Zuschnitt 8282 Stadt - Holz - Klima - proHolz Bayern
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Zuschnitt Zeitschrift über Holz als Werkstoff und Werke in Holz September 2021 Nr. 82 | 21. Jahrgang | Euro 8 | isbn 978-3-902926-42-5 proHolz Austria zuschnitt 82 Stadt – Holz – Klima Der Klimawandel und das Wachsen der Städte sind zentrale Themen der Stadtentwicklung und des Bauens in der Stadt. Wir zeigen, welchen Beitrag der Baustoff Holz für das klimaneutrale und ressourcenschonende Bauen in der Stadt leisten kann.
Inhalt Seite 3 Themenschwerpunkt Editorial Zuschnitt 82.2021 Text Christina Simmel Seite 6 – 9 Seite 4 Mehr als Leuchttürme Essay Holzbau in Wien Das Klima der Stadt: Text Maik Novotny eine sozial-ökologische Seite 10 – 11 Frage Nachgefragt Text Gabu Heindl Wie gestalten Wien, München und Berlin ihre Wege in die Zukunft? Text Christina Simmel Zuschnitt 83.2021 Holz im Alltag erscheint im Dezember 2021 Holz begegnet uns im Alltag oft, ohne dass wir es besonders beachten: sei es ein Holzbrettchen beim Frühstück, ein Bleistift für eine schnelle Notiz oder schlicht der Boden unter unseren Füßen. Alles das scheint selbstverständlich. In der stillen Präsenz d ieser Dinge und in deren alltäglicher Anwendung ver- gessen wir, welches M aterial wir in Gebrauch haben. In der nächsten Ausgabe des Zuschnitt wollen wir in den Blick nehmen, wo uns Holz begegnet. Wir b eleuchten all das, was Holz sein kann, obwohl es nicht danach aussieht, wir es nicht bewusst wahrnehmen oder gar nicht erst vermuten. Titelbild Impressum Offenlegung nach § 25 Redaktionsteam Fotografien Blick aus dem HoHo Wien Medieninhaber und Mediengesetz Christina Simmel (Leitung) Bruno Klomfar s. 1, 7 u. li., 8 o. re., Zuschnitt Herausgeber Arbeitsgemeinschaft der Linda Lackner 9, 25, 26, 27, 28 issn 1608-9642 proHolz Austria österreichischen Holzwirt- (Assistenz) Fæ/Wikimedia Commons s. 2 Zuschnitt 82 Arbeitsgemeinschaft der schaft nach Wirtschafts Kurt Zweifel Simon Menges s. 5, 20 u. re. isbn 978-3-902926-42-5 öst erreichischen Holzwirt- kammergesetz (wkg § 16) redaktion @ zuschnitt.at Hertha Hurnaus s. 7 re., 8 u. schaft zur Förderung der Daniel Hawelka s. 8 o. li. www.zuschnitt.at Ordentliche Mitglieder Texte wienwood 21 A nwendung von Holz Peter Villain s. 13 o. Fachverband der Holz- Anne Isopp Zuschnitt erscheint viertel Obmann Richard Stralz Conné van d’Grachten s. 13 u. indust rie Österreichs und Gabriele Kaiser jährlich, Auflage 11.700 Stk. Geschäftsführer Peter Schinzler s. 14 o. Bundesgremium des Holz- Einzelheft euro 8 Georg Binder Lektorat Frank Schroth s. 14 u. und Baustoffhandels Preis inkl. USt., exkl. Versand Projektleitung Zuschnitt Esther Pirchner, Innsbruck Stefan Müller-Naumann s. 15 li. Kurt Zweifel Fördernde Mitglieder Florian Nagler Architekten Gestaltung A-1030 Wien Präsidentenkonferenz der s. 15 re. Atelier Andrea Gassner, Am Heumarkt 12 Landwirtschaftskammern Bernd Borchardt s. 19 li. Feldkirch; Reinhard Gassner, T +43 (0)1 ⁄ 712 04 74 Österreichs Kenan Taufik s. 19 re. Marcel Bachmann info @ proholz.at Bundesinnung der Zimmer- Werner Huthmacher s. 20 o., www.proholz.at meister, der Tischler und Druck 20 u. li. andere Interessenverbände Print Alliance, Bad Vöslau Jan Bitter s. 21 o., 23 Copyright 2021 bei proHolz der Holzwirtschaft gesetzt in Foundry Journal Stefan Josef Müller s. 21 u. Austria und den AutorInnen auf GardaPat 13 Kiara Mary Mattingly, Courtesy Robert Editorialboard Die Zeitschrift und alle in Mann Gallery s. 32 Katharina Bayer, Wien Bestellung⁄ Aboverwaltung ihr enthaltenen Beiträge Reinhard Gassner, Schlins proHolz Austria und Abbildungen sind Stefan Mayerhofer, München info @ proholz.at urheberrechtlich geschützt. Konrad Merz, Dornbirn T +43 (0)1 ⁄ 712 04 74 Jede Verwendung außerhalb Sylvia Polleres, Wien shop.proholz.at der Grenzen des Urheber- Arno Ritter, Innsbruck rechts ist ohne Zustimmung Susanne Scharabi, Berlin des Herausgebers unzulässig Sandra Schuster, München und strafbar. In Bayern Richard Woschitz, Wien erscheint der Zuschnitt in Kooperation mit proHolz Bayern.
Seite 12 – 15 Seite 18 – 21 Seite 24 Seite 25 – 29 Seite 30 – 31 Beispielhaft voran! Noch klein und jung, aber Wohnbau, Nachhaltigkeit wienwood 21 Wald – Holz – Klima Holzbau in München sehr dynamisch und Ökologie Seite 29 Der Stadtbaum Text Roland Pawlitschko Holzarchitektur in Berlin Im Gespräch mit Gregor Info Text Christina Simmel Seite 16 – 17 Text Claus Käpplinger P uscher, Geschäftsführer des Bauen mit Holz in der Stadt Seite 32 Stadt aus Holz Seite 22 – 23 wohnfonds_wien Holz(an)stoß Text Alberto Alessi Klimagerecht. Ressourcen- Text Christina Simmel Mary Mattingly schonend. Kreislauffähig? Text Stefan Tasch Kreislaufgerechtes Bauen Editorial mit Holz Inhalt Text Sandra Schuster 2 3 zuschnitt 82.2021 Editorial Christina Simmel Der Trend ist nicht neu: Seit Jahrzehnten wachsen Städte stetig. Zur Jahresmitte 2021 lebte bereits mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in ihnen, bis 2050 werden es an die zwei Drittel sein. Das Jahr 2050 markiert seit dem Übereinkom- men von Paris auch das Ziel auf dem Weg zur Klimaneutralität, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Was aber hat das mit Holz zu tun? Städte sind der Lebensraum der Zukunft. Obwohl sie nur annähernd 3 Prozent der Erdoberfläche ausmachen, sind sie zugleich für drei Viertel des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Beim Kampf gegen den Klimawandel spielen sie also eine zentrale Rolle und die Entwicklung jeder einzelnen Stadt ist somit Teil proHolz Webinare 2.2021 einer globalen Zukunftsaufgabe. Insbesondere das Bauwesen und darin der Mehrgeschossiger Holzbau Gebäudesektor gelten mit einem Ausstoß von etwa einem Drittel der globalen Im Herbst bietet proHolz Austria zum Treibhausgasemissionen als Schlüsselbereiche der Dekarbonisierung. zweiten Mal in diesem Jahr ein Webinar Der Holzbau ist dabei ein wichtiger Teil der Lösung: Holz ist einer der wenigen zum Thema „Mehrgeschossiger Holzbau“ Baustoffe, der CO2-neutral ist. Ein Kubikmeter davon bindet eine Tonne CO2. an und legt dabei besonderes Augenmerk Dieses bleibt der Atmosphäre erspart, solange das Holz stofflich genutzt wird. auf den Wohnbau und den Bereich Nach- Die Klimaschutzwirkung hält also an, auch wenn das Holz aus dem Wald geerntet verdichtung im urbanen Raum. und als Baustoff genutzt wird. Durch Bauen mit Holz entsteht in unseren Städten Der Holzbauanteil in den Städten nimmt ein zweiter Wald. permanent zu, vor allem auch im Bereich Anstelle der