Bergmolch Lurch des Jahres 2019 - ÖGH
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Lurch des Jahres 2019 HERAUSGEBER Vorwort Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e. V. (DGHT) Liebe Leserinnen und Leser, Präsident: der Lurch des Jahres 2019 zählt mit Dr. Markus Monzel, St. Ingbert seiner fast tropisch anmutenden Far- Kontaktadresse: DGHT-Geschäftsstelle, N 4,1, D-68161 Mannheim benpracht, die gerade männliche Berg- Tel.: 0621 - 86 25 64 90; Fax: 0621 - 86 25 64 92; E-Mail: gs@dght.de; Web: www.dght.de molche während der Fortpflanzungs- zeit zeigen, zu den unverwechselbaren Prächtig gefärbt sind Bergmolche zur Paarungszeit Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Axel Kwet, Fellbach; Richard Podloucky, Isernhagen Amphibienarten in Europa. Zweifellos im Frühjahr DGHT-Arbeitsgruppe Feldherpetologie und Artenschutz: gehören die Männchen in Wassertracht Arno Geiger, Recklinghausen; Dirk Alfermann, Niedertaufkirchen; auch zu den schönsten einheimischen Lurchen. Ihr kräftig orangefarbener Bauch Prof. Dr. Klaus Henle, Leipzig; Peter Pogoda, Rottenburg am Neckar kontrastiert stark mit einer hell- bis graublauen Oberseite. Weitere Akzente setzen Text: Dr. Ulrich Schulte, Borgholzhausen, E-Mail: ulr.schulte@web.de; der gelblich schwarz marmorierte Rückensaum und das breite silberweiße, unten Andreas Nöllert, Jena, E-Mail: andreas.noellert@googlemail.com leuchtend hellblaue Seitenband mit schwarzem Punktemuster, das vom Kopf bis Österreichische Gesellschaft für Herpetologie (ÖGH): Dr. Andreas Maletzky, zum Schwanzansatz reicht. Dr. Silke Schweiger (www.herpetozoa.at) Dass ein so wundervoll gefärbter Lurch noch zu den häufigsten Amphibienarten Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (info fauna in Mitteleuropa zählt, bei uns vielleicht sogar die Art mit den individuenstärks- karch): Silvia Zumbach, Dr. Benedikt Schmidt (www.karch.ch) Nationales Naturhistorisches Museum Luxemburg (MNHN, Musée National d`Histoire ten Populationen überhaupt ist, mag erstaunen. Tatsächlich sind Bergmolche recht Naturelle): Roland Proess (www.mnhn.lu) anpassungsfähig. Kleinstgewässer aller Art wie Teiche, wassergefüllte Fahrspuren oder Straßengräben werden selbst in innerstädtischen Lagen mit etwas Grün noch Gestaltung: Mirko Barts, Geitje Enterprises LLC, San Diego Redaktion: Dr. Axel Kwet, Fellbach besiedelt – nur Fische und Molche im selben Gewässer schließen sich auf die Dauer meist aus. Bildnachweis: Henrik Bringsøe (Titel, 6u), Axel Kwet (11o, 13, 16l, 18o, 30, 31m, Rücktitel), Derzeit wird der Bergmolch in den Roten Listen Deutschlands, der Schweiz und Frank Leo (9b, 10u, 19, 20/21u), Andreas Maletzky (33), Andreas Meyer (3, 4, 11u, 31o, 36, Luxemburgs als „ungefährdet“, in Österreich als „potenziell gefährdet“ eingestuft. 37), Stefan Meyer (16r, 18u, 22o), Andreas Nöllert (7u, 8o, 14u, 20o), Richard Podloucky (14o, 15o, 21o, 24, 25, 26, 27, 29, 31u), Patrick Scimè (22u), Benny Trapp (6o, 7o, 8m, 8u, 9a, Aber auch für diese vergleichsweise häufige Art gilt wie für alle einheimischen 9c, 10o, 17, 20m), Annette Westermann (9d, 15u) Amphibien, dass ihre Populationen schwinden. Durch seine plakative Färbung eignet sich der Lurch des Jahres 2019 in idealer Weise, um stellvertretend auf diese ISBN: 978-3-945043-24-0 Rückgänge aufmerksam zu machen. Mit den kleinen Wasserdrachen machen viele Kinder ihre ersten Amphibienerfahrungen, und gerade bei dieser Art ist auch der lokale ehrenamtliche Naturschutz gefordert. Sponsoren/Kooperationspartner So gibt unsere Broschüre nicht nur Tipps für den Schutz der Art an Straßen oder zur Erhaltung naturnaher Waldlebensräume, sondern weist auch auf die besonde- re Bedeutung hin, die kleine fischfreie Gewässer wie Garten- oder Schulteiche in naturnaher Umgebung für den Bergmolch besitzen. Dr. Axel Kwet Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde 3
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Ulrich Schulte & Andreas Nöllert Der Bergmolch und seine Unterarten Der Bergmolch – Die Nominatform des Bergmolchs, Ichthyosaura alpestris alpestris, ist in großen Tei- len Zentraleuropas von der französischen Atlantikküste bis in die Karpaten der südwestlichen Ukraine und Zentralrumäniens weit verbreitet. Von der Art sind Lurch des Jahres 2019 im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Unterarten und Varietäten besonders auf dem Balkan beschrieben worden, die sich kaum anhand äußerer Merkmale unterschei- den lassen und heute bis auf die folgenden Unterarten zum großen Teil nicht mehr Wissenschaftliche Namen anerkannt werden. Das mit Abstand größte Areal besiedelt die Nominatform, I. a. alpestris. Isoliert Im Jahr 1768 beschrieb der österreichische Arzt und Naturforscher Joseph Nicolaus vom übrigen Verbreitungsgebiet kommt die Unterart I. a. cyreni in einem schmalen Laurenti (1735–1805) den Bergmolch anhand von Individuen aus den Alpen im Streifen entlang des Kantabrischen Gebirges im Nordwesten Spaniens vor. Eben- südwestlichen Niederösterreich als Triton alpestris, wobei der Gattungsname Triton falls isoliert vom zusammenhängenden Areal besiedelt die Unterart I. a. apuana das bereits für eine Schneckengattung vergeben war. Nach einer Reihe von Namens- nördliche und zentrale Italien. Erst 1982 wurden in Süditalien (Kalabrien) Berg- änderungen zeigten genetische Analysen in den 1990er-Jahren, dass die Gattung molche entdeckt, die der Unterart I. a. inexpectata zugeordnet werden. Auch im Triturus, zu der der Bergmolch lange gerechnet wurde, nicht monophyletisch ist, östlichen Südeuropa hat sich eine eigene Unterart des Bergmolchs herausgebildet, also keinen unmittelbaren gemeinsamen Vorfahren hat. Als Konsequenz wurde I. a. veluchiensis, die im nördlichen und zentralen Griechenland sowie auf der Halb- 2004 Mesotriton als neuer Gattungsname für den Bergmolch eingesetzt. Eine gründ- insel Peloponnes verbreitet ist. Schließlich findet sich in wenigen Gebirgsseen in liche Literaturauswertung zeigte jedoch, dass Ichthyosaura aus Prioritätsgründen Montenegro noch die Unterart I. a. montenegrina. Vorrang vor Mesotriton haben musste. Mittlerweile hat sich der Name Ichthyosaura alpestris durchgesetzt. Im südlichen Deutschland und in Österreich wird der Berg- molch auch Alpenmolch genannt. Verbreitung des Bergmolchs in Europa: Ichthyosaura alpestris alpestris (inkl. I. a. montenegrina) (grün), I. Bergmolchmännchen der Nominatform in Wassertracht a. apuana (inkl. I. a. inexpectata) (rot), I. a. cyreni (schwarz), I. a. veluchiensis (blau) 4 5
