Bacon - Giacometti - Fondation Beyeler
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Medienmitteilung Bacon – Giacometti 29. April – 2. September 2018 Mit Alberto Giacometti und Francis Bacon präsentiert die Fondation Beyeler ab dem 29. April 2018 zwei herausragende Protagonisten der Moderne, Freunde und Rivalen gleichermassen, deren schöpferische Visionen die Kunst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis heute stark beeinflussen. Zum ersten Mal überhaupt widmet sich eine Museumsausstellung diesen beiden Künstlerpersönlichkeiten gemeinsam und beleuchtet ihre Beziehung zueinander. So unterschiedlich ihr Schaffen auf den ersten Blick erscheint, werden durch diese überraschende Gegenüberstellung erstaunliche Gemeinsamkeiten offenbar. Die Ausstellung umfasst bekannte Schlüsselwerke und wird ergänzt mit selten gezeigten Werken beider Künstler. Besonders hervorzuheben sind eine Reihe von Originalgipsen aus Giacomettis Nachlass, die noch nie zuvor der Öffentlichkeit gezeigt wurden sowie die Präsentation von vier grossen Triptychen Bacons. Ein Multimediaraum bietet spektakulären Einblick in die Ateliers beider Künstler. Die Ausstellung wird von der Fondation Beyeler in Zusammenarbeit mit der Fondation Giacometti, Paris organisiert. Der britische Maler und der Schweizer Bildhauer lernten sich Anfang der 1960er-Jahre durch eine gemeinsame Freundin, die Malerin Isabel Rawsthorne, kennen. 1965 waren sie bereits so gut miteinander befreundet, dass Bacon Giacometti in der Tate Gallery in London besuchte, während dieser dort seine Ausstellung einrichtete. Eine Serie von Aufnahmen des englischen Fotografen Graham Keen dokumentiert diese Begegnung und zeigt beide Künstler in einen anregenden Dialog vertieft. Mehr als ein halbes Jahrhundert später treffen nun diese beiden bedeutenden Künstler in der Fondation Beyeler wieder aufeinander und das erwähnte Doppelporträt bildet den Auftakt der Ausstellung. Die überraschende Gegenüberstellung offenbart erstaunliche Gemeinsamkeiten Die Kuratoren Catherine Grenier, Direktorin der Fondation Giacometti in Paris, Michael Peppiatt, Bacon- Kenner und persönlicher Freund des Künstlers, und Ulf Küster, Kurator an der Fondation Beyeler, bringen in der rund 100 Werke umfassenden Ausstellung erstaunliche Gemeinsamkeiten zum Vorschein: Bacon und Giacometti teilten einen unerschütterlichen Glauben an die Bedeutung der menschlichen Figur. Intensiv beschäftigten sie sich mit der Rolle der Tradition, denn beide studierten, kopierten und paraphrasierten die alten Meister. Beide interessierten sich für die Herausforderung der zweidimensionalen und dreidimensionalen Darstellung von Raum, wobei sie käfigartige Gebilde in ihre Werke integrierten, um die Figuren in ihrer Umgebung zu isolieren. Zudem befassten sie sich mit dem fragmentierten und deformierten Körper und wandten sich obsessiv dem Porträt und der damit verbundenen Darstellung menschlicher Individualität zu. Jeder der beiden reklamierte für sich, ein «Realist» zu sein. Und obwohl sie sich immer auf die menschliche Figur bezogen, steigerten sie deren Abstraktion ins Extreme, jeder auf seine Weise. Damit stellten Bacon und Giacometti den Gegensatz zwischen Figuration und Abstraktion infrage, der für die Geschichte der modernen Kunst zentral gewesen ist. In den neun Sälen der thematisch kuratierten Ausstellung werden Werke von Giacometti und Bacon nebeneinander präsentiert. Dadurch werden die Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten der beiden Künstler deutlich; Besonderheiten werden betont, etwa die oft leuchtenden Farben bei Bacon und das stark differenzierte Grau, das die Arbeiten Giacomettis charakterisiert. Der Rundgang beginnt mit Porträts der Malerin Isabel Rawsthorne, die mit Giacometti und Bacon eng befreundet und zeitweilig die Geliebte Giacomettis war. Für beide Künstler stand sie Modell, für beide war sie Muse. Beide überhöhten Rawsthorne auf eigentümliche Weise: aus unterschiedlicher Distanz von Giacometti betrachtet und als furienhafte «Femme fatale» inszeniert bei Bacon. Giacometti und Bacon beschäftigten sich zeit ihres Lebens mit der Darstellung von Figuren im Raum, Giacometti in der Dreidimensionalität seiner Plastiken, Bacon in zweidimensionalen Gemälden. Diesem Aspekt ihres Schaffens ist der anschliessende Saal gewidmet. Giacometti konstruierte eine Reihe von
Gestellen, eines davon nannte er La Cage (1950), das als Gipsversion und Bronzeguss zu sehen sein wird. Zwei weitere Raumkonstruktionen Giacomettis werden ausgestellt: Eine der berühmtesten surrealistischen Skulpturen, die legendäre Boule suspendue (1930); ebenso einfach konstruiert wie erotisch aufgeladen, beflügelte sie die Fantasie von Generationen von Kunstliebhabern. Ausserdem wird der Originalgips von Le Nez (1947-49) präsentiert, ein in einer Drahtkonstruktion hängender, im Schrei erstarrter Kopf mit extrem langer Nase, der den Betrachter unweigerlich an die Kinderbuchfigur Pinocchio erinnert. Auf der anderen Seite Bacon, der seine gemalten Figuren oft in illusionistische Raumkonstruktionen platzierte, um sie stärker in den Fokus zu rücken, wie er einmal sagte. Allerdings lässt dies seine Bilder «extrem skulptural» erscheinen, wie Louise Bourgeois bemerkte. Vor allem sticht in diesem Ausstellungssaal ein selten gezeigtes Werk Bacons mit dem Titel Figure in Movement (1972) aus einer Privatsammlung ins Auge: im Zentrum steht ein schwer zu definierendes anthropomorphes Geschöpf, das durch den «Käfig», in den es gesetzt ist, ausserordentlich dynamisch und plastisch wirkt. Die Raumgebilde, in denen sich viele Figuren Bacons zu befinden scheinen, symbolisieren gleichsam das Gefangensein des Menschen in Repression und Zwang, das sich im Schrei Bahn bricht. Dies ist Thema des sich anschliessenden Saals. Ausgehend von zwei historischen Vorbildern, hat Bacon die Ausdrucksformen für innere Zwänge, seelischen und körperlichen Schmerz immer wieder ausgelotet. Zum einen wurde er durch Velázquez’ Porträt von Papst Innozenz X (1650) inspiriert, das ihm wie eine Ikone der Verbildlichung von Repression und Machtmissbrauch erschien. Zum anderen paraphrasierte er vielfach das berühmte Filmstill der von einer Kugel im Auge getroffenen, schreienden Krankenschwester aus Sergei Eisensteins Film Panzerkreuzer Potemkin (1925). Sehr oft kombinierte Bacon beide Vorlagen, so in den hier ausgestellten Gemälden Study for Portrait VII (1953) aus dem Museum of Modern Art, New York, und Figure with Meat (1954) aus dem Art Institute in Chicago. Den Bildern Bacons ist eine Auswahl später gemalter und plastischer Porträts von Giacometti gegenübergestellt. Während das Expressive und Zwanghaft-Extrovertierte der Darstellungen Bacons den Betrachter sofort in ihren Bann ziehen, kennzeichnen die Porträts Giacomettis eine Zurückhaltung, die nicht weniger hypnotisierend wirkt: Auch diese Personen veranschaulichen eine Situation, die von Zwang geprägt ist, ihnen scheint der Druck eingeschrieben zu sein, den der Künstler auf seine Modelle ausübte, indem er sie zu absolutem Stillsitzen nötigte. Dieser Druck wandte sich auch gegen Giacometti selbst, der – sein vermeintliches Nicht-Können verfluchend – die Bilder immer wieder von Neuem begann, bis die Porträts radikal reduziert und extrem verdichtet waren, so etwa nachzuvollziehen bei Annette assise dans l’atelier (um 1960), einer Leihgabe aus der Fondation Giacometti, Paris. Das fortgesetzte Scheitern Giacomettis war Programm. Hätte er nicht ständig das Gefühl gehabt zu scheitern, hätte ihm womöglich der Impuls gefehlt weiterzumachen. Arbeiten scheint für ihn zu einem guten Teil auch die Suche nach persönlicher Grenzüberschreitung gewesen zu sein, so, als habe er sich für sein Künstlerdasein bestrafen wollen. Dies traf wohl auch auf Bacon zu, auch wenn sich in dessen Bildern die Aggression vor allem nach aussen zu richten scheint. Die Gattung, in der sich die künstlerischen Obsessionen der beiden Künstler und das Ringen um ihr jeweiliges Konzept von Realismus am eindrücklichsten offenbaren, ist das «Porträt». Im darauffolgenden Saal sind eine Reihe skulpturaler Werke Giacomettis – vor allem Originalgipse – kleinformatigen Porträts Bacons gegenübergestellt. Darunter befinden sich vier kleine Triptychen, deren Form Bacon von mittelalterlichen Flügelaltären übernommen hat. Sie eröffneten ihm die Möglichkeit, noch mehr Facetten seiner Modelle zu verbildlichen und sie dabei zu verfremden. Eines der berühmtesten Spätwerke von Giacometti ist hier ebenfalls zu sehen: der Originalgips von Grande tête mince (1954), eigentlich ein Porträt des Bruders Diego. Das Werk, flach und voluminös zugleich, spielt mit Zwei- und Dreidimensionalität und so mit den Prinzipien von Malerei und Skulptur. Ein Highlight unter den Bacon-Bildern in diesem Saal ist das selten ausgestellte, entrückt wirkende Self-Portrait von 1987 aus einer Privatsammlung.
