Wegmarken für das EU-Klimaziel 2030 - Ariadne-Kurzdossier Versteckte Risiken und Chancen der Szenarien der EU-Kommission für den Pfad zur ...
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Ariadne-Kurzdossier Wegmarken für das EU-Klimaziel 2030 Versteckte Risiken und Chancen der Szenarien der EU-Kommission für den Pfad zur Klimaneutralität
Autorinnen und Autoren Leitautoren Beitragende Autoren » Matthias Duwe, Ecologic Institut » Dr. Luke Haywood, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change » Prof. Dr. Michèle Knodt » Dr. Michael Pahle Technische Universität Darmstadt Potsdam-Institut für » Dr. Brigitte Knopf, Mercator Research Institute Klimafolgenforschung on Global Commons and Climate Change » Dr. Miriam Köster, Westfälische Wilhelms- Universität Münster » Thorsten Müller, Stiftung Umweltenergierecht » Dr. Robert Pietzcker, Potsdam-Institut für » Dr. Nils aus dem Moore » Prof. Dr. Ottmar Edenhofer Klimafolgenforschung RWI - Leibniz-Institut für Potsdam-Institut für Klima- Wirtschaftsforschung folgenforschung & Mercator Research » Eva-Maria Thierjung, Westfälische Wilhelms- Institute on Global Commons and Climate Change Universität Münster » Dr. Maximilian Willner, Universität Hamburg » Dr. Ulrich Fahl » Benjamin Görlach Universität Stuttgart Ecologic Institut » Dr. Mirjam Kosch » Fabian Pause Potsdam-Institut für Stiftung Umweltenergierecht Klimafolgenforschung » Prof. Dr. Grischa Perino » Prof. Dr. Sabine Schlacke Universität Hamburg Westfälische Wilhelms-Universität Münster Herausgeben von Bildnachweis Kopernikus-Projekt Ariadne Titel: Guillaume Périgois/Unsplash ; S. 2: Potsdam-Institut für Klimafolgen- © Sebastian Engels Fotografie; S. 7: Mar- forschung (PIK) kus Spiske/Unsplash; S. 17: Frederic Kö- Telegrafenberg A 31 berl/Unsplash 14473 Potsdam Dezember 2020 1
INHALT Wegmarken für das EU-Klimaziel 2030 3 Politikpfade für den Weg zur Klimaneutralität 4 Bewertungen der Szenarien der EU-Kommission 7 Bewertung des Szenarios REG 10 Bewertung des Szenarios CPRICE 12 Bewertung des Szenarios MIX 14 Zusammenfassende Bewertung der Szenarien 17 Literaturangaben 19 2
WEGMARKEN FÜR DAS EU-KLIMAZIEL 2030 Zusammenfassung Dies offenbart die Analyse der drei we- sentlichen Szenarien der EU-Kommission Bis Mitte des Jahrhunderts will die Euro- zur Anpassung des regulatorischen Rah- päische Union klimaneutral werden. Als mens für die Erreichung der neuen EU- entscheidende Etappe sollen deshalb die Klimaziele in diesem Kurzdossier. EU-Klimaziele für 2030 erhöht werden. Wie realistisch ist es, dass die ehrgeizi- Gerade weil sich eine zunehmende Zu- gen Klimaziele letztendlich auch erreicht stimmung für ein „business as usual“ werden? Das hängt davon ab, wie wirk- abzeichnet, ist es von großer Bedeutung, sam die neuen politischen Maßnahmen es jetzt zu diskutieren und es prioritär ausgestaltet werden, über die jedoch anzugehen. Die Lösung erfordert ein erst in den nächsten Jahren entschieden strategisches Regulierungsprinzip, das werden wird. Nur ambitionierte und ko- den verschiedenen Maßnahmen im In- härente EU-Maßnahmen können die strumentenmix eine klare Rolle zuweist Treibhausgas-Emissionen langfristig auf und ein sinnvolles Leitinstrument defi- nahezu null reduzieren. Sie werden auch niert. Glaubwürdigkeit erhalten solche die deutsche Klimapolitik tiefgreifend be- Szenarien aber nur, wenn entweder die stimmen und erhebliche Anpassungen Durchsetzungsmechanismen der EU- erfordern. Setzt die EU weiter auf einen Kommission im Bereich der Erneuerba- bunten Mix von Instrumenten, so ist dies ren Energien und der Energieeffizienz ge- der politisch wohl am leichtesten durch- stärkt oder hohe CO2-Preise in der EU zusetzende Weg. ausgehalten oder gar akzeptiert werden. Die Widerstände gegen ein „etwas mehr Gelingt dies nicht, droht der mit dem EU von allem“ sind vor allem deshalb ge- Green Deal gerade erst eingeschlagene ring, weil eine klare Positionierung zu Weg bereits auf den ersten Metern zu stärkeren Durchsetzungsmechanismen scheitern. oder entsprechenden Leitinstrumenten vermieden wird. Allerdings läuft das „Weitermachen wie bislang“ mit einer leichten Verschärfung des bisherigen In- strumentenmix aufgrund des Fehlens ei- nes klaren Konzepts Gefahr, an den neu- en Zielen zu scheitern. 3
POLITIKPFADE FÜR DEN WEG ZUR KLIMANEUTRALITÄT Außerordentliche politische Anstrengun- in, dass aufgrund der Langlebigkeit von gen sind erforderlich, um ein erhöhtes Gütern und Infrastrukturen die Investiti- EU-Klimaschutzziel für das Jahr 2030 auf onen der nächsten zehn Jahre darüber dem Weg zu einem klimaneutralen Euro- entscheiden, ob das Ziel der Treibhaus- pa 2050 zu erreichen. Würde das Ziel für gasneutralität bis zum Jahr 2050 ver- 2030 auf 55 Prozent¹ erhöht werden, so wirklicht werden kann. Das stellt die Eu- müsste beispielsweise das ursprüngliche ropäische Union vor die große Heraus- Ziel einer Treibhausgasreduktion um 40 forderung, die notwendige Transformati- Prozent bereits im Jahr 2025 erreicht on in sehr kurzer Zeit auf den Weg brin- werden. Die besondere Bedeutung des gen zu müssen. Etappenziels für 2030 besteht dabei dar- Abbildung 1: Herausforderung ambitionierterer EU-Klimaziele 1 Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen gegenüber dem Jahr 1990 4
