Wenn es bloß Aidswäre - HANDREICHUNG FÜR LEHRKRÄFTE PRÄVENTION VON HIV/ AIDS UND ANDEREN SEXUELL - Kultusministerium

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MINISTERIUM FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT
          MINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALES
            REGIERUNGSPRÄSIDIUM STUTTGART

Wenn es bloß
 Aids wäre...
  HANDREICHUNG FÜR LEHRKRÄFTE

     PRÄVENTION VON HIV/AIDS
       UND ANDEREN SEXUELL
    ÜBERTRAGBAREN KRANKHEITEN
Inhalt

TEXTE UND                                                                                              2.4   Venerische Lymphknotenentzündung . . . 3 3
SEITENZAHLEN                                                                                           2.5   Ulcus molle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 4
IN ROTER FARBE        Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     5     »   3     DURCH VIREN VERURSACHT

VERWEISEN                                                                                              3.1   HIV/Aids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 5
DARAUF, DASS          UMSETZUNG AN SCHULEN                                                             3.2   Hepatitis A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 7
DIE INHALTE                                                                                            3.3   Hepatitis B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 8
VERLINKT SIND.    » Kriterien für die Umsetzung der Prävention                                         3.4   Hepatitis C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 9
                      von HIV/Aids und anderen sexuell                                                 3.5   Humane Papillomaviren . . . . . . . . . . . . . . 4 0
                      übertragbaren Krankheiten an Schulen . . .                             6         3.6   Herpes-simplex-Virus-Infektionen . . . . . . 4 2
                  » Lernzirkel Aids – Allgemeine Hinweise                                          »   4     DURCH TIERISCHE PARASITEN VERURSACHT

                      zur Durchführung an Schulen . . . . . . . . . . .                      7         4.1   Scabies (Krätze) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 3
                  » Eigentlich weiß ich schon, wie ich mich schütze.                                   4.2   Filzläuse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4
                      Aber ... – Prävention, eine ständige                                         »   5     DURCH PROTOZOEN VERURSACHT

                      Herausforderung gerade bei sexuell                                               5.1   Trichomonaden-Infektion . . . . . . . . . . . . 4 5
                      aktiven Schülerinnen und Schülern . . . . . . .                        9         5.2   Amöbenruhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 6
                  » Es wird schon nichts passiert sein . . . . . . . . . .                 13      »   6     DURCH PILZE VERURSACHT

                  » Sexuell übertragbare Erkrankungen                                                  6.1   Candidose (Pilzinfektion) . . . . . . . . . . . . . 4 7
                      Anregungen für die Arbeit
                      mit Schülerinnen und Schülern . . . . . . . . . . 1 4                            GLEICHGESCHLECHTLICHE ORIENTIERUNG

                  » Rollenspiel – Training
                      zur Vorbeugung von Aids,                                                         Die vier Phasen der Bewusstwerdung
                      sexuell übertragbaren Krankheiten                                                Besondere Bedingungen für Menschen
                      und ungewollter Schwangerschaft . . . . . . . . 1 8                              mit gleichgeschlechtlicher Orientierung . . . . 4 8
                  » Anweisung für das Rollenspiel . . . . . . . . . . . .                  19
                  » Schulgesetz – Familien- und Geschlechts-                                           ERFAHRUNGSBERICHTE

                      erziehung in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . 2 0
                                                                                                       Schwul und an Aids erkrankt . . . . . . . . . . . . .                  50
                      BASISINFORMATION                                                                 Sex, Alkohol und Drogen . . . . . . . . . . . . . . . . .              51
                                                                                                       Einmal ohne Kondom war einmal zuviel . . . .                           53
                  » Der HIV-Test            . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25       Positiv? Positiv ! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   54

                  » STI-Info zu sexuell übertragbaren Krank-                                           KONTAKTE

                      heiten – Informationen für Lehrkräfte . . . . 2 7
                      1     Grundlegende Informationen . . . . . . . . 2 8                             Hilfsangebote und Informationsstellen . . . . . 5 5
                  »   2     DURCH BAKTERIEN VERURSACHT                                                 Aids-/STI-Beratungsstellen der
                      2.1   Chlamydien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 9               Gesundheitsämter in Baden-Württemberg . . 5 8
                      2.2   Syphilis (Lues) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 0                Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2
                      2.3   Tripper (Gonorrhö) . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2                     Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3
                                                                                                       Kurz erklärt – Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . 6 4

              4
Einleitung

   In den letzten Jahren hat sich bei Jugendlichen,        Das Autorenteam setzte sich, wie bereits erwähnt,
wie es scheint, eine Einstellung zu HIV/Aids entwi-        aus unterschiedlichen Berufsgruppen zusammen,
ckelt, die zwischen Ignoranz und Unwissen angesie-         weshalb sich die Beiträge stark unterscheiden.
delt ist. Sie glauben, über das HI-Virus gut informiert    Wir haben gemeinsam beschlossen, dies auch so zu
zu sein, wissen aber zum Beispiel nichts über andere       belassen und nicht zwanghaft eine gemeinsame Spra-
sexuell übertragbare Krankheiten.                          che zu suchen. Der Stilmix ist ein Spiegelbild der
   Laut dem Robert Koch Institut beträgt die HIV-          Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen und
Prävalenz bezogen auf die Gesamtbevölkerung ca.            wir empfinden ihn als gewinnbringend für alle Be-
0,06% und diejenige bezogen auf die 20- bis 50-jährige     teiligten.
erwachsene Bevölkerung 0,1%. Diese Zahlen beein-               Mit dieser Handreichung möchten wir neueste
drucken viele Jugendliche nicht mehr. Dies führt           Fakten vermitteln – auch zum Thema STI (sexually
letztlich zu der fatalen Einstellung, dass keine Schutz-   transmitted infections). Zum Thema HIV/Aids wurde
maßnahmen mehr notwendig seien.                            eine Unterrichtseinheit für Gymnasien erarbeitet, die
   Andere sexuell übertragbare Erkrankungen sind           auf dem Landesbildungsserver zur Verfügung steht
im Bewusstsein der Jugendlichen noch weniger prä-          und hier nur kurz vorgestellt wird. Hinweise und
sent. Daher ist der nachlassende Kondomgebrauch            Möglichkeiten, das Thema auch mit älteren Schüler/-
zur Verhütung auch insofern bedenklich, als sie den        innen anzusprechen, auch unter dem Aspekt Verhü-
besten Schutz gegen weitere Geschlechtskrankheiten         tung und Drogen, finden sich ebenso wie ein Artikel
darstellen, die in der Ausbreitung wieder zunehmen.        zur gleichgeschlechtlichen Orientierung. Ferner war
                                                           es uns wichtig, Ihnen eine Liste von Ansprechpart-
   In der Schule, in Gesprächen mit Jugendlichen           nerinnen und Ansprechpartnern zur Verfügung zu
erfahren wir, welches Wissen über die Zusammen-            stellen, an die Sie sich bei Fragen wenden können
hänge tatsächlich vorhanden ist. Aus den Erfahrungen       und die gemeinsam mit Ihnen Unterrichtseinheiten
von Lehrkräften, Ärztinnen und Ärzten sowie Berate-        zu den Themen Sexualerziehung und HIV/Aids/STI
rinnen und Beratern in den Aids-/STI-Beratungsstel-        erarbeiten und durchführen.
len über den Informationsstand der Jugendlichen                Diese Zusammenarbeit kann für Sie sehr ent-
und der Schwierigkeit, Faktenwissen zu vermitteln,         lastend sein, denn es ermöglicht ein Arbeiten mit
entstand diese Handreichung für Lehrkräfte.                kleineren und nach Geschlechtern getrennten Grup-
                                                           pen, was auch von den Schülerinnen und Schülern
   Alle Mitglieder des Autorenteams haben Erfah-           als angenehmer empfunden wird.
rung darin, Inhalte der Sexualerziehung und Fakten-
wissen zu HIV/Aids und sexuell übertragbaren                                                  Corinna Ehlert
Krankheiten an Jugendliche zu vermitteln. Gemein-                   Ministerium für Kultus, Jugend und Sport
sam erarbeiteten sie diese Broschüre zur Unterstüt-                                      Baden-Württemberg
zung der Bearbeitung dieser Themen im Unterricht.
Für diese engagierte und unkomplizierte Zusammen-                                            Johanna Körber
arbeit möchten wir uns an dieser Stelle ganz herzlich                          Regierungspräsidium Stuttgart
bedanken.                                                                              Landesgesundheitsamt

