Bergmolch Lurch des Jahres 2019 - ÖGH

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Bergmolch Lurch des Jahres 2019 - ÖGH
Der

Bergmolch
Lurch des Jahres 2019
Bergmolch Lurch des Jahres 2019 - ÖGH
Lurch des Jahres   2019

HERAUSGEBER                                                                                       Vorwort
Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e. V. (DGHT)                            Liebe Leserinnen und Leser,

Präsident:                                                                                        der Lurch des Jahres 2019 zählt mit
Dr. Markus Monzel, St. Ingbert                                                                    seiner fast tropisch anmutenden Far-
Kontaktadresse:
DGHT-Geschäftsstelle, N 4,1, D-68161 Mannheim                                                     benpracht, die gerade männliche Berg-
Tel.: 0621 - 86 25 64 90; Fax: 0621 - 86 25 64 92; E-Mail: gs@dght.de; Web: www.dght.de           molche während der Fortpflanzungs-
                                                                                                  zeit zeigen, zu den unverwechselbaren Prächtig gefärbt sind Bergmolche zur Paarungszeit
Verantwortlich für den Inhalt:
Dr. Axel Kwet, Fellbach; Richard Podloucky, Isernhagen
                                                                                                  Amphibienarten in Europa. Zweifellos im Frühjahr
DGHT-Arbeitsgruppe Feldherpetologie und Artenschutz:                                              gehören die Männchen in Wassertracht
Arno Geiger, Recklinghausen; Dirk Alfermann, Niedertaufkirchen;                                   auch zu den schönsten einheimischen Lurchen. Ihr kräftig orangefarbener Bauch
Prof. Dr. Klaus Henle, Leipzig; Peter Pogoda, Rottenburg am Neckar                                kontrastiert stark mit einer hell- bis graublauen Oberseite. Weitere Akzente setzen
Text: Dr. Ulrich Schulte, Borgholzhausen, E-Mail: ulr.schulte@web.de;                             der gelblich schwarz marmorierte Rückensaum und das breite silberweiße, unten
Andreas Nöllert, Jena, E-Mail: andreas.noellert@googlemail.com                                    leuchtend hellblaue Seitenband mit schwarzem Punktemuster, das vom Kopf bis
Österreichische Gesellschaft für Herpetologie (ÖGH): Dr. Andreas Maletzky,                        zum Schwanzansatz reicht.
Dr. Silke Schweiger (www.herpetozoa.at)                                                           Dass ein so wundervoll gefärbter Lurch noch zu den häufigsten Amphibienarten
Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (info fauna                 in Mitteleuropa zählt, bei uns vielleicht sogar die Art mit den individuenstärks-
karch): Silvia Zumbach, Dr. Benedikt Schmidt (www.karch.ch)
Nationales Naturhistorisches Museum Luxemburg (MNHN, Musée National d`Histoire                    ten Populationen überhaupt ist, mag erstaunen. Tatsächlich sind Bergmolche recht
Naturelle): Roland Proess (www.mnhn.lu)                                                           anpassungsfähig. Kleinstgewässer aller Art wie Teiche, wassergefüllte Fahrspuren
                                                                                                  oder Straßengräben werden selbst in innerstädtischen Lagen mit etwas Grün noch
Gestaltung: Mirko Barts, Geitje Enterprises LLC, San Diego
Redaktion: Dr. Axel Kwet, Fellbach
                                                                                                  besiedelt – nur Fische und Molche im selben Gewässer schließen sich auf die Dauer
                                                                                                  meist aus.
Bildnachweis: Henrik Bringsøe (Titel, 6u), Axel Kwet (11o, 13, 16l, 18o, 30, 31m, Rücktitel),     Derzeit wird der Bergmolch in den Roten Listen Deutschlands, der Schweiz und
Frank Leo (9b, 10u, 19, 20/21u), Andreas Maletzky (33), Andreas Meyer (3, 4, 11u, 31o, 36,        Luxemburgs als „ungefährdet“, in Österreich als „potenziell gefährdet“ eingestuft.
37), Stefan Meyer (16r, 18u, 22o), Andreas Nöllert (7u, 8o, 14u, 20o), Richard Podloucky
(14o, 15o, 21o, 24, 25, 26, 27, 29, 31u), Patrick Scimè (22u), Benny Trapp (6o, 7o, 8m, 8u, 9a,   Aber auch für diese vergleichsweise häufige Art gilt wie für alle einheimischen
9c, 10o, 17, 20m), Annette Westermann (9d, 15u)                                                   Amphibien, dass ihre Populationen schwinden. Durch seine plakative Färbung
                                                                                                  eignet sich der Lurch des Jahres 2019 in idealer Weise, um stellvertretend auf diese
ISBN: 978-3-945043-24-0                                                                           Rückgänge aufmerksam zu machen. Mit den kleinen Wasserdrachen machen viele
                                                                                                  Kinder ihre ersten Amphibienerfahrungen, und gerade bei dieser Art ist auch der
                                                                                                  lokale ehrenamtliche Naturschutz gefordert.
Sponsoren/Kooperationspartner                                                                     So gibt unsere Broschüre nicht nur Tipps für den Schutz der Art an Straßen oder
                                                                                                  zur Erhaltung naturnaher Waldlebensräume, sondern weist auch auf die besonde-
                                                                                                  re Bedeutung hin, die kleine fischfreie Gewässer wie Garten- oder Schulteiche in
                                                                                                  naturnaher Umgebung für den Bergmolch besitzen.

                                                                                                  Dr. Axel Kwet
                                                                                                  Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde

                                                                                                                                                                                   3
Bergmolch Lurch des Jahres 2019 - ÖGH
Lurch des Jahres   2019                                                                                                                                            Lurch des Jahres      2019

Ulrich Schulte & Andreas Nöllert                                                     Der Bergmolch und seine Unterarten

Der Bergmolch –                                                                      Die Nominatform des Bergmolchs, Ichthyosaura alpestris alpestris, ist in großen Tei-
                                                                                     len Zentraleuropas von der französischen Atlantikküste bis in die Karpaten der
                                                                                     südwestlichen Ukraine und Zentralrumäniens weit verbreitet. Von der Art sind

Lurch des Jahres 2019                                                                im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Unterarten und Varietäten besonders auf dem
                                                                                     Balkan beschrieben worden, die sich kaum anhand äußerer Merkmale unterschei-
                                                                                     den lassen und heute bis auf die folgenden Unterarten zum großen Teil nicht mehr
Wissenschaftliche Namen                                                              anerkannt werden.
                                                                                     Das mit Abstand größte Areal besiedelt die Nominatform, I. a. alpestris. Isoliert
Im Jahr 1768 beschrieb der österreichische Arzt und Naturforscher Joseph Nicolaus    vom übrigen Verbreitungsgebiet kommt die Unterart I. a. cyreni in einem schmalen
Laurenti (1735–1805) den Bergmolch anhand von Individuen aus den Alpen im            Streifen entlang des Kantabrischen Gebirges im Nordwesten Spaniens vor. Eben-
südwestlichen Niederösterreich als Triton alpestris, wobei der Gattungsname Triton   falls isoliert vom zusammenhängenden Areal besiedelt die Unterart I. a. apuana das
bereits für eine Schneckengattung vergeben war. Nach einer Reihe von Namens-         nördliche und zentrale Italien. Erst 1982 wurden in Süditalien (Kalabrien) Berg-
änderungen zeigten genetische Analysen in den 1990er-Jahren, dass die Gattung        molche entdeckt, die der Unterart I. a. inexpectata zugeordnet werden. Auch im
Triturus, zu der der Bergmolch lange gerechnet wurde, nicht monophyletisch ist,      östlichen Südeuropa hat sich eine eigene Unterart des Bergmolchs herausgebildet,
also keinen unmittelbaren gemeinsamen Vorfahren hat. Als Konsequenz wurde            I. a. veluchiensis, die im nördlichen und zentralen Griechenland sowie auf der Halb-
2004 Mesotriton als neuer Gattungsname für den Bergmolch eingesetzt. Eine gründ-     insel Peloponnes verbreitet ist. Schließlich findet sich in wenigen Gebirgsseen in
liche Literaturauswertung zeigte jedoch, dass Ichthyosaura aus Prioritätsgründen     Montenegro noch die Unterart I. a. montenegrina.
Vorrang vor Mesotriton haben musste. Mittlerweile hat sich der Name Ichthyosaura
alpestris durchgesetzt. Im südlichen Deutschland und in Österreich wird der Berg-
molch auch Alpenmolch genannt.