geernteten Bäume wachsen neue Bäume nach, die der Umgebungs- des mehrgeschossigen Bauens. Damit luft wieder aktiv CO2 entziehen. Jeder verbaute Kubikmeter Holz ersetzt außer- einher geht ein steigendes Interesse an dem Baustoffe aus endlichen Ressourcen und vermeidet deren CO2-Emissionen. einer fachlichen Beratung zur Planung Kurz, Bauen mit Holz ist aktiver Klimaschutz. mehrgeschossiger Holzbauprojekte. Im aktuellen Zuschnitt zeigen wir, wie Leben und Wohnen in Städten ressourcen- Dieser Nachfrage kommt proHolz Austria und klimaschonend gestaltet werden und welchen Beitrag der Rohstoff Holz mit den Webinaren nach. dabei leisten kann. Neben der Diskussion über Instrumente der nachhaltigen Stadtplanung und stadtpolitische Handlungsmöglichkeiten veranschaulichen Mehrgeschossiger Holzbau (5 Module) Porträts der Städte Wien, München und Berlin die Möglichkeiten des Holzbaus auf Donnerstag, 7. Oktober 2021 praktische Weise. Ergänzt werden diese durch die Ergebnisse des wienwood 21, Donnerstag, 14. Oktober 2021 des Holzbaupreises für Wien. Donnerstag, 21. Oktober 2021 Donnerstag, 4. November 2021 Donnerstag, 11. November 2021 proHolz Exkursion wienwood 21 Von der Produktion zum fertigen Mit dem wienwood 21 prämiert proHolz Austria – zum dritten Mal nach 2005 und Mehrgeschosser 2015 – in Kooperation mit der Stadt Wien und dem Architekturzentrum Wien sowie unterstützt von der Wiener Städtischen Versicherung herausragende Holzbauten Als Ergänzung zu den Webinaren bietet in der Bundeshauptstadt. In diesem Jahr wurden vier Preise, ein Sonderpreis und proHolz Austria auch eine Exkursion an: sechs Auszeichnungen vergeben. Einen Überblick über die Ergebnisse zeigen wir Freitag, 22. Oktober 2021 auf den Seiten 25 bis 29 in diesem Zuschnitt. Informationen und Anmeldung unter Ausführliche Informationen unter www.wienwood.at www.proholz.at
Essay Das Klima der Stadt: eine sozial-ökologische Frage Gabu Heindl Die Zukunft der Stadt hängt wesentlich vom Klima ab, nicht Raum, der bereits besteht, klug zu nutzen und gerechter zu ver- zuletzt weil sich Erderhitzung als gravierende Stadterhitzung teilen: durch Leerstandsaktivierung, ein Ende von Wohnraum als auswirkt. Die Veränderung des Klimas stellt dabei nicht ein Anlage, höhere Besteuerung von Zweit- und Mehrfachwohnsitzen Grundproblem für sich allein dar, gegenüber dem andere ge u. v. m. Sozial-ökologischer Städtebau bedeutet Umbau und Weiter samtgesellschaftliche Probleme zweitrangig wären, sondern bauen – und Neubau nur wenn gemeinwohlorientiert. Konsequent Klimaprobleme stehen im Zusammenhang mit anderen sozialen weitergedacht müssten sich die Lehrstühle Städtebau in Städte Problemfeldern, als da sind: leistbares Wohnen, Zugang zu öffent- umbau o. Ä. umbenennen. lichem Raum, Diskriminierungen etc. Gerechte Verteilung bedeutet auch, „imperiale Lebensweisen“ Was bedeutet Hitze in der Stadt für Bewohnerinnen und Bewohner infrage zu stellen, wie dies Ulrich Brandt tut. Dabei wird deutlich, einer 50-m2-Wohnung ohne Balkon im Vergleich zu jenen einer wie sich „reiche Länder“ andernorts an ökologischen und sozialen Villa mit Klimaanlage, Dachterrasse und Garten oder Landhaus im Ressourcen bedienen, um sich selbst hohe Lebensstandards zu Kühlen? Wer hat Zugang zu Grün- und Erholungsraum, wer wohnt sichern. Verteilungsfragen stellen sich also im geopolitischen in dichtverbautem Gebiet? Wie verteilen sich öffentliche Grünflä- Maßstab und werden durch die klimabedingte Zerstörung von chen in der Stadt? Kurz: Wem wird immer heißer werden? Wer wird Lebensgrundlagen verschärft, was wiederum eine der Ursachen zudem ungesunde Jobs ohne Fluchtmöglichkeit vor der Hitze haben, für Fluchtbewegungen ist. Das betrifft die hochenergetische weil es am Bau oder bei der Ernte keine Klimaanlage gibt? Herstellung von Zement und den Sandverbrauch für Betonbauten, Die ausgelöste Klimaveränderung, die die Zukunft der Städte prä- die gesundheitsgefährdende Produktion von eps-Dämmstoffen gen wird, ist so allumfassend, dass sie nicht „über“ allen anderen und den Styropor-Abfall in den Ozeanen. Dazu kommen illegale Problembereichen steht. Vielmehr berührt sie alle anderen Be- Rodungen wie zum Beispiel jene der rumänischen Urwälder – mit reiche und verstärkt deren Wirkung auf die Leben der Menschen. diesen steht pikanterweise auch eine Beteiligung österreichischer Deshalb können wir Klimafragen keinesfalls gegen „soziale Fragen“, Unternehmen in Zusammenhang. Diese Kritik ist wichtig, gerade also Probleme (un)gerechter Raum- und Reichtumsverteilung, weil die Ökologisierung des Bauens mit erneuerbaren und inklu- ausspielen. Klima- und Verteilungsfragen sind miteinander eng siven Materialien wie Stroh, Lehm und Holz – das Material mit verschränkt, etwa bei der seit kurzem öffentlich geförderten dem umfassendsten Potenzial – für die sozial-ökologische Wende Solarstromerzeugung: Wer besitzt die Flächen und Dächer, um so wichtig ist und ein globales Nachhaltigkeitsverständnis mit die Energie der Sonne, die an sich für alle gleich scheint, produk- sich bringen muss. tiv und profitabel zu nutzen? Klimagerechtigkeit bedeutet auch, Hier wird also deutlich, dass Klimafragen so etwas wie gesell- Sonnenenergie ähnlich wie Grund und Boden als Commons, als schaftliches Klima mit umfassen – als Umschreibung für die öffentliche Güter, zu verstehen. Verantwortung für soziales und Beziehungsnetze und -formen, die Gefühlslagen und kursierenden nachhaltiges Bauen zu übernehmen gilt ganz generell und auch Haltungen, auch die „erhitzten Gemüter“ und Phasen „sozialer aus materialtechnischer Sicht nicht nur für Einzelne in der Bau- Kälte“, die eine Gesellschaft mit ausmachen. Solchermaßen im wirtschaft, sondern für die Stadtplanung und Politik, deren Zeichen des Klimas verstanden, tritt an Verteilungsfragen ein Instrumente und Förderungen hier steuern müssen. wichtiger Punkt hervor: Es geht nie um bloße Zuteilung von Qua- Die Frage ist nicht mehr, ob gehandelt werden muss, sondern dratmetern und Geldmitteln an verschiedene soziale Gruppen wie das Handeln zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe durch eine Zentralinstanz; Verteilung heißt nie nur „Versorgung“, samt allen Beteiligten der Bauwirtschaft werden kann. Dabei schon gar nicht durch eine paternalistische Autorität, sondern es sind planerische Raumnutzungskonzepte gegen die durch Erhit- steht immer die Handlungsfähigkeit, die Ermächtigung der vielen zung zugespitzten Verteilungsprobleme – städtische Grünkeile, verschiedenen (und in mancher Hinsicht