Um das zu schaffen, muss die EU einen die Ziele hinausschießt, werden darin die Im Fall des Szenarios MIX ist die Regulie- neuen regulatorischen Rahmen setzen, drei Szenarien REG, MIX und CPRICE be- rungsphilosophie weniger eindeutig: Es der genau das leisten kann. Dies ist eine wertet. Diese Szenarien mit einer jeweils stärkt diverse Elemente des bestehen- komplexe Aufgabe. Doch je länger die spezifischen Politikarchitektur scheinen den regulatorischen Rahmens. Gleichzei- Entscheidungsfindung über den rechtli- politisch am ehesten durchsetzbar zu tig werden Überlappungen hingenom- chen Rahmen auf der EU-Ebene dauert, sein, weswegen sich die nachfolgende men. So wird bei diesem Szenario desto weniger Zeit bleibt für die Imple- Analyse auf diese Ansätze konzentriert. würden die Sektoren Gebäude und Ver- mentierung und Durchsetzung dieses kehr in das Lastenteilungsordnung Rahmens für die EU-Mitgliedsstaaten. Die drei Szenarien unterscheiden sich im (Emission Trading System (ETS)) einge- Wesentlichen darin, welche Relevanz ei- bunden werden und gleichzeitig weiter- Mit welchen Mitteln die Klimaziele er- ner CO2-Bepreisung über ein (zusätzli- hin der Lastenteilungsverordnung unter- reicht werden sollen, muss deshalb jetzt ches oder ausgeweitetes) Emissionshan- stellt bleiben. Zusätzlich ist eine niedrige diskutiert und entschieden werden. Die- delssystem, der EU-Lastenteilungs- bis mittlere Intensivierung der regulati- sem Umstand trägt die EU-Kommission verordnung („Effort Sharing Regulation“, ven Maßnahmen vorgesehen. durch ihren ambitionierten Zeitplan ESR)³ und regulativen Maßnahmen4 Rechnung. Basierend auf den derzeit ver- („policies & measures“) in den Bereichen Laut Impact Assessment würde eine CO2- fügbaren Informationen analysieren und Energieeffizienz, Erneuerbare Energien Bepreisung dann „als zusätzlicher EU- bewerten wir die Vorschläge der Kom- sowie Gebäude und Verkehr beigemes- Mechanismus fungieren, um nationale mission für Politikpfade zur Erreichung sen wird (siehe Tabelle 1). Emissionsreduktionsziele im Rahmen des 2030-Ziels. Im Vordergrund steht da- der Lastenteilungsverordnung zu errei- bei, welche Voraussetzung für ihre Um- Die detaillierte Ausgestaltung der Politi- chen“ (IA, S. 28). Zur genauen Ausgestal- setzung bestehen, und ob sie das Ziel ken ist zwar derzeit noch unklar, jedoch tung der Politikinstrumente macht das tatsächlich auch erreichen können. lassen die Szenarien bereits die ihnen je- Impact Assessment keine Angaben; es weils zugrunde liegende Regulierungs- wird lediglich klargestellt, dass (alle) Sze- Drei Szenarien, drei Regulie- philosophie erkennen. Im Fall der Szena- narien „kohärente Kombinationen von rungsphilosophien rien REG und CPRICE ist bereits durch Politik-Optionen“ darstellen, die in Poli- die Namensgebung offensichtlich, dass tikszenarien übersetzt wurden (IA, S. 42). Im September 2020 unterbreitete die es einen klaren Fokus gibt: zum einen Kommission verschiedene Szenarien zur auf eine Intensivierung von regulativen Die Bewertung der Szenarien durch die Frage, ob und wie die neuen Klima- Maßnahmen und zum anderen auf preis- Kommission (IA, Kap. 8) ist zurückhal- schutzziele erreichbar sind, und unterzog basierte Maßnahmen im Zuge einer Aus- tend, da sie lediglich selektiv Vor- und diese Szenarien einem Impact Assess- weitung des Emissionshandelssystems. Nachteile aufzählt und kein klares Ran- ment (IA)². Neben zwei Szenarien (BSL, Beide Szenarien enthalten jedoch weiter- king vornimmt. Dennoch wird deutlich, MIX-50), die die Ziele nicht erreichen so- hin auch Elemente des jeweils anderen dass sie das MIX-Szenario gegenüber wie einem Vorschlag (ALLBNK), der über Extrems. den anderen beiden Szenarien präferiert Tabelle 1: Szenarien des Impact Assessment der EU-Kommission REG MIX CPRICE Emissionshandelssystem Erweiterung auf Gebäude, Transport und Erweiterung um intra-EU- (ETS) intra-EU-Schifffahrt Schifffahrt Lastenteilungsverordnung ohne Gebäude und Scope wie bisher (ESR) Verkehr Regulative Maßnahmen* mittlere/niedrige EE/RE: keine; Transport: Energieeffizienz (EE), Erneuerbare hohe Intensivierung Intensivierung niedrige Intensivierung Energien (RE), Gebäude, Transport *zusätzlich zur Baseline der bestehenden Klimaziele für 2030 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Fig. 3 im IA. Nicht dargestellt sind die Szenarien BSL, MIX-50 und ALLBNK. 2 Vgl. https://ec.europa.eu/clima/sites/clima/files/eu-climate-action/docs/impact_en.pdf (Stand: 3.12.2020) 3 Die Lastenteilungsverordnung definiert nationale Emissionsreduktionsziele in Nicht-ETS-Sektoren. 4 Im vorliegenden Text unterscheiden wir zwischen zwei Typen von Instrumenten: Preisbasierte Maßnahmen beinhalten den Emissionshandel 5 und CO2-Steuern; regulative Maßnahmen alle anderen Instrumente.
(IA, S. 124), weil es (1) niedrigere Energie- cherheiten behaftet sind (etwa durch (2) Wahrscheinlichkeit der langfristigen Ziel- systemkosten erzeugt5, (2) hohe Einnah- neue und mithin schwer abschätzbare erreichung:6 Wie hoch ist die potenzielle men durch das Auktionieren von Zertifi- Wechselwirkungen von Instrumenten langfristige Steuerungswirksamkeit? Wie katen generiert (obwohl die Einnahmen oder durch die Rückverteilung der Ein- kohärent sind die Instrumente innerhalb in CPRICE natürlich deutlich höher sind), nahmen aus dem Emissionshandelssys- eines Szenarios? Werden mit dem Szena- (3) im Vergleich zu CPRICE zu weniger tem), fehlt es an einem ausreichenden rio die Klimaziele voraussichtlich erreicht hohen CO2-Preisen führt und somit auch Set qualitativer Bewertungskriterien. So oder besteht eine hohe Gefahr des Schei- die Politiken zur Minderung negativer sind die kurzfristige politische Durchsetz- terns? Auswirkungen handhabbarer macht, so- barkeit und die Wahrscheinlichkeit der wie (4) im Einklang mit den Stellungnah- langfristigen Zielerreichung blinde Fle- men der Konsultation steht, in denen die cken im Impact Assessment. Genau hier Wichtigkeit von zusätzlichen Politiken un- setzt dieses Kurzdossier an. Zur qualitati- terstrichen wurde. ven Bewertung der Szenarien adressie- ren wir folgende Leitfragen: Die weißen Flecken auf der Landkarte: Durchsetzbarkeit und (1) Kurzfristige Umsetzbarkeit: Wie hoch Zielerreichung sind die kurzfristigen rechtlichen und po- litischen Hürden für die Umsetzung ei- Diese Bewertungen der Kommission so- nes Szenarios? Wie weit liegen die Präfe- wie die von ihr angelegten Kriterien sind renzen hinsichtlich der Instrumente zu hinterfragen: Neben der Tatsache, auseinander? Hat das Szenario im politi- dass die quantitativen Kostenaussagen schen Prozess eine reelle Chance? der Kommission teils mit hohen Unsi- 5 Unter Energiesystemkosten werden im Impact Assessment „Kapital- und variable Kosten im Zusammenhang mit der Nutzung von Energie“ zusammengefasst. Zudem sind diese Kosten in CPRICE geringer als in MIX, wenn man die Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung mit einbezieht (IA, S. 130). 6 6 Dies beinhaltet sowohl die Erreichung des 55%-Ziels bis 2030 sowie das Ziel der Klimaneutralität bis 2050.