                                                                                     Verbreitung des Bergmolchs in Europa: Ichthyosaura alpestris alpestris (inkl. I. a. montenegrina) (grün), I.
Bergmolchmännchen der Nominatform in Wassertracht                                    a. apuana (inkl. I. a. inexpectata) (rot), I. a. cyreni (schwarz), I. a. veluchiensis (blau)

      4                                                                                                                                                                                 5
Bergmolch Lurch des Jahres 2019 - ÖGH
Lurch des Jahres     2019                                                                                                                                     Lurch des Jahres   2019

                                                                 Eine umfangreiche genetische
                                                                 Untersuchung von Bergmol-
                                                                 chen aus dem gesamten Ver-
                                                                 breitungsgebiet kam zu dem
                                                                 Ergebnis, dass vier gemeinsa-
                                                                 me Abstammungslinien abge-
                                                                 grenzt werden können, die sich
                                                                 auf folgende Unterarten vertei-
                                                                 len und teilweise noch weiter
                                                                 differenzieren lassen: (1) I. a.
                                                                 veluchiensis (Griechenland); (2)
                                                                 I. a. apuana und I. a. inexpectata
                                                                 (Apennin); (3) I. a. alpestris (mit-
                                                                 teleuropäische Populationen)
                                                                 und I. a. cyreni (Nordwestspani-
                                                                 en); (4) I. a. alpestris (osteuropäi-
                                                                 sche und Balkan-Populationen)
                                                                 und I. a. montenegrina (Balkan,
                                                                 inklusive I. a. serdara und I. a.
                                                                 piperiana).                             Ichthyosaura alpestris montenegrina aus Montenegro
Ichthyosaura alpestris apuana aus Italien (Toskana)

Ichthyosaura alpestris veluchiensis aus ​Griechenland (Peloponnes)                                       Ichthyosaura alpestris cyreni aus Nordwestspanien

        6                                                                                                                                                                        7
Bergmolch Lurch des Jahres 2019 - ÖGH
Lurch des Jahres   2019                                                                                                                                  Lurch des Jahres     2019

Ein europäischer                                                                           bläulichem, grünlichem oder bräunlichem
                                                                                           Marmormuster; Gittermuster an Kopfseiten

Schwanzlurch mit                                                                           und Körperflanken weniger kontrastreich
                                                                                           und deutlich, grenzt zumeist ohne blau-

tropischer Farbenpracht                                                                    es Flankenband direkt an die fleckenlose,
                                                                                           leuchtend orange (als Warnfarbe dienen-
                                                                                           de) Bauchseite. Kloake linsenförmig, nicht
Artensteckbrief Bergmolch – Ichthyosaura alpestris (Laurenti, 1768)                        stark gewölbt.                                 Bergmolchmännchen in Wassertracht
                                                                                           Landtracht: Färbung beider Geschlechter
                                             Kennzeichen: Kleinerer (Männchen) bis         dunkler und Zeichnungsmuster weniger
                                             mittelgroßer, kräftiger (Weibchen) Wasser-    deutlich als in Wassertracht. Rückenleiste
                                             molch; Bauchfärbung orangerot bis gelb-       der Männchen noch sichtbar, aber niedri-
                                             lich, zumeist ohne dunkle Flecken; Haut       ger; Gittermuster des Seitenbandes undeut-
                                             während des Wasseraufenthaltes glatt, wäh-    licher; Kloake weniger stark gewölbt. Weib-
                                             rend des Landaufenthaltes samtartig, leicht   chen zum Teil oberseits nahezu schwarz;
                                             granuliert, trocken und wasserabweisend;      Gittermuster noch undeutlicher als in Was-
                                             Kopf etwas breiter als lang, Kopfoberseite    sertracht.
Lippensäume eines Weibchens in Wasser-       glatt, ohne Längsfurchen; Mund breit und      Larven: Dunkle Pigmentierung vor allem         Bergmolchweibchen in Wassertracht
tracht                                       abgerundet; Oberlippenfalten während des      an den Rändern der Schwanzflossensäume
                                             Wasseraufenthaltes nur im hinteren Bereich,   und der spitz zulaufenden Schwanzspitze.
                                             Kehlfalte gut sichtbar.                       Marmorierung auf dem Rücken größerer
                                             Größe: Gesamtlänge (GL) Männchen 71–92        Larven.
                                             mm, Weibchen 70–120 mm; Kopf-Rumpf-           Jahreszyklus: Dauer der Kältestarre, Zeiten
                                             Länge (KRL) Männchen 41–53 mm, Weib-          der Zu- und Abwanderung sowie Verweil-
                                             chen 48–62 mm.                                dauer im Fortpflanzungsgewässer sind von
                                             Geschlechtsunterschiede: Deutliche Ge-        der geografischen Lage, der Höhenlage des
                                             schlechtsunterschiede hinsichtlich Färbung,   Vorkommens, der Geländetopografie sowie
                                             Zeichnung und Größe, sowohl in Wasser-        den aktuellen lokalklimatischen Bedingun-
Stark (erbsenförmig) gewölbte Kloake eines   als auch in Landtracht.                       gen abhängig. Die Zuwanderung im Kot-          Männchen in Landtracht
Männchens in Wassertracht
                                             Wassertracht: Männchen mit großem Blau-       tenforst bei Bonn (195 m ü. NN) erfolgt bei-
                                             anteil im Farbkleid; niedriger, schwarz-      spielsweise ab Mitte Februar bis Mitte Mai,
                                             gelblich/schwarz-weiß gebänderter Rücken-     im Firstmoor in Kärnten (1.920 m ü. NN)
                                             leiste (Rückenkamm) und Seitenband aus        Mitte Mai bis Anfang Juli. Abwanderung im
                                             auffällig schwarz-weißem Gittermuster, das    Kottenforst Mitte Mai bis Ende August, im
                                             bauchwärts durch ein blaues Längsband         Firstmoor Ende Juni bis Anfang November.
                                             von der fleckenlosen warnfarbigen Bauch-      In Südeuropa oft ganzjährig im Gewässer.
                                             seite begrenzt ist. Kloake stark erbsenför-   Neotene bzw. pädomorphe Populationen
Schwächer (linsenförmig) gewölbte Kloake     mig gewölbt. Weibchen ohne Rückenleiste,      (Dauerlarven) ebenfalls ganzjährig im Was-
eines Weibchens in Wassertracht              oberseits und an Körperflanken mit grauem,    ser.                                           Larve des Bergmolchs

       8                                                                                                                                                                      9
Bergmolch Lurch des Jahres 2019 - ÖGH
Lurch des Jahres   2019                                                                                                                        Lurch des Jahres   2019

                                       Aktivität: Zur Fortpflanzungszeit Aktivi-
                                       tätsspitzen in der Morgen- und Abenddäm-
                                       merung, Nahrungsaufnahme häufig nachts.
                                       Während des Landaufenthaltes nacht- und
                                       bei Niederschlägen auch tagaktiv.
                                       Fortpflanzung: Komplexes Balz- und Sper-
                                       maübergabe-Verhalten aus drei Haupt-
                                       phasen, Orientierung – Statische Werbung
                                       – Übergabe der Spermatophore (innere Be-
                                       fruchtung), wie im Kapitel „Das komplexe
                                       Fortpflanzungsverhalten“ (S. 19) geschildert.
                                       Wanderdistanzen: Anwanderung an die
                                       Gewässer gewöhnlich aus 100–1.000 m Ent-
                                       fernung; bislang belegtes Maximum 4 km.
                                       Alter: In verschiedenen Populationen wur-
                                       den mit Hilfe der Skelettochronologie (Al-      Pädomorpher Bergmolch der Unterart I. a. veluchiensis
Bergmolchpaar beim komplexen Balzspiel
                                       tersbestimmung durch Zählen der Jahres-
(Weibchen oben)
                                       ringe in Knochenquerschnitten) Lebensalter      Prädatoren: Zahlreiche Feinde wie Schwimmkäfer und deren Larven, Raubfische,
der Männchen bis maximal 22 Jahre, der Weibchen bis 21 Jahre ermittelt. Die ältes-     Ringelnattern, Wasseramseln, Graureiher, Störche, Haubentaucher, Wasserspitz-
ten Individuen wurden in alpinen Lebensräumen nachgewiesen.                            mäuse und räuberische Kleinsäuger.
Nahrung: Während des Gewässeraufenthaltes bilden Insektenlarven und -puppen,           Abwehrverhalten: Einnahme einer Schreckstellung, wobei der Körper seitlich
aber auch Kleinkrebse oder Laich und Larven anderer Amphibien die Hauptnah-            eingebogen wird, die Hintergliedmaßen abgespreizt, der Vorderkörper durch
rung. Während des Landaufenthaltes werden Insekten und deren Larven, Spin-             Streckung der Vordergliedmaßen angehoben sowie der Schwanz aufgestellt
nen, Asseln und Würmer verzehrt.                                                       und eingerollt werden; dadurch sind Teile der warnfarbigen Unterseite sicht-
                                                                                       bar.
                                                                                       Bemerkenswertes: Pä-
                                                                                       domorphe (neotene) Po­-
                                                                                       pulationen (Dau­erlar­
                                                                                       ven) sind häu­figer als
                                                                                       bei ande­   ren europäi-
                                                                                       schen Schwanz­lurchen,
                                                                                       vor allem in Südeuropa.
                                                                                       Der Bergmolch wur­     de
                                                                                       mehrfach außerhalb sei-
                                                                                       ­nes natürlichen Ver­brei-
                                                                                        ­tungsgebietes angesie-
                                                                                         delt, zum Bei­ spiel in
                                                                                         England, Frankreich und
Männchen in Wassertracht                                                                 Neuseeland.              Weibchen in Wassertracht

