Große Kreisstadt Görlitz - Gebietsbezogenes integriertes Handlungskonzept (GIHK) - Die Stadt Görlitz

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Große Kreisstadt Görlitz - Gebietsbezogenes integriertes Handlungskonzept (GIHK) - Die Stadt Görlitz
Große Kreisstadt Görlitz
                          Gebietsbezogenes integriertes
                            Handlungskonzept (GIHK)

© Copyright Bilder: Elisabeth Mochner & Jugend.Stadt.Labor Rabryka

             Gebiet: „Innenstadt West / Brautwiese“

   Förderung im Rahmen der Richtlinie Nachhaltige soziale Stadtentwicklung ESF 2014 - 2020
Große Kreisstadt Görlitz - Gebietsbezogenes integriertes Handlungskonzept (GIHK) - Die Stadt Görlitz
ESF 2014 - 2020
Nachhaltige Soziale Stadtentwicklung
Görlitz: „Innenstadt West / Brautwiese“ - Gebietsbezogenes integriertes Handlungskonzept (GIHK)

                                              Inhaltsverzeichnis

                                                  I. Allgemeiner Teil

   1. Grundlagen und Verfahren zur Erstellung des GIHK............................................ 1
      1.1 Zielsetzung........................................................................................................... 1
      1.2 Konzeptionelle Grundlagen ................................................................................. 1
      1.3 Beteiligungsprozesse und Verfahren zur Erarbeitung des GIHK ......................... 3
   2. Ausgangssituation im Fördergebiet „Innenstadt West / Brautwiese“ ................. 6
      2.1 Gesamtstädtische Einordnung und Fördergebietsbegründung .......................... 6
      2.2 Demografische Lage ............................................................................................ 8
      2.3 Soziale Lage ......................................................................................................... 9
      2.4 Städtebauliche Lage .......................................................................................... 13
      2.5 Wirtschaftliche Lage .......................................................................................... 15
      2.6 Fazit zur Ausgangslage im Fördergebiet ........................................................... 16
   3. Angebotsanalyse im Fördergebiet „Innenstadt West / Brautwiese“ ................. 18
      3.1 Vorhandene Strukturen und Angebote zur Integration der Zielgruppen ......... 18
      3.2 Fazit zur Angebots- und Defizitanalyse im Fördergebiet .................................. 21
   4. Vorhaben und Umsetzungsstrategie ................................................................ 23
      4.1 Handlungsfeld informelle Kinder- und Jugendbildung ..................................... 24
      4.2 Handlungsfeld Bürgerbildung und lebenslanges Lernen .................................. 25
      4.3 Handlungsfeld soziale Eingliederung und Integration in Beschäftigung .......... 25
      4.4 Handlungsfeld Wirtschaft im Quartier .............................................................. 26
      4.5 Begleitende Maßnahmen .................................................................................. 27
      4.6 Grundsatzorientierung ...................................................................................... 27
      4.7 Kohärenz mit anderen Förderprogrammen ...................................................... 28
   5. Nachhaltige Konzeptausrichtung ..................................................................... 28
      5.1 Verknüpfung mit investiven Stadtentwicklungsmaßnahmen ........................... 28
      5.2 Strategien zur Verstetigung erfolgreicher Ansätze ........................................... 30
      5.3 Zielgruppenansprache ....................................................................................... 31

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ESF 2014 - 2020
Nachhaltige Soziale Stadtentwicklung
Görlitz: „Innenstadt West / Brautwiese“ - Gebietsbezogenes integriertes Handlungskonzept (GIHK)

                                                  II. Vorhabensteil

   Vorhabensübersicht ............................................................................................ 32
   Vorhaben A.1 - Kultur.Sprache!Zukunft: .............................................................. 33
   Vorhaben A.2 - Kinder machen den Stadtteil bunt! .............................................. 36
   Vorhaben B.1 - Nachbarschaft leben ................................................................... 39
   Vorhaben B.2 - MakerSpace RABRYKA................................................................. 43
   Vorhaben B.3 - Youthempowerment ................................................................... 46
   Vorhaben B.4 - Kompetenzwerkstatt ................................................................... 49
   Vorhaben C.1 - zusammen.WACHSEN .................................................................. 52
   Vorhaben C.2 - Mach mit, mach’s nach ................................................................ 55
   Vorhaben C.3 - Selbst ist die Frau ........................................................................ 58
   Vorhaben C.4 - Wachsender Westen ................................................................... 62
   Vorhaben D.1 - Gründer_Zeit! ............................................................................. 65
   Vorhaben E.1 - Quartiersmanagement ................................................................ 68
   Vorhaben E.2 - Programmmanagement ............................................................... 71

                                                      III. Anlagen

   Anlage 1 - Karte Fördergebiet „Innenstadt West / Brautwiese“
   Anlage 2 - Beteiligte Einrichtungen und Organisationen sowie Fachämter
              der Stadt Görlitz
   Anlage 3 - Mitwirkungserklärungen
   Anlage 4 - Auszug aus den Ergebnissen der partizipativen Angebots- und
              Defizitanalyse
   Anlage 5 - Zeitliche Übersicht ESF-Vorhaben im Förderzeitraum 2014 - 2020
   Anlage 6 - Karte Überschneidungen ESF-Gebiet mit anderen Fördergebieten
   Anlage 7 - Erklärungen der Vorhabensträger zur Finanzierung des Eigenanteils
   Anlage 8 - Votum der lokalen Aktionsgruppe (LAG) Östliche Oberlausitz

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ESF 2014 - 2020
Nachhaltige Soziale Stadtentwicklung
Görlitz: „Innenstadt West / Brautwiese“ - Gebietsbezogenes integriertes Handlungskonzept (GIHK)

                                             I. Allgemeiner Teil

1. Grundlagen und Verfahren zur Erstellung des GIHK

1.1 Zielsetzung

Das vorliegende gebietsbezogene integrierte Handlungskonzept (GIHK) der Stadt Gör-
litz bildet die Grundlage für die Durchführung von Maßnahmen im Rahmen des Euro-
päischen Sozialfonds (ESF) in der Förderperiode 2014 - 2020. Maßgebend ist hierbei
das Programm „Nachhaltige soziale Stadtentwicklung“ mit dem Ziel niedrigschwellige,
informelle Vorhaben zur Förderung von Bildung, sozialer Eingliederung sowie Integra-
tion in Beschäftigung von Menschen in sozial benachteiligten Stadtgebieten zu unter-
stützen.1 Die Richtlinie zur nachhaltigen sozialen Stadtentwicklung ESF 2014 - 2020 ist
Bestandteil des Operationellen Programms des Freistaates Sachsen für den ESF mit
den Förderschwerpunkten Bildung, Aus- und Berufsbildung, nachhaltige und hochwer-
tige Beschäftigung, soziale Inklusion sowie die Bekämpfung von Armut und Diskrimi-
nierung.2 Hierbei wird insbesondere ein Beitrag zum spezifischen Ziel B.3 geleistet. Das
Fördergebiet der Stadt Görlitz in der ESF-Förderperiode 2014 - 2020 bezieht sich auf
einen Teil der westlichen Innenstadt und soll gerade in diesem Bereich einer beste-
henden sozialen Benachteiligung entgegenwirken.3 Hierzu sollen unter anderem die im
Vorhabensteil genannten und aufeinander abgestimmten Projekte realisiert werden.
Darüber hinaus wird mit diesem Handlungskonzept das Ziel verfolgt, zu einer ganzheit-
lichen und nachhaltigen positiven Entwicklung im betreffenden Stadtgebiet beizutra-
gen. Einzelne Ziele sind dabei unter anderem Perspektiven für Beschäftigung zu gene-
rieren, das Bildungsniveau zu erhöhen, Selbstwirksamkeitskräfte der Stadtteilbevölke-
rung zu aktivieren, familienfreundliche Bedingungen zu schaffen und damit die Le-
bensqualität und das Quartier insgesamt aufzuwerten. Es wird zudem angestrebt die
Bevölkerungsstruktur der westlichen Innenstadt im Hinblick auf soziale Faktoren zu
durchmischen und dem Leerstand durch Aufwertung des Stadtteils zu begegnen.

