Vorstellung von stadtbildprägenden Winsener Gebäuden anhand von Modellen im Museum im Marstall

 
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Vorstellung von stadtbildprägenden Winsener Gebäuden anhand von Modellen im Museum im Marstall
Rund um die Stadt Winsen (Luhe)

Vorstellung von stadtbildprägenden Winsener Gebäuden
     anhand von Modellen im Museum im Marstall
                     Ilona Johannsen und Angelika Malchert

Viele, einst stadtbildprägende Bauten       erwache mit dem Schlauchturm von
Winsens sind heute verschwunden             1901, die Eppensche Papierfabrik, die
oder nur noch im Museum als Model-          imposante Windmühle mit den großen
le zu bewundern. Daher soll ihnen in        Flügeln am Stöckter Deich und der alte
dieser Ausgabe des Kreiskalenders,          Brauhof. Daneben werden Modelle von
der sich schwerpunktmäßig der Stadt         Gebäuden vorgestellt, die noch heute
Winsen (Luhe) widmet, Aufmerksamkeit        in natura zu sehen sind: Blaufärberhaus
zuteilwerden.                               und Marstall.
   Neben vielen interessanten Bürger-
häusern fehlen im Stadtbild heute u. a.:                 Blaufärberhaus
das Krankenhaus Bethesda, das alte          Das sogenannte Blaufärberhaus in der
Rathaus, die Viehhalle, die alte Schule     Altstadt ist das schönste aus der Re-
am „Stadtrand“ von 1868, die alte Feu-      naissance erhaltene Bürgerhaus. Hier

Abb. 1: Modell der Stadt Winsen (Luhe) um 1900 im Museum im Marstall.

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Vorstellung von stadtbildprägenden Winsener Gebäuden anhand von Modellen im Museum im Marstall
Rund um die Stadt Winsen (Luhe)

lebten in der Vergangenheit zumeist           auf – der Name für das Haus jedoch
Fuhrleute. Erst im 19. Jahrhundert war        blieb im Volksmund erhalten und fand
in diesem Haus der Blaufärber mit Na-         später Eingang in die Literatur.1 Mit sei-
men Lindemann ansässig. Dieser war            nem vielgestaltigen Schnitzwerk, den
1826 als Sohn des Fuhrmanns Jacob             farbenfrohen Fächerrosetten und dem
Peter Lindemann dort geboren wor-             formenreichen Ziermauerwerk gehört
den. Er lernte das Blaufärberhandwerk         das Haus zu den schönsten der Stadt.

Abb. 2 und 3: links: Modell des Blaufärberhauses im Museum; rechts: alte Ansicht aus der
Luhestraße mit dem Blaufärberhaus, um 1940.

in Harburg und ließ sich 1850 in sei-         Der reich verzierte Giebel war im obe-
nem Elternhaus als Färber nieder – al-        ren Teil lange verschalt, da er in sehr
lerdings ohne Meister und damit Mit-          schlechtem Zustand war. Erst Ende
glied der in Uelzen ansässigen Gilde          der 1980er Jahre konnte er restauriert
zu sein. Dieses führte zu Streitigkeiten.     werden. Dendrochronologische Unter-
Erst nach fast drei Jahren kam es zu          suchungen ergaben, dass das Haus
einer Einigung: Lindemann fertigte sein       direkt nach dem Stadtbrand von 1585
Meisterstück an und wurde in die Gil-         entstanden ist. 2 Das Haus ist von den
de aufgenommen. Das alte Handwerk             Nachbargebäuden durch „Zwischen“
gab er offenbar Ende des Jahrhunderts         getrennt. Dieses sind schmale Durch-

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lässe, die Herzog Wilhelm der Jünge-          war. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts
re nach dem großen Brand von 1585             wurde aus der Wind- eine Dampfmüh-
anzulegen befohlen hatte.3 Man hoffte         le, die später in den Besitz von Müller
so der Brandgefahr entgegenzuwirken,          Wiggert, später Witte überging.5 Ab
damit Löscheimer und Brandhaken zu-           1925 wurde der Antrieb auf einen Die-
mindest eine kleine Nutzungschance            selmotor umgestellt. Im Sommer 1940
erhielten.                                    brannte die Mühle – nach einem Bom-

Abb. 4 und 5: links: Modell der Mühle am Stöckter Deich im Museum; rechts: alte Postkar-
ten-Aufnahme, um 1920.

