Vorsicht, Überlast! - Deutsche Gesetzliche ...
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Das Magazin für Führungskräfte Ausgabe 6/2019 Vorsicht, Überlast! Wie Führungskräfte Zeit- und Leistungsdruck managen, bevor es zu spät ist AUS FEHLERN LERNEN TATORT ARBEITSPLATZ KRANK INS BÜRO? Von der Schuldkultur zur Lernkultur: Wie Führungskräfte gefährdete Lieber nicht! Der sogenannte So gelingt der Umgang mit Fehlern 08 Beschäftigte entlasten können 12 Präsentismus ist keine Kleinigkeit 14
I N H A LT 8 AUS FEHLERN LERNEN 4 Weg von der Schuldkultur, hin zur Lernkultur: So kann der gute Umgang mit – machen Sie Sicherheit und Fehlern gelingen Gesundheit zu Ihrem Tagesordnungspunkt Nummer eins. Immer alles sofort, am besten gleichzeitig: Der Druck in der Arbeitswelt ist groß. Durch viele äußere Einflüsse, Stichwort Fach- 12 kräftemangel, sind die Belastungen auch TAT O RT nicht so einfach zu reduzieren. Ein mög- A R B E I T S P L AT Z licher Ansatz: Wer sich selbst und seinen Wenn Beschäftigte oft mit Illustrationen: Thomas Walloch; DGUV; Getty Images/gt29; flaticon.com Beschäftigten gegenüber eingesteht, dass Zeit- und Leistungsdruck dazugehören, Gewalt konfrontiert wer- kann damit konstruktiv umgehen. den, müssen Führungs- kräfte gegensteuern Dann müssen Teams zwar immer noch dem Druck standhalten, erfahren dafür aber Wertschätzung. Zudem können Führungs- kräfte und Beschäftigte gemeinsam überle- gen, wie Belastungen und Ressourcen am besten verteilt werden, so dass die Arbeit für alle gut oder besser zu schultern ist. R ECH T L I CH E U P DAT ES E M P F O H L E N ZU M ... S eite 11 S eite 2 0 Das heißt natürlich nicht, dass Beschäf- tigte und Führungskräfte alles hinnehmen KRANK INS BÜRO? I M B L I CK : und nur ihre Einstellung ändern müssen. L I E B E R N I CH T ! W E I H N ACH TSST R ESS Neben strukturellen Änderungen gibt es Fotos: Getty Images/AydAn Mutlu/ollo/Piotr Marcinski/EyeEm S eite 14 IM GRIFF einige weitere Stellschrauben für Führungs- S eite 2 1 kräfte. Ob Pausenkultur, Selbstsorge oder AU S W I SSE N S CH A FT U N D Umverteilung: Richtig eingesetzt, können F O R S CH U N G : H AU SM E I ST E R I N CO N N Y : diese Maßnahmen für Entlastung und ein G ES U N D B E R U F L I CH M O B I L W E I H N ACH TSW I CH T E L N besseres Betriebsklima sorgen. S eite 16 S eite 2 2 Wie Sie Zeit- und Leistungsdruck ablassen G E FA H R STO F F E : AU F D E N P U N K T G E B R ACH T: können, erfahren Sie in der -Titel- E I N Ü B E R B L I CK Z WA N G ZU R T E I L N A H M E A M strecke ab Seite 4. S eite 18 B E T R I E B SF EST ? S eite 2 3 IMPRESSUM , 2. Jahrgang, erscheint zweimonatlich, Entgelt für den Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten // Internetadresse: topeins.dguv.de // Herausgegeben von: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV), Vorsitzende des Vorstandes: Volker Enkerts, Manfred Wirsch, Hauptgeschäftsführung: Dr. Stefan Hussy, Glinkastraße 40, 10117 Berlin, Telefon: 030 13001-0, Fax: 030 13001-9876, E-Mail: info@dguv.de, Internet: www.dguv.de, Umsatzsteuer-Identifikationsnummer: DE123382489, Vereinsregister-Nr.: VR 751 B beim Amtsgericht Charlottenburg // Redaktionsbeirat: Jens Ackermann, Renate Bantz, Gregor Doepke, Julia Fohmann, Karsta Herrmann-Kurz, Prof. Dr. Frauke Jahn, Gerhard Kuntze- mann, Dirk Lauterbach, Dr. Ralf Michaelis, Ina Neitzner, Meike Nohlen, Michael Quabach, Rike Schmickler-Bouvet, Dr. Ronald Unger, Dr. Martin Weber, Dr. Thorsten Wiethege, Dr. Monika Zaghow, Holger Zingsheim, Dr. Klaus Zweiling // Leserservice: redaktion@topeins.dguv.de. Bitte geben Sie bei Adressänderungen, Abbestellungen etc. möglichst Ihre Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse an. // Verlag: CW Haarfeld GmbH, Luxemburger Str. 449, 50939 Köln, www.cwh.de // Chefredaktion: Stefan Boltz (verantwortlich), Kathrin Baltscheit (Stellvertretung), DGUV // Redaktion: Kai Stiehl (Redaktionsleiter), Markus Fischer, Lena Markmann, Manuela Müller, Maren Zeidler // Druck: Print- und Medienproduktion Hamburg GmbH, Moorfleeter Deich 312 a, 22113 Hamburg // Grafisches Konzept: CW Haarfeld GmbH // Titelbild dieser Ausgabe: Thomas Walloch // Stand dieser Ausgabe: 13.11.2019 // Die nächste Ausgabe erscheint am 12.02.2020.