1.2 Konzeptionelle Grundlagen

Das GIHK baut auf verschiedenen Planungen und Konzepten auf, welche für die Ge-
samtstadt oder für Teilgebiete erarbeitet wurden. Stadtplanerische Grundlagen für die
Erstellung sind die Inhalte und Zielstellungen des integrierten Stadtentwicklungskon-
zeptes (INSEK) der Stadt Görlitz sowie seiner Fachkonzepte.4 Weitere Basis bildet zu-
dem das städtebauliche Entwicklungskonzept (SEKO) „Lebendige Mitte“ der Stadt Gör-
litz sowie die LEADER-Entwicklungsstrategie (LES) für die Östliche Oberlausitz. Die Kon-
formität der Vorhaben mit der LEADER-Entwicklungsstrategie für die Östliche Oberlau-
sitz wird durch das beiliegende Votum der lokalen Aktionsgruppe (LAG) bestätigt.5

1
  RL Nachhaltige soziale Stadtentwicklung ESF 2014 - 2020 vom 09. März 2015
2
  Operationelles Programm des Freistaates Sachsen für den ESF im Förderzeitraum 2014 - 2020
  vom 06. November 2014
3
  siehe Karte Fördergebiet „Innenstadt West / Brautwiese“ - Anlage 1
4
  Integriertes Stadtentwicklungskonzept (INSEK) der Großen Kreisstadt Görlitz (2012)
5
  LAG-Votum - Anlage 8

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Für die nachhaltige soziale Stadtentwicklung aus Mitteln des ESF sind vor allem die
nachfolgenden Zielstellungen des INSEK der Stadt Görlitz relevant. Aus diesen Zielen
wird unter anderem die Ausrichtung des hier vorliegenden Handlungskonzeptes abge-
leitet und inhaltlich mit den geplanten Vorhaben ausgestaltet.

Relevante Kernaussagen INSEK Stadt Görlitz
    -   Stärkung und Weiterentwicklung der Kernstadt mit einer sozial und demografisch ausgewogenen
        Wohnbevölkerung
    -   Erhalt und Aufwertung der inneren Stadtteile als attraktiver Wohnort für alle Altersgruppen
    -   Aufwertung und Neugestaltung des öffentlichen Raumes sowie Erhalt und Neuerschließung von
        Grün- und Freiflächen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität
    -   Wiederbelebung von Brachen & leerstehenden Gebäuden durch kulturelle Nutzung und Initiativen
    -   Förderung benachteiligter Quartiere und Vermeidung der Herausbildung von sozialen Problem-
        quartieren sowie soziale Mischung in den Stadtteilen anstelle von Segregation
    -   Vernetzung sozialer mit städtebaulichen und wirtschaftlichen Handlungsansätzen
    -   Schaffung von Arbeitsplätzen, Abbau von Arbeitslosigkeit, Integration von Arbeitslosen und Ju-
        gendlichen in Arbeit und Bildung sowie Förderung der Qualifikation von Erwerbstätigen und Er-
        werbslosen
    -   Ausrichtung der Bildung und Qualifizierung an lokalen und regionalen Bedarfen sowie Erhöhung
        der Erwerbsquoten zur Vermeidung des Fachkräftemangels
    -   Abbau von Defiziten durch Stärkung der bilingualen Sprachvermittlung und Ausbau von mehrspra-
        chigen Sprach-, Bildungs- und Wirtschaftskompetenzen sowie Förderung unterrichtsergänzender
        und außerschulischer Angebote
    -   Verringerung von Bildungsdefiziten sowie des Anteils von Abgängern aus Schule oder Berufsaus-
        bildung ohne Abschluss
    -   Verbesserung der Rahmenbedingungen für lebenslanges Lernen als Grundlage zur Lebens- und
        Alltagsbewältigung
    -   Schaffung von kinder-, jugend- und familienfreundlichen Lebensbedingungen sowie Stärkung des
        Gemeinwesens und des sozialen Zusammenhalts
    -   Förderung der sozialen Integration, Beschäftigungsförderung und Förderung von Projekten für
        Kinder und Jugendliche, zur Weiterbildung von Eltern und Familien, für sozial Benachteiligte sowie
        Migranten und Migrantinnen
    -   Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Abbau sozialer Benachteiligung und Reduzierung
        von Armutsrisiken
    -   Teilhabe möglichst aller gesellschaftlicher Gruppen an Kultur, auch sogenannter bildungsferner
        Schichten, und Kultur als Mittel zur Integration von Ausländern und Zugezogenen
    -   Ermöglichung von neuen Kunst- und Kulturformen sowie generell von Freiräumen für kulturelle
        Vielfalt und Stärkung von vorhandenen Ansätzen der neuen Kultur- und Kreativwirtschaft
    -   Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements der Bewohner und Bewohnerinnen als wesentli-
        cher Bestandteil des sozialen und kulturellen Lebens der Stadt

Die auszugsweise dargestellten Zielstellungen des INSEK der Stadt Görlitz wurden im
Jahr 2001 durch den Stadtrat der Stadt Görlitz beschlossen und in den Jahren 2006 bis
2012 fortgeschrieben. Die gesamtstädtischen Zielsetzungen wurden im Prozess der
Entwicklung des GIHK gemeinsam mit den beteiligten Akteuren und Akteurinnen the-
matisiert und auf das Fördergebiet „Innenstadt West / Brautwiese“ konkretisiert. Dar-
über hinaus fand in der Erarbeitung des GIHK eine enge Verknüpfung mit dem parallel
umzusetzenden Handlungskonzept „Brautwiesenbogen“ der Stadt Görlitz im Rahmen
des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) statt.6 Hierdurch ergeben
sich insbesondere Beteiligungsprozesse mit investiven Stadtentwicklungsmaßnahmen.
6
    Integriertes Handlungskonzept der Stadt Görlitz „Brautwiesenbogen“ (2015) - EFRE 2014 - 2020

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1.3 Beteiligungsprozesse und Verfahren zur Erarbeitung des GIHK

Der Prozess der auf das Fördergebiet „Innenstadt West / Brautwiese“ konzentrierten
nachhaltigen sozialen Stadtentwicklung kann nur zielführend sein, wenn die Akteure
und Akteurinnen vor Ort sowie die zuständigen Fachämter der Stadtverwaltung und
örtlichen politischen Gremien von der Zielsetzung und konzeptionellen Vorbereitung
bis hin zur Umsetzung der konkreten Vorhaben in ständigem Austausch stehen und
konstruktiv zusammenarbeiten. Zur Erarbeitung des GIHK und der hier genannten Ein-
zelvorhaben verfolgte die Stadt Görlitz daher ein offenes, transparentes und koopera-
tives Verfahren zur Einbeziehung der im Fördergebiet tätigen Einrichtungen und Orga-
nisationen, im Stadtteil wohnhafter Bürgerinnen und Bürger sowie betroffener Fach-
ämter. Die beteiligten Einrichtungen und Organisationen sowie die eingebundenen
Fachämter können der tabellarischen Auflistung im Anhang entnommen werden.7 Ne-
ben der beratenden und unterstützenden Funktion unterzeichneten die teilweise als
Projektträger agierenden Akteurinnen und Akteure zudem im Prozess der Beteiligung
einzelne Mitwirkungserklärungen.8

Federführend für die Erstellung und Fortschreibung des GIHK innerhalb der städtischen
Struktur ist das Amt für Jugend, Schule & Sport, Soziales. Diesem obliegt die Hauptko-
ordination der Prozessgestaltung und wird durch die Zuarbeiten der Fachämter unter-
stützt. Bereits in der Erarbeitung der ESF-Projektskizze im Juni 2015 konnten erste Ak-
teure und Akteurinnen im Fördergebiet akquiriert und Abstimmungen innerhalb der
Stadtverwaltung getroffen werden. Mit Beginn der Konzeptentwicklung im Februar
2016 wurden die nachfolgenden Veranstaltungen zur Initiierung aktiver Partizipation
terminiert. Inhaltliche Schwerpunkte waren dabei neben der Information zum Förder-
programm „Nachhaltige soziale Stadtentwicklung“ der Austausch zu Defiziten und Per-
spektiven des Gebietes „Innenstadt West / Brautwiese“ sowie ein Anschub zur Ent-
wicklung und Einreichung von Projekten.

