Von der Nummer zur Serviceplattform - Kassenärztliche ...
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3. AUSGABE DAS MAGAZIN DER 2019 KASSENÄRZTLICHEN BUNDESVEREINIGUNG TEL APP PC Von der Nummer zur Serviceplattform Neue Angebote für Patienten Versichertenbefragung 2019 Kulturwandel Gesundheit anderswo Hohe Zufriedenheit BÄK-Präsident Dr. Klaus Belgien: Gesundheitssystem mit Ärztinnen und Ärzten Reinhardt im Interview mit Sparvorgaben
Editorial KBV Klartext Das Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Erscheinungsweise: Liebe Leserin, lieber Leser, vierteljährlich Herausgeber: wohin, wenn der Hals kratzt und der Kopf schmerzt, die Praxen Kassenärztliche Bundesvereinigung aber geschlossen sind? Viele wenden sich auch mit Bagateller- Dr. Andreas Gassen (Vorstandsvor- sitzender der KBV, V.i.S.d.P.) krankungen an die nächste Notaufnahme, obwohl es für solche Redaktion: Fälle den ärztlichen Bereitschaftsdienst gibt. Dieser wird nun Alexandra Bodemer (Chefredakteurin), ausgebaut, um die Notfallversorgung effizienter zu gestalten. Birte Christophers, Tabea Breidenbach, Tom Funke, Corina Glorius Was sich hinter der Nummer 116117 alles verbirgt, lesen Sie im Schwerpunktthe- ma (ab Seite 4). Redaktionsbeirat: Dr. Roland Stahl Im Mai wurde Dr. Klaus Reinhardt zum Präsidenten der Bundesärztekammer Redaktionsanschrift: Kassenärztliche Bundesvereinigung gewählt – seit Jahrzehnten ist damit erstmals wieder ein Niedergelassener Chef Redaktion Klartext der deutschen Ärzteschaft. Im Interview spricht er über den Kulturwandel im Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin Tel.: 030 4005-2205 Gesundheitswesen, Ungeduld in der Politik und von welchen Akteuren er mehr Fax: 030 4005-2290 Mut erwartet (ab Seite 12). E-Mail: redaktion@kbv.de www.kbv.de Das Gesundheitswesen entwickelt sich kontinuierlich weiter, gerade im Hinblick Gestaltung: KloseDetering, Hamburg auf die Digitalisierung. Der Gesetzgeber hat der KBV die wichtige Aufgabe übertra- gen, Standards zu definieren, um künftig den Austausch medizinischer Informa- Druck: Druckerei Kohlhammer, Stuttgart tionen zu gewährleisten. Worum genau es sich bei den sogenannten „Medizini- schen Informationsobjekten“ handelt, lesen Sie ab Seite 16. Ein Jubiläum feiert Fotos: Titel: © KloseDetering > S. 2: © Lopata/ das Qualitätszirkel-Konzept der KBV: Seit 15 Jahren begleiten und unterstützen wir axentis.de > S. 3: © Tom Funke/KBV, Alexandra Bodemer/KBV > S. 4: © Photogra- die Zirkelarbeit (mehr dazu ab Seite 18). Die Zufriedenheit mit den Ärztinnen und phee.eu – stock.adobe.com > S. 5: © Birte Ärzten bleibt indes auf einem konstant hohen Niveau, zeigt die jährliche Versi- Christophers/KBV > S. 6: © iStock/simonkr > S. 7: © KloseDetering > S. 8: © Tabea chertenbefragung. Sie gibt eine Orientierung, wie Patienten in Deutschland die Breidenbach/KBV > S. 9: Lopata/axentis.de Versorgung wahrnehmen. Spannend: Die Wartezeiten von gesetzlich und privat > S. 10: Serviceplan Berlin > S. 11: nmann77 – stock.adobe.com > S. 12: © Tom Funke/KBV > Versicherten gleichen sich zunehmend an (mehr ab Seite 21). S. 14: © Bundesärztekammer > S. 15: © alinea design / Felix Faller; © HCQS > S. 16: © iStock.com/Greyfebruary > S. 17: In der Rubrik „Gesundheit anderswo“ werfen wir einen Blick ins Nachbarland © KloseDetering > S. 18: © iStock.com/ Belgien. Im Königreich gibt es ein Grundrecht auf Gesundheit, alle Bürger sind Jirsak > S. 19: © KloseDetering > S. 20: © iStock.com/alvarez > S. 21: © KloseDete- krankenversichert – doch Zuzahlungen sind hier die Regel. Wie genau die Ver- ring > S. 22: © KloseDetering > S. 23: sorgung Belgien aussieht, erfahren Sie ab Seite 24. © EU 2019/EP > S. 24: © iStock.com/Elena- Noeva > S. 25: © KloseDetering > S. 26: © picture alliance / NurPhoto > S. 27: © KBV Ich wünsche Ihnen eine informative und anregende Lektüre. Ihr Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender www.twitter.com/kbv4u KBV Klartext Die App KBV2GO! kostenlos abonnieren www.youtube.com/kbv4u kostenlos downloaden: und downloaden: www.kbv.de/klartext www.kbv.de/kbv2go www.kbv.de/praxisnachrichten 2 KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019
Inhalt Titel Themen Gesundheit anderswo 16 MIOs: Ein Bausatz für die 24 Belgien: Gesundheitssystem 4 Von der Nummer elektronische Patientenakte mit Sparvorgabe zur Serviceplattform: 18 Qualitätszirkel: 15 Jahre Neue Angebote für KBV-Konzept Patienten 21 KBV Versichertenbefragung 2019: Kurz gefasst Wartezeiten nur „gefühltes“ Problem 11 Meldungen aus dem Bund 23 Bericht aus Brüssel: 15 Meldungen aus den Ländern Neues Europaparlament 27 Angeklickt und Aufgeblättert Interview 12 Dr. Klaus Reinhardt: Der neue Präsident der BÄK im Gespräch Präsentation der Ergebnisse der Versichertenbefragung 2019 KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019 3
TITEL Von der Nummer zur Serviceplattform: Neue Angebote für Patienten Wenn Menschen in Deutschland krank, aber die Praxen geschlossen sind, gibt es dennoch Hilfe: Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist seit sieben Jahren unter der Telefonnummer 116117 erreichbar. Derzeit wird die Nummer umfassend ausgebaut, sodass sie bald noch viel mehr können wird. 4 KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019
TITEL D ie kostenfreie Telefonnummer 116117 gibt es seit März 2012. Damals hatten die die Kassen- ärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Kassenärztlichen Vereinigungen beiden Notfall-Diensten sicherstellt. Damit können Anrufer, die in lebensbedrohlichen Fällen sofortige Hilfe benötigen, direkt an die 112 weitergeleitet werden. Damit der Betrieb rund um die Uhr gewährleistet ist, möglicht dem medizinisch geschulten Personal, die Beschwerden der Patienten und den Ernst der Lage einzuschätzen: Unterschieden wird in die Kategorien „lebensbedrohlicher Notfall“, „schnellst- (KVen) die Nummer für den ärztlichen stocken die KVen ihre Callcenter perso- mögliche ärztliche Behandlung“, „ärztli- Bereitschaftsdienst außerhalb der Praxis- nell auf: Bundesweit sollen es insgesamt che Behandlung binnen 24 Stunden“ und öffnungszeiten eingeführt. Davor gab 1.200 Vermittler werden. Das bereits jetzt „ärztliche Behandlung später“. Je nach es knapp 1.000 verschiedene regionale medizinisch qualifizierte Personal in den Einordnung werden die Patienten in die Rufnummern für den Dienst. Über die Zentralen erhält außerdem zusätzliche richtige Versorgungsebene vermittelt: 116117 werden Hilfesuchende in ganz Schulungen. Denn um beurteilen zu kön- Rettungsdienst (112), Notaufnahme, ärztli- Deutschland