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Eine umfangreiche genetische Untersuchung von Bergmol- chen aus dem gesamten Ver- breitungsgebiet kam zu dem Ergebnis, dass vier gemeinsa- me Abstammungslinien abge- grenzt werden können, die sich auf folgende Unterarten vertei- len und teilweise noch weiter differenzieren lassen: (1) I. a. veluchiensis (Griechenland); (2) I. a. apuana und I. a. inexpectata (Apennin); (3) I. a. alpestris (mit- teleuropäische Populationen) und I. a. cyreni (Nordwestspani- en); (4) I. a. alpestris (osteuropäi- sche und Balkan-Populationen) und I. a. montenegrina (Balkan, inklusive I. a. serdara und I. a. piperiana). Ichthyosaura alpestris montenegrina aus Montenegro Ichthyosaura alpestris apuana aus Italien (Toskana) Ichthyosaura alpestris veluchiensis aus Griechenland (Peloponnes) Ichthyosaura alpestris cyreni aus Nordwestspanien 6 7
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Ein europäischer bläulichem, grünlichem oder bräunlichem Marmormuster; Gittermuster an Kopfseiten Schwanzlurch mit und Körperflanken weniger kontrastreich und deutlich, grenzt zumeist ohne blau- tropischer Farbenpracht es Flankenband direkt an die fleckenlose, leuchtend orange (als Warnfarbe dienen- de) Bauchseite. Kloake linsenförmig, nicht Artensteckbrief Bergmolch – Ichthyosaura alpestris (Laurenti, 1768) stark gewölbt. Bergmolchmännchen in Wassertracht Landtracht: Färbung beider Geschlechter Kennzeichen: Kleinerer (Männchen) bis dunkler und Zeichnungsmuster weniger mittelgroßer, kräftiger (Weibchen) Wasser- deutlich als in Wassertracht. Rückenleiste molch; Bauchfärbung orangerot bis gelb- der Männchen noch sichtbar, aber niedri- lich, zumeist ohne dunkle Flecken; Haut ger; Gittermuster des Seitenbandes undeut- während des Wasseraufenthaltes glatt, wäh- licher; Kloake weniger stark gewölbt. Weib- rend des Landaufenthaltes samtartig, leicht chen zum Teil oberseits nahezu schwarz; granuliert, trocken und wasserabweisend; Gittermuster noch undeutlicher als in Was- Kopf etwas breiter als lang, Kopfoberseite sertracht. Lippensäume eines Weibchens in Wasser- glatt, ohne Längsfurchen; Mund breit und Larven: Dunkle Pigmentierung vor allem Bergmolchweibchen in Wassertracht tracht abgerundet; Oberlippenfalten während des an den Rändern der Schwanzflossensäume Wasseraufenthaltes nur im hinteren Bereich, und der spitz zulaufenden Schwanzspitze. Kehlfalte gut sichtbar. Marmorierung auf dem Rücken größerer Größe: Gesamtlänge (GL) Männchen 71–92 Larven. mm, Weibchen 70–120 mm; Kopf-Rumpf- Jahreszyklus: Dauer der Kältestarre, Zeiten Länge (KRL) Männchen 41–53 mm, Weib- der Zu- und Abwanderung sowie Verweil- chen 48–62 mm. dauer im Fortpflanzungsgewässer sind von Geschlechtsunterschiede: Deutliche Ge- der geografischen Lage, der Höhenlage des schlechtsunterschiede hinsichtlich Färbung, Vorkommens, der Geländetopografie sowie Zeichnung und Größe, sowohl in Wasser- den aktuellen lokalklimatischen Bedingun- Stark (erbsenförmig) gewölbte Kloake eines als auch in Landtracht. gen abhängig. Die Zuwanderung im Kot- Männchen in Landtracht Männchens in Wassertracht Wassertracht: Männchen mit großem Blau- tenforst bei Bonn (195 m ü. NN) erfolgt bei- anteil im Farbkleid; niedriger, schwarz- spielsweise ab Mitte Februar bis Mitte Mai, gelblich/schwarz-weiß gebänderter Rücken- im Firstmoor in Kärnten (1.920 m ü. NN) leiste (Rückenkamm) und Seitenband aus Mitte Mai bis Anfang Juli. Abwanderung im auffällig schwarz-weißem Gittermuster, das Kottenforst Mitte Mai bis Ende August, im bauchwärts durch ein blaues Längsband Firstmoor Ende Juni bis Anfang November. von der fleckenlosen warnfarbigen Bauch- In Südeuropa oft ganzjährig im Gewässer. seite begrenzt ist. Kloake stark erbsenför- Neotene bzw. pädomorphe Populationen Schwächer (linsenförmig) gewölbte Kloake mig gewölbt. Weibchen ohne Rückenleiste, (Dauerlarven) ebenfalls ganzjährig im Was- eines Weibchens in Wassertracht oberseits und an Körperflanken mit grauem, ser. Larve des Bergmolchs 8 9
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Aktivität: Zur Fortpflanzungszeit Aktivi- tätsspitzen in der Morgen- und Abenddäm- merung, Nahrungsaufnahme häufig nachts. Während des Landaufenthaltes nacht- und bei Niederschlägen auch tagaktiv. Fortpflanzung: Komplexes Balz- und Sper- maübergabe-Verhalten aus drei Haupt- phasen, Orientierung – Statische Werbung – Übergabe der Spermatophore (innere Be- fruchtung), wie im Kapitel „Das komplexe Fortpflanzungsverhalten“ (S. 19) geschildert. Wanderdistanzen: Anwanderung an die Gewässer gewöhnlich aus 100–1.000 m Ent- fernung; bislang belegtes Maximum 4 km. Alter: In verschiedenen Populationen wur- den mit Hilfe der Skelettochronologie (Al- Pädomorpher Bergmolch der Unterart I. a. veluchiensis Bergmolchpaar beim komplexen Balzspiel tersbestimmung durch Zählen der Jahres- (Weibchen oben) ringe in Knochenquerschnitten) Lebensalter Prädatoren: Zahlreiche Feinde wie Schwimmkäfer und deren Larven, Raubfische, der Männchen bis maximal 22 Jahre, der Weibchen bis 21 Jahre ermittelt. Die ältes- Ringelnattern, Wasseramseln, Graureiher, Störche, Haubentaucher, Wasserspitz- ten Individuen wurden in alpinen Lebensräumen nachgewiesen. mäuse und räuberische Kleinsäuger. Nahrung: Während des Gewässeraufenthaltes bilden Insektenlarven und -puppen, Abwehrverhalten: Einnahme einer Schreckstellung, wobei der Körper seitlich aber auch Kleinkrebse oder Laich und Larven anderer Amphibien die Hauptnah- eingebogen wird, die Hintergliedmaßen abgespreizt, der Vorderkörper durch rung. Während des Landaufenthaltes werden Insekten und deren Larven, Spin- Streckung der Vordergliedmaßen angehoben sowie der Schwanz aufgestellt nen, Asseln und Würmer verzehrt. und eingerollt werden; dadurch sind Teile der warnfarbigen Unterseite sicht- bar. Bemerkenswertes: Pä- domorphe (neotene) Po- pulationen (Dauerlar ven) sind häufiger als bei ande ren europäi- schen Schwanzlurchen, vor allem in Südeuropa. Der Bergmolch wur de mehrfach außerhalb sei- nes natürlichen Verbrei- tungsgebietes angesie- delt, zum Bei spiel in England, Frankreich und Männchen in Wassertracht Neuseeland. Weibchen in Wassertracht 10 11
