WASSER Kooperationen und Konflikte um die Ressource der Zukunft

Die Seite wird erstellt Kim Reuter
 
WEITER LESEN
WASSER Kooperationen und Konflikte um die Ressource der Zukunft
14          AMEZ – Argumente und ­Materialien
            der Entwicklungs­zusammenarbeit

Susanne Luther (Hrsg.)

WASSER
Kooperationen und Konflikte
um die Ressource der Zukunft

Thomas Gebhard: Jordanien – Wasserarmut in einer instabilen Region
Jorge Sandrock: Privatisierung vs. Regulierung – Braucht Chile eine neue Wasserpolitik?
Jacqueline Wilk: Wasserkooperation in Südasien – Der Indus-Wasservertrag von 1960

                                                                                 www.hss.de
WASSER Kooperationen und Konflikte um die Ressource der Zukunft
.
WASSER Kooperationen und Konflikte um die Ressource der Zukunft
Susanne Luther (Hrsg.)

WASSER

Kooperationen und Konflikte
um die Ressource der Zukunft
WASSER Kooperationen und Konflikte um die Ressource der Zukunft
Impressum

ISBN                                   978-3-88795-489-5
Herausgeber                            Copyright 2015, Hanns-Seidel-Stiftung e.V., München
                                       Lazarettstraße 33, 80636 München, Tel. 089/1258-0
                                       E-Mail: info@hss.de, Online: www.hss.de
Vorsitzende                            Prof. Ursula Männle, Staatsministerin a.D.
Hauptgeschäftsführer                   Dr. Peter Witterauf
Leiterin des Instituts für             Dr. Susanne Luther (V.i.S.d.P.)
Internationale Zusammenarbeit
Leiter PRÖ / Publikationen             Hubertus Klingsbögl
Redaktion                              Birgit Burkhardt
                                       Stefan Burkhardt
                                       Kontakt zur Redaktion: iiz@hss.de
Redaktionsschluss                      01.03.2015
Druck                                  Hausdruckerei der Hanns-Seidel-Stiftung
Titelbild                              Dürre, Global Water Partnership, Flickr.com, CC BY-NC-SA

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil dieses
Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung
der Hanns-Seidel-Stiftung e.V. reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder
verbreitet werden. Von dieser Einschränkung ausgenommen, sind sämtliche Werke, die als Creative Commons gekenn-
zeichnet sind. Das Copyright für diese Publikation liegt bei der Hanns-Seidel-Stiftung e.V. Namentlich gekennzeichnete
redaktionelle Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.

Diese Ausgabe finden Sie unter folgendem QR-Code auch im Internet zum Lesen und Bestellen.
WASSER Kooperationen und Konflikte um die Ressource der Zukunft
GELEITWORT
   SUSANNE LUTHER ||

    Das Wort Wasser hat im allgemeinen           Aber nicht nur der Klimawandel, sondern
Sprachgebrauch viele Assoziationen: „Blaues      auch Bevölkerungswachstum, verändertes
Gold“, das „nasse Element“ oder „Quell des       Konsumverhalten, Energiehunger, steigende
Lebens“. Wir brauchen es für unsere Gesund-      Industrieproduktion und Urbanisierung füh-
heit, es ist elementar für die wirtschaftliche   ren zu einer ständigen Verknappung des
und gesellschaftliche Entwicklung. Ohne          wertvollen Gutes Wasser. Diese oft grenz-
Wasser existiert kein Leben auf unserem Pla-     überschreitende Nutzungsvielfalt vergisst nur
neten. Auch für den ehemaligen Bundesprä-        allzu oft unser Ökosystem. Das Integrierte
sidenten Horst Köhler ist Wasser eines der       Wasserressourcenmanagement (IWRM), wel-
kostbarsten Güter: „Wir horchen staunend         ches all diese Nutzungsformen umfasst,
auf, wenn eine Nasa-Sonde Wasser auf dem         steckt jedoch in vielen Staaten und Regionen
Mars entdeckt haben soll – aber wir haben        noch in den Kinderschuhen.
verlernt zu staunen über das Wasser, das bei
uns so selbstverständlich aus dem Hahn              Die Millenniumentwicklungsziele, die in
fließt, wo doch anderswo die Menschen tag-       diesem Jahr auslaufen und durch die soge-
ein, tagaus viele Kilometer laufen müssen,       nannten Nachhaltigkeitsziele ergänzt werden
um an Trinkwasser zu kommen.“                    sollen, streben eine Halbierung der Zahl der
                                                 Menschen ohne gesicherten Trinkwasserzu-
   Wasser ist zu kostbar, um es zu ver-          gang und Sanitärversorgung an. Dass die
schwenden. Deutschland scheint Wasser im         internationale Gemeinschaft trotz erheblicher
Überfluss zu haben. Es gehört nicht nur zu       Fortschritte dieses Ziel Ende 2015 nicht er-
den Netto-Importeuren von virtuellem Was-        reichen kann, steht mittlerweile außer Frage.
ser, sondern hat pro Kopf und Jahr durch-        Insbesondere im südlichen Afrika sind die
schnittlich 2.292 m³ in Form von Oberflä-        Zahlen besorgniserregend.
chen- oder Grundwasser zur Verfügung. Län-
der, in welchen die Bevölkerung unter 1.700         Was hat die Arbeit einer politischen Stif-
m³ zur Verfügung hat, leiden hingegen gemäß      tung mit Wasser zu tun? Wir fördern oder
dem „Wasser-Stress-Index“ unter Wasser-          bauen keine Brunnen für die Trinkwasser-
stress. Weniger als 1.000 m³ Wasser bedeu-       versorgung oder Kläranlagen, errichten kei-
ten chronische Wasserknappheit und unter         ne Wasserkraftwerke und konstruieren keine
500 m³ spricht man gar von absoluter Was-        wassersparenden Anlagen für die Industrie.
serknappheit. Der OECD Umweltausblick für        In der vorliegenden Publikation können Sie
2050 projiziert einen hohen Wasserstress für     aber an Beispielen unserer Projektarbeit
über 40 Prozent der Weltbevölkerung.             sehen, dass Wasser für eine politische Stif-
                                                 tung sehr wohl von handlungsleitendem
    Wasserstress führt unweigerlich zu Flucht    Interesse ist, insbesondere im Bereich der
und Migration. Experten sprechen dann von        rechtlichen und politischen Rahmenbedin-
Klimaflüchtlingen und deren Zahl steigt stän-    gungen.
dig. Präzisierend könnte man sie jedoch als
Flüchtlinge beschreiben, die vor der Wasser-         In Südasien findet zum Beispiel 2015 be-
armut, dem Wasserstress in ihrer Heimat,         reits der dritte Comprehensive Security
fliehen mussten. Andere Experten mahnen          Dialogue statt, der sich mit dem Thema Was-
bereits vor „Wasserkriegen“ in der Zukunft.      ser aus sicherheitspolitischer Perspektive

                        ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4        3
WASSER Kooperationen und Konflikte um die Ressource der Zukunft
SUSANNE LUTHER