direkt an die für sie zustän- nen, ob ein Anrufer doch ein Fall für den cher Bereitschaftsdienst oder Arztpraxis. dige Bereitschaftsdienstpraxis, einen Rettungsdienst ist, erfolgt in den Call- Das Prinzip: Wendet sich ein Patient Bereitschaftsarzt oder den fahrenden centern der 116117 ab Januar eine medizi- mit Beschwerden an die 116117, leitet die Dienst der KV vermittelt. Bislang fand die nische Ersteinschätzung per Telefon. Dazu Mitarbeiterin im Callcenter ihn mithilfe Vermittlung zu den sprechstundenfreien nutzen die Mitarbeitenden in den Call- der Software durch einen strukturierten Zeiten statt, ab Januar 2020 wird die Num- centern ein standardisiertes Verfahren. Fragenkatalog. Dabei erkundigt sie sich mer 116117 rund um die Uhr an 365 Tagen neben den allgemeinen Patientendaten im Jahr erreichbar sein. 2018 haben rund und den aktuellen Beschwerden auch sieben Millionen Menschen die Nummer nach chronische Krankheiten, Vorerkran- gewählt, manchmal gehen bis zu 6.000 kungen und Medikation. Das Ergebnis Anrufe pro Stunde ein. Um die Nummer SmED hilft bei stellt keine Diagnose dar, sondern gibt bundesweit noch bekannter zu machen, Ersteinschätzung lediglich eine erste Einschätzung der haben KBV und KVen am 30. August eine Dringlichkeit des Falles (eine sogenannte große Kampagne gestartet (siehe dazu Für die telefonische Ersteinschätzung Triage). So kann SmED eine Empfehlung Seite 10). „Das Angebot ist bereits toll, kommt die Software SmED (Strukturier- geben, wann der Patient zum Arzt muss nun kommen weitere Funktionen und te medizinische Ersteinschätzung in beziehungsweise welche Versorgungs- Services hinzu“, sagt Dr. Andreas Gassen, Deutschland) zum Einsatz. Diese er- ebene die richtige ist. > Vorstandsvorsitzender der KBV. Was ändert sich? Die 116117 wird aufgewertet und bringt ne- ben Änderungen für Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psycho- therapeuten auch neue Service-Leistungen für Patienten mit. Diese hängen insbeson- dere mit der Telefonnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes zusammen. Bisher half die 116117 Anrufern, die au- ßerhalb der Praxisöffnungszeiten gesund- heitliche Beschwerden hatten und eine Behandlung benötigten, aber kein Fall für den Rettungsdienst waren. Nun soll eine Schnittstelle zum Notruf eingerichtet werden, die eine Verbindung zwischen den In Callcentern, wie hier in der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, hilft medizinisch geschultes Personal den Anrufenden weiter. Neben Auskunft und Vermittlung zur richtigen Versorgungsebene können ab kommendem Jahr über die 116117 auch Termine vereinbart werden. KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019 5
TITEL SmED basiert auf einem in der Schweiz er- meister, stellvertretender KBV-Vorstands- haben, mit der Wurzel wieder ausgerissen probten Ersteinschätzungsverfahren und vorsitzender. würde. Deshalb sehen wir auch die Pläne wurde für Deutschland adaptiert. Bei den von Minister Spahn kritisch, die Notfall- Eidgenossen ist die Ersteinschätzungssoft- versorgung als eigenen Sektor zu orga- ware seit Jahren etabliert: SMASS (Swiss nisieren“, so der KBV-Chef (siehe „Drei Medical Assessment System) geht auf ein Fragen an …“ auf Seite 9). Projekt des Instituts für Hausarztmedizin Mehr Kooperation und der Universität Bern zurück. Durch die bessere Steuerung Mit dem Ausbau der 116117 geht auch die Software werden Sicherheit und Qualität Hoffnung einher, die Notaufnahmen in gewährleistet. In Deutschland wurde Die Software zur Ersteinschätzung soll den Krankenhäusern zu entlasten. Eine SmED bereits von einigen KVen getestet. überall dort eingesetzt werden, wo Patien- Trendwende scheint eingeleitet: Die Zahl ten nach Hilfe suchen: unter der Num- der durch Niedergelassene ambulant ver- „Die KVen nutzen konkrete Maßnahmen mer 116117, aber perspektivisch auch in sorgten Notfälle steigt laut einer Erhebung und Instrumente, um die Versorgung im Integrierten Notfallzentren in geeigneten des „Zentralinstituts für die kassenärzt- Akutfall zielgerichtet und passgenau si- Krankenhäusern. liche Versorgung in Deutschland“ seit cherzustellen. SmED wird dabei ein zent- mehreren Jahren an, während die Zahl der raler Baustein. Das erprobte und wissen- „Das vom Gesetzgeber intendierte und von an Krankenhäusern behandelten Notfälle schaftlich fundierte Verfahren ermöglicht uns unterstützte Ziel ist, Prozesse schlank, sinkt. „Durch die Verknüpfung von Ret- eine sichere Empfehlung, wer tatsächlich patientengerecht und anwenderfreundlich tungsdienst und ärztlichem Bereitschafts- die Notaufnahme eines Krankenhauses zu gestalten“, äußert sich Gassen. „Wir sind dienst werden die Patienten in die für sie aufsuchen muss. Zudem unterstützen uns unserer Verantwortung in diesem Pro- passende Versorgungsebene gesteuert, wir das Prinzip von Integrierten Notfall- zess bewusst, deswegen unterstützen wir bevor sie sich selbst auf den Weg in die zentren an geeigneten Krankenhäusern, die Ausgestaltung künftiger Versorgungs- Notaufnahme machen. Insofern gehen wir welches auch der Sachverständigenrat strukturen nach Kräften. Allerdings muss davon aus, dass die Zahl der unnötig in den in seinem letzten Gutachten dringend man uns machen lassen. Es wäre fatal, Notaufnahmen der Kliniken erscheinenden empfohlen hat“, erklärt Dr. Stephan Hof- wenn alles, was die KVen aufgebaut Patienten weiter sinkt“, erklärt Hofmeister. > DER SERVICE HINTER DER 116117 Teilnahme Hilfe Ärztlicher Termine buchen > Telefon Arzt Termine melden Terminservicestelle > Website Patient (TSS) > App KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019 7