D er Duft der Arbeit. Weder in Deutsch- land noch auf inter- S nationaler Ebene gibt es martphone aus – Erholung an. Im Privaten wie bisher ein etabliertes Ver- im Job ist es ein ständiger Begleiter: das Mobil- fahren, wie Geruchsstoffe telefon. Gleichzeitig klagen viele Menschen über in der Innenraumluft zu bewerten sind. Gerade Ablenkung, Konzentrationsmangel und die permanente Gestank wird aber häufig als sehr störend wahr- Erreichbarkeit. Nun zeigt eine Studie der International genommen und ist oftmals sogar Anlass für Mes- School of Management (ISM) in Hamburg, dass bewusste sungen, weil Schadstoffe vermutet werden. Das Auszeiten vom Smartphone sich positiv auf unsere psy- zeigen aktuelle Daten aus einem Forschungspro- chische Erholung auswirken. Bei regelmäßigen Pausen jekt des Umweltbundesamtes. Und auch wenn nimmt das Verlangen nach dem Gerät ab, das Abschalten eine gesundheitliche Gefährdung ausgeschlos- von der Arbeit gelingt besser und es fällt leichter, zu re- sen wird, kann die Wahrnehmung eines Geruchs generieren. Die Studienteilnehmenden verzichteten für über das übliche Maß belasten. Zurzeit wird des- einen Zeitraum von zehn Tagen bewusst auf ihre Smart- halb diskutiert, ob Gerüche bei der Festlegung phones und beantworteten Fragen zu ihrer subjektiven von Arbeitsplatzgrenzwerten für den (Büro-) Befindlichkeit. Die Ergebnisse zeigen: Das Verlangen Innenraum berücksichtigt werden sollten. Duft nach dem Smartphone nahm deutlich ab, je länger auf und Gestank sind aber schwer zu messen – sie das Gerät verzichtet wurde. Die Fähigkeit zur Erholung sind höchst subjektiv, stark an Emotionen ge- nahm hingegen zu. Je schwächer der Wunsch nach dem koppelt und sprachlich schwer zu umschreiben. Gerät war, desto besser jedoch erholten sich die Studien- Das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin teilnehmenden. Vielen Smartphone-Nutzenden gelingt (IPA) setzt deshalb das sogenannte Polaritäten- es nur schwer, das Telefon aus der profil ein, um Gerüche (möglichst) objektiv zu Hand zu legen, auch wenn sie es erfassen. Dabei werden Wortpaare für die Be- eigentlich möchten. Deshalb emp- schreibung des Geruchs verwendet, aus denen fehlen die Autorinnen der Studie, die Betroffenen auswählen müssen – am Ende in Unternehmen und Bildungsein- entstehen daraus sogenannte Geruchsprofile. richtungen smartphonefreie Zonen einzurichten. t1p.de/m4tb t1p.de/ha03 Film ab! beim kommmitmensch Film & Mediafestival der A+A 2019. Abgeräumt haben die Azubis der BASF Colors and Effects GmbH. Gleich drei Preise nahmen die Jugendlichen aus Ludwigshafen für ihren Kurzfilm „999“ mit nach Hause. Im Düsseldorfer Messekino wurden am 7. November die besten Beiträge des Festivals aus- gezeichnet. Die Beteiligten waren sich einig: Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit können über Filme besonders gut vermittelt werden – dafür braucht es nicht allzu viel Technik und Know-how, aber ein wenig Mut. Alle ausgezeichneten Beiträge gibt es unter: kommmitmensch.de > „Gewinner 2019“ Sicher. Gesund. Miteinander. 6/2019 3
SE R I E A R B E I T E N 4.0 Serie „Arbeiten 4.0“ Die Arbeitswelt der Zukunft wird (noch) digitaler, flexibler und vernetzter. Doch wird sie auch besser sein? Werden die Menschen selbstbestimmter und gesünder arbeiten? Die Digitalisierung der Arbeitswelt, kurz Arbeiten 4.0, schafft neue Rahmenbedin- gungen für den Arbeitsschutz. betrachtet mit einer sechsteiligen Serie das Thema Arbeiten 4.0 genauer: Unter den Titeln „Erreichbarkeit“, „Flexi- bles Arbeiten“, „Führen 4.0“, „Neue Technologie“, „Neue Schlafkultur“ sowie „Zeit- und Leistungsdruck“ werden prägende Aspekte der neuen Arbeitswelt mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen vorgestellt. Zudem rückt Ansätze in den Blickpunkt, wie Führungskräfte mit den neuen Entwicklungen umgehen können. Serie Arbeiten 4.0 THEMA N Zeit- und ach diesem Projekt wird es einfacher“, Leistungsdruck „Ja, der Kunde ist schwierig, aber das wird schon“, „Wenn die Kollegin wieder da ist, können Sie Aufgaben abgeben“, „Setzen Teil 6/6 Sie Ihre Prioritäten doch anders“ oder gar „Machen Sie sich mal locker“. So oder so ähnlich antworten Führungskräfte auf Klagen der Beschäftigten über zu kleine Zeitbudgets für zu große Anforderungen. Das Gleiche bekommen sie selbst zu hören, wenn sie bei ihrem Management vorsprechen. Tatsächlich ist weder das nächste Projekt einfacher noch der neue Kunde. Die eine Kollegin kommt zurück, doch dann fehlt jemand anderes. Prioritäten setzen ist kaum möglich – die Arbeit fällt einem auf die Füße. Der Grund: Aufgaben sind zu eng getaktet. Hinzu kommen immense Komplexität und starke Regulierung sowie hochgesteckte – teilweise wider- streitende – Ziele. 4 6/2019
Vorsicht, Überlast! Die Belastung in der Arbeitswelt ist oft hoch und auch nicht so einfach zu reduzieren. Wer dies sich selbst und seinen Beschäftigten gegenüber eingesteht, kann mit Zeit- und Leistungsdruck konstruktiver umgehen. Es scheint, als fordere das dauerhaft hohe Pensum sei- nen Tribut. Eine technische Störung, das nächste Mee- ting, der Anruf einer Kundin oder die Kurznachricht des Kindes, das früher nach Hause kommt, lassen Illustration: Thomas Walloch keinen „Flow“ entstehen. Also lieber mal die Pause sausen lassen – laut BAuA-Arbeitszeitreport 2016 ent- scheiden sich 20 Prozent der Befragten häufig dafür. Der Grund: Die Arbeitsmenge sei anders nicht zu be- wältigen. Aber schafft man dadurch mehr? Dr. Sabine Gregersen, Psychologin bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), verneint das. „Wer die Pause auslässt, arbeitet zwar Weniger Druck, dennoch mehr Belastung länger, aber deutlich weniger effektiv. Zugleich steigt Dabei scheinen Zeit- und Leistungsdruck etwas ab- die Gefahr von Fehlern und Unfällen“, so Gregersen. genommen zu haben. Dies zeigt eine Erwerbstätigen- Wo Beschäftigte durcharbeiten, liegt das oft am „Vor- befragung durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz bild Vorgesetzte“. Führungskräfte nutzen laut Statistik und Arbeitsmedizin (BAuA). Die Ergebnisse aus dem ihre Pause noch seltener als ihre Mitarbeiterinnen und Jahr 2018 lassen sich über zwölf Jahre vergleichen und Mitarbeiter. Die Expertin der BGW rät: gemeinsam spiegeln die Einschätzungen in puncto belastende eine Pausenkultur einführen! Arbeitsbedingungen wider. Das Belastungsempfin- den jedoch ist nicht gesunken: Das 2006 schon hohe Niveau ist trotz intensiver Anstrengungen in der Tipp 1: Pausen (ernst) nehmen Prävention in der Summe nicht weniger geworden. Fest in den Arbeitstag integrierte Pausen helfen, ein Multitasking und Unterbrechungen sind aktuell leicht hohes Arbeitspensum gut zu bewältigen. angestiegen, andere Faktoren werden jedoch weniger Erholsam sind Pausen, die eine echte Auszeit darstel- häufig genannt: starker Termin- oder Leistungsdruck len – also möglichst den Arbeitsplatz verlassen und und sehr schnelles Arbeiten. Trotzdem wird an den etwas anderes tun als dort: Wer am Schreibtisch sitzt, Arbeitsplätzen nicht aufgeatmet. Im Gegenteil: Mehr geht spazieren. Wer körperlich arbeitet, legt die Beine Menschen geben an, sich belastet zu fühlen. hoch und ruht aus. Kurzpausen von wenigen Minuten steigern die Leis- tungsfähigkeit nachweislich. > 6/2019 5