                                           - Information der Einrichtungen und Organisationen
      Auftaktveranstaltung
                                             sowie der Bewohnerinnen und Bewohner des
           23.03.2016
                                             Fördergebietes „Innenstadt West / Brautwiese“

                                           - spezifische Information und individuelle Beratung
        Akteursworkshop
                                             potentieller Vorhabensträger
           12.04.2016
                                           - Unterstützung der Angebots- und Defizitanalyse

                                           - weitere Information der Bewohnerinnen und Bewohner
      Bewohnerworkshop
                                           - Unterstützung der Angebots- und Defizitanalyse
         28.04.2016
                                           - themenspezifische Priorisierung potentieller Vorhaben

7
    Beteiligte Einrichtungen und Organisationen sowie Fachämter der Stadt Görlitz - Anlage 2
8
    Mitwirkungserklärungen - Anlage 3

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Die Einbeziehung der Akteurinnen und Akteure, der Fachämter sowie der Öffentlich-
keit waren beständiger Teil des GIHK-Erarbeitungsprozesses. Dieser beinhaltete unter
anderem Arbeitsgruppentreffen innerhalb der Stadtverwaltung sowie mit externen
Behörden, die individuelle Beratung und Abstimmung mit projekteinreichenden Akteu-
rinnen und Akteuren sowie die eben genannten Veranstaltungen. Die Information der
Öffentlichkeit sowie die Einladungen zu Veranstaltungen erfolgten über das Amtsblatt,
die Lokalpresse, die Internetseite der Stadt Görlitz und die direkte Ansprache beste-
hender Netzwerke.9 Die Beteiligung von Bürgern und Bürgerinnen konnte zudem über
die Koordinatorin für bürgerschaftliche Beteiligung innerhalb der Stadtverwaltung un-
terstützt werden. Hierzu ist eine entsprechende Bürgerbeteiligungssatzung der Stadt
Görlitz vorhanden und findet in unterschiedlichen Projekten in differenzierter Form
Anwendung. Im vorliegenden Erarbeitungsprozess erfolgte eine gezielte Ansprache
und Einladung der Bürgerräte für die westliche sowie östliche Innenstadt, die in ihren
Stadtteilen als Multiplikatoren wirken.

Insbesondere mit den gemeinsam durchgeführten Workshops, die außerdem eine Un-
terstützung der Angebots- und Defizitanalyse des ESF-Gebietes beinhalteten, konnte
die Netzwerkbildung und Kooperation der im Fördergebiet aktiven Einrichtungen und
Organisationen verstärkt und intensiviert werden. Ein Abschlussworkshop zur Vorstel-
lung des GIHK und Vorausschau weiterer Schritte ist nach Konzepteinreichung geplant.
Die durchgeführte Angebots- und Defizitanalyse des Fördergebietes und somit auch
die Beteiligung von aktiven Einrichtungen und Organisationen sowie von Bürgerinnen
und Bürgern wurde darüber hinaus mit Hilfe einer Fragebogenerhebung untersetzt. Ein
unmittelbares Ergebnis des Beteiligungsprozesses war unter anderem die Erweiterung
des Fördergebietes um einzelne Straßenzüge in östlicher Richtung, da diese Bereiche
nach den Erfahrungen der Einrichtungen und Organisationen vor Ort sozialräumlich
dem Fördergebiet zugehörig sind und sich nahtlos in die städtebauliche Charakteristik
einfügen. Der bisherige Beteiligungsprozess mündete schließlich in den eingereichten
Projektskizzen der Vereine und sozialen Träger, die in den weiteren Auswahl- und Be-
arbeitungsprozess einbezogen wurden. Die aufgenommenen Projekte konnten schließ-
lich gemeinsam mit den Akteurinnen und Akteuren am Tag der offenen Sanierungstür
am 19.06.2016 mit einer Ausstellung auf dem brachliegenden Güterbahnhofsgelände
der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Die gleichstellungspolitischen Zielstellungen des ESF-Förderprogrammes finden in den
einzelnen Handlungsfeldern sowie den zu realisierenden Vorhaben Anwendung. Im
Beteiligungsprozess werden von der Vorbereitung bis zur späteren Umsetzung der Pro-
jekte allen Bewohnerinnen und Bewohnern gleiche Chancen zur Mitwirkung, unabhän-
gig von Geschlecht, Altersgruppe, Behinderung oder Benachteiligung, Mobilität, Her-
kunft oder Glauben zugestanden. Der Grundsatz der Gleichstellung und Chancen-
gleichheit wurde im Erarbeitungsprozess des GIHK durch den gleichberechtigten Zu-
gang zur Beteiligung sowie der Offenheit zur Teilnahme am Verfahren gewährleistet.
Im Hinblick auf die im Stadtteil unterschiedlichen Lebensformen sind die konzipierten
Maßnahmen niedrigschwellig sowie generationsübergreifend ausgerichtet und sollen
damit ein breites Spektrum der Bewohner und Bewohnerinnen im Quartier erreichen.

9
    siehe Amtsblatt vom 15.03.2016 und 19.04.2016 sowie unter www.goerlitz.de/ESF.html

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     Allen Bewohnerinnen und Bewohnern wird ein gleichberechtigter Zugang durch eine
     grundsätzliche Offenheit der Angebote sowie der Ausrichtung auf die Bedürfnisse von
     Zielgruppen mit unterschiedlichen Benachteiligungen eingeräumt und damit Teilha-
     bechancen und Teilnahmemöglichkeiten erhöht. Durch die Besonderheit der deutsch-
     polnischen Doppelstadt Görlitz/Zgorzelec ist das betrachtete Gebiet von einem relativ
     hohen Anteil an Bewohnern und Bewohnerinnen mit polnischem Migrationshinter-
     grund gekennzeichnet. Hierdurch lassen sich internationale Bezugsebenen sowie inter-
     kulturelle Austauschbeziehungen herstellen und eine transnationale Zusammenarbeit
     verwirklichen. Auch kommt dabei dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung eine be-
     sondere Bedeutung zu.