TITEL rapeuten hinzu. Seit Mai 2019 vermitteln zu digitalisieren. Die Mitarbeitenden die TSS auch Termine bei Haus- sowie der TSS erhalten Einsicht in die gemel- Neue Möglichkeiten der Kinder- und Jugendärzten und helfen deten Termine, um diese an Patienten Terminvereinbarung Versicherten dabei, dauerhaft einen Haus- zu vermitteln. „Die Digitalisierung im oder Kinderarzt zu finden. Gesundheitswesen erstreckt sich nicht Eine weitere Neuerung im Zuge des nur auf die elektronische Patientenakte. Ausbaus der 116117 ist die Verzahnung der Es gibt noch eine weitere Neuerung bei Wir arbeiten an allen Seiten daran, eine Nummer mit den Terminservicestellen Terminen und der Terminvergabe, von sinnvolle Digitalisierung der Prozesse zu (TSS): Ab 1. Januar 2020 sind die TSS der der sowohl Ärzte als auch Patienten gestalten“, so KBV-Vorstandsmitglied Dr. KVen bundesweit ebenfalls über die 116117 profitieren. Das Vermittlungstool eTer- Thomas Kriedel. „Wichtig dabei ist, dass erreichbar. Die KVen hatten die TSS be- minservice (eTS) soll die Terminvereinba- kein Mehraufwand für Ärzte entsteht. reits vor mehr als drei Jahren eingerichtet. rung vereinfachen – für alle Beteiligten. Dieser Anforderung entspricht der eTS: Er Das Angebot war primär dafür gedacht, So läuft es ab: Mittels der von der KV ist leicht zu bedienen und kann den or- freie Termine an Patienten zu vermitteln, Telematik entwickelten Software eTS ganisatorischen Aufwand in den Praxen die eine Überweisung haben, aber keinen können Praxen freie Termine direkt vom reduzieren“, so Kriedel weiter. Arzt finden. Dabei ging es zunächst nur Praxis-PC an die TSS der jeweiligen KV um Termine bei Fachärzten, im April 2017 melden. Der eTS trägt somit auch dazu Auch Patienten können den Service kamen Akutbehandlungen bei Psychothe- dabei, Abläufe in der Praxisorganisation nutzen: Um Termine zu suchen bezie- hungsweise zu buchen, können sie ab dem kommenden Jahr zusätzlich zur Telefonnummer 116117 auch den eTS nutzen – über die 116117.App oder über die Website www.116117.de. Die Website hat im Rahmen der Kampagne für die Bereitschaftsdienstnummer ebenfalls einen neuen Look erhalten: Mit dem ersten „Klick“ wird die Suchmaske für die nächste Bereitschaftsdienstpraxis zur Verfügung gestellt. Neben einer allgemei- nen Arzt-Suche wird es außerdem möglich sein, Praxen nach fachlichen, zeitlichen und örtlichen Kriterien zu filtern und einen Termin bei der Praxis der Wahl zu buchen. Auch die 116117-Smartphone-App, die für Android und iOS bereitgestellt wird, hilft schnell und übersichtlich: Brau- che ich „sofort“ Hilfe, oder „heute“, oder „bald“ einen Termin bei einer Ärztin oder einem Arzt? Sowohl App als auch Website verlinken außerdem zu anderen Not- und Hilfsdiensten, etwa dem zahnärztlichen Bereitschaftsdienst oder der Notapothe- ken-Suche. „Wir gestalten eine Plattform, die alle Services bündelt“, fasst Kriedel zusammen. Mit den neuen Funktionen der 116117, der Verknüpfung mit den TSS und der Ein- richtung einer Schnittstelle zur 112 gebe es die Chance, in einem ersten Bereich eine medizinisch sachgerechte Patientensteue- rung zu etablieren, sagt KBV-Chef Gassen. 8 KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019
TITEL „Dieser Schritt hin zu einem ‚Versorgungs- portal‘ des ambulanten Bereiches hinter Im Video äußerst sich Dr. Stephan der 116117 ist eine riesige Herausforderung. Hofmeister über die künftige Wir nutzen die gesamte Bandbreite tech- zentrale Rolle der 116117: nischer Möglichkeiten, damit die knappe www.kbv.de/html/35964.php Ressource Arzt und Therapeut dort zum Einsatz kommt, wo sie wirklich gebraucht Die Funktionsweise des eTermin- wird“, so Gassen. service für Ärzte erläutert ein Erklärvideo unter: www.kbv.de/html/terminservicestellen. Birte Christophers, Tabea Breidenbach, php#content40777 Alexandra Bodemer DREI FRAGEN AN ... DR. ANDREAS GASSEN, VORSTANDSVORSITZENDER DER KASSENÄRZTLICHEN BUNDESVEREINIGUNG (KBV) stundenfreien Zeiten, also nach 18 Uhr die KVen haben nun einmal den Sicher- und am Wochenende, zu entziehen und stellungsauftrag und den nehmen wir sehr auf die Länder zu übertragen. Was sagen ernst. Hinzu kommt: Viele Landesminister Sie dazu? wollen sich diesen Klotz gar nicht ans Bein binden. Das wäre ein Eingriff, dessen Folgen Das Bundesgesundheitsministerium unberechenbar sind. Wäre ich Herr Spahn, Die Notfallversorgung könnte als eigen- arbeitet an einer Reform der Notfallver- würde ich mir sehr gut überlegen, ein ständiger Sektor neben ambulant und sorgung. Was sagen Sie zu den Plänen? seit Jahrzehnten gewachsenes System stationär etabliert werden … im Handstreich von rechts auf links zu Bislang handelt es sich ja nur um ein drehen. Das Problem ist ja nicht, dass Wir brauchen keinen dritten Sektor. Das Diskussionspapier, es gibt noch keinen der ärztliche Bereitschaftsdienst nicht würde das Ziel, die Zusammenarbeit bes- Gesetzentwurf. Das Vorhaben, die Zu- funktioniert. Das Problem ist, dass die ser zu verzahnen, sogar konterkarieren, sammenarbeit zwischen ambulantem und Leute ihn zu wenig kennen beziehungswei- indem neue Schnittstellen geschaffen wür- stationärem Sektor bei der Notfallversor- se trotzdem in die Notaufnahmen rennen. den. Eine eigene Finanzierung brauchen gung zu stärken, ist vollkommen richtig. Wir tun gerade alles dafür, das zu ändern, wir hingegen schon. Das gilt insbesondere Die Notfallambulanzen der Krankenhäuser indem wir den Service hinter der Bereit- für strukturschwache Regionen, weil dort sind überlastet, nur eine Minderheit der schaftsdienstnummer 116117 deutlich einfach zu wenige Patienten sind, um die Patienten sind echte Notfälle. Das ist ausbauen und die Nummer mit einer Kam- neuen Strukturen darüber zu finanzieren. ein Problem, an dessen Lösung wir als pagne bewerben – welche übrigens die Das fällt unter die Überschrift „Daseins- KV-System längst arbeiten. Im Übrigen niedergelassenen Ärzte und Psychothe- vorsorge“, welche über Systemzuschläge, gemeinsam mit den ärztlichen Kolleginnen rapeuten selbst bezahlen. Dabei verrate Steuern oder ähnliches zu bezuschussen und Kollegen an den Kliniken. ich kein Geheimnis, wenn ich sage, dass ist. Das kann nicht auf Kosten der nieder- viele von denen gar nicht traurig wären, gelassenen Ärzte gehen. Der Entwurf sieht vor, den KVen den wenn sie keine Dienste mehr nachts und Sicherstellungsauftrag für die sprech- am Wochenende schieben müssten. Aber KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019 9
TITEL Einprägsam: "Elf6 Elf7" Um die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes deutschlandweit noch bekannter zu machen, läuft seit Ende August eine Kampagne mit zwei Elfen, die für die 116117 werben. Etwa jeder fünfte Bürger in Deutschland Charaktere geschaffen, die dabei helfen kennt die korrekte Nummer des ärztli- sollen, die 116117 bekannter und „merk- chen Bereitschaftsdienstes. Das zeigt die bar“ zu machen. Auf humorvolle Weise aktuelle Versichertenbefragung der KBV. und mit einem Augenzwinkern erklären „Das ist bereits eine Steigerung um zehn die Elfen unter anderem, wie der ärztli- Prozent gegenüber dem Jahr 2017“, erklärt che Bereitschaftsdienst hinter der 116117 Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzen- funktioniert der der KBV. „Das ist schon nicht schlecht, aber noch ausbaufähig. Und dafür tun Die beiden Elfen, die durch ihre Kostümie- wir etwas!