      10                                                                                                                                                          11
Bergmolch Lurch des Jahres 2019 - ÖGH
Lurch des Jahres   2019                                                                                                                                              Lurch des Jahres   2019

Die Verbreitung – ein echter Europäer

Das mehr oder weniger geschlossene Artareal des Bergmolches erstreckt sich vom
südlichen Dänemark (Umgebung von Apenrade) durch Teile Westeuropas (Nieder-
lande bis Zentralfrankreich) und durch das zentrale Mitteleuropa bis auf die nörd-
liche Peloponnes (Griechenland), wo östlich des Mount Erymanthos die südliche
Verbreitungsgrenze erreicht wird. In der Ukraine und Rumänien sind die Karpaten
und das Karpatenvorland sowie das Bihoruli-Gebirge in Nordwestrumänien besie-
delt. Die Vorkommen in Griechenland und Bulgarien sind größtenteils weiter von-
einander isoliert und bilden kein geschlossenes Areal. Im Osten ist die Pannonische
                                                       Tiefebene, der westlichste Teil des
                                                       eurasischen Steppengürtels, eine
                                                       große, natürliche Verbreitungslü-
                                                       cke. In Italien erreicht das Verbrei-
                                                       tungsgebiet die Monti della Laga
                                                       in der Provinz Lazio, isoliert davon
                                                       wurde der Bergmolch auch in Ka-
                                                       labrien nachgewiesen. Weit vom
                                                       zentral- und südosteuropäischen
                                                       Verbreitungsgebiet isoliert befinden    In den Alpen (hier am Wertacher Hörnle im bayerischen Allgäu) ist der Bergmolch bis in Höhen von
                                                       sich Vorkommen in Nordwestspa-          über 2.000 m über NN verbreitet
                                                       nien (Kantabrisches Gebirge), wo
                                                       der Bergmolch fast von Meeresspie-      nander isolierte Vorkommen vorgelagert, so in den Ländern Schleswig-Holstein,
                                                       gelniveau bis auf ca. 2.200 m ü. NN     Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Die nordöstliche Verbreitungs-
                                                       vorkommt. In Zentralspanien liegt       grenze verläuft von Kiel über Hamburg, Magdeburg, den Fläming bis in den Raum
                                                       ein weiteres Isolat nordwestlich von    Guben-Eisenhüttenstadt. Besonders bemerkenswert sind die weit vom „restlichen“
                                                       Madrid in der Sierra de Guadarra-       Areal isolierten Vorkommen im Hochfläming von Sachsen-Anhalt (Umgebung Gö-
                                                       ma, wo die Art vermutlich angesie-      ritz), die erst 2009 entdeckt wurden. Daran schließen sich im Osten die bekannten
                                                       delt wurde.                             Vorkommen im Quellgebiet der Plane und im oberen Planetal Brandenburgs an, die
                                                       In der Bundesrepublik Deutsch-          bereits seit 1953 bekannt sind. Nordwestlich davon liegen weitere, spät entdeckte
                                                       land ist der Bergmolch mit Ausnah-      Isolate der Art in Sachsen-Anhalt, nämlich bei Reesdorf (Möckern), 1992 erstmals
                                                       me von Berlin (nicht autochthon),       nachgewiesen, sowie westlich von Ziesar, Ende April 2010 bekannt geworden.
Verbreitung des Bergmolchs in Deutschland auf TK25-
                                                       Bremen und Mecklenburg-Vor-             In der Nähe der nördlichen Artarealgrenze bei Flensburg (Schleswig-Holstein)
Basis. Schwarz: Nachweise von 2000–2018; weiß: Nach-   pommern in allen Ländern ver-           kommt der Bergmolch zwischen 30 und 35 m ü. NN vor, bei Haale im Kreis Rends-
weise von 1980–1999, gelb 1900–1979. Quelle: DGHT      breitet. An der nördlichen und          burg-Eckernförde zwischen 5 und 10 m ü. NN, und auf dem Rappenseeplateau im
e.V. (Hrsg. 2018): Verbreitungsatlas der Amphibien und nordöstlichen Verbreitungsgrenze        Oberallgäu (Bayern) erreicht er 2.079 m ü. NN.
Reptilien Deutschlands, auf Grundlage der Daten der
Länderfachbehörden, Facharbeitskreise und NABU-
                                                       sind dem nahezu geschlossenen           Generell ist der Bergmolch in der atlantischen Region aufgrund des geringeren
Landesfachausschüsse der Bundesländer sowie des        Verbreitungsgebiet in Deutschland       Wald- und Mittelgebirgsanteils wesentlich seltener als in der kontinentalen und
Bundesamtes für Naturschutz.                           zahlreiche, zum Teil weit vonei-        alpinen Region der Bundesrepublik Deutschland.

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Bergmolch Lurch des Jahres 2019 - ÖGH
Lurch des Jahres   2019                                                                                                                                       Lurch des Jahres    2019

Lebensräume – eine Waldart

Im mitteleuropäischen Tiefland und Mittelgebirge besiedelt der Bergmolch vor al-
lem bewaldete Landschaften. In den alpinen Lebensräumen handelt es sich viel-
fach um offene und großflächige Wiesen- und Weidelandschaften sowie Moore
unterschiedlicher Entstehung und Nährstoffgehalte, in denen sich zum Teil enorm
individuenreiche Populationen mit Hunderten oder Tausenden Tieren aufbauen
können.
Das Spektrum der Aufenthalts- und Fortpflanzungsgewässer ist sehr vielgestaltig.
Es umfasst natürliche Gewässer mit unterschiedlich dichter Unterwasservegeta-
                                                          tion oder Falllaubschicht,
                                                          in der sowohl die Molche
                                                          Versteckplätze finden als
                                                          auch die Eier deponiert
                                                          werden, wie beispielswei-
                                                          se die Randbereiche großer
                                                          Seen und Weiher, Klein-
                                                          und Kleinstgewässer un-        Auch temporäre Kleingewässer, wie sie durch umgefallene Bäume entstehen, dienen als Laichplatz
                                                          terschiedlicher Wasserfüh-
                                                          rung wie Wildsuhlen oder       getationsreiche Fahrspurrinnen auf Waldwegen, wasserführende Waldweg- und
                                                          wassergefüllte      Wurzel-    Straßengräben sowie Gewässer in Abbaugruben. Neu angelegte oder renaturierte
                                                          trichter (durch hochgerisse-   Gewässer werden vom Bergmolch schnell besiedelt, auch wenn die submerse Ve-
                                                          ne Wurzelteller) gefallener    getation noch nicht oder kaum ausgeprägt ist.
Landlebensraum im Naturschutzgebiet Braken, Niedersachsen Laub- und Nadelbäume.          Physikalisch-chemische Wasserwerte scheinen bei der Nutzung als Entwicklungs-
                                                          Fließgewässer, vor allem       gewässer für Laich und Larven eine untergeordnete Rolle zu spielen. Vorausset-
                                                          deren ruhigere Kolk- und       zung ist natürlich keine zu
                                                          Randbereiche sowie beglei-     starke vom Menschen ver-
                                                          tende Überschwemmungs-         ursachte Verschmutzung.
                                                          flächen, dienen ebenso als     Im Nordschwarzwald wur-
                                                          Lebensraum und Repro-          den sogar saure Gewässer
                                                          duktionsstätten.               mit einem pH-Wert von
                                                          Auch nahezu alle vom           weniger als 5 genutzt, bei
                                                          Menschen       geschaffenen    Tübingen im Bereich zwi-
                                                          künstlichen Gewässer kön-      schen pH 5,4 und pH 9,2. In
                                                          nen zur Fortpflanzung          den Niederlanden besiedel-
                                                          genutzt werden: Teiche         ten Bergmolche neu ange-
                                                          und andere Staugewässer,       legte Gewässer bevorzugt
                                                          Viehtränken, wassergefüll-     im basischen Bereich mit
Großes Laichgewässer bei Cospeda, Thüringen               te, mehr oder weniger ve-      pH 8–11.                    Fahrspuren als Bergmolchlaichgewässer im Harz, Sachsen-Anhalt

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Bergmolch Lurch des Jahres 2019 - ÖGH
Lurch des Jahres   2019                                                                                                                                   Lurch des Jahres   2019