    Windmühle am Stöckter Deich               benangriff – erneut ab und blieb nun
Der Winsener Heinrich Johann Jürgen           als Ruine stehen.6
Vicke, von Beruf Schiffer, stellte im De-
zember 1845 bei der Königlichen Land-                         Marstall
drostei zu Lüneburg den Antrag für den        Erbaut wird ein Marstall als Gebäude
Bau einer Mühle am Stöckter Deich. Er         für Pferde und Wagen einer fürstlichen
wollte Borke und Farbhölzer zermahlen         Hofhaltung. Der Begriff Marstall leitet
und Tabakstängel glätten. Dieses wurde        sich von der Bezeichnung „Marschall“
ihm genehmigt, obwohl einige Stöckter         her (althochdeutsch „Pferdeknecht“,
Bauern Einspruch erhoben: Sie fürch-          später „Stallmeister“).
teten, die Flügel der Mühle würden die           Vom Pferdestall zum Museum war
Pferde auf den Weiden scheu machen.4          es ein weiter Weg. Wir hören von der
Im Jahre 1855 schlug der Blitz ein und        Existenz eines Marstalls am heutigen
die Mühle brannte bis auf die Grund-          Ort erstmals 1579. In den Inventaren
mauern nieder. Als sie erneut aufgebaut       des späten 16. Jahrhunderts, die in der
war, erhielt der Müller die Erlaubnis,        Regel das Schloss betreffen, wird seine
auch Getreide zu mahlen, was vorher           Nutzung als Stall und Kornboden er-
das alleinige Privileg der herzoglichen       wähnt. 1599, zur Zeit der Herzoginwitwe
Wassermühle am Schloss gewesen                Dorothea, wurde der Marstall, vielleicht

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der Vorgängerbau des heutigen Ge-              falls zeitweilig hier Unterkunft. 1989 zo-
bäudes, standesgemäß hergerichtet.             gen dann Museum und Stadtbücherei
Was damals genau passierte – ein Um-           in die neu hergerichteten Räume, nach-
bau oder ein Neubau – lässt sich nicht         dem bereits Anfang der 1980er Jahre
sicher fassen, da uns verlässliche Da-         über eine solche kulturelle Nutzung
tierungen fehlen, auch wenn in einem           konkrete Vorstellungen entstanden wa-
Balkenstück zur Ostseite hin die Zahl          ren.7
1599 erkennbar ist. Anzunehmen ist,                Der über 40 Meter lange Fachwerk-
dass der Westteil des Gebäudes, mit            bau, der neben dem Erdgeschoss und
dem Walmdach, später nochmals ver-             dem Obergeschoss zwei Dachge-
ändert wurde. Korn und Malz lagerten           schosse aufweist, zeigt an der Schloss-

Abb. 6 und 7: links: Foto des Marstalls um 1920; rechts: Modell des Marstalls, gebaut 1985
im Maßstab 1:25 von Andreas Reinecke aus Lüneburg.