“ Am 30. August haben die KBV rung und ihr Auftreten für einen Blickfang und die Kassenärztlichen Vereinigungen sorgen, und die daran angelehnte Sprech- (KVen) eine große Kampagne gestartet. weise „elf6 elf7“ wird die Telefonnum- Auf einer Pressekonferenz stellte der mer in den Köpfen der Menschen haften KBV-Vorstand die Kampagne vor – und bleiben. Die beiden Elfen-Darstellerinnen ihre beiden Hauptfiguren, die beiden Elfen werden deutschlandweit auf Veranstaltun- „Elf6“ und „Elf7“, die der Telefonnummer gen für die Nummer werben. eine eigene Optik verleihen. Monika Wojtyllo (links) und Melanie Stahlkopf, die beiden Elfen der 116117-Kampagne. Überall präsent Plakaten in den Regionen. So wird die Sympathisch kurios Nummer mit den beiden Elfen in ganz Von September bis Anfang Oktober läuft Deutschland präsent sein. Außerdem Konzept und Inhalt der Kampagne hat die der eigens produzierte TV-Spot über die laufen exklusive Kampagnen-Videos auf Agentur Serviceplan gemeinsam mit der Fernsehbildschirme, flankiert von Wer- YouTube, Facebook und Twitter, ergänzt KBV erarbeitet. Mit den Elfen wurden zwei bung im Internet und auf großflächigen um Online-Werbung und weitere Social- Media-Formate. Die Website www.116117. de erstrahlt ebenfalls im neuen Kampa- gnenlook. Auch werden in den Arztpra- xen selbst Info- und Werbematerialien ausliegen. 2019 konzentriert sich die Kampagne zunächst darauf, die Bekanntheit der bun- desweiten Nummer 116117 zu steigern. „Es werden noch keine Dienste oder Angebote beworben, die im Rahmen des Terminser- vice- und Versorgungsgesetzes kommen sollen – also auch nicht die Terminver- mittlung durch die Terminservicestellen“, erklärt Dr. Stephan Hofmeister, stellver- tretender Vorstandsvorsitzender der KBV. Das passiert erst ab 2020, wenn die 116117 zu einer umfassenden Serviceplattform ausgebaut wird. Birte Christophers 10 KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019
MELDUNGEN AUS DEM BUND Honorar steigt 2020 Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband haben sich auf eine Anhebung des Orientierungswertes geeinigt, auf dessen Grundlage die Preise für alle vertragsärztlichen und -psychothera- peutischen Leistungen berechnet werden. Dieser steigt Ärztinnen und Ärzte verordnen zum 1. Januar 2020 um 1,52 Prozent. Das entspricht einem Volumen von 565 Millionen Euro. Dazu erklärte weniger Antibiotika KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen: „Es ist gut, dass wir eine Einigung mit unserem Vertragspartner Wie Zahlen des Zentralinstituts für die kassenärztli- erzielen konnten, zumal die Forderungen anfangs weit che Versorgung in Deutschland (Zi) zeigen, haben die auseinanderlagen. Die gemeinsame Selbstverwaltung ambulanten Verordnungen von systemischen Antibiotika hat ihre Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt.“ Ne- in den vergangenen Jahren stark abgenommen. Der ben der Erhöhung des Orientierungswertes gibt es auch Rückgang beträgt insgesamt 21 Prozent: 2010 gab es Verbesserungen im Bereich Humangenetik. Dort werden unter den GKV-Versicherten noch 562 Verordnungen pro „ärztliche Beurteilungs- und Beratungsleistungen“ 1.000 Versicherte, 2018 waren es laut Zi nur noch 446. ab dem kommenden Jahr, zunächst befristet auf drei Am stärksten war der Rückgang in der Altersgruppe der Jahre, extrabudgetär vergütet. Zudem haben sich KBV 0- bis 14-Jährigen, was auf einen Wandel der pädiatri- und GKV-Spitzenverband auf finanzielle Anreize für die schen Versorgung hinweist. Der übermäßige Einsatz und Videosprechstunde geeinigt. Ärztinnen und Ärzte, die Vi- die falsche Einnahme von Antibiotika fördern die Gefahr deosprechstunden anbieten, können bis zu 500 Euro pro von Resistenzen. Mehrere Kampagnen und Projekte ha- Arztpraxis und Quartal erhalten. Diese Fördermöglichkeit ben daher seit Jahren für einen sachgemäßen Gebrauch gilt für zwei Jahre. (fun) geworben, darunter auch das von der KBV unterstützte Projekt RESIST („Resistenzvermeidung durch adäquaten Antibiotikaeinsatz bei akuten Atemwegsinfektionen“). (tab) Einigung bei TI-Finanzierungs- vereinbarung Die Pauschale für den Konnektor zum Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) wird in diesem Jahr nicht mehr abgesenkt. Darauf haben sich KBV und GKV-Spit- zenverband geeinigt. Damit erhalten Ärzte und Psycho- GSAV in Kraft therapeuten weiterhin 1.547 Euro für den Konnektor erstattet. Erst ab 1. Januar 2020 erfolgt eine Absenkung Das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelver- auf 1.014 Euro. Die KBV konnte ferner erreichen, dass der sorgung (GSAV) ist am 16. August 2019 in Kraft getreten. Erstattungsbetrag für stationäre Kartenterminals ab 1. Qualität und die Sicherheit der Arzneimittelversorgung Oktober 2019 angehoben wird. Die Krankenkassen zah- sollen verbessert werden, unter anderem durch eine len zukünftig 535 Euro für ein Gerät, 100 Euro mehr als bessere Zusammenarbeit von Bundes- und Länderbe- bisher. KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel lobte hörden sowie einer stärkeren Kontrolle von Apotheken die Einigung: „Damit haben alle Praxen, die die nötige sowie Herstellerbetrieben. Mit dem Gesetz erhalten die Technik bereits bestellt haben, die Sicherheit, dass sie zuständigen Bundesoberbehörden außerdem erweiterte die bisher gültigen Pauschalen erhalten.“ Kriedel geht Rückrufkompetenzen und zusätzliche Befugnisse. Zudem zudem davon aus, dass bis Jahresende alle Praxen an die werden Informationen über die Hersteller in Zukunft TI angeschlossen sind. (fun) öffentlich zur Verfügung gestellt. Kassen müssen künftig beim Abschluss von Rabattverträgen die Vielfalt der Anbieter berücksichtigen – dies soll Lieferengpässen ent- gegenwirken. Außerdem enthält das GSAV einen Fahrplan zur Einführung des elektronischen Rezepts. (tab) KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019 11
INTERVIEW „Dann haben wir ein echtes Politikproblem“ Dr. Klaus Reinhardt ist seit Mai Präsident der Bundesärztekammer. Im Klartext-Interview spricht er über den Kulturwandel im Gesundheitswesen, Ungeduld in der Politik und von welchen Akteuren er mehr Mut erwartet. Herr Dr. Reinhardt, mit Ihrer Wahl zum den der Babyboomer-Generation aus dem Ärztinnen und Ärzte behandeln die BÄK-Präsidenten haben Sie in turbulen- Berufsleben, auch bei Ärztinnen und Patienten, ihnen vertrauen sich kranke ten Zeiten eine wichtige Position in der Ärzten. Damit müssen wir fertig werden in Menschen an. Und ich glaube, dass die deutschen Ärzteschaft übernommen. einer Versorgungsstruktur, die gleichzeitig Bewahrung dieses persönlichen Patienten- Was sehen Sie als Ihre größten Heraus- komplizierter und anspruchsvoller wird – Arzt-Verhältnisses eine der wesentlichen forderungen an? allein durch die Alterung der Gesellschaft Herausforderungen darstellt. und die damit verbundene steigende Wir stehen in den nächsten Jahren vor Morbiditätslast. Für mich ist dabei wichtig, Sie haben bei einer Ihrer ersten Reden vielen Veränderungen, über die wir zwar dass wir nicht nur sicherstellen, dass gesagt, der „Kulturwandel im Gesund- schon lange sprechen, die aber jetzt Versorgung „irgendwie“ stattfindet, und heitswesen“ sei in vollem Gange. Was Realität werden. Dazu zählt das Ausschei- dass Kranke auf „irgendjemanden“ treffen. meinen Sie damit? 12 KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019