Die Nahrung des Bergmolchs                                                            Feinde und Prädatoren

An Land belegen Einzelbeobachtungen, dass die Nahrung in erster Linie aus In-         Zu den wichtigsten Fressfeinden adulter Bergmolche im Gewässer gehören grö-
sekten wie Käfern und deren Larven, Würmern, Spinnen und Asseln besteht. Wäh-         ßere Raubfische sowie die Ringelnatter. Daneben erbeuten terrestrische, am und
rend der aquatischen Phase folgt das Nahrungsspektrum der saisonalen Entwick-         im Wasser jagende Räuber wie Wasseramsel, Graureiher, Störche, Haubentau-
lung der Beuteorganismen am Gewässerboden. Es werden Schlammfliegenlarven,            cher und Enten Molche. Auch Wasserspitzmäuse fressen metamorphosierte Tie-
Zuckmückenlarven, Kleinkrebse (Bachflohkrebse in Fließgewässern), Köcherflie-         re, und selbst große Schwimmkäfer attackieren adulte Bergmolche.
gen (ohne Köcher) und Käferlarven sowie Weichtiere erbeutet. Darüber hinaus           Während der terrestrischen Phase gehören verschiedene Raubsäuger wie Wie-
konsumieren Bergmolche (vor allem die Weibchen) sehr häufig andere Amphi-             sel und Marder, Igel oder Spitzmäuse sowie räuberische Vögel zu den haupt-
bienarten (Eier und Larven), wobei auch Kannibalismus auftritt. Gezielt werden        sächlichen Feinden. Frisch metamorphosierte Molche können auch von großen
vor allem die Laichballen des Grasfrosches aufgesucht und deren Eier gefressen.       Laufkäferarten erbeutet werden. Adulte Bergmolche zeigen im Landlebensraum
Bei gemeinsamen Vorkommen üben adulte Bergmolche auch einen starken Präda-            beim Ergreifen mitunter ein spezifisches Abwehrverhalten (Schreckstellung),
tionsdruck auf die Larven des Feuersalamanders aus. Einzig Erd- und Wechselkrö-       welches gegenüber Fressfeinden von Bedeutung sein könnte. Dabei biegen sie
tenlarven scheinen nicht genießbar zu sein. Im Hochsommer werden vermehrt ins         ihren Körper seitlich und spreizen die Hinterbeine, während ihr Vorderkörper
Wasser gefallene, angeflogene Insekten erbeutet.                                      mit den Armen vom Untergrund angehoben wird, sodass die orange leuchten-
Die Größe der Beutetiere verschiedener taxonomischer Gruppen reicht von nur           de Warntracht der Molche für den Angreifer sichtbar wird. Das Verhalten tritt
1 mm großen Muschelkrebsen über 15 mm lange Käfer- und Zuckmückenlarven               in unterschiedlicher Intensität auf und reicht vom Anlegen des aufgerollten
bis hin zu (im Ausnahmefall) 32 mm großen Kaulquappen. Die an das Leben auf           Schwanzes an den wenig gebogenen Körper bis zu einem extrem starken Biegen
dem Gewässerboden spezialisierten Bergmolchlarven fressen zu Beginn ihrer Ent-        des Körpers unter vertikaler Aufrichtung des Schwanzes, sodass die Kopfspitze
wicklung hauptsächlich Kleinstalgen, Infusorien und Muschelkrebse, kleine Was-        die Kloake berührt. Begleitet wird dieses Verhalten von der Absonderung mil-
serflöhe sowie Ruderfüßer. Ab einer Gesamtlänge von 17 mm werden vor allem            chig weißen Sekrets aus Hautdrüsen. Ob diese Verhaltensweise tatsächlich einen
Wasserflöhe und ab einer Gesamtlänge von etwa 21 mm Zuckmückenlarven erbeu-           der oben angeführten Räuber am Zugreifen hindert, ist bislang nicht wissen-
tet. Bei hoher Larvendichte kann es zu Kannibalismus kommen.                          schaftlich belegt.

Bergmolche fressen gerne Grasfroschlaich   Auch Regenwürmer gehören zur bevorzugten
                                           Beute des Bergmolchs                       Eine Ringelnatter beim Fressen eines Bergmolchs im Raum Wuppertal

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Bergmolch Lurch des Jahres 2019 - ÖGH
Lurch des Jahres   2019                                                                                                                                  Lurch des Jahres   2019

                                                        Die Eier der Bergmolche wer-       Das komplexe Fortpflanzungsverhalten
                                                        den, um sie unauffälliger ge-
                                                        genüber Prädatoren zu ma-          In Abhängigkeit von der Außentemperatur und vom Niederschlag beginnt die An-
                                                        chen, von den Weibchen an          wanderung der Molche zum Laichgewässer nach Einbruch der Dunkelheit, in der
                                                        Wasserpflanzen geheftet und,       Regel ab etwa Mitte März im Tief- und Hügelland sowie gut zwei Monate später im
                                                        wenn möglich, mit den Hin-         Hochgebirge. Ausschlaggebend ist eine Lufttemperatur von über 5 °C, besser noch
                                                        terbeinen in ein Blatt eingefal-   um die 10 °C, verbunden mit Niederschlägen und/oder über 90 % Luftfeuchtigkeit.
                                                        tet. Dennoch erbeuten neben        Dabei treten häufiger Zeitverzögerungen bei solchen Wanderungsschüben nach Nie-
                                                        zahlreichen Fischarten auch        derschlägen von 1–2 Tagen auf. Im Hochgebirge ist die Wanderung der Bergmolche
                                                        Libellenlarven,     Schwimm-       vom Zeitpunkt der Schneeschmelze abhängig und findet vor allem im Zeitraum von
                                                        käfer und Schwimmwanzen            Mitte Mai bis Mitte Juni statt. Als Leitlinien bei der Einwanderung in die Tümpel wer-
                                                        die Eier und Larven des Berg-      den (im Sinne von Wanderkorridoren) gerne kleine Quellgewässer und Bäche genutzt.
                                                        molchs. Als Hauptprädato-          Die Balz und Samenübernahme (innere Befruchtung) erfolgen beim Bergmolch
                                                        ren, die einen starken Effekt      ohne intensive Körperkontakte. Das fortpflanzungsbereite Männchen erkennt
                                                        auf Molchpopulationen aus-         das Weibchen visuell und olfaktorisch (geruchlich). In der Orientierungsphase
                                                        üben können, müssen Fische         schwimmt oder läuft es auf die Partnerin zu, verfolgt und beriecht sie, wedelt ihr
Frisch getötet wurden diese Bergmolche von räuberischen und Großlibellenlarven ange-       mit seinem Schwanz Pheromone (Duftstoffe) aus seinen Kloakendrüsen zu und
Kleinsäugern oder Vögeln                                sehen werden. Auf die Dauer        stoppt sie schließlich durch Nachvorneschwimmen und Querstellen des Kör-
schließen sich Molche und Fische im selben Gewässer aus; einzig bei strukturrei-           pers. Während der anschließenden statischen Phase stehen sich die beiden Ge-
cher Vegetation und sehr flach auslaufenden Ufern (also bei mehr oder weniger              schlechtspartner Kopf an Kopf gegenüber, und das Männchen wedelt weiterhin
starker räumlicher Trennung) gibt es Ausnahmen.                                            Pheromone in Richtung Weibchen. Es kriecht nun quer vor die Partnerin, bildet
Käferlarven der Familie Dytiscidae (Schwimmkäfer) und Libellenlarven der Fa-               einen Katzenbuckel, beugt den Körper in Richtung Weibchen und wedelt ihm wei-
milie Aeshnidae (Edellibellen) sind neben Fischen die bedeutendsten Molchlar-              terhin Duftstoffe entgegen.
                                                        venräuber. Danach folgen Li­-
                                                        bellenlarven der Familie Libel-
                                                        lulidae, Larven der Käferfa-
                                                        milie Hydrophilidae (Kolben-
                                                        wasserkäfer), adulte Molche
                                                        (tatsächlich ernähren sich al-
                                                        le heimischen Molcharten zu
                                                        einem erheblichen Anteil von
                                                        den Nachkommen des Berg-
                                                        molchs), adulte Schwimmkä-
                                                        fer und Rückenschwimmer.
                                                        Als weitere Prädatoren der
                                                        Larven kommen die bereits
                                                        als Feinde der metamorpho-
                                                        sierten Tiere genannten Vo-
Diese Feldspitzmaus hat einen Bergmolch erbeutet        gelarten in Frage.                 Ein Bergmolchpaar (Weibchen links) beim Balzen unter Wasser

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Lurch des Jahres   2019                                                                                                                                   Lurch des Jahres   2019

