Vorstellung von stadtbildprägenden Winsener Gebäuden anhand von Modellen im Museum im Marstall
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Rund um die Stadt Winsen (Luhe) Vorstellung von stadtbildprägenden Winsener Gebäuden anhand von Modellen im Museum im Marstall Ilona Johannsen und Angelika Malchert Viele, einst stadtbildprägende Bauten erwache mit dem Schlauchturm von Winsens sind heute verschwunden 1901, die Eppensche Papierfabrik, die oder nur noch im Museum als Model- imposante Windmühle mit den großen le zu bewundern. Daher soll ihnen in Flügeln am Stöckter Deich und der alte dieser Ausgabe des Kreiskalenders, Brauhof. Daneben werden Modelle von der sich schwerpunktmäßig der Stadt Gebäuden vorgestellt, die noch heute Winsen (Luhe) widmet, Aufmerksamkeit in natura zu sehen sind: Blaufärberhaus zuteilwerden. und Marstall. Neben vielen interessanten Bürger- häusern fehlen im Stadtbild heute u. a.: Blaufärberhaus das Krankenhaus Bethesda, das alte Das sogenannte Blaufärberhaus in der Rathaus, die Viehhalle, die alte Schule Altstadt ist das schönste aus der Re- am „Stadtrand“ von 1868, die alte Feu- naissance erhaltene Bürgerhaus. Hier Abb. 1: Modell der Stadt Winsen (Luhe) um 1900 im Museum im Marstall. 1
Rund um die Stadt Winsen (Luhe) lebten in der Vergangenheit zumeist auf – der Name für das Haus jedoch Fuhrleute. Erst im 19. Jahrhundert war blieb im Volksmund erhalten und fand in diesem Haus der Blaufärber mit Na- später Eingang in die Literatur.1 Mit sei- men Lindemann ansässig. Dieser war nem vielgestaltigen Schnitzwerk, den 1826 als Sohn des Fuhrmanns Jacob farbenfrohen Fächerrosetten und dem Peter Lindemann dort geboren wor- formenreichen Ziermauerwerk gehört den. Er lernte das Blaufärberhandwerk das Haus zu den schönsten der Stadt. Abb. 2 und 3: links: Modell des Blaufärberhauses im Museum; rechts: alte Ansicht aus der Luhestraße mit dem Blaufärberhaus, um 1940. in Harburg und ließ sich 1850 in sei- Der reich verzierte Giebel war im obe- nem Elternhaus als Färber nieder – al- ren Teil lange verschalt, da er in sehr lerdings ohne Meister und damit Mit- schlechtem Zustand war. Erst Ende glied der in Uelzen ansässigen Gilde der 1980er Jahre konnte er restauriert zu sein. Dieses führte zu Streitigkeiten. werden. Dendrochronologische Unter- Erst nach fast drei Jahren kam es zu suchungen ergaben, dass das Haus einer Einigung: Lindemann fertigte sein direkt nach dem Stadtbrand von 1585 Meisterstück an und wurde in die Gil- entstanden ist. 2 Das Haus ist von den de aufgenommen. Das alte Handwerk Nachbargebäuden durch „Zwischen“ gab er offenbar Ende des Jahrhunderts getrennt. Dieses sind schmale Durch- 2
Rund um die Stadt Winsen (Luhe) lässe, die Herzog Wilhelm der Jünge- war. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts re nach dem großen Brand von 1585 wurde aus der Wind- eine Dampfmüh- anzulegen befohlen hatte.3 Man hoffte le, die später in den Besitz von Müller so der Brandgefahr entgegenzuwirken, Wiggert, später Witte überging.5 Ab damit Löscheimer und Brandhaken zu- 1925 wurde der Antrieb auf einen Die- mindest eine kleine Nutzungschance selmotor umgestellt. Im Sommer 1940 erhielten. brannte die Mühle – nach einem Bom- Abb. 4 und 5: links: Modell der Mühle am Stöckter Deich im Museum; rechts: alte Postkar- ten-Aufnahme, um 1920. Windmühle am Stöckter Deich benangriff – erneut ab und blieb nun Der Winsener Heinrich Johann Jürgen als Ruine stehen.6 Vicke, von Beruf Schiffer, stellte