Metropole Ruhr Unterwegs im Ruhrgebiet.

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Metropole Ruhr Unterwegs im Ruhrgebiet.
Ausgabe 04/2018

Metropole Ruhr
        Unterwegs im Ruhrgebiet.
Metropole Ruhr Unterwegs im Ruhrgebiet.
INHALT                                                                                                                                                                                                                                                                                     INHALT

  06                                                                                                                                                                                                                                             18                                         20
                                                                     TITELSTORY                                                                                   KULTUR

                                                                        	 Herkunft schafft Zukunft                                                                	Shootingstar der Teppichbranche
                                                                           Der Wandel der Region startete schon vor 60 Jahren mit der                                Teppichdesigner Jan Kath verhalf dem Orientteppich
                                                                           Schließung der ersten Zeche 1958. Ende oder (Neu-)Anfang –                                zu einem neuen Trendstatus.                                                     Seite 20
                                                                           welches Bild macht die Metropole Ruhr heute aus?
                                                                           Eine Spurensuche.                                      Seite 06                        	Von der Folkwang an die Weltspitze
                                                                                                                                                                  	Als Mitglied des Morgenstern Trios ist Pianistin
                                                                                                                                                                     Catherine Klipfel in den bedeutendsten Konzerthäusern
                                                                     LAND & LEUTE                                                                                    der Welt zu Hause.                                 Seite 22

  12                                                                   	Wir wollen Deutschland digitalisieren
                                                                     	Mit „masterplan.com“ starten zwei Bochumer Gründer                                         WISSENSCHAFT & WIRTSCHAFT
                                                                         ­erfolgreich durch.                             Seite 12
                                                                                                                                                                    Von New York an die Ruhr
                                                                      	Wir können Solidarität                                                                   	Die Universitätsallianz unterstützt den Austausch
                                                                     	Das durch Spenden finanzierte Flüchtlingsdorf                                                 zwischen der Metropole Ruhr und der Metropolregion
                                                                        Ruhrgebiet im Nordirak bietet Menschen in Not ein                                            New York.                                         Seite 26
                                                                        neues Zuhause.                                                              Seite 14

                                                                                                                                                                   	Auf dem Weg zum Weltmarktführer
                                                                                                                                                                  	Mit RapidMiner entwickelten zwei Informatiker

                                                                                                                                                                                                                                                                 22
                                                                     FREIZEIT & REISE                                                                                aus Dortmund eine der weltweit führenden Software­-
                                                                                                                                                                     systeme für Datenanalysen.                         Seite 28
                                                                        	Glühweinduft & Lichterglanz

  14                                                                      Zu Gast auf den schönsten Weihnachtsmärkten
                                                                          der Region.                                                               Seite 18
                                                                                                                                                                    Auftakt mit DJ MOGUAI alias André Tegeler                                        Seite 05
                                                                                                                                                                    Terminplaner                                                                     Seite 16
                                                                                                                                                                    KulturTipps                                                                      Seite 24
                                                                                                                                                                    Ausblick mit Ali Can                                                             Seite 30
                                                                                             FOTONACHWEIS
 IMPRESSUM                             REDAKTION                                             Pedro Malinowski (2, 8); Volker Wiciok (2, 12, 13); Ludger
                                       Christian Raillon/RVR (Chefredaktion)                 ­Möllers (2, 14, 15); Shutterstock/Golbay, cluckva (2, 6–10);
 HERAUSGEBER                           Barbara Klask, Margarethe Lavier,                      Achim Meurer (2, 18, 19); Jan Kath (3, 21); Irène Zandel (3, 22);
 Regionalverband Ruhr/RVR              Kerstin Röhrich/RVR                                    ­Privat (3, 26, 27); mayday.de (5); RUB/Katja Marquard (8);
 Die Regionaldirektorin                Sarah Thönneßen, Marina Biermann/RTG                  Kai Uwe Gundlach (9); Motorworld (9); Zollverein/Jochen
 Kronprinzenstraße 35, 45128 Essen     Guido Schweiß-Gerwin/Markt1 Verlag (Chefredaktion)    Tack (10, 20); Steve McNicholas (16); mummenschanz.com                                           Ausgabe 04/2018

 mit Ruhr Tourismus GmbH/RTG
 Centroallee 261, 46047 Oberhausen
                                       Heike Reinhold, Jennifer Röder/ Markt1 Verlag         Marco Hartmann (16); Guido Schröder (17); Stiftung Kreative
                                                                                               Kirche (17); Birgit Andrich (19); Museum Folkwang Essen,
                                                                                                                                                                    Metropole Ruhr
                                                                                                                                                                               Unterwegs im Ruhrgebiet.

                                       MITWIRKUNG                                              ­Antonio Donghi, Il Giocoliere, 1936, Der Jongleur, Öl auf Lein-
 VERLAG, ENTWURF UND REALISATION       Ulf Maaßen, Carmen Radeck                             wand, 116 x 86,5 x 3 cm, Privatsammlung (24); Galerie Schloss
 Markt1 Verlagsgesellschaft mbH                                                                Ludwig Oberhausen, Eckart Hahn, nothingness, 2015 © Eckart
 Freiheit 1, 45128 Essen               ART DIREKTION                                           Hahn, aus der Ausstellung Die Geste, Galerie Schloss Ober-
 Fon: +49 (0)201.1095-0,               Gesa Braster/Markt1 Verlag                            hausen (24); Albert Renger-Patzsch, „Kühe a. d. Ruhrmün-
 www.markt1-verlag.de                                                                        dung“, Duisburg-Ruhrort 1930, Bildnachweis: Albert Renger-
                                       GRAFIK                                                Patzsch Archiv / Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Pinakothek
 VERANTWORTLICH IM SINNE DES           Maike Kawik, Sascha Michaelis/Markt1 Verlag           der Moderne, München © Albert Renger-Patzsch/Archiv
 PRESSERECHTS FÜR DIE REDAKTION                                                              Ann und Jürgen Wilde, Zülpich/VG Bild-Kunst Bonn 2018 (24);
 Guido Schweiß-Gerwin, Markt1 Verlag   ANZEIGEN                                                Rausch der Schönheit, Museum für Kunst und Kulturgeschichte
                                       Bettina Walter                                          Dortmund, Vase Louis Comfort Tiffany, Foto: Jürgen Spiler

                                                                                                                                                                                                                                                                 26
 GESAMTKONZEPTION                      Fon: +49 (0)201.1095-100                                (25); Die große Rensch-Orgel (1986 IV/56) aus Bottrop, Foto:
 Christian Raillon/RVR                                                                         Tristan Stiklorus (25); Gesundheitspark Nienhausen (25);
 Guido Schweiß-Gerwin/Markt1 Verlag    DRUCK                                                 Carmen Radeck (28); Shutterstock/Mohd KhairilX (28, 29);                                                           TITELFOTO
 Sarah Thönneßen/RTG                   Weiss-Druck GmbH & Co. KG                             Shutterstock/diak (29); Jan Ladwig (30)                                                                            Shutterstock/Golbay, cluckva
 Margarethe Lavier/RVR                                                                                                                                                                                          Grafik: Gesa Braster, Markt1 Verlag

2 Metropole Ruhr Ausgabe 04/2018                                                                                                                                                                                                                                      Ausgabe 04/2018 Metropole Ruhr 3
Metropole Ruhr Unterwegs im Ruhrgebiet.
AUFTAKT
Foto: fotolia/© Nomad_Soul

                                                                                                                                                                     „ I N MEINER
                                                                                                                                                                        MUSIK
                                                                                                                                                                        STECKT
                                                                                                                                                                        SEHR VIEL
                                                                                                                                                                        RUHRGEBIET“
                                                                                         Er gilt als einer der Techno-Pioniere, nicht nur in Deutschland – André Tegeler (46) aus Marl, besser
                                                                                         bekannt unter dem Namen DJ Moguai, startete seine Karriere mit selbstorganisierten Partys im
                                                                                         Ruhrgebiet. Zuletzt war er Headliner beim NRW-Tag in Essen. Sonst spielt er in den Clubs und auf
                                                                                         ­Festivals weltweit – unter anderem beim Sunburn Festival in Goa/Indien, beim Monday Social
                                                                                          in Los Angeles/USA, auf der Summer Days Festival Tour in Australien oder im Zouk in Singapur.
                                                                                          Ein Gespräch über Musik made in Metropole Ruhr.

                                                                                         André, gleich legst du bei „Recklinghau-      men. Ich bin in einem Handwerksbe­           gehverhalten hat sich verändert. Ent­
                                                                                         sen leuchtet“ auf. Du bist in Recklinghau-    trieb aufgewachsen, habe selbst das          weder feiern die jungen Leute privat
                                                                                         sen zur Schule gegangen. Heimatgefühle?       ­elterliche Handwerk, Metzgerei, gelernt.    oder gehen auf die großen Festivals am
                                                                                                                                        Das prägt und ist Teil meines Charak­       Wochen­ende wie eben die Mayday.
                                                                                         Ja, definitiv. Das hier ist Heimat für         ters. Das beeinflusst vielleicht nicht
                                                                                         mich – immer noch. Auch wenn ich mal           ­direkt meine Stilistik, aber die Art und   Mit dem Radio-Format PunX up the volume
                                                                                         zwischenzeitlich woanders wohne und             Weise, wie ich an die Musik herangehe.     bist du in über 40 Ländern weltweit im
                                                                                         pendle. Hier ist mein Zuhause, hier lade        Manchmal scheint das ein Nachteil zu       Programm. Mit der DJ Session auf 1Live
                                                                                         ich mich auf. Ich bin hier auch am pro­         sein, weil ich vielleicht zu bodenstän-    ­regelmäßig im WDR-Radio. Was ist das
                                                                                         duktivsten, wenn ich ins Studio gehe.           dig bin. Aber insgesamt ist es das, was     Geheimnis deiner Popularität?
                                                                                                                                         mich trägt.
                                                                                         Als Wohnsitz gibst du Berlin, Los Angeles                                                  Mitzugehen. Du bleibst relevant, wenn