hier jedenfalls schon 1579. In einem           platzseite Tauwerk-Schnitzerei und das
Inventar von 1585 hören wir von Ha-            Zierelement „Eselsrücken“, das typisch
fer, Gerste, Hanf, Erbsen, Bohnen und          für die Renaissance ist.
Buchweizen. Auch Roggen und Weizen
wurden später in dem großen Fach-                      Krankenhaus Bethesda
werkbau gelagert. Der Marstall diente          Das Krankenhaus ist hervorgegangen
auch fortan vorwiegend als Lagerraum           aus einer 1877 gegründeten Kleinkin-
(Erwähnungen z. B. 1617, 1667, Anfang          derbewahranstalt im Uhlenbusch. 1882
des 18. Jahrhunderts, 1858 und 1871)           verlegte man diese an die Wallstraße.
und als Quartier für Bedienstete oder          Es gab nun auch schon zwei Kranken-
auch fremde Truppen – z. B. während            zimmer mit fünf Betten. In den Jahren
des 30-jährigen Krieges. Lager blieb           1888, 1903 und 1926 wurde der Bau
das Gebäude auch nach 1899, als die            erheblich erweitert und umgebaut.
Stadt das Gebäude vom preußischen              Letztlich brach man das Krankenhaus
Domänen-Fiskus übernahm. Das Fund-             nach der Eröffnung des neuen Kreis-
büro und eine Schmiede fanden eben-            krankenhauses (1974) ab.

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  Im Jahre 1927 schrieb der Winsener        nun vollends der Kirchenvorstand unter
Pastor Schoop:                              Vorsitz des Superintendenten Schulze
  „Ursprünglich hatte man bei der Be-       beschloß, in Winsen eine Gemeinde
gründung des heutigen Krankenhau-           Diakonie für Armen- und Krankenpfle-
ses „Bethesda“ nur an die Unterbrin-        ge einzurichten, und nach einem ge-
gung von Kindern gedacht; darum trug        eigneten Unterkommen für die vom
es anfangs den Namen „Kinderpflege-         Henriettenstift zugesagte Diakonisse
Anstalt in Winsen a. d. Luhe“. Die erste    suchte, gewann der Wunsch, ein eige-
Anregung zu diesem Liebeswerke gab          nes kleines Heim mit Räumen für die
der am 2. Januar 1879 verstorbene           Kleinkinderschule, für die Diakonissen
Apotheker Theodor Meinecke, der Va-         und für einige Kranke zu besitzen, im-

Abb. 8 und 9: links: Modell des Krankenhauses Bethesda im Museum; rechts: Foto aus der
Altstadt um 1900.

ter des jetzigen Besitzers der Winsener     mer festere Gestalt. [Ein]Aufruf brachte
Apotheke. Während er abwesend war,          den Grundstock für das zu erbauende
geschah in seinem Hause am 25. Ja-          Haus; das Ergebnis der Sammlung war
nuar 1877 ein Unglücksfall, der seinem      die Summe von 834,65 Mark, mit de-
vierjährigen Sohne Paul das Leben           ren Verwaltung bis zum Gebrauch ein
kostete. Dieser schmerzliche Verlust        engerer Ausschuß betraut wurde, der
weckte in ihm den Gedanken, eine            aus Bürgermeister Kuntze und den Kir-
Kinderbewahranstalt oder Kleinkinder-       chenvorstehern Janitz-Winsen, Ravens-
schule ins Leben zu rufen für solche        Borstel und Stoef-Hoopte bestand.“ 9
Kinder, die im Elternhause die notwen-         Von 1882 bis 1974 war das Kran-
dige Aufsicht, Pflege und Erziehung         kenhaus Bethesda dann ein wichtiges
aus irgendwelchen Gründen nicht ha-         Gebäude in der Altstadt – im Bereich
ben konnten.“ 8                             des Parkplatzes des heutigen Netto-
   Diese Kleinkinderbewahranstalt ent-      Marktes.
stand im Uhlenbusch. Seit der Blattern-
Epidemie im Jahre 1870 hatte man in               Altes Rathaus von 1627
Winsen auch über die Einrichtung ei-        Der norddeutsch-schlichte barocke
nes Krankenhauses nachgedacht: „Als         Fachwerkbau mit Ziegeldach stand

