Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung

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Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung
Rahmenprogramm
Gesundheitsforschung
der Bundesregierung
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Inhaltsverzeichnis

Vorwort                                                                                                                                                                               2

Unsere Gesundheit – unsere Zukunft                                                                                                                                                    4
Unsere Mission....................................................................................................................................................................... 4
Unser Ansatz .......................................................................................................................................................................... 5

Unsere Leitlinien der Gesundheitsforschung                                                                                                                                            6
Leitlinie I: Der Mensch im Mittelpunkt ............................................................................................................................ 6
Leitlinie II: Personalisierung und Digitalisierung als Schlüssel ................................................................................... 8

Die Handlungsfelder der Gesundheitsforschung                                                                                                                                       10

Handlungsfeld 1: Forschungsförderung – Krankheiten vorbeugen und heilen ......................................................... 12
  Forschung zu Volkskrankheiten stärken ........................................................................................................................ 12
  Public-Health-Forschung ausbauen ............................................................................................................................... 15
  Globale Forschungsaufgaben gemeinsam angehen ................................................................................................... 17

Handlungsfeld 2: Innovationsförderung – Medizinischen Fortschritt vorantreiben ............................................. 22
  Eine breite Basis für Gesundheitsinnovationen schaffen .......................................................................................... 22
  Gesundheitsinnovationen schneller in die Praxis bringen......................................................................................... 25
  Innovationspotenzial der Gesundheitswirtschaft steigern ....................................................................................... 28

Handlungsfeld 3: Strukturförderung – Forschungsstandort stärken ....................................................................... 30
  Vielfalt des deutschen Forschungssystems nutzen .................................................................................................... 30
  Grenzen überwinden für exzellente Forschung ........................................................................................................... 33
  Spitzenkräfte für die Gesundheitsforschung von morgen gewinnen ..................................................................... 36
  Wertschöpfung und Nachhaltigkeit der medizinischen Forschung steigern........................................................ 37

Unser Weg in die Zukunft                                                                                                                                                           40

Vernetzung mit anderen Förderprogrammen und Einrichtungen                                                                                                                          42

Glossar                                                                                                                                                                            43

Impressum                                                                                                                                                                          49
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Vorwort

Jedem und jeder von uns wird früher oder später im        Methoden bieten ein enormes Potenzial, Gesundheits-
Leben vor Augen geführt, wie wichtig Gesundheit ist.      forschung und -versorgung in Zukunft maßgeblich zu
Meistens dann, wenn wir selbst betroffen sind oder ein    verbessern. Es liegt an uns, dieses Potenzial zu erken-
uns nahe stehender Mensch erkrankt. Dann wird uns         nen und für den medizinischen Fortschritt verantwor-
bewusst, wie wichtig medizinischer Fortschritt und        tungsvoll zu nutzen.
eine gute Gesundheitsversorgung sind. Ohne Forschung
gäbe es jedoch keinen medizinischen Fortschritt.          In der Gesundheitsforschung sind wir besonders
Die Forschung für unsere Gesundheit nimmt daher           erfolgreich, wenn wir die Expertise aus universitären
in der Politik der Bundesregierung eine besondere         und außeruniversitären Forschungseinrichtungen
Stellung ein.                                             langfristig bündeln. Ein gutes Beispiel dafür sind die
                                                          Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Damit
Mit unserer Forschungsförderung tragen wir dazu bei,      Ergebnisse der Forschung wirklich bei den Patientinnen
dass die Medizin der Zukunft die Menschen erreicht        und Patienten ankommen, müssen auch Forschung und
und ihren Bedürfnissen entspricht. Denn jeder Mensch      Versorgung noch enger zusammengebracht werden.
– ob auf dem Land oder in der Stadt, ob jung oder alt,    Mit dem Rahmenprogramm schaffen wir die Struktu-
ob Laie, Experte oder Expertin – soll von den Erfolgen    ren, damit alle Beteiligten eng zusammenarbeiten und
der Gesundheitsforschung profitieren. Damit For-          vorhandene Ressourcen gemeinsam effektiv nutzen
schung die Anliegen der Menschen aufgreift, brauchen      können. Denn nur dann erreicht die Forschung auch
wir einen engen Dialog mit den Bürgerinnen und Bür-       den Menschen. Nur dann führt sie zu neuen Ansätzen
gern. Mehr noch: Betroffene, Angehörige und Akteure       in Gesundheitsförderung, Prävention, Diagnose und
des Gesundheitswesens sollen sich in den Forschungs-      Therapie und wird Teil der alltäglichen Versorgung.
prozess aktiv einbringen. Mit unserem Rahmenpro-
gramm bereiten wir die Basis für eine stärkere Beteili-   Die Welt wird nicht stillstehen. Deshalb müssen wir
gung in der Gesundheitsforschung.                         uns gemeinsam sowohl den heutigen als auch den
                                                          zukünftigen Herausforderungen in der Gesundheits-
Neue Technologien, etwa die Digitalisierung, die          forschung stellen. Jeder soll und kann seinen Beitrag
Künstliche Intelligenz oder neue molekularbiologische     dazu leisten.

Anja Karliczek                                            Jens Spahn
Mitglied des Deutschen Bundestages                        Mitglied des Deutschen Bundestages
Bundesministerin für Bildung und Forschung                Bundesminister für Gesundheit
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INHALTSVERZEICHNIS   3
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4                                                RAHMENPROGRAMM GESUNDHEITSFORSCHUNG DER BUNDESREGIERUNG

Unsere Gesundheit – unsere Zukunft

Unsere Mission                                             dukten und Gesundheitsanwendungen werden und den
                                                           Versorgungsalltag verbessern können. Und sie ist der
                                                           Garant dafür, dass Sicherheit, Wirksamkeit und Nutzen
Mit Forschung und Innovation wollen wir die Gesund-        von medizinischen Innovationen zuverlässig bewertet
heit und die Lebensqualität der Menschen verbessern.       werden können.
Wir werden den medizinischen Fortschritt rascher zu
den Patientinnen und Patienten bringen und den Stand-      Gesundheitsforschung ist dann erfolgreich, wenn sie
ort Deutschland in der Gesundheitsforschung an die         die Menschen erreicht. Damit medizinische For-
internationale Spitze führen.                              schungsergebnisse in der alltäglichen Versorgung in
                                                           Praxen und Kliniken ankommen, müssen sie in inno-
Gesund und lange leben – in Deutschland sind die           vative Gesundheitsanwendungen überführt werden.
Voraussetzungen dafür besser als jemals zuvor: Unsere      Dieser sogenannten „Translation“ kommt eine heraus-
Lebenserwartung hat sich durch verbesserte Lebensbe-       ragende Bedeutung zu. Eine wichtige Voraussetzung
dingungen und gute medizinische Versorgung in den          dafür ist das gute Zusammenspiel von Forschung und
vergangenen hundert Jahren annähernd verdoppelt.           Praxis sowie der regulatorischen Entscheidungsträger.
Einst gefürchtete Krankheiten, etwa die Kinderlähmung,
sind dank umfassender Impfprogramme hierzulande            Damit Translation gelingt, müssen wir die Menschen
ausgerottet. Bei anderen Erkrankungen ist es gelungen,     mit ihren Bedürfnissen und Wünschen in den Mittel-
die Zahl der Todesfälle deutlich zu reduzieren.            punkt der Gesundheitsforschung stellen. Bereits am
                                                           Beginn eines Forschungsprozesses ist die zentrale Frage
Doch auch im 21. Jahrhundert steht die Medizin vor         zu stellen: Welchen Beitrag kann die wissenschaftliche
zahlreichen Herausforderungen. Altersassoziierte und       Arbeit leisten, um die Gesundheit und Lebensqualität
lebensstilbedingte Volkskrankheiten wie Krebs, Dia-        der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern? Für eine
betes oder Demenz nehmen zu. Weltweit sind wir mit         Antwort auf diese Frage müssen wir Patientinnen und
neuen Krankheitserregern konfrontiert, die häufig von      Patienten, aber auch Angehörige, das medizinische
Tier zu Mensch übertragen werden und sich aufgrund         Fachpersonal, Zulassungsbehörden oder Expertinnen
der stetig wachsenden globalen Mobilität rasch ver-        und Experten aus der Gesundheitswirtschaft frühzeitig
breiten können. Die Umwelt und ihre Belastung, etwa        und adäquat einbinden. Gleiches gilt für Zielgruppen
durch Feinstaub oder Lärm, beeinflussen maßgeblich,        und Akteurinnen und Akteure von Maßnahmen der
wie gesund, vital und zufrieden die Menschen sind.         Prävention und Gesundheitsförderung. Mit dem Rah-
Deutschland ist gut aufgestellt, um all diese Herausfor-   menprogramm Gesundheitsforschung leiten wir einen
derungen zu meistern. Exzellente Gesundheitsforschung      Paradigmenwechsel in der deutschen Gesundheitsfor-
liefert wegweisende Erkenntnisse über Gesundheit und       schung ein – hin zu einer stärkeren Teilhabe und Parti-
Krankheit. Sie entwickelt neue Präventionsansätze und      zipation der Menschen an Innovation und Translation.
innovative Therapieverfahren. Sie trägt dazu bei, dass     Darüber hinaus braucht Translation Gesundheitsfor-
neuartige Technologien zu hochwertigen Medizinpro-         scherinnen und -forscher, die über die Grenzen von
Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung
UNSERE GESUNDHEIT – UNSERE ZUKUNFT                                                                                                       5