     Die Umsetzung, Fortschreibung und fördertechnische Abwicklung des GIHK erfolgt
     durch das Vorhaben E.2 (Programmmanagement) sowie mit dem zur Verfügung ste-
     henden Personalbestand des Amtes für Jugend, Schule & Sport, Soziales, welches
     gleichzeitig Verbindungsstelle zum Zuwendungsgeber und den beteiligten Drittemp-
     fängern sein wird. Diese agieren somit insgesamt koordinierend und qualitätssteuernd.
     Über den gesamten Förderzeitraum wird zudem über das Vorhaben E.1 ein Quartiers-
     management im Fördergebiet implementiert. Dieses wird im Umsetzungsprozess als
     Schnittstelle zwischen der Stadt Görlitz und Drittempfängern fungieren und soll neben
     der administrativen Unterstützung der Projektträger aktivierend im ESF-Gebiet agieren
     und die weitere Beteiligung der Akteure und Akteurinnen sowie der Bewohner und
     Bewohnerinnen gewährleisten.
                                                      Zuwendungsgeber
                                                    Europäische Union / ESF
                                                 Sächsisches Staatsministerium
                                                          des Innern
                                                    Sächsische Aufbaubank
                                                  - Fondsbewirtschafter
                                                  - Erlass Verwaltungsvorschrift
                                                    und Förderbestimmungen
                                                  - Prüfbehörde

       Rahmensetzung                                    Zuwendungsempfänger                                 Öffentlichkeitsarbeit
- INSEK / SEKO                                                 Stadt Görlitz                                   und Beteiligung
- LES                                             -   Verantwortliche des                              - Veranstaltungen
- Einbindung übergeordneter und                       Förderverfahrens                                 - Publikationen, Fragebögen
  externer Behörden                               -   Koordinatorin                                    - Netzwerk aus Akteuren &
- Monitoring / Evaluation                         -   Vorhabensdurchführende                             Akteurinnen / Bürgerinnen &
- Beschlussfassung Stadtrat                       -   Zuwendungsgebende an Dritt-                        Bürgern
                                                      empfänger                                        - Verwaltungsstrukturen

                                                           Drittempfänger                                EFRE „Brautwiesenbogen“
                                                         Vorhabensträger /                             - Verknüpfung zu investiven
                                                       Vereine und freie Träger                          Vorhaben
                                                 - Endempfänger
                                                 - Akteure und Akteurinnen
                                                 - Nutzerinnen und Nutzer

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Nachhaltige Soziale Stadtentwicklung
Görlitz: „Innenstadt West / Brautwiese“ - Gebietsbezogenes integriertes Handlungskonzept (GIHK)

2. Ausgangssituation im Fördergebiet „Innenstadt West / Brautwiese“

2.1 Gesamtstädtische Einordnung und Fördergebietsbegründung

Die große Kreisstadt Görlitz als Kreissitz des Landkreises Görlitz liegt an dessen östli-
chen Rand und grenzt im Osten an die Staatsgrenze zur Republik Polen, an die Stadt
Zgorzelec und den Landkreis Zgorzelec in der Wojewodschaft Niederschlesien. Mit zu-
sammen ca. 90.000 Einwohnern stellt die Doppel- bzw. Europastadt Görlitz/Zgorzelec
die größte städtische Verdichtung entlang der gesamten deutschen Ostgrenze dar.

Die gründerzeitliche Stadterweiterung im Laufe des 19. Jahrhunderts, als Folge der
industriellen Revolution und des sprunghaften Anstiegs der Einwohnerzahlen, ließ
auch in Görlitz die alte Stadt über ihre mittelalterliche Ummauerung hinauswachsen.
Diese großflächige Stadterweiterung war auf den weit vor den Stadttoren gelegenen
Bahnhof hin orientiert und führte zur Entstehung der heutigen Innenstadt. Deren Be-
sonderheit liegt in der Herausbildung eines einmaligen gründerzeitlichen Stadtzent-
rums, das fortan das aus der historischen Altstadt verlagerte Hauptgeschäftsgebiet von
Görlitz aufnahm. Städtebauliches Hauptmerkmal dieser neu entstandenen Innenstadt
ist die weitgehend geschlossene Blockrandbebauung in typischerweise viergeschossi-
ger Bauweise als Mietshäuser. In bestimmten Lagen, wie am Stadtpark im östlichen
Innenstadtbereich, wurden auch freistehende Stadtvillen errichtet. Die innerstädtische
Achse zwischen Bahnhof und historischer Altstadt bildet noch heute das Hauptge-
schäftsgebiet der Stadt und trennt die westliche von der östlichen Innenstadt. Inner-
halb der Gesamtstadt umfasst das ESF-Fördergebiet wesentliche Teile der gründerzeit-
lichen Innenstadt westlich des Hauptgeschäftsbereiches.

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Görlitz: „Innenstadt West / Brautwiese“ - Gebietsbezogenes integriertes Handlungskonzept (GIHK)

Die Quartiere der westlichen Innenstadt wurden überwiegend zum Ende des 19. und
Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet und bildeten damit den Abschluss der während
der Gründerzeit vollzogenen städtebaulichen Entwicklung nördlich der Bahnlinie.
Kennzeichnend für das ESF-Fördergebiet ist die unmittelbare Nähe der Wohnquartiere
zu angrenzenden Industrie- und Gewerbestandorten sowie zum Bahnhofsgelände. Die-
se zahlreichen Industrie-, Gewerbe- und Bahnanlagen umschließen den Stadtteil, lie-
gen heute jedoch größtenteils brach. Die Notwendigkeit arbeitsnaher Wohnungen be-
steht somit nicht mehr. Dem ehemaligen Arbeiterquartier ist seine einstige Bestim-
mung aber immer noch anzusehen. Mit Ausnahme des Areals um den Lutherplatz feh-
len singuläre und zugleich signifikante Bauten, gestaltete Freianlagen und stadtversor-
gende sowie kulturelle Einrichtungen. Die Lutherkirche, die Stadtbibliothek, das AWO-
Pflegeheim Zentralhospital, die Kirche der Adventgemeinde sowie der Leipziger Platz
und der Lutherplatz selbst bilden das identitätsstiftende und städtebauliche Zentrum
des Fördergebiets. Diese Mitte wird ihrerseits durch einzigartige, architektonisch ge-
schlossene Straßenzüge geprägt. In seiner Wertigkeit ist das Gebiet demnach eigen-
ständig gegenüber der weiteren Innenstadt, die an die historische Altstadt sowie an
das Neißeufer grenzt und wie angeführt den Hauptgeschäftsbereich der Stadt Görlitz
einschließt. Dennoch konzentrieren sich im Westen der innerstädtische Wohnungs-
leerstand, niedriges Mietpreisniveau, einfaches Mieterklientel, soziale Segregation, ein
negatives Stadtteilimage und fehlende Perspektiven. Insgesamt ballen sich im ESF-
Fördergebiet komplexe soziale Problemlagen, mit denen sich das Gebiet von der Ge-
samtstadt und speziell von der östlichen Innenstadt abgrenzt. Das vorgelegte ESF-
Fördergebiet beinhaltet die sowohl aus verschiedener Sicht benachteiligten Wohnla-
gen als auch die das Gebiet umschließenden und negativ prägenden Industrie-, Ge-
werbe- und Bahnanlagen bzw. Brachen, auf die insbesondere Maßnahmen des EFRE-
Handlungskonzeptes „Brautwiesenbogen“ abzielen.10 Durch eine Fokussierung bedeu-
tender Förderinstrumente auf den westlichen Teil der Innenstadt sollen deutliche Ent-
wicklungsschübe und Aufwertungsprozesse initiiert und einer bestehenden sozialen
Benachteiligung entgegengewirkt werden. Grundlegendes Ziel hierbei ist, die Ausge-
wogenheit der Entwicklung in der Innenstadt aufrecht zu erhalten und benachteiligte
Quartiere zu stärken. Die gründerzeitliche Innenstadt von Görlitz ist der Stadtteil mit
der größten strategischen Bedeutung für die Entwicklung der Gesamtstadt, das Gebiet
mit der höchsten Zentralität, der größten Vielfalt von Einrichtungen und darüber hin-
aus auch derjenige Ort, an dem sich die Stadt repräsentiert und von dem aus sie ihre
Identität bezieht. Neben den beschriebenen Schwächen besitzt das ESF-Fördergebiet
auch ein nicht zu unterschätzendes Potential. Dieses liegt unter anderem in der Viel-
zahl der im Gebiet etablierten und aktiven sozialen Einrichtungen und Organisationen,
der jungen Bevölkerung sowie kreativer Projekte.11 Die räumlichen Voraussetzungen
und Interessenlagen bieten damit die Chance zur Entwicklung eines kreativen und akti-
ven Quartiers mit entsprechendem Raum für bürgerschaftliches Engagement. Dieses
Zusammentreffen von Problemlagen mit aktuell erkennbaren Chancen begründet die
Gebietsauswahl in besonderem Maße. Die Auswahl und Abgrenzung des Fördergebie-
tes sowie die nachfolgende Darstellung der Ausgangslage beruht darüber hinaus auf
einem Indikatorenset nach den Vorgaben des Freistaates Sachsen.