                                             Die dritte Phase, die Übergabe der Sperma-
                                             tophore durch das Männchen, besteht aus
                                             dem Absetzen der Spermatophore, einer
                                             Spermienansammlung in einer Kapsel aus
                                             verfestigtem Sekret der Anhangdrüsen der
                                             männlichen Geschlechtsorgane, und der
                                             Übernahme in die Kloake des Weibchens.
Ei des Bergmolches in Algenwatten            Dazu kriecht das Männchen von der Part-
                                             nerin weg und wird von ihr verfolgt, wobei
                                             es mit dem Schwanz zitternde Bewegungen
                                             ausführt. Es faltet den Schwanz S-förmig zu-
                                             sammen, das Weibchen berührt mit seinem
                                             Kopf den Schwanz des Männchens, das nun        Ältere Bergmolchlarve mit intensiver, dunkler Pigmentierung
                                             die Spermatophore am Boden deponiert.
                                             Das Männchen kriecht anschließend weiter       stern- und Armleuchteralgenarten. Die wichtigsten Zahlen zur Fortpflanzung des
                                             und wird vom Weibchen verfolgt. Hat es         Bergmolchs seien hier stichwortartig genannt.
Gelege mit unterschiedlich weit entwickelten mit der Kloakenregion die Spermatophore        Weibchen legen pro Saison 70–390 Eier, Männchen produzieren jedes Jahr im
Embryonen an den Blättern der Wasserfeder erreicht, stoppt das Männchen durch Quer-         Durchschnitt 48 Spermatophoren. Eidurchmesser 1,5–1,7 mm, Durchmesser mit
(Hottonia)
                                             stellen die Vorwärtsbewegung des Weib-         schützenden Gallerthüllen 2,5–3,0 mm. Entwicklungsdauer der Embryonen unter
chens. Dabei ist sein Schwanz nach vorn gebogen, die Schwanzspitze bewegt sich,             natürlichen Bedingungen 2–4 Wochen, bei erhöhter (20–22 °C) Wassertemperatur
das Weibchen berührt seine Schwanzflanke, und das Männchen schiebt die Partne-              8–9 Tage. Mittlere Schlupfgröße 7–8 mm. Dauer der Larvalentwicklung je nach
rin mit dem Schwanz zurück, um die Übernahme der Spermatophore zu sichern.                  Wassertemperatur etwa drei Monate, auch regelmäßige Überwinterung der Lar-
Die Eizellen werden im Mutterleib befruchtet. Später faltet das Weibchen die Ei-            ven im Gewässer. Gesamtlänge der Larven kurz vor Metamorphose 28–40 mm,
er einzeln mit Hilfe der Hintergliedmaßen in die Blätter von Unterwasserpflan-              der durch Lungen atmenden Metamorphlinge 40–50 mm. Geschlechtsreife in tiefe-
zen oder auch zwischen Fadenalgen oder Falllaub am Gewässerboden ein. Dazu                  ren Lagen mit 2–3, im Hochgebirge mit 10 Lebensjahren. Hohe Lebenserwartung,
dienen in Mitteleuropa sehr häufig der Flutende Schwaden, verschiedene Wasser-              Höchstalter bis etwa 30 Jahre.
Zur Aufnahme der Spermatophore folgt das Weibchen dem Männchen über den Gewässerboden

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Pädomorphose und Neotenie –                                                                     Gefährdung und Rote-Liste-Status in Deutschland
besondere Phänomene
                                                                                                Nach der aktuellen Roten Liste für Deutschland ist der Bergmolch eine der we-
Unter Pädomorphose versteht man das Ver-                                                        nigen Amphibienarten, die bundesweit nicht gefährdet ist. Nach aktuellen Daten
bleiben eines Organismus in einem frühen                                                        (2000–2018) hat er eine Rasterfrequenz (bezogen auf das Vorkommen in den ein-
Stadium seiner Individualentwicklung, wo-                                                       zelnen TK-25-Quadranten, nach DGHT 2018) von 40 %, doch wird in den letzten
bei Larvenmerkmale wie Außenkiemen oder                                                         zehn Jahren ein mäßiger Rückgang angenommen. Bezogen auf das Gesamtareal
die larvale Hautstruktur beibehalten werden.                                                    des Bergmolches liegen etwa 20 % in Deutschland und damit im Zentrum des Are-
Die Larve kann aber die Geschlechtsreife er-                                                    als. Von daher ist Deutschland „stark verantwortlich“ für die Erhaltung der Art. In
reichen und sich fortpflanzen, was dann als                                                     der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der Europäischen Union vom
Neotenie bezeichnet wird. Schwanzlurche                                                         21. Mai 1992 wird der Bergmolch nicht aufgeführt. Nach dem Bundesnaturschutz-
können obligatorisch (zwingend) pädomorph                                                       gesetz handelt es sich um eine „besonders geschützte Art“.
beziehungsweise neoten sein, wie beispiels-
                                                                                                Bundesland      D    BB   BE BW BY         HE HH MV         NI NW RP SH            SL   SN     ST   TH
weise der Europäische Grottenolm (Proteus
anguinus), oder fakultativ (möglich, nicht                                                      Rote-Liste-
                                                                                                                *     2   nB     *     *    *     R    nB    *     *    V      R    *    3     G    V
                                                                                                Status
zwingend) pädomorph (neoten) wie beim
Bergmolch. Neotenie tritt bei dieser Molchart                                                   Rote-Liste-Status des Bergmolchs in Deutschland (D) und den einzelnen Bundesländern (BB = Branden-
deutlich häufiger als bei anderen europäi-                                                      burg; BE = Berlin; BW = Baden-Württemberg; BY = Bayern; HE = Hessen; HH = Hamburg; NI = Nieder-
schen Schwanzlurcharten auf, vor allem in               Neotenes Bergmolchmännchen, Monte       sachsen/Bremen; NW = Nordrhein-Westfalen; MV = Mecklenburg-Vorpommern; RP = Rheinland-Pfalz;
den Alpen und im südlichen Teil des Artare-             Belpo, Italien                          SH = Schleswig-Holstein; SL = Saarland; SN = Sachsen; ST = Sachsen-Anhalt; TH = Thüringen)
als wie in Südostfrankreich, Italien oder auf                                                   2 = stark gefährdet; 3 = gefährdet; V = auf der Vorwarnliste; G = Gefährdung anzunehmen, aber Status
der Balkanhalbinsel.                                                                            unbekannt; R = extrem selten und Art mit geografischer Restriktion; * = ungefährdet; nB = nicht bewertet

                                                                                                Gefährdungsfaktoren

                                                                                                Aufgrund seiner engen Bindung an Wälder, der relativ weiten Verbreitung und ins-
                                                                                                gesamt großen Bestände ist der Bergmolch, ähnlich wie der Feuersalamander, im
                                                                                                Vergleich zu anderen häufigen Amphibienarten im Offenland weniger stark von
                                                                                                Bestandsrückgängen betroffen. Dennoch wirken auch bei dieser anpassungsfähigen
                                                                                                Art zahlreiche ungünstige Einflüsse auf die Wasser- und Landlebensräume.
                                                                                                Hauptgefährdungsursachen gehen von der privaten und staatlichen Forstwirt-
                                                                                                schaft (für Staatsforste gibt es in den meisten Bundesländern allerdings ökologische
                                                                                                Waldwirtschaftsprogramme) in Form einer Lebensraumzerstörung und Isolierung
                                                                                                durch den Ausbau von Verkehrswegen (einschließlich Forststraßen und Wander-
                                                                                                wegen im Wald) aus. Die Förderung strukturarmer Nadelholzforste beeinträchtigt
                                                                                                und entwertet den Landlebensraum des Bergmolchs. Der Einsatz von Harvestern
                                                                                                und Forstmulchern sowie die Zerstörung von Kleinstgewässern durch den Ausbau
                                                                                                und die Befestigung von Waldwegen wirken äußerst negativ auf die Vorkommen.
Neotene Bergmolche wurden vor allem aus alpinen Gewässern wie im Schweizer Tessin beschrieben   Neben der Zerstörung von Kleinstgewässern führen der Wege- und der Straßen-

      22                                                                                                                                                                                       23
Lurch des Jahres   2019                                                                                                                                   Lurch des Jahres   2019