                             ng   und Digitalisierung
                        ieru                            als
                    s                                         Sch
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                                                     Medizinischen                        Unser Ansatz
                                                     Fortschritt
                                                     vorantreiben
                                       Mensch
                                   Der M
                                                                                              Wir greifen wichtige Treiber der Gesund-
                                                                                              heitsforschung auf und gestalten sie mit.

                                                                                                Mit dem neuen Rahmenprogramm
                                                                                                Gesundheitsforschung stärkt die
                                                                                                Bundesregierung die Gesundheits-
                                                                                                forschung, damit diese den großen
                                                                                                gesundheitlichen Herausforderungen
                                                                                                unserer Zeit erfolgreich begegnen und
                                                                                               den Innovationsstandort Deutschland
                                  im
                                       Mittelpunkt
                                                                                              voranbringen kann. Das neue Rahmen-
      Krankheiten                                                                            programm Gesundheitsforschung baut
                                                      Forschungs-
       vorbeugen                                      standort                              dabei auf den Erfahrungen und Erfolgen
         und heilen                                   stärken                              der Vorläuferprogramme auf.

                                                                                        Das Programm gliedert sich in zwei Leitlinien
                                                                                      und drei Handlungsfelder. Die Leitlinien „Der
                                                                                    Mensch im Mittelpunkt“ und „Personalisierung
                                                                                und Digitalisierung als Schlüssel“ sind querschnitt-
                                                                                lich angelegt und eng miteinander verwoben. Sie sind
                                                                                wegweisend für die im Rahmenprogramm definierten
                                                                                Handlungsfelder „Krankheiten vorbeugen und heilen“,
       Das Rahmenprogramm Gesundheitsforschung ist                              „Medizinischen Fortschritt vorantreiben“ und „For-
       durch zwei Leitlinien und drei Handlungsfelder struk-                    schungsstandort stärken“. Diese stehen für die wesent-
       turiert. Die Leitlinien Der Mensch im Mittelpunkt und                    lichen Ziele und Erfordernisse erfolgreicher Gesund-
       Personalisierung und Digitalisierung als Schlüssel                       heitsforschungspolitik und zeigen die Schwerpunkte
       durchdringen alle Handlungsfelder des Rahmenpro-                         unseres zukünftigen Handelns auf.
       gramms. Zentrale Handlungsfelder der Gesundheits-
       forschungspolitik sind Krankheiten vorbeugen und                         Das Rahmenprogramm ist in die Hightech-Strategie
       heilen, Medizinischen Fortschritt vorantreiben und                       2025 eingebettet und leistet einen maßgeblichen
       Forschungsstandort stärken.                                              Beitrag zur internationalen Gesundheitsforschung in
                                                                                Kooperation mit europäischen und internationalen
                                                                                Partnern. Es unterstützt darüber hinaus die Ziele für
                                                                                nachhaltige Entwicklung, wie sie in der Agenda für
Fachdisziplinen und Forschungsinstitutionen hinweg                              nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen
kooperieren. Wo verschiedene Disziplinen aufeinan-                              (Agenda 2030) und in der darauf aufbauenden Deut-
dertreffen, entstehen Räume für Innovationen. Sie ge-                           schen Nachhaltigkeitsstrategie niedergelegt sind,
deihen dort am besten, wo offener Austausch möglich                             insbesondere das Ziel 3 „Ein gesundes Leben für alle
ist und Ergebnisse, Technologien und Strukturen für                             Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohler-
alle zugänglich sind und gemeinsam genutzt werden.                              gehen fördern“.
Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung
6

Unsere Leitlinien der
Gesundheitsforschung

Leitlinie I:
Der Mensch im Mittelpunkt

Wir machen den Zugang zu wirksamen Gesundheitsin-        neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode, sei es
novationen für alle Menschen zur Richtschnur unserer     als Behandlungsleitlinie für Ärztinnen und Ärzte oder
Forschungsförderung. Dabei berücksichtigen wir auch      als Präventionsmaßnahme. Dieser Translationsprozess
die Bedürfnisse der Menschen in Entwicklungsländern      ist komplex und gelingt, wenn alle relevanten Akteurin-
sowie die wachsenden grenzüberschreitenden Gesund-       nen und Akteure ihn gemeinsam vorantreiben und eng
heitsrisiken und die enge Verknüpfung der Gesundheit     kooperieren.
von Mensch, Tier und Umwelt („One-Health“-Ansatz).
                                                         Translation ist weltweit das große Leitziel der Gesund-
                                                         heitsforschung und wird mit der Forschungsförderung
Das wollen wir erreichen:                                der Bundesregierung umfassend unterstützt. Wesent-
                                                         licher Meilenstein dabei war die Gründung von sechs
• Ergebnisse der Gesundheitsforschung können zügig
                                                         Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Seitdem
  zu neuen Produkten, Präventions-, Diagnose- und
                                                         hat sich das Verständnis über die Vorgänge und Zusam-
  Therapieansätzen entwickelt werden, weil Gesell-
                                                         menhänge der Translation weiterentwickelt. So findet
  schaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Regulatorik eng
                                                         im gelingenden Innovationsprozess oft eine kontinuier-
  kooperieren.
                                                         liche Rückkopplung von Forschung und Entwicklung
• Alle Menschen nehmen am medizinischen Fortschritt      mit den Anwenderinnen und Anwendern aus der Praxis
  teil, weil die unterschiedlichen Lebensumstände der    im Sinne eines Kreislaufs statt: Neue Produkte sowie
  Menschen von vornherein mitbedacht werden.             Präventions-, Diagnose- und Therapieansätze müssen
                                                         im Einklang mit den Bedürfnissen und Wünschen der
• Gesundheitsinnovationen orientieren sich stärker an
                                                         Zielgruppen stehen. Dafür müssen sie auch aktiv einge-
  den Bedürfnissen der Menschen, weil Rückmeldun-
                                                         bunden werden. Die wissenschaftlich-technologische
  gen aus der Praxis kontinuierlich und umfassend in
                                                         Sichtweise und die lebenspraktische Perspektive der Be-
  Forschung und Entwicklung eingebunden werden.
                                                         troffenen und des medizinischen Fachpersonals müssen
                                                         sich ergänzen, damit mit und nicht nur über Menschen
                                                         geforscht wird. Erfolgreiche Translation berücksichtigt
Erfolgreich ist Gesundheitsforschung dann, wenn neue     dabei auch die sozialen und lokalen Umstände sowie die
Erkenntnisse im Versorgungsalltag, in Arztpraxen und     realen Gegebenheiten. Beispielsweise haben Menschen
Krankenhäusern und in den unterschiedlichen Lebens-      in Europa und in Entwicklungsländern unterschiedliche
welten genutzt werden und damit den Menschen zugu-       Bedürfnisse und Versorgungsbedingungen. Zudem fehlt
tekommen, sei es als Arzneimittel, Medizinprodukt oder   vielen Bürgerinnen und Bürgern häufig die notwendige
Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung
UNSERE LEITLINIEN DER GESUNDHEITSFORSCHUNG                                                                        7