10
     Integriertes Handlungskonzept der Stadt Görlitz „Brautwiesenbogen“ (2015) - EFRE 2014 - 2020
11
     vgl. Kapitel 2.2 und 3.1 des GIHK „Innenstadt West / Brautwiese“

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 2.2 Demografische Lage

 Die Bevölkerungsentwicklung der Stadt Görlitz ist im Betrachtungszeitraum von 1990
 bis 2013 durch einen starken Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet. So sank die Be-
 völkerung seit 1990 um ca. 29 % auf 54.311 im Jahr 2013.12 Diese Entwicklung verlief in
 der Stadt Görlitz deutlich ungünstiger als im Landesdurchschnitt. Laut amtlicher Prog-
 nose wird sich die Bevölkerungsentwicklung tendenziell jedoch leicht verändern. Eine
 etwas positivere Entwicklung als im Landkreis ist in der Stadt Görlitz zu erwarten. Die
 Zahl der Einwohner soll je nach positiver und negativer Variante im Jahr 2020 in einem
 Korridor zwischen 53.700 und 55.500, im Jahr 2025 zwischen 52.800 und 54.200 und
 im Jahr 2030 zwischen 51.600 und 52.800 Einwohnern liegen.13

                                                                                                   „Innenstadt West /
      (Stand April 2016)                Stadt Görlitz                     Innenstadt
                                                                                                      Brautwiese“
Bevölkerung                                 55.702                           16.213                      6.944
Anteil an Gesamtstadt                       100 %                            29,1 %                      12,5 %

 Nicht eingerechnet ist dabei eine seit 2015 verstärkt auftretende Zuwanderung, vor-
 wiegend aus der Republik Polen, die innerhalb eines Jahres zu einer Zunahme der Be-
 völkerung um 1.134 Personen führte. So betrug die Bevölkerungszahl der Stadt Görlitz
 im April 2016 insgesamt 55.702 gegenüber 54.568 im Vorjahresmonat. Allein die Zu-
 nahme in der Innenstadt lag bei 667 Personen und stellte damit ca. 59 % des Gesamt-
 zuwachses dar. Ob diese Entwicklung zu einer anhaltenden Zunahme der Bevölkerung
 führt oder nur von kurzer Dauer sein wird, lässt sich gegenwärtig noch nicht absehen.
 Auch im Fördergebiet ist in den letzten Jahren ein leichter Zuwachs zu beobachten.
 Dieser fällt jedoch insgesamt geringer aus als in der übrigen Innenstadt. Während die
 Bevölkerungsverluste der Gesamtstadt nach der Wende vor allem Folge starker Wan-
 derungsverluste waren, sind die Verluste gegenwärtig in erster Linie dem Überschuss
 der Sterbefälle über die Anzahl der Geburten (negativer natürlicher Saldo) geschuldet.
 Die demografische Entwicklung der Stadt Görlitz zeigt, dass dem deutschlandweiten
 Trend folgend Tendenzen starker Bevölkerungsalterung bestehen. Bei Betrachtung des
 Altersdurschnitts innerhalb der Stadt im Jahr 2016 kann jedoch festgestellt werden,
 dass dieser in der Innenstadt mit 39,9 Jahren und insbesondere im Fördergebiet mit
 38,1 Jahren deutlich niedriger als in der Gesamtstadt mit 47,7 Jahren ist.14

                                      Bevölkerung „Innenstadt West / Brautwiese“ (Stand April 2016)
        Altersgruppe
                                            gesamt                         männlich                     weiblich
            0-7                               584                             285                         299
            7 - 15                            646                             334                         312
           15 - 18                            203                             116                          87
           18 - 27                            796                             356                         440
           27 - 65                          3.727                           2.010                       1.717
            > 65                              988                             409                         579
           gesamt                           6.944                           3.510                       3.434

 12
    Zahlen kommunale Statistikstelle / Einwohnermelderegister Stadt Görlitz
 13
    vgl. 6. Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung für den Freistaat Sachsen 2015 bis 2030
 14
    Zahlen kommunale Statistikstelle / Einwohnermelderegister Stadt Görlitz (Stand April 2016)

 Stadt Görlitz                                                Juni 2016                                       Seite 8
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              Bevölkerungspyramide                                                   Bevölkerungspyramide
          „Innenstadt West / Brautwiese“                                                 Stadt Görlitz

                                                           15

Insgesamt zeigt sich in den Stadtteilen eine sehr differenzierte Entwicklung. Während
in den durch Großwohnsiedlungen geprägten Stadtteilen Königshufen, Weinhübel und
Hagenwerder in den letzten Jahren starke Einwohnerrückgänge zu verzeichnen waren,
konnte der innerstädtische Bereich eine relativ stabile Entwicklung aufweisen. Auch
der Zuzug junger Familien in die inneren Stadtteile führte dazu, dass sich der Alters-
durchschnitt der Innenstadt zwischen 2006 und 2016 (von 39,4 auf 39,9 Jahre) nur
gering erhöht hat. Die positiven Tendenzen der Innenstadt lassen daher auf weitere
leichte Bevölkerungszuwächse schließen, weshalb die Anpassung von Strukturen an die
demografische Entwicklung die Optimierung von Entwicklungspotenzialen als Voraus-
setzung für den Ausstieg aus Abwärtsspiralen im Auge behalten sollte.

2.3 Soziale Lage

Die Innenstadt in Görlitz ist das Hauptwohngebiet der Görlitzer Bevölkerung. So leben
29 % der gesamten Bevölkerung in diesem Stadtteil. Das ESF-Fördergebiet ist ein Teil
dieses Stadtteils. Innerhalb der Innenstadt gibt es zwei strukturell unterschiedlich auf-
gestellte Bereiche. Dabei handelt es sich um die östliche und westliche Innenstadt.
Zwischen beiden Bereichen existiert keine offizielle Grenze. Das Fördergebiet „Innen-
stadt West / Brautwiese“ umschließt jedoch im Wesentlichen den mit Wohngebäuden

15
     Zahlen kommunale Statistikstelle / Einwohnermelderegister Stadt Görlitz (Stand April 2016)

Stadt Görlitz                                                Juni 2016                                      Seite 9
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 bebauten Teil der westlichen Innenstadt. Aus der jahrzehntelangen Arbeit vor Ort, ein-
 zelnen Erhebungen, dem Austausch mit im Stadtteil tätigen Akteuren und Akteurinnen
 sowie der vorab beschriebenen Unterschiede ist bekannt, dass ein Negativgefälle in
 vielerlei Hinsicht, vor allem aber im sozialen Bereich, im Fördergebiet „Innenstadt
 West / Brautwiese“ gegenüber der gesamten Innenstadt besteht. Die soziale Problem-
 lage im ESF-Fördergebiet ist anhand statistischer Daten belegbar. Hierbei wurden An-
 gaben der Statistik der Bundesagentur für Arbeit und der kommunalen Statistikstelle
 zu Grunde gelegt, die jedoch nur für die Gesamtstadt und als kleinteiligste Einheit für
 die Stadtteile verfügbar sind. Nachfolgend werden daher die Anteile des Gebietes „In-
 nenstadt West / Brautwiese“ an der gesamten Innenstadt verdeutlicht.16 Im Übrigen
 sind die jeweiligen Betrachtungszeiträume und Stichtagsregelungen durch die Pro-
 grammausschreibung des Sächsischen Ministeriums des Innern vorgegeben.