                                                           ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS                           5
Umsetzung an Schulen

                         Grußwort
                         Kriterien
                          FÜR DIE UMSETZUNG DER PRÄVENTION VON HIV/AIDS UND
                          ANDEREN SEXUELL ÜBERTRAGBAREN KRANKHEITEN AN SCHULEN

                       » Mut statt Angst machen                          » Botschaften durch Gestaltung
                          Statt durch negative Darstellung Angst            transportieren
                          zu verbreiten, soll das Selbstvertrauen           Informationen, die ins Bild übersetzt
                          und das Bewusstsein gestärkt werden,              sind, werden schneller erfasst und
                          dass es der eigenen Verantwortung obliegt.        bleiben haften.

                       » Alle Sinne ansprechen                           » Konkretes statt Abstraktes vermitteln
                          Sind mehrere Sinne an der Informations-           Komplexe abstrakte Zusammenhänge
                          aufnahme beteiligt, ist die Chance größer,        müssen so vermittelt werden,
                          dass sie Aufmerksamkeit erregen und im            dass sie klar und verständlich werden.
                          Gedächtnis bleiben.
                                                                         » Weniger ist mehr
                       » Beziehung zum Thema herstellen                     Sich auf wesentliche Aussagen
                          Informationen, die als persönlich bedeut-         beschränken, die leicht verstanden
                          sam, interessant und wichtig eingeschätzt         und besser behalten werden.
                          werden, gelangen eher ins Gedächtnis.
                                                                         » Botschaften
                       » Rollen- und Perspektivwechsel ermöglichen          auf spielerische Weise vermitteln
                          Eine neue Sichtweise ermöglicht einen             Spiel aktiviert und motiviert –
                          anderen Zugang und damit mehr Verständnis         schafft damit günstige Voraussetzungen
                          für eine Sache.                                   für Lernprozesse.

                       » Soziale Interaktion anregen                     » Eigenes Entdecken möglich machen /
                          Menschen, die gemeinsam etwas erarbeiten          am Erkenntnisprozess beteiligen
                          oder über etwas sprechen, reflektieren            Das selbständige Erkunden fördert
                          die Informationen und setzen sich intensiver      den Lernprozess.
                          damit auseinander.
                                                                                                   Angelika Mächtle

                  6                                                      ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS
Umsetzung an Schulen

                                                                 Lernzirkel Aids
                                             ALLGEMEINE HINWEISE ZUR DURCHFÜHRUNG AN SCHULEN

                                                                                                              Beispielseiten
   ALLGEMEINE HINWEISE
                                                                                                              aus dem
                                                                                                              LERNZIRKEL
                                                                                                              AIDS
   Die Zielsetzung des Unterrichtsthemas Aids und
HIV richtet sich inhaltlich an den Bildungsstandards
für Klasse 7/8 an Gymnasien Der Körper des Menschen
und seine Gesunderhaltung aus. Einzelne Stationen
können gegebenenfalls auch in den anderen Schul-
arten entsprechend angepasst verwendet werden.
Wie Viren Infektionskrankheiten auslösen, wie eine
Infektionskrankheit verläuft, welche Rolle die Immun-
antwort spielt und welche Gefahren und Schutzmög-
lichkeiten sich im Zusammenhang mit einer HIV-
Infektion ergeben, sind die zentralen fachlichen Kom-
petenzen in diesem Zusammenhang.
   Gleichzeitig hat der Biologieunterricht in dieser
Klassenstufe aber auch noch in anderer Hinsicht
entscheidende Bedeutung. Diese liegt im Erleben der
eigenen Pubertät, dem Verstehen der körperlichen
Zusammenhänge und dem Nutzen dieses Verständ-
nisses für den Umgang mit sich selbst und anderen –
kurz gefasst: den personalen und sozialen Kompeten-
zen. Aids als sexuell übertragbare Krankheit schafft
in genau diesem Bereich Ängste.
   Ziel muss es sein, den Schülerinnen und Schülern
auf der Basis modernen Fachwissens Anregungen
für ein selbstverantwortliches, gesundheits- und ge-
schlechtsbewusstes Handeln zu vermitteln, das ihnen
später erlaubt, erwachsen mit der eigenen Sexualität
umzugehen.
   Eine derartige Ich-Stärke lässt sich kaum im
Lehrer-Schüler-Gespräch allein erreichen, sondern       licher Inhalte auch Anlässe für Gespräche in der
bedarf anderer Möglichkeiten der Auseinanderset-        Kleingruppe zu bieten. Die Lehrerin oder der Lehrer
zung mit dem Thema. Offene Unterrichtsformen            bleibt im Hintergrund, zeigt sich bei Bedarf mit
wie Gruppenarbeit, Lernzirkel oder Gruppenpuzzle        seiner Fachkompetenz, moderiert und bereitet eine
ermöglichen den Schülerinnen und Schülern die           Sicherung der Ergebnisse (s.u.) vor.
Erarbeitung des Themas Aids und HIV in eigener             Vor der Durchführung des Lernzirkels müssen
Verantwortung und im Kontakt untereinander.             die Eltern über die Inhalte und die Vorgehensweise
Dabei ist es sinnvoll, neben der Vermittlung fach-      informiert werden.

