen profitieren.
100

                                                                                          Die Unterschiede zwischen schrumpfenden und wach-
 75                                                                                       senden Regionen sowie zwischen peripheren und zen-
                                                                                          tralen Lagen dürften sich akzentuieren. Gemäss unse-
 50
                                                                                          ren Erwartungen wird der Genferseeraum und die Re-
                                                                                          gion Zürich am stärksten profitieren, gefolgt von Basel
                                                                                          und Lugano (im Einzugsgebiet von Mailand).
 25

                                                                                          In einem erheblichen Teil des Landes wird allerdings
  0                                                                                       auch mit einer negativen Bevölkerungsentwicklung
      2000    2001   2002   2003   2004   2005    2006    2007   2008      2009   2010    zu rechnen sein.
Quelle: BfS                        1. Quartal    2. Quartal   3. Quartal     4. Quartal

Die wesentliche soziodemografische Stütze des
Wachstums ist die Zuwanderung, insbesondere von
hochqualifizierten Fachkräften, die in den Jahren 2007
bis 2009 besonders hoch ausgefallen ist. Dabei ist zu
beachten, dass in den Zuwanderungszahlen nur die
Veränderung der ständigen Wohnbevölkerung abge-
bildet ist. Darunter aber fallen auch Kurzaufenthalter,
die bereits seit einiger Zeit in der Schweiz weilen, nun
aber das Kriterium erfüllen, zur ständigen Wohnbevöl-
kerung zu zählen.

                                                                                                                                               | 11
< -20%
Bevölkerungsentwicklung 2007 bis 2020
                                                                                              -20% bis -10%
                                                                                              -10% bis -5%
                                                                                              -5% bis -1%
                                                                                                1%
                                                                                              1% bis 5%
                                                                                              5% bis 10%
                                                                                              10% bis 20%
                                                                                              > 20%

Anmerkung: Prospektivmodell 2009, Nachfrageszenario «Trend»,
Raumplanungsszenario «Wie bisher»
Quelle: Prospektivmodell Fahrländer Partner; Kartengrundlage BfS Geostet/swisstopo

Gewiss muss in den kommenden Jahren mit einem Abflachen des Wachstums von Immobilienpreisen und
Hypothekarkrediten gerechnet werden; allein schon aufgrund der etwas tieferen Zuwanderung und des
erhöhten mittleren Zinsniveaus für Hypothekarkredite. Dieses liegt jedoch historisch betrachtet immer nur leicht
höher als die (Lohn- und Güter-)Preisniveausteigerungen.

Korrekturpotenzial besteht aus makroökonomischer Sicht in Bezug auf

–    die Zuwanderung und deren unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung
     und damit auch auf den Immobilienmarkt;
–    die wirtschaftliche Entwicklung im Umfeld von hochverschuldeten Nachbarstaaten, die teils auf einen
     Staatsbankrott hinsteuern und
–    die starke wirtschaftliche Erholung nicht nur der Schweiz, sondern auch Europas, die mit steigenden Zinsen
     verbunden wäre.

Aus Bankensicht gilt es genau zu analysieren, ob man nationalen Trends und Entwicklungen ziemlich eng
folgt, ob diese sogar noch übertroffen werden oder ob die jeweilige Marktregion sich unterdurchschnittlich
entwickelt. Zudem hat sich eine Bank genau zu überlegen, wie stark sie die preistreibenden Mechanismen
mit einer grosszügigen Kreditpolitik prozyklisch unterstützen oder verstärkt zu einer zurückhaltenden Kreditver-
gabe übergehen will.

12 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Learning Nr.1:                                             Self Assessment
Korrekturpotenzial durch Abweichungen vom                  Wichtige Merkpunkte für Ihre Bank:
langfristigen Trend in Betracht ziehen
                                                           Ja   Nein Kriterien
Trotz zyklischer Schwankungen sind die langfristigen
Tendenzen auf dem Schweizer Immobilienmarkt posi-                    Ist Ihre Bank mit den makroökonomischen
tiv. Das heisst aber nicht, dass man sich zurücklehnen               Veränderungen vom überge-
soll. Vielmehr erfordern diese (potenziellen) Schwan-                ordneten Raum und deren Ableitung
kungen, dass sich die Banken noch verstärkter als                    auf das Marktgebiet vertraut?
bisher mit überraschenden Abweichungen vom lang-
fristigen Trend auseinanderzusetzen haben.                           Hat Ihre Bank die für ihr Marktgebiet
                                                                     relevanten Teilmärkte identifiziert und ana-
In vereinzelten Regionen und Subsegmenten sind in                    lysiert, so dass sie eine marktgebietsspe-
den letzten Jahren Immobilienpreissteigerungen                       zifische Prognose inklusive
zu beobachten. Diese Abweichungen können einer-                      ihrer Abweichungen vom gesamtschwei-
seits auf Qualitätsverbesserungen (Baumaterialien,                   zerischen Trend vorzunehmen
Energiebeanspruchung) und anderseits auf Anpassun-                   in der Lage ist?
gen an das europäische Niveau von Zentren (Zürich
und Genf/Lausanne im Wettbewerb mit Frankfurt,                       Hat Ihre Bank in ihrer Strategie und
Paris, London usw.) zurückgeführt werden.                            Geschäftspolitik festgelegt, wie sich ihr
                                                                     Hypothekar-Kreditportfolio quantitativ und
Deutliche Abweichungen von der allgemeinen Preis-                    qualitativ mittel- und längerfristig gegen-
niveauentwicklung sind im Immobilienmarkt inflations-,               über dem Markt entwickeln soll?
flächen- und qualitätsbereinigt selten ein dauerhafter
und stabiler Prozess, denn in der wirklich langfristigen
Entwicklung erzeugen Immobilien gemäss internatio-
nalen Studien gegenüber der volkswirtschaftlichen
Preisniveauentwicklung kaum eine signifikant positive
Wertsteigerung.