Der anschliessende Saal öffnet den Blick zunächst auf eine Gruppe von stehenden Frauengestalten Giacomettis, von denen der grösste Teil zu den Femmes de Venise gehört, die der Künstler 1956 für die Biennale in Venedig geschaffen hat. Die Figuren wirken wie äusserst konzentrierte und verdichtete Kraftzentren: Die schrundigen, fragmentarischen Oberflächen lassen sich schwer fassen, es vermittelt sich der Eindruck von einer dynamischen Ruhe. Diese Anmutung verströmen in noch viel grösserem Masse auch die Figuren, die Giacometti Anfang der 1960er-Jahre für die Chase Manhattan Plaza in New York gestaltete, ein Projekt, das allerdings nie ausgeführt wurde. Das bedeutendste Werk Giacomettis ist hier die Gipsversion des ikonischen Homme qui marche II von 1960, die zusammen mit dem Bronzeguss aus der Sammlung Beyeler ausgestellt wird. Auffallend ist in diesem Saal eine Auswahl der eindrücklichen Triptychen Francis Bacons, zusammen mit einigen seiner grossformatigen Einzelbildkompositionen. Ähnlich wie Giacometti scheint Bacon mit dem Gedanken gespielt zu haben, die traditionellen Bildgrenzen zu sprengen: Ziel war die Darstellung von Dynamik, die Vermittlung einer sich dem Betrachter mitteilenden Bewegung, obwohl dies im statischen Kunstwerk nicht möglich ist. Besonders sticht unter diesen gemalten Bewegungsstudien das Triptychon Three Studies of Figures on Beds (1972) aus der Esther Grether Familiensammlung hervor. Bacon bedient sich hier des stilistischen Mittels von kreisenden Pfeilen, mit denen er die Bewegungsrichtung der drei ineinander verschlungenen Figurenknäuel unterstreicht. Im vorletzten Saal der Ausstellung wird das Nebeneinander von Intensität, Leidenschaft und Aggression im Werk beider Künstler thematisiert. Die tiefen Narben, die Giacomettis Attacken mit dem Modelliermesser auf seinen Gipsbüsten hinterlassen haben, zeugen von grosser Aggression, die möglicherweise gegen das Modell, mit Sicherheit aber gegen seine künstlerische Arbeit und damit gegen sich selbst gerichtet war, so etwa im Falle von Buste d’Annette IV (1962). Ähnliche Gedanken drängen sich bei der Betrachtung von Bacons Bildern auf: Mit frappierender Unbarmherzigkeit scheinen hier Körper verformt und Gesichter verzerrt zu worden zu sein. Es ist erstaunlich zu sehen, wie beide Künstler etablierte ästhetische Kategorien in ihren Werken aushebelten. Was Bacon und Giacometti hier sichtbar machen, sind die dunklen Seiten der menschlichen Existenz. Spektakulären Einblick in die Ateliers bietet der Multimediaraum Für Bacon und Giacometti war das jeweils sehr kleine und karge Atelier ein besonderer Ort – ein Ort des Chaos, der grosse Kunst hervorbrachte. Einen faszinierenden Einblick in diesen Kosmos gewährt der Multimediaraum im letzten Saal, der eigens für die Ausstellung entwickelt wurde: Anhand historischer Fotografien wurden die Ateliers der beiden Künstler rekonstruiert. Zwei raumfüllende Projektionen des Amsterdamer Designers Christian Borstlap vom Kreativstudio «Part of a Bigger Plan» vermitteln einen überraschenden Blick in das jeweilige Atelier und lassen diese privaten Orte in Originalgrösse an den Wänden und am Boden erscheinen – Bacon gestattete keinen Besuch in seinem Atelier. Den Projektionen sind die Stimmen Bacons und Giacomettis unterlegt, die über ihre Arbeit und ihr Atelier sprechen. Ihre Arbeitsweise wird mittels dieser audiovisuellen Projektionen unmittelbar nachvollziehbar, sodass sich eine weitere Dimension ihrer Werke erschliesst. Die Fondation BNP Paribas Suisse unterstützt als Partnerin der Fondation Beyeler für multimediale Vermittlung den Multimediaraum der Ausstellung «Bacon-Giacometti». Bisher noch nie zuvor der Öffentlichkeit gezeigte Originalgipse aus Giacomettis Nachlass Den berühmten Bronzeskulpturen Giacomettis liegt oftmals eine Version aus Gips zugrunde. Das ist zunächst nichts Aussergewöhnliches, sondern entspricht dem herkömmlichen Prozess der Entwicklung und Gestaltung einer Plastik. Das Besondere aber an den Giacometti-Gipsen ist, dass diese vom Künstler weiterbearbeitet wurden und somit nicht ausschliesslich als Gussvorlage eine Etappe auf dem Weg zur fertigen Bronzeskulptur markieren, sondern als eigenständige künstlerische Werke gelten können. Spuren von Abschabungen, Ritzungen oder Einkerbungen sowie Bemalungen mit zartem Pinselstrich zeugen davon. 23 dieser seltenen Gipse, von denen einige aufgrund ihrer Fragilität wie zum Beispiel Petit Buste d’Annette (1946), bisher nie zuvor in einer Ausstellung zu sehen waren, werden nun in der Fondation Beyeler präsentiert. Darunter der Originalgips des Homme qui marche II (1960), dessen Bronzeabguss
sich in der Sammlung der Fondation Beyeler befindet, sodass die einmalige Vorlage und das ikonische Sammlungswerk erstmals nach Jahrzehnten wieder aufeinandertreffen. Vier grosse Bacon-Triptychen Neben dem berühmten Sammlungswerk der Fondation Beyeler, In Memory of George Dyer (1971), werden drei weitere eindrucksvolle, grosse Bacon-Triptychen in der Ausstellung präsentiert, darunter ein Schlüsselwerk aus der späteren Schaffensperiode, Triptych Inspired by The Oresteia of Aeschylus (1981), welches Bacons Auseinandersetzung mit der griechischen Mythologie belegt. Zudem reisen Triptych (1967) aus dem Hirshhorn Museum in Washington und das äusserst selten ausgestellte Triptychon Three Studies of Figures on Bed (1972) aus der Esther Grether Familiensammlung nach Basel, die den Blick auf Bacons Werk zusätzlich zu schärfen vermögen. Ernst Beyeler war mit beiden Künstlern befreundet Zeitgenössische Intellektuelle wie der französische Autor und Ethnologe Michel Leiris, der englische Kunstkritiker und Kurator David Sylvester und der französische Dichter und Schriftsteller Jacques Dupin standen in persönlichem Kontakt mit Giacometti und Bacon. Ernst Beyeler ist ebenfalls beiden oft begegnet und hat von ihrer Freundlichkeit und charmanten Art berichtet. Er hat sich besonders um die Verbreitung der Werke beider verdient gemacht: Beyeler war entscheidend an der Etablierung der Alberto Giacometti-Stiftung in Zürich beteiligt und zeigte Werke Giacomettis in seiner Galerie in zwei Ausstellungen; etwa 350 Arbeiten des Künstlers hat er dort vermittelt. Francis Bacon widmete er ebenfalls zwei Ausstellungen; etwa 50 Gemälde und Triptychen des Briten gingen durch Beyelers Hände. Ausserdem waren Bacon in weiteren acht und Giacometti in weiteren 38 Gruppenausstellungen