„Die Kostenträger sollten nicht nur Beiträge verwalten, sondern an Lösungen mitarbeiten.“ Damit meine ich, dass wir einen schlei- Hol- und Bringdienste einrichten. Da muss richten, gar keine Frage. Aber die Tatsa- chenden Verlust des Persönlichen im man einfach mal ein bisschen Fantasie che, dass wir als Freier Beruf in Deutsch- Gesundheitswesen erleben. Gleichzeitig entwickeln. land seit etwa hundert Jahren ein System forciert das Hineindrängen von interna- der Selbstverwaltung haben, ist Teil einer tionalem Anlagekapital in den deutschen Die Patienten haben Anspruch auf eine gesellschaftlichen Vereinbarung. Nämlich Gesundheitsmarkt die Kommerzialisie- qualifizierte, fürsorgliche und angemes- der, dass sich diese Berufe in besonderer rung der Medizin. Dadurch verändern sene Versorgung. Das ist wesentlich für Weise dem Gemeinwohl verpflichtet füh- sich die Versorgungsstrukturen, dadurch unser Gesundheitswesen. Es gibt aber len. Der bewährte, strukturierte Interes- verändern sich die Bedingungen ärztli- auch eine überzogene Anspruchshaltung, senausgleich zwischen den Beteiligten cher Arbeit. Das stellt aus meiner Sicht die ich kritisiere. Zum Beispiel, wenn Pa- braucht Zeit und Geduld. Das einem einen gravierenden Kulturwandel dar. tienten in nicht dringlichen Fällen auf so- letztere auch mal ausgehen kann, dafür Auch die Digitalisierung trägt zu die- fortige ärztliche Hilfe bestehen. Die Folgen habe ich Verständnis. Ich glaube trotzdem, sem Kulturwandel bei. Wobei meiner können wir in unseren völlig überlasteten dass das Prinzip der Selbstverwaltung Auffassung nach weniger die Telematik Notaufnahmen beobachten. Die Politik tut richtig ist. Es ist ein wesentlicher Baustein und Gesundheitsapps das Revolutionäre sich sehr schwer damit, diesen Ansprü- dafür, dass die sozialen Sicherungssyste- sind. Das Revolutionäre ist die Künstliche chen zu begegnen, auch einschränkend zu me in Deutschland so gut funktionieren. Intelligenz. Sie kann aus riesigen Daten- begegnen. Die Ärzteschaft aber sollte hier Ich kenne kein Land der Welt, in dem man mengen behandlungsrelevante Erkennt- sehr klar in ihrer Haltung sein. unabhängig von Einkommen und Vermö- nisse ableiten. Ich glaube nicht, dass der gen so niedrigschwellig und so gleich- Arzt dadurch überflüssig wird. Aber ich Stichwort Notfallversorgung: Wie stehen mäßig ärztliche Versorgung erhält, wie habe die Sorge, dass die Informationsflut Sie zu den aktuellen Reformvorschlägen? in Deutschland. Die Selbstverwaltung ist die Patienten überfordert und dass sie dafür in hohem Maße mitverantwortlich. nicht ausreichend menschlich-kommuni- Der Grundgedanke einer Integration der Wenn der Staat diesen Konsens aufkün- kativ begleitet wird. ambulanten und stationären Notfall- digen will, ist das kein gutes Ansinnen versorgung ist gut. Es ist auch sinnvoll, – erst recht nicht für die Patientinnen und Der zweite Aspekt der Digitalisierung ist in ausgewählten und dafür geeigneten Patienten. Und wenn man ungeduldig das Thema Big Data. Ich glaube, dass wir Kliniken integrierte Notfallzentren zu ist, sollte man versuchen, die Abläufe in den nächsten Jahren vor einem erheb- organisieren. Wir wissen, dass in den gemeinsam mit der Selbstverwaltung zu lichen Wissensschub und einem Zuwachs Kliniken jede Menge Fälle landen, die beschleunigen. an Möglichkeiten in der Medizin stehen. in einer Vertragsarztpraxis gut versorgt Das stellt uns wiederum vor Herausfor- werden könnten. Das zu sortieren, ist ab- Die BÄK galt bislang vor allem als derungen, beispielsweise in Fragen der solut richtig. Ein großes Problem stellt für Ansprechpartnerin für ethische Themen, Bezahlbarkeit und der Priorisierung – mich der aktuell diskutierte Übergang des etwa Organspende oder Sterbehilfe. eine Debatte, die mein Vor-Vorgänger Sicherstellungsauftrags in den sprechstun- Welche Rolle möchten Sie ihr künftig in Jörg-Dietrich Hoppe vor vielen Jahren denfreien Zeiten, also von abends 18 Uhr der Öffentlichkeit geben? schon einmal angestoßen hat. Da geht es bis morgens acht Uhr, auf die Länder dar. dann insbesondere um ethische Fragen Ich glaube, das führt zu einem erheblichen Die Bundesärztekammer ist die Organi- und Probleme der Verteilungsgerechtig- Organisationschaos, weil jedes Bundes- sation, die als einzige alle Ärzte vertritt. keit. Das sind Themen, mit denen wir uns land das anders handhaben wird. Einige Insofern gibt es kein ärztliches Thema, befassen müssen und die sehr anspruchs- würden den Auftrag an die Kassenärzt- was nicht von ihr besetzt werden kann voll sind. lichen Vereinigungen (KVen) zurückge- und sollte. Ich glaube, dass die BÄK sich ben, andere würden es selbst machen tatsächlich auch zu Versorgungsthemen Ärztliche Arbeitszeit nimmt ab, die wollen. Die KVen haben in den letzten häufiger äußern sollte und muss. Dass wir Versorgung auf dem Land ist ein Thema, Jahren erhebliche Umbauten der Notfall- das in Abstimmung mit der KBV und den gleichzeitig wächst die Erwartungs- Organisation vorgenommen, wobei wir KVen tun, ist für mich selbstverständ- haltung der Patienten, befeuert auch als Vertragsärzte einiges investiert haben. lich. Die KVen haben den gesetzlichen durch die Politik. Auf welchem Weg Es wäre gut, wenn der Verordnungsgeber Auftrag, die Sicherstellung zu organisie- sehen Sie die Gesundheitsversorgung sich da noch einmal besinnen würde und ren und die Verträge mit der gesetzlichen in Deutschland? den Sicherstellungsauftrag bei den KVen Krankenversicherung zu gestalten. Das beließe. tun sie sehr erfolgreich. Insofern gibt es Die Strukturen der Versorgung werden da kein Kompetenzgerangel. Aber diese sich noch stärker als bisher hin zu ko- Wie beurteilen Sie das Kräfteverhältnis Themen muss man unter Umständen operativen Formen entwickeln, speziell zwischen Politik und Selbstverwaltung? auch medizinisch-ethisch begleiten in ländlichen Regionen. Dort werden und unterfüttern. Wir sollten einander Patienten künftig größere Entfernungen Zurzeit lässt die Politik an vielen Stellen unterstützen und uns eng abstimmen. überwinden müssen. Die Kommunen die Muskeln spielen. Natürlich hat die Ich glaube, das würde das politische Ge- können das abfedern, etwa indem sie Selbstverwaltung sich nach Gesetzen zu wicht der Ärzteschaft spürbar erhöhen. > KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019 13