im De- zember 1845 bei der Königlichen Land- Marstall drostei zu Lüneburg den Antrag für den Erbaut wird ein Marstall als Gebäude Bau einer Mühle am Stöckter Deich. Er für Pferde und Wagen einer fürstlichen wollte Borke und Farbhölzer zermahlen Hofhaltung. Der Begriff Marstall leitet und Tabakstängel glätten. Dieses wurde sich von der Bezeichnung „Marschall“ ihm genehmigt, obwohl einige Stöckter her (althochdeutsch „Pferdeknecht“, Bauern Einspruch erhoben: Sie fürch- später „Stallmeister“). teten, die Flügel der Mühle würden die Vom Pferdestall zum Museum war Pferde auf den Weiden scheu machen.4 es ein weiter Weg. Wir hören von der Im Jahre 1855 schlug der Blitz ein und Existenz eines Marstalls am heutigen die Mühle brannte bis auf die Grund- Ort erstmals 1579. In den Inventaren mauern nieder. Als sie erneut aufgebaut des späten 16. Jahrhunderts, die in der war, erhielt der Müller die Erlaubnis, Regel das Schloss betreffen, wird seine auch Getreide zu mahlen, was vorher Nutzung als Stall und Kornboden er- das alleinige Privileg der herzoglichen wähnt. 1599, zur Zeit der Herzoginwitwe Wassermühle am Schloss gewesen Dorothea, wurde der Marstall, vielleicht 3
Rund um die Stadt Winsen (Luhe) der Vorgängerbau des heutigen Ge- falls zeitweilig hier Unterkunft. 1989 zo- bäudes, standesgemäß hergerichtet. gen dann Museum und Stadtbücherei Was damals genau passierte – ein Um- in die neu hergerichteten Räume, nach- bau oder ein Neubau – lässt sich nicht dem bereits Anfang der 1980er Jahre sicher fassen, da uns verlässliche Da- über eine solche kulturelle Nutzung tierungen fehlen, auch wenn in einem konkrete Vorstellungen entstanden wa- Balkenstück zur Ostseite hin die Zahl ren.7 1599 erkennbar ist. Anzunehmen ist, Der über 40 Meter lange Fachwerk- dass der Westteil des Gebäudes, mit bau, der neben dem Erdgeschoss und dem Walmdach, später nochmals ver- dem Obergeschoss zwei Dachge- ändert wurde. Korn und Malz lagerten schosse aufweist, zeigt an der Schloss- Abb. 6 und 7: links: Foto des Marstalls um 1920; rechts: Modell des Marstalls, gebaut 1985 im Maßstab 1:25 von Andreas Reinecke aus Lüneburg. hier jedenfalls schon 1579. In einem platzseite Tauwerk-Schnitzerei und das Inventar von 1585 hören wir von Ha- Zierelement „Eselsrücken“, das typisch fer, Gerste, Hanf, Erbsen, Bohnen und für die Renaissance ist. Buchweizen. Auch Roggen und Weizen wurden später in dem großen Fach- Krankenhaus Bethesda werkbau gelagert. Der Marstall diente Das Krankenhaus ist hervorgegangen auch fortan vorwiegend als Lagerraum aus einer 1877 gegründeten Kleinkin- (Erwähnungen z. B. 1617, 1667, Anfang derbewahranstalt im Uhlenbusch. 1882 des 18. Jahrhunderts, 1858 und 1871) verlegte man diese an die Wallstraße. und als Quartier für Bedienstete oder Es gab nun auch schon zwei Kranken- auch fremde Truppen – z. B. während zimmer mit fünf Betten. In den Jahren des 30-jährigen Krieges. Lager blieb 1888, 1903 und 1926 wurde der Bau das Gebäude auch nach 1899, als die erheblich erweitert und umgebaut. Stadt das Gebäude vom preußischen Letztlich brach man das Krankenhaus Domänen-Fiskus übernahm. Das Fund- nach der Eröffnung des neuen Kreis- büro und eine Schmiede fanden eben- krankenhauses (1974) ab. 4