Die intakten volkswirtschaftlichen Rahmenbedingun-
gen, das steigende Volkseinkommen, die politische
Stabilität, die ausgesprochen hohe Lebensqualität,
die gesunden Staatsfinanzen und die flexiblen Arbeits-
marktverhältnisse mit einem positiven Wanderungs-
saldo von hochqualifizierten Arbeitskräften wirken sich
auf den Immobilienmarkt langfristig nicht nur stabili-
sierend, sondern leicht positiv aus. Dies gilt insbeson-
dere für Arbeits- und Wohnimmobilien in attraktiven
Regionen mit internationaler Ausstrahlung (Genfersee-
raum und Region Zürich, sowie Zug).

                                                                                                                   | 13
These 2:
Makroökonomie dominiert Immobilienmarkt

14 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Ausmass und Volumen des Immobilienmarktes Schweiz

In der Analyse des Immobilienmarktes wird der Nutzenaspekt häufig zu wenig berücksichtigt. Dabei haben
Immobilien nur dann eine Existenzberechtigung, wenn sie genutzt werden! Entsprechend sind verringerte Nut-
zungen sowie Leerstandsquoten genau zu verfolgen. Der gesamte Nutzen, den der Immobilienmarkt erbringt,
ist im Wesentlichen abhängig von der Makroökonomie und deren Entwicklung. Menschen wohnen, arbeiten,
konsumieren und vergnügen sich. Im Zentrum jeder fundierten Analyse stehen deshalb die Nutzer der Immobili-
en, sei dies im Bereich Wohnen, Arbeiten oder auch Freizeit.

    Werden Immobilien genutzt, stiften sie einen Nutzen und haben
damit einen Wert. Werden Immobilien nicht genutzt, sind sie nutzlos und
entsprechend wertlos bzw. haben gar einen negativen Wert.

Im Bereich Wohnen und Büro ist der Nutzer oftmals gleichzeitig der Besitzer (Mieter oder Eigentümer), während
bei Verkaufsflächen oder auch in der Hotellerie der Besitzer der Flächen grösstenteils nicht dem Nutzer ent-
spricht. Gerade beim Wohneigentum vereinigen sich Nutzer, Besitzer und Eigentümer in einer Person bzw. in
einem Haushalt. Dasselbe gilt insbesondere für gewerblich-industrielle Bauten.

Ein weiterer zentraler Bereich ist der Entwicklungsmarkt, wobei zwischen Neu-Entwicklung von Immobilien so-
wie der Neu-Positionierung von Immobilien unterschieden werden muss. Dieser Markt ist aufgrund der direkten
Wirkung auf die Baubranche auch von grosser gesamtwirtschaftlicher bzw. konjunktureller Bedeutung.

Eckwerte des Schweizer Immobilien-Marktes 2009

                                                   (Anzahl bzw. m2 BGF)                            (Mrd. CHF)

                                    Bestand           Netto-              Freihand-   Bestand   Bestandes-          Freihand-
                                                     zugang           transaktionen              änderung       transaktionen

EWG                                  935 000          19 000                37 700      495.6          12.0              20.0
EFH                                  925 000            9 000               26 300      670.6            7.2             19.1
MWG                               2 060 000           11 000               150 000      622.0
Büro (m2 BGF)                   50 000 000           650 000              2 000 000     187.0
              2
Verkauf m BGF)                  32 000 000           420 000                            113.0

MFH mit MWG                          206 500              600                  300      622.0
Bürogebäude                           30 000              200                           187.0

Quellen: BfS, Fahrländer Partner, Wüest&Partner.