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nördlich der Marienkirche an der Markt-       gang in den letzten Jahren so erheb-
straße – im Bereich der heutigen Park-        lich geworden, dass die vorhandenen
plätze. Beim großen Stadtbrand von            Lokale nicht mehr ausreichten.“ “ 11
1627 wurde u. a. auch das Rathaus                1894 wurde beschlossen, ein neues
zerstört. Die Stadt errichtete an dersel-     Rathaus zu bauen. Dieses errichtete die
ben Stelle ein neues Gebäude. Dieses          Firma Heinrich Beecken in den Jahren
stellte man vermutlich 1627 oder 1628         1895 bis 1896 zwischen Schlossplatz
fertig. Ursprünglich war es mit Gerichts-     und Lüneburger Tor, wo es sich heute
stube, Magistratslokal und Registratur        noch befindet. Im alten Rathaus neben
ausgestattet.                                 der Kirche verblieb die Gaststätte. Zu-
   „Die Eckbalken zeigten Schnitzwerk,        sätzlich nutzte man die einstigen Amts-
die Steine in den Fächern waren bunt          räume nach dem Ersten Weltkrieg als
gesetzt. Eine Gerichtslaube – der Rat         Finanzamt (mdl. Mitt. Käthe Giersch †).
besaß bis ins 19. Jahrhundert hinein die      1928 wurde der 200 Jahre alte Fach-

Abb. 10 und 11: links: Modell des Alten Rathauses im Museum; rechts: Postkarte aus der
Zeit um 1890.

niedere Gerichtsbarkeit – befand sich         werkbau aus verkehrstechnischen
an der Marktseite, wurde aber später          Gründen abgerissen, „nachdem man
zugebaut. Der obere Saal, lange Zeit          lange darüber gestritten hatte, ob es
der einzige in der Stadt, diente Tanz-        nicht als geschichtliches Denkmal zu
veranstaltungen und Hochzeiten.“10            erhalten sei“, wie Rektor Borchers in
   „Am 29. März 1894 hieß es in einem         der Schulchronik schreibt.12
Schreiben des Magistrats an den Re-
gierungspräsidenten in Lüneburg, die          Alte Schule am „Stadtrand“ von 1868
Diensträume seien „so niedrig, dass           Im Mittelalter und über Jahrhunderte
selbst im Winter die Fenster geöffnet         hinweg war die Lateinschule die einzi-
werden müssen, um den Aufenthalt in           ge Schule im Winsener Raum, da die
denselben einigermaßen erträglich zu          Landschulen erst ab etwa 1600 ent-
machen.“ Zudem sei „der Geschäfts-            standen. Auch die allgemeine Schul-

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Abb. 12 und 13: links: Modell der Alten
Schule von 1868; rechts: Foto des Schulge-
bäudes aus der Mitte des 20. Jahrhunderts
– als es bereits als Mittelschule genutzt
wurde.

pflicht kam erst im 17. Jahrhundert auf.13
Im 19. Jahrhundert erhielten die Kinder
Unterricht in der Küsterschule gegen-        10. Klassen in die neue Mittelschule an
über der Kirche und im Rektorhaus,           der Bürgerweide um. Die 5. Klassen
das 1813 nahe des Lüneburger Tores           und die Fach- und Werkräume verblie-
erbaut worden war. Das Rektorhaus            ben im alten Gebäude. Nachdem das
ging 1893 in Privatbesitz über und wur-      Gymnasium, das zuvor als „Oberstufe
de zum Geschäftshaus14 („Schreiber-          in Entstehung“ seit 1955 der Realschu-
sches Haus“, später Neubau des Hotels        le angegliedert war, zum Schuljahr
Rötting, heute u. a. TUI-Reisebüro). Auf     1969/70 ein eigenes Gebäude an der
dem Schulhof der Rektorschule errich-        Bürgerweide bekam, verringerte sich
tete die Stadt 1868 dann ein neues           die Raumnot. Das alte Schulgebäude
Schulgebäude, das zunächst für alle          von 1868 wurde daher 1969 abgeris-
Abteilungen der städtischen Schule           sen und verschwand aus dem Bild der
vorgesehen war. Bereits 1894 war es          Stadt. Der Schmuckstein aus dieser
zu klein geworden und es musste eine         alten Schule ist heute am Eingang der
neue Schule in der Schulstraße gebaut        Eckermann-Realschule zu sehen. Er
werden15 (heute „Alte Stadtschule“ in        trägt die Inschrift: „Dem Herrn die Ehre
der Eckermannstraße).                        – 1868“.16
    Das Gebäude der nun „alten Schule“
wurde bereits ab 1895 wieder für die                Alte Feuerwache mit dem
„gehobene Abteilung“ der Stadtschule                 Schlauchturm von 1901
genutzt. 1925 wurde die Mittelschule         Im September 1862 feierte man in der
dann vom Land vollständig anerkannt          Marktstraße gerade den Turnerball, als
und selbstständig: 163 Schüler besuch-       gegen 23 Uhr ein Brand in der Norder-
ten sie damals. 1957 zogen die 6. bis        torstraße beobachtet wurde. Die wendi-