Welche Wünsche haben Sie an die Player Die Kassen sollten also nicht nur auf die absehbarer Zeit dahin kommen, dass noch im Gesundheitswesen im Allgemeinen Zahlen schauen? mehr Ärztinnen und Ärzten fachgruppen- und die KBV im Besonderen? übergreifend in gemeinsam organisierten So ist es. Sie sollten neue Strukturen Versorgungseinrichtungen arbeiten, an Das Wesentliche ist, zunächst miteinander fördern und auch mal zulassen, dass diese die idealerweise Pflege und andere soziale zu reden, bevor man in die Öffentlichkeit sich über drei oder vier Jahre entwickeln Dienste angebunden sind. Das sollten geht. Das hat sich in der Vergangenheit und vielleicht sogar vorübergehend mehr dann aber keine staatlichen Einrichtungen bewährt, das wollen wir weiter pflegen Geld verbrauchen – mit dem Ziel, dass sie sein, sondern solche, die wirtschaftlich und intensivieren. Die KBV ist unser in der Zukunft eine stärker rationale und selbstständig von Ärzten getragen und genuiner Partner. Ich wünsche mir, dass auch integrierte Form von Versorgung organisiert werden. Eine solche Ein- sich auch die Kostenträger viel stärker ermöglichen. Man kommt in der Entwick- richtung sieht in Berlin-Friedrichshain als heute an der Fortentwicklung unseres lung von Strukturen nur voran, wenn man wahrscheinlich anders aus als im Weser- Gesundheitswesens beteiligen. Sie haben bereit ist, diese auch zu finanzieren. Das bergland. Ich glaube auch, dass wir in natürlich eine andere Rolle als die BÄK meine ich nicht so, wie es uns Ärzten von einen stärkeren Dialog mit den Kommunen oder die KBV. Aber diese Rolle kann sich den Kostenträgern oft unterstellt wird: „Die treten müssen. nicht darin erschöpfen, Beitragsgelder, wollen einfach nur mehr Geld und dann deren Hebesatz gesetzlich festgelegt ist, in Ruhe gelassen werden.“ Ich bin gerne Was die klinische Versorgung angeht: Ja, einfach nur möglichst effizient und wirt- bereit, mit den Krankenkassen gemeinsam wir haben zu viele Krankenhausstandorte schaftlich zu verwalten. Die Kostenträger zu überlegen, wie eine moderne Versor- – nicht zu viel Personal, weder ärztliches sollten angesichts der Herausforderungen, gung zum Beispiel in strukturschwachen noch pflegerisches. Kein einziger Arbeits- die ich vorhin beschrieben habe, auch an Regionen organisiert werden kann. Aber platz in deutschen Kliniken ist überflüssig. Lösungen mitarbeiten. Statt immer nur auf dann sollten die Kassen auch auf unseren Aber wir haben zu viele Standorte, vor das Bestehende zu beharren würde ich mir ärztlichen Sachverstand hören und nicht allem in westdeutschen Ballungszentren. von ihnen mehr Mut und gestalterische so tun, als wüssten sie es besser – denn sie Wer das verneint, ist entweder politisch Fantasie wünschen. wissen es nicht besser. blind oder nicht gewillt, klar hinzuschau- en. Das heißt aber auch, dass wir das Wenn jetzt aber ein neues Gesetz den kleine Klinikum mit eingeschränktem Krankenkassen gestattet, sich direkt Leistungsspektrum in der ländlichen in die Versorgung einzuklinken, an den Regionen notfalls erhalten müssen, weil Ärzten vorbei … es dort für die Versorgung gebraucht wird. Insofern ist das nicht alles mit einer Elle … habe ich damit ein großes Problem. An- zu messen. Aber wenn ein Krankenhaus sätze in diese Richtung finden sich in dem in einer Kommune schon seit zehn Jahren Entwurf für das Digitale-Versorgung-Ge- notleidend ist, fünf Kilometer weiter je- setz, das Kassen ermöglichen soll, anhand doch ein Krankenhaus steht, das funktio- von Sozialdaten „individuelle Versor- niert – dann muss man als Bürgermeister gungsbedarfe“ abzuleiten. Das wäre ein den Menschen auch mal sagen, dass sie echter Paradigmenwechsel. Und ich kann den Weg über die Stadtgrenze wagen müs- mir nicht vorstellen, dass Patienten es gut- sen. Das ist zumutbar. Solche Debatten heißen, wenn Kostenträger mit ihren eige- gilt es auszuhalten. Wenn die Politik das nen wirtschaftlichen Interessen direkt in nicht schafft, dann haben wir ein echtes die Versorgung eingreifen. Medizinische Politikproblem. Versorgung ist Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten. Wir Ärzte sind Freiberufler. Und Die Fragen stellte Alexandra Bodemer. wir sollten immer wieder darlegen, dass das Spezifische des Arztberufes als freier Beruf die Weisungsunabhängigkeit von Dr. Klaus Reinhardt (Jahrgang 1960) nichtärztlichen Dritten in fachlichen und ist Facharzt für Allgemeinmedizin und medizinischen Fragen ist. Diese professi- seit 1993 in Bielefeld niedergelassen. onelle Autonomie dient einzig und allein Er engagiert sich seit langem in ver- dem Interesse unserer Patienten. schiedenen Ärzteverbänden, darunter für die Kassenärztliche Vereinigung Wohin wird der Weg der deutschen Westfalen-Lippe und die dortige Lan- Ärzteschaft unter Ihrer Präsidentschaft desärztekammer, deren Vizepräsident führen? er ist. Seit 2011 ist er zudem Bundes- vorsitzender des Hartmannbundes. Das ist eine große Frage, auf die zu 2015 wurde er in den Vorstand der antworten fast vermessen ist, weil es eine Bundesärztekammer gewählt und im Selbstüberhöhung wäre. Ich bin ein Fan Mai 2019 zu ihrem Präsidenten. des dialogischen Prinzips. Ich möchte die Reinhardt ist der erste niedergelasse- Debatte zu dem Thema „Wohin geht das ne Arzt seit Jahrzehnten an der Spitze deutsche Gesundheitswesen?“ möglichst der Bundesärztekammer. breit führen. Aber natürlich habe ich mei- ne Vorstellungen. Ich glaube, wir sollten in 14 KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019