BEWERTUNG DER SZENARIEN DER EU- KOMMISSION Die Bewertung der drei Szenarien hängt entscheidend von der konkreten Ausgestaltung und Kombination der verschiedenen Maßnahmen und Instrumente ab. Dafür wird die EU-Kommission jedoch erst im Sommer 2021 entsprechende Gesetzgebungsvorschläge unterbreiten. Vor diesem Hintergrund können die Szenarien vorläufig nur auf Basis unterschiedlicher Interpretationen der Kommissionsvorgaben hinsichtlich ihrer Umsetzung bewertet werden. Zur Bewertung der Szena- rien bedarf es einer Operationalisierung anhand konkreter Kriterien. Die von uns definierten Kri- terien werden im Folgenden kurz vorgestellt und anschließend für jedes Szenario diskutiert. Kriterien zur Bewertung der überwinden muss. Die folgenden zwei kurzfristigen Umsetzbarkeit Kriterien werden dafür betrachtet: Bei der Bewertung geht es in einem ers- Einigungspotenzial der Mitgliedstaaten auf- ten Schritt darum, ob das Szenario im grund kompetenzieller und prozeduraler politischen Prozess eine reelle Chance Anforderungen (Einigungspotenzial) hat bzw. welche po- litischen und rechtlichen Hürden es Die prozeduralen Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren (Mehrheits- oder Einstimmigkeitsprinzip) sowie in- haltliche Beschränkungen und Vorbehal- GESETZGEBUNGSKOMPETENZ DER EU te zugunsten der Mitgliedstaaten (s. Art. 194 Abs. 2 UAbs. 2 Vertrag über die Ar- Bei gesetzgeberischen Maßnahmen der EU in den Bereichen Klimaschutz und beitsweise der Europäischen Union Energie können sich im Einzelfall schwierige Kompetenzfragen ergeben. Nach dem (AEUV)) hängen von der konkreten EU- Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gilt gemäß Art. 5 Abs. 1 EUV der Gesetzgebungskompetenz ab (siehe Box Grundsatz, dass die EU nur in den Bereichen tätig werden darf, die ihr von den „Gesetzgebungskompetenz der EU“). Mitgliedstaaten explizit übertragen worden sind. Für die hier zu beurteilenden Um dies exemplarisch zu verdeutlichen: Maßnahmen gilt es festzustellen, ob sie auf die Umweltkompetenz nach Art. 191, Wird eine Maßnahme auf die Energie- 192 AEUV, auf die Energiekompetenz nach Art. 194 AEUV oder auf beide Kompe- kompetenz gemäß Art. 194 Abs. 2 AEUV tenzgrundlagen zu stützen sind. gestützt, so besteht die Gefahr eines Souveränitätsvorbehalts zugunsten der Möglicherweise sind auch weitere Zuständigkeiten wie beispielsweise jene für Mitgliedstaaten gemäß UAbs. 2 AEUV; Steuern nach Art. 113 AEUV einschlägig. Klimagesetzgebung, die insbesondere Re- wird eine Maßnahme auf die Umwelt- gelungen zum Emissionshandel, zur Lastenteilung sowie zu Landnutzung, Land- kompetenz des Art. 192 Abs. 1 AEUV ge- nutzungsänderungen und Forstwirtschaft umfasst, ist regelmäßig auf die Umwelt- stützt, so wird grundsätzlich zwar mit kompetenz zu stützen. Mehrheit entschieden, in Ausnahmefäl- len des Abs. 2 kann aber das Einstimmig- Für die Energiegesetzgebung mit Regelungen zu Erneuerbaren Energien, Energie- keitsprinzip greifen. Letztlich kommt es binnenmarkt und Energieeffizienz wird im Schwerpunkt die Energiekompetenz für die Bestimmung der zutreffenden herangezogen. Kompetenzgrundlage (Umwelt- oder Energiepolitik) auf den Schwerpunkt der 7
Maßnahme im Einzelfall an. Eine Mehr- Kriterien zur Bewertung der Kohärenz heitsentscheidung impliziert eine höhere Wahrscheinlichkeit der langfris- Wahrscheinlichkeit, dass die Maßnahme tigen Zielerreichung Die Klimaziele können nur durch ein Zu- im Rat verabschiedet wird; eine Einstim- sammenspiel verschiedener Instrumente migkeitsentscheidung zu erzielen, ist an- Bei der Wahrscheinlichkeit der langfristi- in einem Politikmix erreicht werden. Die- gesichts der Interessengegensätze der gen Zielerreichung geht es darum zu be- ser sollte möglichst kohärent ausgestal- Mitgliedstaaten im derzeitigen politi- urteilen, ob die Klimaziele mit einem tet werden, um eine effiziente Zielerrei- schen Umfeld jedoch sehr unwahrschein- Szenario voraussichtlich erreicht werden chung zu ermöglichen. Zur Bewertung lich. können bzw. weshalb die Zielerreichung der Kohärenz eines Politikmixes muss gefährdet ist. Die folgenden zwei Kriteri- analysiert werden, wie gut die verschie- Die Mitgliedstaaten haben jeweils unter- en werden dafür betrachtet: denen Instrumente darin aufeinander schiedliche Präferenzen im Rahmen der EU-Umwelt- und Energiepolitik, die in hohem Maße von ihrem nationalen Ener- giemix abhängen. Die Frage stellt sich, wie stark die Präferenzen im Hinblick auf KOHLEAUSSTIEG, WASSERBETT-EFFEKT UND MSR die in den Szenarien hauptsächlich zu re- gelnde Materie divergieren bzw. wie hoch In einem Emissionshandelssystem mit fixer Obergrenze (wie es im EU ETS bis das Einigungspotenzial ist. Auch die pro- 2018 der Fall war), können zusätzliche Maßnahmen keine weitere Reduktion zeduralen Anforderungen sind hierbei zu der Treibhausgase bewirken. Für die Gesamtmenge an ausgestoßenen Treib- berücksichtigen. Sollte für ein Szenario hausgasen ist dann nur ein Instrument entscheidend: die fixe Obergrenze. In ein geringes Einigungspotenzial vorlie- der seit Anfang 2019 geltenden Ausgestaltung des EU ETS ist die Marktstabili- gen, dann ist eine politische Durchset- tätsreserve (MSR) für die Kohärenz von entscheidender Bedeutung. Sie passt zung vor allem dann nicht zu erwarten, die Anzahl der in einem Jahr auktionierten Emissionsrechte in Abhängigkeit der wenn die prozedurale Anforderung noch nicht verwendeten Emissionsrechte aus früheren Jahren an. Umso mehr gleichzeitig Einstimmigkeit erfordert.7 ungenutzte Zertifikate im Umlauf sind, desto weniger werden neu auktioniert. Einigungspotenzial aufgrund von Präferenzen Die Emissionswirkung von weiteren Maßnahmen zur Reduktion der Kohlever- der Mitgliedstaaten für Instrumente stromung hängt also davon ab, wie sich diese Maßnahmen im Zeitablauf auf die Anzahl der noch nicht verwendeten Emissionsrechte auswirken. Diese An- Die politische Umsetzbarkeit wird dar- zahl erhöht sich, wenn heute Emissionen zum Beispiel durch die Abschaltung über hinaus auch dadurch stark beein- eines Kohlekraftwerkes eingespart werden. In Folge dessen sinkt also die An- flusst, dass verschiedene Interessengrup- zahl der neuen Emissionsrechte und damit auch der Umfang der Gesamtemis- pen innerhalb der Mitgliedstaaten sionen über die Zeit. Das Gegenteil kann passieren, wenn man heute ankün- unterschiedliche Typen von Instrumen- digt, erst in einigen Jahren ein Kohlekraftwerk stillzulegen. Die Marktteilnehmer ten präferieren. Preisbasierte Instrumen- entnehmen dieser Ankündigung, dass Emissionsrechte in Zukunft weniger te, allen voran der CO2-Preis, erfahren knapp sein werden als erwartet und erhöhen schon heute ihre Emissionen. Da- politische Unterstützung aufgrund ihrer durch sinkt unmittelbar die Zahl der nicht verwendeten Emissionsrechte. Im grundsätzlichen Kosteneffizienz und ho- Vergleich gegenüber einem Szenario ohne Ankündigung des Kohleausstiegs her Flexibilität für die Marktakteure (u.a. sorgt die MSR nun dafür, dass mehr neue Emissionsrechte in Umlauf gebracht Technologieoffenheit). In Abhängigkeit werden. Die Ankündigung von zusätzlichem Klimaschutz führt so schlimmsten- von ihrer Ausgestaltung können sie sich falls über die Zeit zu insgesamt höheren Gesamtemissionen. aber auch als wenig wirksam erweisen und damit als politisch problematisch Die meisten nationalen Pläne zum Kohleausstieg verknüpfen beide Maßnah- eingeordnet werden. Für regulative In- men: alte Kraftwerke werden kurzfristig stillgelegt und die Abschaltung von strumente – ex-negativo definiert als alle neueren Kraftwerken wird für die mittlere bis lange Frist angekündigt. Die zu- Instrumente, die nicht preisbasiert sind – sätzliche Klimawirkung derartiger Pakete liegt damit irgendwo zwischen den gilt die entsprechend umgekehrte Situa- beschriebenen Szenarien. Das Vorzeichen und die genaue Größe der zusätzli- tion. Umso dominierender ein Instru- chen Klimawirkung hängen unmittelbar von zahlreichen Details wie der exak- mententyp in einem Szenario ist, desto ten zeitlichen Struktur der Stilllegungen und den jeweiligen Kraftwerkskapazi- stärker werden Unterschiede in den Prä- täten ab. ferenzen ins Gewicht fallen und eine Eini- gung erschweren. Diese komplexen Wechselwirkungen zwischen zwei klimapolitischen Instrumen- ten, die auf das gleiche Ziel ausgerichtet sind, widersprechen der üblichen Intui- tion. Sie zeigen auf, wie wichtig und herausfordernd der Anspruch ist, einen Po- litikmix zur Reduktion von Treibhausgasen kohärent zu gestalten. 7 Ein weiterer entscheidender Faktor für das Einigungspotenzial sind auch die Verteilungswirkungen der Maßnahmen sowie Mechanismen, die diese Verteilungswirkungen ausgleichen bzw. ein für die Mitgliedstaaten letztendlich akzeptables Verhältnis von Kosten und Nutzen herstellen. 8 Dieser Aspekt wird hier jedoch nicht berücksichtigt.