der Galerie vertreten. So erstaunt es nicht, dass Werke von Bacon und Giacometti zentrale Bestandteile der Sammlung Beyeler sind: Zu nennen sind Giacomettis komplette Figurengruppe für die Chase Manhattan Plaza mit dem berühmten Homme qui marche II (1960) und Bacons berührendes, seinem verstorbenen Freund gewidmetes Triptychon In Memory of George Dyer (1971). Über das Lying Figure (1969), ebenfalls der Sammlung zugehörig, schrieb Bacon in einem Brief an Beyeler, er halte es für eines seiner besten Werke. Bacon-Leihgaben aus wichtigen Museen und bedeutenden Privatsammlungen, Giacometti-Leihgaben fast ausschliesslich aus der Fondation Giacometti Für die aktuelle Ausstellung konnten aus bedeutenden Privatsammlungen und wichtigen Museen weltweit Werke von Francis Bacon als Leihgaben gewonnen werden, darunter aus dem Art Institute in Chicago, dem Museum of Modern Art in New York und dem Centre Pompidou in Paris. Die Giacometti-Leihgaben stammen mehrheitlich aus der Fondation Giacometti in Paris. Katalog mit Beiträgen von Ulf Küster, Catherine Grenier und Michael Peppiatt Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog im Hatje Cantz Verlag mit Beiträgen von Ulf Küster, Kurator der Fondation Beyeler, Catherine Grenier, Direktorin der Fondation Giacometti in Paris, Michael Peppiatt, Bacon-Kenner und persönlicher Freund des Künstlers, sowie weitere Beiträge von Hugo Daniel und Sylvie Felber. Weitere Ausstellungen mit Bacon oder Giacometti in der Fondation Beyeler Die Fondation Beyeler veranstaltete 2004 in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Museum Wien, die Ausstellung «Francis Bacon und die alten Meister», die der Beziehung zu seinen kunsthistorischen Vorbildern gewidmet war. 2009 wurde Alberto Giacometti in einer grossen Retrospektive gezeigt, die von seinen familiären Bindungen ausging und auch Werke seines Vaters und seines Bruders Diego miteinbezog. Darüber hinaus kam es auch sonst immer wieder zu Begegnungen von Werken Bacons und Giacomettis in den Sammlungspräsentationen der Fondation Beyeler.
Die Ausstellung «Bacon – Giacometti» wird grosszügig unterstützt durch: Beyeler-Stiftung Hansjörg Wyss, Wyss Foundation Ars Rhenia Art Mentor Foundation Lucerne Fondation BNP Paribas Suisse Simone und Peter Forcart-Staehelin Annetta Grisard Martin und Marianne Haefner L. & Th. La Roche Stiftung Dr. Christoph M. und Sibylla M. Müller Novartis Die Ausstellung wurde organisiert von der Fondation Beyeler in Zusammenarbeit mit der Fondation Giacometti, Paris. #BeyelerBaconGiacometti Pressebilder: sind erhältlich unter www.fondationbeyeler.ch/pressebilder Weitere Auskünfte: Silke Kellner-Mergenthaler Head of Communications Tel. + 41 (0)61 645 97 21, presse@fondationbeyeler.ch, www.fondationbeyeler.ch Fondation Beyeler, Beyeler Museum AG, Baselstrasse 77, CH-4125 Riehen Öffnungszeiten der Fondation Beyeler: täglich 10.00–18.00 Uhr, mittwochs bis 20.00 Uhr
29. April – 2. September 2018 01 Francis Bacon 02 Francis Bacon 03 Francis Bacon Portrait of Isabel Rawsthorne Standing Portrait of Michel Leiris, 1976 Study for Portrait VII, 1953 in a Street in Soho, 1967 Öl auf Leinwand, 34 x 29 cm Öl auf Leinwand, 152.3 x 117 cm Öl auf Leinwand, 198 x 147.5 cm Centre Georges Pompidou, Musée National d’Art Moderne, Schenkung von Mr. und Mrs. William A.M. Burden Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie. Schenkung Louise und Michel Leiris, 1984 Acc. N.: 254.1956. © 2017. Digital image, 1967 erworben durch das Land Berlin © The Estate of Francis Bacon. All rights reserved / The Museum of Modern Art, New York / Scala, Florence. © The Estate of Francis Bacon. All rights reserved / 2018, ProLitteris, Zurich © The Estate of Francis Bacon. All rights reserved / 2018, ProLitteris, Zurich Photo: © Centre Pompidou, MNAM-CCI, 2018, ProLitteris, Zurich Photo: © bpk / Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Dist. RMN-Grand-Palais / Bertrand Prévost Jörg P. Anders 04 Francis Bacon 05 Francis Bacon Figure with Meat, 1954 Three Studies of Figures on Beds, 1972 Öl auf Leinwand, 129.9 x 121.9 cm Öl und Pastell auf Leinwand, Triptychon, je 198 x 147.5 cm Harriott A. Fox Fund, 1956.1201. Chicago (IL), Esther Grether Familiensammlung Art Insitute of Chicago. © 2017. The Art Institute of Chicago / © The Estate of Francis Bacon. All rights reserved / 2018, ProLitteris, Zurich Art Resource, NY/ Scala, Florence Photo: Robert Bayer © The Estate of Francis Bacon. All rights reserved / 2018, ProLitteris, Zurich 06 Francis Bacon 07 Francis Bacon Lying Figure, 1969 Three Studies for Portraits (including Self-Portrait), 1969 Öl auf Leinwand, 198 x 147.5 cm Öl auf Leinwand, Triptychon, je 35.5 x 30.5 cm Fondation Beyeler, Riehen / Basel, Sammlung Beyeler Private Sammlung © The Estate of Francis Bacon. All rights reserved / © The Estate of Francis Bacon. All rights reserved / 2018, ProLitteris, Zurich 2018, ProLitteris, Zurich Photo: Prudence Cuming Associates Ltd. Photo: Robert Bayer FONDATION BEYELER
29. April – 2. September 2018 08 Francis Bacon 09 Francis Bacon In Memory of George Dyer, 1971 Self-Portrait, 1987 Öl und Letraset-Buchstaben auf Leinwand, Triptychon, je 198 x 147.5 cm Öl und Aerosolfarbe auf Leinwand, 35.5 x 30.5 cm Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler Private Sammlung, New York © The Estate of Francis Bacon. All rights reserved / 2018, ProLitteris, Zurich © The Estate of Francis Bacon. All rights reserved / Photo: Robert Bayer 2018, ProLitteris, Zurich 10 Alberto Giacometti 11 Alberto Giacometti 12 Alberto Giacometti L’homme qui marche II, 1960 Tête d’Isabel, um 1937–1939 Grande tête mince, 1954 Gips, 188.5 x 29.1 x 111.2 cm Gips und Bleistift, 21.6 x 16 x 17.4 cm Bemalter Gips, 65.6 x 39.1 x 24.9 cm Fondation Giacometti Paris Fondation Giacometti Paris Fondation Giacometti Paris © Succession Alberto Giacometti / 2018, ProLitteris, Zurich © Succession Alberto Giacometti / 2018, ProLitteris, Zurich © Succession Alberto Giacometti / 2018, ProLitteris, Zurich 13 Alberto Giacometti 14 Alberto Giacometti 15 Alberto Giacometti Boule suspendue, 1930 Buste d’homme (dit New York I), 1965 Caroline, 1961 Gips und Metall, 61 x 36 x 33.5 cm Gips, 55 x 28.4 x 16.3 cm Öl auf Leinwand, 100 x 82 cm Kunstmuseum Basel, Fondation Giacometti, Paris Fondation Beyeler, Riehen / Basel, Sammlung Beyeler Depositum der Alberto Giacometti-Stiftung © Succession Alberto Giacometti / 2018, ProLitteris, Zurich © Succession Alberto Giacometti / 2018, ProLitteris, Zurich © Succession Alberto Giacometti / 2018, ProLitteris, Zurich Photo: Robert Bayer Photo: © Kunsthaus Zürich FONDATION BEYELER