beschäftigt und zu grenzüberschreitenden           Ob es immer sinnvoll ist, Landwirtschaft
Lösungsmechanismen beitragen möchte.            in wasserarmen Gebieten zu betreiben und
                                                die Produkte gar noch zu exportieren, ist von
   So unterschiedlich unsere konkreten Pro-     außen betrachtet nicht immer einfach zu be-
jekte weltweit sind, so unterschiedlich sind    antworten. Der Wüstenstaat Katar geht die-
auch unsere Artikel in dieser Ausgabe. Die      sen Weg und baut riesige Meerwasserentsal-
existierende oder prognostizierte Wasser-       zungsanlagen. Gespeist durch Solarenergie
knappheit aber ist ein verbindendes Element.    und Wiederverwertungsmöglichkeiten für die
Der Beitrag aus dem Büro Pakistan analysiert    entstandene Salzlauge, strebt Katar zunächst
den Indus-Wasservertrag, ein nach wie vor       für die autarke Versorgung eine neue land-
bestehendes Instrument zwischen den ver-        wirtschaftliche Revolution an. Ohne eine
feindeten Staaten Indien und Pakistan, wel-     weltweite Verhaltensänderung der Menschen
ches der Klimawandel aber vor große Heraus-     und ohne ein gemeinsames Handeln in den
forderungen stellt. Über Chinas enorme An-      betroffenen Flusseinzugsgebieten in Form
strengungen, Wasser umzuleiten, aber auch       von transparenten Regelungen und Verträgen
über eine gesamtgesellschaftliche Anstren-      werden diese sehr teuren technischen Neue-
gung Wasser zu schützen, erfahren Sie eben-     rungen aber nur „ein Tropfen auf den heißen
so wie über den Versuch der Umsetzung ei-       Stein“ sein.
nes grenzüberschreitenden IWRM im Volta-
Flusseinzugsgebiet in Westafrika oder über         In diesem Sinne möchte ich Ihnen eine
die Wasserproblematik in der zentralasiati-     anregende Lektüre wünschen, die Ihren Wis-
schen Republik Kirgisistan. Lesen Sie aber      sensdurst ein wenig zu stillen vermag.
auch von dem von Wasserarmut geprägten
Jordanien, welches in einer konfliktgeladenen
Region nur durch Kooperation mit den be-
nachbarten Staaten seine Lage verbessern
kann und finden Sie Antworten auf die Frage
nach einer neuen Wasserpolitik für das Land
der Gegensätze: Chile.
                                                   ||   DR. SUSANNE LUTHER
   Im Juli 2010 erkannte die Vollversamm-       Leiterin Institut für Internationale Zusam-
lung der Vereinten Nationen das Recht auf       menarbeit der Hanns-Seidel-Stiftung
Zugang zu sauberem Wasser an, im allgemei-
nen Sprachgebrauch oft verkürzt das „Recht
auf Wasser“. Auch Deutschland hat mit ‘ja‘
gestimmt. Dabei bedeutet das Recht auf Was-
ser aber keineswegs eine unbegrenzte kos-
tenfreie Wasserversorgung. Dass eine adä-
quate und finanzierbare Trinkwasserversor-
gung auch für die ärmeren Gesellschafts-
schichten gegeben sein muss, steht außer
Frage. Subventionen oder Stufentarife sind
hier Möglichkeiten. Die Bewässerung von
privaten Grünanlagen in Amman, die ver-
schmutzten Flüsse in China oder eine außer
Kontrolle geratene Privatisierung in Chile
zeigen uns jedoch die Hindernisse und Her-
ausforderungen im täglichen Umgang mit
unserem Wasser auf.

4   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4
WASSER Kooperationen und Konflikte um die Ressource der Zukunft
INHALT

03    Geleitwort
      Susanne Luther
07    Jordanien – Wasserarmut in einer instabilen Region
      Thomas Gebhard
19    Unstillbarer Durst? – Wassermangel als Herausforderung
      für Chinas zukünftige Entwicklung
      Katja Drinhausen
33    Wasser – Schlüsselrolle für die kirgisische Republik
      Max Georg Meier
43    Zwischenstaatliche Wasserkooperation im Volta-Einzugsgebiet
      Daniela Kaempfe
51    Privatisierung vs. Regulierung – Braucht Chile eine neue Wasserpolitik?
      Jorge Sandrock
59    Wasserkooperation in Südasien – Der Indus-Wasservertrag von 1960
      Jacqueline Wilk

ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 14         5
WASSER Kooperationen und Konflikte um die Ressource der Zukunft
.
WASSER Kooperationen und Konflikte um die Ressource der Zukunft
JORDANIEN – WASSERARMUT IN EINER
INSTABILEN REGION

   || Thomas Gebhard

   Der frühere israelische Ministerpräsident     Durch neue Verteilungskämpfe um die Res-
Levi Eschkol wird bereits 1964 mit den Wor-      source Wasser.
ten zitiert: „Das Wasser des Jordan ist uns
so kostbar wie das Blut in unseren Adern.“1      Die Wasserproblematik im Dreiländereck
   Die Aussage Eschkols war die Reaktion         Israel - Jordanien - Syrien
Israels auf das Ergebnis des ersten arabi-
schen Gipfeltreffens, das vom 13. - 16. Janu-       In Bezug auf die Menge des zur Vertei-
ar 1964 in Kairo stattgefunden hat und auf       lung und Nutzung zur Verfügung stehenden
dem die damaligen Mitgliedsstaaten der           Grund- und Oberflächenwassers im Jordan-
Arabischen Liga beschlossen hatten, Maß-         graben hat sich die Lage in den zurücklie-
nahmen gegen die Pläne Israels, Wasser aus       genden Jahren kontinuierlich verschlechtert.
dem Jordan in die Negev-Wüste und seine          Nicht nur durch den Klimawandel und die
Küstengebiete abzuleiten, zu ergreifen.          Ausweitung der Landwirtschaft, sondern vor
                                                 allem auch durch das hohe Bevölkerungs-
   Vor diesem Hintergrund waren nicht nur        wachstum. Die Bevölkerung Israels, Jordani-
militärstrategische Erwägungen, sondern auch     ens und der palästinensischen Westbank
Überlegungen, sich Zugang zu wichtigen           (inkl. dem Gazastreifen) hat sich im Zeit-
Wasserressourcen zu sichern bzw. zu ver-         raum von 1948 bis 2014 von geschätzt 3,15
schaffen, für den Sechstagekrieg von 1967        Millionen, auf derzeit rund 20,5 Millionen
mit ausschlaggebend. Mit der Besetzung des       Menschen mehr als versechsfacht.
Westjordanlandes und der Golanhöhen hat
Israel damals nicht nur das Ziel erreicht, für      Der Nahe Osten zählt zu den nieder-
die Sicherheit des Landes wichtige Pufferzo-     schlagärmsten Regionen der Erde. Wissen-
nen einzurichten, sondern sich auch den Zu-      schaftliche Modelle gehen davon aus, dass
gang zu Gebieten gesichert, die für seine        die jährlichen Niederschläge, die für die
Wasserversorgung von Bedeutung sind.             natürliche Neubildung des Grundwassers in
                                                 der Region notwendig sind, in naher Zukunft
   Schon einmal mit verantwortlich für eine      um etwa 20 Prozent zurückgehen werden.2
militärische Auseinandersetzung, deren Fol-      Im westlichen Teil des Jordangrabens, in
gen heute noch so gegenwärtig und aktuell        Israel und im Westjordanland, fallen fast
sind wie vor fast 50 Jahren, könnte der poli-    doppelt so viele Niederschläge wie im östli-
tisch und religiös aufgeladene Konflikt zwi-     chen Teil, d.h. in Jordanien. Hinzu kommt,
schen Israel und seinen Nachbarn in der          dass Untersuchungen ergeben haben, dass
Zukunft noch weiter angeheizt werden:            die Grundwasserneubildung westlich des

                        ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 14        7
WASSER Kooperationen und Konflikte um die Ressource der Zukunft
THOMAS GEBHARD

Jordans um bis zu 50 Prozent über der öst-        Nach seinem Ausfluss am südlichen Ende
lich des Jordans liegt.3 Bewahrheiten sich     des Sees Genezareth wird der Jordan vom 70
die Berechnungen der Experten, so hat dies     Kilometer langen Jarmouk gespeist, der im
zur Folge, dass in Verbindung mit dem          syrischen Hauran-Gebirge entspringt. Der
prognostizierten weiteren Anstieg der          Jarmouk ist der größte Zufluss des Jordan.
Durchschnittstemperaturen um 1,5 bis 2,5       Auf einer Länge von rund 40 Kilometern
Grad im Zeitraum bis 2050 künftig nur noch     bildet er die Grenze zwischen Jordanien und
rund die Hälfte der heutigen Niederschlags-    Syrien. Für die im Südwesten Syriens gele-
mengen in den Untergrund gelangen und          genen Landesteile ist er in Bezug auf die
dort zu einer Erneuerung des Grundwassers      Wasserversorgung von großer Bedeutung.
führen.
                                                                   Wasser im Nahen Osten
   Neben dem anhaltenden Bevölkerungs-
wachstum sorgt auch die intensive landwirt-
schaftliche Nutzung des 8 - 15 km breiten
Jordantals, die nicht nur eine immer weiter
steigende Wasserentnahme zur Folge hat,
sondern die durch die intensive Einbringung
von Düngemitteln in die Böden das Grund-
wasser stark belastet, für zunehmenden
Druck auf die Grundwasserreserven. Der in
der Bibel noch als mächtig bezeichnete Jor-
dan ist so auf seinem Weg ins Tote Meer
immer mehr zu einem aus Abwässern beste-
henden Rinnsal verkommen.4

   Die drei Quellflüsse des rund 250 Kilo-
meter langen Jordans, der nur neun Kilome-
ter lange Banyas, der am Fuße des Hermon-
gebirges auf den israelisch besetzten Golan-
höhen entspringt, der 20 Kilometer lange
Dan, der bezogen auf die Wassermenge
größte Quellfluss des Jordan, dessen Quellen
auf israelischem Staatsgebiet liegen sowie
der 40 Kilometer lange Hasbani, der im Li-
banongebirge entspringt, vereinigen sich
nördlich des Sees Genezareth zum Jordan.