abgestimmt sind. Dabei sind zwei Ebe- Tabelle 2: Zusammenfassende Bewertung der Szenarien REG, MIX und CPRICE nen zu unterscheiden: Auf der Ebene der Ziele kann noch relativ leicht und eindeu- REG MIX CPRICE tig identifiziert werden, ob einzelne In- Regulierungs- „Alles auf Regulie- „Das Beste aus beiden „Alles auf CO2-Beprei- strumente sich ergänzen, voneinander philosophie rung“ Welten“ sung“ unabhängig sind oder einander wider- sprechen. Deutlich anspruchsvoller, aber Potenzielle Kompe- Energiekompetenz Energie-/Umweltkom- Umwelt- / Steuer- letztlich entscheidend, ist die Kohärenz- tenzart petenz kompetenz Prüfung jedoch auf der Ebene der Wir- Verschärfung des Durchset- Zentrale (implizite) zungsmechanismus der Gover- Politisches Aushalten kungen: Selbst wenn zwei oder mehrere Umsetzungsvoraus- nance-VO und/oder der mit- unklar Instrumente das gleiche Ziel verfolgen, gliedstaatlichen Minderungs- hoher CO2-Preise setzung ziele in der ESR garantiert dies keinesfalls, dass sie sich Kurzfristige Umsetzbarkeit gegenseitig verstärken. Einigungspotenzial Die Komplexität der möglichen Interakti- aufgrund prozedu- niedrig mittel niedrig onen hat im Bereich der EU-Klimapolitik raler Anforderung inzwischen ein so hohes Niveau erreicht, Einigungspotenzial dass zur Aufdeckung etwaiger Inkonsis- aufgrund Präferen- niedrig mittel niedrig tenzen eine explizite Modellierung dieser zen für Instrumente Interaktionen erforderlich ist. Dabei wird Wahrscheinlichkeit deutlich, dass vermeintlich kleine Unter- Inkohärenter Kohärenter langfristige Zielerrei- MIX MIX schiede in der Ausgestaltung eines ein- chung zelnen Instrumentes zu erheblichen Fol- gen für das Zusammenspiel im Kohärenz hoch niedrig mittel hoch Instrumentenmix führen können. Im schlimmsten Fall führt die Kombination Glaubwürdigkeit des von zwei Instrumenten, die das gleiche Durchsetzungsme- hoch niedrig hoch hoch Ziel verfolgen und bei isolierter Betrach- chanismus tung zweifellos wirksam sind, sogar zu Die Bewertung der Szenarien erfolgt in einer „Pfadlogik“ entlang der Spalten von oben nach unten: die kurzfristige Umsetz- einer Klimawirkung, die kleiner ist, als barkeit entscheidet darüber, ob das Szenario („Pfad“) überhaupt gangbar ist. Eine niedrige Umsetzbarkeit steht für hohe po- dies durch ein Instrument alleine zustan- litische Hürden, und umgekehrt. Wenn diese Hürden überwunden werden können, dann wird der entsprechende Pfad zu ei- ner langfristigen Zielerreichung wie angegeben führen. Im Fall des MIX-Szenarios trennt sich der Pfad je nach konkreter de gekommen wäre (siehe Box „Kohle- Umsetzung langfristig in zwei mögliche Arme, die unterschiedlich zu bewerten sind. Die insgesamt vier Pfade sind in Abbil- ausstieg, Wasserbett-Effekt und MSR“). dung 2, S. 11) visualisiert. Glaubwürdigkeit des Durchsetzungs- mechanismus Erreichung dieser Ziele sicherstellt. Nur wenn eine spätere Aufweichung der Ziele Wirksame Durchsetzungsmechanismen glaubwürdig ausgeschlossen ist, werden chung der EU-weiten Ziele in diesen Be- garantieren, dass die Klimaziele tatsäch- private Investoren schnell die dringend reichen kontrollieren. Sie ist hierbei aller- lich erreicht werden. Je nach Politikfeld erforderlichen Klimaschutz-Investitionen dings auf weiche Steuerungsmechanis- (Umwelt- oder Energiepolitik) bzw. regu- tätigen. Andernfalls würden verspätete men angewiesen. Durch die fehlende lierten Akteuren (Mitgliedstaaten oder oder ganz ausbleibende Investitionen die Sanktionsmöglichkeit bei der Nichtbe- Firmen) kann auf unterschiedliche ökonomischen und politischen Kosten rücksichtigung ihrer Empfehlungen ist Durchsetzungsmechanismen zurückge- der Zielerreichung weiter erhöhen. Im die Glaubwürdigkeit der Erreichung die- griffen werden. Kern geht es bei der Etablierung eines ser Ziele als gering zu bewerten. Hier Durchsetzungsmechanismus mithin dar- würde nur eine Verschärfung der Durch- Die zentrale Herausforderung für jeden um, einen aus Mangel an Glaubwürdig- setzbarkeit etwa im Sinne der Einfüh- Durchsetzungsmechanismus besteht keit resultierenden Teufelskreis aus feh- rung eines Sanktionsmechanismus die darin, dass seine Unnachgiebigkeit von lenden Investitionen, steigenden Glaubwürdigkeit erhöhen. den regulierten Akteuren auch dann (politischen) Kosten und damit weiteren nicht bezweifelt werden darf, wenn die Verlusten an Glaubwürdigkeit zu verhin- Bewertung der Szenarien politischen bzw. ökonomischen Kosten dern. seiner Einhaltung ein sehr hohes Niveau Im Folgenden werden die drei Szenarien erreichen. Diese Glaubwürdigkeit im Zeit- Im Bereich der Erneuerbare-Energien- im Hinblick auf die oben beschriebenen ablauf (Zeitkonsistenz) erfordert, dass Richtlinie und der Energieeffizienz-Richt- Kriterien bewertet. Eine Übersicht findet die Politik sich nicht nur auf Ziele fest- linie kann die Kommission zwar die mit- sich in Tabelle 2. legt, sondern gleichzeitig auch ex ante gliedstaatlichen integrierten Energie- einen Mechanismus verankert, der die und Klimapläne im Hinblick auf die Errei- 9
BEWERTUNG DES SZENARIOS REG Im Szenario REG bleibt die Rolle der CO2-Bepreisung relativ gering und der Anwendungsbereich des ETS wird nur marginal erweitert. Dafür werden die regulativen Maßnahmen deutlich intensi- viert und die Lastenteilungsverordnung wird beibehalten. Kurzfristige Umsetzbarkeit ausfällt, stellt sich die Frage, wie mögli- che Verschärfungen der Erneuerbare- Einigungspotenzial der Mitgliedstaaten auf- Energien-Richtlinie, der Energieeffizienz- grund kompetenzieller und prozeduraler Richtlinie und der Governance-Verord- Anforderungen nung sowie der Lastenteilungsverord- nung (ESR) kompetenziell und prozedu- Vor dem Hintergrund, dass im Szenario ral zu bewerten sind. REG die Erweiterung des ETS nur gering Eine weitreichende Intensivierung von Abbildung 2: Visualisierung der korrespondierenden regulatorischen Pfade Maßnahmen in den Bereichen Energieef- fizienz und Erneuerbarer Energien – bei- Kurzfristge Umsetzbarkeit spielsweise über die Festlegung verbind- Hürden für politische Einigung licher Ziele gegenüber den Mitglieds- staaten – könnte in die Bedingungen für die Nutzung der nationalen Energieres- „Alles auf sourcen, die Wahl zwischen verschiede- Regulierung“ nen Energiequellen oder die allgemeine REG* Struktur der Energieversorgung der Mit- Langfristige Zielerreichung gliedstaaten eingreifen, so dass der so- Maßnahmen ergänzen sich und genannte energiepolitische