SE R I E A R B E I T E N 4.0 > Durcharbeiten ist keine Dauerlösung Der Soziologe Prof. G. Günter Voß erforscht Zeit- und Um ihr Pensum leisten zu können, streichen Beschäf- Leistungsdruck. Er zieht nach einer aktuellen Be- tigte nicht nur Pausen, sondern verschieben auch den fragung von 52 Fach- und Führungskräften unter Feierabend. Das kann mal entlastend wirken, um et- dem Titel „Professioneller Umgang mit Zeit- und was in Ruhe abzuarbeiten. „Eine Dauerlösung darf das Leistungsdruck“ im Auftrag der BAuA Bilanz: „Viele nicht sein“, warnt Prof. Dr. Dirk Windemuth vom Insti- der Befragten wissen gar nicht, wie sie mit dem Druck tut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetz- umgehen können.“ (Interview mit Prof. Voß in der lichen Unfallversicherung (IAG). Tatsächlich werden topeins 6/2018, Seite 16) Die Belastung zu leugnen sei so die gesetzlichen Arbeitszeitregelungen unterlaufen, sinnlos – es verspiele die Handlungsoptionen. Wichtig die für den gesundheitsgerechten Ausgleich sorgen. sei zunächst die Selbstsorge. Vorgesetzte sollten sich Der Europäische Gerichtshof hat deshalb im Mai den Druck, unter dem sie stehen, bewusst machen, wo unterstrichen: Unternehmen sind verpflichtet, Arbeits- möglich Ursachen angehen und sich selbst Leistungs- zeitgesetze einzuhalten und dies zu dokumentieren. grenzen setzen. Wie sollen Beschäftigte ihre Aufgaben in den be- grenzten Zeitfenstern bewältigen können? „Ein erster Schritt kann für alle Beteiligten sein, Privates und Tipp 3: für sich selbst sorgen Berufliches möglichst klar voneinander abzugrenzen“, Anzeichen für Überforderung kritisch beobachten betont Windemuth. Für emotionalen und körperlichen Ausgleich sorgen Auf ausreichende Erholungsphasen und guten Schlaf achten Tipp 2: Berufliches und Privates klar trennen Sich in kritischen Phasen privat und beruflich Unter- Gesetzliche Arbeits- und Erholungszeiten einhalten stützung sichern Im Job weniger private Messengerdienste und Social Mit eigenen und fremden Anforderungen prag- Media benutzen und zuhause keine dienstlichen E- matisch umgehen Mails checken Aufgabenfülle bewusst begrenzen Berufliche Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit und private Erreichbarkeit innerhalb der Arbeitszeit Überforderung erkennen absprechen und Regeln festlegen Wer so mit sich selbst umgeht, hat auch einen Blick Flexible Arbeitszeiten als Gestaltungsinstrument für die Leistungsgrenzen von Beschäftigten. Anzei- nutzen chen dafür sind Gereiztheit und Unruhe, Klagen über Homeoffice nur unter bestimmten Bedingungen an- Kopf-, Rücken- oder Magenbeschwerden, Herz-Kreis- bieten (siehe topeins, Ausgabe 4/2019, Seite 4–7) lauf-Probleme, häufige krankheitsbedingte Abwesen- heit oder überlange Arbeitszeiten. Auch achten sollten Führungskräfte auf Anwesenheit trotz Krankheit, auf Welchen Bedingungen sind die Beschäftigten den Konsum von Medikamenten oder Drogen sowie in welchem Umfang ausgesetzt? auf sinkende Qualität der Arbeit. Darüber zu sprechen, ist nicht einfach. Vor allem, Verschiedene Arbeiten 59 % gleichzeitig betreuen wenn das Unternehmen von einer Leistungskultur 58 % geprägt ist, die kritische Stimmen als „Low Perfor- 60 % mer“ stigmatisiert. Zudem können Beschäftigte selten Starker Termin- oder 54 % einen bestimmten Belastungsgrund nennen. Wolfgang Leistungsdruck Engelhorn, ein auf Stressmanagement spezialisierter 52 % 48 % Businesscoach, empfiehlt dann, ein „Stresstage- buch“ zu führen. Oft wird sichtbar, dass der Druck auf Störungen und 47 % Unterbrechungen bei mehreren Ebenen entsteht – eine belastende familiäre 44 % Situation, eine neue Anforderung oder ein Konflikt am der Arbeit 46 % Arbeitsplatz, die Angst vor Kündigung. Sehr schnell arbeiten 45 % 39 % Laut Voß akzeptieren Beschäftigte hohen Druck we- 34 % niger als Führungskräfte. Wichtig ist für Vorgesetzte zu erkennen, ob Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter Arbeiten an der Grenze 17 % der Leistungsfähigkeit beispielsweise in einer privat belastenden Lebenssi- 16 % tuation oder auch mit zunehmendem Alter veränderte 16 % Optionen brauchen. Schließlich sind Erwerbstätige in Deutschland im Schnitt 44 Jahre alt – diese Zahl hat 2006 2012 2018 das Statistische Bundesamt für das Jahr 2018 ermittelt. Quelle: baua: Fakten „Zeitdruck und Co – Wird Arbeiten immer intensiver und belastender?“ 6 6/2019
Stellschrauben im Team finden Es geht also um klassische Felder der Prävention: Verhältnisse und Verhalten. Dabei zählen Zeit- und Leistungsdruck zu den psychischen Belastungen. Klar ist: Führungskräfte haben andere Gestaltungsspielräu- me als ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – auch wenn sie sich selbst im Hamsterrad gefangen fühlen. Ein Kurz-Check der Kampagne kommmitmensch kann helfen, gemeinsam die Stellschrauben auf Teamebene zu finden. Tipp 4: Gestaltungsmöglichkeiten im Team nutzen Handlungsspielräume gewähren, die entlastend wirken Für eine technisch angemessene und ergonomische Ausstattung der Arbeitsplätze sorgen Regelmäßig Team- und Mitarbeitergespräche führen Beteiligungsmöglichkeiten anbieten Mit Fehlern konstruktiv umgehen (siehe Seiten 8–10) Aufgaben und Kommunikation klar strukturieren Qualifizierungsmaßnahmen oder alternative Einsatz- möglichkeiten anbieten So wichtig der Führungsstil des Chefs oder der Chefin ist – Windemuth vom IAG sieht auch die Betriebe in der Pflicht. „Das hohe Niveau der psychischen Belas- tungen wird faktisch hingenommen, anstatt Instru- mente wie die Gefährdungsbeurteilung zu nutzen.“ Auch Manfred Kynast, der für die Handwerkskammer des Saarlandes Betriebe berät, verweist darauf. „Es geht dabei um funktionierende Abläufe, ein angeneh- mes Betriebsklima, eine gute Kommunikation und da- mit auch um weniger Belastungsempfinden“, berichtet der Ingenieur. Tatsächlich weist nur die Hälfte der Betriebe die Illustration: Thomas Walloch gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung auf. Kontrollen und Sanktionen sind wie beim Thema Arbeitszeit die Ausnahme. Das Forscherteam um Voß resümiert: „Die von Zeit- und Leistungsdruck betroffe- nen Beschäftigten werden mit dem Druck weitgehend vom Betrieb allein gelassen.“ Windemuth stellt einen Vergleich auf: „Es ist so, als würde ich eine Leitung re- parieren, ohne den Gashahn zuzudrehen. Stattdessen hänge ich ein Warnschild daran: Vorsicht, explosiv!“ Weitere Informationen zum Umgang mit Zeit- und Leistungsdruck finden Tipp 5: Der Kurz-Check der Kampagne Sie auf der Webseite der Kampagne kommmitmensch unter Der Kurz-Check vermittelt durch sechs kurze Fragen einen ersten Eindruck, in welchen Handlungsfeldern Führungskräfte mit ihrem Team aktiv werden können. Sicher. Gesund. Miteinander. AUTORIN: Miriam Becker kommmitmensch.de 6/2019 7