                             Langeweile?
                                                                                         und Ruhrgebiet an. Wo wirst du auf der        Zu deinen Stationen gehört regelmäßig        du relevante Musik machst. Ich bin immer
                                                                                         Straße eher erkannt und angesprochen?         die Mayday in Dortmund. Ist die Region       interessiert an neuen Sachen. Es ist wie
                                                                                                                                       eine gute Party-Location?                    mit der Mode, du darfst nicht stehenblei­
                                                                                         Hier im Ruhrgebiet werde ich eher an­                                                      ben. So ist das auch mit der Musik.
                                                                                         gesprochen (lacht). Und es ist mir nicht      Ja, die Metropole Ruhr ist eine wirklich
                             17.000 Veranstaltungen                                      unangenehm, mit den Menschen ins              gute Party-Location, weil wir ein großes     Ein Tipp für den Nachwuchs: Wie gelingt
                                                                                         Gespräch zu kommen.                           Einzugsgebiet haben. Wenn man die            der Durchbruch vom Ruhrgebiet in die
                             200 Locations                                                                                             Welt von außen betrachtet, zählt das         Welt?
                                                                                         Wie viel Ruhrgebiet steckt in deiner Musik?   Ruhrgebiet zu den drei großen leuchten­
                             KIR. Alle Kulturveranstaltungen in der Metropole Ruhr auf                                                 den Flecken neben Los Angeles und            Es geht darum, echt zu sein. Du musst hin­
                                                                                         (Pause) Das hat mich noch nie jemand          ­London. Schade finde ich, dass die          ter deiner Sache stehen. Nicht jede meiner
                             einen Blick! Und für alle, die selbst was mieten wollen,
                                                                                         gefragt. Aber Du hast recht. In meiner         ­Clubkultur in ganz Deutschland stark       Platten ist ein Hit, aber sie ist Teil meiner
                             alle Infos zur passenden Location.                          Musik steckt sehr viel Ruhrgebiet. Der          zurückgegangen ist. Zum Beispiel in        Entwicklung und daher für mich wich­
                                                                                         Schlüssel, warum ich schon so lange im          ­Bochum gab es das Planet, das Logo,       tig. Echt zu sein, trägt mich voran.
                                                                                         Geschäft bin, ist Beharrlichkeit. Und die        18 Karat und weitere, die alle neben­
                                                                                         habe ich hier mit auf den Weg bekom­             einander funktioniert haben. Das Aus­     Das Gespräch führte Guido Schweiß-Gerwin.
                                  www.kulturinforuhr.de
                                                                                                                                                                                               Ausgabe 04/2018 Metropole Ruhr 5
Metropole Ruhr Unterwegs im Ruhrgebiet.
TITELSTORY                                                                                                                                                                                                                            TITELSTORY

                                                                                                                           INDUSTRIEKULTUR ALS
                                                                                                                           MARKENZEICHEN

                                                                                                                           Jede gute Marke hat einen
                                                                                                                           glaubwürdigen Markenkern,

            HERKUNFT SCHAFFT
                                                                                                                           der eine Geschichte erzählt,
                                                                                                                           identitätsstärkend wirkt und
                                                                                                                                                                „Der weltweite USP der Metropole Ruhr sind die
                                                                                                                           damit Orientierung bietet. An
                                                                                                                                                                faszinierende Geschichte des Industriezeitalters

            ZUKUNFT
                                                                                                                           der Metropole Ruhr fasziniert
                                                                                                                           mich die ganz eigene Ästhetik
                                                                                                                           des Industriezeitalters und die
                                                                                                                           starke Identifizierung der über
                                                                                                                                                                und die Denkmäler der Industriekultur in einem
                                                                                                                           fünf Millionen Menschen mit
                                                                                                                           ihrer Geschichte, die eng mit        grünen Meer.“
            In wenigen Wochen endet nach rund 200 Jahren die Ära der Kohle mit Schichtende                                 dem Bergbau und der Schwer-
                                                                                                                           industrie verbunden ist. Das
            der letzten Zeche in Bottrop endgültig. Der Wandel der Region startete schon vor                               spürt man in jeder der 53 Städte
                                                                                                                                                                            Hans-Conrad Walter, Initiator des Europäischen Kulturmarken-Awards

            60 Jahren mit Schließung der ersten Zeche 1958. Ende oder (Neu-)Anfang – welches                               und Kommunen, die die Metro-
            Bild macht die Metropole Ruhr heute aus? Eine Spurensuche.                                                     pole zu dem machen, was sie ist:
                                                                                                                           den bevölkerungsreichsten Bal-
                                                                                                                           lungsraum Europas. Alle möch-
            TEXT     Guido Schweiß-Gerwin
                                                                                                                           ten so sexy sein wie Berlin, so
                                                                                                                           anarchisch wie Neapel oder so

          D
                                                                                                                           kosmopolitisch wie New York.
                        ie bergmännischen Tugenden wie Fleiß,         FRÜHER KOHLE, HEUTE WISSEN                           Die Ästhetik einer Metropole
                        Hilfsbereitschaft und Zuverlässigkeit,                                                             macht ihren Charakter aus. Sie
                                                                                                                           ist ein Spiegel der Lebensquali-
                        die Bereitschaft, sich neuen Herausfor­     Mit diesem Zitat im Gepäck führt mich meine Spu­
                                                                                                                           tät und das, was Bewohner und
                        derungen zu stellen und Veränderungen       rensuche zunächst nach Bochum an die Ruhr Uni­         ihre Gäste wahrnehmen und er-
            mitzugestalten, das alles zeichnet die Menschen         versität, kurz RUB, die 1965 ihren Lehrbetrieb als     leben können. Der weltweite
            hier in den Bergbaurevieren aus. Die Mentalität         erste Universität im Ruhrgebiet aufnahm. Das Wet­      USP der Metropole Ruhr sind die
                                                                                                                           faszinierende Geschichte des In-
            der Menschen im Ruhrgebiet geht mit der Schlie­         ter ist für einen Herbsttag ungewohnt schön. Auf
                                                                                                                           dustriezeitalters und die Denk-
            ßung der letzten Zechen nicht verloren, sondern ist     dem Campus begegne ich zahlreichen jungen Men­         mäler der Industriekultur in
            Grundlage für Neues“, erklärte Bernd Tönjes, Vor­       schen – die Studierenden sind bunt gemischt, ein       einem grünen Meer. Der Doppel-
            standsvorsitzender der RAG­Stiftung und Sprecher        junges Treiben. Kein Wunder, über 43.000 Studie­       bock auf dem UNESCO-Welterbe
                                                                                                                           Zollverein ist das Symbol für die-
            des Initiativkreises Ruhr, vor wenigen Wochen in        rende, davon fast 6.000 junge Menschen aus dem
                                                                                                                           ses weltweite Alleinstellungs-
            einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen          Ausland. Damit zählt die RUB zu den größten Uni­       merkmal. Das Zeitalter der Kohle
            Zeitung (F.A.Z.). Seine Einschätzung: „Das Ruhrge­      versitäten Deutschlands. Mit rund 5.700 Beschäf­       endet in diesem Jahr, doch nicht
            biet ist eine Chancenregion mit enormem Poten­          tigten ist die Uni gleichzeitig auch einer der größ­   das anpackende Lebensgefühl,
                                                                                                                           das die Region seit zwei Jahr-
            zial. Wir sind auf dem Sprung.“                         ten Arbeitsgeber in Bochum – früher förderte
                                                                                                                           hunderten geprägt hat.
                                                                                                                           Die Metropole Ruhr mit ihren
                                                                                                                           120 Theatern, 200 Museen und
                                                                                                                           1.000 Industriedenkmälern
                                                                                                                           bleibt für mich ewig mit der Eu-
                                                                                                                           ropäischen Kulturhauptstadt
                                                                                                                           verbunden, die mittlerweise
                                                                                                                           Millionen von Menschen in die
                                                                                                                           Kulturtourismusregion zieht.
                                                                                                                           Ich habe aber auch ein Bild vom
                                                                                                                           Wandel der Metropole Ruhr vor
                         „Das Ruhrgebiet ist eine Chancenregion mit                                                        Augen, einem Aufbruch vom In-
                                                                                                                           dustriezeitalter ins 21. Jahrhun-
                         enormem Potenzial. Wir sind auf dem Sprung.“                                                      dert, in eine gigantische Dienst-
                                                                                                                           leistungsmetropole, die auch
                                                                                                                           von der Kultur- und Kreativwirt-
                                                      Bernd Tönjes, Vorstandsvorsitzender der RAG-Stiftung
                                                                                                                           schaft geprägt sein wird.

                                                                                                                           Hans-Conrad Walter, Initiator
                                                                                                                           des Europäischen Kulturmarken-
                                                                                                                           Awards und Geschäftsführer
                                                                                                                           von Causales in Berlin

6 Metropole Ruhr Ausgabe 04/2018
Metropole Ruhr Unterwegs im Ruhrgebiet.
TITELSTORY                                                                                                                                                                                                                                                                      TITELSTORY

                                                                                                                                                                                                                                                   M ad e in
                                                                                                                                                                                                                                              M et ro po le R uh r

                                                                                                                                                                                                                                     „Einerseits schaffe ich durch das
                                                                                                                                                                                                                                     Bewahren von Traditionen Identität,
                                                                                                                                                                                                                                     anderseits sorgt die Entwicklung der
                                                                                                                                                                                                                                     Bildungslandschaft für neue Kräfte,
                                                                                                                                                                                                                                     die auf Basis dieser Herkunft motiviert
                                                                                                                                                                                                                                     werden, Zukunft zu gestalten.“
                                                                                                                                                                                                                                                 Axel Biermann, Geschäftsführer von Ruhr Tourismus
 STUDENTENLEBEN. Rund 270.000 Studierende machen das Ruhrgebiet zur größten Wissensmetropole Europas.                                           BUSINESS. Viele Unternehmen aus der Region sind mit Innovationen weltweit führend.