Souveräni- können durchgesetzt werden tätsvorbehalt nach Art. 194 Abs. 2 UAbs. 2 AEUV zugunsten der Mitgliedstaaten „Das Beste aus beiden Welten“ aktiviert werden würde.8 Dann besäße die EU nicht die Kompetenz, dieses Sze- MIX* Kohärenter Mix nario umzusetzen. Abhilfe könnte durch eine Änderung des Primärrechts, zum Beispiel die Streichung des Souveräni- Inkohärenter Mix tätsvorbehalts, erzielt werden, wofür je- „Alles auf doch der Konsens unter den Mitglieds- CO2-Bepreisung“ taaten notwendig wäre, der zurzeit CPRICE* politisch höchst unwahrscheinlich ist. 2020 2030/ 2050 Eine Intensivierung könnte – und das ist * Szenario der EU Kommission politisch wahrscheinlich – durch eine 8 Die auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum vertretene Ansicht, nach der Art. 192 AEUV ebenfalls als Rechtsgrundlage für Änderungen der EE- und Energieeffizienz-Richtlinie herangezogen werden kann, bleibt in dieser Analyse unberücksichtigt, weil sie zu einem ähnlichen Ergebnis be- züglich der politischen Umsetzbarkeit führt. Nach Art. 192 Abs. 2 lit. c) AEUV müssten die Mitgliedstaaten einstimmig entscheiden, wenn ihre Energiesouveränität erheblich berührt würde. Eine einstimmige Entscheidung scheint politisch ebenso unwahrscheinlich wie eine Änderung des 10 AEUV.
Verschärfung der EU-weiten Ziele für den Im Hinblick auf das Einigungspotenzial nario in der Definition des IA keine expli- Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Mitgliedstaaten aufgrund kompeten- ziten Durchsetzungsmechanismen vor. der Energieeffizienzsteigerung erfolgen. zieller und prozeduraler Anforderung Zwei Möglichkeiten wären jedoch denk- Diesbezüglich würde der Souveränitäts- muss die politische Umsetzbarkeit des bar. Einerseits könnte eine verschärfte vorbehalt zugunsten der Mitgliedstaaten im vorliegenden Sinne „effektuierten“ Lastenteilungsverordnung als zentrales nicht greifen. Allerdings sind die Steue- Szenarios REG also als NIEDRIG bewer- Kontrollinstrument für den Nicht-ETS- rung der Mitgliedstaaten und die Durch- tet werden. Bereich fungieren. Durch die Festlegung setzung von Empfehlungen der Kommis- nationaler Treibhausgasemissions-Re- sion in der Governance-Verordnung duktionsziele und jährlicher Emissions- Einigungspotenzial der Mit- weich ausgestaltet. Um hier Glaubwür- zuweisungen entfaltet die Lastentei- gliedstaaten aufgrund Präferen- digkeit der Erreichung verschärfter EU- lungsverordnung ein hohes Maß an zen für Instrumente weiter Ziele im Erneuerbaren Energien- Verbindlichkeit für die Mitgliedstaaten. und Energieeffizienzbereich zu erzielen, Andererseits kann eine Verschärfung der Aufgrund der starken Fokussierung auf bedürfte es der Anerkennung eines Governance-Verordnung in Betracht ge- regulative Instrumente ist von einigen In- Sanktionsmechanismus bei Nichtbefol- zogen werden. In diesem Falle bräuchte teressengruppen innerhalb der Mit- gung der Empfehlungen durch die Mit- es eine Härtung der weichen Steuerung, gliedstaaten mit einer starken Oppositi- gliedstaaten im Rahmen der Gover- die etwa durch Sanktionsmechanismen on gegen das Szenario zu rechnen. Von nance-Verordnung. Diese ist schwer oder eine glaubwürdige Umsetzung ermögli- diesen Akteuren wird hauptsächlich be- gar nicht zu erreichen, wie die Verhand- chen würde. mängelt, dass regulative Instrumente lungen zur Governance-Verordnung nicht zu einer kosteneffizienten Redukti- 2018 bereits gezeigt haben. Für die im EU ETS bisher regulierten on der Emissionen führen. Außerdem Sektoren, ergänzt um die intra-EU-Schiff- wird ihre Intransparenz hinsichtlich der Eine Änderung der Lastenteilungsverord- fahrt, besteht durch dieses Instrument ökonomischen Kosten kritisiert, die im nung in Form einer Verschärfung des bereits ein Durchsetzungsmechanismus. Kontrast zur hohen Transparenz eines EU-weiten Treibhausgas-Minderungsziels Entscheidend für die Glaubwürdigkeit CO2-Preises stehe. und der Erhöhung der THG-Minderungs- des Mechanismus ist die politische Be- pflichten der Mitgliedstaaten wäre – wie reitschaft, hohe CO2-Preise zuzulassen Im Hinblick auf das Einigungspotenzial bei ihrem ursprünglichen Erlass – auf die bzw. die Kosten für Nicht-Erfüllung ent- angesichts unterschiedlicher Präferen- Umweltkompetenz des Art. 192 Abs. 1 sprechend anzuheben. Selbst bei einer zen für Instrumente muss die politische AEUV zu stützen. Nachdem im REG-Sze- deutlichen Steigerung des Ambitionsni- Umsetzbarkeit des Szenarios REG also nario Teile der Energiewirtschaft und die veaus sind im REG-Szenario jedoch nur ebenfalls als NIEDRIG eingeschätzt wer- Sektoren Gebäude und Verkehr unter vergleichsweise moderate Anstiege des den. der Lastenteilungsordnung verblieben CO2-Preises zu erwarten, da zusätzliche und nicht unter einen erweiterten ETS Technologiepolitiken, wie zum Beispiel Langfristige Zielerreichung fallen würden, müssten die Mitgliedstaa- Carbon Contracts for Differences ten entsprechend ihre sektoralen Minde- (CCfDs), gezielt Innovationen zur Emissi- Kohärenz rungsziele und Politiken anpassen. Stützt onsminderung anreizen. Insofern er- die EU die Lastenteilungsverordnung scheint der zukünftige politische Druck Ein wie beschrieben effektuiertes REG- weiterhin auf Art. 192 Abs. 1 AEUV in den ETS-Sektoren eher moderat und Szenario kann als ein in sich kohärentes (Mehrheitsentscheidung) und berück- die Glaubwürdigkeit der Zielerreichung Regulierungspaket gesehen werden. Die sichtigt Art. 192 Abs. 2 lit. c) AEUV (Ein- hoch. Diese Einschätzung gilt jedoch nur, Schwerpunktsetzung auf regulative Maß- stimmigkeit) nicht, steigt aufgrund der wenn von ergänzenden (regulativen) nahmen innerhalb der Bereiche Erneuer- prognostizierten hohen Anpassungsin- Maßnahmen verlässlich erwartet werden bare Energien und Energieeffizienz wei- tensität das Risiko, dass die Mitglieds- kann, dass sie zu einem deutlichen Rück- sen diese Maßnahmen als klare Leit- taaten eine Erhöhung der mitgliedstaat- gang der Emissionen führen. Ist dies instrumente aus. Das ETS als zusätzli- lichen Reduktionsziele nach der nicht der Fall, gewinnt die Bereitschaft, ches Instrument hat eine ergänzende, Lastenteilungsverordnung vor dem hohe CO2-Preise hinzunehmen, entspre- nur teilweise überschneidende Wirkung. EuGH angreifen. Dieser hat noch nicht chend an Bedeutung. Zusammenfassend kann die Kohärenz abschließend geklärt, wann die Schwelle des REG-Szenarios damit als HOCH ein- hin zu einem „erheblichen Berühren“ Damit kann die Glaubwürdigkeit der geschätzt werden. der Energiesouveränität der Mitglieds- Durchsetzungsmechanismen in einem taaten i.S.v. Art. 192 Abs. 2 lit. c) AEUV effektuierten REG-Szenario als HOCH Glaubwürdigkeit des Durchsetzungs- überschritten ist. Zieht die EU Art. 192 eingeschätzt werden. mechanismus Abs. 2 lit. c) AEUV sofort heran, sieht sie sich mit dem Erfordernis konfrontiert, Für die Politikbereiche Erneuerbare Einstimmigkeit für sehr stark erhöhte Energien und Energieeffizienz bzw. die mitgliedstaatliche Minderungsziele zu er- Sektoren Verkehr, Gebäude und sonstige reichen. Industrien (Nicht-ETS) gibt das REG-Sze- 11