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Die Verbreitung – ein echter Europäer Das mehr oder weniger geschlossene Artareal des Bergmolches erstreckt sich vom südlichen Dänemark (Umgebung von Apenrade) durch Teile Westeuropas (Nieder- lande bis Zentralfrankreich) und durch das zentrale Mitteleuropa bis auf die nörd- liche Peloponnes (Griechenland), wo östlich des Mount Erymanthos die südliche Verbreitungsgrenze erreicht wird. In der Ukraine und Rumänien sind die Karpaten und das Karpatenvorland sowie das Bihoruli-Gebirge in Nordwestrumänien besie- delt. Die Vorkommen in Griechenland und Bulgarien sind größtenteils weiter von- einander isoliert und bilden kein geschlossenes Areal. Im Osten ist die Pannonische Tiefebene, der westlichste Teil des eurasischen Steppengürtels, eine große, natürliche Verbreitungslü- cke. In Italien erreicht das Verbrei- tungsgebiet die Monti della Laga in der Provinz Lazio, isoliert davon wurde der Bergmolch auch in Ka- labrien nachgewiesen. Weit vom zentral- und südosteuropäischen Verbreitungsgebiet isoliert befinden In den Alpen (hier am Wertacher Hörnle im bayerischen Allgäu) ist der Bergmolch bis in Höhen von sich Vorkommen in Nordwestspa- über 2.000 m über NN verbreitet nien (Kantabrisches Gebirge), wo der Bergmolch fast von Meeresspie- nander isolierte Vorkommen vorgelagert, so in den Ländern Schleswig-Holstein, gelniveau bis auf ca. 2.200 m ü. NN Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Die nordöstliche Verbreitungs- vorkommt. In Zentralspanien liegt grenze verläuft von Kiel über Hamburg, Magdeburg, den Fläming bis in den Raum ein weiteres Isolat nordwestlich von Guben-Eisenhüttenstadt. Besonders bemerkenswert sind die weit vom „restlichen“ Madrid in der Sierra de Guadarra- Areal isolierten Vorkommen im Hochfläming von Sachsen-Anhalt (Umgebung Gö- ma, wo die Art vermutlich angesie- ritz), die erst 2009 entdeckt wurden. Daran schließen sich im Osten die bekannten delt wurde. Vorkommen im Quellgebiet der Plane und im oberen Planetal Brandenburgs an, die In der Bundesrepublik Deutsch- bereits seit 1953 bekannt sind. Nordwestlich davon liegen weitere, spät entdeckte land ist der Bergmolch mit Ausnah- Isolate der Art in Sachsen-Anhalt, nämlich bei Reesdorf (Möckern), 1992 erstmals me von Berlin (nicht autochthon), nachgewiesen, sowie westlich von Ziesar, Ende April 2010 bekannt geworden. Verbreitung des Bergmolchs in Deutschland auf TK25- Bremen und Mecklenburg-Vor- In der Nähe der nördlichen Artarealgrenze bei Flensburg (Schleswig-Holstein) Basis. Schwarz: Nachweise von 2000–2018; weiß: Nach- pommern in allen Ländern ver- kommt der Bergmolch zwischen 30 und 35 m ü. NN vor, bei Haale im Kreis Rends- weise von 1980–1999, gelb 1900–1979. Quelle: DGHT breitet. An der nördlichen und burg-Eckernförde zwischen 5 und 10 m ü. NN, und auf dem Rappenseeplateau im e.V. (Hrsg. 2018): Verbreitungsatlas der Amphibien und nordöstlichen Verbreitungsgrenze Oberallgäu (Bayern) erreicht er 2.079 m ü. NN. Reptilien Deutschlands, auf Grundlage der Daten der Länderfachbehörden, Facharbeitskreise und NABU- sind dem nahezu geschlossenen Generell ist der Bergmolch in der atlantischen Region aufgrund des geringeren Landesfachausschüsse der Bundesländer sowie des Verbreitungsgebiet in Deutschland Wald- und Mittelgebirgsanteils wesentlich seltener als in der kontinentalen und Bundesamtes für Naturschutz. zahlreiche, zum Teil weit vonei- alpinen Region der Bundesrepublik Deutschland. 12 13
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Lebensräume – eine Waldart Im mitteleuropäischen Tiefland und Mittelgebirge besiedelt der Bergmolch vor al- lem bewaldete Landschaften. In den alpinen Lebensräumen handelt es sich viel- fach um offene und großflächige Wiesen- und Weidelandschaften sowie Moore unterschiedlicher Entstehung und Nährstoffgehalte, in denen sich zum Teil enorm individuenreiche Populationen mit Hunderten oder Tausenden Tieren aufbauen können. Das Spektrum der Aufenthalts- und Fortpflanzungsgewässer ist sehr vielgestaltig. Es umfasst natürliche Gewässer mit unterschiedlich dichter Unterwasservegeta- tion oder Falllaubschicht, in der sowohl die Molche Versteckplätze finden als auch die Eier deponiert werden, wie beispielswei- se die Randbereiche großer Seen und Weiher, Klein- und Kleinstgewässer un- Auch temporäre Kleingewässer, wie sie durch umgefallene Bäume entstehen, dienen als Laichplatz terschiedlicher Wasserfüh- rung wie Wildsuhlen oder getationsreiche Fahrspurrinnen auf Waldwegen, wasserführende Waldweg- und wassergefüllte Wurzel- Straßengräben sowie Gewässer in Abbaugruben. Neu angelegte oder renaturierte trichter (durch hochgerisse- Gewässer werden vom Bergmolch schnell besiedelt, auch wenn die submerse Ve- ne Wurzelteller) gefallener getation noch nicht oder kaum ausgeprägt ist. Landlebensraum im Naturschutzgebiet Braken, Niedersachsen Laub- und Nadelbäume. Physikalisch-chemische Wasserwerte scheinen bei der Nutzung als Entwicklungs- Fließgewässer, vor allem gewässer für Laich und Larven eine untergeordnete Rolle zu spielen. Vorausset- deren ruhigere Kolk- und zung ist natürlich keine zu Randbereiche sowie beglei- starke vom Menschen ver- tende Überschwemmungs- ursachte Verschmutzung. flächen, dienen ebenso als Im Nordschwarzwald wur- Lebensraum und Repro- den sogar saure Gewässer duktionsstätten. mit einem pH-Wert von Auch nahezu alle vom weniger als 5 genutzt, bei Menschen geschaffenen Tübingen im Bereich zwi- künstlichen Gewässer kön- schen pH 5,4 und pH 9,2. In nen zur Fortpflanzung den Niederlanden besiedel- genutzt werden: Teiche ten Bergmolche neu ange- und andere Staugewässer, legte Gewässer bevorzugt Viehtränken, wassergefüll- im basischen Bereich mit Großes Laichgewässer bei Cospeda, Thüringen te, mehr oder weniger ve- pH 8–11. Fahrspuren als Bergmolchlaichgewässer im Harz, Sachsen-Anhalt 14 15
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Die Nahrung des Bergmolchs Feinde und Prädatoren An Land belegen Einzelbeobachtungen, dass die Nahrung in erster Linie aus In- Zu den wichtigsten Fressfeinden adulter Bergmolche im Gewässer gehören grö- sekten wie Käfern und deren Larven, Würmern, Spinnen und Asseln besteht. Wäh- ßere Raubfische sowie die Ringelnatter. Daneben erbeuten terrestrische, am und rend der aquatischen Phase folgt das Nahrungsspektrum der saisonalen Entwick- im Wasser jagende Räuber wie Wasseramsel, Graureiher, Störche, Haubentau- lung der Beuteorganismen am Gewässerboden. Es werden Schlammfliegenlarven, cher und Enten Molche. Auch Wasserspitzmäuse fressen metamorphosierte Tie- Zuckmückenlarven, Kleinkrebse (Bachflohkrebse in Fließgewässern), Köcherflie- re, und selbst große Schwimmkäfer attackieren adulte Bergmolche. gen (ohne Köcher) und Käferlarven sowie Weichtiere erbeutet. Darüber hinaus Während der terrestrischen Phase gehören verschiedene Raubsäuger wie Wie- konsumieren Bergmolche (vor allem die Weibchen) sehr häufig andere Amphi- sel und Marder, Igel oder Spitzmäuse sowie räuberische Vögel zu den haupt- bienarten (Eier und Larven), wobei auch Kannibalismus auftritt. Gezielt werden sächlichen Feinden. Frisch metamorphosierte Molche können auch von großen vor allem die Laichballen des Grasfrosches