Rund um die Stadt Winsen (Luhe) Im Jahre 1927 schrieb der Winsener nun vollends der Kirchenvorstand unter Pastor Schoop: Vorsitz des Superintendenten Schulze „Ursprünglich hatte man bei der Be- beschloß, in Winsen eine Gemeinde gründung des heutigen Krankenhau- Diakonie für Armen- und Krankenpfle- ses „Bethesda“ nur an die Unterbrin- ge einzurichten, und nach einem ge- gung von Kindern gedacht; darum trug eigneten Unterkommen für die vom es anfangs den Namen „Kinderpflege- Henriettenstift zugesagte Diakonisse Anstalt in Winsen a. d. Luhe“. Die erste suchte, gewann der Wunsch, ein eige- Anregung zu diesem Liebeswerke gab nes kleines Heim mit Räumen für die der am 2. Januar 1879 verstorbene Kleinkinderschule, für die Diakonissen Apotheker Theodor Meinecke, der Va- und für einige Kranke zu besitzen, im- Abb. 8 und 9: links: Modell des Krankenhauses Bethesda im Museum; rechts: Foto aus der Altstadt um 1900. ter des jetzigen Besitzers der Winsener mer festere Gestalt. [Ein]Aufruf brachte Apotheke. Während er abwesend war, den Grundstock für das zu erbauende geschah in seinem Hause am 25. Ja- Haus; das Ergebnis der Sammlung war nuar 1877 ein Unglücksfall, der seinem die Summe von 834,65 Mark, mit de- vierjährigen Sohne Paul das Leben ren Verwaltung bis zum Gebrauch ein kostete. Dieser schmerzliche Verlust engerer Ausschuß betraut wurde, der weckte in ihm den Gedanken, eine aus Bürgermeister Kuntze und den Kir- Kinderbewahranstalt oder Kleinkinder- chenvorstehern Janitz-Winsen, Ravens- schule ins Leben zu rufen für solche Borstel und Stoef-Hoopte bestand.“ 9 Kinder, die im Elternhause die notwen- Von 1882 bis 1974 war das Kran- dige Aufsicht, Pflege und Erziehung kenhaus Bethesda dann ein wichtiges aus irgendwelchen Gründen nicht ha- Gebäude in der Altstadt – im Bereich ben konnten.“ 8 des Parkplatzes des heutigen Netto- Diese Kleinkinderbewahranstalt ent- Marktes. stand im Uhlenbusch. Seit der Blattern- Epidemie im Jahre 1870 hatte man in Altes Rathaus von 1627 Winsen auch über die Einrichtung ei- Der norddeutsch-schlichte barocke nes Krankenhauses nachgedacht: „Als Fachwerkbau mit Ziegeldach stand 5
Rund um die Stadt Winsen (Luhe) nördlich der Marienkirche an der Markt- gang in den letzten Jahren so erheb- straße – im Bereich der heutigen Park- lich geworden, dass die vorhandenen plätze. Beim großen Stadtbrand von Lokale nicht mehr ausreichten.“ “ 11 1627 wurde u. a. auch das Rathaus 1894 wurde beschlossen, ein neues zerstört. Die Stadt errichtete an dersel- Rathaus zu bauen. Dieses errichtete die ben Stelle ein neues Gebäude. Dieses Firma Heinrich Beecken in den Jahren stellte man vermutlich 1627 oder 1628 1895 bis 1896 zwischen Schlossplatz fertig. Ursprünglich war es mit Gerichts- und Lüneburger Tor, wo es sich heute stube, Magistratslokal und Registratur noch befindet. Im alten Rathaus neben ausgestattet. der Kirche verblieb die Gaststätte. Zu- „Die Eckbalken zeigten Schnitzwerk, sätzlich nutzte man die einstigen Amts- die Steine in den Fächern waren bunt räume nach dem Ersten Weltkrieg als gesetzt. Eine Gerichtslaube – der Rat Finanzamt (mdl. Mitt. Käthe Giersch †). besaß bis ins 19. Jahrhundert hinein die 1928 wurde der 200 Jahre alte Fach- Abb. 10 und 11: links: Modell des Alten Rathauses im Museum; rechts: Postkarte aus der Zeit um 1890. niedere Gerichtsbarkeit – befand sich werkbau aus verkehrstechnischen an der Marktseite, wurde aber später Gründen abgerissen, „nachdem man zugebaut. Der obere Saal, lange Zeit lange darüber gestritten hatte, ob es der einzige in der Stadt, diente Tanz- nicht als geschichtliches Denkmal zu veranstaltungen und Hochzeiten.“10 erhalten sei“, wie Rektor Borchers in „Am 29. März 1894 hieß es in einem der Schulchronik schreibt.12 Schreiben des Magistrats an den Re- gierungspräsidenten in Lüneburg, die Alte Schule am „Stadtrand“ von 1868 Diensträume seien „so niedrig, dass Im Mittelalter und über Jahrhunderte selbst im Winter die Fenster geöffnet hinweg war die Lateinschule die einzi- werden müssen, um den Aufenthalt in ge Schule im Winsener Raum, da die denselben einigermaßen erträglich zu Landschulen erst ab etwa 1600 ent- machen.“ Zudem sei „der Geschäfts- standen. Auch die allgemeine Schul- 6