                                                                          „Innenstadt West /
  (Stand April 2016)                       Innenstadt                                              Anteil
                                                                             Brautwiese“
Bevölkerung                                   16.213                            6.944              43 %
Fläche                                        432 ha                            131 ha             30 %
Wohneinheiten                                 12.515                            6.042              48 %

 Die aktuelle Bevölkerung und damit Zielgruppe des ESF-Stadtgebietes besteht aus ei-
 nem überdurchschnittlich hohen Anteil junger Menschen mit niedrigen Bildungsab-
 schlüssen.17 Damit geht ein relativ hoher Anteil an Langzeitarbeitslosen und Leistungs-
 empfängern nach dem Sozialgesetzbuch II einher. Viele der im Quartier lebenden
 Menschen sind auf finanzielle Unterstützung für ihren Lebensunterhalt angewiesen
 und gehören oft nicht einer klassischen Familienform an. Statistische Zahlen belegen,
 dass im Innenstadtgebiet ein durchschnittlich größerer Anteil einkommensschwacher
 Personen lebt als in der Gesamtstadt (siehe nachfolgende Tabelle Seite 11). Anlass zur
 Sorge gibt dabei besonders der hohe Anteil an arbeitslosen Personen im Alter zwi-
 schen 20 und 25 Jahren. Hier liegt die Quote um 7% höher als im gesamtstädtischen
 Durchschnitt.

 Die Einwohnerzahl der gesamten Innenstadt umfasste mit Stand vom 31.12.2013
 15.156 Personen, von denen 10.010 zu den erwerbsfähigen Personen im Alter von 15
 bis unter 65 Jahren zu zählen sind. Der Anteil von Personen unter 65 Jahren lag zu die-
 sem Zeitpunkt bei 12.528 Personen. Die Berechnung der SGB II-Quote wird analog der
 Verfahrensweise des Statistischen Bundesamts für die Personengruppe bis zur Alters-
 grenze nach § 7a SGB II durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Erhebung bezogen 1.510 Per-
 sonen Arbeitslosengeld II beziehungsweise Sozialgeld nach SGB II. Insgesamt befanden
 sich zum Stichtag 4.055 leistungsberechtigte Personen in Bedarfsgemeinschaften. Dar-
 aus errechnet sich eine SGB II-Quote für die Innenstadt in Höhe von 32,4 %. Damit liegt
 bereits die gesamte Innenstadt deutlich über der SGB II-Durchschnittsquote der Stadt
 Görlitz von 23,5 % und dem Landesdurchschnitt von 12,9 % (Stichtag 31.12.2013).18

 16
    Zahlen kommunale Statistikstelle / Einwohnermelderegister / Amt für Stadtentwicklung Stadt Görlitz
 17
    vgl. Kapitel 2.2 des GIHK „Innenstadt West / Brautwiese“
 18
    Zahlen Statistik der Bundesagentur für Arbeit / kommunale Statistikstelle Stadt Görlitz

 Stadt Görlitz                                                Juni 2016                             Seite 10
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             (Stichtag 31.12.2013)                               Stadt Görlitz                          Innenstadt
                                                                            Anteil                               Anteil
Bevölkerung gesamt                                            54.311                                15.156
   davon unter 20 Jahre                                        8.396       15,5 %                    3.167      20,9 %
   davon 20 - 24 Jahre                                        10.840       20,0 %                    4.172      27,5 %
   davon 55 Jahre und älter                                   22.898       42,2 %                    4.130      27,2 %
   davon 15 bis unter 65 Jahre                                32.513       59,9 %                   10.010      66,0 %
   davon unter 65 Jahre                                       39.000       71,8 %                   12.528      82,7 %

Arbeitslose                                                     4.295                                1.712
Arbeitslose nach SGB II                                         3.579                                1.510
   davon Langzeitarbeitslose                                    1.974           55,2 %                 803         53,2 %
Arbeitslose nach SGB III                                          716                                  202

Bedarfsgemeinschaften                                           5.530                                2.190
   davon leistungsberechtigte Personen                          9.184                                4.055

SGB II-Quote                                                          23,5 %                              32,4 %

  Unter den 4.055 leistungsberechtigten Personen der Innenstadt sind 2.926 erwerbsfä-
  hige Hilfebedürftige zu zählen, was einem Anteil von ca. 72,2 % entspricht. Unter die-
  sen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen befinden sich wiederum 403 Alleinerziehende
  und damit einen Anteil von ca. 13,8 %. Die 2.190 Bedarfsgemeinschaften der Innen-
  stadt beinhalten 653 Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einem Kind. Somit leben
  ungefähr in jeder dritten Bedarfsgemeinschaft der Innenstadt Kinder. Insgesamt bele-
  gen die statistischen Zahlen, dass im Innenstadtgebiet in fast allen Kategorien ein grö-
  ßerer Anteil einkommensschwacher Personen lebt als im Durchschnitt der Gesamt-
  stadt. Aufgrund der vorab beschriebenen strukturellen Unterschiede zwischen der öst-
  lichen und der westlichen Innenstadt und der bekannten Ist-Situation vor Ort ist davon
  auszugehen, dass bei den vorgenommenen statistischen Bewertungen ein negatives
  Gefälle in Richtung Westen vorzufinden ist und von einer höheren SGB II-Quote ausge-
  gangen werden kann.

  Im April 2016 lebten 689 Asylbewerber und Flüchtlinge dezentral in der Stadt Görlitz.
  Ein großer Anteil konnte dabei auch in Wohnungen im ESF-Fördergebiet untergebracht
  werden. Dies bestätigt auch die Übersicht zu Asylwohnungen im Stadtgebiet.19 Insge-
  samt stehen 157 dezentrale Wohneinheiten für Asylbewerber und Flüchtlinge in der
  Stadt Görlitz zur Verfügung. Von diesen Wohneinheiten befinden sich 115 im Gebiet
  der Innenstadt und speziell 86 direkt im ESF-Fördergebiet.

                                         Asylwohnungen                     davon „Innenstadt
   (Stand April 2016)                                                                                         Anteil
                                           Innenstadt                      West / Brautwiese“
Wohneinheiten                                 115                                  86                          75 %

  19
       Zahlen Bürgerbeteiligung und Asyl / Amt für Stadtentwicklung Stadt Görlitz

  Stadt Görlitz                                                Juni 2016                                        Seite 11
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  Nachhaltige Soziale Stadtentwicklung
  Görlitz: „Innenstadt West / Brautwiese“ - Gebietsbezogenes integriertes Handlungskonzept (GIHK)

  Konkrete Aussagen über die weitere Entwicklung der Flüchtlings- und Asylbewerber-
  zahlen können derzeit nicht getroffen werden. Jedoch kann festgehalten werden, dass
  entsprechend der Verteilung von Asylwohnungen der überwiegende Anteil von Flücht-
  lingen und Asylbewerbern im ESF-Gebiet wohnhaft ist. Wird darüber hinaus der ge-
  samte Anteil von Ausländern im Fördergebiet betrachtet, ergibt sich folgendes Ver-
  hältnis in Bezug auf die Gesamtstadt und den Landesdurchschnitt. Im Freistaat Sachsen
  lebten zum 30. September 2015 insgesamt 139.020 Ausländer, was einem Anteil von
  ca. 3,4 % entspricht.20

                                                                                                    „Innenstadt West /
              (Stand April 2016)                                  Stadt Görlitz
                                                                                                       Brautwiese“
                                                                                Anteil                           Anteil
Bevölkerung gesamt                                            55.702                                 6.944
   davon männliche Ausländer                                   2.315             4,2 %                 610       8,8 %
   davon weibliche Ausländer                                   2.286             4,1 %                 582       8,4 %
   Ausländeranteil gesamt                                      4.601             8,3 %               1.192      17,2 %
   darunter EU-Bürger                                          3.123             5,6 %                 706      10,2 %

  Die Bevölkerung im ESF-Fördergebiet besteht aus 37 unterschiedlichen Nationalitäten.
  Den größten Anteil der ausländischen Bevölkerung stellen dabei mit rund 9 % Bewoh-
  ner und Bewohnerinnen mit polnischer Staatsangehörigkeit dar.21 Bei Betrachtung der
  statistischen Zahlen wird deutlich, dass der Anteil der ausländischen Bevölkerung im
  ESF-Fördergebiet im Vergleich zur Gesamtstadt sowie dem Landesdurchschnitt we-
  sentlich höher liegt.