aufgesucht und deren Eier gefressen. Laufkäferarten erbeutet werden. Adulte Bergmolche zeigen im Landlebensraum Bei gemeinsamen Vorkommen üben adulte Bergmolche auch einen starken Präda- beim Ergreifen mitunter ein spezifisches Abwehrverhalten (Schreckstellung), tionsdruck auf die Larven des Feuersalamanders aus. Einzig Erd- und Wechselkrö- welches gegenüber Fressfeinden von Bedeutung sein könnte. Dabei biegen sie tenlarven scheinen nicht genießbar zu sein. Im Hochsommer werden vermehrt ins ihren Körper seitlich und spreizen die Hinterbeine, während ihr Vorderkörper Wasser gefallene, angeflogene Insekten erbeutet. mit den Armen vom Untergrund angehoben wird, sodass die orange leuchten- Die Größe der Beutetiere verschiedener taxonomischer Gruppen reicht von nur de Warntracht der Molche für den Angreifer sichtbar wird. Das Verhalten tritt 1 mm großen Muschelkrebsen über 15 mm lange Käfer- und Zuckmückenlarven in unterschiedlicher Intensität auf und reicht vom Anlegen des aufgerollten bis hin zu (im Ausnahmefall) 32 mm großen Kaulquappen. Die an das Leben auf Schwanzes an den wenig gebogenen Körper bis zu einem extrem starken Biegen dem Gewässerboden spezialisierten Bergmolchlarven fressen zu Beginn ihrer Ent- des Körpers unter vertikaler Aufrichtung des Schwanzes, sodass die Kopfspitze wicklung hauptsächlich Kleinstalgen, Infusorien und Muschelkrebse, kleine Was- die Kloake berührt. Begleitet wird dieses Verhalten von der Absonderung mil- serflöhe sowie Ruderfüßer. Ab einer Gesamtlänge von 17 mm werden vor allem chig weißen Sekrets aus Hautdrüsen. Ob diese Verhaltensweise tatsächlich einen Wasserflöhe und ab einer Gesamtlänge von etwa 21 mm Zuckmückenlarven erbeu- der oben angeführten Räuber am Zugreifen hindert, ist bislang nicht wissen- tet. Bei hoher Larvendichte kann es zu Kannibalismus kommen. schaftlich belegt. Bergmolche fressen gerne Grasfroschlaich Auch Regenwürmer gehören zur bevorzugten Beute des Bergmolchs Eine Ringelnatter beim Fressen eines Bergmolchs im Raum Wuppertal 16 17
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Die Eier der Bergmolche wer- Das komplexe Fortpflanzungsverhalten den, um sie unauffälliger ge- genüber Prädatoren zu ma- In Abhängigkeit von der Außentemperatur und vom Niederschlag beginnt die An- chen, von den Weibchen an wanderung der Molche zum Laichgewässer nach Einbruch der Dunkelheit, in der Wasserpflanzen geheftet und, Regel ab etwa Mitte März im Tief- und Hügelland sowie gut zwei Monate später im wenn möglich, mit den Hin- Hochgebirge. Ausschlaggebend ist eine Lufttemperatur von über 5 °C, besser noch terbeinen in ein Blatt eingefal- um die 10 °C, verbunden mit Niederschlägen und/oder über 90 % Luftfeuchtigkeit. tet. Dennoch erbeuten neben Dabei treten häufiger Zeitverzögerungen bei solchen Wanderungsschüben nach Nie- zahlreichen Fischarten auch derschlägen von 1–2 Tagen auf. Im Hochgebirge ist die Wanderung der Bergmolche Libellenlarven, Schwimm- vom Zeitpunkt der Schneeschmelze abhängig und findet vor allem im Zeitraum von käfer und Schwimmwanzen Mitte Mai bis Mitte Juni statt. Als Leitlinien bei der Einwanderung in die Tümpel wer- die Eier und Larven des Berg- den (im Sinne von Wanderkorridoren) gerne kleine Quellgewässer und Bäche genutzt. molchs. Als Hauptprädato- Die Balz und Samenübernahme (innere Befruchtung) erfolgen beim Bergmolch ren, die einen starken Effekt ohne intensive Körperkontakte. Das fortpflanzungsbereite Männchen erkennt auf Molchpopulationen aus- das Weibchen visuell und olfaktorisch (geruchlich). In der Orientierungsphase üben können, müssen Fische schwimmt oder läuft es auf die Partnerin zu, verfolgt und beriecht sie, wedelt ihr Frisch getötet wurden diese Bergmolche von räuberischen und Großlibellenlarven ange- mit seinem Schwanz Pheromone (Duftstoffe) aus seinen Kloakendrüsen zu und Kleinsäugern oder Vögeln sehen werden. Auf die Dauer stoppt sie schließlich durch Nachvorneschwimmen und Querstellen des Kör- schließen sich Molche und Fische im selben Gewässer aus; einzig bei strukturrei- pers. Während der anschließenden statischen Phase stehen sich die beiden Ge- cher Vegetation und sehr flach auslaufenden Ufern (also bei mehr oder weniger schlechtspartner Kopf an Kopf gegenüber, und das Männchen wedelt weiterhin starker räumlicher Trennung) gibt es Ausnahmen. Pheromone in Richtung Weibchen. Es kriecht nun quer vor die Partnerin, bildet Käferlarven der Familie Dytiscidae (Schwimmkäfer) und Libellenlarven der Fa- einen Katzenbuckel, beugt den Körper in Richtung Weibchen und wedelt ihm wei- milie Aeshnidae (Edellibellen) sind neben Fischen die bedeutendsten Molchlar- terhin Duftstoffe entgegen. venräuber. Danach folgen Li- bellenlarven der Familie Libel- lulidae, Larven der Käferfa- milie Hydrophilidae (Kolben- wasserkäfer), adulte Molche (tatsächlich ernähren sich al- le heimischen Molcharten zu einem erheblichen Anteil von den Nachkommen des Berg- molchs), adulte Schwimmkä- fer und Rückenschwimmer. Als weitere Prädatoren der Larven kommen die bereits als Feinde der metamorpho- sierten Tiere genannten Vo- Diese Feldspitzmaus hat einen Bergmolch erbeutet gelarten in Frage. Ein Bergmolchpaar (Weibchen links) beim Balzen unter Wasser 18 19
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Die dritte Phase, die Übergabe der Sperma- tophore durch das Männchen, besteht aus dem Absetzen der Spermatophore, einer Spermienansammlung in einer Kapsel aus verfestigtem Sekret der Anhangdrüsen der männlichen Geschlechtsorgane, und der Übernahme in die Kloake des Weibchens. Ei des Bergmolches in Algenwatten Dazu kriecht das Männchen von der Part- nerin weg und wird von ihr verfolgt, wobei es mit dem Schwanz zitternde Bewegungen ausführt. Es faltet den Schwanz S-förmig zu- sammen, das Weibchen berührt mit seinem Kopf den Schwanz des Männchens, das nun Ältere Bergmolchlarve mit intensiver, dunkler Pigmentierung die Spermatophore am Boden deponiert. Das Männchen kriecht anschließend weiter stern- und Armleuchteralgenarten. Die wichtigsten Zahlen zur Fortpflanzung des und wird vom Weibchen verfolgt. Hat es Bergmolchs seien hier stichwortartig genannt. Gelege mit unterschiedlich weit entwickelten mit der Kloakenregion die Spermatophore Weibchen legen pro Saison 70–390 Eier, Männchen produzieren jedes Jahr im Embryonen an den Blättern der Wasserfeder erreicht, stoppt das Männchen durch Quer- Durchschnitt 48 Spermatophoren. Eidurchmesser 1,5–1,7 mm, Durchmesser mit (Hottonia) stellen die Vorwärtsbewegung des Weib- schützenden Gallerthüllen 2,5–3,0 mm. Entwicklungsdauer der Embryonen unter chens. Dabei ist sein Schwanz nach vorn gebogen, die Schwanzspitze