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gen Turner packten beim Löschen und          ma Koebe in Luckenwalde, auf einem
Bergen mit an. Am 2. Februar 1863 mel-       Fahrgestell von Benz – die alte Hand-
deten sich 44 Turner zum Eintritt in eine    druckspritze der Turner-Feuerwehr, die
Rettungs- und Bergeschar, die man ab         in einen Pferdewagen eingehängt wer-
Sommer 1863 als Turner-Feuerwehr             den konnte, war nun überholt – sie steht
betitelte. 1883 nannte man sich in „Frei-    heute im Marstall-Museum. Nach der
willige Feuerwehr zu Winsen – Luhe           Machtergreifung der Nationalsozialisten
um“. Zunächst erfolgte die Bekämpfung        1933 änderte sich auch einiges für die
des Feuers mittels Leitern, Feuerhaken       Feuerwehr: Der Uniformzuschnitt wurde
und Ledereimern, diese Gerätschaften         einheitlich militärisch und Stahlhelme
wurden aber folgend immer der tech-          ergänzten die Ausrüstung. Ab 1935

Abb. 14 und 15: links: Modell der alten Feuerwache im Museum; rechts: Foto um 1960.

nischen Entwicklung angepasst. 1870          verfügte die Wehr über zwei motorbe-
konnte das erste Gerätehaus an der           triebene Spritzen.
Kranwallstraße in Betrieb genommen               Das alte Spritzenhaus aus dem
werden. Die technische Entwicklung,          Jahre 1901 musste weichen, als die
die Geräte und der Raumbedarf nah-           Von-Somnitz-Straße angelegt wurde.
men zu: 1901 errichtete die Stadt daher      Ein neues Feuerwehrgebäude an der
ein neues, großes Spritzenhaus an der        Eckermannstraße entstand 1964. Nach
Schulstraße (heute Eckermannstraße/          50 Jahren war es nicht mehr zeitgemäß.
ZOB). Im Ersten Weltkrieg wurden erst-       Es wurde 2005 von einem neuen größe-
mals für die Sicherstellung des Feuer-       ren Komplex am Tönnhäuser Weg ab-
schutzes Jugendliche herangezogen.           gelöst.17 Lagen die ersten Gerätehäuser
Am 24. Juli 1920 holte die Feuerwehr         noch innerhalb der „Stadtbegrenzung“
ihre erste Motorspritze vom Bahnhof in       in der Nähe des Nordertores, so bau-
Winsen ab. Es war eine Spritze der Fir-      te man das neue Feuerwehrhaus 1901

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außerhalb der „Stadtbegrenzung“ in            Auktionen veranstaltet: Bei der ersten
der Nähe des ehemaligen Lüneburger            Versteigerung wurden 68 Stück Rind-
Tores auf. In der Folge entstanden an         vieh angeboten. Stiere brachten da-
der Schulstraße neben einigen Wohn-           mals 375 Mark, Kühe 465 Mark. Auch in
häusern auch neue Schulgebäude, so            den folgenden Jahren wurde an dieser
dass man 1964 bereits in Richtung             Stelle das Vieh versteigert. 1912 wurde
Bürgerweide auswich. Neben der zu-            dann eine Viehverkaufshalle auf einem
nehmenden Wohnbebauung waren bis              Gelände neben dem neueren Teil des
2005 auch dort wieder weitere Schulen         Friedhofs, der 1887 in Betrieb genom-
und Sportanlagen entstanden, die ein          men worden war, errichtet. Die neue
Ausweichen an den Stadtrand zu den            Viehhalle – in der Nähe des Bahnhofs

Abb. 16 und 17: links: Modell der Viehhalle im Museum; rechts: Auktionskatalog einer Herd-
buchversteigerung.