   Bochum Kohle, heute Wissen. Und was für Bochum gilt, hat                 beispielsweise zu den Top 3 weltweit in Sachen IT­Sicherheit.       natürlich neugierig. „Was geben wir weiter?“ Nicht die Bilder                 Viele Experten halten es noch heute für das schönste Opern­
 in der gesamten Metropole Ruhr Gültigkeit. Insgesamt rund                  Auch das weiß kaum einer.“ Weitersagen, lautet sein Appell,         sind neu, sondern die Herangehensweise, die Art der Auseinan­                 haus der Region und sprechen vom Foyer des Jahrhunderts mit
 270.000 Studierende machen die Region zur größten Wissens­                 und weniger Kirchturmdenken.                                        dersetzung. „ Es gilt, die Dinge, die wir ererbt haben, als Erbe an­          den monochromen Reliefs des Pariser Künstlers Yves Klein.
 metropole Europas. Kaum einer weiß das. „Ich bin selbst über­                                                                                  zunehmen: für die eigene Gegenwart und als Treuhänder für                     Für Barbara Welzel entstehen neue Bilder, wenn sich Menschen
 rascht, was ich alles nicht über die Region weiß“, sagt auch                                                                                   die Zukunft“, sagt sie. Sie zeigt auf junge Menschen, die im Dort­            in der Gegenwart mit dem Erbe beschäftigen, eine Verbindung
 Prof. Dr. Jan Wieseke. Der 44­Jährige leitet an der RUB den                   ERBE IN DER GEGENWART GESTALTEN                                  munder U Selfies von sich mit Blick auf die Stadt machen. Durch               eingehen. Auch das ist Zukunft durch Herkunft.
 Lehrstuhl für Sales und Marketing und zählt zu den drei füh­                                                                                   Umnutzung entstehen neue Räume und neue Städte. Auf Basis
 renden Vertriebsforschern weltweit. 2016 gewann er mit dem                 Der Weg führt weiter nach Dortmund. An der dortigen TU stu­         der Vergangenheit wird so Gegenwart gestaltet. „Zum Struktur­
 „Sales & Marketing Department“ der RUB den deutschen                       dieren fast 35.000 junge Menschen. Ich treffe Prof. Dr. Barbara     wandel des Ruhrgebiets gehören untrennbar die neugegründe­                             ALLEINSTELLUNGSMERKMAL
 Wissenschaftspreis. Verschiedene Rufe anderer Fakultäten                   Welzel, Jahrgang 1961, die an der Kunst­Fakultät unter anderem      ten Universitäten, an die in den 1960er Jahren etwa 1.000 neue                             INDUSTRIEKULTUR
 lehnte er ab. „Hier ist jede Menge Drive drin“, sagt er, „Wir              die Lehrkräfte von morgen ausbildet. Erst kürzlich hatte sie beim   Professorinnen und Professoren berufen wurden“, erzählt sie
 müssen diese Überraschungen gemeinsam mehr nutzen.“                        Kongress „ZukunftsBildung RUHR 2018“ einen Impulsvortrag            weiter. In die gleiche Zeit etwa fiel auch der Bau des Musiktheaters          Macht das die Metropole Ruhr für die Menschen attraktiv?
 Auch er glaubt an das Potenzial. „Wir zählen hier in Bochum                über „Neue Bilder für das Ruhrgebiet“ gehalten. Das macht           im Revier in Gelsenkirchen, das vor 50 Jahren visionär erschien.              Axel Biermann (52), Geschäftsführer von Ruhr Tourismus,

 MUSIKTHEATER IM REVIER. Das Gebäude wurde vor 50 Jahren erbaut und gilt bis heute als eines der schönsten Opernhäuser Deutschlands.            ALTE HÜLLE, NEUER INHALT. Das Gelände der ehemaligen Zeche Ewald wird zum Mobilitäts- und Sportwagenzentrum umgebaut.

8 Metropole Ruhr Ausgabe 04/2018                                                                                                                                                                                                                               Ausgabe 04/2018 Metropole Ruhr 9
Metropole Ruhr Unterwegs im Ruhrgebiet.
TITELSTORY                                                                                                                                                                                                                                                                    ANZEIGE

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                                                                                          zwei zentrale Triebfedern: Einerseits schaffe ich
                                                                                          durch das Bewahren von Traditionen Identität,
                                                                   M ad e in              anderseits sorgt die gute Entwicklung der Bil­

                                                              M et ro po le R   uh   r    dungslandschaft der letzten Jahrzehnte für neue
                                                                                          Kräfte, die auf Basis dieser Identität motiviert
                                                                          werden, Zukunft zu gestalten.“ Dabei weist Biermann auch auf
                                                                          die besondere Bereitschaft und Fähigkeit der Menschen in der
                                                                          Metropole Ruhr zum Wandel hin, allerdings ohne dies verklä­
                                                                          ren zu wollen. Laut Studien ist Industriekultur das Alleinstel­
                                                                          lungsmerkmal der Region. „Die Ansammlung von ehemaligen
                                                                          Industriekomplexen, die durch Umnutzung eine neue Funktion
                                                                          bekommen haben, ist schon einzigartig“, sagt er. Historische
                                                                          Gebäudehüllen werden zur Kulisse von Kultur, Freizeit und
                                                                          ebenso von Wirtschaft. Auch als Tagungsdestination ist die
                                                                          Metropole Ruhr daher sehr beliebt. „Die Menschen sind auf der
                                                                          Suche nach dem Once­in­a­Lifetime­Event“, beschrieb Earl A.
                                                                          Powell, der ehemalige Direktor der National Gallery of Art in

                                                                                                                                                                  SO VIEL ZEIT
                                                                          Washington, die Suche nach einem einmaligen Erlebnis. Für
                                                                          Destinationen gilt es, dieses Erlebnis zu vermitteln.

                                                                                                                                                                  Frank Goosen schreibt Geschichten über das Leben –
                                                                                    ZECHEN ALS INNOVATIONSRÄUME
                                                                                                                                                                  und zwar in locker-flockiger Ruhrgebietsmanier. Dafür
                                                                               Am Beispiel der Zeche Ewald in Herten wird das deutlich. Bis                       ist der Bochumer Romanautor bekannt. Mit SO VIEL ZEIT
                                                                               zum Jahr 2000 wurde hier Steinkohle gefördert, einst war auf                       wurde eine weitere seiner beliebten Geschichten verfilmt,
                                                                               Ewald sogar der tiefste Bergbauschacht des Ruhrgebiets. Die                        die aktuell auf vielen Kinoleinwänden im Ruhrgebiet zu
                                                                               rund 50 Hektar große Fläche beheimatet heute international                         sehen ist.
                                                                               tätige Logistikunternehmen. Im Wasserstoff­Kompetenzzent­

                                                                                                                                                                  V
                                                                               rum H2Herten haben sich eine Reihe von Spezialfirmen ange­
                                                                               sammelt. Hier finden auch Start­ups Raum für neue innovative                                    or 30 Jahren ruinierte Rainer den Durchbruch seiner Band
                                                                               Energie­Ideen. Durch die Ansiedlung von mehr als 20 neuen Un­                                   „Bochums Steine“. Seitdem geht sein Leben bergab. Als er
                                                                               ternehmen wurden im vergangenen Jahrzehnt über 1.000 neue                                       erfährt, dass er todkrank ist, beschließt er, sein Leben zu än­
                                                                               Arbeitsplätze geschaffen. Der Theaterunternehmer Christian                                      dern. Sein Ziel: Das Comeback von „Bochums Steine“! Doch

                                                                                                                                               © UNIVERSUM Film
                                                                               Stratmann ergänzt das Ensemble mit dem RevuePalast Ruhr in                         kann Rainer auch seine ehemaligen Bandkollegen überzeugen? Die
                                                                                                                                                                                                                                                 Weitere Infos zum Film gibt es unter
                                                                               der ehemaligen Heizzentrale. Aus der dortigen Untertage­Bar                        Tragik komödie SO VIEL ZEIT nach dem gleichnamigen Roman von Frank             www.sovielzeit-film.de
                                                                               wird seit 2013 der ARD Sportschau­Club ausgestrahlt. Ergänzt                       Goosen feiert das Leben, die Musik und die Tatsache, dass es nie zu spät
                                                                               wird das Angebot am Standort Ewald durch die benachbarte                           ist, seinem Leben eine entscheidende Wendung zu geben. Neben Jan Josef
                                                                               Halde Hoheward, die als Erlebnisraum zahlreiche Wanderer,                          Liefers gehören Jürgen Vogel, Richy Müller, Armin Rohde und Matthias
                                                                               Radfahrer und ebenso Spaziergänger begeistert.                                     Bundschuh, André M. Hennicke, Alwara Höfels und Laura Tonke zur
                                                                                                                                                                  hochkarätigen Besetzung – und sogar die SCORPIONS ließen sich für
                                                                                                                                                                  einen Gastauftritt begeistern. Die heimlichen Stars des Films aber stehen
                                                                                    STEIGERLIED IN TECHNOVERSION                                                  auf keiner Besetzungsliste: Bochum und das Ruhrgebiet. Denn genau
                                                                                                                                                                  dort ist die Story verankert.
                                                                               Identität und Herkunft standen ebenso Anfang November in
                                                                               fünf verschiedenen Städten des Ruhrgebiets im Rahmen der
                                                                               Veranstaltungen „Danke Kumpel“ im Mittelpunkt. Zeitgleich
                                                                               strahlte Recklinghausen beim Stadtfest „RE leuchtet“ Fassaden
                                                                               mit Bezug zum Ende des Bergbaus an. Höhepunkt auf dem Rat­
                                                                               hausplatz aber war das Konzert mit DJ Moguai (siehe Auftakt­
                                                                               Interview auf Seite 5). Tausende vor allem junge Menschen
                                                                               ravten bis tief in die Nacht. Und wie immer erklang irgend­
                                       EISBAHN ZOLLVEREIN. Jedes Jahr          wann auch das Steigerlied – in einer Technoversion. So zer­
                                    verwandelt sich das Wasserbecken der
                                                                               fließen die Grenzen zwischen Herkunft und Zukunft in einer
                                     Kokerei Zollverein in eine Eislaufbahn.
                                                                               Region im Aufbruch.