29. April – 2. September 2018 16 Alberto Giacometti 17 Alberto Giacometti 18 Alberto Giacometti La cage (première version), 1950 Femme au chariot, um 1945 Le Nez, 1947–49 Bronze, 90.6 x 37.6 x 34.3 cm Gips und Holz, 54.5 x 33.5 x 35.3 cm Gips, 43.6 × 9 × 61.6 cm Fondation Beyeler, Riehen / Basel, Sammlung Beyeler Fondation Giacometti, Paris Fondation Giacometti, Paris, © Succession Alberto Giacometti / 2018, ProLitteris, Zurich © Succession Alberto Giacometti / 2018, ProLitteris, Zurich © Succession Alberto Giacometti / 2018, ProLitteris, Zurich Photo: Peter Schibli 19 Francis Bacon’s 7 Reece Mews studio, London, 1998 20 Ernst Scheidegger Fotografiert von Perry Ogden Giacometti beim Malen in seinem Atelier in Paris, © The Estate of Francis Bacon. All rights reserved / daneben La Grande Tête, Paris, ca. 1957 2018, ProLitteris, Zurich Foto von Ernst Scheidegger Photo: Perry Ogden / DACS / Artimage © 2018 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich 21 Graham Keen 22 Graham Keen Alberto Giacometti und Francis Bacon, 1965 Alberto Giacometti und Francis Bacon, 1965 Silbergelatineabzug Silbergelatineabzug © Graham Keen © Graham Keen Pressebilder: www.fondationbeyeler.ch/pressebilder Das Bildmaterial darf nur zu Pressezwecken im Rahmen der aktuellen Berichterstattung verwendet werden. Die Reproduktion ist nur im Zusammenhang mit der laufenden Ausstellung und während deren Dauer erlaubt. Jede weitergehende Verwendung – in analoger und in digitaler Form – bedarf einer Genehmigung durch die Rechtsinhaber. Ausgenommen davon ist der rein private Gebrauch. Bitte verwenden Sie die Bildlegenden und die dazugehörenden Copyrights. Mit freundlicher Bitte um Zusendung eines Belegexemplars. FONDATION BEYELER
Biografie Francis Bacon Sylvie Felber Francis Bacon wird am 28. Oktober 1909 als zweites von fünf Kindern in Dublin geboren. Sein Vater Anthony Edward (»Eddy«) Mortimer Bacon ist ehemaliger Major in der britischen Armee und nun als Pferdezüchter tätig. Die Mutter des Künstlers, Christina Winifred Loxley Firth, stammt aus einer wohlhabenden Industriellenfamilie. Bacons Verhältnis zu seinen Eltern ist schwierig, wobei er besonders mit seinem autoritären und gewalttätigen Vater hadert. Zudem ist seine Kindheit von vielen Umzügen innerhalb Irlands sowie kürzeren Aufenthalten in England, etwa während des Ersten Weltkriegs, geprägt. Auch leidet Bacon zeit seines Lebens an chronischem Asthma, weshalb er nur unregelmässig die Schule besuchen kann. Während seiner Adoleszenz wird Bacon sich seiner Homosexualität bewusst, was zu Spannungen mit dem strengen Vater führt. Als dieser den 16-Jährigen dabei erwischt, wie er die Unterwäsche seiner Mutter anprobiert, wirft er ihn 1926 aus dem Haus. 1926 bis 1928 sind Wanderjahre im Leben des jungen Künstlers, der zuerst in London, dann in Berlin und Paris lebt. Die beiden letzteren Aufenthalte sind Schlüsselerlebnisse für Bacon: In Berlin stürzt er sich ins aufregende Nachtleben und sieht sich wohl auch Sergei Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin (1925) ein erstes Mal an. 1 Bacon wird sich später im Werk Study for the Nurse in the Film Battleship Potemkin (1957) direkt mit diesem filmischen Meisterwerk auseinandersetzen. Nach Berlin folgt ein dreimonatiger Aufenthalt in Chantilly und Paris, wo Bacon Französisch lernt sowie Galerien und Museen besucht. Nicolas Poussins Le Massacre des innocents (um 1627/28) im Schloss Chantilly (dem heutigen Musée Condé) beeindruckt den jungen Bacon sehr: Er wird das Werk später als die «vermutlich beste Darstellung eines Schreis in der Malerei» bezeichnen. 2 Eine Ausstellung von Zeichnungen Picassos in der Pariser Galerie Paul Rosenberg im Sommer 1927 führt dazu, dass Bacon beginnt, autodidaktisch zu malen. Zurück in London ist Bacon als Möbeldesigner und Dekorateur tätig, malt aber, beeinflusst von Kubismus und Surrealismus, weiterhin, sodass er im November 1930 in einer kleinen Gruppenausstellung ein paar Werke präsentieren kann. Trotz dieser schnellen Fortschritte kann Bacon weder als Dekorateur noch als Künstler richtig Fuss fassen. Es folgt eine Phase der Rastlosigkeit, die von ständigen Wohnungswechseln geprägt ist. 1933 lässt er sich zunächst in einem unkonventionellen Wohnarrangement zusammen mit seinem ehemaligen Kindermädchen Jessie Lightfoot in Chelsea nieder. Ebenfalls 1933 malt Bacon seine ersten eigenständigen Werke, darunter Crucifixion. Im selben Jahr stellt er seine Bilder als Teil einer Gruppenausstellung in der Londoner Mayor Gallery aus. Die Kritiken sind gemischt, doch Crucifixion wird in Herbert Reads einflussreichem Buch Art Now. An Introduction to the Theory of Modern Painting and Sculpture, das zur gleichen Zeit erscheint, abgebildet. Eine selbst organisierte Einzelausstellung in der von ihm in einem Keller eröffneten Transition Gallery ein Jahr später ist ein Misserfolg und Bacon malt immer weniger. 1936 wird ihm zudem die Teilnahme an der International Surrealist Exhibition verweigert, woraufhin eine bis in die 1940er-Jahre dauernde unproduktive Phase folgt. Aus jener Zeit sind nur wenige Werke Bacons erhalten, da er diese oft in zorniger Unzufriedenheit zerstörte. 1940 stirbt Bacons Vater. Den Zweiten Weltkrieg erlebt Bacon, wegen seines Asthmas für untauglich erklärt, beim Zivilschutz in England. 1944 vollendet er mit Three Studies for Figures at the Base of a Crucifixion ein erstes aufsehenerregendes Werk. Das Gemälde wird von Eric Hall, einem Förderer und Geliebten Bacons, gekauft. Zwei Jahre später entsteht Painting 1946, welches die Galeristin Erica Brausen von der Hanover Gallery erwirbt. Das Werk wird danach etwa im Musée d’art moderne in Paris ausgestellt, bevor es 1948 vom New Yorker Museum of Modern Art akquiriert wird. Bacon nutzt diese Kauferlöse immer wieder für Reisen nach Monte Carlo, wo er die Casinos besucht und seit 1946 auch einen Wohnsitz hat. 1 Michael Peppiatt, Francis Bacon. Anatomie eines Rätsels, Köln 2000, S.39. Laut Ausst.-Kat. Haus der Kunst sieht Bacon den Film erst 1935 zum ersten Mal (Francis Bacon, Ausst.-Kat. Haus der Kunst München, Ostfildern 1996, S. 288). 2 David Sylvester, Gespräche mit Francis Bacon, erw. Neuausgabe, München und New York 1997, S. 35.