Osterwiesen sinnvoll erscheinen lie-          – bot nun den passenden Rahmen für
ßen, um mit den großen Einsatzwagen           den wachsenden Umsatz in der regio-
schnell an Ort und Stelle sein zu kön-        nalen Viehwirtschaft: Über 900 Be-
nen. Lag das Gebäude der Freiwilligen         sucher erschienen zur ersten Auktion
Feuerwehr vor 15 Jahren noch „auf der         mit 145 Stück Vieh. Das Geschäft ließ
grünen Wiese“, so rücken nun auch in          in den 1970er Jahren langsam nach –
diesen Bereich neue Wohnviertel näher.        Ende 1978 wurde dort die letzte Auktion
                                              durchgeführt. Nachdem Teile als Auto-
              Viehhalle                       Parkplatz gedient hatten, wurde die Hal-
Bereits in den 80er Jahren des 19.            le im Mai 1980 abgerissen. Heute befin-
Jahrhunderts zog die Viehwirtschaft           det sich auf dem Gelände – im Viehhal-
in unserer Region stark an. Seit 1897         lenweg – das Gebäude der AOK.
hatte die Lüneburger Herdbuchgesell-              Da Gebäude und Gelände der Vieh-
schaft auf dem Schlossplatz in Winsen         halle die weitläufigste Anlage in der

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Stadt war, fand hier am 23. April 1932        tung des Betriebes möglich war, errich-
eine Wahlkundgebung statt, auf der            tete Eppen 1857 eine Papierfabrik süd-
Adolf Hitler sprach. Die NSDAP rech-          lich der Eisenbahnlinie an der Luhdor-
nete mit rund 7.000 Zuhörern, die mit         fer Straße. Im Januar 1858 nahm das
Sonderzügen aus den Orten der Um-             Werk den vollen Betrieb auf. Produziert
gebung herangebracht werden sollten.          wurden neben Schreib- und Druckpa-
Vor der Halle waren Zelte aufgebaut           pier auch Kartonagen sowie Papier für
worden, in denen die Besucher über            Etiketten und Briefmarken. 1862 gab es
Lautsprecher Hitlers Rede hörten.18           bereits 29 Fabrikarbeiter und 4 Fabrik-

Abb. 18 und 19: links: Modell der Papierfabrik im Museum; rechts: Luftbild-Aufnahme des
weitläufigen Geländes.

       Eppensche Papierfabrik                 arbeiterinnen in Winsen. Diese waren
1812 gründete Franz Heinrich Gie-             vermutlich in der Eppenschen Papier-
semann in der Deichstraße eine Pa-            fabrik beschäftigt, die eine für damalige
piermühle, die später sein Sohn Adolf         Verhältnisse sehr moderne und leis-
übernahm. Fabrikant Johann Heinrich           tungsfähige Anlage war.
Eppen erwarb 1852 zusammen mit                   Das Werk bezog seine Hölzer haupt-
Kaufmann Eduard Krebs die in Kon-             sächlich aus Finnland und Russland.
kurs geratene Giesesche Papiermühle           Die Produkte wurden vor allem nach
in der Deichstraße. Eppen stammte aus         Berlin, Hamburg, Leipzig und Olden-
Stade und hatte am 18. Juli 1807 den          burg verkauft. Vieles konnte auch nach
Bürgereid in Winsen abgelegt. Man be-         England und in die Länder Asiens und
gann zunächst mit der Produktion fester       Afrikas exportiert werden. Zeitwei-
Pappen aus Lumpen und Altpapier. Al-          lig waren mehr als 200 Arbeiter und
lerdings handelte es sich hierbei noch        Angestellte in der Fabrik beschäftigt.
um Manufakturware: Lumpenschneider,           Auch Streiks blieben in den 1910er
Wasserpumpe, Holländer, Presse und            Jahren nicht aus. Erst der Zweite Welt-
Glättwerk wurden von einem Göpel mit          krieg brachte eine Unterbrechung der
zwei Pferden betrieben.                       Produktion. Ein persönlicher Schick-
   Da in der Deichstraße keine Auswei-        salsschlag für die Familie Eppen war,