BEWERTUNG DES SZENARIOS CPRICE Im Szenario CPRICE wird die CO2-Bepreisung über ein erweitertes Emissionshandelssystem zum zentralen Instrument. Der Anwendungsbereich des ETS wird stark ausgeweitet und beinhaltet als neue Sektoren die intra-EU-Schifffahrt, Gebäude und Verkehr, wobei die letztgenannten Sek- toren im Gegenzug aus der Lastenteilungsverordnung entfernt werden. Kurzfristige Umsetzbarkeit Abs. 2 lit. a) AEUV bzw. Art. 113 AEUV. Zu- dem plant die EU-Kommission einen Vor- Einigungspotenzial der Mitgliedstaaten auf- schlag für CO2-bezogene Abgaben zu un- grund kompetenzieller und prozeduraler terbreiten, die in das Eigenmittelsystem Anforderungen der EU einzuordnen wären. Nach Art. 311 AEUV wird die Einführung eines neuen Das Szenario CPRICE wäre als intensi- Eigenmittels (Abgabe oder Zoll) durch ei- vierte Klimagesetzgebung maßgeblich nen sogenannten Eigenmittelbeschluss auf die umweltpolitische Rechtsetzungs- in einem besonderen Verfahren umge- kompetenz der EU zu stützen. Bei der setzt. Der Rat erlässt dabei nach Anhö- Anwendung – und je nach konkreter rung des Europäischen Parlaments ein- Ausgestaltung des ETS – ist der in stimmig einen Beschluss, der an- Art. 192 Abs. 2 AEUV verankerte Einstim- schließend der Zustimmung aller Mit- migkeitsvorbehalt (kein ordentliches Ge- gliedstaaten nach ihren jeweiligen natio- setzgebungsverfahren, sondern einstim- nalen Vorschriften bedarf. miger Beschluss des Rates nach Anhörung des Europäischen Parlaments) Angesichts dieser prozeduralen Anforde- in zweifacher Hinsicht zu beachten: So rungen muss die politische Realisierbar- könnte eine Klimaschutzgesetzgebung keit des CPRICE-Szenarios also als NIED- der EU, die auf das EU ETS als Hauptin- RIG eingeschätzt werden. strument setzt und dabei die Mechanis- men der Lastenteilungsverordnung Einigungspotenzial der Mitgliedstaaten ebenso ausschließt wie weitere nationale aufgrund Präferenzen für Instrumente Maßnahmen, so stark die Handlungs- spielräume der Mitgliedsstaaten begren- Aufgrund der starken Fokussierung auf zen, dass diese sich womöglich vor dem preisbasierte Instrumente ist innerhalb EuGH auf den Einstimmigkeitsvorbehalt einiger Mitgliedstaaten mit einer starken aus Art. 192 Abs. 2 lit. c) AEUV berufen Opposition gegen das Szenario zu rech- würden (s.o. zu REG). Wird ferner nicht nen: Erstens gibt es eine hohe Skepsis nur auf den Emissionshandel, sondern hinsichtlich der Wirksamkeit von CO2- auch auf steuerrechtliche Instrumente Preisen, was das Instrument umstritten gesetzt, wie etwa im Rahmen der Reform macht. Zweitens werden hohe CO2-Preise der Energiesteuer-Richtlinie, so greift der als Gefahr für die internationale Wettbe- Einstimmigkeitsvorbehalt gem. Art. 192 werbsfähigkeit von Unternehmen gese- 12
hen. Drittens führt ein hoher CO2-Preis, knüpfen. Dadurch kann eine kohärente glaubwürdiger Durchsetzungsmechanis- wenn die Einnahmen aus der CO2-Beprei- und kosteneffiziente Klimapolitik erreicht mus bleibt, ist es daher essenziell, die sung nicht gezielt für Ausgleichsmaß- werden – mit einem einheitlichen CO2- politische Bereitschaft für hohe CO2-Prei- nahmen verwendet werden, zu hohen Preis über alle Mitgliedstaaten und Sek- se zuzlassen: Weil der CO2-Preis das zen- (negativen) Verteilungswirkungen, da är- toren hinweg. trale Leitinstrument ist, und andere mere Mitgliedstaaten und Haushalte ver- Durchsetzungsmechanismen nicht zur gleichsweise stärker betroffen sind. Die Kohärenz des CPRICE-Szenarios Verfügung stehen, ist es zwingend erfor- kann damit als HOCH eingeschätzt wer- derlich, dass der Preis jenes Level errei- Im Hinblick auf das Einigungspotenzial den. chen kann, das für die Zielerreichung er- angesichts vorhandener Präferenzen für forderlich ist. Instrumente muss die politische Umsetz- Glaubwürdigkeit des Durchsetzungs- barkeit des CPRICE-Szenarios also eben- mechanismus Die Schaffung der entsprechenden Ak- falls als NIEDRIG eingeschätzt werden. zeptanz ist zwar mit großen politischen Der zentrale Durchsetzungsmechanis- Hürden verbunden (siehe oben), doch mus dieses Szenarios ist der auf (fast) wenn deren Überwindung gelingt, würde Langfristige Zielerreichung alle Sektoren ausgeweitete Emissions- dies im direkten Gegenzug eine HOHE handel. Angesichts relativ niedriger Glaubwürdigkeit des Durchsetzungsme- Kohärenz Preiselastizitäten der Nachfrage nach chanismus mit sich bringen. Zertifikaten in den Sektoren Gebäude Das CPRICE Szenario zeichnet sich durch und Verkehr ist davon auszugehen, dass eine hohe Kohärenz aus. Das Leitinstru- der CO2-Preis relativ stark ansteigen ment ist die CO2-Bepreisung im Rahmen wird. Damit das ETS auch in einer Phase des ETS. Zusätzliche Instrumente, die er- drastischer Emissionsminderungen ein forderlich werden, können an dieses an- 13
BEWERTUNG DES SZENARIOS MIX Im Szenario MIX werden sowohl die regulativen Maßnahmen intensiviert als auch der Anwen- dungsbereich des ETS auf die Sektoren Gebäude und Verkehr ausgeweitet. Die Lastenteilungs- verordnung bleibt aber parallel weiterhin bestehen. Kurzfristige Umsetzbarkeit petenz zugunsten der Mitgliedstaaten andererseits spielen im Szenario MIX ver- Einigungspotenzial der Mitgliedstaaten auf- mutlich keine Rolle: Das Maß der Intensi- grund kompetenzieller und prozeduraler vierung soll im Rahmen der Änderung Anforderungen bestehender Maßnahmen eher im mitt- leren Bereich gehalten werden, so dass Die Maßnahmen im Szenario MIX kön- nationale Entscheidungs- und Hand- nen in Abhängigkeit von ihrem Schwer- lungsspielräume erhalten bleiben. Dies punkt auf die Umwelt- und Energiekom- zeigt sich zum Beispiel in der Beibehal- petenz gestützt werden (gegebenenfalls tung der Anwendung der Lastenteilungs- auch auf die Steuerkompetenz nach Art verordnung, auch wenn das ETS auf an- 113 