                                                        ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS                         7
Umsetzung an Schulen
 LERNZIRKEL AIDS
  Allgemeine Hinweise
      zur Durchführung
            an Schulen

                               ZUR AUSWAHL DER INHALTE                               ZUR DURCHFÜHRUNG UND AUSWERTUNG

                               Die Auswahl der Inhalte für den vorgestellten         Die vorgestellten Stationen stellen ein sehr reich-
                         Lernzirkel zum Thema Aids und HIV sieht in Form         haltiges Programm dar, was in den meisten Fällen
                         der einzelnen Stationen (siehe Material) folgender-     einen zu hohen Zeitaufwand erfordern würde. Deut-
                         maßen aus:                                              lich wird empfohlen, eine Auswahl zu treffen. Eine
                                                                                 Durchführung des Unterrichtes mit 5 bis 6 Pflicht-
                         1.    Viren – winzig klein                              stationen (1 / 3 / 5 / 6 / 7 ) und 2 bis 3 Wahlstationen
                         2.    Viren lassen leben                                benötigt ca. 4 Unterrichtsstunden (mehrfach erprobt).
                         3.    Begriffe: Aids und HIV                            Zusätzlich ist eine Auswertungsstunde einzuplanen.
                         4.    Aids – die weltweite Seuche                       Besondere Aufmerksamkeit sollte bei dieser offenen
                         5.    Zum Krankheitsverlauf                             Unterrichtsmethode der Auswertung und Sicherung
                         6.    HIV – ein Virus im Immunsystem                    korrekter Ergebnisse gegeben werden. Für die Pflicht-
                         7.    Infektionsrisiken                                 stationen ist ein ordentlicher Hefteintrag anzuferti-
                         8.    Safer Sex… sicher                                 gen, bzw. die Bearbeitung der Arbeitsblätter (siehe
                         9.    Risikogruppen                                     Material). Es bietet sich an, Schülerinnen und Schüler
                         10.   Liebe in Zeiten von AIDS                          mit richtigen Ergebnissen einzelner Stationen eine
                         11.   Zum Gebrauch von Kondomen                         Musterlösung auf Folie anfertigen zu lassen, an der
                         12.   Aids-Werbung                                      andere Schülerinnen und Schüler ihre eigene Lösung
                         13.   Botschaft von »Magic« Johnson                     kontrollieren. Diese Folie eignet sich dann auch für
                         14.   Aidskranke Kinder                                 nachfolgende Schülervorträge oder Unterrichtsgesprä-
                                                                                 che im Plenum.
                               Während die Stationen 1 bis 8 eher die fachli-        Die Durchführung als Lernzirkel entspricht dem
                         chen Inhalte vermitteln, liefern die Stationen 9 bis    ursprünglichen Gedanken bei der Entwicklung dieser
                         14    Gesprächsanlässe und die Möglichkeit von Spiel-   Unterrichtseinheit. Alternativen erscheinen jedoch
                         handlungen. Angemerkt wird, dass das Thema              durchaus möglich. Eine Durchführung als Lernstraße
                         Behandlung fehlt. Dabei können nicht die zahlrei-       hätte den Vorteil einer logischen Reihung der Inhalte
                         chen Therapien zur Sprache kommen, sondern die          mit dem Nachteil hohen Materialaufwandes.
                         Tatsache, dass die heutigen Behandlungsmöglich-         Bei einer Auswahl einzelner Stationen (zum Beispiel
                         keiten bewirken, dass HIV i. d. R. nicht mehr sicht-    Pflichtstationen 1 / 2 / 5 / 6 ) für ein arbeitsteiliges
                         bar ist. Außerdem sollten Nebenwirkungen und            Gruppenpuzzle müssten weitere Inhalte auf anderem
                         andere im Zusammenhang mit den Medikamenten             Wege erarbeitet werden.
                         stehende Schwierigkeiten (zum Beispiel Aufbewah-                                                  Philipp Strack
                         rung im – gemeinsamen – Kühlschrank) thematisiert
                         werden. Der Bereich sozialer und personaler Kompe-      Die entsprechenden Unterlagen finden Sie auf dem
                         tenzen sollte durch Rollenspiele o.ä. ergänzt werden.   Bildungsserver des Ministeriums für Jugend, Kultus
                                                                                 und Sport Baden-Württemberg unter der Adresse:
                                                                                     http://www.schule-bw.de/unterricht/faecher
                                                                                     uebergreifende_ themen/umwelterziehung/aids

                    8                                                            ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS
Umsetzung an Schulen

                                                                             Eigentlich...
                  WEISS ICH SCHON, WIE ICH MICH SCHÜTZE. ABER... | PRÄVENTION – EINE STÄNDIGE
                  HERAUSFORDERUNG GERADE BEI SEXUELL AKTIVEN SCHÜLERINNEN UND SCHÜLERN