10
Rund um die Stadt Winsen (Luhe)

dass alle vier Söhne im Krieg blieben.        Lüneburg bestätigt. Zum Jahreswech-
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die           sel 1656/57 verkaufte dessen Sohn ihn
Produktion langsam ab und das Werk            an den Winsener Hauptmann Cordt von
erwies sich als nicht mehr konkurrenz-        Weyhe. In der Folge wurde er an seine
fähig. Am 30. November 1965 stellte           Enkelin Margarethe Dorothea von der
man den Betrieb ein. 1971 wurde die           Weyhe vererbt. Sie war Konventualin im
unrentable Anlage abgebrochen. Heu-           Kloster Ebstorf und veräußerte ihn im
te stehen auf dem Gelände im Bereich          Jahre 1707 für 700 Reichstaler. 20 Käu-
des Europarings Wohnungsbauten.19             fer waren zwei Bürgermeister und zehn

Abb. 20 und 21: links: Diorama-Modell des Brauhofes im Marstall-Museum; rechts: Blick in
die Altstadt mit dem Brauhof, Anfang der 1950er Jahre.

                Brauhof                       Bürger der Stadt Winsen. 1745 über-
Direkt an der Luhe in der nördlichen          nahm der Brauer Riebau den Betrieb.
Altstadt lag der große Brauhof – eine         Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde
dreiflügelige Anlage. Hier wurde mit          hier noch Bier gebraut. Man verlagerte
Luhewasser Winsener Bier gebraut.             sich folgend noch für kurze Zeit auf die
Schon Tage vor dem nächsten Brau-             Produktion von Branntwein. 1932 stürz-
vorgang wurde bei Strafe verboten, das        te der nördliche Teil des Gebäudes an
Wasser durch Unrat jeglicher Art zu ver-      der Brennerei ein. 21 Es wurde nichts
unreinigen.                                   mehr repariert – der folgende Weltkrieg
   1620 hören wir vom Verkauf des             trug seinen Teil dazu bei. Im Jahre 1972
Winsener Brauhofes durch Andreas              wurde der Brauhof, der wohl aus der
Roloff an Christian Winecke. Roloff war       frühen Barockzeit stammte, abgerissen.
Bürger zu Lüchow und hatte das Ge-
bäude mit den zugehörigen Rechten
und Ländereien von seinen Großeltern                         Anmerkungen
geerbt. Der Verkauf an den Winsener           1
                                                  Jürgen Klahn, Neue Erkenntnisse zur Winsener
Amtsschreiber Winecke wird 1622 auch              Stadtgeschichte und Korrektur von bisherigen
von Herzog Christian zu Braunschweig-             Fehlern, mschr. Mskr. Winsen (L.), 2006, Nr. 12.