    Der See Genezareth, im Englischen als
“Lake Tiberias“ bezeichnet, ist zusammen
mit dem Jordan für die Wasserversorgung
Israels, Jordaniens und der palästinensi-
schen Westbank von zentraler Bedeutung.
Neben dem Jordan wird er vor allem von den
Golanhöhen gespeist, die auf syrischem
Staatsgebiet liegen. Sie wurden 1967, im
Zuge des Sechstagekrieges, von Israel er-
obert und 1981 annektiert. Auf fast 200 Ki-
                                               Quelle: Renger, J (2002): Wasserressourcen im Nahen Osten - Konfliktstoff
lometern Länge bildet der Jordan die natür-    oder Katalysator regionaler Kooperation? In: Geographische Rundschau,
liche Grenze zwischen Israel und Jordanien.    Band 54, Heft 2, Seite 51-55.

8   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4
JORDANIEN – WASSERARMUT IN EINER INSTABILEN REGION

    Angesichts der skizzierten Rahmenbedin-      wiederkehrender Auseinandersetzungen, vor
gungen war es nur eine Frage der Zeit, bis es    allem mit Syrien und Jordanien. Der ein-
zwischen den Anrainerstaaten des Jordantals      gangs angesprochene Versuch der Arabi-
zu ersten politischen Differenzen bezüglich      schen Liga, die Ableitung von Wasser mittels
der Verteilung des Wassers aus dem Jordan        des so genannten ‘Headwater Diversion
und dem See Genezareth gekommen ist.             Plan‘ zu verhindern, sollte durch die Umlei-
    Neben den zwischen Israel, Jordanien und     tung von zwei der drei Zuflüsse des Jordan,
Syrien bestehenden Differenzen in Bezug auf      des Banyas und des Hasbani, realisiert wer-
die Verteilung des Wassers aus dem Jordan,       den. Ziel war es, die beiden Flüsse nicht
ist es in der Vergangenheit auch immer wie-      mehr in den See Genezareth bzw. in den
der zu politischen Auseinandersetzungen          Jordan, sondern stattdessen in den Jarmouk
zwischen Jordanien und Syrien gekommen,          münden zu lassen. Das Vorhaben, das von
was die Verteilung des Wassers aus dem           Syrien versucht wurde, umzusetzen, hatte
Jarmouk anbelangt. Im Vordergrund stand          zur Folge, dass die israelische Luftwaffe im
hier vor allem die Stauung des Jarmouk und       April 1967 mehrfach Angriffe auf syrisches
seiner Zuflüsse in dessen Oberlauf, die zur      Staatsgebiet geflogen hat, um die Baumaß-
Folge hat, dass der Fluss immer weniger          nahmen zu verhindern. Die Angriffe waren
Wasser führt, wenn er jordanisches Staatsge-     mit verantwortlich dafür, dass es im Zeit-
biet erreicht und dort in den Jordan mündet.5    raum vom 05. - 10. Juni 1967 zum Sechsta-
                                                 gekrieg zwischen Israel, Ägypten, Syrien
Kanalsysteme zur Verbesserung der Wasser-        und Jordanien gekommen ist.
versorgung in Jordanien und in Israel
                                                    Fast zeitgleich mit dem ‘National Water
   Mit der Eröffnung des ‘National Water         Carrier‘ stellte Jordanien 1966 den ersten
Carrier‘, der aus einem rund 130 Kilometer       größeren Abschnitt des ‘East-Ghor-Kanals‘,
langen (Haupt-) Kanal und einem weit ver-        der 1987 in ‘King-Abdullah-Kanal‘ umbe-
zweigten System kleinerer Kanäle und Lei-        nannt worden ist, fertig. Er ist bis heute das
tungssysteme besteht, hat Israel im Juni         größte Kanal- und Bewässerungssystem
1964 das Vorhaben, Wasser des Jordan (und        Jordaniens und insofern als das Pendant zu
des See Genezareth) in die Negev-Wüste und       dem vorgenannten Kanal auf israelischer
seine Küstengebiete abzuleiten, in die Tat       Seite zu bezeichnen. Sein Wasser kommt
umgesetzt. Seit dieser Zeit leitet Israel gro-   überwiegend der Landwirtschaft und der
ße Teile des Jordanwassers und des Was-          Bevölkerung im Jordantal zu Gute. Ein Teil
sers, das aus den (syrischen) Golanhöhen in      davon wird seit Mitte der 1980er-Jahre zur
den See Genezareth fließt, ab, und entzieht      Versorgung der Bevölkerung Ammans in die
es so der (Mit-) Nutzung durch die Nachbar-      jordanische Hauptstadt gepumpt. Der syri-
länder. Wurde anfangs rund 80 Prozent des        sche Jarmouk und der jordanische Zarqa
abgeleiteten Wassers für die Bewässerung         sind die beiden Flüsse, die den King-
in der Landwirtschaft und rund 20 Prozent        Abdullah-Kanal im Wesentlichen mit Wasser
für die Trinkwasserversorgung der Bevölke-       versorgen. Da der Zarqa neben Frischwasser
rung verwendet, hat sich dieses Verhältnis       auch industriell belastetes bzw. wieder auf-
nicht zuletzt aufgrund des Anstiegs der Be-      bereitetes Wasser mit sich führt, verschlech-
völkerung, des gestiegenen Lebensstan-           tert sich die Qualität des Wassers im unte-
dards und verbesserter Bewässerungsme-           ren, d.h. südlichen Teil des King-Abdullah-
thoden in Israel bis 2010 umgekehrt. Der         Kanals, was Einschränkungen bei der Ver-
Kanal ist darauf ausgelegt, bis zu 70.000 m3     wendung des Wassers zur Folge hat, sodass
Wasser pro Stunde abzuleiten.                    das Wasser nur noch bedingt als Trinkwas-
                                                 ser geeignet ist. Durch den Bau von Kläran-
   Das größte israelische Wasserprojekt ist      lagen am Oberlauf des Zarqa versucht man
seit seiner Eröffnung Gegenstand immer           seit Jahren dessen Wasserqualität zu ver-