gleichen, gleich betrof- Grünraumgürtel, Wasserkühlung, Entsiegelung, Schwammstadt, fenen) Leute mit im urbanen Raum. Klima und Verteilung, als Baumpatenschaften – ebenso relevant wie bau- und material- „soziale Fragen“ angegangen, stellen Städte-Umbau und Wohn- technische Aspekte im Neubau (wenn ein solcher tatsächlich raumplanung vor die Notwendigkeit, vielfältige Identitäten und nötig ist), mehr noch im Umbau. In Bezug auf nachhaltige Bau- Lebensweisen anzuerkennen. Das erfordert radikaldemokratische formen und erneuerbare Materialwahl steht Holzbau auch im Kritik an Ausschlüssen und Diskriminierungen, die sich immer städtischen dichten Bereich immer mehr im Vordergrund. Das auch baulich ausprägen (standardisierte Wohnungsgrundrisse, sind raum- und bautechnische Verfahren – und als solche nie Qualitätsreduktion, fehlende Barrierefreiheit), sowie Allianzen ohne gesellschaftspolitische Dimension. Das zeigt nicht zuletzt unter Verschiedenen im aktiven Umplanen einer solidarischen und die Degrowth-Bewegung auf: Sie legt nahe, die wachsende Stadt klimagerechten Stadt. in einer Post-Wachstums-Gesellschaft zu konzipieren, zugleich auch als eine Post-Wachturms-Gesellschaft, also ohne Wachturm, Gabu Heindl der über befestigte Grenzen hinweg den Zuzug in die Städte zu Architektin mit Schwerpunkt öffentliche Bauten, lehrt als Professorin für Städte stoppen versucht. Städte h aben durchaus Platz, auch für Men- bau an der th Nürnberg und an der aa London. 2013 – 2017 Vorstandsvorsitzende schen auf der Flucht. Es geht darum, Städte umzubauen und den der Österreichischen Gesellschaft für Architektur. www.gabuheindl.at
Themenschwerpunkt Stadt – Holz – Klima Remise Immanuelkirchstraße, Berlin/DE
Wien in Zahlen Flächenverteilung in % Bauland 36 50 Grünland und Gewässer Verkehrsflächen 14 Versiegelungsgrad 44 % Verkehrsmittelwahl 25 % Auto Wohnbevölkerung 38 % Öffis über 20.000 10.001 – 20.000 5.001 – 10.000 7 % Fahrrad 414,9 km2 Fläche bis 5.000 Personen/km2 30 % zu Fuß ø 4.607 Personen/km2 geringste Dichte 1.433 Personen/km2 höchste Dichte 27.402 Personen/km2 Wie wohnt Wien? Wohnungen nach rechtlicher Wohnform 24 % öffentlicher Wohnbau (überwiegend Gemeindebau) Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner pro km2 28 % Privatmiete – – – – – 21 % Eigentum – über 20.000 über 20.000 über 20.000 10.001 – 20.000 10.001 – 20.000 % 14 Genossenschaft 10.001 – 20.000 – – 13 % Andere – 5.000 – 10.000 5.000 – 10.000 5.000 – 10.000 unter 5.000 unter 5.000 unter 5.000 153.232 Wohngebäude 1.050.974 Wohnungen Jährliche Hitze- und Eistage 1955 bis 2020 2015 2003 ca. 60 % der Wienerinnen und Wiener leben im 40 Hitzetage geförderten Wohnbau und im Gemeindebau 1994 1992 30 1983 20 2020 1955 2017 1993 40 2010 1985 1987 1969 50 1,91 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner 1996 1963 60 Eistage 55.649 Hunde Quellen: Fläche, Flächenverteilung, Dichte (2020): Stadt Wien, ma 18 Stadtentwicklung und Stadtplanung; Wohnungen und Wohngebäude, Einwohnerinnen und Einwohner, Hunde (2020): Statistik Austria; Versiegelungsgrad (2020): Umweltbundesamt; Verkehr (2019): Wiener Linien, Statistik Austria; Hitze- und Eistage (2020): zamg
Mehr als Leuchttürme Holzbau in Wien Stadt – Holz – Klima Maik Novotny Es hat zwar keinen Scheinwerfer, doch man darf es guten Gewis- Genau hier wird die besondere Rolle des HoHo Wien deutlich. 6 7 sens als Leuchtturmprojekt bezeichnen. Das HoHo Wien ist schon Es ist ein singuläres Leuchtturmprojekt, das nicht singulär bleiben, von weitem als transdanubischer Hochpunkt sichtbar und mar- sondern als Türöffner für neue Regeln fungieren will. Dieser zuschnitt 82.2021 kiert das Stadtentwicklungsgebiet Seestadt Aspern wie eine Fortschritt wurde auch bei Aspekten wie Statik und Brandschutz Nadel auf der Landkarte. Ein Leuchtturmprojekt war es auch von evident. Denn in Wien wurde der langsame Durchbruch des Anfang an für den städtischen Holzbau, war es doch ganz vorne Holzbaus auch vom Entgegenkommen der Kompetenzstelle mit dabei im internationalen Wettrennen um das erste, höchste, Brandschutz (ma 37) unter Leiterin Irmgard Eder begleitet, die spektakulärste Hochhaus aus Holz, das in der zweiten Hälfte der neuen Entwicklungen offenstand. 2010er Jahre an Dynamik gewann. Es ist der nächste Schritt auf dem Weg des traditionell minera- Der Spatenstich erfolgte im Oktober 2016, und trotz vieler Un- lischen Ostens hin zu einer Normalisierung des urbanen Holz- wägbarkeiten im vertikalen Neuland hatte das für Entwicklung baus. Erste Anfänge gab es in den 1990er Jahren, weitere Meilen- und Planung zuständige Kernteam von vornherein einen klaren steine waren etwa die Techniknovelle der Wiener Bauordnung Plan. Ein Holz-Purismus war bei 84 Metern Höhe weder realisier- 2001, die Holz in viergeschossigen Bauten erlaubte, 2012 setzte bar noch sinnvoll, daher wurde auf eine kluge Hybridlösung die Stadt Wien mit einem Bauträgerwettbewerb das Signal für gesetzt: Ein Kern aus Stahlbeton, daran angehängt eine Holz Holz im Wohnbau. Wurde bei manchen der damaligen Pionier- verbundkonstruktion, bestehend aus vier Grundelementen: Ver- bauten noch konstruktive Vorarlberger Expertise „importiert“, bunddecken, Wandelementen, Stützen und Unterzügen. hat inzwischen auch der Osten aufgeholt und an Selbstbewusst- Um Purismus ging es dabei nicht, sondern um intelligenten Fort- sein gewonnen. schritt, wie Ingenieur Richard Woschitz betont: „Wir wollten mit dem Projekt die gleichwertige Tragfähigkeit gegenüber minera- Umbruch im Wohnbau lischen Baustoffen aufzeigen. Als Beispiel seien hier die Stützen Die Wiener Stadtentwicklung wurde dabei zum (noch zaghaft im HoHo genannt, die gleichwertig die hohen Lasten im Hoch- bestellten) Experimentierfeld. In fast allen größeren neuen hausbereich analog zu den Betonstützen sehr wohl abtragen Wohngebieten wurde zumindest ein Baufeld für Experimente können. Das hier angewandte sogenannte Lego-Grundprinzip in Holz reserviert. Ein mehrfach preisgekröntes Beispiel trägt aus vorgefertigten und logistisch zusammengefügten Elementen den simplen Namen „Holzwohnbau Seestadt Aspern“ und wurde wird ein wichtiges Thema der Zukunft sein.“ Zwar wurde die in ebendieser auf dem Baufeld D12 umgesetzt. Hier wurde eine Fertigstellung mehrmals verschoben, doch 2019 war es so weit. kluge Lösung aus modularen vorgefertigten Elementen auf „Natürlich dauert die Planungsphase länger“, sagt die Projektent- massivem Sockel realisiert. Das Holz diente hier nicht nur als wicklerin des HoHo, Caroline Palfy, „Konsulenten, Prüfungen, Fassade, sondern auch als quasi-landschaftliches Element bei Genehmigungen, all das braucht Zeit. Wenn solche Projekte der Ausformung der halböffentlichen Bereiche im Hof. zukünftig in der Baubranche die Regel sind, wird das schneller gehen.“ Holzwohnbau Seestadt Aspern BauherrIn ebg Gemeinnützige Ein- und Mehrfamilienhäuser Baugenossenschaft reg. Gen. m. b. H., Wien/AT, www.ebg-wohnen.at Planung querkraft architekten, Wien/AT, www.querkraft.at; Berger + Parkkinen, Wien/AT, www.berger-parkkinen.com Fertigstellung 2015 Holzhochhaus HoHo BauherrIn avv Investment GmbH, Ried im Innkreis/AT, www.avv-investment.com Planung Rüdiger Lainer + Partner Architekten, Wien/AT, www.lainer.at Fertigstellung 2019