Die Werke Ende der 1940er-Jahre, wie Head I (1948) oder Head III (1949) werden von einer reduzierten, monochromen Farbpalette dominiert und konzentrieren sich verstärkt auf Gesichtsausdrücke und Details. Mit Head VI (1949) paraphrasiert Bacon ein erstes Mal das Porträt von Papst Innozenz X (um 1650) des spanischen Malers Diego Velázquez. Zudem beginnt Bacon ab Mitte der 1940er-Jahre konsequent damit, nur die unbehandelte, nicht grundierte Seite der Leinwand zu bemalen, weil sie die Farbe besser aufsaugt und einen leichteren Farbauftrag erlaubt. Im Herbst 1950 lehrt Bacon als Vertretung einige Wochen am Royal College of Art in London. Danach besucht er im Januar 1951 ein erstes Mal seine Mutter, die nach dem Tod ihres Mannes nach Südafrika ausgewandert war. Die Wildtiere und trockenen Farben der fremden Landschaft begeistern ihn und schlagen sich auch in Werken wie Man Kneeling in Grass (1952) und Chimpanzee (1955) nieder. Als Jessie Lightfoot 1951 stirbt, ist Bacon tief erschüttert. Es beginnt eine erneute nomadenhafte Phase in seinem Leben. Mehrmals wechselt er Wohnung und Atelier und unternimmt mit seinem neuen Lebensgefährten Peter Lacy, den er 1952 kennenlernt, Reisen nach Rom und Tanger. Mit seiner Karriere geht es in jener Zeit steil aufwärts. 1953 eröffnet seine erste Einzelausstellung in der New Yorker Galerie Durlacher Brothers. Mitte der 1950er-Jahre entstehen die Werke der Reihe Man in Blue I–VII, die jeweils einen Mann in dunklem Anzug vor einem düsteren, nur minimal definierten Hintergrund zeigen. Ebenso beschäftigt er sich in Werken wie Study of a Nude (1952/53) vertieft mit der Aktdarstellung. 1954 repräsentiert er, zusammen mit den Künstlern Lucian Freud und Ben Nicholson, England auf der Biennale von Venedig. 1957 folgt in der Galerie Rive Droite seine erste Einzelausstellung in Paris und ein Jahr später findet eine Wanderausstellung seiner Werke in verschiedenen italienischen Städten statt. Die erste Ausstellung Bacons in der Londoner Galerie Marlborough Fine Art 1960 ist ein grosser Erfolg und Bacon inzwischen als Künstler etabliert. Eine erste Retrospektive findet 1955 im Londoner Institute of Contemporary Arts statt und eine weitere öffnet Anfang 1961 an der Nottingham University ihre Tore. Im Herbst 1961 bezieht Bacon das Atelier mit der Adresse Reece Mews 7, wo er bis zu seinem Tod arbeiten wird. Das Studio ist entgegen Bacons wachsendem Ruhm klein und bescheiden. Die 1960er- und 1970er-Jahre sind von grossen Erfolgen geprägt. Ein erster Höhepunkt markiert die Retrospektive in der Tate Gallery 1962. Überschattet wird dieser Erfolg vom Tod Peter Lacys. Zwar hatten sich Bacon und Lacy Jahre zuvor getrennt, trotzdem trifft Bacon der Tod seines ehemaligen Lebensgefährten schwer. Dennoch tritt ein Jahr später mit George Dyer ein neuer Mann in Bacons Leben. Er wird zu einem wiederkehrenden Motiv in Bacons Malerei der 1960er-Jahre, wie etwa in Portrait of George Dyer Riding a Bicycle (1966). Bacon erreicht neue künstlerische Höhen und es findet ein Themenwechsel in seinem Werk statt: Anstelle von «Furien, […] Diktatoren und schreienden Päpste[n]» 3 widmet sich Bacon vermehrt Porträts. Im Londoner Viertel Soho verbringt Bacon manch einen Abend mit ausgedehnten Abendessen unter Freunden wie Lucian Freud, Henrietta Moraes oder Isabel Rawsthorne. Sein Freundeskreis findet auch Einzug in sein Œuvre: Dabei arbeitet er mit Fotografien, die ihm als Vorlage für Porträts und Aktdarstellungen dienen. Lying Figure (1969) etwa basiert auf einer Aktfotografie von Henrietta Moraes. Die Künstlerin Isabel Rawsthorne ist eine von Bacons engsten Freundinnen. Als Mitglied der Pariser Avantgarde fungiert sie als Bindeglied zwischen Paris und London und auch zwischen Francis Bacon und Alberto Giacometti, denen sie beiden als Modell dient (Bacon etwa beim Werk Portrait of Isabel Rawsthorne Standing in a Street in Soho, 1967). Die beiden Künstler selbst lernen sich spätestens in den frühen 1960er-Jahren näher kennen, als der Brite den Schweizer in einem Pariser Café anspricht. 4 1962 und 1965 sehen sich die beiden Künstler öfter, als Giacometti sich für die Vorbereitungen und die Eröffnung seiner Retrospektive in der Tate Gallery in London aufhält. 3 Peppiatt 2000 (wie Anm.1), S. 217. 4 Ebd., S. 215.
1968 reist Bacon das erste Mal nach NewYork, wo in der Marlborough-Gerson Gallery eine Einzelausstellung seiner Werke stattfindet. Im April 1971 stirbt die Mutter von Bacon in Südafrika. Im Oktober desselben Jahres findet im Pariser Grand Palais eine weitere Retrospektive von Bacons Werk statt. Zwei Tage vor der Ausstellungseröffnung nimmt sich George Dyer in seinem Pariser Hotelzimmer das Leben. Bacon verarbeitet den Suizid Dyers in Werken wie In Memory of George Dyer (1971) und Triptych August 1972 (1972). Zudem malt Bacon immer häufiger Selbstbildnisse. Die Zeit vor 1980 hält sich Bacon viel in Paris auf, wo er auf Vermittlung seines Freundes Michael Peppiatt ein Atelier mietet. Er vertieft Freundschaften mit seinem Pariser Bekanntenkreis, zu dem etwa Michel Leiris gehört, den Bacon auch porträtiert (Portrait of Michel Leiris, 1976). Mitte der 1970er-Jahre lernt Bacon den rund vierzig Jahre jüngeren John Edwards kennen, den er zu seinem Alleinerben bestimmt. Mit Werken wie Sand Dune (1983) widmet sich Bacon nach langer Zeit wieder der Landschaftsdarstellung. Seine Maltechnik wird nuancierter und feiner, während die Ausdrucksmittel auf ein Minimum reduziert werden. Mehrere internationale Ausstellungen und Retrospektiven in Städten wie Tokio (1983), Washington (1989) und New York (1990) zementieren Bacons Aufstieg zum weltberühmten Künstler. 1985 findet zudem eine zweite Retrospektive in der Tate Gallery statt. Ende der 1980er-Jahre hat Bacon vermehrt mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Während einer Reise nach Madrid verschlechtert sich sein Gesundheitszustand drastisch und er muss in ein Krankenhaus eingeliefert werden, wo er am 28. April 1992 einen Herzschlag erleidet und stirbt. Zusätzlich zu den in den Anmerkungen genannten Quellen wurden folgende Biografien konsultiert: • Martin Harrison, «Chronology», in: ders., Francis Bacon. Catalogue Raisonné, London 2016, Bd.1, S.74–101. • http://francis-bacon.com/biography [letzter Zugriff: 18.1.2018].