MELDUNGEN AUS DEN LÄNDERN KV BRANDENBURG Neun weitere Bereitschaftsdienst- praxen geplant Elf Bereitschaftsdienstpraxen gibt es in Brandenburg bereits, nun hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) KV HAMBURG Brandenburg neun weitere angekündigt. Diese sollen bis zum nächsten Jahr voraussichtlich in Oranienburg, Senf- Sicherstellung soll tenberg, Ludwigsfelde, Schwedt, Luckenwalde, Perleberg, Nauen, Neuruppin und Bad Saarow entstehen. „Wir stellen bei KV bleiben die Akut- und Notfallversorgung im Land Brandenburg patientenfreundlich, zukunftssicher und bedarfsgerecht Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks auf“, erklärte der stellvertretende Vorstandschef der KV (SPD) stellte in einer Podiumsdiskussion anlässlich des Brandenburg, Andreas Schwark. Die Bereitschaftsdienst- 100-jährigen Bestehens der Kassenärztlichen Vereinigung praxen dienten außerhalb der Praxisöffnungszeiten als (KV) Hamburg klar: „Wir wollen die Selbstverwaltung feste Anlaufpunkte für Patienten. Menschen, die unter der weder abschaffen, noch wollen wir die Sicherstellung Telefonnummer des ärztlichen Bereitschaftsdiensts, 116117, haben“, sagte Prüfer-Storcks. Damit positioniert sich anrufen und kein Notfall für den Rettungsdienst sind, sollen die SPD-Politikerin auch zum Entwurf des geplanten verstärkt auf die Praxen hingewiesen werden. (tab) Notfallgesetzes von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Dieser sieht eine teilweise Übertragung des Sicherstellungsauftrages auf die Bundesländer vor. Im Vorfeld der Podiumsdiskussion ging Walter Plassmann, Vorsitzender des Vorstandes der KV Hamburg, in seinem Impulsvortrag auf die großen Herausforderungen ein, mit denen sich die Selbstverwaltung derzeit konfrontiert sehe: „Es gibt politische Bestrebungen, die unser her- vorragendes Gesundheitssystem in Gefahr bringen; zum einen durch zunehmende Ökonomisierung, zum anderen durch ausufernde staatliche Eingriffe. Das sind Gefahren, denen wir entschieden entgegentreten. Selbstverwaltung braucht Freiheit. Deshalb fordern wir von der Politik, KV BREMEN der Selbstverwaltung wieder mehr Vertrauen entgegen- zubringen.“ Die KV Hamburg feierte am 17. August mit Pilotprojekt einem Festakt und anschließender Podiumsdiskussion in Bremen das sogenannte „Hamburger Abkommen“, welches 1919 und damit genau vor 100 Jahren erstmals in Deutschland einheitliche Honorare, Einzelleistungsvergütung und In Bremen ist ein Pilotprojekt zwischen Kassenärztlicher geregelte Zulassung durchsetzte. (fun) Vereinigung (KV) und dem Krankenhaus St. Josef-Stift gestartet: An einem sogenannten „Gemeinsamen Tresen“ sollen Patienten in die richtige Versorgungsebene gelei- tet werden. Das Hinweisschild „Notfallpatienten – Erste Anlaufstelle“ leitet direkt in ein Wartezimmer, davor ziehen Patienten eine Wartenummer. Angestellte rufen die War- tenden dann in Büros, wo eine Einschätzung vorgenommen wird. Zum Einsatz kommt hierfür die Software SmED, das „Strukturierte medizinische Ersteinschätzungsverfahren für Deutschland“. Symptome, Vorerkrankungen und Risi- kofaktoren werden systematisch abgefragt, im Anschluss erhält die Mitarbeiterin eine Empfehlung und leitet den Patienten in die richtige Versorgungsebene – entweder in die angegliederte ärztliche Bereitschaftsdienstpraxis der KV oder in die Notaufnahme des Krankenhauses. Das Pilotprojekt solle dazu dienen, Erfahrungen zu sammeln und diese in den politischen Diskurs einzubringen, sagte KV-Vorstandsvize Frank Völz. (tab) KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019 15
THEMA Ein Bausatz für die elektronische Patientenakte Die Digitalisierung soll den Informationsaustausch im Gesundheitswesen vereinfachen. Doch wie las- sen sich medizinische Daten so darstellen, dass sie schnell und fehlerfrei übertragen werden können? Die KBV hat hierfür ein Konzept entwickelt: die MIOs, kurz für Medizinische Informationsobjekte. Aus den digitalen Bausteinen soll sich später etwa die elektronische Patientenakte zusammensetzen. die Information „Allergien“ ein MIO, aber auch der Impfpass als Ganzes ist ein MIO. Informationen werden schneller verfügbar Der Impfpass ist eines der ersten Doku- mente, welches die KBV standardisiert. Hierfür wird zunächst die Papiervariante analysiert: Welche Informationen stehen im gelben Impfpass, welche Felder müssen auch in der digitalen Version vorhanden sein? „Es wird sortiert: Welche Informa- tionen sind in dem Heft enthalten und in welcher Form? Welche Informationen ge- hören zusammen und welche können an anderer Stelle wiederverwendet werden? S Die Impfung gegen Röteln ist beispiels- weise auch für den Mutterpass relevant“, pätestens ab dem 1. Januar 2021 der Stabsstelle „Innovation, Strategische führt Tenckhoff aus. sollen alle gesetzlichen Kranken- Analyse und IT-Beratung“ der KBV, die kassen ihren Versicherten eine Aufgabe zusammen. Ziel ist, dass die Information von ver- elektronische Patientenakte (ePA) zur Ver- schiedenen Akteuren und Systemen (zum fügung stellen. Patientendaten aus bereits Damit Informationen aus der ePA oder Beispiel unterschiedlicher Praxisverwal- vorhandenen Dokumentationen sollen in anderen digitalen Speicherorten ausge- tungssoftware und Krankenhausinforma- der ePA bereitgestellt werden können, bei- lesen werden können, müssen sie erst tionssystemen) „gelesen“ und verwendet spielsweise Befunde, Arztbriefe, Medika- einmal dort hineinkommen – für beides werden kann. So können Praxen unter- tionspläne und der Impfpass. Auf Wunsch braucht es die MIOs. Sie dienen dazu, einander, aber auch mit Kliniken oder können Patienten diese Informationen medizinische Daten nach einem festgeleg- anderen Beteiligten Informationen austau- dann mit ihren Behandlern teilen. Das Ter- ten Format zu dokumentieren. Durch die schen, ohne dass diese zuerst von Hand minservice- und Versorgungsgesetz, das Standardisierung werden sie austauschbar „übersetzt“ werden müssen und dadurch seit Mai 2019 in Kraft ist, hat der Kassen- und können interaktiv verwendet werden. möglicherweise verloren gehen oder miss- ärztlichen Bundesvereinigung (KBV) eine Die „digitalen Bausteine“ können immer verstanden werden. Nicht nur die ärztliche entscheidende Rolle bei der Vorbereitung wieder zu etwas Neuem zusammengesetzt Kommunikation wird dadurch erleichtert, der ePA zugeteilt: Sie wird die Standards werden. Ein Beispiel für ein MIO sind An- auch die Patienten profitieren: Sie müssen für die semantische und syntaktische Inte- gaben zu Allergien. Diese können in einem nicht mehr für jeden Arztbesuch die roperabilität, das heißt Inhalte und Struk- Impfpass enthalten sein, aber auch in relevanten Dokumente heraussuchen und turen der ePA festlegen. „Wir definieren, anderen Dokumenten, etwa einer elektro- mitnehmen. In einem nächsten Schritt welche medizinischen Inhalte in welcher nischen europäischen Patientenkurzakte. könnten die Versicherten von weiteren Form in die elektronische Patientenakte Das MIO „Allergien“ bleibt dabei selbst Services profitieren, etwa von einer auto- hineinkommen und wie sie dort sortiert unverändert. MIOs können kleinere oder matischen Erinnerung, wann die nächste sind“, fasst Dr. Bernhard Tenckhoff, Leiter größere Einheiten sein. So ist beispielsweise Impfung nötig ist. 16 KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019