F E H L E R M A N A G E M E N T K U LT U R Lernkultur statt Schuldkultur Fehler sind nach wie vor ein großes Tabu. Doch der An- spruch, fehlerfrei zu sein, ist nicht nur unrealistisch. Er kann die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sogar gefährden. Mit professionellem Fehlermanagement und einer Vertrauenskultur fahren Führungskräfte besser. M enschen werden immer Fehler machen. Instituts der AOK (WIdO) berichtet. Das übersteigt die Schon allein aufgrund der Funktion und Zahl der durch Verkehrsunfälle Getöteten bei weitem: Kapazität des Gehirns: „Von der Art und 2014 starben 3.377 Personen im Straßenverkehr. Weise, wie wir Informationen verarbeiten, müssen wir Fehler machen“, spricht der Wirtschafts- Ein systematisches Fehlermanagement und eine psychologe und -forscher Professor Michael Frese von vertrauensvolle Betriebskultur sind die Bordmittel, der Leuphana Universität Lüneburg ganz nüchtern ein mit denen sich in jeder beliebigen Branche Fehler mit negativen Emotionen besetztes Thema an. reduzieren und die Sicherheit erhöhen lassen. Nur wenn Fehler offen eingestanden werden, lassen sich Vermeidungskultur hemmt Lernprozesse die Entstehungsursachen ergründen. Erst dann haben Freses Untersuchungen haben unter anderem er- Betriebe die Chance, Arbeitsabläufe und vorhandene geben, dass Deutschland in puncto Fehlertoleranz Sicherheitsbarrieren überhaupt zu hinterfragen. von 61 Ländern an vorletzter Stelle steht. Fehler und Misserfolge werden hierzulande meist unnachsichtig Fehleranalyse mit dem Schweizer-Käse-Modell geahndet. Wo Sanktionen oder zumindest Peinlich- Nach dem Psychologen James Reason von der Univer- keit drohen, traut sich kaum jemand, Fehler offen sität Manchester sind mangelnde Sicherheitsbarrieren einzugestehen – mit zum Teil fatalen Folgen. Nicht wie Löcher im Schweizer Käse. Liegen diese Löcher nur der wirtschaftliche Erfolg und die Effizienz von aufgrund besonderer Umstände direkt voreinander, Unternehmen sowie öffentlichen Einrichtungen kann eine vorhersehbare Gefahr oder eine abweichen- leiden darunter. Auch die Sicherheit und Gesundheit de Handlung die Barrieren überwinden und zu einem Zeichnung: DGUV von Menschen sind dadurch gefährdet. So sterben schweren Unfall oder einem anderen unerwünschten allein in deutschen Krankenhäusern jährlich rund Ereignis führen (siehe Abbildung auf Seite 10). Die 18.800 Menschen aufgrund vermeidbarer Fehler, wie Löcher in den Barrieren entstehen laut Reasons Feh- der Krankenhausreport 2014 des Wissenschaftlichen lertheorie durch aktives und latentes Versagen. Zudem 8 6/2019
können sich die Barrieren durch äußere Einflüsse und vom rein persönlichen Versagen und öffnet den Blick psychologische Vorläufer, etwa mangelnde Konzentra- für das Versagen des Systems. Selbst wenn negative tion wegen Müdigkeit, dynamisch verschieben (siehe Auswirkungen durch latentes Versagen sich zunächst auch 5/2019, Seite 12). nicht zeigen, begünstigen sie doch das Auftreten von aktiven Fehlern. Wichtiger als die Frage nach dem Aktives Versagen sind sogenannte unsichere Hand- oder der Schuldigen ist bei diesem Modell die Frage, lungen, sprich Fehler und Verstöße der Beschäftigten: wie sich gefundene Fehler künftig vermeiden lassen. etwa die Gabe eines falschen Medikaments oder das Manipulieren einer Maschine. Statt der hierzulande vorherrschenden und weitge- hend nutzlosen Schuldkultur führt ein systemischer Latentes Versagen entsteht durch Entscheidungen Ansatz zu der im angelsächsischen Raum weitverbrei- der Leitungsebene einer Organisation. Ein Beispiel: teten, pragmatischen Lern- und Fehlerkultur. Der Weg Ein Unternehmen schafft eine kostengünstige, aber dorthin führt im Wesentlichen über zwei Faktoren. benutzerunfreundliche Maschine an, deren Sicher- heitsvorkehrungen deshalb manipuliert werden. Erfolgsfaktor Kommunikation Latentes Versagen kann auch auf dem Ausfall von Res- Eine gute Fehlerkultur setzt voraus, dass Belegschaft sourcen oder ungünstigen baulichen Gegebenheiten und Führungskräfte darauf vertrauen können, beim beruhen – Beispiel Lärmbelastung im Großraumbüro Eingeständnis eines unbeabsichtigten Fehlers nicht (siehe auch 2/2019, Seite 10–12). an den Pranger gestellt oder bestraft zu werden. Und genau da liegt das Problem: „Ein relativ großer Teil Gemeinsam bessere Barrieren finden der Betriebe ist weit entfernt davon, eine Vertrauens- Das Schweizer-Käse-Modell bietet einen für viele deut- kultur zu haben“, formuliert Dr. Marlen Cosmar vom sche Betriebe neuen und wertvollen Ansatz zur Er- Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) mittlung von Fehler- und Unfallursachen: Es geht weg ihre Erfahrung aus Schulungen. > 6/2019 9
F E H L E R M A N A G E M E N T K U LT U R 7 Tipps für eine Das Schweizer-Käse-Modell der gute Unfallentstehung von James Reason Fehlerkultur > Die Arbeitspsychologin ist am IAG unter anderem zuständig für das Thema gesundheitsförderliche Führung. Eine ergebnisoffene und vertrauensvolle Kommunikation spiele bei einer erfolgreichen Fehler- kultur die entscheidende Rolle, so Cosmar. 1 Schaffen Sie einen geschützten Rahmen für Eingeständnisse von Fehlern. Beim Reden dürfe es jedoch nicht bleiben. Fehler und Beinahe-Unfälle müssen selbstverständlich gemeldet und dokumentiert werden. Besonders wichtig: „Be- 2 Formulieren Sie Ihre Fragen nach den Gründen für etwaige Fehler ergebnisoffen. schäftigte müssen das Gefühl haben, dass mit diesen Meldungen etwas passiert“, unterstreicht die Psy- chologin. Je nach Größe des Betriebs eignen sich für 3 Stellen Sie Beschäftigte nicht an den Pranger. Meldungen einfache Vordrucke oder Kontaktformulare im Intranet bis hin zu Datenbanken, wie sie etwa der global agierende Technologiekonzern ABB verwendet. 4 Senden Sie Ich-Botschaften, statt Ihre Sätze mit „Sie haben/dürfen nicht …“ etc. zu beginnen. Erfolgsfaktor Führungskraft Ganz egal, welches Tool zum Einsatz kommt: Der Erfolg des Fehlermanagements steht und fällt mit dem 5 Lassen Sie Kommunikation in beide Richtungen zu – nehmen Sie Kritik an Ihrem Handeln oder Ihren Entscheidungen offen an. Grad der Hierarchie. „Starke Hierarchien sind tenden- ziell weiter von einer Fehlerkultur entfernt“, sagen Cosmar und Frese übereinstimmend. Der Schlüssel zum Erfolg sind die Geschäftsleitungen und Führungs- 6 Schaffen Sie verbindliche Regeln, was wie intern dokumentiert und kommuniziert wird. kräfte, die flache Hierarchien und ein Vertrauensver- hältnis schaffen und kontinuierlich vorleben müssen. Erst wenn die Mitarbeitenden sich trauen, offen zu 7 Schulen Sie Ihre Beschäftigten, wie Fehler und unerwünschte Ereignisse nach außen kommuniziert werden können und sollen. kommunizieren, können Regelabweichungen – mit welchem System auch immer – dokumentiert und ausgewertet werden. Und nur dann können Prozesse besser, sicherer und gesünder gestaltet werden. AUTORIN: Manuela Müller Sicher. Gesund. Miteinander. Weitere Informationen und Handlungshilfen zum Herunterladen bietet die Präventionskampagne kommmitmensch der Berufsgenossenschaften und Zeichnung: DGUV Unfallkassen im Internet: kommmitmensch.de > „Fehlerkultur“ 10 6/2019
