Tarifergebnis Stahl 2019 - ein Erfolg oder eher nicht?

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Tarifergebnis Stahl 2019 –
ein Erfolg oder eher nicht?
Kuno Benz, Frederik Haber, Infomail 1051, 16. April 2019

Nach vielen Warnstreiks und
Aktionen    der   Beschäftigten     der   nordwestdeutschen
Stahlindustrie und etlichen,
zähen Verhandlungsrunden gab es nun am 16. März einen
Abschluss, der schließlich
auch im Saarland mit einer 2-monatigen tariflichen
Verschiebung übernommen
wurde. Aber: Kann dieser Abschluss als Erfolg gewertet werden?

Viele Beschäftigte sind
unzufrieden. Selbst in der Tarifkommission regte sich Unmut,
vor allem aus den
norddeutschen Betrieben. Aber die Dominanz der VertreterInnen
von Thyssen-Krupp
in der Tarifkommission sorgte für ein eindeutiges Ergebnis.
Offensichtlich
waren die führenden Kräfte aus diesem Konzern genauso
zufrieden mit dem
Abschluss wie der IG Metall-Vorstand. Haben die
SpitzengewerkschafterInnen
wegen der aufziehenden Krisenwolken die Bremse reingehauen
oder hatten sie zu
Beginn der Tarifrunde zu laut geklappert?

„Wir wollen von dem dicken
Kuchen, der auf dem Tisch liegt, dieses Mal ein gutes Stück
abhaben“ tönte noch
im Februar Duisburgs IG-Metall-Chef Dieter Lieske. „Nach   den
zum Teil
hausgemachten Krisen der vergangenen Jahre, die wir        als
Arbeitnehmer zu einem
guten Teil aufgefangen haben, hat die Stahlbranche          im
vergangenen Jahr wieder
richtig gutes Geld verdient.“ Bei den Stahlpreisen in      den
vergangenen zwölf
Monaten hätten die Arbeit„geber“Innen das Geld nur noch    mit
der Schneeschaufel
in die Garagen schubsen müssen.

Unmittelbar nach dem Abschluss
werteten beide Seiten die Einigung als „schwierigen, aber
vertretbaren“
Kompromiss. „Wir haben in den letzten drei Monaten und auch in
den letzten 16
Stunden hart miteinander gerungen. Das Ergebnis kann sich
sehen lassen“,
betonte IG Metall-Verhandlungsführer Knut Giesler. „Gerade die
unteren
Entgeltgruppen profitieren besonders von den 1.000 Euro
zusätzlicher
tariflicher Vergütung.“ Damit habe der Vertrag eine starke
soziale Komponente.
Und mit den Regelungen für mehr freie Tage in der Stahlbranche
setze die IG
Metall ihre arbeitszeitpolitische Offensive fort. Nach dem
Abschluss in der
Metall- und Elektroindustrie sei ihr in einer weiteren großen
Branche ein
Durchbruch für mehr Arbeitszeitsouveränität gelungen. „Damit
tragen wir dem
Wunsch der Beschäftigten nach mehr Selbstbestimmung,
Entlastung und mehr Freiräumen
für das Private Rechnung“, sagte Giesler.

Die IG Metall ist also mehr als
zufrieden mit dem Abschluss.

Und die Arbeit„geber“Innen? Sie
stöhnen zwar ein wenig – jedoch mehr über die Tarifrunde als
solche denn über
das Ergebnis: „Diese Tarifrunde war außergewöhnlich komplex
und wurde
dementsprechend intensiv geführt. Insbesondere die Forderung
nach einem in
Freizeit umwandelbaren Zusatzentgelt hat uns vor eine
Zerreißprobe gestellt“,
erklärte auch Christian          Büttner,   Geschäftsführer   im
Arbeitgeberverband Stahl.

Wie ist aber der Abschluss für
uns zu bewerten? Woher kommt der Unmut der Kolleginnen und
Kollegen?

Entgelt

Man kann Tariferhöhungen
unterschiedlich einschätzen. Auf lange Sicht ist die Erhöhung
der Tabellenwerte
entscheidend, für den Lebensunterhalt zählt dagegen das
Volumen im laufenden
Jahr.
Die Tabellenerhöhung von 3,7 %
klingt ordentlich, ist aber die einzige Erhöhung der
Entgeltgruppen während der
gesamten Laufzeit von 26 Monaten. Dazu kommt dann noch das
„zusätzliche
Urlaubsgeld“ in Höhe von 1.000 Euro ab dem Jahr 2020. Dieses
ist
tarifdynamisch, soll also bei den nächsten Tariferhöhungen
steigen. Immerhin
bedeuten diese 1.000 Euro eine Sockelerhöhung, die in der
Vergangenheit, wenn
eine solche Forderung aus den Vertrauenskörpern kam, von der
IG Metall-Führung
heftig bekämpft wurde.

Die 1.000 Euro entsprechen
einer Tariferhöhung von etwa 1,5 % (geschätzter Mittelwert),
wenn man 13,2
Monatsentgelte zugrunde legt. Zusammen ergibt sich also eine
Erhöhung der
Tarifentgelte von 3,7 % + 1,5 %, also 5,2 % über 26 Monate
oder
2,4 % auf 1 Jahr gerechnet – denn die Preissteigerungsraten
sind auch
immer auf 1 Jahr gerechnet. Und dann sieht der Abschluss also
alles andere als
üppig aus!

Wie viel mehr im Geldbeutel?

Die Tariferhöhung von
3,7 % gilt ja erst ab 1. März. Zuvor gibt es 100 Euro für
Januar und
Februar. Wenn man also das Volumen ab dem Zeitpunkt der
Laufzeit – also ab 1.
März 2019 – rechnet, dann erhöhen 3,7 % in zehn Monaten das
Jahreseinkommen nur um rund 3,1 %, zu denen dann noch 100 Euro
Einmalbetrag
kommen.

Die gleiche Betrachtung findet
dann 2020 nochmals statt, wenn das zusätzliche Urlaubsgeld die
einzige
Tariferhöhung sein wird – je nach Entgelt im Mittel rund
1,5 %. Und 2021
startet aufgrund der Laufzeit des Tarifvertrags mit zwei Null-
Monaten.

Arbeitszeit

Anders als in der Metall- und
Elektroindustrie forderte die IG Metall keine „verkürzte
Vollzeit“ oder „tarifliches
Zusatzgeld“ (T-ZUG), sondern mehr Urlaub. Immerhin wurde dann
das Ergebnis auch
längst nicht so kompliziert – und auch nicht an bestimmte
Beschäftigungsgruppen
bzw. Voraussetzungen gekoppelt.

Als Ergebnis kann jede(r)
Beschäftigte ab 2020 das zusätzliche Urlaubsgeld in bis zu 5
freie Tage
umwandeln – allerdings ist der Anspruch je nach Anzahl der
Anträge gedeckelt.
Für die Arbeit„geber“Innen ist das Ergebnis zunächst
„kostenneutral“ – dafür
kostet einen Beschäftigten jeder freie Tag 200 Euro.

Bewertung

Eine genaue Betrachtung des
Ergebnisses lässt wenig von der Begeisterung übrig, die die
Verlautbarungen der
IG Metall, aber       auch   manche   BetriebsrätInnen    und
Vertrauensleute verbreiten.
Die Erhöhung der Tariftabellen um rund 2,4 % auf 12 Monate
gerechnet ist
nicht der große Erfolg. Das gleicht kaum die Preissteigerungen
aus. Der
Produktionsfortschritt geht weiter überwiegend in die Kassen
des Kapitals.

Die maximal 5 Tage zusätzlicher
Urlaub sind durchaus etwas, was vielen nützt, den zunehmenden
Arbeitsstress
oder private Belastungen zu bestehen – so es für sie
finanziell verkraftbar
ist. Wie weit diese Möglichkeit tatsächlich genutzt wird,
bleibt abzuwarten.