                                                                 können. Individualisierte, innovative Therapieverfahren,
      Grundlagen-                        Präklinische            die auf einzelne Patientinnen und Patienten und deren
       forschung                          Forschung              Gene oder Immunzellen ausgerichtet sind, werden von
                                                                 Start-ups und großen Pharmaunternehmen „unmit-
                                                                 telbar am Krankenbett“ gemeinsam mit Ärztinnen und
                                                                 Ärzten individuell auf jeden Patienten und jede Patien-
                                                                 tin zugeschnitten. Die Erfahrungen mit diesen neuen
                                                                 Wegen in der Translation werden dazu beitragen, noch
                                                    Klinische
Versorgungs-                                                     wirkungsvollere Ansätze zur Verbesserung der Transla-
                                                   Forschung/
   praxis                                                        tion zu finden und einzusetzen.
                                                    Klinische
                                                     Studien
                                                                 Voraussetzung für gelingende Translation ist die
                                                                 Bereitschaft der Forschenden, sich frühzeitig mit den
                                                                 Anforderungen auseinanderzusetzen, die eine weitere
                       Versorgungs-
                                                                 Nutzung ihrer Ergebnisse ermöglicht: Ergebnisse aus
                        forschung/
                       Public Health                             der akademischen Forschung müssen für die weitere
                                                                 Nutzung und Verwertung nicht nur hochwertig und
                                                                 valide, sondern auch in sehr hohem Maße qualitätsge-
                                                                 sichert sein. Die Grundlage dafür, dass neue Methoden
        Vereinfachte Darstellung des Translationskreislaufs:     in der ärztlichen Versorgung eingesetzt werden kön-
        In der Realität können auch einzelne Phasen der          nen, ist der evidenzbasierte Nachweis ihres Nutzens,
        Translation übersprungen werden. Zudem findet            der wissenschaftliche Beleg dafür, dass ihre Wirksam-
        Interaktion nicht nur linear statt, sondern zunehmend    keit sichergestellt ist. Ebenso ist auch bei neuen Maß-
        komplex vernetzt zwischen den Akteurinnen und            nahmen der Prävention und Gesundheitsförderung
        Akteuren aller Phasen.                                   deren Wirksamkeit wissenschaftlich zu belegen. Zur
                                                                 Translation von Forschungsergebnissen in die Praxis
                                                                 gehört auch, dass Forschende der breiten Öffentlich-
     Gesundheitskompetenz, um Gesundheitsinformationen           keit die Chancen, aber auch die Risiken der modernen
     finden, verstehen, einschätzen und nutzen zu können.        Biomedizin verständlich vermitteln. Daher setzt sich
     Auch die klassische Abfolge der einzelnen Forschungs-       das Bundesministerium für Bildung und Forschung für
     etappen, von der Grundlagen- über die präklinische For-     eine Intensivierung der Wissenschaftskommunikation
     schung bis zur klinischen Forschung (siehe Abbildung),      in der Gesundheitsforschung ein. Eine offene und
     wird zunehmend aufgebrochen, indem der Innovati-            informierte Auseinandersetzung der Bürgerinnen und
     onsprozess einzelne Stufen überspringt. Ein Beispiel        Bürger mit Forschung und Innovation trägt dazu bei,
     dafür ist die Genschere: Sie zeigt, wie neue Erkenntnisse   das Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft zu
     binnen fünf Jahren den Sprung von der Grundlagen-           stärken und die Gesundheitskompetenz der Menschen
     forschung direkt zu möglicher Anwendung schaffen            zu erhöhen.
Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung
8

Unsere Leitlinien der
Gesundheitsforschung

Leitlinie II:
Personalisierung und Digitalisierung als Schlüssel

Wir gestalten Personalisierung und Digitalisierung aktiv   ten und können so passgenauere Lösungen für deren
mit und entwickeln sie weiter, damit sie zum Schlüssel     Prävention oder Behandlung entwickeln.
für den medizinischen Fortschritt werden. Wir wirken
auf ihre Anwendung im Versorgungssystem hin, ge-           Die Digitalisierung verändert Gesundheitsversor-
währleisten die notwendigen Rahmenbedingungen und          gung und Gesundheitsforschung grundlegend: Digita-
ermöglichen einen gesellschaftlichen Dialog über die       le Innovationen erlauben neue Formen der Kommu-
ethischen und sozialen Dimensionen.                        nikation und Kooperation zwischen ärztlichem Fach-
                                                           personal und Patientinnen und Patienten, entlasten
                                                           das medizinische Personal und können die Effizienz
Das wollen wir erreichen:                                  des Gesundheitssystems steigern. Sie ermöglichen
                                                           neue Einsichten in die Ursachen von Krankheiten und
• Digitalisierung ermöglicht einen breiteren Zugang zu
                                                           werden damit zur Grundlage für die Entwicklung von
  medizinischem Wissen und insgesamt eine bes-
                                                           neuartigen Diagnosemöglichkeiten und Therapien.
  sere und effizientere Versorgung, weil Forschung
                                                           Voraussetzung für Durchbrüche in der Gesundheits-
  mögliche Wege zu einem digital vernetzten Gesund-
                                                           forschung und Verbesserungen in der Gesundheits-
  heitssystem und zu einer konsequenten Integration
                                                           versorgung ist, dass sich Forschung und Versorgung
  digitaler Innovationen aufgezeigt hat.
                                                           zukünftig stärker vernetzen, ihre Daten gemeinsam
• Krankheiten wird gezielter vorgebeugt, und sie wer-      nutzen und neue Erkenntnisse schneller und effizi-
  den effektiver und nebenwirkungsärmer behandelt,         enter austauschen. Den Ärztinnen und Ärzten stehen
  weil die personalisierte Medizin im medizinischen        dadurch relevante Gesundheitsinformationen zeitnah
  Alltag angewendet werden kann.                           zur Verfügung. Auf dieser Basis können sie ihre
                                                           Patientinnen und Patienten umfassend beraten und
• Alle Menschen profitieren von medizinischen Inno-
                                                           gemeinsam mit ihnen die jeweils passende Therapie
  vationen, weil Fragen nach Wirksamkeit und Nutzen
                                                           auswählen.
  frühzeitig mitgedacht und mögliche Risiken kontinu-
  ierlich im Blick behalten werden.
                                                           Zugleich muss der digitale Wandel im Gesundheits-
                                                           system äußerst umsichtig erfolgen. Denn Gesund-
                                                           heitsdaten sind sensibel und besonders schützens-
Dank digitaler Methoden und molekularbiologischer          wert. Daher sind Datenschutz und Datensicherheit
Erkenntnisse erhalten Forschende immer tiefere             in der Medizin von herausragender Bedeutung. Der
Einblicke in die komplexe Entstehung von Krankhei-         Datenschutz, der maßgeblich durch die EU-Daten-
9