                                                                                                                                | 15
In der Schweiz haben wir einen Bestand von 935‘000       Während ein Grossteil der Bauten der öffentlichen
Eigentumswohnungen (EWG) und 925‘000 Einfamili-          Hand nur schon aufgrund gesetzlicher Vorgaben kei-
enhäuser (EFH). Der Nettozugang beträgt in diesen        nen Marktwert aufweist und auch nicht vom Privatsek-
Märkten nicht mehr als 1 bis 2%. Zudem betreffen         tor gehalten werden kann, wird auch der dem Privat-
die Freihandtransaktionen nicht mehr als 3 bis 4% des    sektor offene Teil des Universums von einer langjähri-
Marktbestandes. Dennoch wird aus den Preisen der         gen «buy and hold» Strategie dominiert. Entsprechend
letzten Transaktionen einen (Veräusserungs-)Wert in-     ist die Sichtbarkeit von Transaktionen sehr begrenzt.
klusive Bestand abgeleitet.                              Ausnahmen bilden Neuvermietungen von Nutzflächen
                                                         sowie die Wohneigentumsmärkte, womit rund jeweils
Darüber hinaus umfasst der Schweizer Immobilien-         eine hinreichend grosse Zahl von Freihandtransaktio-
markt drei weitere wesentliche Segmente:                 nen beobachtet werden kann. Diese Objekte weisen
                                                         zudem eine vergleichsweise geringe Komplexität auf,
– Markt für Mietwohnungen (2.06 Mio. Bestand);           so dass mittels statistischer Modelle sehr gute Mög-
– Markt für Büroflächen (mit 50 Mio. m2) und             lichkeiten hinsichtlich Bewertung und Beobachtung
– Markt für Verkaufsflächen (mit 32 Mio. m2).            der Preisdynamik möglich sind.

Der Schweizer Immobilienpark umfasst insgesamt           Demgegenüber ist die Zahl der Transaktionen im Seg-
rund 1.3 Mio. Gebäude mit Wohnungen, wovon ein           ment der deutlich komplexeren MFH, Büro-, Verkaufs-
Grossteil reine Wohngebäude sind. Zu den gut 200‘000     und gemischt genutzte Gebäude sehr gering und liegt
Mehrfamilienhäusern mit Mietwohnungen kommen             einige Hundert Transaktionen pro Jahr in der gesam-
rund 25‘000 durch Private, Firmen und institutionelle    ten Schweiz. Dazu kommt, dass ein Teil der Transaktio-
Investoren gehaltene Bürogebäude sowie Einkaufs-         nen im Rahmen von Portfolioverkäufen erfolgt. Somit
zentren, Industrie-, Lager- und Logistikgebäude. Diese   fällt es schwer, einzelne Marktpreise einwandfrei zu
Immobilien bilden zusammen das Immobilien-Investi-       identifizieren.
tionsuniversum des Privatsektors.

Während EFH sowie kleine MFH primär von privaten         Entwicklungen im Trend und in der zyklischen
Investoren gehalten werden, konzentriert sich die        Betrachtung (sog. «Markttemperatur»)
Nachfrage der institutionellen Anleger auf die rund
42‘000 grösseren Mehrfamilienhäuser, oftmals ab ei-      Der Trend und mögliche zyklischen Anpassungs-
nem Marktwert von CHF 5 bis10 Mio., was deren Anla-      prozesse zeigen schematisch folgende Entwicklung für
ge-Universum deutlich reduziert. Viele institutionelle   die Jahre 2011 bis 2021:
Investoren halten jedoch aus der Vergangenheit her-
aus Immobilien mit einem Volumen von CHF 3 bis 10        Marktwert

Mio. im Bestand. Weiter halten institutionelle Anleger
                                                           Marktwert 2011
einen namhaften Anteil der Büro- und Verkaufsliegen-
schaften. In jüngster Zeit wenden sich Investoren
aufgrund des Anlagedrucks zudem auch Spezialnut-
zungen und Projektentwicklungen zu.

                                                           Ausgewogener Marktwert 2011

                                                         2011     2012    2013     2014     2015   2016   2017   2018   2019   2020   2021

                                                         Heutige «Markttemperatur»
                                                         Erwartung bezüglich Trend-Entwicklungen
                                                         Erwartung bezüglich zyklischer Entwicklung

                                                         Quelle: RESC Fahrländer Partner.

16 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
So wie die Gesamtwirtschaft Zyklen unterliegt, weisen auch einzelne Märkte und insbesondere Immobilien-
märkte Zyklen auf: In gewissen Phasen ist die Nachfrage nach Nutzflächen, aber auch nach Immobilien anhaltend
gross, während in anderen Phasen eine geringe Nachfrage festgestellt werden kann. Sind Marktpreise beobacht-
bar und bestehen Vorstellungen über ausgewogene Marktwerte sowie Trendentwicklungen, können die aktuelle
Markttemperatur sowie die langfristigen und zyklischen Preisentwicklungen modelliert werden. Dabei lohnt es
sich, szenariobasiert vorzugehen.