Die Regelung verliert bei der
Umwandlung in Urlaub übrigens ihre „soziale Komponente“: Der
zusätzliche
Urlaubstag ist für alle Entgeltgruppen der gleiche! Wenn er
freiwillig genommen
wird, ist das dennoch okay. Nicht aber, wenn aus dieser
Urlaubs-Flatrate per Betriebsvereinbarung ein Zwang werden
würde. In etlichen
Betrieben der Metall- und Elektroindustrie, so bei Ford, Opel,
Audi, wird die
Umwandlung der dort „tarifliches Zusatzgeld (T-ZUG)“ genannten
Komponente schon
als Kurzarbeitsinstrument (ohne KurzarbeiterInnengeld)
genutzt.

Betrachtet man jedoch, was
eigentlich tarifpolitisch nötig wäre, sieht der Abschluss
schlecht aus. Der
zunehmende Arbeitsdruck; bevorstehende Angriffe auf
Arbeitsplätze und
Standorte; massive Arbeitsplatzverluste durch E-Mobilität,
Digitalisierung und
Industrie 4.0; die Ausdifferenzierung der Belegschaften in
überausgebeutete
LeiharbeiterInnen und Ausgegliederte einerseits und tarifliche
Stammbelegschaften andererseits – all das wurde schon im
Vorfeld bei der
Debatte um die Aufstellung der Forderungen ausgeblendet. In
der betrieblichen
Wirklichkeit bestimmt dies viel mehr das Arbeiten und das
gewerkschaftliche
Handeln als individuell einige Urlaubstage mehr oder weniger.
Bei einer
Gesamtbewertung des Abschlusses muss dies die Perspektive
sein.

Als Mittel gegen die schon bestehenden
und drohenden weiteren Arbeitsplatzverluste hätte die
Forderung nach einer
kollektiven Arbeitszeitverkürzung erhoben werden müssen. Die
Arbeitsproduktivität ist in den letzten Jahren gestiegen, so
dass mit weniger
KollegInnen in der gleichen Zeit mehr produziert werden kann.
Von daher wäre es
möglich und auch nötig gewesen, eine kollektive
Arbeitszeitverkürzung bei
vollem Lohn- und Personalausgleich zu fordern. Natürlich hätte
man das mit der
besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Abmilderung
von Arbeitsdruck
vor allem bei Schichtarbeit verbinden müssen. Kollektive
Arbeitszeitverkürzung
ist aber das einzige Mittel, um dem drohenden
Arbeitsplatzabbau auf
gewerkschaftlicher Ebene etwas entgegenzusetzen.

Dass dies bei Aufstellung der
Forderungen nicht diskutiert werden konnte, zeigt auch, wie
wenig die
KollegInnen in den Betrieben darüber in einer Tarifrunde
entscheiden können.
Und das Ergebnis zeigt auch, dass trotz des Kampfwillens, den
viele in der
Warnstreikrunde gezeigt haben, die IG Metall-Führung nicht
geneigt ist, die
ganze Kampfkraft durch unbefristete Streiks in die Waagschale
zu werfen. Ihr
ist ein Ergebnis, das die UnternehmerInnen nicht zu viel
kostet, wichtiger, als
die Arbeitenden vor Arbeitsdruck, Arbeitsplatzverlust und
prekärer
Beschäftigung zu schützen. Dieses Ergebnis reiht sich ein in
die Tarifpolitik
der letzten Jahre: Die Kampfkraft der Lohnabhängigen wird
nicht ausgeschöpft,
damit „Deutschland“ weiter Exportweltmeister bleibt. Auch die
lange Laufzeit
von 26 Monaten gibt den UnternehmerInnen Planungssicherheit,
wie VertreterInnen
der Unternehmerverbände ganz unverhohlen loben. Sie ist auch
ein Geschenk für
die Bundesregierung von Seiten der (un)heimlichen
MitkoalitionärInnen im IG
Metall-Apparat an ihre ParteifreundInnen von der
Koalitionspartnerin SPD.

Auch der Kampf um die
35-Stundenwoche im Osten – eine Angleichung, die schon vor
etlichen Jahren am
Widerstand der westdeutschen BetriebsratsfürstInnen in der
Automobilindustrie
scheiterte – wird mit diesem Abschluss und der darauf
folgenden Friedenspflicht
untergraben. Von der IG Metall ist dazu nur zu hören, dass sie
Vereinbarungen
aushandeln wolle. Wie sollen hier Vereinbarungen auf reinem
Verhandlungsweg
erzielt werden, wenn die UnternehmerInnen schon jetzt sagen,
alles solle im
Osten so bleiben, weil die Produktivität dort nach wie vor
geringer sei als im
Westen. Eine Angleichung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden
wie im Westen
wird von den Arbeit„geber“Innen weiterhin abgelehnt.

Die IG Metall will sie
zumindest dazu bringen, mit ihr zu verhandeln. „Wir sind mit
den Arbeitgebern
in Ostdeutschland bereits im Gespräch“, sagt Bernd Kruppa,
Erster
Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. Doch die
Arbeit„geber“Innen rühren
bereits Beton an: „Der Osten braucht diesen Wettbewerbsvorteil
weiterhin. Die
längere Arbeitszeit muss bleiben“, stärkt          Gesamtmetall-
Präsident Rainer Dulger
den HardlinerInnen in Sachsen den Rücken.

Die ArbeiterInnen brauchen die
Kontrolle über ihren Kampf von Anfang an – von Aufstellung der
Forderungen,
über die Durchführung, wo, wann und wie lange gestreikt wird,
bis zum Abschluss
der Verhandlungen. Es darf kein Übereinkommen geben, ohne dass
die Beschäftigten
in den Betrieben über die genauen Bedingungen des
Tarifvertrags auf
Betriebsversammlungen und mit Aushängen eingehend informiert
wurden und in
einer Urabstimmung darüber entschieden haben.

Tarifkampf bei der Berliner
BVG: Solidarität mit dem
Streik!
Lars Keller, Neue Internationale 236, April 2019

In den
vergangenen Monaten fanden nicht nur die Tarifverhandlungen
des öffentlichen
Dienstes der Länder statt. In Berlin kämpfen die ArbeiterInnen
der Berliner
Verkehrsgesellschaft (BVG) für bessere Arbeitsbedingungen.

Zu dem
Zeitpunkt, da dieser Artikel verfasst wird, steht ein 24-
Stunden-Streik am 01.
April an, nachdem die Verhandlungen zwischen ver.di und dem
Kommunalen
Arbeitgeberverband (KAV) am 28. März abgebrochen wurden.
Dieser Streik verdient
in jedem Fall unsere Solidarität!

Forderungen

Konkret
gefordert werden von ver.di: eine 36,5-Stunden-Woche,
Weihnachtsgeld für neu
Eingestellte, Wegfall der unteren Lohngruppen in Verbindung
mit schnelleren
Gehaltssprüngen sowie eine Einmalzahlung von 500 Euro für
Gewerkschaftsmitglieder.

Angesichts der
explodierenden Mieten in der Stadt und der geringeren
Entlohnung der
BVG-ArbeiterInnen       im     Vergleich     zu     anderen
Infrastrukturbeschäftigten
(DB/Deutsche Bahn, BWB/Berliner Wasserbetriebe, BSR/Berliner
Stadtreinigung)
sind die Forderungen mehr als berechtigt. Zudem müssen die
BVG-Beschäftigen
seit Jahren die verfehlte Personalpolitik ausbaden. Auch
deshalb ist die
Arbeitszeitverkürzung um 2,5 Stunden pro Woche so wichtig und
richtig.

Berlin bildet
dabei nur die Spitze des Eisberges. Laut ver.di fehlen
bundesweit im ÖPNV mehr
als 30.000 Beschäftigte. Hier zeigen sich die Folgen von
Privatisierungen und
der sogenannten Schuldenbremse, die die Kommunen zum Sparen
verdonnert und
damit die Kosten der Finanzkrise 2008 vor allem auf die
ArbeiterInnen abwälzt –
sei es durch geringe Löhne, Überlastung, fehlendes Personal
oder durch hohe
Fahrpreise.