PopUp dorms Bikes and Rails BauherrIn OeAD-WohnraumverwaltungsGmbH, Wien/AT, www.oead.at; BauherrIn Familienwohnbau gemeinnützige Bau- und Siedlungsgesellschaft m. b. H., Wien/AT, Wohnbauvereinigung für Privatangestellte Gemeinnützige GmbH, Wien/AT, www.wbv-gpa.at www.familienwohnbau.at; Bikes and Rails – Gesellschaft für solidarische Hausprojekte GmbH, Planung F2 Architekten, Schwanenstadt/AT, www.f2-architekten.at Wien/AT, www.bikesandrails.org Fertigstellung 2015 Planung Architekturbüro Reinberg, Wien/AT, www.reinberg.net Fertigstellung 2020 Zwei Ecken weiter war über mehrere Jahre ein Experiment des 2019 bezogenen Hauses zeigte die Akzeptanz des Holzbaus in temporären Holzbaus zu besichtigen: Das Studierendenwohn- hochverdichteten Stadtgebieten. Wenige hundert Meter weiter heim PopUp dorms. Dessen Grundidee war, Grundstücke im ist das Baugruppenprojekt Bikes and Rails der zweite Holzbau im Nahbereich der Stadt Wien, die frühestens in fünf Jahren b ebaut Viertel, und auch hier ist das Material über den rein konstruktiven werden, einer Zwischennutzung zuzuführen. Der Entwurf des Aspekt hinaus ein Signal für besonderes Engagement – in diesem modularen Gebäudes basierte auf dem bereits vom selben Fall von Seiten eines Mietshäusersyndikats. Planungsteam entwickelten Produkt gobox, das schon mehrmals Doch es bleibt nicht bei diesen einzelnen „Exoten“, denn auch für Wohn- und Gewerbezwecke zum Einsatz kam und 2007 mit auf übergeordneter Ebene wird der Holzbau gezielt ins Programm dem Oberösterreichischen Holzbaupreis ausgezeichnet wurde. genommen. Die Internationale Bauausstellung iba_Wien 2022 Im Sommer 2021 schließlich rückten die Transporter zum plange- initiierte eine Städtepartnerschaft mit Vancouver, bei der es neben mäßen ersten Umzug an und die komplett möblierten Module dem sozialen Wohnbau auch um den Austausch von Holzbau wanderten in den Norden der Seestadt. expertise geht. Ein Ergebnis wird künftig in Wien zu sehen sein: Auch im Sonnwendviertel mit seinen kleineren Baufeldern und Für das Projekt Waldrebengasse entwickelte das Planungsteam seinem differenzierten Vergabeverfahren fand der Holzbau Platz. des HoHo sein für das Hochhaus entwickeltes, offenes Bausystem Als Leuchtturmprojekt dafür ist beispielsweise das Wohnprojekt obsys weiter. Dieses ist nicht in Produkten gedacht, sondern in Gleis21 zu nennen, bei dem es ein expliziter Wunsch der Baugruppe Prinzipien. Ziel ist es, eine preisliche Konkurrenzsituation zu war, einen Bau in Holz-Hybridbauweise zu realisieren. Hier war schaffen und nicht von einer einzigen konstruktiven Lösung vor allem die Balance zwischen der Grundrissflexibilität, die sich abhängig zu sein. So will man auch die Hürde der Leistbarkeit aus den individuellen Wünschen der Bewohnerinnen und Bewoh- im geförderten Wohnbau meistern, die gepaart mit einer Grund ner ergab, und dem holzbauimmanenten regulären Rastersystem skepsis auf Auftraggeberseite gegenüber ungewohnten Lösungen die große Herausforderung. Die durchweg positive Rezeption des immer noch bremsend auf Holzbauvorhaben wirkt. Gleis21 BauherrIn Schwarzatal – Gemeinnützige Wohnungs- & Siedlungs- anlagen GmbH, Wien/AT, www.schwarzatal.at; Verein Wohnprojekt Gleis 21, Wien/AT, www.gleis21.wien Planung einszueins architektur, Wien/AT, www.einszueins.at Fertigstellung 2019
Stadt – Holz – Klima 9 8 zuschnitt 82.2021 Kindergarten in Pötzleinsdorf BauherrIn Stadt Wien, ma 10 – Wiener Kindergärten Planung Schluder Architekten, Wien/AT, www.architecture.at Fertigstellung 2018 Holzbau macht Schule Der Studiengang Green Building Master an der fh Campus Wien Neben dem Wohnbau sind Bildungsbauten wohl der Bereich, umfasst mehrere Forschungsprojekte, darunter auch Holzbau 4.0. in dem der Wiener Holzbau der letzten Jahre die größte Dynamik Dabei vernetzt man sich auch mit Hochschulen in anderen euro- erfahren hat, denn das Schulbauprogramm setzte vor allem bei päischen Ländern. Eine Anerkennung gab es für die Studierenden kleineren Neu- und Zubauten auf schnelle und einfache Lösungen. der fh Campus Wien bei der proHolz Student Trophy 2020, die Beim Kindergarten in Pötzleinsdorf kam eine Fertigteilbauweise proHolz Austria in Kooperation mit der Stadt Wien und Wiener aus flächigen Holzelementen zur Anwendung. Dabei profitierte Wohnen durchführte. Aufgabe war es, Konzepte für die Aufsto- man von einem eingespielten Team, das schon öfter mit der Stadt ckung von Wohnbauten aus den 1960er Jahren zu finden. Das Wien zusammengearbeitet hatte, was die Kommunikation er- Potenzial für Aufstockungen von Wiener Gemeindebauten ist leichterte und den Prozess beschleunigte – auch dies ein Zeichen enorm: Laut einer Studie der Stadt Wien könnten hier bis zu für die wachsende Expertise auf Seiten der Stadtverwaltung. Dass 7.600 neue Wohnungen realisiert werden. Wenn wir heute mit zuständige Stellen wie die ma 34 und die Wiener Standortent- neuer Dringlichkeit über ressourcenschonendes Bauen und wicklungsgesellschaft wse viele Bildungsbauten als Holzbau aus- Umbau statt Neubau reden, rückt der Holzbau noch weiter ins schreiben, liegt auch am Vertrauen in Projektpartnerschaften mit Zentrum des Geschehens. Der Weg von den Leuchttürmen hin zu entsprechendem Know-how, inzwischen auch in Ostösterreich. einer Normalität ist geebnet. Wie viel Innovationspotenzial im Holzbau über die serielle Ein- fachheit hinaus steckt, zeigte ein anderes Leuchtturmprojekt aus Maik Novotny dem Bereich Bildungsbau, das Bibliotheks- und Seminarzentrum ist Architekturjournalist und schreibt regelmäßig für die Tageszeitung der boku Wien. Hier brachte das für die Planung verantwortliche Der Standard, die Wochenzeitung Falter sowie für Fachmedien über Architektur, Team zusammen mit dem Hersteller Stora Enso eine gute Portion Stadtentwicklung und Design. digitales Hightech in die 980 m3 Holz ein. Zum einen wurde www.maiknovotny.com jedes Bauteil mit Sensoren ausgestattet, die dessen Weg zur Bau- stelle überwachten und nach der Fertigstellung Informationen beispielsweise zum Feuchtigkeitsgehalt an die Zentrale funkten, zum anderen wurde der Bau in der Planungsphase mittels eines digitalen Tools komplett virtuell dargestellt. „Der Vorteil ist, dass alle Abstimmungen schon frühzeitig in der Planungsphase pas- sieren und aufwendige spätere Korrekturen vermieden werden“, so Christoph Falkner von swap Architekten. Zu guter Letzt ist bei den Wiener Hochschulen nicht nur die Hülle, sondern auch der Inhalt auf dem Weg zum urbanen Holzbau, denn die Lehre widmet sich diesem Thema mehr als zuvor. Ilse Wallentin Haus boku Wien BauherrIn big – Bundesimmobiliengesellschaft mbH, Wien/AT, www.big.at Planung swap Architekten, Wien/AT, www.architektur.swap-zt.com; Delta, Wels/AT, www.delta.at Fertigstellung 2020