AEUV, je nach Ausgestaltung des dere Sektoren ausgeweitet wird. ETS). Die in der Analyse der Szenarien REG und CPRICE aufgezeigten Vorbehal- Einstimmigkeitserfordernisse würden te hinsichtlich eines Einstimmigkeitser- sich bei den bisher bekannt gewordenen fordernisses im Rat einerseits und einer Ansätzen wohl allenfalls für steuerrecht- Einschränkung der Gesetzgebungskom- liche Maßnahmen ergeben. Die Notwen- digkeit einer späteren Nachbesserung der Reform ist jedoch sehr wahrschein- IMPLEMENTIERUNGSSZENARIO „KOHÄRENTER lich. Je mehr die jeweiligen Eingriffstiefen dann ein Niveau wie in den Szenarien POLITIKMIX“ REG oder CPRICE erreichen, desto wahr- In einem kohärenten Politikmix werden alle Marktversagen adressiert, aber keine scheinlicher werden Veränderungen der doppelt. Die notwendigen flankierenden Maßnahmen (zusätzlich zum CO2-Preis) Gesetzgebungskompetenz oder des Ab- sollen deshalb einerseits konkrete Hemmnisse und zusätzliche Marktversagen stimmungsmodus in Richtung Souverä- adressieren, die nicht durch den CO2-Preis behoben werden. Beispiele sind öffentli- nitätsvorbehalt und Einstimmigkeit. Bei che Güter, Learning-by-doing sowie Innovationsförderung. Andererseits sind zu- geringer Eingriffstiefe ist das Einigungs- sätzliche Instrumente notwendig für den Ausgleich sozialer Lasten oder den potenzial der Mitgliedstaaten hoch; die- Schutz vulnerabler Gruppen, die durch Klimapolitik beeinträchtigt werden. ses nimmt jedoch mit Erhöhung der Ein- griffstiefe wie oben bei den Szenarien Wichtig für einen erfolgreichen kohärenten Politikmix ist andererseits, dass das REG und CPRICE beschrieben ab. Im Hin- Monitoring und Management der Politikinteraktionen langfristig gewährleistet blick auf das Einigungspotenzial der Mit- werden. Es braucht einen «Kohärenzprozess», der bei Bedarf nachsteuert. Dadurch gliedstaaten kann die politische Umsetz- können überlappende Politiken auch als Absicherung dienen, falls ein Instrument barkeit des Szenario MIX also zumindest versagt. anfänglich als MITTEL eingeschätzt wer- . den. 14
Einigungspotenzial der Mitgliedstaaten aufgrund Präferenzen für Instrumente IMPLEMENTIERUNGSSZENARIO „INKOHÄRENTER POLITIKMIX“ Da das MIX-Szenario Elemente von REG In einem inkohärenten Politikmix wird der Interaktion zwischen den Instrumenten und CPRICE enthält, ist es wahrschein- zu wenig Beachtung geschenkt. Dies kann zu (unerwarteten) negativen Auswirkun- lich, damit einen politischen Kompro- gen führen: Wenn zusätzliche Politiken den CO2-Preis reduzieren, verringert das miss zu erzielen: Ein einheitliches Emissi- dessen Lenkungswirkung und der Emissionshandel läuft Gefahr, in die „politische onshandelssystem verspricht grund- Irrelevanz“ abzudriften. Mit anderen Worten: Zusätzliche Politiken verschleiern sätzlich hohe Kosteneffizienz, diese wird kurzfristig die hohen Kosten von effektiver Klimapolitik. Dadurch ist ein Politikmix jedoch durch die Beibehaltung der natio- kurzfristig zwar einfacher umsetzbar („Vorteile sind offensichtlich“). Aber die lang- nalen Ziele im Rahmen der Lastentei- fristige Zielerreichung ist gefährdet, da die Akzeptanz für hohe politische und öko- lungsverordnung gemindert. Gleichzeitig nomische Anstrengungen nicht geschaffen wurde („Gefahren sind versteckt“). führt die Kombination verschiedener In- strumente zu niedrigeren CO2-Preisen. den könnte (Implementierungsszenarien entierung. Das MIX-Szenario erfordert ei- Die Einschätzung der Wirksamkeit des für das MIX-Szenario). nen deutlich transparenteren Umgang MIX-Szenarios hängt stark von den An- mit den Annahmen und Erwartungen nahmen bezüglich der Politikinteraktio- In Anbetracht der positiven Bewertung und ist deutlich anspruchsvoller im Hin- nen ab: Einerseits können regulative des MIX-Szenarios (im Vergleich zu den blick auf das Management der Instru- Maßnahmen die Vermeidung dort anrei- anderen Szenarien) im Impact Assess- mente und ihrer Wechselwirkungen. Es zen, wo der CO2-Preis nicht wirkt; ande- ment der EU-Kommission möchten wir ist deshalb beim MIX-Szenario wahr- rerseits führen überlappende Politiken hier auf die versteckten Gefahren dieses scheinlich, dass ein Bedarf zur Nachregu- aber auch zu tieferen CO2-Preisen und Szenarios hinweisen. Insbesondere wird lierung in hohem Ausmaß entsteht – vermindern dadurch dessen Wirksam- dadurch offengelegt, dass im MIX-Szena- und diese Nachregulierung jeweils dort keit. Somit gibt es für dieses Szenario rio die Annahmen und Erwartungen erfolgt, wo die politischen Widerstände weder eine starke Pro- noch eine starke deutlich transparenter dazulegen sind am geringsten sind. Genau das kann Contra-Koalition. Im Hinblick auf dieses als in den beiden anderen Szenarien. dazu führen, dass sich der Mix nicht ziel- Kriterium muss die politische Umsetz- Dies spricht jedoch nicht grundsätzlich gerichtet entwickelt. Ein kohärenter Mix, barkeit also ebenfalls als MITTEL einge- gegen MIX: In den Schlussfolgerungen wie oben beschrieben, könnte dieser Ge- schätzt werden. kommen wir daher darauf zurück, was fahr entgegenwirken. In diesem Fall notwendig wäre, um diese Gefahren zu kann die Kohärenz des MIX-Szenarios als Langfristige Zielerreichung - vermeiden und einen „best case“ von MITTEL eingestuft werden. Im Falle eines MIX erfordert Szenarien zum MIX zu erreichen. Somit beurteilen wir inkohärenten Mixes muss – wie es der Szenario die Wahrscheinlichkeit der langfristigen Name schon sagt – die Kohärenz des Zielerreichung wie folgt: Szenarios als NIEDRIG eingeschätzt wer- Bei den oben beschriebenen Extremsze- den. narien (REG und CPRICE) sind die jeweili- Kohärenz ge Regulierungsphilosophie und somit Glaubwürdigkeit des Durchsetzungs- auch deren Vor- und Nachteile relativ Im MIX-Szenario ist die Gefahr der Inko- mechanismus klar. Anders stellt sich die Situation beim härenz bzw. die Anforderung an die Her- Szenario MIX dar. Da die detaillierte Aus- stellung von Kohärenz grundsätzlich am Wie bei CPRICE fungiert auch im MIX- gestaltung der Politiken bzw. die innere größten, da es kein Leitinstrument gibt, Szenario der auf (fast) alle Sektoren aus- Logik für deren Zusammenspiel noch an das die anderen Instrumente anknüp- geweitete Emissionshandel als übergrei- nicht definiert wurde, ist a priori nicht er- fen können. Außerdem wird weniger fender Durchsetzungsmechanismus. An- sichtlich, ob eine Reform des regulatori- deutlich, welches Instrument welchen ders als bei CPRICE