Dementsprechend
quer stellen sich die Arbeit„geber“Innen. Dreist war das
Angebot Mitte März von
12 % über 5 Jahre Vertragslaufzeit. Das Ziel ist eindeutig:
die Belegschaft
durch einen hohen Wert blenden und sie gleichzeitig möglichst
lange in die
Friedenspflicht zwingen. Gleichzeitig verdient eine Sigrid
Nikutta
(BVG-Vorstand) 500.000 Euro pro Jahr und fährt
selbstverständlich mit einer
dicken Limousine durch die Gegend.

Wo gestreikt
wird, da lauert auch der Streikbruch. Beim zweiten Warnstreik
am 15. März
lieferte ver.di gleich selbst die Möglichkeit zur Schwächung
des
Arbeitskampfes, indem die     Gewerkschaft    lediglich   die
FahrerInnen der Busse zum
Streik mobilisierte.

Wie kämpfen?

Zu Recht
empörten sich viele BVGlerInnen, viele Fahrgäste konnten auf
Tram und U-Bahn
ausweichen. Diese Art von Teilwarnstreik schwächt den Kampf.
Daher ist es nur
richtig, dass zum 1. April wieder die gesamte Belegschaft
mobilisiert wird.
Dazu gehört die Forderung, die ver.di nicht aufgestellt hat,
an Subunternehmen
ausgelagerte Buslinien mitsamt ihren Beschäftigten wieder
unters Dach der BVG
zu integrieren! Diese Linien werden am Montag nahezu
uneingeschränkt betrieben
und damit den Streik unterlaufen.

Aber auch aus
einer anderen Ecke droht der Streikbruch: Die S-Bahn Berlin –
ihrerseits
Tochter der Deutschen Bahn AG und daher nicht Teil der
Tarifverhandlungen – hat
bereits angekündigt, Betriebsreserven zu mobilisieren, um die
Auswirkungen des
Streiks        abzufedern.        Hier       wären        die
EisenbahnerInnengewerkschaften EVG und GdL
sowie die Betriebsräte gefragt, diesen Streikbruch zu
verhindern.
Diese
Widersinnigkeit gegenseitigen Streikbruchs von Beschäftigten
desselben Sektors
und die Untätigkeit, diesen zu verhindern, verweist darauf,
wie notwendig der
Kampf für eine Transport- und Logistikgewerkschaft ist, die
alle im Sektor
Beschäftigen umfasst und die demokratisch von diesen
kontrolliert wird statt
durch    Vorgaben     der    BürokratInnen.       Für diese
klassenkämpferische Neuausrichtung
muss in der Basis von ver.di, GdL und EVG in Form von
oppositionellen
Strukturen gegen die Apparatschiks gekämpft werden.

Für den Streik
selbst gilt, was wir bereits im Flugblatt zum ersten Ausstand
der BVG
schrieben: Nur ein entschlossener Arbeitskampf kann die Lage
ändern – und das
heißt: vom Warnstreik zum unbefristeten Vollstreik! Damit ein
solcher breit
getragen wird und erfolgreich       sein   kann,   braucht   es
Vollversammlungen der
Beschäftigten. Ver.di soll so rasch wie möglich die
Urabstimmung einleiten.
Inhalt von Versammlungen in den Depots wie einer
Vollversammlung bei der BVG
muss vor allem eine Diskussion sein, wie die Forderungen ohne
faule Kompromisse
erzwungen      werden     können.      Dazu    braucht      es
rechenschaftspflichtige
Streikleitungen, die aus der Belegschaft heraus gewählt werden
und den
Arbeitskampf koordinieren. Die Verhandlungskommission muss
diesen Versammlungen
gegenüber rechenschaftspflichtig und von diesen abwählbar
sein. Es darf keinen
Abschluss ohne Zustimmung der Gewerkschaftsmitglieder geben!

Streik und
Verkehrsfrage

Eine Aufwertung
des Berufes der FahrerIn ist eines der Versprechen der viel
gepriesenen
Verkehrswende. Die Parteien des Berliner Senats (SPD, Linke,
Grüne) befinden
sich in der
Tarifauseinandersetzung auf Arbeit„geber“Innenseite, auch wenn
sie
vorgeben, die SchülerInnenbewegung Fridays for Future zu
unterstützen und den
öffentlichen Nahverkehr zu stärken.

Trotzdem wird
die Finanzierbarkeit als Grund vorgeschoben, die Forderungen
ver.dis
abzulehnen. Dies zeigt nicht nur die engen Grenzen der
kommunalen Kassen,
sondern auch die eines grünen Kapitalismus. Wenn sie nicht
finanzierbar ist,
gibt es eben keine Qualitätssteigerung im ÖPNV, gibt es weder
mehr Personal
noch Entlastung der FahrerInnen.

Deswegen treten
wir anstelle einer kapitalistischen Verwaltung durch Land und
BVG-ChefInnen für
eine demokratische Kontrolle durch die VerkehrsarbeiterInnen
und lohnabhängigen
Fahrgäste in Form eines gewählten Verkehrsplanungskomitees
ein. Unser Ziel ist
ein kostenloser ÖPNV, finanziert durch hohe Besteuerung der
Reichen und
KapitalistInnen insbesondere der Automobil- und Ölindustrie
sowie privater
Verkehrsgesellschaften. Auch aufgrund dieses Zusammenhangs
sollten sich ver.di
und die streikenden SchülerInnen zusammentun, Schulstreiks und
BVG-Streik
zusammenführen. Unbefristeter Streik für unsere Zukunft!

Massenentlassungen bei Opel
Österreich: ein umfassender
Streik ist nötig!
Michael Märzen, Infomail 1048, 31. März 2019

Von der Ankündigung des Stellenabbaus sei
man im Betriebsrat von Opel in Wien-Aspern nicht überrascht
gewesen, nur vom
tatsächlichen Ausmaß. Am Dienstag wurde der Belegschaft des
Motoren- und
Getriebe-Werks bei einer Betriebsversammlung mitgeteilt, dass
bis Jahresende
350–400 Arbeitsplätze wegfallen sollen – angesichts der knapp
1.200
Beschäftigten ist das jede dritte Stelle!

Kämpfen wolle man um die Arbeitsplätze
aber nicht, immerhin gebe es noch vom Vorjahr, als damals
schon 100 Jobs
gestrichen wurden, einen Sozialplan. „Jetzt beginnen erst
einmal die
Detailverhandlungen mit der Geschäftsleitung“, sagt dazu die
Vorsitzende des
Arbeiter*innen-Betriebsrats, Renate Blauensteiner. In diese
Richtung geht neben
den Gewerkschaften PRO-GE (Produktionsgewerkschaft) GPA-djp
(Gewerkschaft der
Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier) auch der
Vorsitzende des
Angestellten-Betriebsrats, Franz Fallmann: „Gesucht werden
Mitarbeiter, die mit
Jahresende freiwillig    austreten,   aus   Altersgründen   oder
Jobwechsel.“ Das werde
aber nicht reichen.

Die Pläne der Konzernleitung bedeuten somit nicht einfach
einen Haufen goldener Handschläge, sondern tatsächlich
Arbeitslosigkeit sowie eine Arbeitsverdichtung für die
restliche Belegschaft. Dass Betriebsrat und Gewerkschaften
einen solchen heftigen Anschlag einfach hinnehmen, spricht
Bände über die sozialdemokratische Gewerkschaftsfraktion FSG,
deren Angehörige Blauensteier (nebenbei auch Vizepräsidentin
der Arbeiterkammer Wien) ist.
Der rigorose
Sparkurs der Opel-Automobilsparte

Warum aber möchte die Konzernleitung
überhaupt so viele Arbeitsplätze abbauen? Laut der
Tageszeitung „Die
Presse“ macht der deutsche Autokonzern Opel als
Tochtergesellschaft von
General Motors schon seit dem Jahr 2000 jährlich Verluste. Im
März 2017 wurde
das Unternehmen vom französischen Automobilhersteller PSA
(Peugeot, Citroën,
DS, Vauxhall) übernommen. Noch im selben Jahr begann man im
Rahmen des
sogenannten Zukunftsplans „Pace“ (zu deutsch: Tempo) mit der
Umsetzung
rigoroser Sparpläne. Größere „Umstrukturierungen“ gab es dann
2018 in
Deutschland, wo bspw. 3.700 Jobs vernichtet wurden. Insgesamt
konnte man so die
Fixkosten stark reduzieren, sodass man schon 2018 wieder
Gewinne verbuchte.