                                                     aus- und -neubau auch zum         Ein ganz besonderes Prob-
                                                     direkten Verlust von Tieren       lem für den Bergmolch in
                                                     durch den Fahrzeugverkehr.        den Alpen ist das Einsetzen
                                                     Selbst wenn Belege fehlen, wie    von Salmoniden (Forellen,
                                                     relevant die Verluste durch       Saiblinge) in größere, vor-
                                                     Straßenverkehr für eine Popu-     her fischfreie Gewässer, in
                                                     lation sind, zeigen wiederkeh-    denen sich durch eine lange
                                                     rende Beobachtungen, dass         Ko-Evolution ein eingespiel-
                                                     Straßen und Forstwege vor         tes Verhältnis zwischen dem
                                                     allem im Frühjahr und Herbst      Bergmolch als Haupträuber
                                                     zu einer erheblichen Gefahr       und verschiedenen Klein-
Das Düngen in der Nähe von Amphibienlaichgewässern   für die Tiere werden können.      krebsen als Nahrungstieren
gefährdet auch den Bergmolch                         Bergmolche suchen geteerte        entwickelt hat. Würde der
                                                     Wege sowohl zur Partner- als      Bergmolch seine Beutetiere Müllablagerung in einem Laichgewässer von Berg-, Teich- und
                                                     auch zur Nahrungssuche ge-        übermäßig dezimieren, ent- Kammmolchen bei Altenmedingen, Niedersachsen
                                                     zielt und häufig auf und bewe-    zöge er sich seine eigene Le-
                                                     gen sich dort nur langsam fort.   bensgrundlage. Durch den
                                                     In der an die Wälder angren-      künstlichen Fischbesatz wird
                                                     zenden Agrarlandschaft kann       dieses eingespielte System
                                                     eine Vernetzung von Vorkom-       zerstört, weil die Raubfische
                                                     men oder Neubesiedlung au-        nicht nur die Nahrungstie-
                                                     ßerhalb des Waldes nur über       re der Bergmolche fressen,
                                                     Hecken- und Gehölzstreifen        sondern auch die Molche
                                                     oder strukturreiche Graben-       selbst und deren Larven dezi-
Unsachgemäß durchgeführte Grabenräumungen tragen zur systeme funktionieren. Die        mieren. Besonders drastisch
Gefährdung kleiner Bergmolchpopulationen bei         anhaltende Beseitigung dieser     wirkt sich Fischbesatz in den
                                                     Hecken- und Gehölzstruk-          pädomorphen Populationen
turen (auch durch eine „ordnungsgemäße“ Grabenräumung) führt zu einem                  auf dem Balkan aus, die als
weiteren Verlust von Molchvorkommen in der ohnehin bereits ausgeräumten                Dauerlarven keine Ausweich- Auch bei starken Eingriffen in den Landlebensraum wie hier bei der
Agrarlandschaft sowie zu einer immer stärkeren Isolierung der Populationen in          möglichkeiten in den terres- Räumung von Baumstubben kann es zu großen Verlusten kommen
Waldgebieten.                                                                          trischen Bereich haben und
In größeren Stillgewässern kann sich der Bergmolch aufgrund von Fischbesatz oft-       unwiederbringlich vernichtet werden.
mals nicht mehr erfolgreich reproduzieren. Eine Koexistenz von Fischen und Am-         Äußerst negativ wirken sich auch das Aussetzen und die starke Ausbreitung inva-
phibien funktioniert nicht ohne eine räumliche Trennung, und in Gewässern ohne         siver Krebsarten wie Kamber-, Marmor-, Sumpf- oder Kalikokrebs auf Amphibi-
ausgedehnte Flachwasserzonen, die zumindest von größeren, hochrückigen Fisch-          en wie den Bergmolch aus. Die Krebse fressen Eier und Larven und verändern in
arten schwer oder gar nicht erreicht werden können, bedeutet die Einschleppung         größeren Gewässern mitunter komplette Amphibiengemeinschaften bis hin zum
von Fischen mittelfristig das Erlöschen der Bestände. Es ist daher dringend davon      Aussterben ganzer Populationen. Indem die Krebse ständig auf Jagd nach Am-
abzuraten, in Gewässer, die für den Amphibienschutz angelegt worden sind, aus          phibienlarven sind und diese oft verletzen, wird auch deren Konstitution negativ
Gründen des Naturschutzes auch Kleinfischarten einzusetzen.                            beeinflusst. Die Larven wachsen schlechter und verändern ihre Verhaltensweisen.

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Schutz- und Hilfsmaßnahmen

Wie für alle häufigen Amphi-
bienarten gibt es auch für den
Bergmolch derzeit keine spezi-
ellen Artenhilfsprogramme oder
Schutzkonzepte in Deutschland,
sodass für diese Art noch stärker
als bei den ohnehin im Fokus ste-
henden seltenen Arten der lokale                                                              Stark verlandeter Bombentrichter im Naturschutz- ... und nach einer Gewässerneuanlage an gleicher
Artenschutz und der ehrenamtli-                                                               gebiet Braken, Niedersachsen, vorher ...         Stelle
che Naturschutz bedeutsam sind.
Die Art profitiert in erster Linie                                                            und Totholz bieten dem Bergmolch wichtige Tages- und Überwinterungsverstecke
von den Maßnahmen, die für Am-                                                                und können auch als Trittsteinbiotope zur Ausbreitung beitragen. Zudem fördert
phibien allgemein durchgeführt                                                                ein hoher Totholzanteil den Reichtum an Insekten und Weichtieren als mögliche
oder in Privatgärten umgesetzt       Lebensraum von Bergmolchen in einem Gartenteich in der   Beutetiere.
werden.                              Eifel                                                    In Lebensräumen außerhalb größerer Wälder ist der Bergmolch im Tiefland vor al-
                                                                                              lem auf abwechslungsreiche Randstrukturen wie Hecken, Gehölze, feuchte Hoch-
Erhaltung und Förderung naturnaher Waldlebensräume                                            staudenfluren und kleinere Waldbestände in der Nähe seiner Laichgewässer ange-
                                                                                              wiesen. Hauptsächlich Waldstrukturen und geschlossene Gehölzbestände bieten
Langfristiges Ziel zur Sicherung vitaler Vorkommen von waldgebundenen Am-                     dieser Art geeignete Überwinterungsquartiere, Nahrung und Migrationsmög-
phibienarten wie dem Bergmolch ist die Erhaltung, Wiederherstellung und Ent-                  lichkeiten, ohne die Gefahr einer schnellen Austrocknung. Zum Aufbau kleinerer
wicklung naturnaher Waldlebensräume. In Monokulturen stehen Fichten häufig                    bis mittelgroßer Bestände reichen den Molchen auch Gehölzstreifen oder breitere
so eng, dass sie den Waldboden verdunkeln. Die fehlende Krautschicht hält in                  Hecken in der Nähe der Laichgewässer. Zudem kommt diesen Gehölzreihen im
der Folge kaum terrestrische Beuteorganismen für Amphibien bereit. In weniger                 Offenland, den Saumstrukturen entlang von Waldrändern sowie den zwischen
dichten Fichtenforsten ist wiederum die Verdunstung deutlich höher als in einem               Äckern gelegenen feuchten Gräben eine besondere Bedeutung als Wanderkorrido-
Buchenwald, sodass der Oberboden unvorteilhaft trocken ist. Stillgewässer und                 re zwischen Laichgewässern und Über-
Bachläufe innerhalb von Fichtenbeständen sind häufig sehr strukturarm und auch                winterungsquartieren zu. Solche Struk-
arm an Nahrungsorganismen für die Larven der Molche.                                          turen gilt es zu erhalten und zu fördern
Aus diesem Grund sollten zur Förderung des Bergmolchs in Waldgebieten die                     (siehe Unterhaltungsarbeiten unten).
Fichtenbestände maximal 20 % Flächenanteil einnehmen. Bei einem höheren Anteil                In Gärten mit Kleingewässern, die vom
an Nadelbäumen sollten Baumfällungen vorgenommen werden. Auf den entste-                      Bergmolch besiedelt werden, sollten
henden Lichtungen kann sich sehr schnell eine üppige natürliche Bodenvegetation               wenig berührte Flächen an Land er-
entwickeln, in deren Folge sich junge Laubbäume ansiedeln. Ziel bei Aufforstun-               halten bleiben (unter den Hecken und
gen sollte immer eine Umforstung von standortfremden Nadelholzforsten zu na-                  Sträuchern im Winter das Laub liegen
turraumtypischen, strukturreichen Laub- und Mischwäldern sein.                                lassen; Baumschnitt oder andere Mate-
Innerhalb des Waldes gilt es, den Strukturreichtum durch die Erhaltung und Er-                rialien in einer Gartenecke stapeln und
höhung des Alt- und Totholzanteils (durch Liegenlassen von Baumstämmen und                    einen Komposthaufen damit verbin-
Ästen) zu steigern. Unterschiedlich stark zersetzte Wurzelstubben, Wurzelteller               den).                                    Frisch angelegtes Landhabitat für Molche