Biografie Alberto Giacometti Sylvie Felber Alberto Giacometti wird am 10. Oktober 1901 in Borgonovo im Bergell als ältestes von vier Kindern in eine Künstlerfamilie geboren. Seine Mutter Annetta Stampa stammt aus einer wohlhabenden Familie aus der Gegend und sein Vater Giovanni ist einer der bedeutendsten Schweizer Maler des Postimpressionismus. Der bekannte Schweizer Maler Cuno Amiet wird zudem sein Patenonkel. In diesem Umfeld wird Giacomettis eigenes Interesse an der bildenden Kunst früh gefördert: Er vollendet sein erstes Ölgemälde 1915, ein Jahr später modelliert er Büsten seiner Brüder. 1 Für Giacometti ist früh klar, dass er Künstler werden möchte. So bricht er seine Schulausbildung an einer evangelischen Lehranstalt in Schiers bei Chur 1919 ab, um in Genf Kunst zu studieren. 1922 zieht es den jungen Giacometti nach Paris, dem damaligen Kunstzentrum der Welt. Hier studiert er an der berühmten Académie de la Grande Chaumière Aktzeichnen und bei Antoine Bourdelle Bildhauerei. Neben dieser akademischen Ausbildung besucht Giacometti häufig auch den Louvre, um zu skizzieren. 1925 zeigt Giacometti im Salon des Tuileries mit einem Torso und einem Kopf seines Bruders Diego erstmals zwei Werke öffentlich. Diego folgt seinem älteren Bruder nach Paris. Er wird Alberto ein Leben lang Modell sitzen und fungiert ab 1929 zudem als sein Assistent. Im Dezember 1926 folgt der Umzug in ein neues Studio in der Rue Hippolyte-Maindron 46. Giacometti wird den Rest seines Lebens in diesem winzigen, bescheidenen Atelier arbeiten. 1926 zeigt Giacometti Le Couple (1926) und ein Jahr später Femme-cuillère (1927) im Salon des Tuileries. 1929 veröffentlicht der französische Schriftsteller und Ethnologe Michel Leiris in der Zeitschrift Documents einen euphorischen Artikel über Giacometti. Trotz der wachsenden Aufmerksamkeit durch die ersten Ausstellungen und Leiris’ Artikel hat Giacometti vorerst wenig Erfolg als Künstler. Zusammen mit Diego gestaltet er daher ab 1930 Kunstgewerbeobjekte für verschiedene Auftraggeber, hauptsächlich Vasen, Lampen oder Kerzenständer für den Innendekorateur Jean-Michel Frank. Einen ersten Wendepunkt in Giacomettis Karriere stellt die Skulptur Boule suspendue (1930) dar, die in einer Gruppenausstellung in der Galerie Pierre zusammen mit Werken von Joan Miró und Hans Arp gezeigt wird. Giacometti zieht die Aufmerksamkeit der Surrealisten um André Breton und Salvador Dalí auf sich und schliesst sich ein Jahr später der Gruppe an. Seine erste Einzelausstellung findet 1932 in der Pariser Galerie Pierre Colle statt und erhält gute Kritiken. Trotz dieses Erfolgs verlässt Giacometti 1933 für einige Monate Paris und kehrt nach Stampa zurück, um seine Mutter Annetta nach dem Tod des Vaters Giovanni bei der Verwaltung des Nachlasses zu unterstützen. Über den Jahreswechsel 1934/35 findet in der Julien Levy Gallery in New York eine erste Ausstellung Giacomettis in den USA mit zwölf Werken statt. Zu jener Zeit beginnt er nach dem Modell zu arbeiten und schafft Büsten und Studienköpfe. Diese Hinwendung zur naturgetreuen Darstellung führt zum Bruch mit den Surrealisten und Giacomettis Ausschluss aus der Gruppe. 1935 lernt Giacometti die englische Künstlerin Isabel Nicholas (spätere Rawsthorne) kennen und entwirft zwei Köpfe nach ihrem Modell (Tête d’Isabel, 1936 und um 1937/38). Er unternimmt in dieser Schaffensphase auch erste Versuche, Ganzkörperfiguren zu modellieren, und experimentiert mit der perspektivischen Wahrnehmung. 1936 nimmt Giacometti an der International Surrealist Exhibition in den New Burlington Galleries in London teil und das New Yorker Museum of Modern Art kauft mit Le Palais à 4 heures du matin als erstes Museum überhaupt ein Werk von ihm an. Am 19. Oktober 1938 wird Giacometti von einem Auto angefahren und sein Fuss dabei dauerhaft beschädigt, weshalb er für den Rest seines Lebens leicht hinken wird. 1 Alberto Giacometti. Pionier der Moderne/Modernist Pioneer, hrsg. von Franz Smola und Philippe Büttner, Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien, Wien 2014, S. 190.
Das erste Jahr des Zweiten Weltkriegs verbringen Alberto und Diego Giacometti in Paris. In den darauf- folgenden Kriegsjahren hütet Diego das Atelier, während Alberto im Dezember 1941 nach Genf ausreist. Die meisten in dieser Zeit entstehenden Skulpturen (Büsten und Ganzkörperdarstellungen) sind winzig. Eine Ausnahme stellt Femme au chariot (um 1943) 2 dar, das eine Frauenfigur zeigt, die aus der Erinnerung nach Isabel Rawsthorne modelliert wurde. Das Werk ist wegweisend für Giacomettis stehende Figuren, die er nach Kriegsende schaffen wird. In Genf verkehrt Giacometti etwa mit dem Verleger Albert Skira, zu dessen Zeitschrift Labyrinthe er Zeichnungen und Beiträge beisteuert. 1943 lernt Giacometti Annette Arm kennen, die er sechs Jahre später heiraten und die zu einem seiner wichtigsten Modelle werden wird. Nach Kriegsende folgt 1945 die Rückkehr nach Paris. Im harten Leben der Nachkriegszeit haben Kunst und Designgegenstände einen geringen Stellenwert, was bei den Giacometti-Brüdern zu Geldproblemen führt. Ein Kinobesuch 1945 bringt Giacometti zur Auseinandersetzung mit Fragen der Wahrnehmung des Verhältnisses von Figur und Raum. Seine Überlegungen führen zu einem Stilwandel, im Verlaufe dessen er überlängte und dünne Figuren schafft. Ihre grossen Podeste sind dabei nicht nur konzeptuell notwendig, sondern stellen gleichzeitig den von der Figur belebten Raum dar. 1947 entstehen eine Reihe lebensgrosser Frauenfiguren, erstmals männliche Ganzkörperfiguren und Werke wie Le Nez. 1948 findet in der Pierre Matisse Gallery in New York eine erfolgreiche Einzelausstellung statt. Der dazugehörige Katalog enthält Jean-Paul Sartres Essay «Auf der Suche nach dem Absoluten». Giacometti lernte Sartre und Simone de Beauvoir Ende der 1930er-Jahre oder zu Beginn der 1940er-Jahre kennen und ist inzwischen eng mit dem Philosophenpaar befreundet. 