                                                                                               11
Rund um die Stadt Winsen (Luhe)

2                                                     20
     Manfred Neugebauer, Das Bürgerhaus der                Jürgen Klahn, Brauhof-Akten, (Zusammen-
     Kleinstädte im ehemaligen Fürstentum Lüne-            stellung, Mskr.) Winsen (Luhe), 2013.
     burg, Lüneburg, 1981, S. 93.                     21
                                                           Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten,
3
     Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten,             Zaltbommel/Niederlande, 1988, Bild 23 f.
     Zaltbommel/Niederlande, 1988, Bild 29.
4
     Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten,
     Band 2, Zaltbommel/Niederlande, 1993, Bild 18.
                                                                     Bildnachweis
5
     Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten,        Alle Fotos: Museum im Marstall.
     Zaltbommel/Niederlande, 1988, Bild 32.
6
     Günter Hagen, Geschichte der Stadt Winsen
     an der Luhe, Winsen (Luhe), 1978, S. 144.
7
     Ilona Johannsen, Das Museum im Marstall
     und der Heimat- und Museumverein, in der
     Beilage 850 Jahre Winsen, Nordheide Wo-          Angaben zu den Autorinnen:
     chenblatt, Winsen (L.), 2008.
8                                                     Ilona Johannsen M.A., Jahrgang 1967,
     Kurt Schoop, „Bethesda“ Kinderpflege und
     Krankenheilanstalt zu Winsen (Luhe) und ihre     Studium der Vor- und Frühgeschichte
     Geschichte, zum fünfzigjährigen Jubiläum,        an den Universitäten Hamburg, Müns-
     Winsener Geschichtsblätter, Heft 6, Winsen       ter und Kiel, seit 1992 Leitung Museum
     (Luhe), 1927, S. 3.
9
                                                      im Marstall; 1987–1996 Ausgrabungen
     wie Anm. 8, S. 13.
10                                                    in den Elbmarschen, 2007–2012 Aus-
     Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten,
     Zaltbommel/Niederlande, 1988, Bild 14.           grabungen zur Urgeschichte des Men-
11
     Günter Hagen, Die Reihe Archivbilder Winsen      schen in Libyen und Äthiopien; Publi-
     (Luhe), Erfurt, 1999, S. 22.                     kationen zur Schifffahrt, den Trachten,
12
     Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten,        dem Deichbau und der Besiedlung in
     Zaltbommel/Niederlande, 1988, Bild 14.           der Winsener Marsch, zur Kirchen- und
13
     Siehe auch Jürgen Klahn und Ursula Köser,
     Die Geschichte der Lateinschule zu Winsen
                                                      Stadtgeschichte Winsens sowie zur
     an der Luhe, Winsen (Luhe), 2020.                steinzeitlichen Besiedlung in Libyen.
14
     Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten,
     Zaltbommel/Niederlande, 1988, Bild 35.           Angelika Malchert, Jahrgang 1950.
15
     Günter Hagen, Die Reihe Archivbilder Winsen      Ausbildung zur Medizinisch-techni-
     (Luhe), Erfurt, 1999, S. 77.
16
                                                      schen Assistentin. Seit 2004 Mitglied
     Antje Bremer, Die Johann-Peter-Eckermann-
     Realschule in Winsen (Luhe), Winsen (L.),
                                                      im Heimat- und Museumverein Winsen
     2002, S. 4 f., 22, 28.                           (Luhe) und Umgebung e. V. Ehren-
17
     Burghard Giese u. a., Festschrift der Feuer-     amtliche Einsätze im Wesentlichen im
     wehr Winsen: Freiwillige Feuerwehr Winsen        Bilderarchiv und in der Betreuung des
     Luhe von 1863, Winsen (Luhe), 2013, S. 12,
     16 f., 19, 22 f.
                                                      Museumsladens. Seit 2020 als Kassen-
18
     Günter Hagen, Geschichte der Stadt Winsen        wartin Mitglied im Vereinsvorstand.
     an der Luhe, Winsen (Luhe), 1978, S. 150 und
     Ders., Die Reihe Archivbilder Winsen (Luhe),     Anschrift:
     Erfurt, 1999, S. 72.
19
                                                      Ilona Johannsen
     Wilhelm Peters, Handwerk, Handel und Ge-
     werbe in Winsen (Luhe), Winsen (Luhe),1993,
                                                      Angelika Malchert
     S. 70 f. und Günter Hagen, Geschichte der        c/o Museum im Marstall
     Stadt Winsen an der Luhe, Winsen (Luhe),         Schloßplatz 11
     1978, S. 135 ff.
                                                      21423 Winsen (Luhe)

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