bewegt sich, natürlichen Bedingungen 2–4 Wochen, bei erhöhter (20–22 °C) Wassertemperatur das Weibchen berührt seine Schwanzflanke, und das Männchen schiebt die Partne- 8–9 Tage. Mittlere Schlupfgröße 7–8 mm. Dauer der Larvalentwicklung je nach rin mit dem Schwanz zurück, um die Übernahme der Spermatophore zu sichern. Wassertemperatur etwa drei Monate, auch regelmäßige Überwinterung der Lar- Die Eizellen werden im Mutterleib befruchtet. Später faltet das Weibchen die Ei- ven im Gewässer. Gesamtlänge der Larven kurz vor Metamorphose 28–40 mm, er einzeln mit Hilfe der Hintergliedmaßen in die Blätter von Unterwasserpflan- der durch Lungen atmenden Metamorphlinge 40–50 mm. Geschlechtsreife in tiefe- zen oder auch zwischen Fadenalgen oder Falllaub am Gewässerboden ein. Dazu ren Lagen mit 2–3, im Hochgebirge mit 10 Lebensjahren. Hohe Lebenserwartung, dienen in Mitteleuropa sehr häufig der Flutende Schwaden, verschiedene Wasser- Höchstalter bis etwa 30 Jahre. Zur Aufnahme der Spermatophore folgt das Weibchen dem Männchen über den Gewässerboden 20 21
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Pädomorphose und Neotenie – Gefährdung und Rote-Liste-Status in Deutschland besondere Phänomene Nach der aktuellen Roten Liste für Deutschland ist der Bergmolch eine der we- Unter Pädomorphose versteht man das Ver- nigen Amphibienarten, die bundesweit nicht gefährdet ist. Nach aktuellen Daten bleiben eines Organismus in einem frühen (2000–2018) hat er eine Rasterfrequenz (bezogen auf das Vorkommen in den ein- Stadium seiner Individualentwicklung, wo- zelnen TK-25-Quadranten, nach DGHT 2018) von 40 %, doch wird in den letzten bei Larvenmerkmale wie Außenkiemen oder zehn Jahren ein mäßiger Rückgang angenommen. Bezogen auf das Gesamtareal die larvale Hautstruktur beibehalten werden. des Bergmolches liegen etwa 20 % in Deutschland und damit im Zentrum des Are- Die Larve kann aber die Geschlechtsreife er- als. Von daher ist Deutschland „stark verantwortlich“ für die Erhaltung der Art. In reichen und sich fortpflanzen, was dann als der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der Europäischen Union vom Neotenie bezeichnet wird. Schwanzlurche 21. Mai 1992 wird der Bergmolch nicht aufgeführt. Nach dem Bundesnaturschutz- können obligatorisch (zwingend) pädomorph gesetz handelt es sich um eine „besonders geschützte Art“. beziehungsweise neoten sein, wie beispiels- Bundesland D BB BE BW BY HE HH MV NI NW RP SH SL SN ST TH weise der Europäische Grottenolm (Proteus anguinus), oder fakultativ (möglich, nicht Rote-Liste- * 2 nB * * * R nB * * V R * 3 G V Status zwingend) pädomorph (neoten) wie beim Bergmolch. Neotenie tritt bei dieser Molchart Rote-Liste-Status des Bergmolchs in Deutschland (D) und den einzelnen Bundesländern (BB = Branden- deutlich häufiger als bei anderen europäi- burg; BE = Berlin; BW = Baden-Württemberg; BY = Bayern; HE = Hessen; HH = Hamburg; NI = Nieder- schen Schwanzlurcharten auf, vor allem in Neotenes Bergmolchmännchen, Monte sachsen/Bremen; NW = Nordrhein-Westfalen; MV = Mecklenburg-Vorpommern; RP = Rheinland-Pfalz; den Alpen und im südlichen Teil des Artare- Belpo, Italien SH = Schleswig-Holstein; SL = Saarland; SN = Sachsen; ST = Sachsen-Anhalt; TH = Thüringen) als wie in Südostfrankreich, Italien oder auf 2 = stark gefährdet; 3 = gefährdet; V = auf der Vorwarnliste; G = Gefährdung anzunehmen, aber Status der Balkanhalbinsel. unbekannt; R = extrem selten und Art mit geografischer Restriktion; * = ungefährdet; nB = nicht bewertet Gefährdungsfaktoren Aufgrund seiner engen Bindung an Wälder, der relativ weiten Verbreitung und ins- gesamt großen Bestände ist der Bergmolch, ähnlich wie der Feuersalamander, im Vergleich zu anderen häufigen Amphibienarten im Offenland weniger stark von Bestandsrückgängen betroffen. Dennoch wirken auch bei dieser anpassungsfähigen Art zahlreiche ungünstige Einflüsse auf die Wasser- und Landlebensräume. Hauptgefährdungsursachen gehen von der privaten und staatlichen Forstwirt- schaft (für Staatsforste gibt es in den meisten Bundesländern allerdings ökologische Waldwirtschaftsprogramme) in Form einer Lebensraumzerstörung und Isolierung durch den Ausbau von Verkehrswegen (einschließlich Forststraßen und Wander- wegen im Wald) aus. Die Förderung strukturarmer Nadelholzforste beeinträchtigt und entwertet den Landlebensraum des Bergmolchs. Der Einsatz von Harvestern und Forstmulchern sowie die Zerstörung von Kleinstgewässern durch den Ausbau und die Befestigung von Waldwegen wirken äußerst negativ auf die Vorkommen. Neotene Bergmolche wurden vor allem aus alpinen Gewässern wie im Schweizer Tessin beschrieben Neben der Zerstörung von Kleinstgewässern führen der Wege- und der Straßen- 22 23
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 aus- und -neubau auch zum Ein ganz besonderes Prob- direkten Verlust von Tieren lem für den Bergmolch in durch den Fahrzeugverkehr. den Alpen ist das Einsetzen Selbst wenn Belege fehlen, wie von Salmoniden (Forellen, relevant die Verluste durch Saiblinge) in größere, vor- Straßenverkehr für eine Popu- her fischfreie Gewässer, in lation sind, zeigen wiederkeh- denen sich durch eine lange rende Beobachtungen, dass Ko-Evolution ein eingespiel- Straßen und Forstwege vor tes Verhältnis zwischen dem allem im Frühjahr und Herbst Bergmolch als Haupträuber zu einer erheblichen Gefahr und verschiedenen Klein- Das Düngen in der Nähe von Amphibienlaichgewässern für die Tiere werden können. krebsen als Nahrungstieren gefährdet auch den Bergmolch Bergmolche suchen geteerte entwickelt hat. Würde der Wege sowohl zur Partner- als Bergmolch seine Beutetiere Müllablagerung in einem Laichgewässer von Berg-, Teich- und auch zur Nahrungssuche ge- übermäßig dezimieren, ent- Kammmolchen bei Altenmedingen, Niedersachsen zielt und häufig auf und bewe- zöge er sich seine eigene Le- gen sich dort nur langsam fort. bensgrundlage. Durch den In der an die Wälder angren- künstlichen Fischbesatz wird zenden Agrarlandschaft kann dieses eingespielte System eine Vernetzung von Vorkom- zerstört, weil die Raubfische men oder Neubesiedlung au- nicht nur die Nahrungstie- ßerhalb des Waldes nur über re der Bergmolche fressen, Hecken- und Gehölzstreifen sondern auch die Molche oder strukturreiche Graben- selbst und deren Larven dezi- Unsachgemäß durchgeführte Grabenräumungen tragen zur systeme funktionieren. Die mieren. Besonders drastisch Gefährdung kleiner Bergmolchpopulationen bei anhaltende Beseitigung dieser wirkt sich Fischbesatz in den Hecken- und Gehölzstruk- pädomorphen Populationen turen (auch durch eine „ordnungsgemäße“ Grabenräumung) führt zu einem auf dem Balkan