Wer heute davon ausgeht, dass wir mit dem Marktwert 2011 deutlich über dem langfristigen Trend liegen, der
sollte mit einem zyklischen Korrekturpotenzial rechnen. Das wird allerdings weder in der Stärke nach unten
(blaue Linien als drei Beispiele aus einer Vielzahl von möglichen Entwicklungsverläufen) genau festgelegt wer-
den können, noch in der Zeitdauer der Erholung. Auf lange Sicht wird sich die Markttemperatur dem langfristi-
gen Trend unvermeidlich anpassen. Ein derartiger Anpassungsprozess kann längere Zeit dauern.

Die Nachfrage nach Nutzflächen - Wohneigentum, Mietwohnungen, Büro-, Verkaufsflächen usw. - wird zwar in
einem starken Masse von der «Zahl der Köpfe» (Wohnbevölkerung) getrieben, weitere zentrale Aspekte sind
aber insbesondere regional differenziert zu berücksichtigen: Veränderung der Haushaltsgrössen, Veränderung
der Lebensstile und der generellen Wohnbedürfnisse, Veränderungen der finanziellen Verhältnisse und damit
der Möglichkeiten der Haushalte auf dem Wohnungsmarkt. Diese Veränderungen werden weiter durch die ge-
samtwirtschaftlichen und die Entwicklungen einzelner Branchen beeinflusst. Letztere beeinflussen wiederum in
grossem Masse die Nachfrage nach Geschäftsflächen aller Art.

Saldo 2020 der Zusatznachfrage nach Bauzonen Wohnen in Hektaren

                                                                                                             unter 10
                                                                                                             -10 bis 0
                                                                                                             0 bis 10
                                                                                                             10 bis 20
                                                                                                             über 20

Anmerkung: Ein negativer Saldo bedeutet einen zusätzlichen Einzonungsbedarf, ein positiver Saldo indiziert
einen langfristigen Überschuss an Bauzonen. Nachfrageszenario «Trend», Raumplanungsszenario «wie bisher».
Quelle: Prospektivmodell Fahrländer Partner 2008;
Kartengrundlage BfS Geostat/swisstopo. Vgl. auch Matter et al. (2008).

                                                                                                                         | 17
Zusatznachfrage nach Mietwohnungen 2007 bis 2020                                                          < -20%
                                                                                                          -20% bis -10%
                                                                                                          -10% bis -5%
                                                                                                          -5% bis -1%
                                                                                                            1%
                                                                                                          1% bis 5%
                                                                                                          5% bis 10%
                                                                                                          10% bis 20%
                                                                                                          > 20%

Anmerkung: Nachfrageszenario «Trend», Raumplanungsszenario «wie bisher».
Quelle: Prospektivmodell Fahrländer Partner 2008;
Kartengrundlage BfS Geostat/swisstopo.

Neben der Nachfrage spielt das Angebot - beeinflusst                       Dies führt insgesamt dazu, dass stark nachgefragte
durch die Entwicklungstätigkeit sowie die Raumpla-                         Standorte – typischerweise zentral und an landschaft-
nung - eine zentrale Rolle, insbesondere in den stark                      lich attraktiven Lagen gelegen – im Zeitverlauf deutlich
nachgefragten Regionen. Kann die Nachfrage auf-                            volatilere Miet- und Transaktions-Preisentwicklungen
grund raumplanerischer Vorgaben nicht befriedigt                           verzeichnen als eher substituierbare, weniger zentrale
werden, kommt es zu einer relativen Stärkung der                           Lagen (die Substituierbarkeit betrifft sowohl Arbeits-
Attraktivität der Kerne solcher Regionen sowie zu Ver-                     als auch Wohnstandorte). Im Allgemeinen sind deshalb
drängungseffekten und damit zu einer räumlichen                            die generell teuren, attraktiven – typischerweise zent-
Ausdehnung dieser Regionen.                                                ralen – Lagen konjunkturell volatiler als die günstigen,
                                                                           substituierbaren – typischerweise weniger zentralen –
Während das Nutzflächenangebot an Standorten                               Lagen.
mit begrenzten Bauzonenreserven sowohl kurz- als
auch mittelfristig relativ unelastisch und gegenüber                            Führt die konjunkturell gute Lage
konjunkturellen Einflüssen sehr rigide ist, ist die                        zu einer Ausdehnung der Agglomera-
Nachfrage eher elastisch und erfährt in Abhängigkeit                       tionen, ist zu berücksichtigen, dass diese
der Veränderung der Rahmenbedingungen (z.B.
                                                                           in konjunkturell schwierigeren Zeiten
Einkommen, Zinsen, Migration, Haushaltsgrösse
usw.) deutliche Verschiebungen nach links und nach                         auch wieder schrumpfen können, womit
rechts.                                                                    gerade für Neubauten am Rand solcher
                                                                           Gebiete grosse Ertragsrisiken bestehen.