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Kleinste Gewässer bewirken Großes                                                    der Larven keine Fahr-
                                                                                     zeuge durch die Spuren
Gerade für den anpassungsfähigen Bergmolch, der oft kleinste Gewässer als Laich-     fahren. Dagegen dient
gewässer nutzt, kann ein aquatischer Lebensraum schnell geschaffen werden. Klei-     ein Durchfahren im Win-
nere Gewässer können als Trittsteinbiotope oder „Rettungsanker“ von Bedeutung        terhalbjahr der Verjün-
sein. Untersuchungen zur Neubesiedlung von angelegten Gewässern durch Berg-          gung der Gewässer, was
molche zeigen, dass eine Besiedlung innerhalb eines Jahres oder mitunter in einer    für den langfristigen Er-
Fortpflanzungssaison erfolgen kann.                                                  halt der Population eine
Entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Einwanderung von Molchen sind,          Voraussetzung ist. Um
dass die neuen Gewässer in Waldnähe oder in der Umgebung von geschlossenen           eine bessere Akzeptanz
Gehölzbeständen liegen (zum Beispiel breite Hecken oder Baumreihen), fischfrei       bei Spaziergängern oder
sind und Anbindung an bestehende Vorkommen haben. Eine Überbrückung von              Wanderern zu erreichen,
1–2 km (fehlende Wanderbarrieren wie größere Straßen vorausgesetzt) dürfte da-       können einfache Hin-
bei kein Problem sein, und selbst Wanderdistanzen bis 4 km sind für adulte Berg-     weisschilder helfen.
molche belegt.                                                                       Insbesondere wenn es
Neben der Anlage von neuen Gewässern für Amphibien müssen vor allem auch             sich um einen Komplex Freistellung und Sanierung eines Laichgewässers von Bergmolchen
bestehende Tümpel und Teiche erhalten und/oder deren Qualität verbessert wer-        aus       wassergefüllten im Beverner Wald, Niedersachsen
den. Gezielte Pflegemaßnahmen sollten in einem Zeitraum von etwa 6–10 Jahren,        Wegerinnen in einem
am besten im September und Oktober eines Jahres (bei Abwesenheit der meisten         größeren       Waldgebiet
Amphibien im Gewässer), unter strenger Berücksichtigung des Artenschutzes            handelt, kann dessen
(Verbot der Tötung und Zerstörung von Lebensstätten) wiederholt werden. Zu den       Bedeutung für Amphibi-
Maßnahmen gehören:                                                                   en und insbesondere für
• (Teil-)Herausnahme (Abschöpfen) von Schwimmpflanzendecken bei starkem              den Bergmolch in sonst
    Nährstoffeintrag. Entkrauten (mit Harke) und schonendes Ausbaggern bezie-        kleingewässerarmen Re-
    hungsweise Befahren mit schwerem Gerät, um eine Verlandung und zu starke         gionen nicht hoch genug
    Verschlammung der Gewässer zu verhindern.                                        eingestuft werden. Dies
• Grünflächen in Gewässernähe nur schneiden, wenn wirklich notwendig (im             betrifft auch die was-
    Sommer außerhalb der Zeit des Landgangs der Metamorphlinge); Schnitt mit         serführenden     Gräben,
    Balkenmäher (Schnitthöhe etwa 10 cm), kein Einsatz von Kreiselmähern.            die manche Waldwege
• Zurückschneiden von Gehölzaufwuchs am Gewässerrand zur Sicherstellung              begleiten. Durch fraktio-
    einer ausreichenden Besonnung.                                                   nierte Aufstauung dieser
• Anhäufung des Schnittguts als kleine Holzhaufen in Ufernähe als Tagesver-          Gräben und die Anla- Nach gezielten Pflegemaßnahmen dient dieser Weiher wieder als
    steck und Winterquartier.                                                        ge von wassergefüllten Lebensraum für Bergmolche und andere Amphibienarten
Von besonderer Bedeutung für diese Waldart sind wassergefüllte Fahrspuren. Für       Grabentaschen entstehen
Forstarbeiter, Waldbesitzer und Spaziergänger häufig ein Ärgernis, stellen solche    kleine Stillgewässerabschnitte, die für Molche hochattraktiv sind.
Wegerinnen und Fahrspuren für den Bergmolch einen extrem wichtigen Laich-            Die Wiederkehr des Bibers in einigen Regionen Mitteleuropas hat vor allem in der
platz dar. Um die immer wieder neu entstehenden Gewässerkomplexe längerfris-         Nordeifel gezeigt, dass Biberteiche hervorragende Molchgewässer sind. Mit der
tig zu erhalten, dürfen die Fahrrinnen auf selten genutzten Wegen nicht zugeschüt-   Ausbreitung des Bibers entstehen natürliche Stillgewässer in Waldlagen, die wahr-
tet oder planiert werden. Im Sommerhalbjahr sollten während der Entwicklung          scheinlich auch früher zu den wichtigsten primären Lebensräumen zahlreicher

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Amphibienarten gehört haben. Eine größere Akzeptanz und gezielte Förderung                  verhindert werden; zum
des Bibers würde die Bestände von Bergmolch, aber auch vieler weiterer heimi-               Beispiel können Licht- oder
scher Amphibien stark fördern.                                                              Kellerschächte durch Ab-
Eine Schlüsselrolle beim Schutz des Bergmolches kommt neben der Neuanlage von               deckung mit engmaschigen
Kleingewässern der Pflege und dem Erhalt von bestehenden Gräben als Sekun-                  Gitterrosten oder durch
därlebensräume in Waldnähe zu. Unnötigerweise führen maschinelle Grabenräu-                 den Einbau von 30 cm ho-
mungen zur Reproduktionszeit des Bergmolchs häufig zum Tod zahlreicher Tie-                 hen Leitblechen gesichert
re. Solche Unterhaltungsarbeiten sollten daher stets naturschutzfachlich begleitet          werden. Einen Ausstieg
werden und nach Abschluss der Reproduktionszeit, erst ab Oktober stattfinden.               aus Schächten aller Art er-
Weitere Arbeiten in Form von Graben-, Böschungs- oder Straßenrandstreifenmahd               möglichen Fröschen und
sind tierschonend durchzuführen, das heißt ebenfalls erst nach der Abwanderung              Molchen Amphibienleitern
der metamorphosierten und adulten Amphibien.                                                und andere Ausstiegshil-
                                                                                            fen, die im einfachsten Fall      Auch temporäre Amphibienschutzanlagen können helfen, den
Schutz an Straßen                                                                           aus rauen, unbehandelten          Tod zahlreicher Lurche zu vermeiden
                                                                                            Brettern bestehen, aber auch
Amphibienschutzanlagen mit Durchlässen unter Straßen in bewaldeten Gebie-                   aus ineinander verschiebba-
ten oder in angrenzenden Bereichen sowie zeitweilige Straßen- beziehungsweise               ren Lochblechschienen, mit
                                                       Wegesperrungen können die Ge-        Kunststoffmaschengeflecht
                                                       fahr des Straßentods reduzieren.     (Maschenweite 10–15 mm)
                                                       Besonders im Frühjahr sollten        bespannten       Harthölzern
                                                       Waldwege in der Zeit von 19.00       oder an die Schachtwan-
                                                       bis 7.00 Uhr generell nicht befah-   dung montierte Textilmatten
                                                       ren werden. Darüber hinaus soll-     aus synthetischem Gewebe.
                                                       te eine weitere Zerschneidung        Letztere ermöglichen Mol-
                                                       der von Bergmolchen besiedelten      chen und anderen Amphibi-
                                                       oder potenziell geeigneten Gebie-    en einen sicheren, effektiven
                                                       te durch Straßenneu- oder -aus-      Ausstieg selbst bei senkrech-     Dauerhafte Amphibienschutzanlage mit einem Durchlass unter
                                                       bau vermieden werden. Bei einer      ten Wänden.                       der Straße
                                                       Trassenplanung sollten auch zum
                                                       Schutz des Bergmolchs in jedem
                                                       Fall waldfreie Pufferbereiche um
                                                       die Waldränder herum berück-
                                                       sichtigt werden.
                                                       Ein Amphibienverlust im Sied-
                                                       lungsraum, der mit Gullys, Ent-
                                                       wässerungssystemen, Licht- und
Bergmolche können gut klettern: Dieses Weibchen hat
                                                       Versorgungsschächten zahl­reiche
bei seiner Wanderung die Metallwand einer Leiteinrich- Todesfallen für Amphibien birgt,
tung überwunden                                        kann oft mit einfachen Mitteln       Bergmolch bei der Wanderung entlang eines Leitzaunes in Richtung Laichgewässer

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Lurch des Jahres   2019                                                                                                                                    Lurch des Jahres   2019

Andreas Maletzky & Silke Schweiger                                                   bauchunke und der Feuersa-
Österreichische Gesellschaft für Herpetologie (ÖGH)                                  lamander. Umgekehrt sind
                                                                                     im Verbreitungsgebiet in den
                                                                                     Laichgewässern von Kamm-