1949 kauft die Tate Gallery als erstes europäisches Museum ein Werk Giacomettis an (L’Homme qui pointe, 1947). Im japanischen Philosophieprofessor Isaku Yanaihara findet Giacometti Mitte der 1950er-Jahre ein neues Modell, das er zwischen 1956 und 1961 mehrmals in Porträts und Skulpturen darstellen wird. Daneben arbeitet er kontinuierlich an Darstellungen von Diego und Annette und ist stets bemüht, seinen Skulpturen «ein neues Volumen und eine hieratische Monumentalität» 3 zu verleihen. Die 1950er-Jahre markieren Giacomettis wachsende Berühmtheit und Etablierung als Künstler. Auf eine zweite Ausstellung in der Pierre Matisse Gallery 1950 folgt ein Jahr später seine erste Einzelausstellung in der Pariser Galerie Maeght. Giacomettis internationale Strahlkraft als Künstler verdeutlichen drei Retrospektiven, die 1955 im Solomon R. Guggenheim Museum in New York, dem Arts Council in London und drei Städten in Westdeutschland stattfinden. 1956 vertritt er Frankreich auf der Biennale von Venedig und zeigt eine Reihe grosser schlanker Frauenfiguren, die Femmes de Venise. Im selben Jahr zollt ihm auch die Schweiz mit einer Retrospektive in der Kunsthalle Bern Tribut. 1958 wird ihm der prestigeträchtige Auftrag zuteil, für die Chase Manhattan Plaza in New York eine Skulpturengruppe zu schaffen. Für das Projekt entwickelt Giacometti zwischen 1958 und 1960 einen gehenden Mann, eine stehende Frau und einen grossen Kopf. Allerdings wird das Projekt schlussendlich nicht verwirklicht. Ende der 1950er-Jahre lernt Giacometti in einem seiner Pariser Stammlokale Yvonne Poiraudeau (besser bekannt unter dem Namen Caroline) kennen, die ihm fortan Modell sitzen wird (etwa im Gemälde Caroline, 1961). 4 Ebenfalls in Paris wird Giacometti vom jungen Francis Bacon angesprochen. Für eine Neuinszenierung von Samuel Becketts En attendant Godot im Pariser Odéon entwirft der Künstler 1961 das Bühnenbild, einen einzelnen Baum aus Gips. Im selben Jahr stösst die inzwischen vierte Einzelausstellung in der Galerie Maeght auf grosses Interesse und wird ein voller Erfolg. Giacomettis Karriere ist auf dem Höhepunkt angelangt: So wird er von den Organisatoren der Biennale von Venedig 1962 in die Lagunenstadt eingeladen, um im Hauptpavillon eine Gruppe von Gemälden und Skulpturen auszustellen. Dafür wird er mit dem Grossen Preis für Skulptur geehrt. Im Herbst jenes Jahres reist Giacometti nach London, wo 1965 in der Tate eine grosse Retrospektive geplant ist. Dabei kommt es zu einem Wiedersehen mit Isabel Rawsthorne und Francis Bacon – beide Künstler bewundern sich sehr. 2 Vgl. Catherine Grenier, Alberto Giacometti, Paris 2017, S.168f. und S. 176 für den Werktitel. 3 Alberto Giacometti 2014 (wie Anm.1), S. 194. 4 The Women of Giacometti, Ausst.-Kat. Pace Wildenstein, New York; Nasher Sculpture Center, Dallas, New York 2005, S. 21.
Zugleich laufen in Zürich die Vorbereitungen für eine umfassende Werkschau im Kunsthaus, die im 1962 ihre Tore öffnen wird. Giacomettis Gesundheitszustand ist besorgniserregend. Als Kettenraucher leidet er schon jahrelang an einer chronischen Bronchitis, und auch sein Lebensstil, der von wenig Schlaf, viel Kaffee und Alkohol geprägt ist, zehrt an seiner Gesundheit. 1963 muss operativ ein Grossteil seines krebsbefallenen Magens entfernt werden. Ein Jahr später stirbt seine Mutter Annetta 92-jährig im Kreis der Familie in Stampa. Zurück in Paris wird der Fotograf Eli Lotar zu Giacomettis letztem Modell. Der Künstler verewigt ihn unter anderem in den Werken Tête d’homme (Lotar I) (1964/65) und Eli Lotar III (assis) (1965). 1964 eröffnet das Sammler- und Galeristenehepaar Marguerite und Aimé Maeght die Fondation Maeght an der Côte d’Azur, wo in einem zentralen Hof Skulpturen Giacomettis zu sehen sind. Mit initiiert durch Ernst Beyeler finden sich im selben Jahr Schweizer Sammler und Mäzene zusammen, um die umfassende Giacometti-Sammlung des Pittsburgher Industriellen G. David Thompson aufzukaufen. Diese setzt den Grundstein für die Gründung der Alberto Giacometti-Stiftung ein Jahr später. 5 1965 folgt anlässlich der Ausstellungseröffnung in der Tate Gallery ein erneuter Aufenthalt in London. Weitere Retrospektiven werden im Louisiana Museum bei Kopenhagen und im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt. Für letztere Ausstellung reist Giacometti erstmals in seinem Leben in die USA. Im Herbst jenes Jahres entsteht ein Filmporträt des Schweizer Regisseurs Ernst Scheidegger. Im Dezember 1965 verlässt der Künstler Paris ein letztes Mal und kehrt nach Stampa zurück. Die aufkeimende Freundschaft zwischen Bacon und Giacometti findet ein abruptes Ende, als Giacometti am 11. Januar 1966 im Kantonsspital Chur an einer Perikarditis stirbt. Neben der 1965 gegründeten Giacometti-Stiftung in Zürich entsteht 2003 aus dem Nachlass der 1993 verstorbenen Annette die Fondation Giacometti in Paris. Quellen: • http://giacometti-stiftung.ch/index.php?sec=alberto_giacometti&page=biografie&language=de [letzter Zugriff: 18.1.2018]. • http://www.fondation-giacometti.fr/en/art/16/discover-the-artwork/97/alberto-giacometti/98/biographical-sketch/ [letzter Zugriff: 18.1.2018]. • Catherine Grenier, Alberto Giacometti, Paris 2017. • Reinhold Hohl, Giacometti. Eine Bildbiographie, Ostfildern 1998. • Biografie Giacomettis in: Giacometti, Ausst.-Kat. Le Fonds Hélène et Edouard Leclerc, Landerneau, Paris 2015, S. 214 f. • Biografie Giacomettis in: Giacometti. L’oeuvre ultime, Ausst.-Kat. Galerie Lympia, espace culturel du Département des Alpes-Maritimes, Nizza, Gent 2017, S. 152–159. • James Lord, Giacometti. A Biography, New York 1985.������������ 5 Grenier 2017 (wie Anm.2), S.297f.