PSA-Chef Carlos Tavares ist das aber offenbar nicht genug.
Denn wie das deutsche Wochenmagazin „Stern“ berichtete, liegt
es im strategischen Konzerninteresse, den operativen Gewinn
bis 2026 weiter zu erhöhen. Insgesamt läuft die Strategie auf
die Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit
hinaus, um neue Märkte zu erobern. So sollen die Übersee-
Exporte bis 2020 verdoppelt werden und bis 2022 will man 20
neue Exportmärkte erschließen, etwa in Saudi-Arabien, Taiwan
und Argentinien. Mittelfristig möchte man womöglich nach China
und Brasilien liefern. Es steckt also viel mehr hinter der
Arbeitsplatzvernichtung             als        irgendwelche
Wettbewerbsschwierigkeiten.Es geht um Expansion              zur
Gewinnsteigerung auf Kosten der ArbeiterInnen!

Die
sozialdemokratische                  Strategie              ist
gescheitert

Nachdem PSA den Opel-Konzern übernommen
hatte, mussten die Belegschaften in den verschiedenen Ländern
um ihre Standorte
fürchten. So auch in Wien-Aspern, wo in diesem Jahr die
Aufträge zur Produktion
von 5-Gang-Schaltgetrieben auslaufen. Damit ein neues
Schaltgetriebe durch den
Mutterkonzern in Auftrag gegeben wird, hat sich die Stadt Wien
im Juni letzten
Jahres zu einer    „Innovationsförderung“    auf   Kosten    der
Allgemeinheit in der Höhe
von einer Million Euro hinreißen lassen, wobei man nicht
einmal eine
Arbeitsplatzgarantie erwirken konnte. Damit schrieb sich die
Stadtregierung
allerdings die Rettung des Standorts auf die Fahnen. Ähnlich
wie die SPÖ Wien
hat sich der Betriebsrat schon drei Jahre davor verhalten, als
er mit der
Geschäftsführung einen Standortsicherungspakt mit zwei mal 2 %
Lohnverzicht unterzeichnete. Weder die Förderung der Stadt
Wien noch der
Lohnverzicht der Belegschaft haben Arbeitsplätze retten
können. Und es stellt
sich die Frage, was passiert, wenn die Autoproduktion
angesichts der Tendenz
zum Elektroantrieb in einigen Jahren auf die neuen
Schaltgetriebe verzichten
kann. Werden dann noch mehr Arbeitsplätze abgebaut? Oder wird
dann doch das ganze
Werk geschlossen?

ArbeiterInnen und Gewerkschaften müssen
kämpfen!

Die bisherige SPÖ-FSG-Strategie des
Klein-Beigebens ist klar gescheitert. Durch kampflose
Zugeständnisse erreicht
man eben doch nichts weiter als neue Einsparungen. Die jetzige
Orientierung von
Betriebsrat, PROGE und GPA-djp auf einen Sozialplan bedeutet,
den Kampf schon
aufzugeben, bevor er überhaupt begonnen hat. Um die Vorstöße
der
Konzernführungen heute und morgen abzuwehren, muss man aber in
die Offensive
gehen, statt Schritt für Schritt zurückzuweichen!

Wenn die ArbeiterInnen von Opel Wien-Aspern den Jobabbau nicht
einfach hinnehmen wollen, dann müssen sie Druck auf ihre
VertreterInnen in Betriebsrat und Gewerkschaft ausüben. Sie
müssen neue Betriebsversammlungen fordern und über
Kampfmaßnahmen diskutiert. Sollen die Arbeitsplätze und das
Werk erhalten bleiben, dann muss gestreikt werden. Mit einem
Streikkomitee, gewählt aus den eigenen Reihen, jederzeitig
rechenschaftspflichtig und abwählbar, kann die Führung des
Streiks durch die ArbeiterInnen selbst kontrolliert werden. In
einem solchen Arbeitskampf dürfen die Streikenden auch nicht
den Angaben der Geschäftsführung vertrauen, sondern müssen den
Einblick in die Geschäftsbücher verlangen. Kann das
Unternehmen das Werk und die Arbeitsplätze nicht erhalten,
dann sollte es entschädigungslos und unter demokratischer
Kontrolle der Beschäftigten von der Allgemeinheit übernommen
werden!

„Aus unseren Kämpfen lernen“
– aber wie?
Frederik Haber/Helga Müller, Infomail 1064, 14. März 2019

Unter obigem Motto fand die 4. Streikkonferenz vom 15. bis 17.
Februar in Braunschweig statt. Mit rund 800 Teilnehmenden war
sie die bisher größte ihrer Art. Offensichtlich gibt es
Bedarf, über die Praxis der Gewerkschaften zu diskutieren. Von
den Mitgliederzahlen her waren diese in den letzten 70 Jahren
noch nie so schwach wie heute. Nur noch die Hälfte der
Beschäftigten arbeitet in Betrieben mit Betriebs- oder
Personalräten, der Geltungsbereich von Tarifverträgen ist auf
unter 50 Prozent gesunken.

Niedergang

Dieser
Niedergang hat nicht nur auf Grundlage strategischer
Niederlagen wie der Agenda
2010 stattgefunden, sondern setzte sich in den letzten Jahren
auch ohne scharfe
offene Angriffe und Rückschläge fort, in Zeiten, in denen die
Gewerkschaftsführungen mit der Regierung kooperieren, ja sie
sogar offen
unterstützen; in Zeiten, in denen der DGB gemeinsam mit den
Unternehmerverbänden „Hundert Jahre Mitbestimmung“ feiert.

Höchste Zeit
also zu fragen, was die Gewerkschaften falsch machen. Ist es
nur die Praxis
oder steht dahinter auch eine bestimmte Politik? Die Rosa-
Luxemburg- Stiftung
als Veranstalterin der Braunschweiger Konferenz beschränkte
sich allerdings
bewusst auf ein Konzept, einzelne gute Beispiele zu
präsentieren, die dann
anderswo nachgeahmt werden können. Recht offen stellte ihre
Vorsitzende dar,
dass in den Gewerkschaftsführungen oft Leute sitzen, die
nichts ändern möchten.
Sie berichtete von der mühevollen Arbeit, diese trotzdem von
der Notwendigkeit
dieser Konferenz zu überzeugen.

Die einfache
Frage, warum die Leute, die für den Niedergang der
Gewerkschaften
verantwortlich sind, an der Klassenzusammenarbeit um praktisch
jeden Preis
festhalten und daran auch nichts ändern wollen, noch hofiert,
stellt sie nicht
und offensichtlich nicht viele im Publikum: Gehören solche
Leute nicht einfach
rausgeschmissen?
Die
VeranstalterInnen setzen denn auch darauf, möglichst viele
regionale
Verantwortliche als UnterstützerInnen zu gewinnen. Überhaupt
sind viele
Hauptamtliche dabei. Beim Branchentreff Metall stellen sie
rund die Hälfte der
Anwesenden. Mag sie auch Unbehagen über die derzeitige Politik
nach
Braunschweig getrieben haben, in der Diskussion verteidigen
sie die Politik der
Führung – sei es aus Überzeugung oder Reflex.

Der
Tarifabschluss 2018 sei ein Einstieg in die Arbeitszeitdebatte
und hätte eine
Verkürzung der Arbeitszeit gebracht – meinte z. B. das IGM-
Vorstandsmitglied
Urban. Dass der Abschluss ein größeres Arbeitszeitvolumen
ermöglicht und viele
Unternehmen dies nutzen, wird genauso wenig erwähnt, wie dass
der rechte
Apparat der IGM mit diesem Abschluss die Arbeitszeitdebatte
für beendet erklärt
hat. Jegliche Strategie der Linken muss aber von der Realität
ausgehen und
nicht von Wunschdenken und Schönreden.