wird jedoch die Höhe schen Rahmens in Einklang mit diesem Teil der Minderung erbringen soll, und des CO2-Preises davon beeinflusst, wie Szenario zu einem kohärenten Politikmix ob ein Instrument hinter den damit ver- wirksam der Instrumentenmix tatsäch- mit klar definierten Durchsetzungsme- bundenen Zielen und Erwartungen zu- lich sein wird, was wiederum sowohl von chanismen („Das Beste aus beiden Wel- rückbleibt, was auch im Nachhinein den Instrumenten selbst als auch von ten“ bzw. „best case“) oder zu einem in- schwer zu messen ist. Im Prinzip kann deren Kohärenz abhängt. kohärenten Politikmix mit überlap- eine Kohärenz zwischen den einzelnen penden Durchsetzungsmechanismen Instrumenten zwar durch gesonderte Durch den doppelten Boden bzw. den („Unbekömmliche Mischung“ bzw. Prüfung jeder Maßnahme an sich und ih- zweifachen Durchsetzungsmechanismus „worst case“) führen wird (siehe Box). rer Wirkung im logischen Zusammen- (Lastenteilungsverordnung und umfas- hang mit den anderen Maßnahmen her- sendes ETS) sieht es beim MIX auf den Es ist für die Bewertung also notwendig, gestellt werden; das Problem liegt ersten Blick so aus, als ob die Zielerrei- eine Fallunterscheidung vorzunehmen, hierbei jedoch in der Komplexität der chung weniger herausfordernd sei. Ins- wie das MIX-Szenario implementiert wer- Prüfung und einer gemeinsamen Zielori- besondere würde die Intensivierung der 15
Maßnahmen in den Bereichen Energieef- doch erst im Lauf der Zeit zeigen. Ent- CO2-Preise. Da diese erst später sichtbar fizienz, Erneuerbare Energien und Ver- sprechend besteht die Gefahr, dass die würden, wird die Diskussion in die Zu- kehr dafür sorgen, dass der CO2-Preis im Lastenteilungs- und die Governance-Ver- kunft verschoben. ETS weniger stark ansteigt als im CPRI- ordnung im MIX-Szenario nicht refor- CE-Szenario. Die große Unbekannte ist miert werden, da diesen Bereichen keine Die Glaubwürdigkeit der Durchsetzungs- dabei allerdings, ob der CO2-Preis im ETS so große Rolle zugeordnet wird wie im mechanismen im „worst case“ kann da- und die flankierenden Maßnahmen die REG-Szenario. Die Glaubwürdigkeit der mit als NIEDRIG eingeschätzt werden. nötige Dynamik bei der Emissionsminde- entsprechenden Durchsetzungsmecha- Durch eine gut überlegte Ausgestaltung rung entfachen können. Sollte die Wir- nismen ist daher entsprechend niedrig. des Politikmixes kann diesem Risiko je- kung weiterhin niedrig bleiben, wäre doch entgegengewirkt werden. Sollte es auch im MIX-Szenario eine Bereitschaft Die wesentliche Gefahr des MIX-Szenari- gelingen, einen kohärenten Mix zu imple- nötig, hohe CO2-Preise zu akzeptieren. In os kommt also dadurch zustande, dass mentieren, kann die Glaubwürdigkeit diesem Fall würden die Lastenteilungs- seine im Vergleich geringere konzeptio- des Durchsetzungsmechanismus und so- und Governance-Verordnungen als „dop- nelle Klarheit und Transparenz den An- mit die Wahrscheinlichkeit der Zielerrei- pelter Boden“ relevant, um Mitgliedstaa- schein erweckt, als ob die Zielerreichung chung als HOCH eingeschätzt werden. ten dazu zu bringen, ihre Maßnahmen zu zumindest politisch kein Problem sei. Um verstärken. Ob und in welchem Ausmaß diese zu garantieren, erfordert jedoch das letztendlich nötig ist, wird sich je- auch das Szenario MIX potenziell hohe 16
ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG DER SZENARIEN Um das erhöhte EU-Klimaschutzziel von minus 55 Prozent im Jahr 2030 und die vollständige Kli- maneutralität der EU bis zum Jahr 2050 zu erreichen, sind zweifelsohne außerordentliche An- strengungen erforderlich. Die vorliegende Analyse adressiert sowohl die kurzfristige politische Umsetzbarkeit als auch die langfristige Glaubwürdigkeit der Zielerreichung für die wichtigsten drei Szenarien des im September 2020 von der EU-Kommission vorgelegten Impact Assess- ments. Große Unterschiede sind bereits in den impliziten Regulierungsphilosophien erkennbar: Während REG „Alles auf Regulierung“ und CPRICE „Alles auf CO2-Bepreisung“ setzt, verspricht MIX „Das Beste aus beiden Welten“. In diesem Sinne handelt es sich bei REG und CPRICE also um Extremszenarien mit klaren Leitinstrumenten, die ein entsprechend geringes politisches Eini- gungspotenzial besitzen. Im Gegensatz dazu verfügt MIX über ein hohes Konsenspotenzial, was seine politische Umsetzbarkeit begünstigt. Insofern ist es nicht überraschend, dass sich in der öf- fentlichen Debatte zur Überarbeitung des regulatorischen Rahmens der Klimapolitik eine zuneh- mende Zustimmung für dieses Szenario abzeichnet. Doch der im MIX-Szenario angelegte Weg des geringsten Widerstands birgt langfristig die größten Risiken. Die Risiken des MIX-Szenarios offenba- bleibt im Falle des MIX-Szenarios offen, ren sich vor allem im Kontrast zu den wie die Kohärenz gewährleistet werden beiden Extremszenarien: Für deren je- kann, gerade auch hinsichtlich der relati- weilige Umsetzung sind zwar unmittel- ven Rolle von einander überlappenden bar große politische Anstrengungen ent- und gegebenenfalls sogar gegenläufigen weder in Form der Duldung von hohen Steuerungsmechanismen (EU ETS und CO2-Preisen (CPRICE) und damit mögli- Lastenteilungsverordnung). cherweise der Erreichung von Einstim- migkeit im Rat erforderlich oder die Ver- Sollte die Kommission die EU-Klima- und schärfung der Kontroll- und Energiepolitik entlang von MIX weiter Sanktionsmöglichkeiten durch die EU- entwickeln, ohne die aus Überlappungen Kommission (REG) notwendig. Gelänge und bestehenden und neu entstehenden es allerdings, diese spezifischen Hürden Inkohärenzen resultierende Minderung zu überwinden, so könnte die in beiden der Effektivität systematisch zu beseiti- Szenarien vorhandene Klarheit über das gen, besteht ein erhebliches Risiko, dass jeweilige Leitinstrument große Kohärenz die EU-Klimaziele verfehlt werden. In an- und Glaubwürdigkeit für die Mitglieds- deren Worten: Läuft MIX lediglich auf taaten erzeugen und letztlich auch An- „mehr vom Gleichen“ hinaus, dann ist reize für die notwendigen Investitionen die Gefahr sehr groß, dass das Ergebnis aus der Wirtschaft befördern. Die strate- nicht das „Beste aus zwei Welten“ sein gische Wahl eines Leitinstruments er- wird, sondern vielmehr „das Schlechtes- höht die Wahrscheinlichkeit der Zielerrei- te aus zwei Welten“. Das ist das Kerner- chung deutlich. Im Gegensatz dazu gebnis der vorhergehenden Analyse. 17
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