Rund um die Stadt Winsen (Luhe) Abb. 12 und 13: links: Modell der Alten Schule von 1868; rechts: Foto des Schulge- bäudes aus der Mitte des 20. Jahrhunderts – als es bereits als Mittelschule genutzt wurde. pflicht kam erst im 17. Jahrhundert auf.13 Im 19. Jahrhundert erhielten die Kinder Unterricht in der Küsterschule gegen- 10. Klassen in die neue Mittelschule an über der Kirche und im Rektorhaus, der Bürgerweide um. Die 5. Klassen das 1813 nahe des Lüneburger Tores und die Fach- und Werkräume verblie- erbaut worden war. Das Rektorhaus ben im alten Gebäude. Nachdem das ging 1893 in Privatbesitz über und wur- Gymnasium, das zuvor als „Oberstufe de zum Geschäftshaus14 („Schreiber- in Entstehung“ seit 1955 der Realschu- sches Haus“, später Neubau des Hotels le angegliedert war, zum Schuljahr Rötting, heute u. a. TUI-Reisebüro). Auf 1969/70 ein eigenes Gebäude an der dem Schulhof der Rektorschule errich- Bürgerweide bekam, verringerte sich tete die Stadt 1868 dann ein neues die Raumnot. Das alte Schulgebäude Schulgebäude, das zunächst für alle von 1868 wurde daher 1969 abgeris- Abteilungen der städtischen Schule sen und verschwand aus dem Bild der vorgesehen war. Bereits 1894 war es Stadt. Der Schmuckstein aus dieser zu klein geworden und es musste eine alten Schule ist heute am Eingang der neue Schule in der Schulstraße gebaut Eckermann-Realschule zu sehen. Er werden15 (heute „Alte Stadtschule“ in trägt die Inschrift: „Dem Herrn die Ehre der Eckermannstraße). – 1868“.16 Das Gebäude der nun „alten Schule“ wurde bereits ab 1895 wieder für die Alte Feuerwache mit dem „gehobene Abteilung“ der Stadtschule Schlauchturm von 1901 genutzt. 1925 wurde die Mittelschule Im September 1862 feierte man in der dann vom Land vollständig anerkannt Marktstraße gerade den Turnerball, als und selbstständig: 163 Schüler besuch- gegen 23 Uhr ein Brand in der Norder- ten sie damals. 1957 zogen die 6. bis torstraße beobachtet wurde. Die wendi- 7
Rund um die Stadt Winsen (Luhe) gen Turner packten beim Löschen und ma Koebe in Luckenwalde, auf einem Bergen mit an. Am 2. Februar 1863 mel- Fahrgestell von Benz – die alte Hand- deten sich 44 Turner zum Eintritt in eine druckspritze der Turner-Feuerwehr, die Rettungs- und Bergeschar, die man ab in einen Pferdewagen eingehängt wer- Sommer 1863 als Turner-Feuerwehr den konnte, war nun überholt – sie steht betitelte. 1883 nannte man sich in „Frei- heute im Marstall-Museum. Nach der willige Feuerwehr zu Winsen – Luhe Machtergreifung der Nationalsozialisten um“. Zunächst erfolgte die Bekämpfung 1933 änderte sich auch einiges für die des Feuers mittels Leitern, Feuerhaken Feuerwehr: Der Uniformzuschnitt wurde und Ledereimern, diese Gerätschaften einheitlich militärisch und Stahlhelme wurden aber folgend immer der tech- ergänzten die Ausrüstung. Ab 1935 Abb. 14 und 15: links: Modell der alten Feuerwache im Museum; rechts: Foto um 1960. nischen Entwicklung angepasst. 