10 Metropole Ruhr Ausgabe 04/2018
Metropole Ruhr Unterwegs im Ruhrgebiet.
LAND & LEUTE                                                                                                                                                                                                                                  LAND & LEUTE

                                                                                                                          A
                                                                                  GRÜNDER-DUO. Mit ihrer Masterplan-                   lles begann vor etwa neun         die Bertelsmann­Tochter Gruner & Jahr        dabei nicht nur die Geschäftsidee, sie
                                                                                  Plattform machen Stefan Peukert und
                                                                                                                                       Jahren beim Bier in einer         verzeichnete das Unternehmen fast 10         treten auch selbst als Experten in den
                                                                                  und Daniel Schütt Beschäftige fit für
                                                                                  die digitale Zukunft.                                Kneipe mitten im Ruhrge­          Millionen Seitenaufrufe pro Monat.           Online­Kursen auf.
                                                                                                                                       biet. Dort tauschten sich
                                                                                                                          Studierende über ihre unterschiedlichen                                                     Das junge Unternehmen Masterplan hat
                                                                                                                          Praktikumserfahrungen aus. Darunter                 FÜHRERSCHEIN FÜR                        wieder seinen Sitz im Ruhrgebiet. Zur­
                                                                                                                          auch der Bochumer Stefan Peukert, der                DIGITALISIERUNG                        zeit arbeiten sie am Husemannplatz in
                                                                                                                          gerade an der Universität Witten/Herde­                                                     Bochum, zum Ende des Jahres werden
                                                                                                                          cke General Management studierte. Mit          Nach einer Auszeit in Silicon Valley set­    sie neue Räumlichkeiten direkt am
                                                                                                                          der Feststellung „Nie wieder Kaffee ko­        zen Stefan Peukert und Daniel Schütt         Hauptbahnhof beziehen. „Die Standortent­
                                                                                                                          chen“ entstand gemeinsam mit Daniel            jetzt ihre nächste Geschäftsidee in die      scheidung, ob San Francisco, Berlin oder
                                                                                                                          Schütt die Idee eines Online­Portals, auf      Tat um. „Im Bereich Digitalisierung          Bochum, haben wir zum einen daran
                                                                                                                          dem Hochschüler ihre Praktika bewer­           haben wir in Europa gegenüber den USA        festgemacht, dass wir wieder mit unse­
                                                                                                                          ten können. Gedacht, getan. Mit einem          und China noch enormen Aufholbedarf.         rem alten Team zusammenarbeiten
                                                                                                                          beklebten VW­Bulli fuhren die beiden           Es reicht allein nicht aus, dass Unterneh­   wollten, die alle hier wohnen. Zum an­
                                                                                                                          Gründer kreuz und quer durch Deutsch­          men Berater engagieren. Die Mitarbeiter      deren wird die immer besser vernetzte
                                                                                                                          land, um den nötigen Grundstock für ihr        müssen mitgenommen werden.“ So               Start­up­Szene im Ruhrgebiet viel stär­
                                                                                                                          Online­Portal zu bekommen. Anhand              haben die beiden Tüftler ein B2B­Bil­        ker wahrgenommen. Das liegt sicherlich
                                                                                                                          von Fragebögen sammelten sie Bewer­            dungsportal entwickelt, mit dem Be­          am Einzugsgebiet der dichten Hochschul­
                                                                                                                          tungen – alles noch offline. 2010 starte­      schäftigte einen „Führerschein für Digi­     landschaft und der zahlreichen Unter­
                                                                                                                          ten sie dann mit dem Portal „meinprak­         talisierung“ online erwerben können. In      nehmen vor Ort“, resümiert Stefan
                                                                                                                          tikum.de“ durch.                               Zusammenarbeit mit führenden Digital­        Peukert. „Voraussichtlich im nächsten
                                                                                                                                                                         experten aus Deutschland und Silicon         Jahr wollen wir es auch mit einem Office
                                                                                                                                                                         Valley erarbeitet das Team beispiels­        in San Francisco probieren.“
                                                                                                                             AUF WACHSTUMSKURS

                                                                                                                          „Unser erstes halbes Büro hatten wir in
                                                                                                                          Witten an der Uni“, sagt Stefan Peukert
                                                                                                                          schmunzelnd. Da das Unternehmen ste­
                                                                                                                          tig größer wurde und die IT­Entwickler
                                                                                                                          aus Bochum kamen, zogen sie in das

                                    WIR WOLLEN
                                                                                                                          LUEG­Haus um. Ihre neuen Räume lagen
                                                                                                                          über dem alteingesessenen Union Film­
                                                                                                                          theater an der Bochumer Kortumstraße.

                                    DEUTSCHLAND
                                                                                                                          „meinpraktikum.de entwickelte sich
                                                                                                                          zum größten deutschen Praktikums­
                                                                                                                          portal, auf dem die meisten und besten

                                    DIGITALISIEREN
                                                                                                                          Stellen zu finden waren, auch Auslands­
                                                                                                                          Praktika. Bei Google waren wir immer
                                                                                                                          oben gelistet“, erzählen die beiden Grün­
                                                                                                                          der stolz. Und was bei der Auswahl an
                                                                                                                          Praktika hilfreich ist, kann bei der
                                    Mit ihrem zweiten Start-up-Unternehmen „masterplan.com“ landen
                                                                                                                          Suche nach Ausbildungsstellen nicht
                                    die beiden Gründer Stefan Peukert (33) und Daniel Schütt (35) aus
                                                                                                                          schlecht sein. So entwickelte das Unter­
                                    Bochum gerade ihren zweiten Coup. Ihr 30-köpfiges Team hat ein                        nehmen die nächste digitale Plattform
                                    E-Learning-Portal entwickelt, das helfen soll, Unternehmen und ihre                   „ausbildung.de“, auf der auch die Bundes­
                                    Mitarbeiter in die digitale Welt zu transformieren. Seit knapp zwei                   agentur für Arbeit wegen der großen
                                    Monaten sind sie jetzt online. Bereits ihre erste Geschäftsidee, das                  Reichweite ihre Ausbildungsstellen aus­        weise Lernvideos, die sie im eigenen         Auf die Frage, ob sich die Masterplan­
                                    Karriereportal Employour, lief so erfolgreich, dass die Bertelsmann-                  geschrieben hat. Anfangs finanzierten          Filmstudio erstellen. Mit dem Konzept        Gründer eng mit ihrer Heimat verbunden
                                    Tochter Gruner & Jahr dieses für einen Millionenbetrag gekauft hat.                   die Unternehmer ihre Idee noch privat,         konnten sie bereits namhafte Investoren      fühlen, erwidert Daniel Schütt: „Als jun­
                                                                                                                          später konnten sie Investoren gewinnen.        wie Trivago­Gründer Rolf Schrömgens,         ges Start­up aus dem Herzen des Ruhrge­
                                    TEXT   Barbara Klask                                                                  Unter dem Dach der Karriereplattform           Code­University­Gründer Thomas               biets entwickeln wir zwar keine regiona­
                                                                                                                          „Employour“ entstanden dann noch wei­          Bachem aus Berlin oder den ehemaligen        len Produkte, aber wir entwickeln gute
                                                                                                                          tere Portale wie trainee.de oder karista.de.   Bertelsmann­CEO Gunter Thielen über­         Produkte aus der Region heraus. Unser
                                                                                                                          Bis zur Übernahme von Employour durch          zeugen. Die Investoren finanzieren           Ziel ist es, Deutschland zu digitalisieren.“

12 Metropole Ruhr Ausgabe 04/2018                                                                                                                                                                                                Ausgabe 04/2018 Metropole Ruhr 13
Metropole Ruhr Unterwegs im Ruhrgebiet.
LAND & LEUTE                                                                                                                                                                                                                                                       LAND & LEUTE

„WIR KÖNNEN
 SOLIDARITÄT“
Duisburg liegt bei Herne und es sind nur wenige Schritte bis Mülheim an der Ruhr: Im Norden von
Irak – gut 4.000 Kilometer von der Metropole Ruhr entfernt – befindet sich das Flüchtlingsdorf
­Ruhrgebiet. Hier leben Familien in Wohncontainern, die nach Ruhrgebietsstädten benannt wurden.

TEXT     Ulf Maaßen

S
            tädtenamen wie Duisburg, Dorsten, Mülheim oder         irgendwie. Ich komme aus dem Ruhrgebiet. Ich weiß, was wir
            Essen auf Lufthansa-Jets und Bundesmarine-Fregat­      Menschen hier können, nämlich Solidarität zeigen.“ Mitstreiter           RECHT AUF BILDUNG. Von Spendengeldern wurde im Flüchtlingsdorf Ruhrgebiet eine Schule gebaut.
            ten sind oft nur eine Prestigesache. Auf den Contai­   für seine Vision einer effektiven Flüchtlingshilfe fand Yüksel
            nern im Flüchtlingsdorf Ruhrgebiet im Camp Mam         schnell in Rudi Löffelsend, viele Jahre Leiter der Caritas-Auslands­     Erst vor Ort im kurdischen Autonomiegebiet wird der Ernst                flexibel einsetzbar sind und später auch als Basis für den Wie­
Rashan in der nordirakischen Provinz Dohuk hingegen sind           hilfe im Bistum Essen, und in dem NRZ-Redakteur Jan Jessen, der          der Lage deutlich, in der sich die Menschen dort befinden.               deraufbau der Dörfer dienen können“, erklärt Löffelsend. Das
diese Schriftzüge ein Zeichen für humanitäre Hilfe und Zu­         Hilfstransporte in den Nordirak organisiert hatte und dessen             Der Terror des „Islamischen Staates“ hat Millionen Menschen              Ziel des Flüchtlingsdorfs Ruhrgebiet ist klar formuliert: Es geht
sammenhalt. In nur vier Jahren entstand vor den Toren der          ­Berichte die Notwendigkeit einer raschen Hilfe verstärkten.             in die Flucht getrieben und damit ihrer Existenz beraubt.                darum, den Menschen eine Perspektive in ihrer Heimat zu
Stadt Sheikhan dank der Hilfe aus der Metropole Ruhr ein            Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel vom Regionalver­               ­A lleine in der Autonomen Region Kurdistan mit ihren rund               geben. Deshalb wurde neben den Wohncontainern dank der
­P rojekt, das neue Wege der internationalen Zusammenarbeit         band Ruhr, der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen und                fünf Millionen Einwohnern schätzt man die Zahl der Flücht­              Hilfe durch die Deichmann-Stiftung eine ­Bäckerei mit einer
 in der Flüchtlingshilfe aufzeigen soll.                            der Wirtschaftsmanager Klaus Engel übernahmen die Schirm­                linge auf 2,3 Millionen Menschen. In der Provinz Dohuk, in der          Tagesproduktion von 10.000 Broten für rund 5.400 Menschen
                                                                    herrschaft. Ziel der Initiative sollte sein, ein Flüchtlingsdorf         auch Mam Rashan gegründet wurde, sollen rund 40.000 ver­                eingerichtet. „Hier geht es ums Überleben. Da muss Brot ein­
Als der Bochumer Landtagsabgeordnete Sedar Yüksel, als Sohn         aus 100 isolierten Containerunterkünften zu errichten, gestif­           triebene Familien in 21 Camps leben. Und wer keinen Platz in            fach sein“, so Löffelsend.
kurdischer Einwanderer in Essen geboren, Ende 2014 von der         tet von Städten, Unternehmen, Vereinen und Privatpersonen                 einem der Lager findet, dem bleibt nur ein Quartier in den zu­
­Situation im Nordirak hörte, war ihm klar: „Wir müssen helfen –   aus dem Ruhrgebiet.                                                       gigen Rohbauten oder Ruinen der Region. Eine Rückkehr in das            Mittlerweile sind die Wohncontainer von Flüchtlingsfamilien
                                                                                                                                             jesidische Siedlungsgebiet Sindschar scheint auf Jahre unmög­           bezogen worden. In einer Basarstraße können die Bewohner
                                                                                                                                             lich. Die Dörfer wurden vom IS zerstört, die Straßen und Felder         als Handwerker und Händler ihre Waren und Dienstleistun­
                                                                                                                     WOHNCONTAINER           vermint. Nach UN-Schätzung werden rund 360 Millionen Euro               gen anbieten. Und an der Zufahrtsstraße nach Sheikhan ent­
                                                                                                                     „ESSEN“. Über 100
                                                                                                                                             nur für die wichtigsten Maßnahmen zum Wiederaufbau der                  standen Gewächshäuser. Das frische Gemüse dient nicht nur
                                                                                                                     Container, die alle-
                                                                                                                     samt nach Ruhrge-       Infrastruktur benötigt.                                                 der Selbstversorgung. Mit technischer Unterstützung der
                                                                                                                     bietsstädten be-                                                                                Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit
                                                                                                                     nannt sind, bieten
                                                                                                                     den Flüchtlingen in                                                                             (GIZ) wurde eine Schule aufgebaut. Die Klassen werden in
                                                                                                                     Dohuk ein Zuhause.                   EINE NEUE PERSPEKTIVE                                      einem Zwei-Schicht-System unterrichtet.