Rechtsruck und
Gewerkschaften

Die Krise der
Gewerkschaften drückt sich auch darin aus, wie sie mit dem
Rechtsruck in der
Gesellschaft umgehen. So sorgte sich die IG Metall bei den
Betriebsratswahlen
2018 sehr um das Abschneiden einiger betont rechter,
rassistischer und
gewerkschaftsfeindlicher Listen. Nachdem diese aber nur wenige
Mandate erzielt
hatten, ist das kein wirkliches Thema mehr.

Dazu trug Klaus
Dörre auf der Konferenz ein Referat vor, das darauf hinwies,
dass „sich nur
wenige Kandidaten gefunden haben, die sich während der
Betriebsratswahlen auf
Listen offensiv dazu bekennen, rechte Positionen zu vertreten,
doch das bedeute
nicht, dass diese nicht existieren.“ Allein 19 Prozent der
Lohnabhängigen und
15 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder        haben   bei   der
Bundestagswahl 2017 der
AfD ihre Stimme gegeben – bei einem Gesamtergebnis von 12,6
Prozent ein
deutlich überdurchschnittlicher Wert.

Er stellte dar,
dass es nicht nur GewerkschafterInnen gibt, die sowohl
„korrekte“
gewerkschaftliche      Positionen     vertreten    wie   auch
rechtspopulistische Floskeln
äußern, sondern auch überzeugte rassistische ReaktionärInnen,
die manchmal eine
führende Rolle in den betrieblichen Strukturen ausüben und als
„gute InteressensvertreterInnen“
gelten. Wo diese einmal etabliert sind, wird das Thema vom
Apparat tabuisiert,
solange die Mitglieder oder Betriebsräte keine Konkurrenzliste
aufmachen.

Das hätte viel
Anlass zur Diskussion geben können und müssen. Es zeigt, dass
die
reformistischen BürokratInnen rassistische, nationalistische
und
rechtspopulistische Positionen dulden, solang diese Kräfte die
Gesamtpolitik
des Apparates nicht stören. Man könnte das als
unausgesprochenes
Stillhalteabkommen bezeichnen. Für die Linke in den
Gewerkschaften bedeutet
dies, dass es nicht reicht, nur gute, aktive Betriebsarbeit zu
machen, auf
„Organizing“ zu setzen und sich um die unorganisierten
Bereiche insbesondere im
prekären Sektor zu kümmern, der bekanntlich von der Bürokratie
fast völlig
vernachlässigt wird. Vielmehr muss dies mit einem aktiven
Kampf gegen Rassismus
verbunden werden – und eine solche Politik muss auch gegen den
Apparat in den
Gewerkschaften und in den Großkonzernen durchgesetzt werden.

Es liegt auf der
Hand, dass diese nicht in „Bunt statt Braun“- Bekenntnissen
aller Gutmenschen
oder in gemeinsamen Erklärungen von Betriebsräten mit den
Unternehmensleitungen
bestehen kann. Die richtige Erklärung, dass die AFD
„neoliberale“ und
arbeiterInnenfeindliche Politik mache, bleibt solange
weitgehend unwirksam, wie
die Gewerkschaften auf Klassenzusammenarbeit mit den
BetreiberInnen und
ProfiteurInnen dieser „neoliberalen“ Politik setzen. Der Kampf
gegen rechts ist
in den Gewerkschaften zugleich einer gegen die
Klassenzusammenarbeit und kann
letztlich nur so erfolgreich sein.

Dies wird nicht
nur in den Gewerkschaftsstrukturen kaum thematisiert. Auch in
Braunschweig gab
es keine Diskussion mit Dörre zu dessen Studien und teilweise
provozierenden
Thesen. Nur ein Workshop ganz am Ende der Tagung betrachtete
den „Umgang mit
Rechtspopulismus in Betrieb und Gewerkschaft“ – ansonsten
wurde das Thema
routiniert ausgesessen.

Beteiligung

Ein gutes
Drittel der TeilnehmerInnen kann man als „jung“ (also unter
40) bezeichnen und
insgesamt lag der Altersdurchschnitt deutlich unter dem der
meisten
Gewerkschaftsveranstaltungen. Aber die in Braunschweig
versammelte
„Gewerkschafts-Jugend“ war nicht sonderlich radikal. Es
schienen viele
Studierende unter ihnen zu sein, denen die Konferenz mal
erlaubt, an
Betriebsarbeit zu schnuppern, aber auch viele, die direkt an
einem Aufstieg in
den Apparat arbeiten.

Frappant war der
geringe Anteil an MigrantInnen auf der Konferenz. Sie sind
bekanntlich in der
Gewerkschaft umso schlechter vertreten, je höher es in die
Ränge der
FunktionärInnen geht. In Braunschweig kamen gerade mal 16
Menschen zum Workshop
über Migration. Das stand in eklatantem Gegensatz zu Bernd
Riexingers Statement
in der Podiumsdiskussion am Freitagabend, dass Streiks „heute
jünger, weiblicher
und migrantischer“ seien. Diese Aussage ist dort gültig, wo
Streiks im Handel,
bei ErzieherInnen und in ähnlichen Bereichen stattfinden. Sie
wirft aber auch
ein Licht darauf, dass genau diese KollegInnen in Braunschweig
wenig anwesend
waren, sondern vor allem die GewerkschaftssekretärInnen, die
diese Kämpfe
betreuen und organisieren.

Insgesamt war
ver.di viel besser vertreten als die IG Metall – ein Indiz
dafür, dass dort die
Spielräume größer sind. Das liegt einerseits an deren
branchenbedingter Vielfalt
und einem relativ schwächeren Apparat, aber auch daran, dass
die IG Metall die
Schlachtschiffe des deutschen Groß- und Exportkapitals
organisiert,
insbesondere die Autoindustrie. Ihr Beitrag zu der dort
herrschenden engen
Zusammenarbeit mit dem Kapital ist es, alle eigenständigen
Bewegungen und
Initiativen zu ersticken, die die arbeitsteilige Produktion
und den Umsatz
gefährden könnten. Ja, es werden sogar störende Elemente in
Kollaboration mit
dem Management aus den Betrieben entfernt.

Pflegenotstand

Ein wichtiger
Schwerpunkt     der    Konferenz    war   die   Debatte    zum
Gesundheitswesen. Kein Wunder
fehlen nach ver.di-Angaben über 100.000 Pflegekräfte. Ver.di
hatte deswegen vor
ca. 2 Jahren eine Kampagne zur Entlastung der
Klinikbeschäftigten initiiert und
in   immerhin    13   Krankenhäusern     Tarifverträge     und
schuldenrechtliche Abkommen für
mehr Personal durchsetzen können, teilweise durch wochenlange
Durchsetzungsstreiks wie an den Unikliniken in Essen und
Düsseldorf. In den
Medien ist seitdem die Personalmisere insbesondere in den
Krankenhäusern immer
wieder Thema. Selbst die Politik musste mit diversen neuen
Gesetzen reagieren,
die vorgeben den Personalnotstand zu bekämpfen. Von daher
wurden auf der
Konferenz    diverse     Arbeitsgruppen     zur   Bilanz   der
Entlastungskampagne und wie es
damit weitergeht angeboten.