schutz-Grundverordnung geregelt wird, ist an den          deckung der Genschere im Jahr 2012 stehen den
Interessen der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtet.       Lebenswissenschaften verschiedene molekular-
Jeder Bürger und jede Bürgerin bestimmt grundsätz-        genetische Instrumente zur Verfügung, mit denen
lich selbst, für welche Zwecke oder Forschungsberei-      sich Gene gezielt schneiden, verändern oder inakti-
che seine Daten verwendet werden dürfen. Und alle         vieren lassen. Große Hoffnungen ruhen auf ihrem
Personen, die relevante Daten erheben oder verar-         Einsatz in der Gentherapie. Derzeit steht die Gesund-
beiten, müssen sich an Vorgaben für einen verant-         heitsforschung in der Verantwortung, die nutzbrin-
wortlichen Umgang mit diesen Daten halten und den         gende Anwendung der Gen-Editierung in der Medizin
notwendigen Schutz technisch sicherstellen. Eine          vorzubereiten und ihre Entwicklung mit Augenmaß
gute Grundlage hierfür bietet die Telematikinfrastruk-    zu begleiten.
tur, die als zentrale sichere technische Infrastruktur
im Gesundheitswesen etabliert wird. Dies stärkt das       Damit die Menschen von Gesundheitsinnovationen
Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ein digitales     profitieren können, aber auch vor möglichen Risiken
Gesundheitswesen. Wir sind davon überzeugt, dass          geschützt sind, setzen wir uns für die verantwortliche
dieser u.a. an den Interessen der Bürgerinnen und         und kontrollierte Anwendung dieser Technologien
Bürger ausgerichtete Datenschutz im internationalen       beim Menschen ein und begleiten relevante Ent-
Wettbewerb ein Standortvorteil für die Gesundheits-       wicklungen frühzeitig durch eine breit angelegte
forschung in Deutschland ist.                             ethisch-rechtliche Debatte. Bei der Entscheidung,
                                                          welche Möglichkeiten wir nutzen wollen und wel-
Die computergestützte Verknüpfung von Gesund-             che nicht, müssen neben wissenschaftlichen oder
heitsdaten spielt bei der personalisierten Medizin eine   technischen auch ethische und rechtliche Aspekte
zentrale Rolle. Die personalisierte Medizin, die auch     berücksichtigt werden. Wollen wir medizinischen
als individualisierte Medizin oder Präzisionsmedizin      Fortschritt um jeden Preis? Was lässt sich mit unseren
bezeichnet wird, nutzt molekularbiologische Daten         Werten vereinbaren und was nicht? Wie stark sollten
sowie Informationen über die Biografie und den Le-        und dürfen Wertentscheidungen Forschung begren-
bensstil eines Menschen, um Krankheiten wirksamer         zen? Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist
vorzubeugen, frühzeitiger zu erkennen und gezielter       erforderlich, um Erkenntnisse aus der Gesundheits-
zu behandeln. Nachdem wir in den vergangenen Jah-         forschung zum Wohl der Gesellschaft und für nach-
ren in Wissenschaft und Forschung die Grundlagen          haltigen medizinischen Fortschritt umfassend nutzen
für eine personalisierte Medizin gelegt haben, werden     zu können.
wir jetzt ihre Translation in die Versorgungspraxis
vorantreiben.

Die Ursache vieler Krankheiten wird durch unsere
genetische Veranlagung mitbestimmt. So können bei-
spielsweise Defekte in unserer Erbinformation Krebs
oder die Bluterkrankheit verursachen. Mit der Ent-
10                                                 RAHMENPROGRAMM GESUNDHEITSFORSCHUNG DER BUNDESREGIERUNG

                                                                                     Handlungsfeld 1:
                                                                                     Forschungsförderung –
                                                                                     Krankheiten vorbeugen
Die Handlungsfelder                                                                  und heilen

der Gesundheitsforschung

Die Handlungsfelder skizzieren die Schwerpunkte
unserer zukünftigen Gesundheitsforschungspolitik,
und wir werden sie im Rahmen der vorhandenen
Haushaltsvorsorge realisieren. Darin zeigen wir auf, wie
wir durch Gesundheitsforschung die Gesundheit der
Menschen stärken, die Patientenversorgung verbessern
und die Innovationskraft von Wissenschaft und Wirt-
schaft steigern wollen.

Dabei steht kein Handlungsfeld für sich allein. Vielfach
verbinden Aktivitäten zwei oder alle drei Handlungs-                  • Volkskrankheiten werden wir weiter ent-
felder und können so noch mehr Wirkung erzielen.                        schlossen bekämpfen. Krebs und psychische
Die beiden Leitlinien „Der Mensch im Mittelpunkt“                       Erkrankungen bilden dabei einen Schwerpunkt.
und „Personalisierung und Digitalisierung als Schlüssel“                Wir treiben die Ursachenforschung voran, um
sind maßgeblich für alle Handlungsfelder.                               innovative Präventions- und Therapiemodelle
                                                                        gezielt zu entwickeln.
Diese Icons kennzeichnen im Text auf den folgenden                    • In der Public-Health-Forschung bauen wir die
Seiten einen besonderen Bezug zu den Leitlinien:                        zukunftsweisende Strategie aus, Präventions- und
                                                                        Versorgungsmodelle auf verschiedene Bevöl-
                                                                        kerungsgruppen auszurichten. Die Kinder- und
          Leitlinie I: Der Mensch im Mittelpunkt                        Jugendgesundheit rücken wir ins Zentrum. Außer-
                                                                        dem werden wir zum Beispiel Wege zur Förderung
                                                                        der Gesundheit sozial benachteiligter Menschen
          Leitlinie II: Personalisierung und                            aufzeigen und Modelle für eine bessere Versor-
          Digitalisierung als Schlüssel                                 gung auf dem Land entwickeln.

                                                                      • Globale medizinische Forschungsaufgaben lösen
                                                                        wir in internationalen Kooperationen. Ebola oder
                                                                        Antibiotikaresistenzen kennen keine Grenzen. Wir
                                                                        stärken die Gesundheitssysteme der ärmeren Län-
                                                                        der. Gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln
                                                                        wir neue Wirk- und Impfstoffe u.a. gegen armuts-
                                                                        assoziierte Krankheiten
DIE HANDLUNGSFELDER DER GESUNDHEITSFORSCHUNG                                                             11

                Handlungsfeld 2:                                         Handlungsfeld 3:
                Innovationsförderung –                                   Strukturförderung –
                Medizinischen                                            Forschungsstandort
                Fortschritt vorantreiben                                 stärken