18 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Volatilität der regionalen Märkte                                Daraus ergeben sich Risiken unterschiedlicher Art:
                                                                 Während davon auszugehen ist, dass die urbanen vo-
In der Synthese können vier Arten von Regionen                   latilen Regionen primär in der zyklischen Betrachtung
identifiziert werden, die wie folgt charakterisiert sind         Risiken aufweisen, die «ausgesessen» werden können,
(vgl. folgende Graphik):                                         weisen periphere Regionen insbesondere auch in der
                                                                 langen Frist sehr grosse Risiken auf, indem die Nach-
Vier Arten von Regionen                                          frage nach Nutzflächen generell rückläufig ist.

                                                                 Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die
                                                                 zyklische Volatilität in den Zentren und an den Top-
                                                                 Lagen hoch ist, in den Agglomerationen bereits deut-
                                                                 lich geringer wird und in der Peripherie gegen Null
                                                                 geht. Gleichzeitig sind es die zyklisch volatilen Märkte
                                                                 der Zentren und Top-Lagen, die den stärksten positi-
                                                                 ven Trend aufweisen, während dieser mit zunehmen-
                                                                 der Distanz zu den Zentren abnimmt und in der
                                                                 Peripherie gar negativ sein kann.

Quelle: Fahrländer Partner.

Aus der Grafik lassen sich folgende Trends ableiten:

Anmerkung                      Entwicklungstrends

Zyklisch volatile Regionen    Diese Standorte stehen in in-
mit real überdurchschnittlich ternationaler Konkurrenz und
positivem langfristigem Trend werden von ökonomischen
                              und regulatorischen Änderun-
                              gen an Konkurrenzstandorten
                              beeinflusst.

Normal-zyklische Regionen      Diese Regionen stehen primär
mit real flachem Trend         in lokaler Konkurrenz und die-
                               nen mitunter auch als «Über-
                               lauf» für die Zentrumsgebiete.

Zyklisch flach verlaufende     Diese Regionen weisen primär
Regionen mit real negativem    einen kleinen Markt für Einhei-
langfristigem Trend            mische auf, wobei Wiederver-
                               käufe oftmals schwierig sind.

Orte mit geringem Bezug zu     Diese Regionen sind insbeson-
realwirtschaftlichen Rahmen-   dere abhängig vom Erfolg
bedingungen                    des Marketings als Tourismus-
                               standort.

                                                                                                                       | 19
Learning Nr. 1: Langfristige Trends und zyklische         Self Assessment
  Entwicklungen sind zu unterscheiden                       Wichtige Merkpunkte für Ihre Bank:

  In der Analyse der Gesamtwirtschaft und auch einzel-      Ja   Nein Kriterien
  ner Märkte ist jeweils zwischen langfristigen Trends
  und zyklischen Entwicklungen, die um den langfristi-                Verwendet Ihre Bank nutzungs- und
  gen Trend schwanken, zu unterscheiden. So können                    objekttypenspezifische Standortratings
  Märkte über eine längere Zeit von diesem Trend ab-                  bei den Betrachtungen über die
  weichen, die Erwartung, dass dies weiterhin so bleibt               Objektrisiken?
  ist aber gefährlich. Letzteres würde einen Struktur-
  bruch - also eine nachhaltige Veränderung des langfris-             Verwendet Ihre Bank in der langfristigen
  tigen Trends - bedeuten und solche Strukturbrüche                   Betrachtung der ökonomischen Nach-
  sind in der Realität extrem selten.                                 haltigkeit von Immobilienwerten zyklische
                                                                      Szenarien?
  Learning Nr. 2: Räumliche und nutzungsbezogene
  langfristige Risiken kennen                                         Erstellt Ihre Bank Analysen auch auf
                                                                      Ebene Immobilien-Teilportfolio (Nutzung,
  Aufgrund regional unterschiedlicher Entwicklungen                   Objekttypen, Subregionen)?
  der Branchenstruktur sowie sozio-demographischer
  Veränderungen (Stichworte: Alterung, sinkende Haus-
  haltsgrössen, Verschiebungen der Anteile unter-, mit-
  tel- und oberschichtiger Nachfragersegmente) stellen
  sich – regional unterschiedlich – bedeutsame Frage-
  stellungen betreffend ökonomischer Nachhaltigkeit
  von Immobilienerträgen bzw. Marktwerten.

  In den grosszentralen Regionen werden praktisch
  allen Nutzungen und Marktsegmenten langfristige
  gute Marktchancen eingeräumt.

  In vielen eher peripheren Regionen, teilweise auch in
  den Agglomerationen weisen folgende vier Immobili-
  entypen erhöhte Risiken auf:

  – Büro- und Gewerbebauten
  – MFH mit grossen Mietwohnungen
  – Reihen-EFH und andere EFH im unteren
    Marktsegment
  – Hochpreisige (Neu)bauten

  Bei der Beurteilung der Werthaltigkeit dieser Objekte
  sollten eingehende Analysen der Makro- und Mikrolage
  auf Stufe Liegenschaft zur Anwendung kommen.
  Derartige Analysen sind wenn immer möglich auch auf
  Ebene Teilportfolio vorzunehmen.