Trotz positiver
Beispiele wie Abkommen und Tarifverträge für mehr Personal
durchgesetzt werden
konnten, wurde hier versäumt intensiv darüber zu diskutieren,
welche Mittel die
Belegschaften einsetzen müssen, um die Tarifverträge auch
gegen den Willen der Klinikleitungen
in der Realität umzusetzen. Trotz eines Beschlusses des
Bundesfachbereichsvorstandes 3 (Fachbereich 3 ist in ver.di
für den
Gesundheitsbereich zuständig), die Kampagne fortzuführen und
trotz des
ernstgemeinten Appells eines linken Gewerkschaftssekretärs,
die Umsetzung des
Personalaufbaus gemeinsam mit allen Beschäftigten der 13
Krankenhäuser gegen
die Verweigerungshaltung der Klinikleitungen durchzusetzen,
wurde es versäumt
zu diskutieren, wie genau dieses gemeinsame Vorgehen gegen den
Willen des
Apparats durchgesetzt werden kann. Lag doch eine der Schwächen
der Kampagne
genau darin, dass die ver.di-Verantwortlichen die Kampagne in
keiner Phase des
Kampfes so angelegt hatten, dass die Belegschaften aller
Krankenhäuser in einen
gemeinsamen Kampf für die Durchsetzung von mehr Personal
entsprechend dem
Bedarf geführt wurden.

Eigentlich eine
gewerkschaftliche Binsenweisheit! Liegt doch die Kraft eines
bundesweit
angelegten gewerkschaftlichen Kampfes gerade darin, dass
besser organisierte
und kampffähigere Belegschaften schwächere mitziehen können
und diese durch ein
bundesweites Abkommen für mehr Personal davon profitieren
können. Immer wieder
wurde auch gemunkelt, dass der Bundesvorstand die Kampagne
gerne nur noch auf
Sparflamme hätte fortführen wollen bis sie dann zu guter Letzt
ganz aufgegeben
wird. Das konnte tatsächlich durch den Kampf der Belegschaften
der 13
Krankenhäuser durchbrochen werden. Sehr richtig wurde in den
Diskussionen von
ver.di-Seite angemerkt, dass diese Kampagne mehr ist als der
„übliche“
gewerkschaftliche Kampf um einen Tarifvertrag, diese darüber
hinausgeht und
auch eine politische Kampagne beinhaltet.

Aber anstatt
Ross und Reiter zu nennen, dass es um einen politischen Streik
geht gegen die
Privatisierungspolitik    der   Regierungen   und   gegen   die
Einführung der sog. DRGs
(Fallpauschalen), die die        Privatisierung     erst    für
Gesundheitskonzerne lukrativ
gemacht haben, verwiesen die anwesenden Gewerkschaftssekretäre
und die
Vertreter der Linkspartei auf die diversen Volksbegehren in
Hamburg, Berlin,
Bremen und Bayern, die zum Ziel haben einen verbindlichen
gesetzlichen
Personalschlüssel durchzusetzen. Egal ob im Norden oder Süden
der Republik – diese
Volksbegehren haben den großen Nachteil, dass sie einerseits
einem mehr oder
weniger komplizierten gesetzlichen Verfahren unterworfen sind,
das zum Ziel
oder auch nicht führen kann und das andererseits vollkommen
vom politischen
Willen der jeweiligen Regierungen abhängig ist.

Perspektive

Insgesamt ist
diese Konferenz nicht darauf ausgelegt gewesen, die linken,
kritischen oder
oppositionellen Teile in den Gewerkschaften zu radikalisieren
und zu vereinen.
Dazu wäre auch eine Kritik an der Praxis der Bürokratie –
einschließlich des
linken Flügels des Apparates – nötig gewesen. Die
Vereinbarungen zur
„Standortsicherung“     beispielsweise     verlieren   ihren
spalterischen Charakter –
die Sicherung der Arbeitsplätze auf Kosten anderer
Belegschaften und der prekär
Beschäftigten – nicht dadurch, dass sie von kämpferischen
Aktionen begleitet
werden und dem Kapital das eine oder andere Zugeständnis
abknöpfen. Die
permanente Rechtfertigung solcher Politik durch „linke“
SekretärInnen als
einzig Mögliche und damit, dass die KollegInnen ja noch nicht
so weit wären
(„Ich selber bin ja auch SozialistIn“) blockiert und
beschränkt zugleich die
Entwicklung des Klassenbewusstseins und der Entschlossenheit
der AktivistInnen.
Aus dem Munde linker GewerkschafterInnen sind die
Rechtfertigungen oftmals
wirkungsvoller als aus dem Munde derer, die schon die Ansätze
von Kämpfen
verhindern.

Hinzu kommt,
dass die Fortsetzung der Politik der Sozialpartnerschaft durch
gewerkschaftliche Unterstützung der Regierungspolitik von SPD
und Linkspartei
auch weitgehend ausgeblendet wurde.

Natürlich ist es
für einzelne AktivistInnen enorm schwer, in der Masse von
sowohl rückständigen
Belegschaften als auch Gewerkschaftsstrukturen, die voll und
ganz unter der
Kontrolle der ReformistInnen stehen, den Spagat zu machen
zwischen
Mobilisierung für den Kampf, Kritik an den Apparatmethoden,
der Entwicklung und
Durchsetzung alternativer Strategien,        die   nicht   nur
kämpferischer sind, sondern
zugleich eine antikapitalistische Perspektive entwickeln, die
mit der Praxis
verbunden sind.

Aber genau das
erfordert      eine   verbindliche      Organisierung      der
klassenkämpferischen Kräfte in
den Gewerkschaften und Betrieben, die nicht nur um eine andere
Politik
vertreten, sondern auch darum kämpfen, die Macht des Apparates
zu brechen –
eines Apparates, der nicht nur eine sozialpartnerschaftliche
und bürgerliche
Politik in der Klasse betreibt, sondern der auch über tausende
Fäden eng mit
dem Herrschaftssystem des Kapitals verbunden ist. Schritte in
diese Richtung
unternahm die Streikrechtskonferenz nicht – und das war von
der Linkspartei und
den ihr nahestehenden Teilen der Gewerkschaftsspitzen auch
nicht beabsichtigt.

Zur
organisierten Opposition können wir nur auf Grundlage einer
Aufarbeitung der
Krise der Gewerkschaften und einer Verständigung gelangen,
worin die Politik des
reformistischen Apparates besteht. Dazu sind Verabredungen zum
Kampf gegen die
reformistische Bürokratie nötig.

Die nächste
Gelegenheit dafür bietet sich voraussichtlich mit dem Projekt
einer
Strategiekonferenz im Jahr 2020. Die Initiative zur Vernetzung
der
Gewerkschaftslinken hatte dafür im Vorfeld geworben und schon
einige Resonanz
erhalten. Ein kurzes Treffen für die Organisierung zählte dann
immerhin 70
TeilnehmerInnen. Offensichtlich gibt es bei einigen das
Bedürfnis, tiefer zu
gehen, als nur Anregungen für eine bessere Praxis zu sammeln.
Möglicherweise
hat die Übermacht des Apparates in Braunschweig die
Notwendigkeit, über
Strategie nachzudenken, noch befördert. Zur Vorbereitung der
Strategiekonferenz
2020 findet ein nächstes Vernetzungstreffen am 18. Mai 2019 in
Frankfurt/Main
statt.

Das strategische
Ziel muss die Befreiung der größten Organisationen der
ArbeiterInnenklasse von
denen sein, die sie in der Zusammenarbeit mit dem Kapital und
dessen Staat
fesseln.