                        ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4         9
THOMAS GEBHARD

bessern, was bisher aber nur bedingt gelun-     Teilen bis heute wenig nachhaltigen Nut-
gen ist. Der heute rund 110 Kilometer lange     zung dieser knappen Ressource, sind künftig
Kanal ist wie der ‘National Water Carrier‘      Konflikte, trotz des weiteren Ausbaus des
darauf ausgelegt, bis zu 70.000 m3 Wasser       grenzüberschreitenden Wassermanagements,
pro Stunde zu führen.                           nicht ausgeschlossen.
Wie nicht anders zu erwarten war, hatte die        Die Lösung bestehender so wie die Ver-
Entnahme von Wasser aus dem Jarmouk             meidung künftiger Konflikte liegt neben
Differenzen mit Syrien zur Folge. Dessen        einer effizienteren Nutzung der vorhande-
Reaktion bestand in der zunehmenden Stau-       nen Wasserressourcen auch in einer um-
ung des Jarmouk und seiner Zuflüsse im          fangreicheren Wiederaufbereitung von so
Oberlauf, was wiederum negative Auswir-         genanntem Grauwasser.8 Da in den genann-
kungen auf die Wasserversorgung Jordani-        ten Ländern neben dem Rückgang des Ober-
ens zur Folge hatte.                            flächenwassers so gut wie alle derzeit be-
                                                kannten Grundwasserspeicher bereits er-
Internationale   Vereinbarungen    und   Lö-    schlossen und darüber hinaus auch schon
sungsansätze                                    weitgehend abgepumpt sind, führt kein Weg
                                                an einer stärkeren Aufbereitung und Wie-
   In den 1990er Jahren ist es zu einer Rei-    derverwendung von Wasser vorbei, wenn
he von Abkommen zwischen Israel, Jordani-       man der weiter steigenden Nachfrage nach
en und den Palästinensern gekommen, die         Wasser gerecht werden will.
man als Wendepunkt in der Wasserpolitik
der beteiligten Länder bezeichnen kann. So          Die darüber hinaus in Frage kommende
hat sich Israel im Rahmen des 1994 mit          Entsalzung von Meerwasser ist mit hohem
Jordanien geschlossenen Friedensvertrages       Energie- und Finanzaufwand verbunden, was
dazu verpflichtet, jährlich bis zu 50 Millio-   Jordanien und die palästinensische Autono-
nen Kubikmeter Wasser an Jordanien abzu-        miebehörde vor Probleme stellt, da beide
geben.6 Im Rahmen des 1995 zwischen Isra-       ihren Energiebedarf zum weit überwiegen-
el und der Palästinensischen Befreiungsor-      den Teil (in Jordanien zu 97 Prozent) durch
ganisation (PLO) unterzeichneten ‘Interims-     Importe decken bzw. aus importiertem Erd-
abkommens über das Westjordanland und           gas und Erdöl erzeugen müssen, was mit
den Gazastreifen‘, dem Oslo-II-Abkommen,        teils beträchtlichen Kosten verbunden ist.
erweiterte Israel das Wasserkontingent der      Zwei große jordanische Firmen, die Pott-
Palästinenser auf jährlich rund 30 Millionen    asche bzw. Bromide abbauen, haben 2014,
Kubikmeter. Vor dem Hintergrund, dass Is-       trotz der aktuell angespannten politischen
rael bis zu 40 Prozent seines Wasserbedarfs     Lage zwischen Israel und Jordanien, lang-
aus Quellen deckt, die außerhalb seines         fristige, d.h. 15-jährige Verträge mit israeli-
international anerkannten Staatsgebietes        schen Firmen abgeschlossen, die die Liefe-
liegen, sind diese Zusagen weit weniger         rung von Erdgas aus den neu erschlossenen
großzügig, als es auf den ersten Blick den      Gasfeldern ‘Leviathan‘ und ‘Tamar‘, beide
Anschein hat. Der See Genezareth sowie die      vor der israelischen Küste gelegen, zum
Flüsse Jordan und Jarmouk dienen seither        Inhalt haben. Dies hat in der jordanischen
sowohl Israel als auch Jordanien und den        Bevölkerung zu teils harscher Kritik geführt.
Palästinensern als Wasserreservoir.7            Die jordanische Regierung hat ein geplantes
   Angesichts der bereits genannten Gründe      Abkommen, welches den staatlichen Ener-
wie der zurückgehenden Menge an Wasser,         gieerzeuger ‘National Electric Power Com-
die den Menschen in der Region zur Verfü-       pany - NEPCO‘ mit günstigem israelischen
gung steht, des weiter zunehmenden Be-          Erdgas versorgen soll, auf Druck des Parla-
darfs an Wasser, der sich nicht zuletzt aus     ments zurückgestellt. Eine auf Meerwasser-
dem noch immer relativ hohen Bevölke-           entsalzung basierende Gewinnung von Süß-
rungswachstum ergibt, aber auch der in          wasser ist ohne die finanzielle Unterstüt-

10   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4
JORDANIEN – WASSERARMUT IN EINER INSTABILEN REGION

zung der internationalen Staatengemein-         rund 700 Millionen Kubikmeter Wasser pro
schaft nicht zu realisieren.                    Jahr veranschlagen.12 Die Realisierung des
                                                Projektes, das die kleinere und damit kos-
   Letzteres gilt auch für die geplante Pipe-   tengünstigere Variante des seit vielen Jah-
line vom Roten zum Toten Meer, für deren        ren diskutierten Kanals vom Roten zum To-
Bau Israel, Jordanien und die palästinensi-     ten Meer ist, hat fast 20 Jahre dauernde
sche Autonomiebehörde am 09. Dezember           Verhandlungen notwendig gemacht. Ange-
2013 ein Abkommen unterzeichnet haben           sichts der bestehenden Konflikte ist schon
und für deren Realisierung neben der Welt-      die Unterzeichnung des Abkommens als
bank noch weitere Geldgeber gesucht wer-        Erfolg zu werten. Darüber hinaus kann die-
den. Das in seiner ersten Ausbaustufe mit       ses Projekt nur als ein Beitrag zur Lösung
bis zu 400 Millionen US-Dollar veranschlag-     der bestehenden Wasserprobleme in den
te Vorhaben sieht vor, jährlich 200 Millio-     betreffenden Ländern bezeichnet werden.
nen Kubikmeter Wasser vom Roten ins Tote        Zur Deckung des prognostizierten künftigen
Meer zu pumpen. Davon sollen 80 Millionen       Wasserbedarfs benötigt es weitaus mehr
Kubikmeter in einer neu zu errichtenden         und größerer Projekte. Die derzeitigen Rah-
Entsalzungsanlage im Süden Jordaniens zu        menbedingungen in der Region Israel, Jor-
Trinkwasser aufbereitet werden. 30 Millio-      danien, Libanon und Syrien, sind dafür al-
nen Kubikmeter des so gewonnenen Trink-         lerdings denkbar ungünstig. Zu vielfältig
wassers sollen die Palästinenser erhalten,      sind die Konflikte zwischen den vorgenann-
die verbleibenden 50 Millionen Kubikmeter       ten Ländern.
soll Israel, zur Versorgung seiner Bevölke-
rung in den südlichen Landesteilen, zu ei-      Die Wasserproblematik in Jordanien
nem noch nicht genannten Preis von Jorda-
nien abkaufen. Im Gegenzug verkauft Israel         Die Welternährungsorganisation (Food
an Jordanien die gleiche Menge an Wasser        and Agriculture Organization of the United
aus dem See Genezareth, zur Versorgung          Nations - FAO) bezeichnet ein Land als was-
dessen Bevölkerung in den nördlichen Lan-       serarm und von Wassermangel betroffen,
desteilen (zum Preis von derzeit umgerech-      wenn dessen Bevölkerung weniger als 1.000
net rund 0,33 Euro pro Kubikmeter). Darü-       m3 Frischwasser pro Kopf und Jahr zur Ver-
ber hinaus würden die Palästinenser, wenn       fügung steht.
das Vorhaben denn in die Tat umgesetzt
wird, Zugang zu weiteren 30 Millionen Ku-          Jordanien gilt als eines der zehn wasser-
bikmetern Wasser aus israelischen Quellen       ärmsten Länder der Erde und nach Angaben
erhalten.9,10,11                                des Entwicklungsprogramms der Vereinten
                                                Nationen gehört Jordanien zu den vier Län-
   Ein kompliziertes Vertragswerk, das          dern weltweit, die über die geringsten Was-
reichlich Potential für künftige Auseinan-      serreserven verfügen. Wenn man den jüngs-
dersetzungen bietet. Man verspricht sich        ten Veröffentlichungen Glauben schenken
von dem Projekt, zwei Fliegen mit einer         kann, hat sich die Lage Jordaniens in den
Klappe zu schlagen: in den drei Ländern         zurückliegenden drei Jahren weiter ver-
dringend benötigtes Trinkwasser zu gewin-       schlechtert. Diese bezeichnen Jordanien
nen – und das Austrocknen des Toten Mee-        inzwischen als das Land, das weltweit be-
res, dessen Wasserspiegel jedes Jahr um         trachtet über die zweitgeringsten Wasserre-
einen Meter sinkt, zu verhindern. Letzteres     serven verfügt.
wird mit dem Vorhaben allerdings nicht zu
verhindern sein, wenn man den Berechnun-
gen internationaler Wissenschaftler Glauben
schenken darf, die zur Vermeidung des Aus-
trocknens des Toten Meeres den Zufluss von