Nachgefragt g ewinnt darüber hinaus der integrierte Wie gestalten Wien, München und Berlin Quartieransatz an Bedeutung, in dem ihre Wege in die Zukunft? verschiedene Themen wie Wohnen, Bauen, Energieeffizienz, Mobilität und demografische sowie soziale Entwick- lungen eng verzahnt werden. Da die Zu- ständigkeiten für diese Themen in einer großen Stadtverwaltung weit gestreut Christina Simmel sind, muss für eine kooperative Verwal- tungs- und Planungskultur gesorgt sein. Wien, München und Berlin sind wachsende Städte – und sie sollen bis spätestens Die Stadtentwicklungsplanung hat dabei 2050 klimaneutral sein. Neben den Herausforderungen des Wachstums müssen sie eine Schlüsselposition. sich auch jenen des Klimawandels und der Ressourcenknappheit stellen. Wir h aben bei Bernhard Jarolim (Stadtbaudirektor Wien), Elisabeth Merk (Stadtbaurätin München) Regula Lüscher und R egula Lüscher (Senatsbaudirektorin Berlin bis Sommer 2021) nachgefragt. Berlin ist eine Stadt mit vielen Zentren und kann daher das Konzept der kompakten Stadt mit kurzen Wegen gut umsetzen. Welche Strategien der Stadtentwicklung Regula Lüscher So wird die vorhandene verkehrliche und ermöglichen den Weg einer wachsenden Eine nachhaltige Stadtentwicklung gelingt, soziale Infrastruktur dauerhaft gut ausge- Stadt in eine klimaneutrale Zukunft? wenn in einem integrierten Verfahren den lastet. Die damit einhergehende Dichte unterschiedlichen Belangen ausgewogen braucht Qualität: im Freiraum, in der Ar- Bernhard Jarolim Rechnung getragen wird. Dazu sind die chitektur, im öffentlichen Raum. Alle diese Stadtwachstum ist in erster Linie von zwei ökologischen Gegebenheiten vor Ort wich- Bereiche brauchen Aufmerksamkeit, um Polen geprägt: Einerseits wird die Bevölke- tig, ebenso muss die Entwicklung den unsere Stadt lebenswert, attraktiv und rungszahl größer und mit ihr wachsen der sozialen Interessen genügen und zugleich robust gegenüber den Folgen des Klima- Bedarf an Wohnraum und Infrastruktur ökonomisch tragfähig sein. Dem zuneh- wandels zu gestalten. Wenn wir also die sowie der materielle Fußabdruck. Anderer- menden Wachstum der Stadt gilt es durch Stadt umbauen, im Bestand weiterbauen seits nimmt durch den starken Zuzug die Maßnahmen und Möglichkeiten auf unter- oder neu bauen, dann sind dies Maßstäbe zu nutzende Fläche pro Kopf ab. Umso schiedlichen Ebenen zu begegnen. Ein für einen resilienten Entwicklungspfad. wichtiger ist ein weitsichtiger Umgang mit Ansatz stellt die Mehrfachnutzung von Ein wesentlicher Punkt dabei ist, die Men- der endlichen Ressource Raum: Wien wird Flächen dar, um die Neuversiegelung mög- schen mitzunehmen. Denn die Umsetzung sein Wachstum innerhalb seiner Grenzen lichst gering zu halten. Neue Stadtentwick- des Klimaschutzes und der Klimaanpas- bei gleichzeitigem Schutz seiner Grün- lungsgebiete brauchen eine intergierte sung ist eine gesamtgesellschaftliche Auf- und Freiflächen bewältigen und setzt auf Planung, um den Querschnittsthemen einer gabe. Für die öffentliche Seite heißt das: Strategien, die den Bestand wertschätzen. klimaneutralen und klimaangepassten Sensibilisieren, Informieren, Beraten, För- Es gilt nicht nur, die Verbauung der umge- Entwicklung zu entsprechen, und von dern, gegebenenfalls auch Fordern. benden ruralen Flächen und insgesamt A nfang an eine gemeinsame Vision: als jede zusätzliche Versiegelung möglichst zu Grundlage eines kooperativen Handelns Welche Maßnahmen müssen hinsichtlich vermeiden, sondern auch bereits versiegelte zwischen Akteurinnen und Akteuren und des Bauens getroffen werden, um bis Flächen mehrfach oder intensiver zu nutzen, einer gemeinsamen Entwicklungsrichtung. 2050 auf einem Netto-Null-Kohlenstoff- die Stadt als Materiallager zu begreifen Gebäudestand zu sein? und ein Weiterbauen zu ermöglichen. Was macht eine zukunftsorientierte Stadt- und Baupolitik aus? Bernhard Jarolim Elisabeth Merk Wien hat sich das Ziel gesetzt, bis 2040 München steht wie alle anderen Städte vor Bernhard Jarolim klimaneutral zu sein. Eine integrierte der Herausforderung, mit dem zunehmen In puncto Zukunftsorientierung baut die Betrachtung von Klimaschutz, Klimawan- den Wachstum umzugehen und dabei eine, Wiener Stadt- und Baupolitik auf bishe- delanpassung und Ressourcenschonung ökonomisch betrachtet, gute Ökobilanz zu rigen Erfahrungen und Entwicklungen auf. unter Anwendung kreislaufwirtschaftlicher erreichen. Derzeit arbeiten wir an einem Wien wird seinen Weg solidarisch, mit den Prinzipien ist für das Gelingen dieses Vor- Stadtentwicklungsplan, mit dem wir die Menschen im Mittelpunkt, weitergehen habens zentral. Als Dachstrategie wurde Vielschichtigkeit der Themen einer nach- und weiterhin leistbares Wohnen ermögli- dazu die Smart City Wien Rahmenstrategie haltigen, ressourcenschonenden Stadtent chen. Es gilt, Grund und Boden dafür und entwickelt und auf das Übereinkommen wicklung im Überblick behalten. Wollen wir für infrastrukturelle Bedürfnisse sicherzu- von Paris abgestimmt. Konkret prüft die dem Bedarf an Wohnraum nachkommen, stellen und zugleich Qualitäten auf ökolo- Stadt Wien bis 2022 alle Gebäude auf ihre gilt es, bestehende Stadtgebiete sorgfältig gischer, ökonomischer und soziokultureller Eignung zur Erzeugung von Solarenergie nachzuverdichten. Dabei zielen wir auf eine Ebene zu pflegen. und rüstet sie, wo möglich, bis 2025 mit „doppelte Innenentwicklung“ ab: Wo Woh- entsprechenden Anlagen aus. So werden nungen gebaut werden, m üssen auch die Elisabeth Merk sie zum aktiven Teil der Infrastruktur Freiräume entsprechend bereitgestellt und Sehr wichtig ist, neben der Gesamtstadt für das Energiesystem. Im Zuge der Ent- aufgewertet werden. Fester Bestandteil auch besonders dynamische Teilräume in wicklung kleinerer Stadtteile und der wird dabei auch die Entwicklung neuer den Blick zu nehmen und in diesen Gebie- Stadterweiterung werden neue Parks Stadtquartiere sein, bei denen die Klima- ten die strategische Ebene besser mit der geschaffen und die Grünflächen an den gerechtigkeit im Vordergrund stehen muss. operativen zu verbinden. In München sind Klimawandel angepasst, um signifikante Auf sozialer Ebene fokussieren wir das Stadt das die sogenannten Handlungsräume Grünräume mit tauglichen Baumbestän- entwicklungskonzept noch mehr auf Nach- der Stadtentwicklung. Auf dem Weg zu den zu gewährleisten. Zu nennen sind haltigkeit und Gemeinwohlorientierung. Nachhaltigkeit und Klimaneutralität auch die Anwendung des Schwammstadt-