Der Bergmolch                                                                        und Teichmolchen zumeist
                                                                                     auch Bergmolche zu finden.
                                                                                     Bezüglich der Jahresaktivi-

in Österreich                                                                        tät sind in Österreich Nach-
                                                                                     weise von Adulttieren aus
                                                                                     allen 12 Monaten dokumen-
Der Bergmolch ist die am weitesten verbreitete Schwanzlurchart Österreichs und       tiert. Die deutliche Mehrheit
kommt in allen Bundesländern vor. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt im Hügel-        aller Beobachtungen fällt in Verbreitung des Bergmolchs in Österreich (Raster: 5 x 3 Minuten-
land und in den Gebirgen der westlichen beziehungsweise zentralen Landesteile,       den Zeitraum Ende März/ Felder). Quelle: Herpetofaunistische Datenbank, Naturhistorisches
während die Vorkommen Richtung Norden und vor allem Osten ausdünnen. In              Anfang April bis Mitte/Ende Museum Wien
den Tieflagen im Osten Niederösterreichs, im Nord- und Mittelburgenland, fehlt       August und erstreckt sich somit über gut fünf Monate mit Schwerpunkt in der ers-
die Art. Die östliche Verbreitungsgrenze verläuft durch die Stadt Wien beziehungs-   ten Hälfte dieser Zeitspanne. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Tiere im
weise das südliche Burgenland. Verbreitungslücken in Teilen von Ober- und Nie-       oder am Laichgewässer. Nachweise von Larven sind von Mitte April bis Ende Ok-
derösterreich (Inn-, Mühl- und Waldviertel) oder in den Zentralalpen lassen sich
wohl vielfach durch Kartierungsdefizite erklären.
Die Höhenverbreitung verläuft zwischen 200 m ü. NN in Wien und 2.380 m ü. NN
am Reißeck in den Kärntner Zentralalpen. Bekannte große Einzelvorkommen mit
mehreren Tausend adulten Individuen stammen durchwegs aus Seen und Feucht-
gebieten in Seehöhen über 1.000 m ü. NN, wie etwa am Ameisensee, am Vorder-
schlumsee oder im Weißpriachtal im Bundesland Salzburg.
Der typische Lebensraum des Bergmolches in Österreich besteht aus größtenteils
lichten, gut strukturierten Laub- und Mischwäldern mit erhöhtem Totholzanteil
oder Komplexen aus Zwergstrauchheiden, Feuchtgebieten und Mooren oberhalb
der Waldgrenze. Wesentlich ist ein dichtes Gewässernetz. Ein Schlüsselfaktor im
Landlebensraum ist neben hoher Bodenfeuchte die Verfügbarkeit von reichlichen
Versteckplätzen in Form von liegendem Totholz oder Lückensystemen zum Bei-
spiel in überwuchertem Geröll. Sehr unterschiedliche Typen von Laichgewässern
werden zur Fortpflanzung genutzt. Einerseits handelt es sich um kleinere, oft nur
temporär Wasser führende Stillgewässer (Tümpel) wie Wagenspuren, Quellstaue,
Stillbereiche von Entwässerungsgräben oder Pfützen. Andererseits werden, vor al-
lem in höheren Lagen, auch größere Gewässer genutzt, sofern sie fischfrei sind und
eine ausreichende Strukturierung aufweisen.
Typische syntope (im selben Habitat lebende) Amphibienarten sind der Grasfrosch
– dessen Eier vor allem in Gebirgspopulationen eine sehr wichtige Nahrungsquelle
für die Molche darstellen – und die Erdkröte, in mittleren Seehöhen auch die Gelb-   Alpiner Lebensraum des Bergmolchs im Wildgerlostal in den Zillertaler Alpen

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tober dokumentiert, mit Schwerpunkt zwischen Ende Juni und Anfang September.         Der Bergmolch macht seinem Namen alle Ehre: In der Schweiz sind 660 Laichplät-
Im Toten Gebirge (Kalkalpen im Grenzgebiet von Oberösterreich und Steiermark)        ze über 2.000 m ü. NN bekannt, davon liegen vier oberhalb 2.400 m ü. NN. Die
durchgeführte Studien zum Alter von Bergmolchen mittels Skelettochronologie          höchsten Standorte liegen auf 2.466 m ü. NN bei Nendaz (Kanton Wallis) und im
beziehungsweise Langzeitmarkierungen zeigten, dass in diesen Hochlagen die           Corvatschmassiv im Engadin (Kanton Graubünden). Ähnlich wie beim Grasfrosch
Geschlechtsreife erst mit rund 10 Jahren eintritt und ein Maximalalter von etwa 30   leben die höchsten Populationen des Bergmolches in den inneralpinen Trockentä-
Jahren erreicht werden kann.                                                         lern. Im Tessin ist er ein echter Gebirgsbewohner, da die meisten Standorte zwi-
Wie für alle in Österreich beheimateten Amphibienarten gilt für die Individuen       schen 1.100 und 2.300 m ü. NN zu finden sind, allerdings gibt es bei Arbedo auch
beziehungsweise Lebensräume des Bergmolches in allen neun Bundesländern ein          Standorte auf nur 250 m ü. NN.
strenger Schutz. In der nationalen Roten Liste wird die Art mit „Gefährdung droht“   In der Datenbank der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in
(near threatened) gelistet. Aussagen über die Bestandsentwicklung des Bergmol-       der Schweiz (info fauna - karch) liegen knapp 37.000 Meldungen des Bergmolchs
ches sind allerdings kaum möglich, da entsprechende Monitoringprojekte fehlen.       aus rund 8.000 erfassten Amphibienlaichgebieten vor. Trotz der beachtlichen An-
Die Gefährdungsfaktoren für den Bergmolch sind, auch aufgrund seiner weiten          zahl an Meldungen wissen wir, dass noch viel mehr Gewässer Bergmolche be-
Verbreitung in verschiedenen Lebensraumtypen, mannigfaltig. Es handelt sich vor      herbergen. Aufgrund der großen Dynamik bezüglich der Umgestaltung in Privat-
allem um den laufenden Verlust beziehungsweise die Degradierung von Laichge-         gärten nehmen wir solche Beobachtungsmeldungen zwar in die Datenbank auf,
wässern durch Verfüllung, Trockenlegung, Fischbesatz oder Eutrophierung (Gülle).     registrieren sie aber nicht als Amphibienlaichgebiete. Ebenfalls verzichten wir auf
Weiterhin spielen die massive Nutzungsintensivierung in der Land- und Forstwirt-     Aufrufe in der Bevölkerung, uns ihre Gartenteichbewohner zu melden.
schaft inklusive Einsatz von Pestiziden und die verstärkte Nutzung von Flächen       Die weite Verbreitung des Bergmolchs in der Schweiz ist nicht nur durch seine
im Gewässerumfeld eine Rolle. Die laufende Lebensraumzerschneidung durch das         große Toleranz gegenüber den Höhenlagen zu erklären, sondern auch durch die
wachsende Forstwege- und Straßennetz sowie die „strukturelle Ausräumung“ der         insgesamt hohe Anpassungsfähigkeit dieser Art. Der Bergmolch kann die unter-
Landschaft führen wiederum zu immer weniger Wanderkorridoren für die Art.            schiedlichsten Gewässer
                                                                                     als Laichplatz nutzen, am
                                                                                     häufigsten sind es kleine
Silvia Zumbach & Benedikt R. Schmidt                                                 Stehgewässer aller Art,
info fauna karch                                                                     während er Gewässer in
                                                                                     Auen zu meiden scheint.
                                                                                     An neu erstellten Gewäs-

Der Bergmolch                                                                        sern ist der Bergmolch
                                                                                     meist eine der ersten Ar-
                                                                                     ten, die diesen Lebens-

in der Schweiz                                                                       raum besiedelt. Seine aus-
                                                                                     geprägte Fähigkeit zur
                                                                                     Neubesiedlung ist sicher
Der Bergmolch gehört zu den häufigsten Amphibienarten der Schweiz und ist in         auch durch die insgesamt
diesem Land sicherlich auch der häufigste Schwanzlurch. Er besiedelt nahezu die      noch relative hohe Dichte
ganze Schweiz, Verbreitungslücken befinden sich in den trockensten Teilen des        an vorhandenen Popula- Verbreitung in der Schweiz auf der Basis von 25-km2-Quadranten.
Wallis und südlich vom Monte Ceneri im Tessin sowie in den Gebirgszonen ober-        tionen bedingt.                Gelb dargestellt sind Quadranten, bei denen der letzte Nachweis
halb 2.400 m ü. NN. Fehlende Nachweise in den 25-km2-Quadranten auf der Ver-         Gartenteiche werden wie zwischen        1900 und 2007 erfolgte (meist, weil der Quadrant seither
                                                                                                                    nicht mehr besucht wurde). Rot dargestellt sind Quadranten, bei
breitungskarte in anderen Landesteilen dürften auf Datenlücken zurückzuführen        beschrieben regelmäßig denen ein Nachweis aus den Jahren 2008–2017 vorliegt. Quelle:
sein, beispielsweise im Kanton Graubünden.                                           be­siedelt, und gerade info fauna karch © Swisstopo

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