  Wird der Bereich der Kriminalität im Fördergebiet näher betrachtet, können folgende
  Feststellungen für den Zeitraum 01.06.2014 bis 31.05.2016 getroffen werden.22 Im
  Betrachtungszeitraum wurden im ESF-Gebiet 956 Straftaten von 472 im Fördergebiet
  wohnhafter Tatverdächtiger begangen. Dahingegen wurden im gleichen Zeitraum 1705
  Straftaten von 899 außerhalb des Gebiets wohnhafter Tatverdächtiger verübt. Der An-
  teil unter 21-jähriger Tatverdächtiger liegt dabei jeweils bei ca. 18 %. Die Verteilung
  der Herkunft der Tatverdächtigen lässt darauf schließen, dass die Rahmenbedingungen
  im Fördergebiet die Begehung von Straftaten begünstigen. Während sonstige Strafta-
  ten und Roheitsdelikte bei im ESF-Gebiet wohnhaften Tatverdächtigen leicht überwie-
  gen, so begehen außerhalb des Gebiets wohnhafte Tatverdächtige deutlich mehrheit-
  lich Vermögens- und Fälschungsdelikte im Gebiet. Bei Auswertung der Opferstatistik
  bzw. der begangenen Straftaten an Bewohnern und Bewohnerinnen des Fördergebie-
  tes kann festgestellt werden, dass diese am häufigsten, und zwar in rund 40 % der er-
  fassten Fälle, im Bereich der Eigentumsdelikte liegen. Hinsichtlich der Opferstatistik
  erfolgte die Betrachtung unabhängig von der Tatörtlichkeit. Es ist darauf hinzuweisen,
  dass Verkehrsdelikte bei diesen Betrachtungen als unbeachtlich eingeschätzt wurden
  und daher insgesamt keine Berücksichtigung fanden. Zudem wurden Straftaten mit
  unbekannten Tätern lediglich in die Opferstatistik einbezogen.

  20
     Zahlen Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen
  21
     Zahlen kommunale Statistikstelle / Einwohnermelderegister Stadt Görlitz (Stand April 2016)
  22
     Zahlen Polizeidirektion Görlitz / Polizeiliches Auskunftssystem Sachsen - PASS (Stand Juni 2016)

  Stadt Görlitz                                                Juni 2016                                        Seite 12
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2.4 Städtebauliche Lage

Das Image der Stadt Görlitz wird neben der historischen Altstadt vor allem von den
gründerzeitlichen Stadtgebieten der Innen- und Südstadt mit ihrer flächenhaften Aus-
dehnung geprägt. Städtebauliches Hauptmerkmal dieser Stadtteile und damit auch des
ESF-Fördergebietes ist die bereits beschriebene (siehe Kapitel 2.1) geschlossene Block-
randbebauung mit typischer viergeschossiger Bauweise als Mietshäuser in hoher städ-
tebaulicher und baukünstlerischer Qualität. Im Einzelnen ähneln sich dennoch nur we-
nige Gebäude und zahlreiche individuelle Bauten prägen das Gebiet. Nahezu jedes
Hauptgebäude im Fördergebiet ist ein eingetragenes Kulturdenkmal. Kennzeichnend
für das ESF-Gebiet im Speziellen ist die Nähe der Wohnquartiere zu größtenteils brach-
liegenden Industrie-, Gewerbe- und Bahnanlagen, die den Stadtteil umschließen. Im
Zuge der Industrialisierung entstand nördlich des ESF-Gebietes ein großflächiges Wag-
gonbaugelände mit direktem Anschluss an die Staatsbahngleise. Auch entwickelten
sich in diesem Zusammenhang die das Gelände umgebenden Kleingärten, welche sich
nun im nordwestlichen Teil des Fördergebietes befinden.

Im innerstädtischen Bereich gibt es starke Unterschiede im Konsolidierungsgrad der
Quartiere. So sind wesentliche Bereiche der zentralen Innenstadt (Hauptgeschäftsge-
biet) als konsolidiert anzusehen, jedoch zeigen vor allem die Randzonen, darunter ver-
kehrsbelastete Straßen in Bahnhofsnähe oder von der Umstrukturierung des Einzel-
handels betroffene Lagen in der westlichen Innenstadt deutliche Defizite. Hier ist zwi-
schen neu entstandenen Konsolidierungsbedarf, der in Widerspruch zum sehr guten
Sanierungsstand steht (z.B. Landeskronstraße), und noch bestehendem Altbedarf in
Übereinstimmung zum unzureichenden Gebäudesanierungsbestand (z.B. Gobbinstra-
ße, Leipziger Straße, Cottbuser Straße) zu unterscheiden. Fehlende Nutzungen und
damit einhergehend eine allgemein zurückgehende Investitionsbereitschaft der Haus-
eigentümer erschweren jedoch eine Anhebung des Sanierungsbestandes in diesen
Randzonen bzw. im ESF-Fördergebiet. Zwar ist das heutige Stadtbild inzwischen als
gepflegte städtebauliche Besonderheit weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt,
dennoch sind von den 654 erfassten Gebäuden im ESF-Fördergebiet nur 437 saniert,
60 können als teilsaniert charakterisiert werden und 157 Gebäude befinden sich im-
mer noch in einem unsanierten Zustand.23

Ein ähnliches Bild wirft die Situation des Wohnungsleerstandes. Die innerstädtischen
Bereiche bildeten stets den Lebensmittelpunkt der meisten Görlitzer. Mit Entstehen
der Großwohnsiedlungen bzw. industriellen Neubauten während der Vorwendezeit
bestanden für die vorhandenen, durch die Kriegszeit nicht zerstörten Bauten, kaum
Folgenutzungen oder Möglichkeiten zur Erhaltung und Sanierung. Dies führte zu ersten
Leerständen in der Innenstadt und einem zunehmenden negativen Image verschiede-
ner Straßenzüge. Die Wanderungsverluste in der Nachwendezeit ließen schließlich den
Leerstand in der Innenstadt in erheblichem Maße anwachsen. Zwar nimmt der Leer-
stand in den letzten Jahren leicht ab, jedoch liegt immer noch über die Hälfte des ge-
samten Leerstandes der Stadt Görlitz in der Innenstadt und zu wesentlichen Teilen im
ESF-Fördergebiet. Der Wohnungsleerstand wird für das gesamte Stadtgebiet im Ab-

23
     Zahlen Amt für Stadtentwicklung Stadt Görlitz (Stand August 2015)

Stadt Görlitz                                                Juni 2016                            Seite 13
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  stand von zwei Jahren erfasst. Anhand der vorliegenden Daten ist wie nachfolgend
  auch eine gebietsbezogene Aussage möglich.24