Zitate Alberto Giacometti «Für mich ist die Kunst nur ein Mittel, um zu verstehen, wie ich die Aussenwelt sehe.» «Gleichzeitig weiss ich, dass … sie [die Kunst] immer zum Scheitern verurteilt ist. Tatsächlich aber kommt man der Wahrheit nur durch das Scheitern näher. Anders gesagt, ob man Erfolg hat oder nicht, ist völlig egal. » «Man glaubt immer, ein bisschen mehr zu verstehen, und das hält einen auf Trab. Das ist wie das Zuckerstückchen, das man dem Pferd hinhält, nicht? Man hat immer die Illusion, weiterzukommen. Und dann hat man immer den Eindruck, dass die Zeit drängt, dass noch so viel zu tun ist. Man möchte aber doch wenigstens etwas verstehen. Und deshalb habe ich mehr denn je Lust zu arbeiten.» Quelle: Aus dem Film Un homme parmi les hommes, 1963. Regie: Jean-Marie Drot Francis Bacon «Ich habe eine allgemeine Vorstellung davon, was ich machen will, aber erst während der Arbeit nimmt sie richtig Gestalt an.» «Ich habe versucht, hier [im Atelier] Ordnung zu schaffen, aber ich arbeite sehr viel besser im Chaos.» «In einem schön aufgeräumten Atelier könnte ich überhaupt nicht arbeiten. Das wäre unmöglich für mich.» «Für mich entstehen Bilder aus dem Chaos.» «Weil ich Bilder gemacht habe, die der Intellekt nie machen könnte.» Quelle: Aus dem Dokumentarfilm The South Bank Show – Francis Bacon, produziert von London Weekend Television (jetzt ITV London), ausgestrahlt am 9. Juni 1985 auf ITV
Der Multimediaraum: spektakuläre Einblicke in die Ateliers der Künstler Für Bacon und Giacometti waren ihre jeweils sehr kleinen und kargen Ateliers besondere Orte – Orte des Chaos, die grosse Kunst hervorbrachten. Einen faszinierenden Einblick in diesen Kosmos gewährt der Multimediaraum im letzten Saal, der eigens für die Ausstellung entwickelt wurde: Anhand historischer Fotografien werden die Ateliers der beiden Künstler rekonstruiert. Zwei raumfüllende Projektionen des Amsterdamer Kreativbüros «Part of a Bigger Plan» von Christian Borstlap vermitteln einen überraschenden Eindruck von den Ateliers, indem sie sie in Originalgrösse an den Wänden und am Boden erscheinen lassen. Alberto Giacometti (1901–1966) bezog sein legendäres Pariser Atelier in der Rue Hippolyte-Maindron 1926 und arbeitete dort 40 Jahre lang bis kurz vor seinem Tod. Im Verlauf der etwa zweieinhalbminütigen Videoprojektion werden 37, aus verschiedenen Jahrzehnten stammende Fotografien von Giacomettis Atelier gezeigt. Aufgenommen wurden sie von berühmten Fotografen wie René Burri, Sabine Weiss, Robert Doisneau oder Ernst Scheidegger, die alle Giacometti an seinem Arbeitsort besuchten. Sie hielten dabei nicht nur seine Kunstwerke fest, sondern auch seine Modelle: Annette Giacometti, der japanische Philosophieprofessor Isaku Yanaihara, der Schriftsteller und Ethnologe Michel Leiris, aber auch Giacomettis Galerist Pierre Matisse sind in der Projektion zu sehen. Auf eine Ecke des Raums in den originalen Massen des Ateliers von 4,90 x 4,70 Metern projiziert, gewinnt der Besucher eine Vorstellung von der Bedeutung dieses – heute nicht mehr existierenden – Orts, der sowohl kreatives Zentrum als auch Anziehungspunkt für viele Persönlichkeiten war. Francis Bacon (1909–1992) zog 1961 in die Reece Mews Nr. 7 im Londoner Stadtteil South Kensington, wo er sich sein Atelier über einem einstigen Pferdestall einrichtete. Diesen bescheidenen Raum, in den nur durch ein Dachfenster Tageslicht fiel, behielt der Künstler bis zu seinem Tod. Das überfüllte, für sein Chaos legendär gewordene Atelier war in mehreren Schichten mit Zeitungen, Büchern, zerknüllten und zerrissenen Fotografien, ausgeschnittenen Bildern und anderem Arbeitsmaterial bedeckt. Die scheinbar wahllos verstreuten Abbildungen lieferten Bacon zentrale Motive und dienten ihm als wichtige Inspirationsquellen für seine Gemälde. Die Videoprojektion zeigt die bemalten Wände und das herumliegende Material; die 4,80 x 8,90 Meter grosse Projektionsfläche entspricht dabei ebenfalls der Originalgrösse der realen Räumlichkeit. Der Film wurde unter Verwendung von 15 Aufnahmen des Fotografen Perry Ogden hergestellt, die das Atelier in seinem Originalzustand kurz nach dem Tod des Künstlers wiedergeben. Danach wurde es komplett abgebaut und in der Dublin City Gallery The Hugh Lane minutiös rekonstruiert, wo es bis heute besichtigt werden kann. Den Projektionen sind die Stimmen Bacons und Giacomettis unterlegt, die über ihre Arbeit und ihre Ateliers sprechen. Giacomettis Tonspur stammt aus Archivaufnahmen von 1963, die Regisseur Jean-Marie Drot für seine Dokumentation Un homme parmi les hommes: Alberto Giacometti (1963) aufbereitet hat. Bacons Kommentare wurden einer BBC-Produktion von 1966 (Francis Bacon: Fragments of a Portrait) sowie einer Fernsehshow von 1985 des heutigen ITV London (The South Bank Show – Francis Bacon) entnommen. Während Bacon nur sehr wenigen Leuten Zutritt zu seinem Atelier gewährte, empfing Giacometti unzählige Persönlichkeiten wie Jean Paul-Sartre, Michel Leiris oder Marlene Dietrich. Die Videoprojektionen machen die Atmosphäre in den Räumen und die Arbeitsweise der beiden Künstler unmittelbar erfahrbar und eröffnen so einen weiteren unerwarteten Blick auf ihr Schaffen. Beide Künstlerateliers können Sie auch auf ihrem Handy in einem 360-Grad-Film erleben und mit Freunden teilen – besuchen Sie: www.fondationbeyeler.ch/360 Die Fondation BNP Paribas Suisse unterstützt als Partnerin der Fondation Beyeler für multimediale Vermittlung den Multimediaraum der Ausstellung «Bacon – Giacometti».
Rahmenprogramm zur Ausstellung Alberto Giacometti. Eine Erinnerung Freitag, 18. Mai, 18.30 Uhr Der legendäre Berner Kunsthändler und Auktionator Eberhard W. Kornfeld, Freund und Weggefährte Ernst Beyelers, spricht über Erinnerungen an Alberto Giacometti, zu dem er eine enge und herzliche Beziehung hatte. Kornfeld ist Herausgeber des Catalogue raisonné (1917-1965) von Giacomettis druckgraphischem Werk. Die Veranstaltung ist im Museumseintritt inbegriffen. An Intimate Portrait of Francis Bacon (Vortrag auf Englisch) Mittwoch, 30. Mai, 19.00 Uhr Michael Peppiatt, jahrzehntelang mit Francis Bacon befreundet, spricht über seine Begegnungen mit dem Künstler. Der freischaffende Kunsthistoriker, Kurator und Kunstkritiker lernte Bacon als junger Mann in den späten 1960er-Jahren kennen. Sein Buch «Francis Bacon. Anatomy of an Enigma» (1996) zeichnet ein intimes Porträt des Künstlers und avancierte zum internationalen Bestseller. 2015 erschien mit «Francis Bacon. In Your Blood» ein autobiografisches Gegenstück über seine Freundschaft zu Bacon. Peppiatt lebt in London und Paris. Er ist Ko-Kurator der Ausstellung «Bacon – Giacometti». Die Veranstaltung ist im Museumseintritt inbegriffen. Emma Portner: ein körperlicher Dialog zur Erkundung der Werke von Bacon und Giacometti Filmpremiere und eine Reihe von Duetten Samstag, 7. Juli und Sonntag, 8. Juli In Annäherung an das Werk von Bacon und Giacometti wird die kanadische Choreografin und Tänzerin Emma Portner eine Filmpremiere zeigen sowie eine Reihe von Duetten aufführen. Die für Portner charakteristisch komplexe, sinnliche und körperbetonte Choreografie schöpft aus dem Grotesken, dem Unnatürlichen und aus der extremen Emotionalität, die im Werk beider Künstler eine zentrale Rolle spielen. Die Uhrzeit und die Eintrittspreise werden zu gegebener Zeit bekannt gegeben. Öffnungszeiten Fondation Beyeler: Täglich 10.00–18.00 Uhr, mittwochs bis 20.00 Uhr Eintrittspreise Ausstellung: Erwachsene CHF 28.- Alle Personen bis 25 Jahre, Art Club Mitglieder freier Eintritt Studenten bis 30 Jahre CHF 12.- Gruppen ab 20 Personen und IV mit Ausweis CHF 23.-
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