Prinzips, die Begrünung von Straßen und Dazu gehört die stadtnahe Herkunft des Rohstoffen in kg je m2 Wohnfläche), Plätzen, Fassaden, Dächern und Innen Rohstoffs Holz und damit ein möglichst wobei abhängig vom Anteil der Nawaros höfen. Das transdisziplinäre Programm CO2-neutraler Transport. ein Zuschuss für die etwas höheren Erst „DoTank Circular City Wien 2020 – 2030“, investitionen im Holzbau gewährt wurde. Stadt – Holz – Klima ein Leitprojekt der Wirtschaftsstrategie Mit welchen Maßnahmen fördern Sie den Aufgrund unserer sehr guten Erfahrungen wien 2030, wurde von mir in Auftrag Einsatz nachhaltiger, nachwachsender damit planen wir derzeit auch vier neue gegeben und ist dementsprechend in der Rohstoffe und kreislauffähiger Baustoffe Holzbausiedlungen und bereiten ein Stadtbaudirektion angesiedelt. E s bereitet und welche Rolle spielt konkret das Bauen weiteres Förderprogramm für künftige praktisch und strategisch den Weg zu mit Holz? Siedlungen in Holzbauweise vor, das noch einem zirkulären Wien entlang der ge über den sogenannten Holzbaubeschluss samten Wertschöpfungskette des Lebens- Bernhard Jarolim hinausgeht. Bei der Vergabe städtischer 10 11 zyklus in Hochbau, Infrastruktur und Für den Einsatz nachhaltiger, kreislauf Grundstücke sollen künftig 50 Prozent der Stadtplanung. fähiger Bauprodukte bzw. -stoffe braucht Vorhaben in Holzbauweise erstellt werden. zuschnitt 82.2021 es ein ganzes Maßnahmenbündel. So wird Zudem hat der Bayerische Landtag Ende Elisabeth Merk u. a. das standort- und nutzungsgerechte letzten Jahres das „Gesetz zur Vereinfa- Hier greifen mehrere Handlungsoptionen Planen und Bauen für maximale Ressour- chung baurechtlicher Regelungen und zur ineinander: Im Bestand müssen wir ineffi- censchonung ab 2030 zum Standard Beschleunigung sowie Förderung des ziente Gebäude sukzessive sanieren und erhoben sein, wodurch die Verfügbarkeit Wohnungsbaus“ beschlossen. Es enthält die Heiztechnik möglichst auf treibhaus- lokaler Baumaterialien und -produkte umfangreiche Änderungen der Bayerischen gasneutrale Techniken umstellen. Die aufgewertet wird. Es wird daher darauf Bauordnung, die u. a. die Holzbauweise Münchner Stadtwerke dekarbonisieren die ankommen, integrale Planungsprozesse in allen Gebäudeklassen ermöglichen. Eine Fernwärme-Versorgung, die rund 30 Pro- zu etablieren und die verfügbaren Bauele- Holzbaurichtlinie als Technische Baube- zent des Stadtgebietes abdeckt, schritt- mente und -produkte für die angestrebte stimmung soll folgen. weise über die in der südbayerischen Region maximale Ressourcenschonung bereits in zur Verfügung stehende Tiefengeothermie. der Entwurfsplanung zu berücksichtigen. Regula Lüscher Eine weitere Maßnahme ist die bereits Idealerweise soll ein beinahe geschlosse Berlin unterstützt die Marktetablierung erwähnte Strategie des integrierten Quar- ner Kreislauf vom Ende des Lebenszyklus nachhaltiger, nachwachsender Rohstoffe tiersansatzes. einer Baulichkeit zum Anfang eines ande- und kreislauffähiger Baustoffe durch Laut Beschluss des Stadtrats zur Klimaneu- ren oder direkt zurück in die Erde nach öffentliche Bauprojekte. Dazu wurde ein tralität von 2019 müssen Neubauten einem dem „Cradle to Cradle“-Prinzip entstehen. umfangreiches Förderprogramm für Pilot- energetischen Mindeststandard genügen. Der Holzbau ist in Wien spätestens im Jahr und Innovationsprojekte zum Holzbau Zudem greift hier die Landeshauptstadt 2001 mit der Bauordnungsnovelle ange- aufgelegt, beispielsweise die Holzbaumaß- München das Thema im Bereich der Sanie- kommen. Eine Anpassung der Brand- nahme für Kindertagesstätten und Berlins rung auf. Die großen Potenziale für ein schutzvorschriften ermöglichte die Errich- Schulbauoffensive im Holzmodulbau. klimaneutrales München liegen darin, tung von bis zu vier Geschossen plus Auch die erwähnte Bauhütte 4.0 ist hier beim Bestand anzusetzen. Der Fokus muss Dachgeschoss aus Holz in Verbindung mit zu nennen. Auf dem ehemaligen Flugha- dabei auf einer integrierten Sicht liegen. einem massiven Erdgeschoss. 2007 wur- fen Berlin-Tegel entsteht ab 2023 das der- Wir nehmen neben der Energieversorgung den erstmals Rahmenbedingungen in den zeit weltgrößte Holzbauquartier mit über und der Gebäudesanierung auch die Mo- bundesweit anerkannten Richtlinien des 5.000 Wohnungen für mehr als 10.000 bilität, den öffentlichen Raum, die Versor- österreichischen Instituts für Bautechnik Menschen. Es ist als Modellprojekt für das gung im Quartier sowie weitere Themen (oib) für den Holzbau in der Gebäudeklasse 5 klimaneutrale Stadtquartier der Zukunft der Stadtentwicklung in diesen Prozess (Gebäudehöhe 16 bis 26 Meter) festgelegt. gedacht. auf, um langlebige Konzepte umzusetzen. 2015 ermöglichten die Brandschutzvor- Zudem treiben wir die Anpassung gesetz- schriften den Einsatz von Holz in bis zu licher Vorgaben voran. Die rechtlichen Regula Lüscher sechs Geschossen. 