   Jede Schülerin/jeder Schüler, regelmäßiger Schul-       Manch gut gemeinte Unterrichtseinheit läuft des-
besuch vorausgesetzt, könnte beim Durchlaufen sei-      halb Gefahr, statt der erwarteten Interessiertheit oder
ner/ihrer Schulkarriere sowohl über das notwendige      Begeisterung auf Widerstand zu stoßen. Das Anspre-
Wissen wie auch über praktische Kompetenz verfü-        chen von STI und Aids ist nicht zwangsläufig in die-
gen, sich sowohl vor Geschlechtskrankheiten als auch    ser Alterstufe ein Selbstläufer.
vor HIV zu schützen. Zumal auch Öffentlichkeits-           Hat die Krankheit Aids in manchen Bevölke-
kampagnen seitens BZgA und Aidshilfen im Alltag         rungskreisen dank wirksamer Behandlungsmöglich-
hin und wieder zum Schutz vor sexuell übertragbaren     keiten in der westlichen Welt ihren Schrecken ver-
Krankheiten und HIV ermutigen. So müsste man            loren (»Ist doch eigentlich gar nicht so schlimm«) , so
sich in Oberstufe und Berufsschule diese nicht ganz     stellt für andere HIV immer noch ein Synonym für
einfachen Kapitel menschlicher Lebensvollzüge spa-      Tod dar (»Besser nicht dran denken«) .
ren können.                                                Lässt man dennoch Schülerinnen und Schüler im
                                                        Unterrichtsgespräch ihr vorhandenes Wissen zu HIV/
» Als wir Aids in der 6. Klasse besprochen haben,       STI zusammentragen, so tut sich neben »Experten-
   hat es mich nicht sonderlich interessiert …          wissen« solcher, die sich in Projekten oder im Ehren-
   Wenn mein kleiner Bruder aus dem Bio-Unterricht      amt intensiv mit dieser Materie auseinandergesetzt
   danach heimkommt, hat er einen knallroten Kopf       haben, viele un- oder halbverdaute Wissensbrocken
   und grinst verlegen. «                               und noch viel mehr Unsicherheit auf. Bei manchen
                                                        kann aber auch pure Unwissenheit zutage treten,
                                                        was nicht zwangsläufig auf ein Nichtbehandeln die-
   ÜBERLEGUNGEN ZUR BEHANDLUNG                          ser Themen schließen lässt. Das vermittelte Wissen
   VON AIDS UND STI IM UNTERRICHT                       konnte sich nicht in den Gedächtnissen der jungen
                                                        Menschen festsetzen und somit auch nicht umgesetzt
   Die Thematisierung solcher Fragestellungen ist       werden.
bei zunehmend selbst erlebter Sexualität und prakti-       Nicht selten wird die eventuell gemeinsam mit
scher Erfahrung junger Menschen zunächst einmal         HIV-positiven Menschen benutzte Kaffeetasse, das
nicht sonderlich beliebt. Befürchten diese nicht sel-   Angeniestwerden in der S-Bahn zum größeren Infek-
ten, ihnen solle durch ein schulmeisterliches »Pass     tionsrisiko erklärt als der ungeschützte Geschlechts-
bloß auf« der »Spaß« verdorben werden. Manche hof-      verkehr mit dem/der Sexualpartner/in, weil man den/
fen durch eine »Was ich nicht (so genau) weiß, macht    die Bettgenossen/in, den »One-Night-Stand« einmal
mich nicht…«-Mentalität, sich das Thema samt Erreger    ausgenommen, schließlich kennt.
vom Leib halten zu können.                                 Meist kippt die heruntergespielte eigene Gefähr-
   Die Erinnerung an selbstverantwortliches Handeln     dung im Verlauf eines solchen Gespräches, große Ver-
wird als lästig empfunden. Angenehmer erscheint es,     unsicherung macht sich breit. Manche würden sich
in die Rolle des/der »Coolen« zu schlüpfen und sich     am liebsten augenblicklich einem Test oder einer
gar als »sexuell kompetent und attraktiv« vor anderen   Untersuchung auf STI unterziehen, da die eingegan-
zu profilieren.                                         genen Risiken nun bewusst werden.

                                                        ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS                             9
Umsetzung an Schulen
      EIGENTLICH…
         Prävention –
     Herausforderung
           gerade bei
      sexuell aktiven
       Schüler/innen

                           Wirksame und nachhaltige Prävention erschöpft        halten von Jugendlichen oder schlicht durch das
                        sich deshalb auch nicht allein in der Vermittlung von   Mitbringen eines Kondoms geschehen.
                        Faktenwissen, sondern erfordert »Empowerment«              Ist das Thema gesetzt und beschäftigen sich die
                        und Handlungskompetenz und gründet in der Wert-         Schülerinnen und Schüler mit dem Thema Sexuell
                        schätzung der eigenen Person und der Befähigung,        übertragbare Erkrankungen , dann sind deren unzen-
                        diese auch in den intimsten Bereichen selbstbewusst     sierte Reaktion und Äußerungen eine gute Gelegen-
                        umzusetzen: »Ich bin es mir wert, mich und andere zu    heit für sie, miteinander ins Gespräch zu kommen.
                        schützen.«                                              Möglicherweise sind Äußerungen »Selber schuld!
                           Deshalb ist es keinesfalls vergebene Liebesmüh’      Hätte sie/er ...« der Einstieg für die Reflexion von
                        auch und gerade bei sexuell aktiven Schülerinnen        eigenem Präventionsverhalten.
                        und Schülern, diese Themen erneut aufzuwerfen.             Bei aufkommenden Sachfragen und Unsicherhei-
                        Schwerpunkt der Behandlung von STI und Aids             ten zum Beispiel von Infektionsrisiken sollte, so vor-
                        sollte dabei weniger die Biologie als die Umsetzung     handen, auf die Kompetenz kundiger Schülerinnen
                        eigener Selbstwertschätzung sein, damit die Lust am     und Schüler und ihr Expertenwissen zurückgegriffen
                        Leben lebenslang unbeschwert genossen bzw. sogar        werden. Auch Halbwissen oder auch Fehlinformatio-
                        gesteigert werden kann.                                 nen Einzelner sind als »wertvolle« Beiträge nutzbar,
                           Dabei ist es wichtig, dass Schülerinnen und          um im Gespräch die Fakten erarbeiten zu lassen.
                        Schüler durch das Unterrichtsarrangement nicht dazu        Der Vorteil dieser Vorgehensweise besteht im
                        verführt werden, »Intimstes« unbedacht im Klassen-      Gegensatz zum medial gestützten, ausgearbeiteten
                        verband preiszugeben.                                   Referat von Schülerinnen- bzw. Schüler- oder Lehre-
                           Im folgenden werden Essentials dargestellt, die      rinnen- bzw. Lehrerseite darin, dass jede und jeder
                        bei einer erneuten Thematisierung unbedingt zur         gefordert ist und sich nicht so leicht gelangweilt
                        Sprache gebracht werden sollten bzw. worauf es sich     ausklinken kann. Der Wissenstand einer und eines
                        empfiehlt, vorbereitet zu sein.                         Jeden ist gefragt, wird aktiviert und gegebenenfalls
                                                                                korrigiert. Nur berieselt werden ist nicht!
                                                                                   Möglicherweise braucht es hin und wieder moti-
                        1. »ICH BIN ES MIR WERT,                                vierende Impulse, wobei diese Art der Fragestellung
                           MICH UND ANDERE ZU SCHÜTZEN.«                        sich fast immer als Selbstläufer erweist und lediglich,
                                                                                wenn überhaupt, eine Moderatorin bzw. ein Modera-
                           Ein erneutes sinnvolles Ansprechen von Präven-       tor benötigt wird, die/der auch aus dem Kreis der
                        tionsfragen wird erleichtert, wenn das Thema unver-     Schülerinnen und Schüler gewonnen werden kann.
                        mittelt durch ein zündendes Medium in den Raum             Sollte der Gesprächsgang erlöschen und Impulse
                        gestellt wird. Dies kann durch einen Aufklärungsspot    nötig werden, ist darauf zu achten, dass Schülerinnen
                        von BZgA oder Aids-Hilfe, durch Geschichten einer       und Schülern die Möglichkeit gelassen wird, sich und
                        Neuinfektion einer oder eines Betroffenen aus der       ihre persönliche Intimsphäre zu schützen. Zu persön-
                        Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler,        liche Fragen, »Wie halten Sie es mit dem Schutz bei…«
                        oder einen Zeitungsartikel über das Präventionsver-     sind absolut tabu.