                      ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4       11
THOMAS GEBHARD

Geologisch-klimatisch bedingte Wasserar-       wasservorkommen sowie Niederschläge
mut in Jordanien                               stützen, wobei die derzeit bekannten und
                                               erschlossenen Grundwasservorkommen be-
   Die pro Kopf und Jahr zur Verfügung ste-    reits weitgehend abgepumpt sind und die
hende Wassermenge soll in Jordanien in-        Niederschläge aufgrund des Klimawandels
zwischen 88 Prozent unter der Marke von        immer mehr zurückgehen. Ungeachtet des-
1.000 m³ liegen, von der ab die FAO ein        sen wird die Nachfrage nach Wasser auch in
Land als wasserarm klassifiziert. Mit ande-    der Zukunft weiter zunehmen.
ren Worten, jedem Jordanier stehen im             In der fast menschenleeren (Wüsten-)
Schnitt pro Jahr nur noch lediglich 120 m 3    Steppe des Landes, in der Region um Azraq
Wasser zur Verfügung. Nach Angaben des         im Nordosten und am Rande des Wadi Rum,
jordanischen Wasserministeriums stehen         d.h. im Südosten des Landes, im Grenzge-
dem Land pro Jahr zwischen 800 und 900         biet zu Saudi-Arabien, nahe der Stadt Al
Millionen Kubikmeter Wasser zur Verfü-         Mudawwarah, liegen zwei der größten
gung, eine Menge, die gemäß den Vorgaben       Grundwasserspeicher des Landes. Im Fall
der FAO gerade einmal für die Versorgung       von Azraq sind die Grundwasservorräte be-
von drei Millionen Menschen als ausrei-        reits weitgehend ausgebeutet (das intensive
chend erachtet wird. Die Einwohnerzahl         Abpumpen des dortigen Grundwassers, in
Jordaniens nähert sich nach Angaben des        großen Teilen zur Versorgung des Groß-
jordanischen Innenministeriums jedoch          raums Amman, hat zu einem Absinken des
immer mehr der Marke von zehn Millionen,       Grundwasserspiegels um bis zu 20 Meter
was neben dem vergleichsweise hohen Be-        und darüber hinaus zum weitgehenden Aus-
völkerungswachstum auch der großen Zahl        trocknen der ‘Azraq Wetlands‘ geführt). Im
von Flüchtlingen geschuldet ist. 13            Fall des Disi-Grundwasserspeichers im Wa-
                                               di-Rum, hat man Mitte des Jahres 2013 mit
   Die Menge an Wasser, die jedem Jordani-     der Wasserentnahme begonnen. Der jorda-
er pro Jahr zur Verfügung steht, wurde vor     nische König Abdullah II. hat am 17. Juli
Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien noch       2013 das lange geplante und nach vierjähri-
mit 135 m3 angegeben.14 Nach neuesten          ger Bauzeit fertiggestellte Disi-Wasser-
Angaben ist dieser Wert im Zeitraum von        projekt eingeweiht. Die Erschließung dieses
2012 - 2014 auf 120 m3 pro Kopf und Jahr       Grundwasserspeichers hat Jordanien die
gesunken15, nachdem er 1946, bei der           Möglichkeit eröffnet, auf die Dauer von vo-
Gründung des Königreichs Jordanien, noch       raussichtlich 50 Jahren rund 100 Millionen
bei 360 m3 pro Kopf und Jahr gelegen haben     Kubikmeter Wasser pro Jahr zu fördern.
soll. Prognosen für das Jahr 2025 halten ein   Wermutstropfen der Erschließung dieses
weiteres Absinken der pro Kopf und Jahr zur    vermutlich letzten großen Grundwasserre-
Verfügung stehenden Wassermenge auf bis        servoirs auf jordanischem Territorium ist,
zu 90 m3 für möglich.16,17                     dass es sich bei dem geförderten Wasser um
                                               so genanntes fossiles Wasser handelt. Was-
   Mit dem Jordan und dem Zarqa wurden         ser, das mehr als 30.000 Jahre alt ist und
die beiden größten Flüsse Jordaniens bereits   sich nicht erneuern wird.
benannt. Der Jordan führt heute, gegenüber        Eine seit Jahren anhaltende Übernutzung
den 1960er Jahren, nur noch rund zehn Pro-     der vorhandenen Grundwasservorkommen in
zent der Wassermenge, die damals noch mit      Verbindung mit einem immer geringer wer-
rund 1,3 Milliarden Kubikmeter pro Jahr        denden Prozentsatz der Erneuerung dersel-
angegeben worden ist.18                        ben, lässt die Situation zunehmend prekär
   Da Jordanien somit über keine nennens-      werden. Insbesondere da sich die Trinkwas-
werten Oberflächengewässer wie Flüsse und      serversorgung zu einem großen Teil auf die
Seen verfügt, muss sich das Land bei der       Ausbeutung bestehender Grundwasservor-
Wasserversorgung auf bestehende Grund-         kommen stützt.

12   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4
JORDANIEN – WASSERARMUT IN EINER INSTABILEN REGION

    Was die unzureichende Erneuerung der           Das Wasser der zehn größten Staudämme
Grundwasservorkommen, aber auch die            des Landes, die ein Fassungsvermögen von
zurückgehenden Wassermengen der Ober-          insgesamt rund 327 Millionen Kubikmeter
flächengewässer anbelangt, so sind dafür       haben - die Süßwassermenge des Sees Gene-
in erster Linie die im langjährigen Durch-     zareth ist mit rund vier Milliarden Kubikmeter
schnitt zurückgehenden Niederschläge ver-      etwa zwölfmal größer - und die durch die be-
antwortlich. Niederschläge, die ausschließ-    reits angesprochenen unregelmäßigen und
lich in den Wintermonaten, über einen Zeit-    zurückgehenden Niederschläge in den zurück-
raum von maximal 4-5 Monate verteilt,          liegenden Jahren häufig nur noch mit rund 50
fallen. Insbesondere zu Beginn der Nieder-     Prozent ihres theoretischen Fassungsvermö-
schlagsperiode sind die über die Sommer-       gens gefüllt waren, wird ebenfalls zu großen
monate ausgetrockneten Böden oft nicht in      Teilen in der Landwirtschaft verwendet. Das
der Lage, das dringend benötigte Wasser        Land ist seit einigen Jahren bemüht, die Zahl
aufzunehmen. Zwar wird landesweit mit          der Staudämme und Rückhaltebecken auf
einer steigenden Zahl größerer Staudämme       künftig 400 Millionen Kubikmeter zu erhö-
und kleinerer Rückhaltebecken versucht,        hen.20 Dies darf allerdings nicht darüber hin-
möglichst viel des knappen Gutes aufzu-        wegtäuschen, dass auch die neu hinzukom-
fangen und für die trockene Jahreszeit zu      menden Wasserbevorratungsmöglichkeiten
bevorraten, doch geht ein nicht unerhebli-     nur schwerlich mit der weiter ansteigenden
cher Teil der so angelegten Wasservorräte      Nachfrage nach Wasser Schritt halten werden
durch die in den Sommermonaten sehr ho-        können, und dass das so bevorratete Wasser,
he Verdunstung auch wieder verloren. So        neben der Landwirtschaft nur begrenzt zur
stehen im unteren, d.h. südlichen Jordan-      Trinkwasserversorgung geeignet ist.
tal, das durch ein überwiegend arides Kli-
ma gekennzeichnet ist, jährliche Nieder-                                  Karte Jordanien
schlagsmengen von 50 - 150 mm einer po-
tentiellen Verdunstung von bis zu 2.600
mm pro Jahr gegenüber.19

   80 Prozent der Landesfläche Jordaniens
erhält weniger als 100 mm bzw. 100 Liter
Niederschlag pro Quadratmeter und Jahr,
nur rund sechs Prozent mehr als 200 mm (in
Deutschland liegt die durchschnittliche Nie-
derschlagsmenge im langjährigen Mittel bei
rund 750 mm bzw. 750 Liter pro Quadratme-
ter und Jahr). Lediglich im Nordwesten des
Landes sowie im Jordantal kann auf rund
fünf Prozent der Landesfläche Landwirt-
schaft betrieben werden, die bis auf die
Region um Jerash und Irbid jedoch stark
bewässerungsabhängig ist. Etwa 80 Prozent
der Bevölkerung Jordaniens lebt aufgrund
starker Landflucht in Städten. Mehr als die
Hälfte in den drei größten Städten des Lan-
des, in Amman, Zarqa und Irbid. Das schnel-
le Wachstum dieser Städte bringt neben den
Problemen der Wasserversorgung, zuneh-
mend auch andere infrastrukturelle Proble-     Quelle: Nations Online (2015): Karte Jordanien, URL http://www.nationson
me mit sich.                                   line.org/maps/jordan-map.jpg[15.01.2015].