• Um die Basis für Gesundheitsinnovationen zu          • Die Vielfalt des deutschen Wissenschaftssystems
  stärken, fördern wir die Pionierforschung. Oft         ist eine Stärke unserer Gesundheitsforschung. Um
  bringt sie Entdeckungen mit unerwartetem Po-           sie international noch besser aufzustellen, steigern
  tenzial hervor – etwa die Genschere. Wie wir der-      wir ihre Wettbewerbsfähigkeit, indem wir die
  artige Innovationen verantwortungsvoll nutzen,         Wertschöpfung verbessern – von den Hochschu-
  darüber muss vor allem auch ein Dialog mit der         len bis zu den forschenden Unternehmen.
  Gesellschaft geführt werden. Wir schaffen dafür
                                                       • Für eine exzellente Forschung forcieren wir die
  den Rahmen.
                                                         enge Zusammenarbeit aller Beteiligten über die
• Innovationen schneller zu den Menschen                 Grenzen von Disziplinen und Institutionen hin-
  bringen ist unser Anspruch. Die personalisierte        weg: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler,
  Medizin und digitale Innovationen stehen dabei         Ärztinnen und Ärzte, Patientinnen und Patienten,
  im Fokus. Medizininformatik und Künstliche             Unternehmen und Behörden.
  Intelligenz sollen den riesigen Informationsschatz
                                                       • Als Spitzenkräfte der Gesundheitsforschung von
  der Medizin erschließen. Datenanalysen können
                                                         morgen sind u.a. forschende Ärztinnen und Ärzte un-
  die Forschung voranbringen und die Versorgungs-
                                                         erlässlich. Um die besten Köpfe zu gewinnen, fördern
  praxis verbessern.
                                                         wir attraktive und familienfreundliche Karrierewege.
• Wir steigern das Innovationspotenzial der
                                                       • Wertschöpfung und Nachhaltigkeit sind unsere
  Gesundheitswirtschaft. In neuen Kooperations-
                                                         Forderungen an die Gesundheitsforschung. Die
  formen werden akademische Forschung, Wirt-
                                                         Wissenschaft muss das Leben der Menschen ver-
  schaft und Regulatorik enger zusammenarbeiten.
                                                         bessern. Dafür steigern wir die Qualität der For-
  Dadurch können vielversprechende Forschungs-
                                                         schung und stellen die Wünsche und Bedürfnisse
  ansätze effizient zu marktreifen Arzneimitteln und
                                                         der Menschen ins Zentrum unserer Förderziele.
  Medizintechnikprodukten entwickelt werden.
12                                               RAHMENPROGRAMM GESUNDHEITSFORSCHUNG DER BUNDESREGIERUNG

                             Handlungsfeld 1: Forschungsförderung –
                             Krankheiten vorbeugen und heilen
                             Unsere Ziele

                             • Gesundheit fördern und Krankheiten gezielter vorbeugen
                             • Erkrankungen früher erkennen und wirksamer behandeln
                             • Lebensqualität von Patientinnen und Patienten verbessern

Forschung zu Volkskrankheiten                             Mit der Gründung der ersten sechs Deutschen Zentren
stärken                                                   der Gesundheitsforschung wurde auf Initiative der
                                                          Bundesregierung die Forschung zu Volkskrankheiten
                                                          maßgeblich gestärkt. Dieser differenzierte Ansatz wird
Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen,         ergänzt durch einen übergeordneten Blick auf die
Krebs, Erkrankungen der Atemwege, Demenz, Infek-          Erkrankungen, wie sie ihn beispielsweise die System-
tionskrankheiten oder Diabetes beeinträchtigen die        medizin einnimmt. Aus dem Verständnis gemeinsa-
Lebensqualität vieler Menschen und sind weltweit für      mer Mechanismen und Krankheitsprozesse können
einen Großteil der Todesfälle verantwortlich. Zugleich    sich Ansätze für neuartige Therapien und Prävention
belasten die Krankheitskosten unsere Sozialsysteme        ergeben. Nicht selten entscheidet unsere Lebenswei-
und damit unsere Volkswirtschaft.                         se – Ernährung, Bewegung, Rauchen, Alkoholkonsum
DIE HANDLUNGSFELDER DER GESUNDHEITSFORSCHUNG                                                                    13

und dauerhafter Stress – erheblich über das individu-     Eine wichtige Erkenntnis der vergangenen
elle Erkrankungsrisiko. Der Einfluss unterschiedlicher    Jahre lautet: Jeder Krebs ist anders. Die per-
Lebensstilfaktoren auf Gesundheit und Krankheit           sonalisierte Krebsbehandlung nimmt daher
und eine alltagsbezogene Gesundheitsförderung und         einen immer größeren Stellenwert ein. Um
Prävention müssen daher noch stärker Gegenstand           eine gezielte Behandlung zu ermöglichen, muss die
der Forschung sein. Hierbei ist insbesondere auch         Grundlagenforschung eng mit der anwendungsnahen
zu berücksichtigen, dass die Basis für eine gesunde       klinischen Erforschung innovativer therapeutischer
Lebensführung in Kindheit und Jugend gelegt wird.         und diagnostischer Ansätze verknüpft werden.
Nur wenn junge Menschen ein entsprechendes Pro-
blem- und Gesundheitsbewusstsein entwickeln und           Die Krebsforschung in Deutschland nimmt im welt-
sich Gesundheitskompetenzen aneignen, können sie          weiten Vergleich eine Spitzenposition ein. Das Deut-
sich später gesundheitsbewusst verhalten und sind mit     sche Krebsforschungszentrum spielt dabei als größte
Maßnahmen der Gesundheitsförderung zu erreichen.          nationale Krebsforschungseinrichtung eine zentrale
Schließlich nehmen auch Umweltfaktoren oder das           Rolle. In patientenorientierten Forschungszentren
Zusammenspiel Mensch – Tier – Umwelt eine immer           sind Forschung und Krankenversorgung eng verzahnt,
größere Rolle bei Entstehung und Verlauf aller großen     zum Beispiel im Deutschen Konsortium für Trans-
Volkskrankheiten ein.                                     lationale Krebsforschung und im Nationalen Zen-
                                                          trum für Tumorerkrankungen. Dadurch können die
Bedeutsam ist auch die große Gruppe Seltener Erkran-      Betroffenen frühzeitig vom medizinischen Fortschritt
kungen, von denen jede einzelne nur wenige Menschen       profitieren.
betrifft, die in ihrer Gesamtheit jedoch so häufig wie
eine Volkskrankheit sind. Allein in Deutschland leiden    Mehr Forschungsanstrengungen sind jedoch notwendig,
mehr als vier Millionen Menschen an einer der etwa        um die Heilungschancen von Krebspatientinnen und
6.000 bis 8.000 Seltenen Erkrankungen. Oft handelt es     -patienten weiter zu verbessern. Mit der Nationalen
sich um sehr schwere Krankheiten, die eine aufwen-        Dekade gegen Krebs wird erstmalig eine bundesweite
dige Behandlung und Betreuung erfordern. Derzeit ist      nationale Gesamtstrategie zur Krebsforschung aufgelegt,
nur für etwa die Hälfte der Seltenen Erkrankungen die     die auf eine verbesserte Zusammenarbeit und Vernetzung
Ursache bekannt.                                          zielt – von hochinnovativer Spitzenforschung bis zur
                                                          behandelnden Ärztin oder dem behandeln-
Wir werden die Forschung zu den Ursachen der Volks-       den Arzt. Hierdurch soll es allen Menschen in
krankheiten, ihrer Epidemiologie, ihrer Prävention        Deutschland ermöglicht werden, von der Spit-
und Behandlung weiter stärken. Schwerpunkte werden        zenforschung zu profitieren, unabhängig vom
dabei sein:                                               Wohnort – selbst weit ab von Universitätskliniken, Kran-
                                                          kenhäusern der Maximalversorgung oder Forschungszen-
Eine Nationale Dekade gegen Krebs gestalten               tren. Partnerinnen und Partner aus Wissenschaft, Gesund-
Derzeit erhalten jedes Jahr in Deutschland etwa eine      heitswesen, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden
halbe Million Menschen die Diagnose Krebs. Auch           mit vereinten Kräften die Nationale Dekade gestalten
junge Menschen und Kinder sind betroffen. Dank des        mit der gemeinsamen Zielsetzung, die Krebsforschung
medizinischen Fortschritts bedeutet eine Krebsdiagno-     in Deutschland zu stärken, möglichst viele Neuerkran-
se heute oft kein Todesurteil mehr. Bei etlichen Krebs-   kungen zu verhindern und Krebspatientinnen und
arten besteht die Chance auf eine dauerhafte Heilung.     -patienten eine positive Perspektive zu geben.
Denn die Krebsforschung hat viele neue Erkenntnisse
zu Vorbeugung, Früherkennung, Behandlung und              Forschung zu psychischen Erkrankungen
Nachsorge gewonnen. Die bahnbrechende Entdeckung,         nachhaltig ausbauen
dass Viren Gebärmutterhalskrebs auslösen können,          Laut Weltgesundheitsorganisation leidet jeder drit-
wurde sogar mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeich-        te Mensch mindestens einmal im Leben unter einer
net. Mehr als 100 Millionen Mädchen weltweit wurden       Depression oder einer anderen psychischen Störung.
seitdem gegen diese Viren geimpft und sind so besser      Psychische Erkrankungen, zu denen auch Abhängig-
gegen Gebärmutterhalskrebs geschützt.                     keitserkrankungen zählen, belasten die Betroffenen
14                                              RAHMENPROGRAMM GESUNDHEITSFORSCHUNG DER BUNDESREGIERUNG