kenhaus, LOINC im Laborbereich et hen alle für das jeweilige MIO relevanten cetera), bedarf es eines Übersetzers, einer Fachgruppen mit ein. Beim Mutterpass Befunde verstehen und Art Universal- beziehungsweise Basisno- wären das beispielsweise die Gynäkolo- übersetzen menklatur. Denn alle Beteiligten sollen ihr gen“, erläutert Tenckhoff. Die KBV sichtet gewohntes System weiter nutzen können die eingegangen Rückmeldungen und Ein Szenario aus dem ärztlichen Alltag und sich nicht umstellen müssen. Ein überarbeitet das Modell entsprechend, um könnte wie folgt aussehen: Ein Hausarzt heißer Kandidat für diese Basisnomen- dann das Benehmen herzustellen, wobei vermerkt in seiner Praxisdokumentation klatur ist SNOMED-CT. Dabei handelt es die KBV die letztendliche Entscheidung bei einer Patientin einen wiederkehrenden sich um ein international konsentiertes treffen kann. „Der Gesetzgeber hat ja Harnwegsinfekt. Er überweist die Frau an und angewandtes Klassifikationssystem. genau das gewollt: Dass jemand eine Ent- einen Facharzt für Urologie und lässt die- SNOMED verbindet die Informationen scheidung trifft und der ganze Prozess sich sem gleichzeitig die relevanten Informati- so, dass jeder sie in der entsprechenden nicht ewig hinzieht. Angesichts der Größe onen auf digitalem Weg zukommen. Darü- „Sprache“ abrufen kann. der Aufgabe ist der Zeitplan ohnehin recht ber hinaus kann der Hausarzt – sofern die ambitioniert“, betont Dr. Andreas Gassen, Patientin dies wünscht – die Information Vorstandsvorsitzender der KBV. in deren ePA hochladen. Der Urologe kann diese Daten gleich mit seiner PVS auslesen Ist ein MIO abschließend definiert, kommt und in seine eigene, für die neue Patientin Ablauf des Verfahrens die gematik ins Spiel. Sie benötigt die von anzulegende Akte überführen. der KBV getroffenen syntaktischen und Zwar trägt die KBV qua Gesetz die Ver- semantischen Definitionen, um darauf Damit dieser Vorgang funktioniert, bedarf antwortung für das Projekt. „Unser Ziel aufbauend noch funktionale Spezifikatio- es mehrerer technischer Voraussetzungen. ist jedoch, Betroffene zu Beteiligten zu nen vornehmen zu können, falls erforder- Zum einen muss die dokumentierte Infor- machen, das heißt andere Akteure einzu- lich. Die Krankenkassen, welche die ePA mation (hier „Harnwegsinfekt“) maschi- binden und möglichst zu einem Konsens für ihre Versicherten bereitstellen, haben nenlesbar sein, sprich Computer müssen zu kommen“, betont Dr. Thomas Kriedel, von der gematik Auflagen erhalten, welche sie „verstehen“ können. Zum anderen Mitglied des Vorstands der KBV. Hierzu technischen Anforderungen erfüllt werden bedarf es einer einheitlichen Sprache, in hat die KBV eine Verfahrensordnung müssen. Dadurch ist gewährleistet, dass welche die Diagnosecodierung des Arztes entwickelt und diese im Benehmen mit die MIO und die ePA zusammenpassen. „übersetzt“ wird. Dafür muss das System den weiteren Organisationen der gemein- erkennen, wer was dokumentiert hat: Wer samen Selbstverwaltung, der gematik, me- „Das Ganze ist keine technische Spielerei, hat den Befund erstellt? Welches Organ ist dizinischen Fachgesellschaften, Industrie nach dem Motto: noch eine App. Uns geht betroffen? Welche Störung wird beschrie- und Forschung sowie weiteren Akteuren es vor allem um eine einfache Handha- ben? Anderenfalls könnte aus dem eher aus dem Gesundheitswesen verabschiedet. bung in der Praxis und einen echten Mehr- harmlosen urologischen Harnwegsinfekt, wert für den klinischen Alltag. Letztendlich kurz HWI, auch ein kardiologischer Hin- Die Verfahrensordnung ist seit September ebnen wir damit den Weg für kommende terwandinfarkt, ebenfalls HWI, werden. in Kraft. Darin ist zu jedem von der KBV technische Entwicklungen im Gesund- entwickelten MIO eine öffentliche Kom- heitswesen“, betont der stellvertretende Da im deutschen Gesundheitswesen mentierungsphase vorgesehen. Mehr KBV-Chef Dr. Stephan Hofmeister. verschiedene semantische Codierungs- als 20 Institutionen sind daran beteiligt, systeme im Einsatz sind (IDC-10 bei den je nach Themengebiet können weitere niedergelassenen Ärzten, OPS im Kran- Experten angehört werden. „Wir bezie- Alexandra Bodemer, Tabea Breidenbach MÖGLICHES UMSETZUNGSBEISPIEL IMPFPASS T M Impfeintrag bestehend aus u.a. … Tech- Datum, Krankheit gegen die Medi- nische zinische Repräsen- Inhalte tation K Kodierung … der medizinischen Inhalte Krankheit gegen SNOMED CT Code Masern Measles Mumps Mumps Röteln Rubella KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019 17
THEMA 15 Jahre Qualitätszirkel-Konzept der KBV Austausch pflegen, Kontakte knüpfen, voneinander lernen und so die Versorgung nicht nur sichern, sondern im Idealfall verbessern – diese Idee steckt hinter Qualitätszirkeln. Bereits seit 15 Jahren begleitet die KBV diese Art ärztlicher Zusammenarbeit. W as mit kollegialen Stammti- schen zum Austausch unter Ärztinnen und Ärzten begann, ist nun seit mehr als 25 Jahren Bestandteil der Qualitätssicherung im ambulanten tätszirkel von der ersten Stunde an, weil sie eine tolle Möglichkeit für kollegialen, vertraulichen Austausch sind und so eine Weiterentwicklung der Versorgung ermög- lichen, die andere Formate nicht bieten für eine flächendeckende Verbreitung von Qualitätszirkeln – heute gibt es sie in allen Bundesländern. „Qualitätszirkel werden von den Teilneh- Bereich: die Qualitätszirkel (QZ). Erste könnten“, so Dr. Thomas Kriedel, Mitglied menden als äußerst nutzbringend emp- Projekte gab es bereits in den 1990er des KBV-Vorstands. funden, wie Evaluationen zeigen“, weiß Jahren. 1993 hat die Kassenärztliche Bun- Ingrid Quasdorf, bei der KBV zuständig für desvereinigung (KBV) die Erfahrungen Einige Kassenärztliche Vereinigungen Qualitätszirkel und Fortbildungsverpflich- dieser ersten Zirkelprojekte aufgegriffen (KVen) haben damals die Vorreiterrolle tung. Neben dem Wissens- und Kompe- und Qualitätszirkel als ein anerkanntes übernommen: Gemeinsam mit wissen- tenzzuwachs schätzen die Teilnehmenden Verfahren zur Qualitätssicherung in der schaftlichen Instituten und teilweise geför- die Möglichkeiten der Vernetzung. Zusätz- ambulanten Versorgung in die Qualitäts- dert durch Krankenkassen starteten sie in lich profitieren sie von der Teilhabe an den sicherungs-Richtlinien aufgenommen. den 1990ern verschiedene Projekte zur Zir- Erfahrungen der beteiligten Praxen und „Wir begrüßen und unterstützen Quali- kelarbeit. Damit legten sie den Grundstein können eigene Praxisabläufe optimieren. 18 KBV KLARTEXT > 3. AUSGABE 2019
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