R EC H T L I C H E U P D AT ES Regeln, Vorschriften, > Informationen & Grundsätze Sofern nicht ausdrücklich anders vermerkt, sind die hier vorge- stellten Publikationen über die Datenbank der DGUV zu beziehen: dguv.de/publikationen Die Suche nach Stichwörtern sowie den im Text genannten Nummern garantiert ein leichtes Auffinden. NEU NEU Das Paketboten-Schutz-Gesetz wurde am Die DGUV Information 215-410 „Bildschirm- 18.09.2019 vom Bundeskabinett beschlossen. und Büroarbeitsplätze – Leitfaden für die Gestaltung“ ist im Juli 2019 erschienen und Mit dem Gesetz soll die Nachunternehmer- steht im Internet zum Download bereit. Der haftung nun auch auf die Paketbranche aus- Leitfaden konkretisiert die sicherheitstechni- geweitet werden. Für die Baubranche gilt sie schen, arbeitsmedizinischen, ergonomischen bereits seit 2002. Ziel des Gesetzes ist es, die und arbeitspsychologischen Anforderungen für Arbeitsbedingungen in der Kurier-, Express- die Gestaltung und den Betrieb von Bildschirm- und Paketbranche (KEP) zu verbessern. Die und Büroarbeitsplätzen. Die Kriterien sind auf Nachunternehmerhaftung soll dafür sorgen, andere Arbeitsplätze übertragbar. Der Leit- dass auch für die in Subunternehmen Tätigen faden erspart Betrieben die eigene Auslegung Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. und hilft dabei, die Schutzziele der Bildschirm- arbeitsplatzverordnung korrekt umzusetzen. Hintergrund: Durch den kontinuierlich wach- senden Onlinehandel hat die Zahl der in Sub- unternehmen Beschäftigten stark zugenom- men. Das betrifft nahezu jede sechste Stelle in der KEP-Branche. Das Paketboten-Schutz- Gesetz stellt sicher, dass künftig die Hauptauf- traggeber für die abzuführenden Beiträge der Subunternehmen haften. ZURÜCKGEZOGEN Um Hauptunternehmer zu entlasten, ohne die Die DGUV Information 213-028 „Tätigkeiten Pflichten der Nachunternehmer zu vernachläs- mit Gefahrstoffen im öffentlichen Dienst“ sigen, können Krankenkassen und die Unfall- wurde zurückgezogen. Die Inhalte dieser DGUV versicherungsträger jenen Nachunternehmen, Information werden mittlerweile durch die die die Sozialbeiträge bisher ordnungsgemäß im Jahr 2018 überarbeitete DGUV Information abgeführt haben, eine Unbedenklichkeitsbe- 213-079 „Tätigkeiten mit Gefahrstoffen – Infor- scheinigung ausstellen. mationen für Beschäftigte“ abgedeckt. 6/2019 11
G E W A LT A M A R B E I TSP L AT Z Tatort Arbeitsplatz Icons: Thomas Walloch Foto: Getty Images/AydAn Mutlu/ollo Viele Beschäftigte wurden schon einmal Opfer von Gewalt. Be- sonders betroffen sind Mitarbeitende im Rettungsdienst. Wie Arbeitgebende ihre Beschäftigten schützen können – und was dabei hilft, Gewalterlebnisse zu bewältigen –, erklärt . 12 6/2019
E s ist Freitagabend, betrunkene Partybesu- reichend viele Funkgeräte. Auch die Kommunikation cher wanken aus einer Bar. Sie beginnen eine mit der Zentrale muss jederzeit gewährleistet sein“, Schlägerei, es gibt Verletzte, jemand ruft den Therapie sagt die IAG-Expertin. So kann die Leitstelle den Kol- Rettungsdienst. Die eintreffenden Notfallsa- Mitarbeitenden leginnen und Kollegen etwa während ihrer Fahrt zum nitäterinnen und -sanitäter finden eine aufgeheizte stehen nach einem Einsatzort durchgeben, ob sie eine bedrohliche Situ- Menge vor. Einige Umstehende beschimpfen die beruflichen Gewalt- ation erwartet. Auf der organisatorischen Ebene geht Einsatzkräfte, rempeln sie an. Eine Situation, wie erlebnis mit psy- es darum, Abläufe zu standardisieren: „Das sorgt für sie Daniel Schulte zu gut kennt. Der Fachbereichs- chischen Folgen eine bessere Teamarbeit. Die Beschäftigten wissen in leiter Bevölkerungsschutz beim Deutschen Roten fünf probatorische einer Notfallsituation sofort, was zu tun ist.“ Darüber Kreuz (DRK) Niedersachsen arbeitet seit 16 Jahren im therapeutische hinaus sollten Arbeitgebende ihre Mitarbeitenden auf Rettungsdienst. „Die Hemmschwelle zu Beleidigungen Sitzungen zu. bestimmte Gewaltsituationen vorbereiten. und Provokationen sinkt“, sagt der 36-Jährige. Und: „Vor allem der Konsum von Alkohol verändert das Interkulturelle Kompetenz schulen Wesen vieler Menschen.“ Entsprechende Schulungen gibt es bereits in der Ausbildung. „Da die Ausbildung seit 2014 drei Jahre Ob Rettungskräfte, Amtsmitarbeitende, Polizei oder umfasst, gibt es bereits viele Möglichkeiten, sich auf Pflegepersonal – Gewalt im Einsatz gehört für viele Gewaltsituationen vorzubereiten“, sagt Schulte vom Beschäftigte zum Arbeitsalltag. Betroffen sind vor DRK. Beschäftigte im Rettungsdienst haben eine allem Erstere – die Rettungskräfte –, zeigt eine Studie 30-stündige Fortbildungspflicht, die sie zum Beispiel der Ruhr-Universität Bochum aus dem Jahr 2018: Von für Deeskalationsschulungen nutzen können. Auch den 335 befragten Rettungskräften berichteten 94,3 die interkulturelle Kommunikation werde immer wich- Prozent von körperlichen oder verbalen Angriffen tiger, sagt Schulte: „Bei Einsätzen begegnen wir auch in den vorangegangenen zwölf Monaten. Vor allem Menschen aus anderen Kulturen. Es hilft, wenn man Einsätze in Wohnungen bieten laut Notfallsanitäter etwa einordnen kann, dass ein lauter Wortschwall Schulte Gewaltpotenzial. „Wir betreten damit einen in fremder Sprache nicht zwingend eine Bedrohung Austausch sehr privaten Raum, in dem wir nicht alle Gewohn- darstellt.“ Der Austausch mit heiten kennen. Viele reagieren darauf aggressiv.“ Ansprechpersonen Insbesondere bei Einsätzen wegen häuslicher Gewalt Wer Gewalt auf der Arbeit erlebt hat, sollte darüber im Betrieb ist drohen Rettungskräften gewalttätige Anfeindungen. sprechen – davon ist Expertin Gehrke überzeugt. oft hilfreich. „Arbeitgebende können zum Beispiel Einsatznach- Meldung ist Pflicht besprechungen führen oder eine Deeskalations- Zwar sieht das Gesetz vor, dass Arbeitgebende prüfen, pause ermöglichen – also eine kurze Auszeit nach wie gefährlich die Arbeit in ihrem Unternehmen ist – schwierigen Konfliktsituationen.