aus, die als weiteren Verlust von Molchvorkommen in der ohnehin bereits ausgeräumten Dauerlarven keine Ausweich- Auch bei starken Eingriffen in den Landlebensraum wie hier bei der Agrarlandschaft sowie zu einer immer stärkeren Isolierung der Populationen in möglichkeiten in den terres- Räumung von Baumstubben kann es zu großen Verlusten kommen Waldgebieten. trischen Bereich haben und In größeren Stillgewässern kann sich der Bergmolch aufgrund von Fischbesatz oft- unwiederbringlich vernichtet werden. mals nicht mehr erfolgreich reproduzieren. Eine Koexistenz von Fischen und Am- Äußerst negativ wirken sich auch das Aussetzen und die starke Ausbreitung inva- phibien funktioniert nicht ohne eine räumliche Trennung, und in Gewässern ohne siver Krebsarten wie Kamber-, Marmor-, Sumpf- oder Kalikokrebs auf Amphibi- ausgedehnte Flachwasserzonen, die zumindest von größeren, hochrückigen Fisch- en wie den Bergmolch aus. Die Krebse fressen Eier und Larven und verändern in arten schwer oder gar nicht erreicht werden können, bedeutet die Einschleppung größeren Gewässern mitunter komplette Amphibiengemeinschaften bis hin zum von Fischen mittelfristig das Erlöschen der Bestände. Es ist daher dringend davon Aussterben ganzer Populationen. Indem die Krebse ständig auf Jagd nach Am- abzuraten, in Gewässer, die für den Amphibienschutz angelegt worden sind, aus phibienlarven sind und diese oft verletzen, wird auch deren Konstitution negativ Gründen des Naturschutzes auch Kleinfischarten einzusetzen. beeinflusst. Die Larven wachsen schlechter und verändern ihre Verhaltensweisen. 24 25
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Schutz- und Hilfsmaßnahmen Wie für alle häufigen Amphi- bienarten gibt es auch für den Bergmolch derzeit keine spezi- ellen Artenhilfsprogramme oder Schutzkonzepte in Deutschland, sodass für diese Art noch stärker als bei den ohnehin im Fokus ste- henden seltenen Arten der lokale Stark verlandeter Bombentrichter im Naturschutz- ... und nach einer Gewässerneuanlage an gleicher Artenschutz und der ehrenamtli- gebiet Braken, Niedersachsen, vorher ... Stelle che Naturschutz bedeutsam sind. Die Art profitiert in erster Linie und Totholz bieten dem Bergmolch wichtige Tages- und Überwinterungsverstecke von den Maßnahmen, die für Am- und können auch als Trittsteinbiotope zur Ausbreitung beitragen. Zudem fördert phibien allgemein durchgeführt ein hoher Totholzanteil den Reichtum an Insekten und Weichtieren als mögliche oder in Privatgärten umgesetzt Lebensraum von Bergmolchen in einem Gartenteich in der Beutetiere. werden. Eifel In Lebensräumen außerhalb größerer Wälder ist der Bergmolch im Tiefland vor al- lem auf abwechslungsreiche Randstrukturen wie Hecken, Gehölze, feuchte Hoch- Erhaltung und Förderung naturnaher Waldlebensräume staudenfluren und kleinere Waldbestände in der Nähe seiner Laichgewässer ange- wiesen. Hauptsächlich Waldstrukturen und geschlossene Gehölzbestände bieten Langfristiges Ziel zur Sicherung vitaler Vorkommen von waldgebundenen Am- dieser Art geeignete Überwinterungsquartiere, Nahrung und Migrationsmög- phibienarten wie dem Bergmolch ist die Erhaltung, Wiederherstellung und Ent- lichkeiten, ohne die Gefahr einer schnellen Austrocknung. Zum Aufbau kleinerer wicklung naturnaher Waldlebensräume. In Monokulturen stehen Fichten häufig bis mittelgroßer Bestände reichen den Molchen auch Gehölzstreifen oder breitere so eng, dass sie den Waldboden verdunkeln. Die fehlende Krautschicht hält in Hecken in der Nähe der Laichgewässer. Zudem kommt diesen Gehölzreihen im der Folge kaum terrestrische Beuteorganismen für Amphibien bereit. In weniger Offenland, den Saumstrukturen entlang von Waldrändern sowie den zwischen dichten Fichtenforsten ist wiederum die Verdunstung deutlich höher als in einem Äckern gelegenen feuchten Gräben eine besondere Bedeutung als Wanderkorrido- Buchenwald, sodass der Oberboden unvorteilhaft trocken ist. Stillgewässer und re zwischen Laichgewässern und Über- Bachläufe innerhalb von Fichtenbeständen sind häufig sehr strukturarm und auch winterungsquartieren zu. Solche Struk- arm an Nahrungsorganismen für die Larven der Molche. turen gilt es zu erhalten und zu fördern Aus diesem Grund sollten zur Förderung des Bergmolchs in Waldgebieten die (siehe Unterhaltungsarbeiten unten). Fichtenbestände maximal 20 % Flächenanteil einnehmen. Bei einem höheren Anteil In Gärten mit Kleingewässern, die vom an Nadelbäumen sollten Baumfällungen vorgenommen werden. Auf den entste- Bergmolch besiedelt werden, sollten henden Lichtungen kann sich sehr schnell eine üppige natürliche Bodenvegetation wenig berührte Flächen an Land er- entwickeln, in deren Folge sich junge Laubbäume ansiedeln. Ziel bei Aufforstun- halten bleiben (unter den Hecken und gen sollte immer eine Umforstung von standortfremden Nadelholzforsten zu na- Sträuchern im Winter das Laub liegen turraumtypischen, strukturreichen Laub- und Mischwäldern sein. lassen; Baumschnitt oder andere Mate- Innerhalb des Waldes gilt es, den Strukturreichtum durch die Erhaltung und Er- rialien in einer Gartenecke stapeln und höhung des Alt- und Totholzanteils (durch Liegenlassen von Baumstämmen und einen Komposthaufen damit verbin- Ästen) zu steigern. Unterschiedlich stark zersetzte Wurzelstubben, Wurzelteller den). Frisch angelegtes Landhabitat für Molche 26 27
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Kleinste Gewässer bewirken Großes der Larven keine Fahr- zeuge durch die Spuren Gerade für den anpassungsfähigen Bergmolch, der oft kleinste Gewässer als Laich- fahren. Dagegen dient gewässer nutzt, kann ein aquatischer Lebensraum schnell geschaffen werden. Klei- ein Durchfahren im Win- nere Gewässer können als Trittsteinbiotope oder „Rettungsanker“ von Bedeutung terhalbjahr der Verjün- sein. Untersuchungen zur Neubesiedlung von angelegten Gewässern durch Berg- gung der Gewässer, was molche zeigen, dass eine Besiedlung innerhalb eines Jahres oder mitunter in einer für den langfristigen Er- Fortpflanzungssaison erfolgen kann. halt der Population eine Entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Einwanderung von Molchen sind, Voraussetzung ist. Um dass die neuen Gewässer in Waldnähe oder in der Umgebung von geschlossenen eine bessere Akzeptanz Gehölzbeständen liegen (zum Beispiel breite Hecken oder Baumreihen), fischfrei bei Spaziergängern oder sind und Anbindung an bestehende Vorkommen haben. Eine Überbrückung von Wanderern zu erreichen, 1–2 km (fehlende Wanderbarrieren wie größere Straßen vorausgesetzt) dürfte da- können einfache Hin- bei kein Problem sein, und selbst Wanderdistanzen bis 4 km sind für adulte