                      ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4                 13
THOMAS GEBHARD

Interessenkonflikte bezüglich der knappen       Der weltweite Wasserverbrauch der Industrie
Ressource Wasser                                liegt demzufolge bei rund 4,4 Prozent, der
                                                des häuslichen Verbrauchs sogar nur bei 3,6
   Da der weitaus größte Teil der jordani-      Prozent.22
schen Bevölkerung in einem vergleichsweise
kleinen Streifen im Nordwesten des Landes           In einem so wasserarmen Land wie Jor-
und darüber hinaus zu mehr als 50 Prozent       danien wäre es dennoch naheliegend zu
in den Ballungsräumen Amman, Zarqa und          vermuten, dass man den Verbrauch von
Irbid lebt, liegt der größte Bedarf an Wasser   Wasser in der Landwirtschaft zugunsten
in eben diesen Regionen. Dies ist auch der      eines höheren Wasserangebots für den häus-
Grund dafür, dass seit Mitte der 1980er         lichen Bereich reduziert. Die Millenniums-
Jahre Teile des (Oberflächen-) Wassers aus      Entwicklungsziele sehen dies bis Ende 2015
dem Jordangraben sowie erhebliche Mengen        auch vor. Allerdings nur bis auf einen Wert
von Wasser aus dem Grundwasservorkom-           von 60 Prozent.
men in der Region Azraq und dem Disi-
Grundwasserspeicher in die vorgenannten             Hierzu muss man wissen, dass Jordanien
Ballungsräume gepumpt wird.                     die weitgehende Unabhängigkeit von Nah-
                                                rungsmittelimporten ein strategisches An-
   In den (Wüsten-) Steppen des Landes le-      liegen ist, weshalb die Landwirtschaft statt
ben hingegen nur vergleichsweise wenige         reduziert, sogar eher noch ausgebaut wer-
Menschen. Landwirtschaft wird dort, ganz        den soll. Mit Blick auf die zunehmenden
im Gegensatz zum Jordantal und zum Nord-        Spekulationen im Bereich landwirtschaftli-
westen des Landes, nur zur Eigenversorgung      cher Produkte, die teils enormen Preis-
betrieben.                                      schwankungen auf dem Weltmarkt und die
                                                in den letzten Jahren zum Teil deutlich ge-
   Dem zweiten Zwischenbericht zur Errei-       stiegenen Preise für eine Reihe von Nah-
chung der Millenniums-Entwicklungsziele in      rungsmitteln und landwirtschaftlichen Pro-
Jordanien zufolge, der aus dem Jahr 2010        dukten in Verbindung mit einer immer stär-
datiert, gehen 63 Prozent des pro Jahr zur      keren Konzentration der Branche auf nur
Verfügung stehenden Wassers in die Land-        noch wenige große Konzerne, die in der Fol-
wirtschaft (deren Beitrag zum Bruttoin-         ge die Preise noch stärker diktieren können,
landsprodukt jedoch bei lediglich etwa drei     durchaus verständlich. Darüber hinaus bie-
Prozent liegt). Weitere rund fünf Prozent       tet die Landwirtschaft in Jordanien einem
gehen in den industriellen Sektor (der in       nicht geringen Bevölkerungsanteil Arbeits-
Jordanien nicht sehr stark diversifiziert und   plätze, und das gerade dem Teil der Bevöl-
auch nur in geringem Maße auf Wertschöp-        kerung, der über keine oder nur wenig quali-
fung ausgelegt ist, der aber immerhin mit       fizierte Abschlüsse verfügt und deshalb in
rund 30 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt        anderen Bereichen nur sehr schwer Arbeit
beiträgt). Die verbleibenden 32 Prozent         finden würde. Die Landwirtschaft dient da-
stehen der Bevölkerung zum privaten Ver-        her auch als Arbeitgeber. Deshalb versucht
brauch zur Verfügung.21                         man in Jordanien zunächst einen anderen
                                                Weg zu gehen. Den Anbau wasserintensiver
   Im internationalen Vergleich ist der Was-    landwirtschaftlicher Produkte zugunsten
serverbrauch Jordaniens in den Bereichen        weniger wasserintensiver Produkte zu redu-
Landwirtschaft, Industrie und häuslicher        zieren und darüber hinaus durch den Einsatz
Verbrauch nicht außergewöhnlich. Nach           modernster Bewässerungsmethoden den
Berechnungen niederländischer Wissen-           Verbrauch von Wasser zu verringern. Letzte-
schaftler der Universität Twente, werden        res kann einmal mehr aber nur in dem Maße
weltweit rund 92 Prozent aller Wasserres-       umgesetzt werden, wie dafür finanzielle
sourcen in der Landwirtschaft verbraucht.       Mittel zur Verfügung stehen. Ein weiteres

14   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4
JORDANIEN – WASSERARMUT IN EINER INSTABILEN REGION

Ziel ist es, bisher noch in der Landwirtschaft   wütende Proteste zur Folge hatte), deren
verwendetes Frischwasser immer mehr              Reduzierung oder auch das Anheben von
durch wiederaufbereitetes Wasser zu erset-       Preisen (was die Regierung gegenwärtig
zen. Die diesbezüglich lange bestandenen         beim Strom versucht, worüber aber schon
Vorurteile, gehen kontinuierlich zurück.         seit Wochen im Parlament gestritten wird
    Neben der geringen zur Verfügung ste-        und für den Fall einer Umsetzung die Wirt-
henden Menge an Wasser ist deren Bewirt-         schaft mit steigenden Verbraucherpreisen
schaftung als nicht nachhaltig zu bezeich-       und der Schließung von Produktionsstandor-
nen. Fast täglich wird man Zeuge eines nur       ten und Geschäften droht) ist in einem Land
als unangemessen zu bezeichnenden Ver-           wie Jordanien ein Politikum, wo die Bevöl-
brauchs von Wasser, was nicht zuletzt auch       kerung, nicht zuletzt wegen großzügiger
darauf zurückzuführen ist, dass der jordani-     Unterstützung aus dem Ausland, aus der
sche Staat Wasser stark subventioniert:          Vergangenheit weit höhere Subventionen
Ausweißlich der vierteljährlichen Wasser-        gewohnt ist. Die Regierung ist sich der Not-
rechnungen mit bis zu 60 Prozent. Vielen         wendigkeit des Handelns bewusst. In poli-
Menschen ist entweder nicht bewusst, oder        tisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten,
aber es ist ihnen schlichtweg egal, wie          in denen auch in Jordanien die Armut zu-
knapp und damit auch teuer die Ressource         nimmt, könnte ein zu forsches Vorgehen bei
Wasser in den zurückliegenden Jahren ge-         diesem Vorhaben jedoch schnell die Lunte
worden ist. So werden täglich zigtausende        an ein Pulverfass legen. Die Besänftigung
von Autos gewaschen sowie Gehwege, Hof-          der Bevölkerung durch höhere Einkommen
einfahrten und Terrassen abgespritzt. Nicht      und gestiegene Subventionen hat man zu
nur von den kleinen, dafür aber umso wohl-       Beginn des Arabischen Frühlings nicht nur
habenderen Teil der Bevölkerung. In den          in Jordanien erlebt.
Vierteln, in denen die wohlhabendere Be-
völkerung lebt, werden in den sehr heißen            Als wären zurückgehende Nieder-
Sommermonaten (Zier-)Gärten bewässert,           schlagsmengen, Bevölkerungswachstum, Be-
die teilweise beträchtliche Ausmaße haben        lastung des Grundwassers durch Verunreini-
und parkähnlich angelegt sind. Während die       gung und nicht angepasster Wasserver-
Wasser- und Energierechnungen in diesen          brauch nicht schon Herausforderung genug,
Haushalten schnell Größen annehmen, die          geben offizielle jordanische Stellen die ak-
über dem durchschnittlichen jordanischen         tuellen Wasserverluste mit 40 - 45 Prozent
Haushaltseinkommen von rund 500,- Euro           an. Ein Umstand, der nur schwer zu verste-
liegen (bezogen auf eine sechsköpfige Fami-      hen ist und den sich das Land vor dem Hin-
lie), ist deren Anteil am Haushaltseinkom-       tergrund knapper Wasserressourcen eigent-
men der Betroffenen äußerst gering. Der          lich keinen Tag länger leisten kann. Alleine
Kubikmeter Wasser kostet in Jordanien, je        für die Hauptstadt Amman liegt der Verlust
nach Höhe des Verbrauchs, zwischen 0,35          an Wasser bei 350.000 Kubikmeter pro Tag.
und 1,50 Euro. Von der Möglichkeit, den          Dies entspricht in etwa 40 Prozent des tägli-
Verbrauch über den Preis zu beeinflussen,        chen Wasserbedarfs, der bei etwas mehr als
könnte weit mehr Gebrauch gemacht wer-           einer Million Kubikmeter pro Tag liegt.23 Das
den. Bis hin zum Festlegen einer Obergren-       heißt nichts anderes, als dass die mit der
ze, was die Bezugsmengen von Wasser anbe-        Erschließung des Disi-Grundwasserspeichers
langt. Zwar nimmt die Subventionierung mit       seit Mitte 2013 in die Hauptstadt gepump-
der Höhe des Verbrauchs ab, doch sind die        ten 100 Millionen Kubikmeter Wasser pro
Anreize, Wasser zu sparen bzw. sparsam zu        Jahr nicht ausreichen, um den dortigen Ver-
verwenden, als noch immer nicht ausrei-          lust an Wasser auszugleichen. In anderen
chend hoch zu bezeichnen. Die Abschaffung        Gouvernements sollen die Verlustraten so-
von Subventionen (für Benzin hat das die         gar noch höher sein, in der Spitze bis zu 50
Regierung im November 2012 getan, was            Prozent.24 Die Wasserverluste sollen in den