Tarifergebnis                                          des
öffentlichen Dienstes                                  der
Länder
Helga Müller, Infomail 1045, 7. März 2019

Wie fast schon vorauszusehen war, endete auch diesmal die
Tarifrunde der Länder nach einer mehrtägigen Marathonsitzung
bei der letzten –
bereits im Vorfeld vereinbarten – Verhandlung am 2. März mit
einem Ergebnis.
„Fast“, weil in dieser Tarifrunde die Blockadehaltung der
öffentlichen
Arbeit„geber“Innen doch sehr klar war. Selbst nach der zweiten
Verhandlungsrunde waren sie nicht bereit, auch nur ein kleines
Entgeltangebot
zu machen.
Auf der anderen Seite haben sich noch nie zuvor soviel
Beschäftigte der Länder – vor allem in den Sozial- und
Lehrbereichen –
mobilisiert. Es schien zunächst, dass die öffentlichen
Arbeit„geber“Innen zu
einer härteren Gangart bereit waren. Tatsächlich gab es am
Schluss der
Tarifverhandlungen zwischen dem SPD-Verhandlungsführer
Matthias Kollatz und vor
allem seinen CDU-LänderkollegInnnen wohl noch ein zähes
Ringen, das verhandelte
Ergebnis zwischen der TdL (Tarifgemeinschaft der Länder) und
den Gewerkschaften
doch noch anzunehmen. Er erhielt zwar 60 Prozent für seinen
Kompromiss auf der
TdL-Mitgliederversammlung, aber einige waren eben auch nicht
dafür.
Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) hätte
sich „insgesamt
einen weniger haushaltsbelastenden Abschluss gewünscht.“ (zit.
nach
sueddeutsche.de vom 3. März       2019).   In   Dresden   ließ
Finanzminister Matthias Haß
(CDU) verlautbaren, dass der Abschluss zu geringeren Ausgaben
in anderen
Bereichen führen könnte: „Wir haben Vorsorge getroffen, aber
das Geld fehlt
dann an anderer Stelle, zum Beispiel für Investitionen.“ (zit.
nach
sueddeutsche de. vom 3. März 2019)

Doch die Realität sieht so aus, dass beide Tarifparteien –
ganz in der Tradition der Sozialpartnerschaft, in der sich vor
allem ver.di und
die Vertreter der Länderregierungen seit Jahrzehnten üben –
mit dem erzielten
Ergebnis ganz zufrieden sind. Mathias Kollatz sprach
von einem „fairen Tarifabschluss“ (sueddeutsche.de vom 2. März
2019) und Frank
Bsirkse, der Verhandlungsführer auf Gewerkschaftsseite, zeigte
sich höchst
zufrieden und sprach von dem besten „Ergebnis im Länderbereich
für einen
Lohnabschluss seit Jahren“. Er redete sogar von
„spektakuläre(n)
Attraktivitätsverbesserungen für einzelne Berufsgruppen.“
(zit. nach: suedeutsche.de
vom 3. März 2019).

Wichtigste Ergebnisse

Wie immer bei Tarifergebnissen, die im öffentlichen Dienst
erzielt werden, ist dieses nicht leicht zu bewerten, da ja das
Tarifwerk selbst
sehr komplex ist und diesmal auch die Forderungen sich
bekannterweise nicht nur
auf reine Entgeltforderungen beschränkten, sondern auch auf
eine Überprüfung
der Entgeltordnung und Besserstellung von einzelnen
Berufsgruppen.

Zu den wichtigsten Ergebnissen:

     Im Gesamtvolumen wird es eine Erhöhung um
     8 % (inkl. Zinseszins) in drei Stufen bei einer sehr
     langen Laufzeit von
     33 Monaten (bis Ende September 2021) geben, immerhin
     ohne Nullmonate.
Die Entgelte werden in 3 Stufen angehoben: ab 1.
Januar 2019 um 3,2 % im
Gesamtvolumen(!), mindestens aber 100 Euro, ab 1. Januar
2020 wiederum um
3,2 %, aber mindestens 90 Euro, und die letzte Erhöhung
ab 1. Januar 2021
beträgt 1,4 %, mindestens aber 50 Euro für 9 Monate bis
Ende September
2021.
BerufseinsteigerInnen bekommen in zwei Schritten
rund 11 Prozent mehr Gehalt.
Die Ausbildungsvergütung für Azubis wird ab 1.
Jan. 2019 und 1. Januar 2020 um je 50 Euro erhöht. Sie
erhalten außerdem noch
einen Urlaubstag. Damit erhöht sich ihr Urlaub auf 30
Tage wie bei allen
anderen Beschäftigten.
Pflegekräfte erhalten 120 Euro im Monat mehr und
auf diesen erhöhten Grundbetrag kommt dann          die
allgemeine Lohnerhöhung drauf
und ab 1. Januar 2019 wird die kommunale Entgelttabelle
für die Pflegekräfte
übernommen.
Bei LehrerInnen wird die Angleichungszulage (an
die Besoldung der verbeamteten LehrerInnen) um 75 Euro
auf 105 Euro erhöht.
Die Bezahlung der ErzieherInnen und
SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen wird auf
das Niveau des kommunalen Sozial- und Erziehungsdienstes
(TVöD VKA) angehoben.
Die Verbesserung der Gehälter für die
ErzieherInnen, SozialarbeiterInnen, Pflegekräfte und
weitere wird teilweise
kompensiert durch das Einfrieren der Jahressonderzahlung
auf 4 Jahre (2019 bis
2022) und zwar auf das Niveau von 2018.
Die Große Tarifkommission hatte
gleich nach dem Aushandeln des Ergebnisses diesem Kompromiss
mit Applaus
zugestimmt. Es sollen nun zwar die Mitglieder dazu befragt
werden, das dient
aber nur dazu, dem Ergebnis eine zusätzliche demokratische
Legitimation zu
verleihen.

Zunächst sieht das Ergebnis auf
den ersten Blick sehr positiv aus im Vergleich zu den übrigen
Abschlüssen im
Jahr 2018.

Was aber daran als Erstes
auffällt, ist die sehr lange Laufzeit von 33 Monaten – im
öffentlichen Dienst
nicht wirklich ungewöhnlich, auch die Laufzeit des TVöD VKA
beträgt 30 Monate
-, was eine Synchronisierung der Laufzeiten der Tarifverträge
im öffentlichen
Dienst aber immer schwieriger macht. So sind Bund und Kommunen
nächstes Jahr
mit ihrer Tarifrunde dran. Bekanntermaßen verfügt ver.di
gerade im kommunalen
Bereich noch über sehr gut organisierte Kampftruppen wie z. B.
bei der
Stadtreinigung. Eine Vereinigung der Tarifkämpfe und damit der
Belegschaften im
öffentlichen Dienst – wie es zu Zeiten des BAT
(Bundesangestellten-Tarifvertrag, der für alle Beschäftigten
im öffentlichen
Dienst galt) üblich war – würde natürlich die Kampfkraft und
die
Durchsetzungsfähigkeit       gegenüber    den   öffentlichen
Arbeit„geber“Innen deutlich
erhöhen und gäbe auch die Chance, die Bezahlung der
Länderbeschäftigten
schneller an das Niveau der KollegInnen in Bund und Kommunen
anzugleichen.

Vor allem gibt der Abschluss den
Ländern für fast drei Jahre (genauer gesagt für 2 Jahre + 9
Monate)
„Planungssicherheit“ und die Gewissheit, dass es zu keinen
weiteren Streiks in
Kitas, Schulen oder Krankenhäusern kommt. Dies bildete auch
ein gewichtiges
Argument im ersten Kommentar des TdL–Verhandlungsführer
Matthias Kollatz (SPD),
der auf dem Kompromiss bestand, auch wenn sich die Kosten für
die Länder nach
seinen Angaben auf mehr als sieben Milliarden Euro belaufen
werden.

Zum anderen ist die dritte und
letzte allgemeine Erhöhung ab 1. Januar 2021 um 1,4 % für 9
Monate sehr
gering. Eine eher klägliche Erhöhung, zumal keiner voraussagen
kann wie sich
die Inflationsrate entwickeln wird. Bei näherer Betrachtung
sieht das eher nach
einem Reallohnverlust für 2021 aus und damit nach einem
weiteren Abhängen der
Länderbeschäftigten von den anderen Bereichen des öffentlichen
Dienstes.

Zum Dritten – auch wenn die
Durchsetzung einer sog. sozialen Komponente, die die unteren
und mittleren
Einkommen etwas stärker anhebt, und die Angleichung der
ErzieherInnen und
SozialarbeiterInnen an den TVöD VKA zu begrüßen sind – muss
man festhalten,
dass damit sicher die Auseinanderentwicklung der Gehälter im
öffentlichen
Dienst – zwischen Ländern auf der einen und Bund/Kommunen auf
der anderen Seite
– nicht aufgehalten werden konnte. Dazu trägt, wie oben
bereits erwähnt, auch
die lange Laufzeit bei und erschwert die ganze Sache noch
dazu.