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Umsetzung an Schulen
                                                                                                                         EIGENTLICH…
                                                                                                                         Prävention –
                                                                                                                         Herausforderung
                                                                                                                         gerade bei
                                                                                                                         sexuell aktiven
                                                                                                                         Schüler/innen

   Die Freundinnen/Freunde-Frage führt weiter:                  Dazu kann folgender Fall konstruiert werden:
» Ihre Freundin ist verliebt in einen netten Typen und      » Ihr Freund hat eine feste Freundin. Sie haben Treue
hofft auf ein romantisches Abenteuer vielleicht auf mehr,   bzw. Verhütung bei Sexualkontakten mit Dritten
sie ist unsicher, ob sie das Thema Schutz ansprechen        miteinander vereinbart. Bei einer Party »passiert« ihm
kann, fürchtet, der Typ könnte dann… Sie fragt Sie nach     ein »ungeschützter« Seitensprung. – Wenn er am nächsten
Ihrer Meinung. « Der/die Unterrichtende sollte sich         Tag voller Reue sich einem HIV-Test unterzieht, wie
für solch eine Unterrichtseinheit mit Grundinforma-         lautet das Testergebnis? – Wie infektiös ist er für seine
tionen über Infektionsrisiko, Verbreitung und Krank-        Freundin beim ungeschützten Verkehr? – Er kommt zu
heitsverlauf präpariert und diese gegebenenfalls in         Ihnen und bittet Sie um Rat, was er nun tun soll. «
Form von Folien etc. (Lernzirkel Aids) zur Hand haben.      (Der HIV-Test ist negativ, da er erst nach drei Mona-
   Fragen, die niemand kompetent beantworten                ten aussagekräftig ist. Sollte der Freund frisch infiziert
kann, werden als Arbeitsauftrag an Schülerinnen und         sein, sind noch keine Antikörper nachweisbar,
Schüler vergeben.                                           obwohl eine HIV-Infektion vorliegt und er schon
   Um Schülerinnen und Schüler bei einer möglichen          nach wenigen Tagen hochinfektiös sein kann. –
Verunsicherung nicht alleine zu lassen, empfiehlt es        Mittlerweile ist es auch möglich, einen Antigentest
sich, einen Merkzettel bereitzuhalten, auf dem wei-         (PCR-Test) zwei bis drei Wochen nach Risikokontakt
terführende Links und zum Beispiel die www.aids-            durchzuführen, der den direkten Nachweis von HI-
beratung.de, die umliegenden Aids-Hilfen sowie die          Viren ermöglicht. Jedoch bietet auch hier ein negati-
Aids-/STI-Beratungsstellen der Gesundheitsämter mit         ver Test keine Sicherheit, dass keine Infektion vor-
Testmöglichkeit aufgeführt sind.                            liegt – s.o. Diese Tests sind zudem teuer und werden
                                                            nur in Ausnahmefällen von der Krankenkasse finan-
                                                            ziert).
2. »AIDS SIEHT MAN NICHT!« – HIV-TEST                           Weiter sollte angesprochen werden:
                                                            »   Wo ist ein HIV-Test möglich?
   Schülerinnen und Schülern wird die Folie »Ver-           »   Wann ist ein HIV-Test sinnvoll?
lauf einer HIV-Infektion« (Lernzirkel Aids/Station 5        »   Was spricht für einen Test, was dagegen?
»Zum Krankheitsverlauf« sowie das Material zu Sta-          »   Welche Konsequenzen hat dies
tion 5) vorgelegt, und sie werden um deren Inter-               für das weitere Verhalten?
pretation gebeten.
   Die Virenkonzentration steigt zu Beginn einer                Eine Testung nach einer Risikosituation ist erst
Infektion sprungartig an und erreicht einen Level,          nach ca. drei Monaten aussagekräftig.
der dem im Vollbild Aids vergleichbar ist, während              Auf die Möglichkeit einer anonymen Testung und
die Immunantwort noch aussteht, d. h. durch einen           Beratung durch die Gesundheitsämter sollte gezielt
gewöhnlichen Antikörpertest nicht nachgewiesen              hingewiesen werden.
werden kann.                                                    Diese Form der Testung hat den Vorteil, dass im
                                                            Gegensatz zur Hausarztpraxis, die dort Tätigen aus-
                                                            gebildet sind, auf eventuell positive Testergebnisse

                                                                                                                         11
Umsetzung an Schulen
      EIGENTLICH…
         Prävention –
     Herausforderung
           gerade bei
      sexuell aktiven
       Schüler/innen

                        angemessen zu reagieren und für die Betroffenen            Therapie (ART bzw. HAART) genannt, hat in den
                        hilfreiche Organisationen und Aidshilfen weiterzu-         westlichen Industrieländern deutliche Fortschritte
                        vermitteln. So wird verhindert, dass zum Schock des        gemacht. Lebensqualität und Lebenserwartung von
                        positiven Testergebnisses die bittere Erfahrung von        Menschen mit HIV und Aids wurden erheblich
                        Stigmatisierung gemacht wird.                              verbessert. Ein Heilmittel gegen HIV gibt es jedoch
                                                                                   nicht.