20 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
| 21
These 3:
Hohe Nachfrage trifft auf rigides Angebot

22 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Nutzermärkte                                             Nominale Transaktionspreisindizes für EWG,
                                                         mittleres Segment (Index 1985 = 100)
Gute konjunkturelle Rahmenbedingungen, arbeits-
marktinduzierte und autonome Nettoimmigration,           300

sinkende Haushaltsgrössen, geringe Zinsen und knappe
Bauzonen an zentralen Lagen führen dazu, dass die        250

Nachfrage nach Wohnraum vielerorts seit Jahren
grösser ist als das Angebot. Während die Nachfrage
zyklisch bedingt schnell ändern kann, ist das Angebot    200

aufgrund der Realisierungsdauer von Projekten
kurzfristig rigide.                                      150

Die Folge davon sind in zyklisch nachfragestarken
Perioden steigende Mieten und Wohneigentumspreise        100

                                                                                                                                                                                   Schweiz
verbunden mit sinkenden Leerständen.
                                                                                                                                                                                   Kt. GE
                                                          50                                                                                                                       Kt. AG
                                                                                                                                                                                   Kt. SZ
Wohneigentum                                                                                                                                                                       Kt. ZH
                                                          0

Seit der Immobilienkrise der 1990er Jahre haben die
                                                               85

                                                                    86
                                                                         87

                                                                              88

                                                                                   89

                                                                                        90

                                                                                             91
                                                                                                  92
                                                                                                       93
                                                                                                            94
                                                                                                                 95
                                                                                                                      96
                                                                                                                           97

                                                                                                                                98
                                                                                                                                     99
                                                                                                                                          00

                                                                                                                                               01
                                                                                                                                                    02
                                                                                                                                                         03
                                                                                                                                                              04

                                                                                                                                                                   05
                                                                                                                                                                        06
                                                                                                                                                                             07
                                                                                                                                                                                  08

                                                                                                                                                                                       09

                                                                                                                                                                                            10
                                                           19

                                                                19
                                                                     19

                                                                          19

                                                                               19

                                                                                    19

                                                                                         19
                                                                                              19
                                                                                                   19
                                                                                                        19
                                                                                                             19
                                                                                                                  19
                                                                                                                       19

                                                                                                                            19
                                                                                                                                 19
                                                                                                                                      20

                                                                                                                                           20
                                                                                                                                                20
                                                                                                                                                     20
                                                                                                                                                          20

                                                                                                                                                               20
                                                                                                                                                                    20
                                                                                                                                                                         20
                                                                                                                                                                              20

                                                                                                                                                                                   20

                                                                                                                                                                                        20
Transaktionspreise von Objekten im Wohneigentum          Anmerkung: Jeweils neuwertiges Objekt, keine Berücksichtigung einer Altersentwertung.
seit 1998/1999 teilweise massiv zugelegt. Im Jahr 2005   Quelle: Transaktionspreisindizes Fahrländer Partner.
fanden in der Presse Überhitzungsdiskussionen statt.
Seither sind die Preise - mit Ausnahme einer kurzen      Folgt man Langfristanalysen, wonach die realen
Periode im Jahr 2009 - weiter angestiegen. Ob das        Preissteigerungen nach Abzug einer Altersentwertung/
besorgniserregend ist oder nicht, muss insbesondere      Demodierung von rund 1% p.a. in etwa konstant sein
aus einer längerfristigen Perspektive beantwortet        sollten, und geht man davon aus, dass ca. im Jahr
werden.                                                  2000 «ausgewogene» Preise bezahlt wurden, sind die
                                                         Preisentwicklungen in den volatileren Regionen
In der realen Betrachtung sind die Preissteigerungen     Genfersee (ca. 100% über dem Trend) sowie Zürich/
zwar beachtlich, allerdings nur als Gesamtes. Rechnet    Zug (ca. 40% über dem Trend) nach wie vor gross,
man die allgemeine Teuerung weg, resultiert für den      aber deswegen nicht gleich beunruhigend. Dabei ist
Kanton Genf ein Indexstand von 180 Punkten, d.h. seit    die Lage in der Stadt Zürich sowie den Seegemeinden
1985 ist eine EWG mit konstanter Qualität im Kanton      wiederum ähnlich zur Genfer Situation.
Genf real um rund 80 Prozent teurer geworden.

Geradezu minim verhält sich der Zuwachs im landes-
weiten Mittel - rund 25 Prozent in 26 Jahren: Das ent-
spricht einer realen Wertsteigerung von weniger als
0.9%. Dies liegt sogar deutlich unterhalb des realen
Wachstums der Schweizer Volkswirtschaft seit 1985!

Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten unterschei-
den sich die kantonalen Indizes von Zürich und Genf
beträchtlich. Analysiert man Subindizes des Kantons
Zürich, so liegen die Preisentwicklungen der Stadt Zü-
rich sowie der Gemeinden entlang des Zürichsees im
Bereich der Genfer Entwicklung.