und ihre Angehörigen erheblich und wirken sich            sche Erlebnisse wie Gewalt oder Vernachlässigung im
deutlich auf die Lebensqualität aus. Untersuchungen       Kindesalter oder im Zuge von Flucht und Migration
verschiedener Krankenkassen zeigen zudem, dass            stellen eine enorme Belastung für die Betroffenen dar.
diese Erkrankungen in Deutschland mittlerweile der        Hier muss die Forschung neue Wege der Therapie und
zweithäufigste Grund für betriebliche Fehlzeiten und      Versorgung aufzeigen. Dabei sind neben Risikofaktoren
die Hauptursache für gesundheitsbedingte Frührenten       auch vorbeugende Faktoren in den Blick zu nehmen.
sind. Sie führen darüber hinaus zu überdurchschnitt-      Hierbei ist auch auf technologische Entwicklungen zu
lich langen Krankschreibungen.                            reagieren, die neue Präventions- und Therapieansätze
                                                          ermöglichen, beispielsweise durch niederschwellige,
Daher ist es wichtig, die medikamentösen und nicht        internetbasierte Zugangsmöglichkeiten.
medikamentösen Behandlungsansätze weiterzuentwi-
ckeln und ihre Wirkung systematisch zu untersuchen.       Diese und andere Fragen werden von der deutschen
In neue Diagnose-, Therapie- und Präventionskonzepte      Forschungslandschaft verfolgt. Im Bereich der psy-
müssen molekularbiologische, psychologische, medi-        chischen Erkrankungen ist die deutsche Forschungs-
zinische sowie sozialwissenschaftliche Erkenntnisse       landschaft hervorragend aufgestellt. Psychiatrische
ebenso einfließen wie das Wissen über soziokulturelle     Forschung auf internationalem Niveau ist in vielen
und umweltbezogene Risikofaktoren. Die zunehmende         Universitäten fest verankert. Sie wird ergänzt durch
Digitalisierung bietet hier ein enormes Potenzial, etwa   herausragende außeruniversitäre Forschungseinrich-
bei internetbasierten Präventions- und Therapiean-        tungen und Ressortforschungseinrichtungen, wie
sätzen. Zudem ist es wichtig zu berücksichtigen, dass     das Robert Koch-Institut und die Bundeszentrale für
häufig mehrere psychische Erkrankungen zusammen           gesundheitliche Aufklärung. Das Bundesministerium
auftreten – oft auch kombiniert mit körperlichen oder     für Gesundheit fördert im Rahmen seiner Ressortfor-
Suchterkrankungen, wie Alkohol- und Drogensucht,          schung Forschungsvorhaben, die auf unterschiedlichen
zunehmend auch Spiel- und Internetsucht.                  Ebenen ansetzen und verschiedene Zielgruppen adres-
                                                          sieren, beispielsweise zur internetbasierten Aufklärung
Auch besondere Lebenserfahrungen können die               junger Menschen über psychische Erkrankungen, zur
psychische Gesundheit beeinflussen und das Risiko         Suizidprävention oder zur Vermeidung von Zwangs-
für eine psychische Erkrankung erhöhen. Traumati-         maßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem.
DIE HANDLUNGSFELDER DER GESUNDHEITSFORSCHUNG                                                                   15

Das Wissen muss jedoch besser zusammengeführt und          und Gemüse für die Gesundheit ist. Dennoch werden
weiterentwickelt werden, um die Situation von Men-         die Empfehlungen von vielen Menschen nicht befolgt.
schen mit psychischen Erkrankungen und Belastungen         Woran liegt das? Und was kann getan werden, damit
zu verbessern. Die Bundesregierung nimmt ihre ge-          Menschen gesünder leben? Können beispielsweise
sellschaftspolitische Verantwortung wahr und reagiert      digitale Angebote die Menschen dazu veranlassen, ihre
auf aktuelle Herausforderungen: Mit der Gründung           Gesundheit mehr „in die eigene Hand zu nehmen“? Wir
eines Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit         wissen aber auch, wie wichtig die Lebensverhältnisse
werden deutschlandweit die stärksten Kräfte aus allen      und Lebenswelten der Menschen für ihre Gesundheit
relevanten Fachdisziplinen gebündelt. Es sollen die        sind (Verhältnisprävention). Gesundheitsforschung
Voraussetzungen für eine verstärkte Kooperation der        kann hier Zusammenhänge aufdecken, Handlungs-
einzelnen Einrichtungen, eine engere Verknüpfung           möglichkeiten aufzeigen und so dazu beitragen, jeder
der Fachdisziplinen und eine konsequentere Ausrich-        Bürgerin und jedem Bürger unabhängig von Alter,
tung auf die Translation geschaffen werden. Ziel ist       Geschlecht, Herkunft, Wohnort, Bildung oder Einkom-
es, vielversprechende Forschungsergebnisse schneller       men ein gesundes Leben zu ermöglichen.
weiterzuentwickeln und somit den Menschen rascher
zugänglich zu machen.                                      Die Forschungsaufgaben sind breit und vielschichtig
                                                           und müssen darüber hinaus oft langfristig angegangen
                                                           werden. Um den Stellenwert der Public-Health-For-
Public-Health-Forschung ausbauen                           schung in Deutschland zu erhöhen, wird die Bundes-
                                                           regierung ihre Aktivitäten in diesem Bereich stärken.
                                                           Schwerpunkte werden dabei sein:
Gesundheitsforschung trägt nicht nur dazu bei, die
Beschwerden des einzelnen Erkrankten zu lindern.           Die Kinder- und Jugendgesundheit in das Zentrum
Vielmehr hat sie auch der Frage nachzugehen, wie die       der Forschung rücken
Gesundheit der Bevölkerung bzw. bestimmter Be-             Die Basis für eine gute Gesundheit im weiteren Leben
völkerungsgruppen insgesamt bestmöglich gestärkt           wird in der Kindheit und der Jugend gelegt. Frühe
werden kann („Public Health“). Ihr Blick richtet sich      präventive und therapeutische Maßnahmen, die an
dabei sowohl auf die Förderung der körperlichen und        die jeweilige Entwicklungsstufe des Kindes angepasst
psychischen Gesundheit sowie auf die Prävention von        sind, sind daher von besonderer Bedeutung, ebenso wie
Krankheiten als auch auf die Versorgung im Krank-          die Entwicklung kindgerechter Medizinprodukte und
heitsfall, das Gesundheitsverhalten und den Einfluss       Arzneimittel. Wissenschaftlich gesicherte Ansätze feh-
der Lebensumstände oder des Versorgungssystems.            len heute jedoch häufig noch. Viele Erkrankungen, die
Auch hier greift der „One-Health“-Ansatz: Mensch,          auch bei Erwachsenen auftreten, entstehen und ver-
Tier und Umwelt müssen zusammengedacht werden.             laufen bei Kindern und Jugendlichen anders. Auch sind
Die Gesellschaft muss sich darüber hinaus zunehmend        oftmals andere Therapieansätze notwendig, die den
damit auseinandersetzen, wie die Folgen von Zivili-        körperlichen und psychischen Voraussetzungen sowie
sations- und Infektionskrankheiten im Hinblick auf         der Entwicklung von Heranwachsenden ausreichend
die sich rasch verändernden sozialen sowie umwelt-,        gerecht werden. Zudem reagieren Kinder und Jugendli-
arbeitsplatz- und lebensstilbezogenen Bedingungen          che auf Einflüsse der sozialen und physischen Umwelt
in Zukunft organisatorisch und finanziell bewältigt        besonders sensibel. Schon im Mutterleib beeinflussen
werden können. Auch hierzu leistet die Forschung im        Umweltfaktoren die Entwicklung und Gesundheit des
Bereich Public Health einen Beitrag.                       ungeborenen Kindes. Die frühen Phasen des Lebens
                                                           bieten zahlreiche Ansatzpunkte und Chancen für
Für den Einzelnen ist es heute oft schwer zu beurtei-      Gesundheitsförderung, Präventionsmaßnahmen und
len, was die Gesundheit stärkt und was wirklich vor        Therapie.
Krankheiten schützt. Aber auch mehr Wissen führt
nicht zwangsläufig zu gesundheitsbewusstem Verhal-         Mit Kinder- und Jugendgesundheit befassen sich Ex-
ten. Es ist beispielsweise bekannt, wie wichtig regelmä-   pertinnen und Experten unterschiedlichster Fachrich-
ßige körperliche Aktivität oder der Verzehr von Obst       tungen. Um zu wirksameren Ergebnissen zu gelangen,
16                                               RAHMENPROGRAMM GESUNDHEITSFORSCHUNG DER BUNDESREGIERUNG