                        3. »WER AIDS HAT, IST...«                                      Folgende Fakten für ein HIV-positives Leben
                                                                                   sollten herausgehoben werden.
                            Folgendes Gedankenexperiment kann mit Schüle-          »   Sehr konsequent einzuhaltende und deshalb
                        rinnen und Schülern durchgeführt werden:                   oftmals sehr lästige Medikamenteneinnahme bei
                                                                                   fortschreitender HIV-Infektion.
                        » Stellen Sie sich vor, in Ihre Klasse kommt eine neue     »   Mögliche Nebenwirkungen, die sich über unan-
                        Schülerin /ein neuer Schüler. Die /der ist ganz okay,      genehm bis zu die Lebensqualität erheblich beein-
                        passt gut in die Klasse, findet sich gut zurecht…          trächtigend erstrecken können, manche sind zudem
                        Eines Morgens, es geht um Klassenangelegenheiten,          sichtbar und werden von Betroffenen als stigmatisie-
                        meldet er /sie sich. »Hört mal alle her, ich möchte Euch   rend empfunden.
                        etwas sagen, denn ich habe keine Lust mehr, immer          »   Wer sich mit resistenten Erregern infiziert, hat
                        aufzupassen, dass ich mich nicht verquatsche. Ich bin      viele Behandlungsoptionen nicht mehr.
                        HIV-positiv.«
                            Was schießt Ihnen jetzt durch den Kopf ?
                        Das gemeinsame Trinken aus der Sprudelflasche gestern?         LEBEN MIT AIDS/STI

                        Wo hat sie das her? Von ihm hätte ich das zuletzt              IST DER BESTE SCHUTZ DAVOR

                        gedacht?«
                            Überlegen Sie, was dieser Person im Umgang jetzt           Der beste Schutz vor Aids ist, wenn alle mit Aids
                        gut tun würde. Würden Sie solch eine Vorgehensweise        und STI leben, das heißt sie nicht in irgendwelche
                        Ihrer positiven Freundin /ihrem positiven Freund           Risikogruppen abschieben und/oder mit einem
                        empfehlen? Diskutieren Sie die Gründe! «                   speziellen Lebenswandel in Verbindung bringen
                                                                                   (Schwulen, Prostituierten, »Matratzen«). Leben mit
                            Mögliche weitere Impulse:                              Aids/STI heißt dann aber auch, sich und andere zu
                        »   Welche Chancen hat ein an einer chronischen            schützen.
                        Infektionskrankheit leidender Mensch auf dem                                                      Martina Link
                        Arbeitsmarkt?
                        »   Auch dominiert bei vielen Schülerinnen und
                        Schülern die Vorstellung »Bei einem positiven Test-
                        ergebnis kann ich mir gleich die Kugel geben« .
                        Die Behandlungsmöglichkeit von HIV mittels Kom-
                        binationstherapie, auch (hochaktive) antiretrovirale

                  12                                                               ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS
Umsetzung an Schulen

                         Es wird schon nichts passiert sein

    Melanie hat ihre erste Stelle als Dolmetscherin      Alters zu. Frauen tun sich im Übrigen auch schwerer
bei einem international operierenden Konzern ange-       gegenüber einem festen Partner auf Kondomen zu
treten. Das Glück war perfekt, als sich ein Kollege in   bestehen. Es fällt ihnen viel leichter, in einer flüchti-
sie verliebte. Der schlug nach einiger Zeit vor, sich    gen Beziehung, zum Beispiel im Urlaub, die Verwen-
auf HIV testen zu lassen und ging auch mit gutem         dung eines Kondoms zu verlangen.
Beispiel voran. Melanie war beeindruckt von soviel       »   FRAGEN:   Stellen Sie sich vor, wie es Melanie nach
Verantwortungsbewusstsein und entschloss sich eben-          der Diagnose geht? Inwiefern könnten Freundin-
falls, einen HIV-Antikörper-Test machen zu lassen.           nen und Freunde helfen? Phantasieren Sie, wie es
Nun sitzt sie im Wartezimmer einer Aids-/STI-Bera-           Melanie nach einigen Jahren gehen wird?
tungsstelle eines Gesundheitsamtes und wartet auf
das Testergebnis.                                            Nach der Diagnose bricht für Melanie eine Welt
»   FRAGE:   Überlegen Sie, welche Gedanken könnten      zusammen. Die Angst, von den anderen ausgegrenzt
Melanie im Wartezimmer durch den Kopf gehen?             zu werden, ist besonders groß. »Was sage ich meinem
                                                         Freund, der ja gleichzeitig mein Kollege ist? Was wird
    Als sie die Diagnose »HIV-positiv« erfährt, kann     passieren, wenn es die anderen Kollegen am Arbeits-
sie zunächst überhaupt nicht mehr sprechen. Die          platz erfahren?« Die Beraterin in der Aids-/STI-Bera-
Beraterin begleitet sie durch das Schweigen. Melanies    tungsstelle des Gesundheitsamtes gibt ihr die Adresse
Gedanken kreisen um ihre Studienzeit. Sie hatte be-      einer Aids-Hilfe in ihrer Nähe, wo sie andere Betrof-
reits während der Ausbildung viele Auslandsaufent-       fene treffen und sich austauschen kann. Sie informiert
halte, um ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen. In die-    Melanie aber auch über die medizinischen Möglich-
ser Zeit lernte sie einen jungen Mann kennen, mit        keiten und darüber, dass die heute möglichen Kom-
dem sie eine Beziehung einging. Kondome waren nie        binationstherapien ein Leben mit HIV über viele
ein Thema. Melanie nahm die Pille. Die Angst vor         Jahre möglich machen. Die Beraterin betont aber
einer Schwangerschaft war präsent. Auf die Idee, sich    auch, dass das Virus lebenslang im Körper bleibt,
vor HIV und anderen sexuell übertragbaren Krank-         eine Heilung also nicht möglich ist. Außerdem wird
heiten zu schützen, kam sie nicht.                       Melanie auf die HIV-Schwerpunktpraxen hingewiesen.
»   FRAGE:   Wie schätzen Sie Melanies Verhalten ein?    Trotz dieser Hilfen braucht Melanie Monate, sich von
                                                         diesem Schock zu erholen. Sie weiht nur ihre engsten
    DER VORWURF, »SELBST SCHULD ZU SEIN«                 Freundinnen ein.
                                                             Es dauert sehr lange, bis Melanie ihr Leben mit
    Melanie macht sich große Vorwürfe, selbst an         HIV akzeptieren kann. Seelische Tiefs bleiben aber
ihrer Infektion Schuld zu sein. Ihr Verhalten ist aber   auch später nicht aus. Es hat sich als ziemlich schwie-
durchaus üblich. Am Beginn einer Beziehung werden        rig herausgestellt, einen festen Partner zu finden.
häufig Kondome verwendet. Nach einiger Zeit, wenn        Sie wird immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert.
die Frauen ihren Partner besser kennen, werden die       Trotzdem ist sie fest entschlossen, ihr Leben mit HIV
Kondome einfach weggelassen, ohne dass zuvor ein         in den Griff zu bekommen. Sie lebt bewusster und
HIV-Antikörper-Test gemacht wurde. Die Frauen neh-       gesünder als früher, um ihr Immunsystem zu stärken.
men die Pille, um sich vor einer ungewollten Schwan-     Melanie engagiert sich wieder voll im Beruf und nutzt
gerschaft zu schützen. Dies trifft auf Frauen jeden      ihren Urlaub, um die Welt zu sehen.