                                                                                                                                            Von dieser Summe haben sich Yüksel und seine Mitstreiter nicht           Dass innerhalb der kurzen Zeit auch noch ein Jugend- und
                                                                                                                                            abschrecken lassen. Im Vordergrund stand die Idee, für die               ­Therapiezentrum, ein Krankenhaus sowie ein Sportplatz in
                                                                                                                                            Flüchtlinge ein Umfeld zu schaffen, das den Begriff „menschen­            Mam Rashan errichtet werden konnten, macht den Kraftakt
                                                                                                                                            würdig“ verdient, nämlich Bildung, Arbeit und Gesundheit.                 der Initiative deutlich. Ob Privatperson, Schulklassen oder
                                                                                                                                            „Unser Ziel war es, möglichst viele Dinge im Irak zu besorgen.            ­Unternehmen wie die Funke-Gruppe – über 600.000 Euro
                                                                                                                                            Das spart Ärger mit dem Zoll und hohe Transportkosten. Und               Spenden flossen bislang ohne Verwaltungsaufwand in das
                                                                                                                                            es hilft der lokalen Wirtschaft“, so Löffelsend. So werden die           Projekt. Die Hilfe aus dem Ruhrgebiet hat sich längst schon
                                                                                                                                            Doppelcontainer, die jeweils Platz für zwei Familien bieten,             auf NRW und Deutschland ausgeweitet.
                                                                                                                                            von einer Firma in der Stadt Erbil gebaut. Der Stückpreis liegt
                                                                                                                                            dort bei 5.000 Euro. „Die Container haben den Vorteil, dass sie          Visionen für die Zukunft haben die Initiatoren genügend. So
                                                                                                                                                                                                                     kann sich die Verwaltung von Sheikhan vorstellen, dass aus
                                                                                                                                                      SPENDEN                                                        dem Dorf der Flüchtlinge ein eigener Stadtteil wird. Oder es
                                                                                                                                                                                                                     geht in Karakosch weiter, weil diese überwiegend von Chris­
                                                                                                                                                Spenden für „Flüchtlingsdorf Ruhrgebiet“ Kontoinhaber:               ten bewohnte Region unter dem IS-Terror besonders gelitten
                                                                                                                                                Caritas-Flüchtlingshilfe Essen
                                                                                                                                                Bank im Bistum Essen
                                                                                                                                                                                                                     hat. Platz für die Na­men von Spendern gibt es an den betroffe­
                                                                                                                                                IBAN: DE45 3606 0295 0000 1026 28                                    nen Orten im Nordirak genügend.
                                                                                                                                                Stichwort: Flüchtlingsdorf Ruhrgebiet

                                                                                                                                                                                                                                                      Ausgabe 04/2018 Metropole Ruhr 15
Metropole Ruhr Unterwegs im Ruhrgebiet.
TERMINE
                                                                                                                                                                                                                                        REISEANGEBOTE
                                                                                                    WEITERE TERMINE
                                                                                                    UND EVENTS in der
 TERMINE UND EVENTS                                                                                 Metropole Ruhr finden Sie unter:
                                                                                                     www.kulturinfo.ruhr
                                                                                                                                                                                                                                 BIATHLON AUF SCHALKE
                                                                                                                                                                                                                                 Im Dezember 2018 heißt es wieder Spitzen-
                                                                                                                                                                                                                                 sport und Spitzengaudi mitten im Ruhrge-
 IN DER METROPOLE RUHR                                                                                                                                                                                                           biet. Nur im Pott gibt es das größte Biathlon-
                                                                                                                                                                                                                                 Spektakel der Welt. Die VELTINS-Arena
                                                                                                                                                                                                                                 verwandelt sich in eine riesige Winterland-
 Entdecken Sie, was im Ruhrgebiet los ist! In unserem Kalender finden Sie                                                                                                                                                        schaft mit rund 5.000 Kubikmetern Schnee.
 Tipps für alles, was Spaß macht – Shows, Musik, Messen, Mitmach-Ange-                                                                                                                                                           Das hochklassige Starterfeld sorgt für span-
                                                                                                                                                                                                                                 nende Wettkämpfe auf der weltcuptaugli-
 bote und vieles mehr. Langweilig wird es hier einfach nie!                                                                                                                                                                      chen Strecke. Ein großes Winterdorf mit vie-
                                                                                                                                                                                                                                 len Mitmachaktionen, bester Sicht auf die
                                                                                                                                           63. Schwerter                                                                         Außenloipe mit Steigungen und Abfahrten
                                                                                                                                           Kleinkunstwochen                                                                      erwartet die Fans. Beliebte Künstler sorgen
                                                                                               Grillo Theaters. Die Veranstaltung ge-
                                                                                                                                           u. a. mit Tahnee                                                                      für ausgelassene Stimmung auf den Rängen
                                                                                               hört zur Reihe „Jazz in Essen“.                                                                                                   und im Winterdorf bei der wohl größten
                                                                                                www.schauspiel-essen.de                                                                                                          ­Après-Ski Party des Ruhrgebiets. Den Abschluss
       20.2. bis 24.2.19                                                                                                                   18.1. bis 20.1.19                           16./17.2., 22. bis 24.2. und              bildet ein imposantes Indoor-Feuerwerk.
       STOMP                                                                                   3./4.1.19                                   Holiday on Ice                              4./5.3.19
                                                                                                                                                                                                                                 Inklusivleistungen:
                                                                                               Figurentheater Mummenschanz                 75 Jahre alt wird die große Eislauf-Show    Historischer Jahrmarkt in der             • Übernachtung inklusive Frühstück
                                                                                               Das legendäre Figurentheater aus der        im Jahr 2019! Mit „Showtime“ feiert sie     Bochumer Jahrhunderthalle                 • Ticket Biathlon auf Schalke inklusive kos-
                                                                                               Schweiz gastiert erstmals in Dortmund.      sich selbst und den Eislauf. In der Dort-   „Hereinspaziert, hereinspaziert“, heißt      tenloser Nutzung des öffentlichen Perso-
                                                                                               Im Konzerthaus bringen die Puppen-          munder Westfalenhalle drehen u. a. die      es bei Europas größtem historischen In-      nennahverkehrs am Veranstaltungstag
                                                                                                                                                                                                                                 • Reisepreissicherungsschein
                                                                                               spieler ihr neues Programm „you & me“       aktuell besten Paarläufer der Welt, die     door-Jahrmarkt in der Jahrhunderthalle
                                                                                               auf die Bühne – gewohnt poetisch und        Olympiasieger Aljona Savchenko und          Bochum.                                   ab 92,- Euro p.P. im DZ
                                                                                               fantasievoll.                               Bruno Massot, ihre Pirouetten.               www.jahrhunderthalle-bochum.de
                                                                                                www.mummenschanz.com                         www.holidayonice.de                                                                  www.ruhr-tourismus.de
                                                                                                                                                                                       20.2. bis 24.2.19
                                                                                                                                                                                                                                 LICHTERGLANZ UND
                                                                                                                                           26.1. bis 26.5.19                           STOMP                                     STERNENZAUBER
                                                                                                                                           63. Schwerter Kleinkunstwochen              Die Gruppe gibt dem Wort „Rhythmus-       Der Bochumer Weihnachtsmarkt ist die ide-
                                                                                                                                           Es darf gelacht werden: An acht Aben-       maschine“ eine neue Bedeutung: Mit        ale Einstimmung auf Weihnachten. Lassen
                                                                                                                                                                                                                                 Sie sich von der festlichen Beleuchtung ver-
                                                                                                                                           den präsentiert das Festival Kleinkunst     Besen, Tonnen, Einkaufswagen und an-
                                                                                                                                                                                                                                 zaubern und staunen Sie über den „Fliegen-
                                                                                                                                           vom Feinsten, u. a. mit Tahnee, Ingolf      deren ganz alltäglichen Gegenständen      den Weihnachtsmann“ – die Hochseilshow
                                                                                                                                           Lück und Ingo Oschmann. Außerdem            trommeln, tröten und stampfen sie ihr     von Falko Traber. Der Mittelalterliche Markt
                                                                                                                                           wird der Schwerter Kleinkunstpreis          Programm. Zu erleben sind die furiosen    begeistert mit seinen Fackeln und Feuerstel-
                                                                                                                                                                                                                                 len und bei einer AstronomieShow im Zeiss
    23.11.18 bis 31.12.18                         Der BVB lädt Fans zum zweiten Weih-                                                      verliehen.                                  britischen Performer auf der Bühne des
                                                                                                                                                                                                                                 Planetarium Bochum ist man den Sternen
    Cranger Weihnachtszauber                      nachtssingen ein. Prominenter Gast ist       3.1. bis 4.4.19                               www.schwerter-kleinkunstwochen.de         Colosseum Theaters Essen.                 ganz nah. Der Genuss des kulinarischen An-
    Der größte mobile Weihnachts-The-             Pop-Star Sasha.                              Kosmischer Horror im Museum                                                              www.bb-promotion.com                     gebotes macht besonders viel Spaß, denn mit
    menmarkt Europas lockt erstmals mit            www.bvb.de                                  Ausgewählte Gruselgeschichten aus                                                                                                 dem Weihnachtspaß profitieren Sie von zahl-
    Eisbahn, Showprogramm, Weihnachts-                                                         der Feder von H. P. Lovecraft jagen Besu-                                               9. bis 17.3.19                            reichen Vergünstigungen. Und als Erinnerung
                                                                                                                                                                                                                                 an Bochum gibt es ein Glas Original Bochumer
    markt und natürlich spannenden                23.12.18                                     chern des Archäologischen Museums in                                                    Equitana                                  CURRYKULT-Sauce zum Mitnehmen!
    Fahrgeschäften.                               Weihnachtssingen auf Schalke                 Herne Schauer über den Rücken. An vier                                                  Rund 860 Aussteller präsentieren in der
      www.cranger-weihnachtszauber.de             Beim Weihnachtssingen auf Schalke am         Abenden schaudert es sie bei Lesungen                                                   Messe Essen alles rund ums Pferd. Zu      Inklusivleistungen:
                                                  Tag vor dem Heiligen Abend darf jeder        mit übernatürlichen Geschichten des                                                     den Gästen der Weltmesse des Pferde-      •E    ine Übernachtung inklusive Frühstück
                                                                                                                                                                                                                                 • 1 mal 24-Stunden-Ticket für den ÖPNV
    1. bis 9.12.18                                mitsingen. Den Ton in der Veltins Arena      amerikanischen Horror-Autors aus dem                                                    sports zählen u. a. Springreiter Ludger
                                                                                                                                                                                                                                    ­innerhalb Bochums
    Essen Motor Show                              geben Sänger Ben Zucker und Star-Koch        letzten Jahrhundert.                                                                    Beerbaum und „Pferdeflüsterer“ Monty      • 1 Weihnachtspass pro Person mit Vergüns-
    Klassiker, junge Wilde und PS-Schleu-         Nelson Müller an.                              www.lwl-landesmuseum-herne.de                                                         Roberts.                                      tigungen für den Bochumer
    dern – bei der Essen Motor Show kom-           www.veltins-arena.de                                                                                                                 www.equitana.de                              Weihnachtsmarkt
                                                                                                                                                                                                                                 •E    inmaliger Eintritt pro Person in eine
    men Autofans voll auf ihre Kosten.                                                         10.1. bis 5.3.19
                                                                                                                                                                                                                                     ­AstronomieShow des Zeiss Planetarium
    Mehr als 500 Aussteller aus den Berei-        30.12.18                                     Geierabend 2019                             9./10.2.19                                  13. bis 17.3.19                                Bochum
    chen Tuning, Motorsport, sportliche           Dickens‘ Weihnachtsgeschichte                „Zechen und Wunder“ – unter diesem          Martin Luther King Essen                    Creativa                                  • 1 Glas Original Bochumer CURRYKULT-
    ­Serienautomobile und Classic Cars            im Grillo-Theater                            Titel steht die neue Session des alterna-   2.400 Sängerinnen und Sänger, Orches-       Europas größte Kreativmesse in den             Sauce (Abholung bei Bochum Touristinfo)
                                                                                                                                                                                                                                 • Reisepreissicherungsschein
     ­präsentieren ihre Angebote.                 Jazz und Literatur treffen auf Weihnachts­   tiven Ruhrpott-Karnevals in Dortmund.       ter, Big-Band und internationale Musi-      Dortmunder Westfalenhallen macht
      www.essen-motorshow.de                      stimmung: Die britische Jazzsängerin         An insgesamt 37 Abenden nehmen die          cal-Darsteller – so groß wird das Chor-     Lust aufs Basteln, Nähen, Gestalten,      Anreise:
                                                  Jenny Evans, der Trompeter und Spre-         Comedians in der Zeche Zollern das          musical „Martin Luther King – Ein           Malen und alles, was gerade im Selber-    Anreise im Zeitraum 22. November bis
    16.12.18                                      cher Peter Tuscher und Pianist Walter        Leben „im Revier“ auf die Schippe. Au-      Traum verändert die Welt“. Das ökume-       machen-Trend liegt. In diversen Work-     22. Dezember 2018, Verlängerungsnacht
                                                                                                                                                                                                                                 möglich
    BVB-Weihnachtssingen                          Lang bringen „A Christmas Carol“ von         ßerdem wird der Anti-Karnevalsorden         nische Projekt feiert Uraufführung in       shops und Vorführungen geben Exper-
                                                                                                                                                                                                                                 ab 99,- Euro p.P. im DZ
    Am dritten Advent wird im Dortmunder          Charles Dickens als musikalisch-szeni-       „Pannekopp“ verliehen.                      der Essener Grugahalle.                     ten immer wieder neue Anregungen.
    Signal Iduna Park geträllert statt gekickt:   sche Lesung auf die Bühne des Essener         www.geierabend.de                            www.king-musical.de                        www.messe-creativa.de                     www.ruhr-tourismus.de