                       ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4        15
THOMAS GEBHARD

zurückliegenden Jahren nur in geringem          Internationale Hilfe
Umfang zurückgegangen sein.25
                                                   Der Wassersektor ist in Jordanien der Be-
   Neben einem nur unzureichend ausge-          reich, in dem sich internationale Organisati-
bauten und nicht im notwendigen Maß in-         onen wie Weltbank und EU, aber auch Staa-
stand gehaltenen Wasser- und Kanalnetz          ten wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Ara-
stellen vor allem die illegalen Wasserent-      bischen Emirate, Kuwait und Katar, die zu-
nahmen, die bis zu 70 Prozent der Wasser-       sammen mit Oman und Bahrain den Golf-
verluste ausmachen, für Jordanien ein gro-      Kooperationsrat bilden, sowie die USA, Ja-
ßes Problem dar.26,27 In fast regelmäßigen      pan und nicht zuletzt auch Deutschland mit
Abständen kündigt die jordanische Politik       am intensivsten und mit zum Teil erhebli-
höhere Strafen an, um den illegalen Wasser-     chen Finanzmitteln engagieren. Der Finanz-
entnahmen Einhalt zu gebieten. Die bisher       bedarf zur Verbesserung der Wassersituati-
erzielten Fortschritte, über die seit knapp     on in Jordanien wird in den kommenden
einem Jahr verstärkt in der Presse berichtet    Jahren steigen, selbst für den Fall, dass man
wird, lesen sich ohne Zweifel beeindru-         das derzeitige Niveau lediglich stabilisieren
ckend.28,29 Dennoch hat es den Anschein,        möchte. Am 11. Dezember 2014 hat der
dass es sich bei den bisher aufgedeckten        jordanische Wasserminister, Hazem Nasser,
Fällen immer noch nur um die Spitze eines       den finanziellen Mehrbedarf für den Wasser-
Eisbergs handelt, der insgesamt betrachtet      sektor, den er mit der Aufnahme von mehr
nur sehr langsam an Volumen verliert. Die       als 620.000 syrischen Flüchtlingen begrün-
Strafen, die das Gesetz für derartigen Miss-    det hat, für die Jahre 2015 und 2016 auf
brauch vorsieht, scheinen bisher keine allzu    mehr als 500 Millionen Jordanischen Dinar,
große abschreckende Wirkung zu entfalten,       aktuell rund 600 Millionen Euro, beziffert.
was die Frage aufwirft, ob und in welchem       Er tat dies in einem Gespräch mit dem par-
Maße die vorgesehenen Strafen am Ende           lamentarischen Staatssekretär beim Bun-
überhaupt verhängt und vor allem auch voll-     desminister für wirtschaftliche Zusammen-
zogen werden. Um die Wasserprobleme wis-        arbeit und Entwicklung (BMZ), Thomas Sil-
send, hat die jordanische Regierung 2013        berhorn.30 Der geltend gemachte Mehrbedarf
eine neuerliche Initiative gestartet, die da-   entspricht in etwa acht Prozent der Einnah-
rauf abzielt, vor allem der illegalen Wasser-   men des Landes, wie sie im Haushaltsent-
entnahme einen stärkeren Riegel vorzu-          wurf für 2015 prognostiziert sind.31 Die fi-
schieben. Seither wird in der lokalen Presse    nanziellen Dimensionen zeigen, vor welchen
immer wieder darüber berichtet, dass es den     Herausforderungen Jordanien in den kom-
Behörden gelungen ist, Wasserdieben auf         menden Jahren alleine im Wassersektor
die Spur zu kommen. Die hierbei zu Tage         steht. Die Instabilität der Region, die aus
tretenden Dimensionen sind alles andere als     einer Vielzahl von Konflikten zwischen den
unerheblich. Erst im Dezember 2014 wurde        einzelnen Staaten resultiert, erschwert die
in den südlichen Teilen der Hauptstadt Am-      regionale Zusammenarbeit, die gerade im
man wieder ein illegales Netzwerk entdeckt,     Bereich der Wasser- und Energieversorgung
das dem regulären staatlichen Wassernetz        nicht nur denkbar, sondern geradezu not-
durchschnittlich 1.200 m3 pro Tag entnimmt      wendig und für alle Beteiligten von Vorteil
und auf eigene Rechnung veräußert.              wäre.

   Der Ausbau und die Instandsetzung des        || Thomas Gebhard
Wasser- und Kanalnetzes, was zeitaufwändig
                                                   Auslandsmitarbeiter Jordanien
und kostenintensiv ist, wird aktuell mit Gel-
dern des Golf-Kooperationsrates sowie einer
Reihe anderer Länder stark vorangetrieben.