“ Alternativ helfe ein auch in Bezug auf psychische Folgen. Doch bisher psychologisches Gespräch. Doch nicht jeder will mit gebe es die Gefährdungsbeurteilung zu psychischen einem externen Therapeuten sprechen. Das DRK setzt Belastungen noch in zu wenigen Unternehmen, sagt deshalb auf interne Anlaufstellen: die sogenannten Anne Gehrke, Referentin Verkehrssicherheit beim Ins- Kollegialen Ansprechpersonen. Sie sprechen mit ihren titut für Arbeit und Gesundheit (IAG) der DGUV. Wenn Kolleginnen und Kollegen, wenn sie zum Beispiel Mitarbeitenden allerdings etwas passiert und sie mehr eine Gewaltsituation erlebt haben, und geben Tipps, als drei Tage arbeitsunfähig werden, sind Betriebe wie Beschäftigte damit umgehen können. Oder, wie verpflichtet, das zu melden. Und auch bei kürzeren Ar- Schulte es formuliert: „Ein Grundsatz im Rettungs- beitsausfällen empfiehlt Gerke eine Meldung. „Jedem dienst lautet schließlich, dass man sich nicht selbst Mitarbeitenden stehen nach einem Arbeitsunfall mit gefährden soll. Und wer über belastende Situationen psychischen Folgen im Rahmen des Psychotherapeu- Schulungen spricht, schützt sich bereits enorm.“ tenverfahrens der DGUV fünf probatorische Sitzungen Spezielle Deeskala- zu – unabhängig davon, ob er durch das Gewaltereig- tionsschulungen oder AUTORIN: Nina Bärschneider nis einen körperlichen Schaden erlitten hat.“ Trainings in gewalt- freier Kommunikation Gewisse Risikofaktoren lassen sich im Rettungsdienst können Mitarbeitende nie ausschließen. Doch sie können möglichst gering in betroffenen Berufen Weitere Informationen gehalten werden. Gehrke verweist dafür auf das vorbereiten. TOP-Prinzip, das für technische, organisatorische und ... zum Umgang mit Gewalt im personenbezogene Maßnahmen für einen besseren Berufsalltag finden Sie unter: Arbeitsschutz steht. Wichtig sei eine zeitgemäße t1p.de/7a3q Technik. „Rettungskräfte brauchen moderne und aus- 6/2019 13
G ES U N D H E I T Lieber zuhause bleiben H usten, Schnupfen, Bindehautentzündung: Viele Beschäftigte bleiben trotz Krankheit Wer krank zur Arbeit kommt, tut sich und den Mit- nicht zuhause. So kam eine repräsentative Be- beschäftigten keinen Gefallen. Dieses Phänomen der fragung des Deutschen Gewerkschaftsbundes Arbeitswelt nennt sich Präsentismus und hat Folgen (DGB) aus dem Jahr 2017 zu dem Ergebnis, dass mehr als zwei Drittel der Arbeitnehmenden bisweilen krank für Beschäftigte und Unternehmen. berich- zur Arbeit gehen. Damit gefährden sie nicht nur ihre tet, was Betriebe dagegen tun können. eigene Gesundheit, sondern auch die ihrer Kollegin- nen und Kollegen. Zudem verringert sich die Produkti- vität. Beschäftigte, die krank am Arbeitsplatz erschei- nen, sind weniger leistungsfähig, machen mehr Fehler und erleiden und verursachen mehr Unfälle. Anders ausgedrückt: Präsentismus kostet Unternehmen Geld. Weiterarbeiten – ja oder nein? Studien unterstreichen: Wer krank weiterarbeitet schädigt die eigene Gesundheit dauerhaft. Auch die Gefahr einer Chronifizierung steigt. Deshalb gilt meistens: Wer krank ist, braucht Ruhe. Das stimmt aber nicht immer. Präsentismus kann sich im Ein- zelfall auch stabilisierend auswirken. Denn es gibt chronische oder psychische Erkrankungen, bei denen es gut ist, weiter zu arbeiten, da Arbeit in diesem Falle Sicherheit und Struktur bietet. „Es ist individuell abzuwägen, ob trotz gesundheitlicher Beeinträchti- gung ein Weiterarbeiten angezeigt ist,“ erklärt Anja Mücklich vom Institut für Arbeit und Gesundheit der 14 6/2019
Verhältnisse gut sind, das entsprechende Verhalten der Mitarbeitenden. Es müssen also alle mitmachen. Denjenigen Beschäftigten, die besonders anfällig für ein gesundheitsgefährdendes Verhalten sind, können Betriebe gezielte Coachings anbieten. So können Mit- arbeitende sensibilisiert und unterstützt werden. Auch konkrete Maßnahmen sollten ergriffen werden, um Krankheiten wie die Grippe schon im Vorfeld zu ver- hindern. Durch Heizungsluft trocknen zum Beispiel die Schleimhäute schneller aus. Sie sind so Nährboden für Erkältungserreger. Dagegen helfen intensives Lüften und viel Trinken. Auch Grippeschutzimpfungen und Hinweise zum richtigen Händewaschen bieten sich an. Mitarbeitende, die mit Schnupfen zur Arbeit erschei- nen und nicht in die Armbeuge niesen, sollten darauf hingewiesen werden. Ebenso wichtig ist ein funktio- nierendes betriebliches Wiedereingliederungsmanage- ment (BEM). Beispiele von gelungenen Behandlungen und Wiedereingliederungen können dann etwa intern Foto: Getty Images/PeopleImages Icon: flaticon.com kommuniziert werden. So wird Betroffenen die Angst genommen, Nachteile zu erwarten, wenn sie nach län- geren Fehlzeiten die Arbeit wieder aufnehmen. Vorbild Führungskraft Hat Gesundheit im Unternehmen nur einen geringen Stellenwert und stehen schnelle Ergebnisse im Vorder- grund, hat die mittlere und untere Managementebene kaum Chancen, im Sinne ihrer Beschäftiten zu führen – sie werden den Druck nach unten weitergeben. Die beste Prävention gegen Präsentismus ist hingegen eine Unternehmenskultur, die wertschätzend ist und Beschäftigten Sicherheit vermittelt. Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). „Das hängt von der Art der Beeinträchtigung ab und Neben fairen Arbeitsverträgen, realistischen Zielver- vom Arbeitsplatz. Gefährlich wird es, wenn häufig oder einbarungen und Vertretungsregelungen können auch längere Zeit gegen ärztlichen Rat weitergearbeitet wird Führungskräfte mit ihrem Verhalten dazu beiträgen, oder Beschäftigte erst gar nicht zum Arzt gehen, damit Präsentismus zu bekämpfen. Forschungen konnten sie weiterarbeiten können und dadurch der Heilungs- zeigen, dass gute Führung Präsentismuskosten senken prozess beeinträchtigt wird“, so die Expertin weiter. Kultur gegen kann. Für gute Aufgabenverteilungen, faire Leistungs- Gegenüber Beschäftigten, denen es an Einsicht man- Präsentismus vorgaben sowie Dialogbereitschaft sind Führungs- gelt und die deshalb weiterarbeiten, sollten Betriebe Die beste Prävention kräfte immer (mit)verantwortlich – und damit auch klar äußern, dass dieses Verhalten unerwünscht ist. gegen Präsentismus für ein gesundheitsförderliches Arbeitsumfeld. Damit ist eine Unterneh- Führungskräfte das leisten können, brauchen sie den Gesundheitskompetenz fördern menskultur, die wert- Rückhalt der Geschäftsführung beziehungsweise ihrer Ob aus Pflichtgefühl, der Angst, den Arbeitsplatz zu schätzend ist und Vorgesetzten. Denn von einer gemeinsamen Strategie verlieren, oder der Befürchtung beruflicher Nachtei- Beschäftigten Sicher- gegen Präsentismus profitieren am Ende alle: Beschäf- le: Gründe für das Erscheinen am Arbeitsplatz trotz heit vermittelt. tigte, Vorgesetzte und der Betrieb insgesamt. Krankheit gibt es viele. Um dem entgegenzuwirken, sollten Unternehmen ihre Kultur und Werte prüfen: AUTOR/IN: Florian Jung / Maren Zeidler Unterstützt das Unternehmen Präsentismus unter den Mitarbeitenden – oft sogar unbeabsichtigt? In Zeiten von ergebnisorientierter Projektarbeit mit oft hohem Termin- und Leistungsdruck müssen Beschäftigte in der Lage sein, eigene gesundheitliche Grenzen zu Weitere Informationen beachten. Sonst werden Krankheiten möglicherweise verschleppt. Betriebe können Beschäftigte darin unter- Mehr zum Thema Präsentismus stützen, gesundheitsdienliche Entscheidungen finden Sie unter: zu treffen, indem sie gezielt die Gesundheitskompetenz iga-info.de > „Präsentismus“ fördern. Andererseits braucht es selbst dort, wo die 6/2019 15