16 Metropole Ruhr Ausgabe 04/2018                                                                                                                                                                                                           Ausgabe 04/2018 Metropole Ruhr 17
Metropole Ruhr Unterwegs im Ruhrgebiet.
FREIZEIT & REISE                                                                                                                                                                                                                                                 FREIZEIT & REISE

 GLÜHWEINDUFT                                                                                                                                       kann man hier über 200 Handwerk­
                                                                                                                                                    stände entdecken. Rund um die Paulus­
                                                                                                                                                    kirche gibt es außerdem einen mittel­
                                                                                                                                                                                                 der Weihnachtsmarkt in Essen. In 56 Me­
                                                                                                                                                                                                 tern Höhe blickt man auf dem höchsten
                                                                                                                                                                                                 mobilen Riesenrad der Welt bis zur Zeche
                                                                                                                                                                                                                                             Der Weihnachtsmarkt in Hattingen be­
                                                                                                                                                                                                                                             geistert mit seinem nostalgischen Ambi­
                                                                                                                                                                                                                                             ente. Wer durch die Gassen entlang der

 UND LICHTERGLANZ                                                                                                                                   alterlichen Markt, bei dem man in die
                                                                                                                                                    Welt der Gaukler und Tavernenwirte
                                                                                                                                                    eintaucht. Das Highlight ist der flie­
                                                                                                                                                                                                 Zollverein. Der Markt in Essen verteilt
                                                                                                                                                                                                 sich in der gesamten Innenstadt, die in
                                                                                                                                                                                                 der Weihnachtszeit in ein funkelndes
                                                                                                                                                                                                                                             historischen Fachwerkhäuser und fun­
                                                                                                                                                                                                                                             kelnden Lichter schlendert, kann allerlei
                                                                                                                                                                                                                                             Köstliches und Schönes bewundern.
                                                                                                                                                    gende Weihnachtsmann in 33 Meter             Lichtermeer verwandelt wird. Bis zum        Vom 26. November bis zum 23. Dezember
 Wenn der Duft von Lebkuchen und gebrannten Mandeln in der Luft liegt, die Straßen
                                                                                                                                                    Höhe über dem Dr. Ruer-Platz. In einem       23. Dezember gibt es eine einzigartige      sorgt das festlich geschmückte Dampf­
 festlich dekoriert sind, dann beginnt die Zeit der Weihnachtsmärkte. Einige der
                                                                                                                                                    von Rentieren gezogenen Schlitten            Vielfalt von kulinarischen Köstlichkeiten   karussell aus dem Jahr 1898 für strah­
 schönsten und größten des Landes liegen in der Metropole Ruhr.                                                                                     schwebt er über die Besucher und erzählt     über exotische Gewürze bis hin zu Hand­     lende Kinderaugen. Als Höhepunkt
                                                                                                                                                    eine Weihnachtsgeschichte.                   arbeiten aus aller Welt und rustikale Ge­   ­öffnet Frau Holle jeden Tag ein Advents­
 TEXT     Sarah Thönneßen, Marina Biermann
                                                                                                                                                                                                 mütlichkeit auf dem Mittelaltermarkt an      türchen, lässt aus den Federkissen Gold­
                                                                                                                                                                                                 der Essener Marktkirche zu entdecken.       taler regnen und liest Geschichten vor.