                                                                                                    „Innenstadt West /
  (Stand August 2015)                    Stadt Görlitz                      Innenstadt
                                                                                                       Brautwiese“
                                                      Anteil                           Anteil                   Anteil
Anzahl der Gebäude                      3.978                           1.491                           654
   davon saniert                        2.892          73 %             1.039           70 %            437     67 %

Anzahl der Wohnungen                   32.080                         12.515                         6.042
   davon leerstehend                    7.437          23 %            4.062            33 %         2.284      38 %

Fläche des Gebietes                 6.750 ha                           432 ha                       131 ha
   davon Brachflächen                 147 ha            2%              48 ha           11 %         34 ha      26 %

  Die aufgeführten Daten bestätigen das vorab beschriebene Negativimage des Gebietes
  „Innenstadt West / Brautwiese“ als Investitions- und Wohnquartier. Besonders nach-
  teilig wirken sich „Inseln“ aus jeweils mehreren benachbarten, unsanierten und leer-
  stehenden Gebäuden aus. Sie strahlen durch den sowohl visuellen als auch funktionel-
  len Kontrast negativ auf ihre Umgebung aus. Deutlich wird dies beispielsweise am
  Leipziger Platz oder an der oberen Leipziger Straße. Darüber hinaus ist der Stadtteil
  durch einen Mangel an Kultur-, Bildungs- und öffentlichen Einrichtungen sowie Begeg-
  nungsräumen der Stadtteilbevölkerung gekennzeichnet, was wiederum zu einer weite-
  ren sozialen Benachteiligung beiträgt. Trotz einer relativ hohen Einwohnerdichte weist
  das ESF-Gebiet einen Mangel an Grün- und Freiflächen sowie Sportstätten auf. So be-
  sitzt beispielsweise der Brautwiesenplatz trotz seines besonderen Charakters als
  Rundplatz wegen der hohen Verkehrsbelastung keinerlei Aufenthaltsfunktion. Künftig
  wird daher aus städtebaulicher Sicht vorrangig die Grün- und Freiraumentwicklung für
  das westliche Gründerzeitgebiet prägend sein. So stellen insgesamt der schlechte Bau-
  zustand, fehlende Freiflächenangebote und die zunehmende Verkehrsbelastung Prob-
  lembereiche dar. Um die strukturellen Gegebenheiten im betrachteten Stadtteil nach-
  haltig positiv zu gestalten, ist es vor allem notwendig, die ehemals gewerblich und in-
  dustriell genutzten Brachflächen zu entwickeln.25 Die Stadt Görlitz verfolgt dabei zu-
  nehmend die Orientierung auf eine energetische und sozialstrukturelle Stadtsanierung.

  Stadtumbaubedingter Rückbaubedarf wird in der Innenstadt zwar auch gesehen, je-
  doch ist dieser nicht stadtbildwirksam. So sind in der Innenstadt in den letzten Jahren
  mehr als 400 Wohnungen vom Markt genommen worden, davon annähernd ein Drittel
  im Fördergebiet. Dies geschah nahezu ausschließlich durch den Abbruch von mängel-
  behafteten Hinter- und Seitenhäusern und diente der Beseitigung städtebaulicher
  Missstände, was weiterhin fortgesetzt werden soll. Zusätzliches Potenzial hinsichtlich
  der Reduzierung überschüssigen Wohnraumes liegt in der Umnutzung von Vorderhäu-
  sern für gewerbliche Zwecke. Damit lässt sich auch die bereits erwähnte Monostruktur
  der Gebietsnutzung verbessern.

  24
       Zahlen Amt für Stadtentwicklung Stadt Görlitz (Stand August 2015)
  25
       Integriertes Handlungskonzept der Stadt Görlitz „Brautwiesenbogen“ (2015) - EFRE 2014 - 2020

  Stadt Görlitz                                                Juni 2016                                     Seite 14
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2.5 Wirtschaftliche Lage

Die gründerzeitliche Innenstadt war in seiner Entstehungszeit von einer Nutzungsmi-
schung aus Wohnen, Handel und Gewerbe geprägt. Diese Mischung sicherte die Ver-
sorgung mit Waren des täglichen Bedarfs. Arbeitsplätze waren zudem in den umlie-
genden Großbetrieben verfügbar. Das wirtschaftliche Gefüge wandelte sich seit dem
Ende des 20. Jahrhunderts jedoch erheblich. So reduzierte sich die Anzahl der Firmen,
produzierende Unternehmen legten innerstädtische Betriebsteile still, die Anzahl der
Mitarbeiter in den verbliebenen Unternehmen verringerte sich und Handwerksbetrie-
be sowie Einzelhandelsstandorte wurden verdrängt. Das ESF-Gebiet als ehemaliges
Arbeiterquartier verlor damit überwiegend seine einstige Bestimmung und entwickelte
sich zu einem reinen Wohnquartier. Innerhalb der gründerzeitlichen Straßenzüge sind
in den vergangenen Jahren nahezu alle Nahversorgungsmöglichkeiten weggefallen. So
hat beispielsweise die Landeskronstraße ihre Funktion als Nahversorgungszentrum an
neu entstandene Discounter in den Randlagen des ESF-Gebietes (Dresdener Straße,
Pontestraße, Bahnareal) verloren. Damit fand auch eine Schwächung des traditionellen
Quartierszentrums statt. Zwar erhöhte sich das Angebot an Dienstleistungen und neue
Standorte entstanden, jedoch konnten die aufgeführten Veränderungen hierdurch
nicht ausgeglichen werden. Die positive Entwicklung des Dienstleistungssektors kann
anhand der folgenden Darstellung beschrieben werden.26

                                                    Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
          Stand
                                                           am Arbeitsort Stadt Görlitz
       30.06.2005                                  17.468                          entspricht 100 %
       30.06.2010                                  19.923                          entspricht 114 %
       30.06.2015                                  21.714                          entspricht 124 %

Der Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist zum einen auf den er-
wähnten Ausbau des Dienstleistungssektors und zum anderen auf die Etablierung als
Behördenstandort zurückzuführen. Diese Entwicklung ist jedoch erst eine Erscheinung
der letzten Jahre und kann bisher nicht den umfangreichen Rückgang der vorangegan-
genen Jahrzehnte kompensieren. Noch immer wird die gravierend negative wirtschaft-
liche Entwicklung besonders in der westlichen Innenstadt wahrgenommen. Zwar konn-
ten vereinzelt positive Impulse in der Innenstadt hervorgerufen werden, jedoch ist es
noch nicht gelungen, eine Zugwirkung zu entwickeln, welche auch das ESF-Gebiet posi-
tiv beeinflusst. Dies zeigt sich ebenso bei der Betrachtung des Gewerbeleerstandes. So
stehen 53 von 137 und damit ca. 39 % der erfassten Handelsflächen im Fördergebiet
leer.27 Im Zentrum des ESF-Gebiets, vor allem im mit Wohngebäuden bebauten Teil,
zeigt sich mit ca. 56 % leerstehender Handelsflächen ein deutlich negativeres Bild. Erst
langsam ist eine Etablierung vorwiegend kleinerer sowie mittelständischer Unterneh-
men, unter anderem aus dem Bereich der Kreativwirtschaft, im Gebiet erkennbar. Die-
se Tendenzen sind langfristig zu verstärken, um die Entwicklung der westlichen Innen-
stadt nachhaltig voranzutreiben. In Verbindung mit dem seit Jahren eher verhaltenen
Interesse, in gewerbliche Einrichtungen der Innenstadt zu investieren, bleibt festzuhal-
ten, dass im ESF-Fördergebiet ein erheblicher Entwicklungsbedarf besteht.
26
     Zahlen Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen
27
     Zahlen Amt für Stadtentwicklung / Handelsflächeninformationssystem Sachsen (Stand Februar 2015)

Stadt Görlitz                                                Juni 2016                            Seite 15
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