Last but not least fordern ver.di und die GEW zwar die
zeitnahe Übernahme des Tarifabschlusses auf die ca. 2,3 %
BeamtInnen und VersorgungsempfängerInnen. Da dies aber
alleinige Ländersache ist und von den Beschlüssen der Landtage
abhängt, kann dies in unterschiedlichen Ländern auch eine
unterschiedliche Besoldung bedeuten. Heute schon verdienen
BeamtInnen in Bayern mehr als im Rest der Republik. Ein
weiterer Wehrmutstropfen besteht darin, dass für das Land
Hessen, das seit 2004 nicht mehr der TdL angehört, die
Tarifrunde noch aussteht. Aber zumindest steht im hessischen
Koalitionsvertrag, dass eine Rückkehr in die TdL geprüft
werden soll. Es liegt an ver.di und den verhandelnden
Gewerkschaften, dies auch in der Tarifrunde einzufordern und
zu erzwingen!

Sozialpartnerschaft

Natürlich geht niemand davon aus,
dass in einer Tarifrunde dieses Auseinanderdriften, das seit
2007 – parallel
zum Beginn der getrennten Verhandlungen von Ländern und
Bund/Kommunen –
begonnen hat, wettgemacht werden kann, aber die Frage darf
gestellt werden:

Hätten die streikenden
KollegInnen in den Dienststellen, in den Behörden, in ihren
Einrichtungen die
Möglichkeit gehabt, vor Annahme des Kompromisses in aller
Ausführlichkeit
dieses Ergebnis zu diskutieren und darüber zu entscheiden,
hätten sie es dann
auch angenommen oder hätten sie dafür gestimmt, in die
Urabstimmung über einen
Durchsetzungsstreik zu gehen?

Nur so wäre es möglich gewesen, substantielle Verbesserungen
und einen realen Schritt zur bundesweiten Angleichung der
Gehälter durchzusetzen. Diese Chance wurde von den Führungen
von ver.di und GEW verspielt. Die Tarifkommissionen schufen
mit ihrer Zustimmung gleich „Fakten“. Die noch ausstehende
Befragung der Mitglieder verkommt zur Pseudo-Demokratie, die
die Entscheidung bloß absegnen soll.

Somit reiht sich dieser Abschluss
in die Linie von ver.di im öffentlichen Dienst, aber auch der
GEW, ein: ein
bisschen was für die Mitglieder und Beschäftigten rauszuholen,
um nicht zu
schlecht dazustehen, aber den Länderregierungen auch nicht zu
sehr weh zu tun
und ihnen auch eine längere Planungssicherheit zu geben. Auch
in dieser
Tarifrunde ließ ver.di vermissen, den Konflikt zwischen den
Interessen der
Beschäftigten nach mehr Geld und denen der Länder, lieber mehr
einzusparen,
politisch zuzuspitzen, indem sie zumindest die Forderung nach
einer höheren
Besteuerung der UnternehmerInnen und Vermögenden und Stopp
aller weiteren Privatisierungen
aufgestellt hätte. Damit einhergehend wurde auf die Zuspitzung
der Tarifrunde
für die eigenen Forderungen verzichtet. Statt für diese
konsequent mit einem
bundesweiten Streik zu kämpfen, begnügte sich die Bürokratie
damit, den
„Sozialpartner“ durch von oben kontrollierte Mobilisierung zur
Rückkehr zur
„Partnerschaft“ zu drängen. Diese wurde zweifellos gestärkt –
und damit die
Chance für eine echte Trendumkehr im Öffentlichen Dienst
wieder einmal vertan.

Frauenstreik                    2019           –    aber
richtig!
Anne Moll, ArbeiterInnenmacht,        Fight,   Revolutionäre
Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Am 10. November
2018 fand in Göttingen das erste Vernetzungstreffen zur
Planung eines
internationalen Frauenstreiks am 8. März 2019 statt.

Auf diesem
Treffen wurde ein gemeinsamer Aufruf für den 8. März 2019
verabschiedet und
eine Planung, wie dessen Umsetzung in Deutschland möglich ist.
Mittlerweile
existieren zudem lokale Strukturen in
zahlreichen Städten.

„Wenn Frau
will, steht alles still…“?

Auch wenn es
für viele Frauen in der BRD heute kaum vorstellbar ist, ohne
Tarifrunde, also
für eigene Frauenthemen die Arbeit niederzulegen: Solche
Streiks gab es in der
Vergangenheit und sie sind international gar keine Seltenheit!
Wie wir schon in
einer früheren Ausgabe der Neuen Internationale im Artikel
„Frauenstreik – ja
bitte!“ ausgeführt haben, legten Millionen Frauen seit 1975 in
Europa die
Arbeit nieder und gingen auf die Straße, um gerechte
Bezahlung, bessere
Kinderbetreuung, Stopp der Gewalt gegen Frauen oder die
Selbstbestimmung über
ihre Körper zu fordern – in Deutschland zuletzt 1994 mit knapp
einer Million
TeilnehmerInnen.
Das Problem ist
dabei immer wieder die Frage der Protestform. Die
Frauenorganisationen, die aus
dem bürgerlichen Spektrum kommen, lehnen den Begriff Streik
und damit natürlich
auch dessen praktische Ausführung ab. So überstimmten sie die
radikalen
Frauengruppen z. B. 1975 in Island und eine wirklich große
Kampfaktion
wurde unter dem so gar nicht kämpferischen Slogan „Frauen-
Ruhetag“ angekündigt.
Unter gewerkschaftlich organisierten Frauen konnte dann
immerhin der Slogan
„Frauenprotesttag“ 1994 in Deutschland durchgesetzt werden.
Betriebliche
Streikaktionen wurden aber abgelehnt mit der Begründung,
politische Streiks
seien in der BRD illegal. Womit wir bei dem eigentlichen
Problem wären: Es ist
dringend notwendig, dass sich politisch einiges ändert, sich
die Situation von
Millionen Frauen hierzulande      bzw.   weltweit   Milliarden
verbessert. Es muss sich
noch viel ändern, damit das Wort Gleichstellung überhaupt
ausgesprochen werden
darf. Wesentlich ist aber die Frage: „Wie erreichen wir das?“

Wer wird
politisch etwas mehr als schöne Worte und einen Butterkeks für
Frauenrechte
tun, wenn wir nicht über legale Protestformen hinausgehen?
Wenn wir durch
konsequente und sehr energische Maßnahmen nicht zeigen: Die
Ansage „Wenn wir
wollen, steht alles still!“ beinhaltet auch Streikmaßnahmen?
Und es ist uns
ernst mit der vollständigen Gleichberechtigung, die natürlich
auch bedeutet,
dass Frauen in dieser Gesellschaft besonderen Schutz
benötigen.

Genau darum
brauchen wir einen politischen Streik für die durch ihn
erreichbaren
Forderungen aus dem Göttinger Aufruf. Ein politischer Streik
richtet sich im
Gegensatz zu wirtschaftlichen Forderungen einzelner Branchen
an und gegen den
Staat mit der Aufforderung, Maßnahmen zu ergeifen, die im
Interesse aller
Arbeiterinnen   liegen:   zur     Vergesellschaftung      des
Reproduktionssektors, der
Haus-, Pflege- und Sorgearbeit, gegen Pflegenotstand; zur
faktischen
Gleichstellung mit den Männern vor dem Gesetz, bei Löhnen und
Arbeitsbedingungen;
zur Abschaffung der Abtreibungsgesetze; gegen Altersarmut; für
gleiche
StaatsbürgerInnenrechte aller, die hier leben; für offene
Grenzen…Ein
politischer Streik bündelt also die Interessen der gesamten
ArbeiterInnenklasse. Sie sollte sich auch als Ganze daran
beteiligen
einschließlich ihrer Männer – vom politischen Massenstreik bis
hin zum
Generalstreik zur Durchsetzung der Forderungen!

An zwei
wesentlichen Punkten mangelt es zum Verständnis, warum es
tatsächlich notwendig
ist, einen Frauenstreik, der sowohl dem Kampfbegriff als auch
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