16   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4
JORDANIEN – WASSERARMUT IN EINER INSTABILEN REGION

                                                               16   Vgl. The Guardian (2014).
ANMERKUNGEN                                                    17   Die Berechnungen sind stark von der weiteren Bevöl-
1    N.N. (1965): Israels Lebensader: Das Wasser des                kerungsentwicklung und der Entwicklung der Flücht-
     Jordan, in: Die Zeit, 22. Januar 1965, URL http://www.         lingszahlen abhängig.
     zeit.de/1965/04/israels-lebensader-das-wasser-des-        18   Vgl. Svensson, Birgit (2007): Wenn der Jordan nicht
     jordan/komplettansicht [20.12.2014].                           mehr fließt, in: Die Welt, 05.01.2007, URL http://www.
2    Vgl. Helmholtz Zentrum für Umweltforschung – UFZ               welt.de/wissenschaft/article706478/Wenn-der-Jordan-
     (2014): Presseinformation vom 22. Juli 2014, URL               nicht-mehr-fliesst.html [20.12.2014].
     http://www.ufz.de/index.php?de=33033 [20.12.2014].        19   Vgl. BMBF (N.N.): Integriertes Wasserressourcen-
3    Vgl. Ebd.                                                      Management im Unteren Jordan Tal, Bundesministeri-
4    Vgl. Al-Monitor (2012): Once pristine, now polluted,           um für Bildung und Forschung - BMBF, URL http://
     there is hope yet for Jordan River, URL http://www.al-         www.bmbf.wasserressourcen-management.de/de/109.
     monitor.com/pulse/culture/2012/10/saving-the-jordan.           php [20.12.2014].
     html [20.12.2014].                                        20   Vgl. Namrouqa, Hana (2014a): Ibn Hammad Dam in
5    Sehr ähnliche Probleme bestehen zwischen einer Reihe           Karak to be ready in three years - ministry, in: The
     von Staaten im Nahen- und Mittleren Osten. So zum              Jordan Times, 16.12.2014, URL http://jordantimes.
     Beispiel zwischen der Türkei einerseits sowie Syrien           com/ibn-hammad-dam-in-karak-to-be-ready-in-three-
     und dem Irak andererseits, was die Wassermengen der            years - ministry [20.12.2014].
     Flüsse Euphrat und Tigris anbelangt oder zwischen         21   Vgl. Ministry of Planning and International Cooperation,
     Äthiopien auf der einen Seite sowie Ägypten auf der            United Nations in Jordan (2010): Keeping the promise
     anderen Seite, was die Wassermengen des Nils anbe-             and achieving aspirations - second national millennium
     langt. In den genannten Fällen gefährden entweder be-          development goals report, Jordan 2010, URL http://www.
     reits bestehende Staudämme oder aber geplante Stau-            undp.org/content/dam/undp/library/MDG/english/MDG%
     dammprojekte die Wasserversorgung der Anrainer-                20Country%20Reports/Jordan/2010%20en.pdf
     staaten, die an den Unterläufen der betreffenden Flüs-         [20.12.2014].
     se auf deren Wasser dringend angewiesen sind.             22   Vgl. Die Welt (2012): 200 Liter Wasser für einen Latte
6    Vgl. Al-Monitor (2012).                                        Macchiato, in: Die Welt, 13.02.2012, URL http://www.
7    Vgl. Renger, J. (2002): Wasserressourcen im Nahen              welt.de/dieweltbewegen/article13866394/200-Liter-
     Osten - Konfliktstoff oder Katalysator regionaler Ko-          Wasser-fuer-einen-Latte-Macchiato.html [20.12.2014].
     operation?, in: Geographische Rundschau, Band 54,         23   Vgl. Namrouqa, Hana (2013): 350,000 cubic metres of
     Heft 2, S. 51-55.                                              water lost daily in Amman due to violations, in: The
8    Grauwasser ist fäkalienfreies, gering verschmutztes            Jordan Times, 21.08.2013, URL http://jordantimes.
     Abwasser, wie es beim Baden, Duschen und Wäsche-               com/350000-cubic-metres-of-water-lost-daily-in-amman-
     waschen entsteht. Es kann vergleichsweise einfach,             due-to-violations [20.12.2014].
     zum Beispiel durch den Einsatz von Wasserrecycling-       24   Vgl. Dr. Mansur, Yusuf (2014).
     Systemen, zu so genanntem Brauch- bzw. Betriebswas-       25   Prozentual sollen die Wasserverluste zwar um bis zu
     ser aufbereitet werden, welches dann, hygienisch sau-          25 Prozent zurückgegangen sein, absolut betrachtet
     ber, zum Beispiel in der Landwirtschaft verwendet              hingegen sind sie aufgrund des höheren Verbrauchs
     werden kann.                                                   weitgehend konstant geblieben bzw. sogar noch ge-
9    Vgl. N.N. (2013): Projekt Jordaniens, Israels und der          stiegen.
     Palästinenser: Pipeline soll Wasser ins Tote Meer         26   Vgl. Namrouqa, Hana (2014b): Water supply to Karak
     Pumpen, in: Spiegel Online, 10.12.2013, URL                    resumes after repairs on damaged pipe, in: The Jordan
     http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/jordanien-           Times, 18.06.2014, URL http://jordantimes.com/ water-
     israel-und-palaestinenser-bauen-wasser-pipeline-a-93           supply-to-karak-resumes-after-repairs-on-damaged-pipe
     8125.html [20.12.2014].                                        [20.12.2014].
10   Vgl. Vick, Karl (2013): Can an unlikely Middle East       27   Vgl. Namrouqa, Hana (2014c): 70% of water loss in
     Pact give life to the Dead Sea?, in: Time Online,              Jordan blamed on theft, illegal usage - ministry, in: The
     9.12.2013, URL http://world.time.com/2013/12/09/               Jordan Times, 27.01.2014, URL http://jordantimes.com/
     can-an-unlikely-middle-east-pact-give-life-to-the-dead-        70-of-water-loss-in-jordan-blamed-on-theft-illegal-
     sea/ [20.12.2014].                                             usage----ministry [20.12.2014].
11   Vgl. The Guardian (2014): Jordan hopes controversial      28   Vgl. Namrouqa, Hana (2014d): Farm owner steals
     Read Sea Dead Sea Project will stem water crisis -             thousands of cubic metres from water main, in: The
     chronic scarcity, overuse, waste and a surge in demand         Jordan Times, 30.01.2014, URL http://jordantimes.
     caused by refugees has paved the way for desalination          com/farm-owner-steals-thousands-of-cubic-metres-from-
     plan, in: The Guardian, 20.03.2014, URL http://www.            water-main [20.12.2014].
     theguardian.com/global-development/2014/mar/20/           29   Vgl. Namrouqa, Hana (2014e): Balqa resident caught
     jordan-water-red-sea-dead-sea-project [20.12.2014].            stealing 400 cubic metres of water per day, in: The
12   Vgl. N.N. (2013).                                              Jordan Times, 19.11.2014, URL http://jordantimes.
13   Vgl. Dr. Mansur, Yusuf (2014): Water Worry, in:                com/balqa-resident-caught-stealing-400-cubic-metres-
     Venture Magazine, URL http://www.venturemagazine.              of-water-per-day [20.12.2014].
     me/2014/12/water-worry/ [20.12.2014].                     30   Vgl. JT (2014a): JD 500m needed to meet water
14   Vgl. UNDP Jordan (2013): About Jordan, URL http://             demand over next two years, in: The Jordan Times,
     www.jo.undp.org/content/jordan/en/home/countryinf              13.12.2014, URL http://jordantimes.com/jd500m-nee
     o/ [20.12.2014].                                               ded-to-meet-water-demand-over-next-two-years
15   Vgl. al Khouri, Riad (2014): Flooding amid Shortages -         [20.12.2014].
     Jordan needs better water management, in: Jordan
     Business, S. 38.

                             ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4                                17
THOMAS GEBHARD

31   Vgl. JT (2014b): Cabinet endorses draft 2015 budget
     with JD 688m deficit, in: The Jordan Times, 01.11.2014,
     URL http://jordantimes.com/cabinet-endorses-draft 20
     15-budget-with-jd688m-deficit [20.12.2014].

18   ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1 4
UNSTILLBARER DURST? – WASSERMANGEL ALS
HERAUSFORDERUNG FÜR CHINAS ZUKÜNFTIGE
ENTWICKLUNG

   || Katja Drinhausen

                                    远水不解近渴        das Land auf eine Ressourcenkrise hinsteu-
           Fernes Wasser stillt den Durst nicht   ert. Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht
                                                  daher die Frage, inwiefern Wasserknappheit
                                                  zum Stolperstein Chinas langfristiger Ent-
    Nach der Inbetriebnahme des ersten Ka-        wicklung werden könnte.
nals des Süd-Nord-Wassertransferprojektes
(SNWTP) floss am 12. Dezember 2014 erst-          Natürliche Voraussetzungen
mals Wasser aus dem über 1.000 Kilometer
entfernten Danjiakou-Reservoir aus Pekinger           Ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt in
Hähnen.1 Ein Drittel des Bedarfs der Haupt-       China, das Land verfügt aber nur über rund
stadt soll in Zukunft auf diesem Weg gedeckt      sechs Prozent der globalen Frischwasserre-
werden. Das SNWTP ist eines der größten           serven. Dieser Umstand wird oft als Beleg
und kostspieligsten Wasserinfrastrukturpro-       für Wasserarmut herangezogen, gibt aber
jekte der Welt und soll nach Fertigstellung       nur ein sehr unvollständiges Bild wieder.
der geplanten vier Kanäle jährlich 45 Mil-        Betrachtet man Chinas Wasserdargebot von
liarden Kubikmeter Wasser von Zentral- und        rund 2.060 Kubikmetern pro Kopf in 2013,
Südwestchina in die industrie- und bevölke-       so liegt dies global gesehen erstaunlich na-
rungsreichen Regionen im Nordosten des            he am deutschen Wert von 2.290 Kubikme-
Landes umleiten.2                                 tern pro Kopf.4
    Dieses Großprojekt steht sinnbildlich für         Problematisch ist weniger die Gesamt-
die gewaltigen Anstrengungen, die die chi-        menge, als die Verteilung, sowohl in geogra-
nesische Regierung zur Sicherstellung der         fischer als auch in temporaler Hinsicht. Der
Wasserversorgung unternimmt. „Wasser ist          Niederschlag liegt im langjährigen Mittel bei
die Quelle allen Lebens, die Grundlage der        rund 645 Liter pro Quadratmeter (Deutsch-
menschlichen Existenz und unabdingbar für         land: 789 Liter/Quadratmeter), doch im
die fortgesetzte Entwicklung“, betonte Pre-       Süden fällt mehr als drei Mal so viel Regen
mierminister Li Keqiang im November 2014          wie im Norden und im Osten wiederum mehr
im Rahmen einer Konferenz des Ministeri-          als doppelt so viel wie im Westen. Wegen
ums für Wasserwirtschaft.3 Doch in der            des Monsuns fällt in vielen Regionen ein
Presse mehren sich Berichte über gravieren-       Großteil des Niederschlags von Juni bis Sep-
den Wassermangel in Teilen Chinas und aus         tember, wodurch abwechselnd die Gefahr
Expertenkreisen verlauten Warnungen, dass         von Dürren und Überschwemmungen be-

                         ARGUMENTE UND MATERIALIEN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 14        19
Sie können auch lesen