AU S W I SSE N S CH A FT U N D F O R S C H U N G Gute Fahrt! Berufsbedingt unterwegs – das trifft auf viele Menschen in Deutschland zu. Und es werden mehr, denn die Mobilität im Job steigt. Damit die Beschäftig- ten sicher ankommen, werden im Auftrag der Deutschen Gesetzlichen Unfall- versicherung (DGUV) Präventionsansätze erforscht – praxisnah im Betrieb. A utobahn, Stadtverkehr, Stau, Parkplatzsu- Doch wie geht man am besten vor, um diese Viel- che: Für viele Berufstätige ist das auch im zahl an Belastungen zu erkennen und zu benennen? Job Teil des Alltags. Pflegedienste, Montage- Zunächst wurden über 35 Betriebe gefunden: aus der und Serviceteams, Vertriebsmitarbeitende Pflegebranche, dem Rettungsdienst, dem Consulting und viele andere sind jeden Tag auf den Straßen sowie Unternehmen, die Montageteams beschäftigen. unterwegs. Ihr Beruf erfordert es, mobil zu sein, auch Die Betriebe wählten Mitarbeitende aus. Diese wurden wenn die eigentliche Arbeit nicht im Fahrzeug statt- mehrfach befragt, sie führten über mehrere Tage findet (wie es beispielsweise bei Lastwagenführenden arbeitsbezogene Tagebücher und wurden auf ihren der Fall ist). Stressiger Verkehr, langes Sitzen, enge Fahrten begleitet. Taktung und eine erhöhte Unfallgefahr sind nur einige der Belastungen, denen diese Beschäftigtengruppen Mit GoPro auf Fahrt ausgesetzt sind. Der Trend ist deutlich: Die berufliche Ein Alleinstellungsmerkmal der Studie ist es, dass so- Mobilität in Deutschland steigt. Damit die Unfallzah- genannte psycho-physiologische Belastungen erfasst len nicht mitsteigen, ist Prävention unerlässlich. wurden, das heißt vor allem, welche körperlichen Reaktionen welchen psychischen Belastungen folgen Wo drückt der Schuh? und umgekehrt. Dafür wurden die Testpersonen ausge- Im Auftrag der DGUV erforscht ein Team aus Fachleu- stattet mit Herzfrequenzmessern und GoPro-Kameras. ten der Technischen Universität Dresden, der Fried- Die kleinen Kameras wurden im Fahrzeug in Kopfhöhe rich-Schiller-Universität Jena und der systemkonzept montiert und erstellten sogenannte Point-of-view-Auf- GmbH aus Köln Präventionsmaßnahmen bei berufs- nahmen, also Aufnahmen aus der Perspektive der fah- bedingten mobilen Tätigkeiten. Das Projekt heißt renden Person. Die Testpersonen mussten außerdem „BestMobil“. Um funktionierende Maßnahmen zu im Tagebuch vor und nach jeder Schicht eine Reihe entwickeln, ist es zunächst wichtig, die Belastungen von Fragen beantworten – zum Beispiel, ob und wie und Gefahren im Verkehr zu verstehen. Und die sind sie Stress empfunden haben, wie ihre Schlafqualität vielfältig. „Maßgebliche unfallbegünstigende Situatio- war und ob sie im Laufe des Tages Konfliktsituationen nen beziehen sich auf das Fahrumfeld, das Verkehrs- erlebt hatten. Stressbelastungen durch Faktoren wie umfeld und die Verkehrssituation, und natürlich auf Termindruck oder Stau konnten so gut erkannt werden. das Fahrzeug selbst“, erklärt Dr. Katrin Höhn von der TU Dresden, die im Projekt mitarbeitet. „Außerdem spielen das betriebliche Umfeld, also zum Beispiel die Stressbelastung, die Arbeitsorganisation, und die Menge der Fahrten eine wesentliche Rolle.“ 16 6/2019
Foto: Getty Images/alexbaumann Sammeln und individualisieren Durch die Testphase im Unternehmen kristallisierten Einige Ergebnisse dieser Analysen fasst Dr. Höhn zu- sich Maßnahmen heraus, die für diesen spezifischen sammen: „Es zeigte sich, dass vor allem Zeitdruck, Mobilitätstyp besonders wirksam sind: ungeregelte Pausen und zum Teil auch lange Auto- Coaching zum Fahrverhalten, Stärkung der Risiko- fahrten zum Alltag vieler mobil Tätigen gehören. Dies kompetenz sind unsere Ansatzpunkte für die Prävention.“ Nämlich Pausenmanagement und Stressregulation Ansatzpunkte zum Handeln: Die Forscherinnen und Stärkung von Kommunikation, Mediation, Motivation Forscher stellten anhand der gewonnenen Erkenntnisse (etwa Plakat-Aktionen, Multiplikatoren-Workshops) aus der Voruntersuchung eine große Zahl an Maßnah- Workshop zum Umgang mit belastenden Situationen men zusammen. Von der technischen Aufrüstung der Fahrzeuge über Fahrsicherheitstrainings bis zu organi- Die Maßnahmenbündel können Betriebe einsetzen, satorischen Veränderungen: 130 Instrumente und Best wenn sie Bedarf sehen. Noch sind die Bündel jedoch Practices wurden gelistet und getestet. nicht geschnürt: Leitfaden und Praxishilfe für die Welche Maßnahmen in welchen Betrieben bei welchen Unternehmenspraxis werden nach Abschluss des Personen Sinn ergeben, ist individuell sehr unter- Projektes Ende 2019 vorliegen. schiedlich. Die Empfehlungen für die Betriebe sollen deshalb auf die Branche zugeschnitten und in Maßnah- AUTORIN: Maren Zeidler menbündeln angeboten werden. Beispiel gefällig? Wie im Unternehmen S.: Es bietet technische Dienst- leistungen in den Bereichen Energie und Kommuni- kation an. Während der BestMobil-Analyse stellte sich heraus, dass an einigen Stellen besonderer Hand- Weitere Informationen lungsbedarf bestand: Zeitdruck durch Kundentermine ... zum Projekt „BestMobil: berufs- Informationsüberflutung bedingte Mobilität – Identifizierung fehlende Pausen und Erholung und Erprobung von Präventionsan- hohe Risikobereitschaft und geringe Risiko- sätzen“ finden Sie unter. kompetenz der Mitarbeitenden dguv.de > Webcode dp116615 ungünstige Umgebungsbedingungen im Einsatz 6/2019 17
G E FA H R STO F F E Foto: DGUV/Fotografie Schulzki Icons: Getty Images/Skarin Gefährlich? Geschützt! Der Umgang mit Gefahr- stoffen muss im Betrieb so organisiert sein, dass Be- schäftigte nicht zu Schaden kommen. Verantwortlich sind die Arbeitgebenden. gibt einen Überblick über die Risiken und Pflichten. 18 6/2019