                                                         ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS                               13
Umsetzung an Schulen

                           Sexuell übertragbare Erkrankungen
                           ANREGUNGEN FÜR DIE ARBEIT MIT SCHÜLERINNEN UND SCHÜLERN

                           Sexuell übertragbare Erkrankungen laufen in der        »   RECHTZEITIGE BEHANDLUNG

                       Medizin unter der Abkürzung S T I (sexually trans-             Bei entsprechenden Symptomen muss eine
                       mitted infections) . STI zeichnen sich dadurch aus, dass   Ärztin oder ein Arzt zu Rate gezogen werden, damit
                       sie trotz verschiedenster Erreger und unterschied-         rechtzeitig eine Behandlung eingeleitet werden kann,
                       lichster klinischer Folgen eine Gemeinsamkeit haben,       um Spätfolgen zu vermeiden.
                       nämlich die sexuelle Übertragbarkeit .                         Mädchen wenden sich an Frauenärztinnen oder
                                                                                  Frauenärzte, Jungen an Urologinnen/Urologen oder
                           HIV und Aids haben den Stellenwert des Sexual-         Hautärztinnen/Hautärzte.
                       kundeunterrichts in Baden-Württemberg verändert.
                       Jugendliche und Erwachsene werden über die HIV-            »   KEINE FALSCHE SCHAM

                       Infektion, die Übertragungswege und die Schutzmög-             Sexuell übertragbare Krankheiten sind weit ver-
                       lichkeiten aufgeklärt. Die Safer Sex Botschaft ist zur     breitet, sie betreffen viele Menschen. Falsche Scham
                       Vermeidung einer Ansteckung mit HIV gültig, zur            darf den Betroffenen auf keinen Fall daran hindern,
                       Verhinderung anderer sexuell übertragbarer Erkran-         ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn die
                       kungen reicht sie jedoch nicht aus.                        meisten STI sind bei rechtzeitiger Behandlung heilbar.

                           Wer sich vor den sexuell übertragbaren Krank-          »   AUF ÜBERTRAGUNGSWEGE, SCHUTZ- UND

                       heiten schützen will, muss wissen, dass es neben HIV           BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN HINWEISEN

                       zahlreiche weitere STI gibt, und er muss deren Über-           Nicht zuletzt ist es wichtig, auf die unterschied-
                       tragungswege und die Schutzmöglichkeiten kennen.           lichen Übertragungswege und die jeweiligen Schutz-
                           Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt            möglichkeiten hinzuweisen. Dazu gehört auch die
                       inzwischen mehr als 30 Erreger, die durch sexuellen        Information über die Impfmöglichkeiten.
                       Kontakt übertragen werden können. Es ist weder                 Bezüglich der Behandlungsmöglichkeiten geht
                       möglich noch sinnvoll, im Unterricht alle sexuell          es vor allem darum zu vermitteln, welche STI nicht
                       übertragbaren Krankheiten vorzustellen. Dagegen            heilbar bzw. – rechtzeitige Behandlung vorausgesetzt
                       sollte der Unterricht über STI folgende Ziele auf          – heilbar sind.
                       jeden Fall einschließen:
                                                                                  Einige wichtige STI sollten die Schüler und
                       »   WARNSIGNALE FÜR STI                                    Schülerinnen kennen. Dazu zählen:
                           wie Brennen, Jucken oder Schmerzen im Genital-
                       bereich, Beschwerden beim Wasserlassen, veränder-          »   DURCH BAKTERIEN ÜBERTRAGENE STI

                       ter Ausfluss aus Scheide bzw. Penis, Hautverände-
                       rungen, insbesondere im Genitalbereich, aber auch          »   Die C L A M Y D I E N - I N F E K T I O N ist sehr wenig
                       im Mund, Rachen und Anus sollten auf jeden Fall            bekannt, obwohl eine Untersuchung in Berlin ergab,
                       beachtet werden.                                           dass Chlamydien-Infektionen bei jungen Mädchen
                                                                                  sehr häufig sind. Die Prävalenz einer frischen Chla-
                                                                                  mydien-Infektion stieg von 3,6 % bei den bis 15-jähri-
                                                                                  gen Mädchen auf 10 % bei den 17-jährigen Mädchen

                 14                                                               ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS
Umsetzung an Schulen
                                                                                                                              SEXUELL
                                                                                                                              ÜBERTRAGBARE
                                                                                                                              ERKRANKUNGEN
                                                                                                                              Anregungen für die
                                                                                                                              Arbeit mit Schülerinnen
                                                                                                                              und Schülern

an und betrug bei den 19- bis 20-jährigen jungen                 Globalisierung mit häufigen Auslandsaufenthalten
Frauen 8%. 1                                                     (Urlaub, Studium, Beruf) ist HIV/Aids aber nach
    Chlamydien-Infektionen können unbehandelt zu                 wie vor ein Problem, das nicht vernachlässigt werden
Unfruchtbarkeit führen. Vor diesem Hintergrund ist               kann.
es dringend notwendig, junge Menschen über diese
Erkrankung zu informieren.                                       »   HEPATITIS B        und H U M A N E S   PAPILLOMA-VIRUS