                                                                                                                                                                                  Dor tm
                                                                                                                                                                                        und
                                                                                                                                                                                                        ROMANTIK UND
                                                                                                                                                                                                       BESCHAULICHKEIT                                                    Schlo
                                                                                                                                                                                                                                                                                  ss Bro
                                                                                                                                                                                                                                                                                           ich

                                                                                                                                                                                                 Aber nicht nur die großen und bekann­
                                                                                                                                                                                                 ten Weihnachtsmärkte haben etwas zu
                                                                                                                                                                                                 bieten. Wer es eher beschaulich mag wird
                                                                                                                                                                                                 in der Metropole Ruhr auch fündig. Fernab
                                                                                                                                                                                                 vom klassischen Weihnachtsmarkt präsen­
                                                                                                                                                                                                 tiert die Schiffsweihnacht an der Schleu­
                                                                                                                                                                                                 seninsel in Mülheim an der Ruhr auch in
                                                                                                                                                    Wenn man an Weihnachtsmärkte im              diesem Jahr ein einzigartiges vorweih­
                                                                                                                                                    Ruhrgebiet denkt, darf natürlich der         nachtliches Event. Vom 30. November bis
                                                                                                                                                    Weihnachtsmarkt in Dortmund nicht            zum 2. Dezember können Besucher auf         Ein Geheimtipp ist der Weihnachtsmarkt
                                                                                                                                                    ­fehlen. Über das Ruhrgebiet hinaus ist      den Schiffen der Weißen Flotte und am       auf Schloss Broich. In der alten Karolin­
                                                                                                                                                     er für seinen imposanten Weihnachts­        Ufer bummeln, Kunsthandwerk bestau­         gerfestung in Mülheim an der Ruhr ver­
                                                                                                                                                     baum bekannt, der stolze 45 Meter misst     nen und weihnachtliche Leckereien           bringen Besucher vom ersten bis zum
                                                                                                                                                     und mit rund 48.000 Lichtern geschmückt     verköstigen.                                dritten Adventwochenende in histori­
                                                                                                                                                     ­ist. Seit dem 22. November bis zum 30.                                                 schem Ambiente besinnliche Stunden
                                                                                                                                                      Dezember kann man ihn und die etwa                                                     bei Kerzenschein. Passend zum mittelal­
                                                                                                                                                      300 Händlerstände bestaunen. Jedes                                                     terlichen Flair gibt es ein Kinder-Reittur­
                                                                                                                                                      Jahr gibt es hier eine Glühweintasse                                     Hage
                                                                                                                                                                                                                                      n
                                                                                                                                                                                                                                             nier und ein Krippenspiel in lateinischer
                                                                                                                                                      mit neuem Ruhrgebietsdesign, die man                                                   und mittelhochdeutscher Sprache. Den
                                                                                                                                                      prima als Andenken mit nach Hause                                                      Abend lässt man bei einem Krug Met im
                                                                                                                                                      nehmen kann.                                                                           Fackelschein ausklingen.
                                                                                                                                       Hattingern
                                                                                                                                                    Wer nicht früh genug in Weihnachts­                                                      Egal ob groß oder klein, trubelig oder be­
                                                                                                                                                    stimmung kommt, der ist auf dem Weih-                                                    schaulich – jeder Weihnachtsmarkt zeigt
                                                                                                                                                    nachtsmarkt in Duisburg genau richtig.                                                   eine andere einzigartige Facette des Ruhr­

D
                                                                                                                                                    Hier fing die besinnliche Zeit schon am                                                  gebiets. Da die Ruhrgebiets-Weihnachts­
             ie Weihnachtsmärkte im           Märkte mit allerlei Handwerkskunst in        besondere Höhepunkte, die einen in be­                   15. November an und geht bis zum 30.                                                     märkte alle nicht weit weg voneinander
             Ruhrgebiet sind so viel­seitig   den schön dekorierten Buden. Die vor­        sinn­liche Stimmung versetzen.                           Dezember, womit der Duisburger Weih­                                                     liegen, lohnt es sich, diesen Winter auch
             wie seine Menschen. Wer          weihnachtliche Atmosphäre runden                                                                      nachtsmarkt der Längste in der Region        Ganz romantisch wird es in Hagen. Im        mal neue Weihnachtsmärkte zu entde­
             möchte, kann sich in der Ad­     Chöre, Geschichten und weitere Pro­                                                                   ist. Die Innenstadt erstrahlt in weih­       LWL-Freilichtmuseum gibt es in uriger       cken. Und wenn man durch Glühwein
 ventszeit jeden Tag auf einem anderen        grammpunkte der Weihnachtsmärkte                    DIE GRÖSSTEN                                      nachtlichem Glanz mit Tannen und             Atmosphäre einen Handwerkermarkt            und glänzende Lichter in besinn­licher
 Markt in Weihnachtsstimmung bringen          im Ruhrgebiet perfekt ab. Viele Märkte          ­W EIHNACHTSMÄRKTE                                    ­besinnlicher Dekoration. Ob beim Schlitt­   ­zischen all den wunderschönen Fach­        Stimmung ist, dann kann Weihnachten
 und die Vorfreude auf das bevorstehen­de     öffneten bereits Mitte November – es                 DER REGION                                        schuhlaufen auf der zentralen Eislauf­       werkhäusern. Vom 30. November bis          endlich k­ ommen.
 Fest gemeinsam mit den Liebsten zele­        bleibt also genügend Zeit, in die gemütli­                                                             bahn oder bei einer Fahrt auf einem der      zum 2. Dezember kann man dort hand­
 brieren. Neben wärmendem Glühwein,           che Atmosphäre der Vorweihnachtszeit         Zu den bekanntesten Größen im Ruhrge­                     Fahrgeschäfte, wer auch in der Advents­     gezogene Bienenwachskerzen, liebevoll        www.ruhr-tourismus.de
 faszinierendem Lichterzauber und kuli­       einzutauchen. Insgesamt bieten alle          biet zählt der Weihnachtsmarkt in Bochum.                 zeit Action braucht, wird hier fündig.      gear­beitetes Holzspielzeug und andere
 narischen Köstlichkeiten begeistern die      Weihnachtsmärkte im Ruhrgebiet ganz          Vom 22. November bis zum 23. Dezember                     Eine atemberaubende Aussicht bietet         Kostbarkeiten erwerben.

18 Metropole Ruhr Ausgabe 04/2018                                                                                                                                                                                                                       Ausgabe 04/2018 Metropole Ruhr 19
KULTUR                                                                                                                                                                           KULTUR

                                                       A
                                                                  ls ich die ersten Teppiche gestaltet habe, habe ich      Knüpf-Technik aber blieb er treu. Eine Erfolgskombination, wie sich
                                                                  keinen Gedanken daran verschwendet, dass dar­            später herausstellte. Heute gehören Teppiche made by Jan Kath zu
                                                                  aus einmal eine große internationale Marke wer­          den zehn wichtigsten Luxusmarken aus Deutschland.
                                                                  den sollte“, erzählt Jan Kath. Der Bochumer gilt als
                                                       Shootingstar der Teppichbranche. Seine modernen Orienttep­
                                                       piche werden wie Kunstwerke gehandelt, für die seine mitun­              INDUSTRIEKULTUR ALS INSPIRATION
                                                       ter prominenten Kunden bis zu 3.000 Euro pro Quadratmeter
                                                       bezahlen. Anthony Kiedis von den Red Hot Chilli Peppers, der        Die Ideen für seine außergewöhnlichen Designs findet der
                                                       frühere US-Präsident Bill Clinton und sogar arabische Königs­       36-Jährige dort, wo er aufgewachsen ist. „Die Industriekultur,
                                                       häuser schmücken ihre Anwesen mit den handgeknüpften                die Kulisse des Ruhrgebiets, hat mich stark beeinflusst und die

  SHOOTINGSTAR                                         Designer-Stücken.

                                                       Jan Kath ist mit Orientteppichen aufgewachsen. Seine Eltern
                                                                                                                           Ästhetik ist in die ein oder andere Kollektion eingeflossen. Ich
                                                                                                                           finde es spannend, wie sich die Natur die früheren Bergwerks­
                                                                                                                           gelände zurückerobert hat“, erzählt der gebürtige Bochumer,

  DER TEPPICHBRANCHE
                                                       und Großeltern führten viele Jahre lang ein Fachgeschäft in         der als Kind gerne Industrie-Safaris und Exkursionen durch
                                                       ­Bochum. Zum Beruf als Designer kam er aber eher zufällig,          das Ruhrgebiet unternahm und Industriegelände erkundete.
                                                        denn eigentlich wollte er nicht in die Fußstapfen seines Vaters    Auch heute noch ist Kath eng mit seiner Heimat verwurzelt.
                                                        treten. Stattdessen zog es ihn raus dem Ruhrgebiet. Nach dem       Sein globales Teppich-Imperium steuert er von einer ehemali­
                                                        Zivildienst hat Jan Kath seinen Rucksack gepackt und ist fast      gen Maschinenfabrik in Bochum-Ehrenfeld aus, die Industrie­
                                                        zwei Jahre lang durch Indien und Nepal gereist. In Kathmandu       kathedralen wie die Jahrhunderthalle oder Zeche Zollverein
                                                        begegnete der dann durch Zufall einem Geschäftspartner sei­        dienten bereits als Kulisse für Teppich-Kataloge und erst vor
                                                        nes Vaters, der ihm prompt einen Job in dessen Teppich-Manu­       wenigen Wochen reiste eine chinesische TV-Produktions-
  Lange galt der Orientteppich als konservativ          faktur anbot. Ein Schlüsselmoment im Leben von Jan Kath, der       ­firma in die ­Metropole Ruhr, um Jan Kath an einem seiner
  und angestaubt, bis ein Mann aus dem Ruhr-            die Fabrik einige Jahre später übernahm – „in einer Mischung        Inspirations­orte zu filmen
  gebiet ihm zum Trendstatus verhalf. Jan Kath          aus Leichtsinn und Übermut“, wie er selbst zugibt. Und weil das
  ist einer der bedeutendsten Teppichdesigner           Geld für einen ­Designer fehlte, machte Kath den Job kurzerhand
  der Welt und hat eine Luxusmarke erschaffen,          selbst. Doch der Erfolg blieb zunächst aus. „Zu diesem Zeitpunkt             FAIRE ARBEITSBEDINGUNGEN
  die unter anderem in China, Russland oder             waren handgeknüpfte Teppiche total out“, erklärt Kath. Um das
  den arabischen Regionen beliebt ist.                  eingestaubte Image aufzupolieren, verpasste er dem Orienttep­        In all den Jahren ist der Weltenbummler ein „Pottkind“ geblie­
                                                        pich deshalb ein frisches, modernes Makeover. Der traditionellen     ben, auch wenn er sich selbst inzwischen als halben Asiaten
  TEXT      Jennifer Röder                                                                                                   sieht. Sein Zweitwohnsitz befindet sich in Nordthailand. Regel­
                                                                                                                             mäßig reist Kath zudem nach Nepal, Indien, Marokko und in die
                                                                                                                             Türkei. In den dortigen Manufakturen knüpfen rund 2.500 Mit­
                                                                                                                           arbeiter die heiß begehrten Luxus-Teppiche. Die Besuche vor Ort
                                                                                                                           nutzt der Teppichdesigner nicht nur, um sich von der Qualität
                                                                                                                           seiner Produkte zu überzeugen, sondern auch, um zu überprü­
                                                                                                                           fen, ob die von ihm eingeführten Standards eingehalten wer­
                                                                                                                           den. Denn Nachhaltigkeit, faire Arbeitsbedingungen und eine
                                                                                                                           angemessene Bezahlung seiner Mitarbeiter liegen dem zweifa­
                                                                                                                           chen Vater am Herzen. „Dass der soziale Aspekt bei uns im Vor­
                                                                                                                           dergrund steht, ist für mich selbstverständlich. Nur wenn die
                                                                                                                           Arbeiter genug verdienen, um ihren Familien einen sicheren
                                                                                                                           ­Lebensunterhalt zu ermöglichen, können sie es sich leisten, ihre
                                                                                                                            Kinder statt zur Arbeit in die Schule zu schicken“, betont der
                                                                                                                            ­Unternehmer, für den erdbebenfeste Bauten ebenso ein Muss
                                                                                                                             sind. Um unabhängig von der lokalen Wasserversorgung zu
                                                                                                                             sein, hat er außerdem ein Wasseraufbereitungsprogramm
                                                                                                                             entwickelt.