Europäische Kennzeichen Die Einstufung und Kennzeichnung von Gefahrstoffen ist in Europa einheitlich, nach der europäischen CLP-Verordnung (Classification, Labelling and Packaging of Substances and Mix- tures) geregelt, die auf dem Global Harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen (GHS) aufbaut. S ie lauern in fast jedem Betrieb: Gefahrstoffe, die für Beschäftigte gefährlich werden kön- Vier Schritte für sichere Beschäftigte nen. Arbeitgebende sind verpflichtet, solche Um passende Schutzmaßnahmen zu ermitteln, müs- Stoffe ordnungsgemäß zu kennzeichnen und sen sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber an das die Beschäftigten darüber aufzuklären, wie sie sich STOP-Prinzip halten. schützen können. Fehlen in einem Unternehmen aus- reichende Schutzmaßnahmen oder gehen Beschäftigte Substitution: Die beste Schutzmaßnahme für Be- fahrlässig mit Gefahrstoffen um, kann das ernste Fol- schäftigte ist, eine Gefährdung im Vorfeld zu gen haben. Verätzungen, Verbrennungen, Stürze – die vermeiden. Wenn möglich, sollten Unternehmen Gefahren sind vielfältig. Unfälle und berufsbedingte Gefahrstoffe also durch weniger gefährliche Subs- Erkrankungen betreffen aber nicht nur den Einzel- tanzen ersetzen. nen. Im Unternehmen führen sie zu Fehlzeiten und mindern das Image in der Öffentlichkeit. Technische Schutzmaßnahmen: Sie helfen dabei, Expositionen gegenüber Gefahrstoffen zu vermei- Gefahrstoff: Was ist das? den oder zumindest zu minimieren – zum Beispiel Gefahrstoffe können unter anderem toxisch, reizend, indem Betriebe Arbeitsabläufe in geschlossenen ätzend, entzündbar, explosiv oder krebserregend sein Anlagen ausführen lassen. (zur Klassifizierung siehe Kasten rechts oben). Was wie gefährlich ist, erkennen Beschäftigte im Zweifel O rganisatorische Schutzmaßnahmen: Die Arbeit anhand der Kennzeichnung auf dem Gefäß und durch muss so organisiert sein, dass Beschäftigte mög- das Sicherheitsdatenblatt. Behälter mit Gefahrstoffen lichst wenig und kurzen Kontakt zu den Gefahrstof- sind mit einem oder mehreren Piktogrammen gekenn- fen haben. Ein wichtiger Aspekt ist außerdem die zeichnet. Es gibt insgesamt neun davon – rot umran- regelmäßige Unterweisung der Beschäftigten. dete Rauten, in deren Mitte sich ein Symbol befindet, zum Beispiel der Totenkopf mit gekreuzten Knochen. Persönliche Schutzmaßnahmen: Das bedeutet bei- Außerdem finden Beschäftigte dort immer noch ein spielsweise das Bereitstellen und Tragen von Atem- Signalwort – „Achtung“ oder „Gefahr“ – sowie Gefah- schutz (z. B. Atemschutzmasken) und Handschutz renhinweise (sogenannte „H-Sätze“) und Sicherheits- (z. B. Chemikalienschutzhandschuhe). hinweise („P-Sätze“). S wie Substitution sollte dabei immer an erster Stelle Strenge Pflichten für Arbeitgebende stehen, erst dann kommen T, O und erst als letzter Bevor Beschäftigte mit Gefahrstoffen arbeiten dürfen, Schritt sollte das P in Erwägung gezogen werden. müssen Arbeitgebende eine Gefährdungsbeurteilung durchführen und Schutzmaßnahmen festlegen: AUTORIN: Katharina Münster Arbeitgebende müssen sich die nötigen Informatio- nen zu den Gefahrstoffen beschaffen und ein Gefahr- stoffverzeichnis anlegen. Sie müssen ermitteln, in welchem Ausmaß die Be- schäftigten den Gefahrstoffen ausgesetzt sind. Weiterführende Links: Daraus ergeben sich Schutzmaßnahmen. Übersicht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Die Beschäftigten müssen vor Beginn der Tätigkeiten Arbeitsmedizin (BAuA) zu Gefahrstoffen: und in regelmäßigen Abständen unterwiesen werden. t1p.de/srux Und Arbeitgebende müssen eine Wirksamkeits- überprüfung der getroffenen Schutzmaßnahmen Alle DGUV Publikationen zu Gefahrstoffen: vornehmen. t1p.de/p5vb Praxisorientierter Überblick des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) der DGUV: dguv.de/ifa > Praxishilfen Gefahrstoffe 6/2019 19
Empfohlen zum ... ... Studieren: ... Klicken: ... Lesen: Alles neu! Die Publikationsdatenbank der Das digitale Planungsbüro. Wenn es um Gegen die Stigmatisierung von Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung Sicherheit und Gesundheit im Krankenhaus psychischen Erkrankungen. Stress und erstrahlt in neuem Glanz. In der Datenbank geht, gibt es viele Stolperfallen – wort- Überforderung betreffen uns alle von bündeln Berufsgenossenschaften und wörtlich und im übertragenen Sinne. Damit Zeit zu Zeit – auch in krank machen- Unfallversicherung alle ihre Publikationen. alle Gefährdungen berücksichtigt werden, dem Ausmaß. Dennoch sind psychische Um die Bedienungsfreundlichkeit zu er- bietet die Deutsche Gesetzliche Unfallver- Erkrankungen immer noch ein großes höhen, wurde in einem Relaunch nun unter sicherung einen digitalen Service, der alle Tabuthema. Insbesondere am Arbeits- anderem das Design überarbeitet und die relevanten Regelwerke zusammenfasst. platz wird nicht offen über psychische Suchfunktion verfeinert. Das neue Portal Das „Sichere Krankenhaus“ ist ein interak- Erkrankungen gesprochen und die Er- ist responsiv, das heißt, es lässt sich von tives Branchenportal, das Führungskräfte, krankten werden dadurch stigmatisiert. Smartphone, Tablet und PC gleichermaßen Arbeitsschutzfachleute und Beschäftigte Dabei erfüllt jährlich jede oder jeder vierte besuchen. Auf den neu gestalteten Seiten über Vorschriften und Regeln zur be- Erwachsene in Deutschland die Kriterien findet sich nicht nur das DGUV Regelwerk, trieblichen Sicherheit und Gesundheit in einer psychischen Erkrankung. Das Projekt sondern auch Forschungsveröffentlichun- Krankenhäusern und anderen Gesundheits- „Psychische Gesundheit in der Arbeits- gen, Texte zu Versicherungsschutz und einrichtungen informiert. Per Mausklick welt“ (psyGA) des Bundesministeriums Prävention sowie eine Reihe von Filmen. können die Benutzerinnen und Benutzer für Arbeit und Soziales beschäftigt sich in Selbst wenn gerade keine konkrete Regel Informationen über Tätigkeiten, Arbeitsmit- seinem aktuellen Fokus mit mehr Offen- oder Vorschrift benötigt wird, lohnt es sich, tel und Schutzmaßnahmen bekommen. Das heit im Umgang mit psychischer Gesund- durch die Publikationen zu stöbern. Gerade sogenannte „Planungsbüro“ ist auch für heit. Denn nur wenn sich der Umgang unter den Forschungsergebnissen finden Büroarbeitsplätze interessant. Im virtuellen normalisiert, können Präventionsmaß- sich interessante Berichte rund um Sicher- Büro können all jene Bereiche angeklickt nahmen optimal greifen. Mehr zu Destig- heit und Gesundheit bei der Arbeit. werden, die eine Gefährdung darstellen matisierung lesen Sie auf der Website der können. Durch die Visualisierung und die Initiative unter: publikationen.dguv.de dahinterstehenden Informationen ist das psyga.info > „Destigmatisierung“ Planungsbüro eine Bereicherung für Gebäu- deplanung und -umbau. pb.sicheres-krankenhaus.de Arbeitsschutzmanagement Um die gesetzlichen Pflichten aus dem Aber warum überhaupt ein ASM? Ziel ist es, LEXIKON Arbeitsschutz zu erfüllen, können Arbeit- Unternehmen so zu führen, dass Arbeits- gebende ein Arbeitsschutzmanagement- sicherheit und Gesundheitsschutz als Ziel- system (ASM) einführen. Ein ASM ermöglicht setzung gleichwertig mit anderen unterneh- den Arbeitgebenden, die vorgeschriebenen merischen Zielsetzungen stehen und in allen Arbeitsschutzregelungen effektiv umzuset- Unternehmensbereichen und Organisations- zen. Gleichzeitig erfüllen Arbeitgebende so und Arbeitsebenen konsequent umgesetzt ihre Pflichten zur Dokumentation und können werden. Und das lohnt sich: nachweisen, dass sie ihrer Verpflichtung Trotz des vermeintlichen Aufwandes kann zur sicherheits- und gesundheitsgerechten die Wirtschaftlichkeit des Arbeitsschutzes Organisation des Betriebes und der Arbeits- durch ein systematisches ASM nachhaltig plätze nachkommen. gesteigert werden. 20 6/2019
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