2019 wurde schließlich Rahmenbedingungen bestehen seit dem Wir sind strategisch schon gut aufgestellt, die umfassende Neuerung der oib-Richt Senatsbeschluss von 2018 zum nachhal- um das Klimaneutralitätsziel zu erreichen. linien beschlossen, die ebenfalls weiter tigen Bauen und zum bevorzugten Einbau Das Berliner Energie- und Klimaschutzpro- gehende Zugangsverbesserungen für die des Baustoffs Holz im Rahmen der Fort- gramm 2030 wurde auf Basis des Berliner Verwendung von Holz und Holzprodukten schreibung der Verwaltungsvorschrift Be- Energiewendegesetzes entwickelt. Als erwirken wird. Erkennbar ist, dass der Bau- schaffung und Umwelt. Im selben Jahr erste Maßnahmen auf dem Bau- und Ge- stoff Holz sukzessive mit anderen Bauma- wurde die Bauordnung von Berlin entspre- bäudesektor werden neue Stadtquartiere terialien gleichgestellt werden soll. chend novelliert, was sich insbesondere auf klimaneutral gestaltet, die Holzbauweise den mehrgeschossigen Holzbau auswirkt. etabliert, öffentliche Gebäude mit ener Elisabeth Merk getischen Mindeststandards neu gebaut Ein Meilenstein war 2015 der Beschluss oder saniert, die klimaneutrale Entwicklung des Münchner Stadtrats, eine ökologische der Fernwärme ausgeweitet, das Solarge- Mustersiedlung auf dem ehemaligen Ge- setz erlassen und der Solaratlas geschaffen. lände der Prinz-Eugen-Kaserne in Holzbau- Besonders wichtig ist uns die sogenannte weise umzusetzen. Bauhütte 4.0 – sie soll als Katalysator eines Die Grundstücke wurden nicht an die innovativen Holzbauclusters in urbanem Höchstbietenden vergeben, sondern im Maßstab dienen. Als Prototyp für nach Zuge von Konzeptausschreibungen u. a. haltige Stadtentwicklung entsteht nach mit Vorgaben zur Kohlenstoffspeicherung. diesem Konzept in Berlin Tegel ein Modell- Die Voraussetzung für die Grundstücks quartier, das die gesamte Wertschöpfungs vergabe war ein Mindestanteil an so kette vom Wald zur Stadt berücksichtigt. genannten Nawaros (nachwachsenden
München in Zahlen Flächenverteilung in % 25 Grünland und Gewässer Bauland 58 17 Verkehrsflächen Versiegelungsgrad 46 % Verkehrsmittelwahl 34 % Auto 24 % Öffis 18 % Fahrrad Wohnbevölkerung 24 % zu Fuß über 20.000 10.001 – 20.000 5.001 – 10.000 310,7 km2 Fläche bis 5.000 Personen/km2 ø 5.024 Personen/km2 Wie wohnt München? Wohngebäude nach Eigentumsform des Gebäudes geringste Dichte 2.200 Personen/km2 höchste Dichte 15.800 Personen/km2 19,6 % Eigentumsgemeinschaft 64 % Privat 2,4 % Genossenschaft 4,9 % Kommunal und Einwohner pro km2 9,2 % Andere – – – – über 20.000 über 20.000 10.001 – 20.000 Jährliche Hitze- 10.001 – 20.000 und Eistage 1955 bis 2018 – – 143.717 5.000 – 10.000 Wohngebäude 5.000 – 10.000 2003 2015 unter 5.000 40 Hitzetage unter 5.000 815.057 Wohnungen 30 1994 1992 1983 20 1964 1967 2018 1955 2017 2013 1981 2005 40 1969 2010 1985 50 1,56 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner 1996 1956 60 Eistage 40.675 Hunde 1963 Quellen: Fläche und Dichte (2020), Wohnungen und Wohngebäude, Einwohnerinnen und Einwohner, Hunde (2020): Statistisches Amt München, Bayerisches Landesamt für Stastistik und Datenverarbeitung; Flächenverteilung (2019): Bayerisches Landesamt für Statistik; Versiegelungsgrad (2019): Landeshauptstadt München, Referat für Klima- und Umweltschutz; Verkehr (2017): Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur; Hitze- und Eistage (2020): Deutscher Wetterdienst (dwd)
Beispielhaft voran! Holzbau in München Stadt – Holz – Klima 12 13 zuschnitt 82.2021 Ökologische Mustersiedlung Mit der ökologischen Mustersiedlung setzte die Stadt München neue Maßstäbe im Holzbau. Auf einem ehemaligen Kasernengelände entstanden insgesamt 1.800 Wohnungen, davon 566 in verschiedenen Holzbau- weisen im Plus-Energie-Standard und mit bis zu sieben Geschossen. Roland Pawlitschko Spätestens seit der Fertigstellung der sogenannten ökologischen höhere Kosten verursachen. Dank dieses Fördermodells ist es uns Mustersiedlung in Holzbauweise auf dem Gelände der ehemali erstmals gelungen, diese Mehrkosten wettzumachen“, sagt gwg- gen Prinz-Eugen-Kaserne im Jahr 2020 wird München zunehmend Geschäftsf ührerin Gerda Peter. „Hinzu kommt, dass diese Art der als Stadt des Holzbaus wahrgenommen. Die in Holz- und Holz- Förderung sehr motivierend war, weil sie bei uns wie auch bei Hybridbauweise realisierten 566 Wohnungen gelten als größte allen anderen Wohnungsbauunternehmen dazu führte, sich noch zusammenhängende Holzbausiedlung Deutschlands. Viel interes- intensiver d amit auseinanderzusetzen, wie und wo überall Holz santer als dieser Superlativ ist jedoch das von der Landeshaupt- zum Einsatz kommen könnte.“ stadt München hierfür entwickelte Fördermodell. Als zentrales Das neue Wohnquartier Hochmuttinger Straße gilt als eines der Kriterium diente die verbaute Menge nachwachsender Rohstoffe Folgeprojekte dieses Fördermodells und soll bis 2024 in „qualifi- (Nawaro) in kg pro m2 Wohnfläche. Bei den Geschosswohnungs- zierter Holz- bzw. Holzhybridbauweise“ entstehen, jedoch nicht bauten lag der geforderte Mindestanteil bei 50 kg/m2 – ein Wert, als weitere Mustersiedlung, sondern mithilfe eines entsprechend den die Projekte meist um ein Vielfaches übertrafen. Die städ- formulierten Bebauungsplans. Auch hier sollen Förderungen an tische Wohnungsbaugesellschaft gwg beispielsweise erhielt für die Menge der nachwachsenden Rohstoffe gekoppelt sein. Eine ihren Mietwohnungsbau mit integriertem „Haus für Kinder“ pro von Bebauungsplänen oder Modellprojekten unabhängige Förde- Quadratmeter Wohnfläche einen Förderbetrag von 317 Euro. rung des Baustoffs Holz, die das Entstehen von Holzbauten auf „Langjährige Untersuchungen unserer Bauvorhaben ergaben, dass breiter Ebene unterstützen würde, ist von Seiten der Landes- Holzbauten im Vergleich zu Massivbauten um rund 20 Prozent hauptstadt aktuell (noch) nicht vorgesehen. Ökologische Mustersiedlung, Baufeld wa 14 West BauherrIn gwg München, München/DE, www.gwg-muenchen.de Planung Rapp Architekten, Ulm/DE, www.rapp-architekten.de Fertigstellung 2019
Grundschule Baierbrunner Straße BauherrIn Landeshauptstadt München, Referat für Bildung und Sport, München/DE, www.muenchen.de Planung Köhler Architekten + beratende Ingenieure, München/DE, www.rak-architekten.de Fertigstellung 2016 Forschen für die Praxis Beispielhafte Beschlüsse und Bauten Auch im Bereich der Forschung bauen Projekte aufeinander auf. Eine wichtige Rolle beim ökologischen, CO2-armen Bauen in Das 2017 am Lehrstuhl für Entwerfen und Holzbau an der tu München und so auch beim Bauen mit Holz spielen die städti München unter der Leitung von Hermann Kaufmann abgeschlos- schen Bauaktivitäten. In dem im Dezember 2019 gefassten sene Forschungsprojekt „leanwood. Optimierte Planungsprozesse Beschluss zur Klimaneutralität heißt es hierzu: „In Wahrnehmung für Gebäude in vorgefertigter Holzbauweise“ verfolgte als Haupt- ihrer Vorbildfunktion strebt die Landeshauptstadt München an, ziel die Entwicklung neuer Organisations- und Prozessmodelle den stadteigenen Gebäudebestand sowie den Gebäudebestand für den vorgefertigten Holzbau. Wesentlicher Bestandteil dieser der Eigen- und Regiebetriebe auf Grundlage eines für die Landes- zusammen mit Universitäten, Holzbauunternehmen sowie Archi- hauptstadt München definierten Niedrigstenergiestandards, […] tektinnen und Architekten aus Deutschland, Frankreich, Finnland der Berücksichtigung der Klimarelevanz der Baustoffe sowie des und der Schweiz durchgeführten Forschung war der Aufbau eines Einsatzes von erneuerbaren Energieträgern und der Fernwärme Katalogs „bauphysikalisch und ökologisch geprüfter und/oder möglichst klimaneutral zu gestalten und zu betreiben.