1870 verfügte die Wehr über zwei motorbe- konnte das erste Gerätehaus an der triebene Spritzen. Kranwallstraße in Betrieb genommen Das alte Spritzenhaus aus dem werden. Die technische Entwicklung, Jahre 1901 musste weichen, als die die Geräte und der Raumbedarf nah- Von-Somnitz-Straße angelegt wurde. men zu: 1901 errichtete die Stadt daher Ein neues Feuerwehrgebäude an der ein neues, großes Spritzenhaus an der Eckermannstraße entstand 1964. Nach Schulstraße (heute Eckermannstraße/ 50 Jahren war es nicht mehr zeitgemäß. ZOB). Im Ersten Weltkrieg wurden erst- Es wurde 2005 von einem neuen größe- mals für die Sicherstellung des Feuer- ren Komplex am Tönnhäuser Weg ab- schutzes Jugendliche herangezogen. gelöst.17 Lagen die ersten Gerätehäuser Am 24. Juli 1920 holte die Feuerwehr noch innerhalb der „Stadtbegrenzung“ ihre erste Motorspritze vom Bahnhof in in der Nähe des Nordertores, so bau- Winsen ab. Es war eine Spritze der Fir- te man das neue Feuerwehrhaus 1901 8
Rund um die Stadt Winsen (Luhe) außerhalb der „Stadtbegrenzung“ in Auktionen veranstaltet: Bei der ersten der Nähe des ehemaligen Lüneburger Versteigerung wurden 68 Stück Rind- Tores auf. In der Folge entstanden an vieh angeboten. Stiere brachten da- der Schulstraße neben einigen Wohn- mals 375 Mark, Kühe 465 Mark. Auch in häusern auch neue Schulgebäude, so den folgenden Jahren wurde an dieser dass man 1964 bereits in Richtung Stelle das Vieh versteigert. 1912 wurde Bürgerweide auswich. Neben der zu- dann eine Viehverkaufshalle auf einem nehmenden Wohnbebauung waren bis Gelände neben dem neueren Teil des 2005 auch dort wieder weitere Schulen Friedhofs, der 1887 in Betrieb genom- und Sportanlagen entstanden, die ein men worden war, errichtet. Die neue Ausweichen an den Stadtrand zu den Viehhalle – in der Nähe des Bahnhofs Abb. 16 und 17: links: Modell der Viehhalle im Museum; rechts: Auktionskatalog einer Herd- buchversteigerung. Osterwiesen sinnvoll erscheinen lie- – bot nun den passenden Rahmen für ßen, um mit den großen Einsatzwagen den wachsenden Umsatz in der regio- schnell an Ort und Stelle sein zu kön- nalen Viehwirtschaft: Über 900 Be- nen. Lag das Gebäude der Freiwilligen sucher erschienen zur ersten Auktion Feuerwehr vor 15 Jahren noch „auf der mit 145 Stück Vieh. Das Geschäft ließ grünen Wiese“, so rücken nun auch in in den 1970er Jahren langsam nach – diesen Bereich neue Wohnviertel näher. Ende 1978 wurde dort die letzte Auktion durchgeführt. Nachdem Teile als Auto- Viehhalle Parkplatz gedient hatten, wurde die Hal- Bereits in den 80er Jahren des 19. le im Mai 1980 abgerissen. Heute befin- Jahrhunderts zog die Viehwirtschaft det sich auf dem Gelände – im Viehhal- in unserer Region stark an. Seit 1897 lenweg – das Gebäude der AOK. hatte die Lüneburger Herdbuchgesell- Da Gebäude und Gelände der Vieh- schaft auf dem Schlossplatz in Winsen halle die weitläufigste Anlage in der 9
Rund um die Stadt Winsen (Luhe) Stadt war, fand hier am 23. April 1932 tung des Betriebes möglich war, errich- eine Wahlkundgebung statt, auf der tete Eppen 1857 eine Papierfabrik süd- Adolf Hitler sprach. Die NSDAP rech- lich der Eisenbahnlinie an der Luhdor- nete mit rund 7.000 Zuhörern, die mit fer Straße. Im Januar 1858 nahm das Sonderzügen aus den Orten der Um- Werk den vollen Betrieb auf. Produziert gebung herangebracht werden sollten. wurden neben Schreib- und Druckpa- Vor der Halle waren Zelte aufgebaut pier auch Kartonagen sowie Papier für worden, in denen die Besucher über Etiketten und Briefmarken. 