müssen diese gezielt zusammenarbeiten. Damit die          Neue gesellschaftliche Herausforderungen – angefan-
vorhandenen Kompetenzen noch stärker gebündelt            gen von demografischen Entwicklungen bis hin zu
werden, wird die Bundesregierung ein Deutsches            kontinuierlicher Zu- und Abwanderung – sollen sich
Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit gründen.         auch im Gesundheitsmonitoring und in der bevöl-
Hier werden renommierte Wissenschaftlerinnen und          kerungsbezogenen „Surveillance“ der öffentlichen
Wissenschaftler aus den sehr unterschiedlichen Berei-     Gesundheit abbilden. Deshalb soll die Gesundheitsbe-
chen der Kinder- und Jugendmedizin zusammenge-            richterstattung und krankheitsbezogene „Surveillance“
führt. Das Zentrum soll der Forschung eine langfristige   am Robert Koch-Institut auch unter Berücksichtigung
Perspektive bieten, um die vielen drängenden Fragen       von Digitalisierung im Rahmen der Ressortforschung
auf diesem Gebiet zu beantworten.                         des Bundesministeriums für Gesundheit ausgebaut
                                                          werden.
Gesundheitsforschung auf bestimmte
Bevölkerungsgruppen ausrichten                            Versorgungsforschung stärken
Der durch die Förderinitiative „Gesund –                  Die Versorgungsforschung nimmt den medizinischen
ein Leben lang“ des Bundesministeriums                    Alltag, die Organisation, die Steuerung und die Finan-
für Bildung und Forschung initiierte Ansatz, nicht die    zierungsfragen der Kranken- und Gesundheitsversor-
breite Bevölkerung, sondern einzelne Gruppen, zum         gung in den Blick. Seit 2016 werden mit dem Inno-
Beispiel arbeitende oder ältere Menschen, zu betrach-     vationsfonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss
ten, hat sich bewährt: Indem die Belange der einzel-      innovative, sektorenübergreifende Versorgungspro-
nen Gruppen differenzierter analysiert und beachtet       jekte und Vorhaben der praxisnahen Versorgungsfor-
werden, zeigen zum Beispiel die abgeleiteten Präven-      schung substanziell gefördert. Mit dem Fonds wird
tionsmaßnahmen deutlich mehr Wirkung. Dieser              ein besonders umsetzungsnaher Beitrag zur Weiter-
Forschungsansatz muss künftig erweitert und fortent-      entwicklung der Gesundheitsversorgung geleistet, der
wickelt werden: Neue Präventions- und Versorgungs-        sich auch auf die Ergebnisse der Gesundheitsforschung
lösungen werden insbesondere für schwer erreichbare       stützt und diese Erkenntnisse mit Blick auf die Regel-
Bevölkerungsgruppen, wie ältere Menschen mit              versorgung nutzt und bewertet.
Migrationshintergrund und neu zugewanderte oder
sozial benachteiligte Menschen, benötigt. Ebenso muss     Die Versorgungsforschung spielt auch in der Ressort-
geschlechtsbezogenen Besonderheiten Rechnung ge-          forschung des Bundesministeriums für Gesundheit
tragen werden. Darüber hinaus ist die Analyse und Ver-    eine zentrale Rolle. Bereits bei der Auswahl der For-
besserung des methodischen Vorgehens in der Präven-       schungsvorhaben wird im Interesse der Nachhaltigkeit
tionsforschung notwendig, damit die Menschen besser       auf die spätere praktische Umsetzung und mögliche
erreicht werden und verstärkt profitieren können.         Verstetigung der Ergebnisse und insbesondere deren
                                                          Umsetzung in die Regelversorgung geachtet. Hierbei
Epidemiologische Forschung ausweiten                      werden auch die praktischen Erfahrungen und die
In Zukunft sollen auf Basis modernster Daten etablier-    Problemlösungskompetenz von Ärztinnen und Ärzten
ter Kohortenstudien neue Erkenntnisse zur Prävention      und des medizinischen Fachpersonals sowie von Pati-
und Erforschung von Volkskrankheiten gewonnen             entenvertretungen genutzt. Im Bereich der Langzeit-
werden. Mit der vom Bundesministerium für Bil-            pflege fördert das Bundesministerium für Gesundheit
dung und Forschung, der Helmholtz-Gemeinschaft            eine Vielzahl von Projekten zur Weiterentwicklung der
und den Ländern geförderten bundesweiten NAKO             Versorgungsstrukturen.
Gesundheitsstudie steht der Gesundheitsforschung
in Deutschland beispielsweise ein unermesslicher          Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
Datenschatz zur Verfügung. Wissenschaftlerinnen und       wird die Versorgungsforschung darüber hinaus in Be-
Wissenschaftler können die von den 200.000 Teilneh-       reichen der Grundlagenforschung und Methodenent-
merinnen und Teilnehmern erhobenen Daten nutzen,          wicklung sowie durch gezielte Fördermaßnahmen zu
um die Entstehung von Krankheiten besser zu verste-       forschungspolitisch besonders bedeutsamen Themen
hen und Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung          unterstützen. Beispielsweise sollen zu Fragen der Ver-
in Deutschland zu verbessern.                             sorgung im ländlichen Raum und zu Fragen der Pflege
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in Zusammenarbeit mit Akteurinnen und                       umfasst auch Länder wie zum Beispiel Kanada, Aus-
Akteuren sowie Nutzerinnen und Nutzern                      tralien, die USA oder Israel sowie afrikanische Partner.
des Gesundheitswesens vor Ort maßge-
schneiderte Lösungen entwickelt werden,                     Eine der zentralen globalen Herausforderungen ist
die von allen mitgestaltet und deshalb mitgetragen          die Gesundheit der Menschen in Entwicklungslän-
werden. Zudem werden Nachwuchswissenschaftle-               dern: Infektionskrankheiten wie HIV/Aids, Malaria
rinnen und Nachwuchswissenschaftler im Bereich der          und Tuberkulose sowie die regional bedeutsamen,
Versorgungsforschung besonders gefördert. Patien-           von der Weltgesundheitsorganisation definierten
tenbezogene Register sind sehr gut dazu geeignet, das       sogenannten „vernachlässigten Tropenkrankheiten“ –
Versorgungsgeschehen unter Routinebedingungen zu            hierzu zählen überwiegend zoonotische und armuts-
analysieren und Verbesserungsmöglichkeiten aufzu-           assoziierte Infektionskrankheiten – führen dort zu
zeigen. Sie gilt es, als wichtiges Instrument der Versor-   einer hohen Krankheitslast, einer deutlich reduzierten
gungsforschung weiter zu berücksichtigen.                   Lebenserwartung und einer erheblichen Einschrän-
                                                            kung der Arbeits- und Wirtschaftsleistung. Aber auch
                                                            psychische Erkrankungen oder sogenannte lebensstil-
Globale Forschungsaufgaben                                  bedingte Krankheiten, wie Herz-Kreislauf-Erkrankun-
gemeinsam angehen                                           gen oder Diabetes mellitus, sind mittlerweile nicht
                                                            mehr nur ein Problem der weit entwickelten Länder.
                                                            Darüber hinaus sehen sich Industrieländer genauso
Lösungen für die drängendsten Fragen der Gesund-            wie Schwellen- und Entwicklungsländer mit wach-
heitsförderung und Medizin werden heute nicht mehr          senden globalen Gesundheitsrisiken konfrontiert, die
in isolierten, rein nationalen Forschungsansätzen           nicht vor Grenzen haltmachen. Dies betrifft tödli-
entwickelt. Nur auf der Grundlage einer international       che Epidemien wie Ebola ebenso wie die weltweite
vernetzten medizinischen Forschung und der Bün-             Verbreitung von Krankheitserregern, die gegen viele
delung finanzieller und personeller Ressourcen über         oder sogar alle verfügbaren Arzneimittel Resistenzen
Ländergrenzen hinweg können die Herausforderun-             entwickelt haben. Etwa zwei Drittel aller Infektions-
gen unserer Zeit bewältigt werden. Die europäische          krankheiten sind sogenannte „Zoonosen“, d.h. In-
Zusammenarbeit ist dabei für die Gesundheitsfor-            fektionskrankheiten, die von Erregern verursacht
schung in Deutschland von besonderer Bedeutung.             werden, die wechselseitig zwischen Tieren und Men-
Die Kooperation geht aber häufig noch weiter und            schen übertragbar sind. Oft werden Infektionskrank-
18                                             RAHMENPROGRAMM GESUNDHEITSFORSCHUNG DER BUNDESREGIERUNG