                                                                                                                                                                                            | 23
Während die Preise in den gehobenen Wohneigen-               Mietwohnungen
tumssegmenten - gerade auch in diesen Regionen -
während der Krise 2009 vorübergehend sanken, sind            Die Entwicklungen im Mietwohnungs-Nutzermarkt
seit Herbst 2009 praktisch ungebremst steigende              lassen erwarten, dass die Nachfrage grundsätzlich
Preise zu beobachten. Mancher scheint sich zu sagen:         zwar gross ist, dass aber immer mehr Haushalte auf-
«Job gesichert, billiger wird Geld nicht. Jetzt oder nie».   grund ihrer Budgetrestriktion nicht immer grössere,
                                                             besser ausgestattete MWG mieten können. Dazu
     In der Tat kann ein geringer, lang                      kommt die starke Konkurrenz von Wohneigentum, die
angebundener Fremdkapitalzins dazu                           diejenigen Haushalte anzieht, die über entsprechende
                                                             Vermögen und insbesondere Einkommen verfügen.
führen, dass es günstiger ist, heute zu
einem hohen Preis zu kaufen, als                             Obschon es in Zentren wie Zürich nur sehr wenige In-
später – bei höheren Zinsen – zu einem                       vestoren «fertig bringen», Leerstände zu produzieren,
günstigeren Preis.                                           sind in der Agglomeration heute bereits einige Objek-
                                                             te auf dem Markt, die nicht marktfähig sind, da die
Obschon die Wohneigentumspreise an stark nachge-             benötigten Mieten zu hoch sind und es für Nachfrager
fragten Standorten seit Jahren deutlich über einer           günstiger ist, ein Reihen-EFH gleicher Grösse zu
Trendlage liegen, ist die zyklische Umkehr im aktuellen      kaufen.
Umfeld noch nicht erkennbar. Damit baut sich ein
immer grösseres Korrekturpotenzial auf, sofern man           Vor dem Hintergrund sinkender Haushaltsgrössen,
unterstellt, dass der Immobilienmarkt langfristig keine      der zunehmenden Alterung sowie der anlaufenden
reale Wertentwicklung erfährt.                               Erneuerung der Portfolios der Wohnbaugenossen-
                                                             schaften, ist auch in den Zentren zu erwarten, dass die
                                                             neuen, für die gut verdienenden Haushalte konzipier-
                                                             ten grossen Wohnungen in naher Zukunft sinkende
                                                             Erträge aufweisen könnten.

                                                             Büro- und Verkaufsflächen

                                                             Mit dem wirtschaftlichen Boom der vergangenen Jah-
                                                             re gepaart mit Anlagedruck der Investoren sowie der
                                                             Verfügbarkeit von Brachen ist insbesondere in der
                                                             Region Zürich enorm viel Büroraum geplant und teil-
                                                             weise bereits gebaut worden. Hier und auch in ande-
                                                             ren Regionen zeichnen sich grössere Überkapazitäten
                                                             ab, wobei zu hoffen ist, dass die Situation nicht so
                                                             dramatisch wird wie zu Beginn der 1990er Jahre:
                                                             Ende 1992 bestanden im Büroflächenbereich landes-
                                                             weit Überkapazitäten im Bereich von 3 Mio. m2 BGF.
                                                             Gegenüber 1990 sanken die Angebotsmieten für
                                                             Geschäftsflächen bis 1998/1999 insgesamt um 20 bis
                                                             40 Prozent.

                                                             Im Verkaufsflächenbereich ist die Lage deutlich kom-
                                                             plexer: Die Mikrolage sowie das Objekt sind hier
                                                             absolut zentral: Während vielerorts die zentral gelege-
                                                             nen Innenstädte durch umliegende Einkaufszentren
                                                             konkurrenziert werden, ist es in den Grosszentren
                                                             umgekehrt: Die in der Städteperipherie gelegenen
                                                             Einkaufzentren haben einen eher schweren Stand,