1862 gab es Lautsprecher Hitlers Rede hörten.18 bereits 29 Fabrikarbeiter und 4 Fabrik- Abb. 18 und 19: links: Modell der Papierfabrik im Museum; rechts: Luftbild-Aufnahme des weitläufigen Geländes. Eppensche Papierfabrik arbeiterinnen in Winsen. Diese waren 1812 gründete Franz Heinrich Gie- vermutlich in der Eppenschen Papier- semann in der Deichstraße eine Pa- fabrik beschäftigt, die eine für damalige piermühle, die später sein Sohn Adolf Verhältnisse sehr moderne und leis- übernahm. Fabrikant Johann Heinrich tungsfähige Anlage war. Eppen erwarb 1852 zusammen mit Das Werk bezog seine Hölzer haupt- Kaufmann Eduard Krebs die in Kon- sächlich aus Finnland und Russland. kurs geratene Giesesche Papiermühle Die Produkte wurden vor allem nach in der Deichstraße. Eppen stammte aus Berlin, Hamburg, Leipzig und Olden- Stade und hatte am 18. Juli 1807 den burg verkauft. Vieles konnte auch nach Bürgereid in Winsen abgelegt. Man be- England und in die Länder Asiens und gann zunächst mit der Produktion fester Afrikas exportiert werden. Zeitwei- Pappen aus Lumpen und Altpapier. Al- lig waren mehr als 200 Arbeiter und lerdings handelte es sich hierbei noch Angestellte in der Fabrik beschäftigt. um Manufakturware: Lumpenschneider, Auch Streiks blieben in den 1910er Wasserpumpe, Holländer, Presse und Jahren nicht aus. Erst der Zweite Welt- Glättwerk wurden von einem Göpel mit krieg brachte eine Unterbrechung der zwei Pferden betrieben. Produktion. Ein persönlicher Schick- Da in der Deichstraße keine Auswei- salsschlag für die Familie Eppen war, 10
Rund um die Stadt Winsen (Luhe) dass alle vier Söhne im Krieg blieben. Lüneburg bestätigt. Zum Jahreswech- Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die sel 1656/57 verkaufte dessen Sohn ihn Produktion langsam ab und das Werk an den Winsener Hauptmann Cordt von erwies sich als nicht mehr konkurrenz- Weyhe. In der Folge wurde er an seine fähig. Am 30. November 1965 stellte Enkelin Margarethe Dorothea von der man den Betrieb ein. 1971 wurde die Weyhe vererbt. Sie war Konventualin im unrentable Anlage abgebrochen. Heu- Kloster Ebstorf und veräußerte ihn im te stehen auf dem Gelände im Bereich Jahre 1707 für 700 Reichstaler. 20 Käu- des Europarings Wohnungsbauten.19 fer waren zwei Bürgermeister und zehn Abb. 20 und 21: links: Diorama-Modell des Brauhofes im Marstall-Museum; rechts: Blick in die Altstadt mit dem Brauhof, Anfang der 1950er Jahre. Brauhof Bürger der Stadt Winsen. 1745 über- Direkt an der Luhe in der nördlichen nahm der Brauer Riebau den Betrieb. Altstadt lag der große Brauhof – eine Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde dreiflügelige Anlage. Hier wurde mit hier noch Bier gebraut. Man verlagerte Luhewasser Winsener Bier gebraut. sich folgend noch für kurze Zeit auf die Schon Tage vor dem nächsten Brau- Produktion von Branntwein. 1932 stürz- vorgang wurde bei Strafe verboten, das te der nördliche Teil des Gebäudes an Wasser durch Unrat jeglicher Art zu ver- der Brennerei ein. 21 Es wurde nichts unreinigen. mehr repariert – der folgende Weltkrieg 1620 hören wir vom Verkauf des trug seinen Teil dazu bei. Im Jahre 1972 Winsener Brauhofes durch Andreas wurde der Brauhof, der wohl aus der Roloff an Christian Winecke. Roloff war frühen Barockzeit stammte, abgerissen. Bürger zu Lüchow und hatte das Ge- bäude mit den zugehörigen Rechten und Ländereien von seinen Großeltern Anmerkungen geerbt. Der Verkauf an den Winsener 1 Jürgen Klahn, Neue Erkenntnisse zur Winsener Amtsschreiber Winecke wird 1622 auch Stadtgeschichte und Korrektur von bisherigen von Herzog Christian zu Braunschweig- Fehlern, mschr. Mskr. Winsen (L.), 2006, Nr. 12. 11