“ zugelassener Holz- und Holzwerkstoffe, Baustoffe, Bauteile und Eine Folge dieses Beschlusses ist etwa das erklärte Ziel des städ- Bauteilfügungen für den Holzbau“, die von akkreditierten Prüfan- tischen Baureferats, „neu zu errichtende Kinderbetreuungsein- stalten freigegeben wurden. Dieser wurde mit der Internetplatt- richtungen und Jugendfreizeitstätten künftig in Holzbauweise form dataholz.eu geschaffen und findet inzwischen zunehmend umzusetzen“. Bezogen auf das aktuelle „Kita-Bauprogramm“ heißt Anwendung. das konkret: 17 von 27 Projekten sind derzeit in Holzbauweise In gewisser Weise geht leanwood nun in die zweite Runde: Erst geplant. Um die Klimarelevanz der Baustoffe anhand einzelner vor kurzem initiierten die tu München und das Baureferat der Maßnahmen des Kita-Bauprogramms bewerten zu können, Landeshauptstadt München eine gemeinsame Begleitforschung erstellte die Landeshauptstadt außerdem ein vereinfachtes Öko mit einer Auswahl konkreter städtischer Holzbauvorhaben. Das bilanztool. „Dieses Tool soll nun gemäß den Empfehlungen eines Forschungsprojekt, das unterschiedlichste holzbautechnische Fachgutachtens auch an die differenzierteren Anforderungen für Konzepte untersucht, soll wissenschaftlich begleitet und ausge- große investive Baumaßnahmen angepasst und flächendeckend wertet werden und so Wege zu einer holzbaugerechten Projekt bei allen konkreten Baumaßnahmen angewandt werden“, heißt abwicklung aufzeigen. es aus dem Baureferat. Und weiter: „Vor allem der Einsatz nach- wachsender Baustoffe bietet einen großen Hebel in Bezug auf die Optimierung der Klimarelevanz der Baustoffe.“ rioriem BauherrIn Wogeno eG, München/DE, www.wogeno.de; wagnis eG, München/DE, www.wagnis.org Planung Architekten Zwingel, Dilg, Färbinger, Rossmy, München/DE; a +p Architekten, München/DE, www.ap-architekten.de Fertigstellung 2021
Stadt – Holz – Klima Städtische Schul- und Kita-Gebäude in Holzbauweise üben in Neue Handlungsspielräume für den Holzbau entstehen darüber 14 15 vielerlei Hinsicht eine wichtige Vorbildwirkung aus. Zum einen hinaus durch die novellierte Bayerische Bauordnung (BayBO prägen sie die Sehgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen – 2021) und die neue Muster-Holzbaurichtlinie 2021, die einen zuschnitt 82.2021 ein nicht zu unterschätzender Wert, wenn es um die spätere vereinfachten Umgang mit dem Baustoff Holz insbesondere in Akzeptanz oder gar Einforderung von Holzbauten durch die der Gebäudeklasse 5 ermöglicht. Nutzerinnen und Nutzer geht. Zum anderen beeinflussen sie die Verantwortlichen auf Seiten der Planung, Bauherrschaft und Bau- Holzbau auf breiter Ebene wirtschaft – beispielsweise durch das bereits 2014 beschlossene Neben all diesen Neuerungen und Initiativen auf Stadt- und Län- „Aktionsprogramm Schul- und Kita-Bau 2020“. Dieses umfasst derebene sorgen in München aber auch viele Wohnungsbaugesell- mit einem Investitionsvolumen von insgesamt gut 3,8 Mrd. Euro schaften und Wirtschaftsunternehmen dafür, den Holzbau in der als deutschlandweit größtes kommunales Bildungsbaupro- Stadt voranzutreiben. Vielzitiert in diesem Zusammenhang sind gramm 16 Gymnasien, 9 Realschulen, 5 Berufliche Schulzentren, die beiden Wohnungsbauten östlich und westlich des Dantebads 27 Grundschulen, 2 Fachoberschulen, 69 Kindertagesstätten, von Florian Nagler Architekten. Beide Projekte sind nicht nur 8 Sportanlagen und 69 Pavillonanlagen für kurzfristig dringend hinsichtlich der vorgefertigten Holzbauweise beispielhaft, sondern benötigten Schulraum und Kinderbetreuungsplätze. Dieses Pro- auch weil sie neue Bauräume auf bislang eher unansehnlichen gramm ist umso bemerkenswerter, als es auf rein städtischer Pkw-Parkplätzen erschließen. Dank der aufgeständerten Holz- Ebene angelegt ist – also ohne die Vorteile, die die Verschmel- bauten schaffen sie neuen Wohnraum, ohne die ebenerdigen Park zung von Stadt und Bundesland in Stadtstaaten wie Berlin bietet. möglichkeiten des Schwimmbads gänzlich zu verbannen, und sor- Eines der Projekte, mit dem gezielt der Holzbau gefördert werden gen so für eine verträgliche Nachverdichtung. sollte, ist die Erweiterung der Grund- und Mittelschule Alfons- Ein weiteres aktuelles Projekt soll den Holzbau in München nun straße. Die Evaluierung der Planung dieses Holzbau-Modellpro- auch in die Höhe bringen. Für die Bayerische Versorgungskam- jekts durch das Baureferat ergab, „dass Schulbauprojekte mit ihren mer plant das Büro David Chipperfield Architects ein 112.000 m2 nutzungsspezifischen Anforderungen auch als Sonderbauten der großes Hauptquartier – ein Gebäudeensemble aus drei bis zu Gebäudeklasse 5 in wesentlichen Teilen in Holzbauweise umge- 100 Meter hohen Baukörpern in Holz-Beton-Hybridbauweise. setzt werden können. In enger Abstimmung mit der Branddirek Bis zur geplanten Fertigstellung in vier Jahren werden vermutlich tion München und dem Referat für Stadtplanung und Bauord- noch viele weitere Neubauten dafür sorgen, Holz als selbstver- nung wurden die Ergebnisse in einer ‚Matrix mehrgeschossiger ständliches Baumaterial zu etablieren. Genau das ist im Sinne Holzbau im Bildungswesen‘ dokumentiert.“ Diese Matrix soll Pla- s owohl des Klimaneutralitätsbeschlusses der Landeshauptstadt nungsbeteiligte bei der Umsetzung von Neubauten in Holzbau- München als auch einer Zukunft in einer lebenswerten Umwelt weise unterstützen und enthält grundlegende Planungshinweise dringend nötig. für Schulbauten in Bezug auf Planungsrecht, Konstruktionswei- sen, Brandschutz, Bauphysik und Bauökologie. Roland Pawlitschko ist freier Architekt, Autor und Redakteur sowie Architekturkritiker. Er lebt und arbeitet in München. Wohnen am Dantebad Dante II Reinmarplatz BauherrIn gewofag Wohnen GmbH, München/DE, www.gewofag.de Nach dem Pilotprojekt Wohnen am Dantebad errichtet die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag 144 weitere Planung Florian Nagler Architekten, München/DE, www.nagler-architekten.de Wohnungen am Reinm arplatz. Mit der Planung wurde wieder das Team von Florian Nagler Architekten beauftragt, Fertigstellung 2016 geplante Fertigstellung ist 2021.
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