heiten durch Insekten, wie Stechmücken, übertragen,      geschaffen werden. Dies gilt insbesondere auch für
die aufgrund der Klimaänderung auch schon in             globale Forschungsaufgaben, die wir gemeinsam mit
Deutschland nachgewiesen werden konnten.                 unseren Partnern in Europa und der Welt angehen
                                                         wollen. Im Sinne des „One-Health“-Konzepts ist dabei
Um Lösungen für diese Probleme zu finden, ist es         die Zusammenarbeit von wissenschaftlichen Gebie-
von entscheidender Bedeutung, die lokalen Gegeben-       ten, wie der Human- und Veterinärmedizin sowie
heiten und Besonderheiten in den Blick zu nehmen.        Biologie- und Umweltwissenschaft, entscheidend.
In Entwicklungsländern finden sich häufig schlecht       Schwerpunkte werden dabei sein:
entwickelte Gesundheitssysteme mit fehlendem oder
unerschwinglichem Zugang zu Untersuchungen,              Entwicklung innovativer Arzneimittel und
Behandlungen sowie Arzneimitteln. Auch stellen sich      Impfstoffe in internationaler Zusammenarbeit
zunehmend Herausforderungen für die Patienten-           vorantreiben
sicherheit. Gesundheitsforschung kann Erkenntnisse       Die Entwicklung neuer Arzneimittel und Impfstoffe
liefern, wie Zugangshindernisse zu Gesundheitsleistun-   ist zeit- und kostenintensiv. Für bestimmte Arznei-
gen reduziert und neue Gesundheitsprodukte passend       mittel stehen den hohen Investitionen für Forschung
für die jeweiligen lokalen Anforderungen eingeführt      und Entwicklung nur sehr begrenzte Einnahmeer-
werden können. Eine bessere Erforschung der loka-        wartungen gegenüber. Dies gilt beispielsweise für
len sozialen Umstände, die bestimmte Erkrankungen        Impfstoffe und Arzneimittel, die nur selten eingesetzt
begünstigen, ist ebenfalls notwendig.                    werden, zum Beispiel „Reserveantibiotika“, oder die
                                                         vornehmlich in wirtschaftlich schwachen Regionen
Die Stärkung der Gesundheitssysteme vor Ort stellt       eingesetzt werden sollen, zum Beispiel Arzneimittel
dabei eine wichtige Voraussetzung dar, um nachhal-       gegen Tropenkrankheiten. Die wirtschaftlich orien-
tige Fortschritte zu erzielen. Die Bundesregierung       tierte Pharmaindustrie kann diese Entwicklung daher
unterstützt daher lokale Gesundheitsstrukturen und       nicht – oder zumindest nicht allein – leisten. Die
fördert Synergien mit dem Privatsektor sowie Ansätze     Folgen dieses Dilemmas wurden während des Ebola-
zu Gesundheitsförderung und Krankheitsvorbeugung.        Ausbruchs 2014/15 deutlich: Kandidaten für Ebola-
Konkrete Beispiele dafür, dass Innovationen auch tat-    Impfstoffe waren vorhanden, sie konnten aber nicht
sächlich in die Anwendung kommen, ist die Förderung      zu Ende entwickelt werden. Es hat sich gezeigt: Die
von Vorhaben zur Stärkung der Gesundheitslogistik        Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel und
sowie zum Aufbau von Laborkapazitäten durch das          Impfstoffe gegen bestimmte Krankheiten brauchen,
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-          wenn für sie keine wirtschaftlichen Anreize bestehen,
arbeit und Entwicklung. Mit dem Sonderprogramm           einerseits öffentliche Geldgeber und andererseits
„Gesundheit in Afrika“ unterstützt es beispielsweise     das unersetzbare Know-how der Privatwirtschaft.
afrikanische Partnerländer dabei, sowohl ihre Reakti-    Forschung und Entwicklung dürfen nicht erst im
onsmöglichkeiten im Krisenfall zu verbessern als auch    Krisenfall in Gang gesetzt werden, sondern müssen
ihre Gesundheitssysteme nachhaltig zu stärken.           frühzeitig im Rahmen von Präventionsmaßnahmen
                                                         vorangetrieben werden. Alle Beteiligten haben aus
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit      dieser Situation gelernt und wollen künftig besser
und Entwicklung erarbeitet Empfehlungen zur Er-          zusammenarbeiten und sich abstimmen.
richtung internationaler Kooperationsmechanismen,
um die globalen Herausforderungen gemeinsam zu           Nicht gewinnorientierte, internationale Produktent-
bewältigen. Nur ein übergreifendes international ab-     wicklungspartnerschaften (PDPs) aus Industrie, Akade-
gestimmtes Engagement zwischen einzelnen Staaten         mie sowie öffentlichen und privaten Geldgebern zeigen
– auch im Rahmen der G7- und G20-Diskussionen,           einen Weg auf. Deshalb unterstützt das Bundesminis-
auf Ebene der Europäischen Union und global unter        terium für Bildung und Forschung bereits seit 2011
Einbeziehung der jeweils am stärksten betroffenen        mehrere dieser PDPs, zum Beispiel bei der Entwicklung
Länder – kann weltweit die Krankheitslast senken.        von Impfstoffen gegen Malaria oder für neue und
Damit kann eine wesentliche Voraussetzung für ge-        nebenwirkungsarme Medikamente gegen die afrikani-
sellschaftliche Entwicklung und nachhaltige Teilhabe     sche Schlafkrankheit. Ein weiteres partnerschaftliches
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