Rund um die Stadt Winsen (Luhe) 2 20 Manfred Neugebauer, Das Bürgerhaus der Jürgen Klahn, Brauhof-Akten, (Zusammen- Kleinstädte im ehemaligen Fürstentum Lüne- stellung, Mskr.) Winsen (Luhe), 2013. burg, Lüneburg, 1981, S. 93. 21 Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten, 3 Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten, Zaltbommel/Niederlande, 1988, Bild 23 f. Zaltbommel/Niederlande, 1988, Bild 29. 4 Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten, Band 2, Zaltbommel/Niederlande, 1993, Bild 18. Bildnachweis 5 Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten, Alle Fotos: Museum im Marstall. Zaltbommel/Niederlande, 1988, Bild 32. 6 Günter Hagen, Geschichte der Stadt Winsen an der Luhe, Winsen (Luhe), 1978, S. 144. 7 Ilona Johannsen, Das Museum im Marstall und der Heimat- und Museumverein, in der Beilage 850 Jahre Winsen, Nordheide Wo- Angaben zu den Autorinnen: chenblatt, Winsen (L.), 2008. 8 Ilona Johannsen M.A., Jahrgang 1967, Kurt Schoop, „Bethesda“ Kinderpflege und Krankenheilanstalt zu Winsen (Luhe) und ihre Studium der Vor- und Frühgeschichte Geschichte, zum fünfzigjährigen Jubiläum, an den Universitäten Hamburg, Müns- Winsener Geschichtsblätter, Heft 6, Winsen ter und Kiel, seit 1992 Leitung Museum (Luhe), 1927, S. 3. 9 im Marstall; 1987–1996 Ausgrabungen wie Anm. 8, S. 13. 10 in den Elbmarschen, 2007–2012 Aus- Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten, Zaltbommel/Niederlande, 1988, Bild 14. grabungen zur Urgeschichte des Men- 11 Günter Hagen, Die Reihe Archivbilder Winsen schen in Libyen und Äthiopien; Publi- (Luhe), Erfurt, 1999, S. 22. kationen zur Schifffahrt, den Trachten, 12 Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten, dem Deichbau und der Besiedlung in Zaltbommel/Niederlande, 1988, Bild 14. der Winsener Marsch, zur Kirchen- und 13 Siehe auch Jürgen Klahn und Ursula Köser, Die Geschichte der Lateinschule zu Winsen Stadtgeschichte Winsens sowie zur an der Luhe, Winsen (Luhe), 2020. steinzeitlichen Besiedlung in Libyen. 14 Günther Hagen, Winsen in alten Ansichten, Zaltbommel/Niederlande, 1988, Bild 35. Angelika Malchert, Jahrgang 1950. 15 Günter Hagen, Die Reihe Archivbilder Winsen Ausbildung zur Medizinisch-techni- (Luhe), Erfurt, 1999, S. 77. 16 schen Assistentin. Seit 2004 Mitglied Antje Bremer, Die Johann-Peter-Eckermann- Realschule in Winsen (Luhe), Winsen (L.), im Heimat- und Museumverein Winsen 2002, S. 4 f., 22, 28. (Luhe) und Umgebung e. V. Ehren- 17 Burghard Giese u. a., Festschrift der Feuer- amtliche Einsätze im Wesentlichen im wehr Winsen: Freiwillige Feuerwehr Winsen Bilderarchiv und in der Betreuung des Luhe von 1863, Winsen (Luhe), 2013, S. 12, 16 f., 19, 22 f. Museumsladens. Seit 2020 als Kassen- 18 Günter Hagen, Geschichte der Stadt Winsen wartin Mitglied im Vereinsvorstand. an der Luhe, Winsen (Luhe), 1978, S. 150 und Ders., Die Reihe Archivbilder Winsen (Luhe), Anschrift: Erfurt, 1999, S. 72. 19 Ilona Johannsen Wilhelm Peters, Handwerk, Handel und Ge- werbe in Winsen (Luhe), Winsen (Luhe),1993, Angelika Malchert S. 70 f. und Günter Hagen, Geschichte der c/o Museum im Marstall Stadt Winsen an der Luhe, Winsen (Luhe), Schloßplatz 11 1978, S. 135 ff. 21423 Winsen (Luhe) 12
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