24 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
während die City-Lagen preislich «überborden». Gene-      Zum Einfluss auf die Bewertung von
rell gilt aber auch für den Verkaufsflächenmarkt, dass    Bestandesliegenschaften
sehr viele, mittlerweile gar zu viele Flächen verfügbar
sind und dass weitere grosse Shopping-Malls geplant       Wohneigentum
sind. Entsprechende Korrekturen zeichnen sich ab, da
der Flächenzuwachs schneller erfolgt, als die Zunahme     Die Bewertung von Wohneigentum orientiert sich
der Kaufkraft. Das heisst, dass die Flächenproduktivi-    grundsätzlich am aktuellen Markt. Diese Bewertung
tät ab- und somit der Druck auf die Unternehmen           dient letztlich als Belehnungsgrundlage, wobei die Be-
zunimmt.                                                  lehnung üblicherweise 80 Prozent nicht übersteigen
                                                          darf. Es besteht demnach ein Sicherheitspuffer. Gleich-
                                                          wohl kann dieser Puffer - also das Eigenkapital - voll-
Transaktionsmärkte für Renditeliegenschaften              ständig erodieren und letztlich rein aufgrund der
                                                          Marktentwicklungen zu einer Belehnung von mehr als
An Standorten, an denen ein Mietwohnungsmarkt             100 Prozent führen.
überhaupt existiert, steht dieser – so die Standorte
bzw. Bestandesliegenschaften überhaupt geeignet           Renditeliegenschaften
sind – in massiver Konkurrenz zu EWG. Berechnet man
die Bruttorendite einer vermieteten EWG, liegt diese      Steigende Mieten, sinkende Leerstände sowie sinken-
an den stark nachgefragten Standorten deutlich unter      de Renditeerwartungen zeitigen alle positive Wirkun-
derjenigen, die ein institutioneller Anleger erwarten     gen auf die Marktpreise. Da bei der Bewertung von
würde. Nur gerade am Genfersee, wo auch ein sehr          Bestandesliegenschaften für die Festlegung von Ertrags-
grosser Nachfrageüberhang nach Mietwohnungen              potenzialen vom aktuellen Markt ausgegangen wird,
besteht, folgen die Mieten den EWG-Preisen, so dass       werden steigende Abschlussmieten zumindest teilwei-
bei einer Vermietung von EWG noch Bruttorenditen          se eingepreist. Dasselbe gilt für die sinkenden Leer-
von 4% und mehr resultieren.                              stände und die sinkenden Diskontierungssätze.

Insgesamt ist es heute in den Zentren und inneren
Agglomerationen praktisch nicht möglich, mit einem        Vergleich aktueller Marktwert zu ausgewogenem
Ertragswert die Zahlungsbereitschaft für Wohneigen-       Marktwert («Markttemperatur»)
tum zu erreichen. Können Investoren nicht mit höhe-
ren Erträgen rechnen, sind sie gezwungen, ihre Rendi-
teerwartungen zu senken und damit ihren Kaufpreis zu
erhöhen. Daraus ergibt sich die Frage, ob die Eigen-
tumspreise zu hoch sind oder die Marktwerte von Ren-
diteliegenschaften zu gering.

                                                                       Mehr als 25%
                                                                       20–25%
                                                                       15–20%.

                                                          Quelle: RESC Fahrländer Partner.

                                                                                                              | 25
Entsprechend liegen die Marktpreise zyklisch bedingt       Rationales Verhalten oder Preisblase?
heute in vielen Regionen über dem Trend. Die Markt-
temperatur ist generell hoch. Wichtig ist zu unterschei-   Sind konjunkturelle oder andere fundamentale Fakto-
den zwischen Marktpreisen und Bewertungen.                 ren – wie beispielsweise die Personenfreizügigkeit
                                                           oder die tiefen Zinsen bei gleichzeitiger guter konjunk-
Ob die Bewertungen aufgrund der weit über Trend            tureller Lage – für Preissteigerungen verantwortlich,
liegenden Erträge sowie weit unter Trend liegenden         entsprechen diese nicht der Definition einer Preis-
Leerstände und Diskontierungen nachhaltig sind, ist        blase:
für die Bewertung de jure heute irrelevant, de facto
werden sich Korrekturen dereinst in den Büchern            «If the reason the price is high today is only because
niederschlagen.                                            investors believe that the selling price will be high
                                                           tomorrow – when «fundamental» factors do not seem
Verstärkend kommt hinzu, dass aufgrund der «buy-           to justify such a price – then a bubble exists.» (Stiglitz
and-hold»-Strategie vieler Investoren, die wirklichen      1990). «...despite our suspicions, it was very difficult
Werte durch gezahlte Preise nicht getestet werden          to definitively identify a bubble until after the fact -
können. Es handelt sich also um «Buch-Bewertun-            that is, when its bursting confirmed its existence.»
gen». Wert und Preis können durchaus eine Bandbrei-        (Alan Greenspan 2002).
te von 20% aufweisen – und dies in jeder Markt-
verfassung.                                                Folgt man dieser Definition von Preisblase ist davon
                                                           auszugehen, dass in der Schweiz keine Preisblasen be-
                                                           stehen, denn sowohl bei den Märkten für Wohneigen-
                                                           tum als auch bei den Renditeliegenschaften sind die
                                                           zu beobachtenden Preisanstiege weitestgehend ratio-
                                                           nal erklärbar.

                                                           Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Preisanstiege
                                                           als nachhaltig zu betrachten sind. Auch ohne Preis-
                                                           blase können Preisentwicklungen im Konjunkturver-
                                                           lauf ein negatives Vorzeichen aufweisen und durchaus
                                                           bemerkenswert sein.

26 | Immobilien- und Hypothekarmarkt – Quo vadis?
Sie können auch lesen