                                                                                                                           Jan Kath ist in mehrfacher Hinsicht ein Vorbild – und jemand,
                                                                                                                           der Spuren hinterlassen will. „Mein Traum ist es, eine Teppich-
                                                                                                                           Periode zu prägen, ähnlich vielleicht wie es einst, im 17. Jahr­
  JAN K ATH. Orte wie die Mischanlage der Kokerei                                                                          hundert, einige Knüpfmeister aus Persien geschafft haben“,
  auf Zollverein dienen dem Teppichdesigner als
                                                                                                                           ­verrät er in einem ­Interview mit einer regionalen Tageszeitung.
  ­Inspiration. Hier kommen seine Teppiche besonders
   gut zur Geltung.                                                                                                         „Teppich ist ein Kulturgut. Es ist mein Anspruch, heute eine
                                                                                                                            ­Antiquität von morgen zu schaffen.“

20 Metropole Ruhr Ausgabe 04/2018                                                                                                                            Ausgabe 04/2018 Metropole Ruhr 21
KULTUR                                                                                                                                                                                                                                                                      KULTUR

                                                                                                                                                                                                                         MORGENSTERN TRIO

                                                                                                                                                                                                                   Das Morgenstern Trio ist ein deutsches Klaviertrio, das 2005 an der
                                                                                                                                                                                                                   Folkwang Hochschule in Essen gegründet wurde. Das Repertoire
                                                                                                                                                                                                                   geht von Haydn, Beethoven und Brahms über Ravel sowie Scho­
                                                                                                                                                                                                                   stakowitsch bis hin zu zeitgenössischen Komponisten. Die Mitglie-
                                                                                                                                                                                                                   der sind Pianistin Catherine Klipfel, Geiger Stefan Hempel (seit 2009)
                                                                                                                                                                                                                   und Cellist Emanuel Wehse.
                                                                                                                                                                                                                     www.morgensterntrio.com

                                                                                                                                                                                                               i­ nternational bedeutende Preise: den ersten Preis sowie Sonder­
                                                                                                                                                                                                                preis für die beste Haydn-Interpretation beim Haydn-Wettbe­
                                                                                                                                                                                                                werb in Wien, den zweiten Preis bei der fünften Melbourne
                                                                                                                                                                                                                International Chamber Music Competition und den zweiten
                                                                                                                                                                                                                sowie den Publikumspreis beim ARD-Wettbewerb in München.
                                                                                                                                                                                                                Von da an ging es für die drei international steil bergauf. Bei
                                                                                                                                                                                                                der Frage nach dem prägendsten Erlebnis, sprudelt es nur so aus
                                                                                                                                                                                                                ­Catherine Klipfel heraus. Sie erzählt von Touren durch Australien
                                                                                                                                                                                                                 und die USA, Südamerika und Asien sowie Auftritten in den
                                                                                                                                                                                                                 wichtigsten Konzertsälen Europas.

                                                                                                                                                                                                               Das Ruhrgebiet bleibt für die Pianistin aber nach wie vor etwas

 VON DER FOLKWANG                                                                                                                                                                                              Besonderes. „Die Anzahl an aktiven, kulturell interessierten
                                                                                                                                                                                                               Menschen im Ruhrgebiet und in ganz NRW ist riesig, die Dichte

 AN DIE WELTSPITZE
                                                                                                                                                                                                               an großen Konzerthäusern und kleinen Bühnen, die die klassi­
                                                                                                                                                                                                               sche Musik lebendig halten, einzigartig. Darüber hinaus entwi­
                                                                                                                                                                                                               ckelt sich die regionale Kulturszene laufend weiter. Hier hält
                                                                                                                                                                                                               man sich nicht an Konventionen, sondern ist offen für neue
                                                                                                                                                                                                               kulturelle ­Strömungen. Es ist motivierend und aufregend dabei
 Ihr künstlerisch herausragendes Können hat die Pianistin Catherine Klipfel zu einer gefragten                                                                                                                 zu sein“, schwärmt Klipfel. „Die Folkwang Universität der
 Solistin und Kammermusikerin gemacht. Seit 2005 ist sie Mitglied im international renommier-                                                                                                                  Künste bietet mit Musik, Theater und Tanz eine einzigartige
 ten Morgenstern Trio. Gegründet in der Metropole Ruhr, spielt das Klaviertrio mittlerweile in                                                                                                                 künstlerische Vielfalt, die Neugier und Interesse für die Kunst
                                                                                                                                                                                                               erweckt. Als Studentin hat mich diese Atmosphäre permanent
 den bedeutendsten Konzerthäusern der Welt.
                                                                                                                                                                                                               inspiriert.“ Nordrhein-Westfalen sei zudem wichtiges Sprung­
 TEXT     Jennifer Röder                                                                                                                             DAS MORGENSTERN TRIO : Catherine Klipfel (Klavier),       brett für Künstler, die international Erfolg haben wollen, er­
                                                                                                                                                     Stefan Hempel (Violine) und Emanuel Wehse (Violoncello)
                                                                                                                                                                                                               gänzt sie. „Als junger Künstler erhält man hier viel Unterstüt­
                                                                                                                                                                                                               zung. Ohne Stipendien wie das der Werner Richard - Dr. Carl
                                                                                                                                                                                                               Dörken Stiftung, die Konzertreihe Best of NRW oder den Förder­

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                                                                                                                                                                                                               preis des Landes NRW für junge Künstlerinnen und Künstler
                    enn Catherine Klipfel auf der Bühne steht, ist     getanzt, erzählt die Musikerin. Mit sechs Jahren hat sie an der            MIT DEM MORGENSTERN TRIO                                     wären wir heute vielleicht nicht dort, wo wir sind.“
                    sie eins mit der Musik. „Am Klavier ist es, als    Grundschule an einem Kurs für musikalische Früherziehung                        AUF ERFOLGSKURS
                    würde ich abtauchen und in einem Strom             teilgenommen und das Klavierspielen gelernt, mit neun Jahren                                                                            Catherine Klipfel ist auf dem Boden geblieben, trotz ihres Erfolgs.
                    von Gefühlen baden“, erzählt sie. Die Pianis­      besuchte sie das Konservatorium Metz, wo sie neben Klavier        Die Folkwang Universität der Künste ist für die gebürtige Fran­       Das wird einmal mehr bei der Frage nach ihrem größten Wunsch
 tin ist nicht nur eine gefragte Solistin, sondern auch Teil des       auch Violine studierte. Zehn Jahre später zog sie auf Empfeh­     zösin weitaus mehr als eine Ausbildungsstätte – sie ist Keim­         deutlich. Wer als Antwort ferne Reiseziele und noch größere Kon­
 Morgenstern Trios, eines der erfolgreichsten deutschen Kam­          lung ihrer damaligen Klavierlehrerin von Forbach (Lothringen)      zelle ihres Erfolgs, denn dort hat sie Emanuel Wehse und Nina         zertsäle erwartet, wird überrascht. „Ich wünsche mir mehr lokale
 mermusikensembles. Ob Carnegie Hall New York, Kennedy                nach Essen, wo sie ein Studium an der Folkwang Universität         Reddig, die bis 2009 zur Ursprungsbesetzung des Morgenstern           und nationale Auftritte“, erzählt sie lächelnd. „Ich kann es mir
 Center Washington DC, Musikverein und Konzerthaus Wien,              der Künste begann. „Die Folkwang Uni hat mir viele Türen           Trios gehörte, kennengelernt. „Die Idee, ein Trio zu gründen,         selbst nicht erklären, aber seitdem wir viel im Ausland unterwegs
 Philharmonien in Essen, Köln und Berlin oder das Concertge­          ­geöffnet“, erzählt Klipfel. „Die interne Anerkennung war von      hatten wir ganz spontan gegen Ende unseres Studiums“, er­             sind, haben wir immer weniger Engagements in Deutschland.
 bouw Amsterdam – mit ihren Musikerkollegen Stefan Hempel              Anfang an groß: Ich habe den Folkwang-Preis erhalten und          innert sich die Pianistin. „Damals wollten wir einfach mal            Das finde ich persönlich sehr schade.“ Dabei bietet das Morgen­
 (Violine) und Emanuel Wehse (Violoncello) ist Klipfel auf den         durfte beim Jubiläum auftreten. Direkt nach meinem Ab­            schauen, wie weit wir mit unserer Musik kommen.“ Sehr weit,           stern Trio eine große musikalische Vielfalt, die auch für regionale
 wichtigsten Podien der Welt zu Hause.                                 schluss wurde mir dann ein Lehrauftrag angeboten.“ Diesen         wie sich nur kurze Zeit später herausstellte. Schon ein Jahr          Veranstalter reizvoll sein dürfte. Derzeit arbeitet das Ensemble
                                                                       hat sie immer noch inne. Als gefragte Kammermusiklehrerin         ­danach erhielt das Morgenstern Trio, das übrigens nach dem           etwa im Auftrag der Duisburger Philharmoniker mit dem Düssel­
 Angefangen hat Catherine Klipfels Musikkarriere in ihrem Ge­          wird sie außerdem immer wieder zu Kursen unter anderem             Dichter Christian Morgenstern benannt ist, ein Stipendium            dorfer Komponisten Thomas Blomenkamp zusammen. Auf das
 burtsort Straßburg. Sie habe schon als Kind viel gesungen und         nach Bogota, Neapel und in die USA eingeladen.                     des Deutschen Musikwettbewerbes. 2017 gewann das Trio drei           Ergebnis dürfen sich Musikbegeisterte schon jetzt freuen.

22 Metropole Ruhr Ausgabe 04/2018                                                                                                                                                                                                                    Ausgabe 04/2018 Metropole Ruhr 23
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