Berg- weisschilder helfen. molche belegt. Insbesondere wenn es Neben der Anlage von neuen Gewässern für Amphibien müssen vor allem auch sich um einen Komplex Freistellung und Sanierung eines Laichgewässers von Bergmolchen bestehende Tümpel und Teiche erhalten und/oder deren Qualität verbessert wer- aus wassergefüllten im Beverner Wald, Niedersachsen den. Gezielte Pflegemaßnahmen sollten in einem Zeitraum von etwa 6–10 Jahren, Wegerinnen in einem am besten im September und Oktober eines Jahres (bei Abwesenheit der meisten größeren Waldgebiet Amphibien im Gewässer), unter strenger Berücksichtigung des Artenschutzes handelt, kann dessen (Verbot der Tötung und Zerstörung von Lebensstätten) wiederholt werden. Zu den Bedeutung für Amphibi- Maßnahmen gehören: en und insbesondere für • (Teil-)Herausnahme (Abschöpfen) von Schwimmpflanzendecken bei starkem den Bergmolch in sonst Nährstoffeintrag. Entkrauten (mit Harke) und schonendes Ausbaggern bezie- kleingewässerarmen Re- hungsweise Befahren mit schwerem Gerät, um eine Verlandung und zu starke gionen nicht hoch genug Verschlammung der Gewässer zu verhindern. eingestuft werden. Dies • Grünflächen in Gewässernähe nur schneiden, wenn wirklich notwendig (im betrifft auch die was- Sommer außerhalb der Zeit des Landgangs der Metamorphlinge); Schnitt mit serführenden Gräben, Balkenmäher (Schnitthöhe etwa 10 cm), kein Einsatz von Kreiselmähern. die manche Waldwege • Zurückschneiden von Gehölzaufwuchs am Gewässerrand zur Sicherstellung begleiten. Durch fraktio- einer ausreichenden Besonnung. nierte Aufstauung dieser • Anhäufung des Schnittguts als kleine Holzhaufen in Ufernähe als Tagesver- Gräben und die Anla- Nach gezielten Pflegemaßnahmen dient dieser Weiher wieder als steck und Winterquartier. ge von wassergefüllten Lebensraum für Bergmolche und andere Amphibienarten Von besonderer Bedeutung für diese Waldart sind wassergefüllte Fahrspuren. Für Grabentaschen entstehen Forstarbeiter, Waldbesitzer und Spaziergänger häufig ein Ärgernis, stellen solche kleine Stillgewässerabschnitte, die für Molche hochattraktiv sind. Wegerinnen und Fahrspuren für den Bergmolch einen extrem wichtigen Laich- Die Wiederkehr des Bibers in einigen Regionen Mitteleuropas hat vor allem in der platz dar. Um die immer wieder neu entstehenden Gewässerkomplexe längerfris- Nordeifel gezeigt, dass Biberteiche hervorragende Molchgewässer sind. Mit der tig zu erhalten, dürfen die Fahrrinnen auf selten genutzten Wegen nicht zugeschüt- Ausbreitung des Bibers entstehen natürliche Stillgewässer in Waldlagen, die wahr- tet oder planiert werden. Im Sommerhalbjahr sollten während der Entwicklung scheinlich auch früher zu den wichtigsten primären Lebensräumen zahlreicher 28 29
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Amphibienarten gehört haben. Eine größere Akzeptanz und gezielte Förderung verhindert werden; zum des Bibers würde die Bestände von Bergmolch, aber auch vieler weiterer heimi- Beispiel können Licht- oder scher Amphibien stark fördern. Kellerschächte durch Ab- Eine Schlüsselrolle beim Schutz des Bergmolches kommt neben der Neuanlage von deckung mit engmaschigen Kleingewässern der Pflege und dem Erhalt von bestehenden Gräben als Sekun- Gitterrosten oder durch därlebensräume in Waldnähe zu. Unnötigerweise führen maschinelle Grabenräu- den Einbau von 30 cm ho- mungen zur Reproduktionszeit des Bergmolchs häufig zum Tod zahlreicher Tie- hen Leitblechen gesichert re. Solche Unterhaltungsarbeiten sollten daher stets naturschutzfachlich begleitet werden. Einen Ausstieg werden und nach Abschluss der Reproduktionszeit, erst ab Oktober stattfinden. aus Schächten aller Art er- Weitere Arbeiten in Form von Graben-, Böschungs- oder Straßenrandstreifenmahd möglichen Fröschen und sind tierschonend durchzuführen, das heißt ebenfalls erst nach der Abwanderung Molchen Amphibienleitern der metamorphosierten und adulten Amphibien. und andere Ausstiegshil- fen, die im einfachsten Fall Auch temporäre Amphibienschutzanlagen können helfen, den Schutz an Straßen aus rauen, unbehandelten Tod zahlreicher Lurche zu vermeiden Brettern bestehen, aber auch Amphibienschutzanlagen mit Durchlässen unter Straßen in bewaldeten Gebie- aus ineinander verschiebba- ten oder in angrenzenden Bereichen sowie zeitweilige Straßen- beziehungsweise ren Lochblechschienen, mit Wegesperrungen können die Ge- Kunststoffmaschengeflecht fahr des Straßentods reduzieren. (Maschenweite 10–15 mm) Besonders im Frühjahr sollten bespannten Harthölzern Waldwege in der Zeit von 19.00 oder an die Schachtwan- bis 7.00 Uhr generell nicht befah- dung montierte Textilmatten ren werden. Darüber hinaus soll- aus synthetischem Gewebe. te eine weitere Zerschneidung Letztere ermöglichen Mol- der von Bergmolchen besiedelten chen und anderen Amphibi- oder potenziell geeigneten Gebie- en einen sicheren, effektiven te durch Straßenneu- oder -aus- Ausstieg selbst bei senkrech- Dauerhafte Amphibienschutzanlage mit einem Durchlass unter bau vermieden werden. Bei einer ten Wänden. der Straße Trassenplanung sollten auch zum Schutz des Bergmolchs in jedem Fall waldfreie Pufferbereiche um die Waldränder herum berück- sichtigt werden. Ein Amphibienverlust im Sied- lungsraum, der mit Gullys, Ent- wässerungssystemen, Licht- und Bergmolche können gut klettern: Dieses Weibchen hat Versorgungsschächten zahlreiche bei seiner Wanderung die Metallwand einer Leiteinrich- Todesfallen für Amphibien birgt, tung überwunden kann oft mit einfachen Mitteln Bergmolch bei der Wanderung entlang eines Leitzaunes in Richtung Laichgewässer 30 31
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 Andreas Maletzky & Silke Schweiger bauchunke und der Feuersa- Österreichische Gesellschaft für Herpetologie (ÖGH) lamander. Umgekehrt sind im Verbreitungsgebiet in den Laichgewässern von Kamm- Der Bergmolch und Teichmolchen zumeist auch Bergmolche zu finden. Bezüglich der Jahresaktivi- in Österreich tät sind in Österreich Nach- weise von Adulttieren aus allen 12 Monaten dokumen- Der Bergmolch ist die am weitesten verbreitete Schwanzlurchart Österreichs und tiert. Die deutliche Mehrheit kommt in allen Bundesländern vor. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt im Hügel- aller Beobachtungen fällt in Verbreitung des Bergmolchs in Österreich (Raster: 5 x 3 Minuten- land und in den Gebirgen der westlichen beziehungsweise zentralen Landesteile, den Zeitraum Ende März/ Felder). Quelle: Herpetofaunistische Datenbank, Naturhistorisches während die Vorkommen Richtung Norden und vor allem Osten ausdünnen. In Anfang April bis Mitte/Ende Museum Wien den Tieflagen im Osten Niederösterreichs, im Nord- und Mittelburgenland, fehlt August und erstreckt sich somit über gut fünf Monate mit Schwerpunkt in der ers- die Art. Die östliche Verbreitungsgrenze verläuft durch die Stadt Wien beziehungs- ten Hälfte dieser Zeitspanne. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Tiere im weise das südliche Burgenland. Verbreitungslücken in Teilen von Ober- und Nie- oder am Laichgewässer. Nachweise von Larven sind von Mitte April bis Ende Ok- derösterreich (Inn-, Mühl- und Waldviertel) oder in den Zentralalpen lassen sich wohl vielfach durch Kartierungsdefizite erklären. Die Höhenverbreitung verläuft zwischen 200 m ü. NN in Wien und 2.380 m ü. NN am Reißeck in den Kärntner Zentralalpen. Bekannte große Einzelvorkommen mit mehreren Tausend adulten Individuen stammen durchwegs aus Seen und Feucht- gebieten in Seehöhen über 1.000 m ü. NN, wie etwa am Ameisensee, am Vorder- schlumsee oder im Weißpriachtal im Bundesland Salzburg. Der typische Lebensraum des Bergmolches in Österreich besteht aus größtenteils lichten, gut strukturierten Laub- und Mischwäldern mit erhöhtem Totholzanteil oder Komplexen aus Zwergstrauchheiden, Feuchtgebieten und Mooren oberhalb der Waldgrenze. Wesentlich ist ein dichtes Gewässernetz. Ein Schlüsselfaktor im Landlebensraum ist neben hoher Bodenfeuchte die Verfügbarkeit von reichlichen Versteckplätzen in Form von liegendem Totholz oder Lückensystemen zum Bei- spiel in überwuchertem Geröll. Sehr unterschiedliche Typen von Laichgewässern werden zur Fortpflanzung genutzt. Einerseits handelt es sich um kleinere, oft nur temporär Wasser führende Stillgewässer (Tümpel) wie Wagenspuren, Quellstaue, Stillbereiche von Entwässerungsgräben oder Pfützen. Andererseits werden, vor al- lem in höheren Lagen, auch größere Gewässer genutzt, sofern sie fischfrei sind und eine ausreichende Strukturierung aufweisen. Typische syntope (im selben Habitat lebende) Amphibienarten sind der Grasfrosch – dessen Eier vor allem in Gebirgspopulationen eine sehr wichtige Nahrungsquelle für die Molche darstellen – und die Erdkröte, in mittleren Seehöhen auch die Gelb- Alpiner Lebensraum des Bergmolchs im Wildgerlostal in den Zillertaler Alpen 32 33
Lurch des Jahres 2019 Lurch des Jahres 2019 tober dokumentiert, mit Schwerpunkt zwischen Ende Juni und Anfang September. Der Bergmolch macht seinem Namen alle Ehre: In der Schweiz sind 660 Laichplät- Im Toten Gebirge (Kalkalpen im Grenzgebiet von Oberösterreich und Steiermark) ze über 2.000 m ü. NN bekannt, davon liegen vier oberhalb 2.400 m ü. NN. Die durchgeführte Studien zum Alter von Bergmolchen mittels Skelettochronologie höchsten Standorte liegen auf 2.466 m ü. NN bei Nendaz (Kanton Wallis) und im beziehungsweise Langzeitmarkierungen zeigten, dass in diesen Hochlagen die Corvatschmassiv im Engadin (Kanton Graubünden). Ähnlich wie beim Grasfrosch Geschlechtsreife erst mit rund 10 Jahren eintritt und ein Maximalalter von etwa 30 leben die höchsten Populationen des Bergmolches in den inneralpinen Trockentä- Jahren erreicht werden kann. lern. Im Tessin ist er ein echter Gebirgsbewohner, da die meisten Standorte zwi- Wie für alle in Österreich beheimateten Amphibienarten gilt für die Individuen schen 1.100 und 2.300 m ü. NN zu finden sind, allerdings gibt es bei Arbedo auch beziehungsweise Lebensräume des Bergmolches in allen neun Bundesländern ein Standorte auf nur 250 m ü. NN. strenger Schutz. In der nationalen Roten Liste wird die Art mit „Gefährdung droht“ In der Datenbank der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in (near threatened) gelistet. Aussagen über die Bestandsentwicklung des Bergmol- der Schweiz (info fauna - karch) liegen knapp 37.000 Meldungen des Bergmolchs ches sind allerdings kaum möglich, da entsprechende Monitoringprojekte fehlen. aus rund 8.000 erfassten Amphibienlaichgebieten vor. Trotz der beachtlichen An- Die Gefährdungsfaktoren für den Bergmolch sind, auch aufgrund seiner weiten zahl an Meldungen wissen wir, dass noch viel mehr Gewässer Bergmolche be- Verbreitung in verschiedenen Lebensraumtypen, mannigfaltig. Es handelt sich vor herbergen. Aufgrund der großen Dynamik bezüglich der Umgestaltung in Privat- allem um den laufenden Verlust beziehungsweise die Degradierung von Laichge- gärten nehmen wir solche Beobachtungsmeldungen zwar in die Datenbank auf, wässern durch Verfüllung, Trockenlegung, Fischbesatz oder Eutrophierung (Gülle). registrieren sie aber nicht als Amphibienlaichgebiete. Ebenfalls verzichten wir auf Weiterhin spielen die massive Nutzungsintensivierung in der Land- und Forstwirt- Aufrufe in der Bevölkerung, uns ihre Gartenteichbewohner zu melden. schaft inklusive Einsatz von Pestiziden und die verstärkte Nutzung von Flächen Die weite Verbreitung des Bergmolchs in der Schweiz ist nicht nur durch seine im Gewässerumfeld eine Rolle. Die laufende Lebensraumzerschneidung durch das große Toleranz gegenüber den Höhenlagen zu erklären, sondern auch durch die wachsende Forstwege- und Straßennetz sowie die „strukturelle Ausräumung“ der insgesamt hohe Anpassungsfähigkeit dieser Art. Der Bergmolch kann die unter- Landschaft führen wiederum zu immer weniger Wanderkorridoren für die Art. schiedlichsten Gewässer als Laichplatz nutzen, am häufigsten sind es kleine Silvia Zumbach & Benedikt R. Schmidt Stehgewässer aller Art, info fauna karch während er Gewässer in Auen zu meiden scheint. An neu erstellten Gewäs- Der Bergmolch sern ist der Bergmolch meist eine der ersten Ar- ten, die diesen Lebens- in der Schweiz raum besiedelt. Seine aus- geprägte Fähigkeit zur Neubesiedlung ist sicher Der Bergmolch gehört zu den häufigsten Amphibienarten der Schweiz und ist in auch durch die insgesamt diesem Land sicherlich auch der häufigste Schwanzlurch. Er besiedelt nahezu die noch relative hohe Dichte ganze Schweiz, Verbreitungslücken befinden sich in den trockensten Teilen des an vorhandenen Popula- Verbreitung in der Schweiz auf der Basis von 25-km2-Quadranten. Wallis und südlich vom Monte Ceneri im Tessin sowie in den Gebirgszonen ober- tionen bedingt. Gelb dargestellt sind Quadranten, bei denen der letzte Nachweis halb 2.400 m ü. NN. Fehlende Nachweise in den 25-km2-Quadranten auf der Ver- Gartenteiche werden wie zwischen 1900 und 2007 erfolgte (meist, weil der Quadrant seither nicht mehr besucht wurde). Rot dargestellt sind Quadranten, bei breitungskarte in anderen Landesteilen dürften auf Datenlücken zurückzuführen beschrieben regelmäßig denen ein Nachweis aus den Jahren 2008–2017 vorliegt. Quelle: sein, beispielsweise im Kanton Graubünden. besiedelt, und gerade info fauna karch © Swisstopo 34 35
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