                                                                 (HPV)    sollten vor allen deshalb zur Sprache kommen,
»   SYPHILIS    (LUES)    hat bis vor wenigen Jahren             weil gegen diese STI geimpft werden kann.
praktisch keine Rolle mehr gespielt. Viele Menschen
waren der Ansicht, diese Krankheit sei zumindest in                  Weitere STI sind im Kapitel »STI-Info zu sexuell
Deutschland ausgestorben. Dies war natürlich nicht               übertragbaren Krankheiten – Informationen für Lehr-
der Fall, wenn auch die Zahl der Erkrankungen tat-               kräfte« (Seite 27) aufgeführt.
sächlich sehr gering war. In den letzten Jahren stiegen              Je nach Bedarf können auch andere STI in den
die Raten jedoch erheblich an.                                   Unterricht hineingenommen werden.
    Die Syphilis ist leicht zu behandeln, wenn sie
erkannt wird. Wird sie nicht behandelt, führt dies im            »   ANLEITUNG ZUR STI-GRUPPENARBEIT

späteren Verlauf zu irreversiblen Schäden und – wenn
dann immer noch nicht behandelt wird – zum Tod.                      Die sechs oben aufgeführten STI werden in
                                                                 sechs Gruppen erarbeitet und in einem Arbeitsblatt
»    Da G O N O R R H Ö ( T R I P P E R ) nicht meldepflichtig   (Seite 16) beschrieben. Danach werden die einzelnen
ist, gibt es keine genaueren Angaben zur Zahl der                STI der Klasse vorgestellt und in eine vorbereitete
Neuinfektionen in Deutschland. Es wird jedoch                    Tabelle (Seite 17) eingetragen.
geschätzt, dass es jährlich etwa 20 000 bis 30 000 Neu-              Der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe kann durch
infektionen gibt.                                                Vorgabe der Materialien gesteigert werden abhängig
    Da Gonorrhö ebenfalls zu Unfruchtbarkeit führen              von den Voraussetzungen, über die die Schüler und
kann, sollte auch diese STI bekannt sein.                        Schülerinnen verfügen.
                                                                     Es werden etwa zwei Schulstunden benötigt.
»   DURCH VIREN ÜBERTRAGENE STI

                                                                 Schwierigkeitsgrad Material

»   HIV/AIDS    sollte trotz hoher Bekanntheit im                sehr einfach Broschüre »Ist da was…?«
Unterricht behandelt werden, da oft nur wenig                                       kostenlos bei der BZgA zu beziehen
substantielles Wissen vorhanden ist. Die Zahl der                einfach            Broschüre »Ach übrigens…«
Neudiagnosen ist in Deutschland im Vergleich zu                                     kostenlos bei der BZgA zu beziehen
anderen Ländern zwar gering, im Zeitalter der                    schwierig          Verweis auf das Internet

1   Gille, G. et al.: Chlamydien – eine heimliche                    Zum Abschluss sollten die Ziele (Warnsignale,
    Epidemie unter Jugendlichen. Prävalenzbeobach-               rechtzeitige Behandlung, Vermeidung falscher Scham
    tung bei jungen Mädchen in Berlin. Deutsches
                                                                 und Prävention) ausführlich zur Sprache gebracht
    Ärzteblatt 2005, Jg. 102, Heft 28-29, S. 2021-2025
                                                                 werden.

                                                                 ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS                                15
Umsetzung an Schulen
      FRAGEBOGEN

                         »...… ist da was ?«
                         WICHTIGES ÜBER KRANKHEITEN, MIT DENEN MAN SICH BEIM SEX ANSTECKEN KANN

                         Name der sexuell übertragbaren Krankheit

                         Um welchen Erreger handelt es sich?

                         Wie steckt man sich an?

                         Wie bemerkt man die Erkrankung? Wie verläuft sie?

                         Was könnten die Folgen sein?

                         Wie kann man die Erkankung behandeln?
      Aidsaufklärungs-
        kampagne der
   Bundeszentrale für
       gesundheitliche
 Aufklärung – weitere
  Informationen unter
        www.gibaids
      keinechance.de

                         Wie kann man sich schützen?

                         ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS
STI               ERREGER   ÜBERTRAGUNGS-   SYMPTOME            FOLGEN   BEHANDLUNG   SCHUTZ
                                 WEGE            KRANKHEITSVERLAUF

     Chlamydien-
     Infektion

     Syphilis
     (Lues)

     Tripper
     (Gonorrhö)

     HIV-Infektion
     Aids-Erkrankung

     Hepatitis B

     Infektionen mit
     Humanen
                                                                                                          Sexuell übertragbare Krankheiten
                                                                                                                                 Übersicht:

     Papillomaviren

17
 ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS
                                                                                           = STI
                                                                                           Sexuell
                                                                                                                                              TABELLE

                                                                                           infections
                                                                                           = sexually
                                                                                           transmitted
                                                                                           Infektionen
                                                                                           übertragbare
                                                                                                                                                        Umsetzung an Schulen
Umsetzung an Schulen

                                                Rollenspiel
                                                TRAINING ZUR VORBEUGUNG VON AIDS, SEXUELL ÜBERTRAGBAREN KRANKHEITEN
                                                UND UNGEWOLLTER SCHWANGERSCHAFT

                                                Lies die folgenden Situationen aufmerksam durch.          ganz leicht ( 0 / 1 ), leicht ( 2 / 3 ), mittel (4 / 5 / 6 ), schwer
                                             Du wirst sie in deiner Gruppe im R O L L E N S P I E L       ( 7 / 8 ) oder ganz schwer ( 9 / 1 0 ) findest.
                                             bearbeiten.                                                      Beim Üben beginnst du dann mit den Situationen,
                                                Da es sinnvoll ist, zunächst mit den für dich             die du als leicht ( 2 oder 3 ) einschätzt. Als Nächstes
                                             leichteren Situationen zu beginnen, schätze bitte die        nimmst du dir die mittelschweren, dann die schweren
                                             Schwierigkeit jeder Situation für dich ein, ob du sie        und zuletzt die ganz schweren vor.

                                             SITUATION                                                                         ANLEITUNG

                                             S I T U A T I O N 1 : Du gehst in einen Supermarkt oder in eine                   Bleibe ruhig und gelassen und
                                             Drogerie und suchst eine Packung Kondome aus. An der Kasse                        nenne ein gutes Argument für
                                             sagt die Verkäuferin: »Oh, so jung und schon Kondome.«                            Kondome.
                                             S I T U A T I O N 2 : Du beginnst mit deiner Mutter / deinem Vater                Rede nicht mit Vater und Mutter
                                             ein Gespräch über Verhütungsmittel.                                               gleichzeitig. Erzähl zu Beginn, dass
                                                                                                                               ihr euch in der Schule mit dem
                                                                                                                               Thema »Verhütung« beschäftigt.
                                             S I T U A T I O N 3 : Mit deiner Freundin / deinem Freund hast                    Rede einfühlsam, zeig aber auch,
                                             du bisher nur etwas geschmust. Du beginnst ein Gespräch über                      dass dir das Thema wichtig ist.
                                             Verhütung.
                                             SITUATION  4 : In deiner Clique verkünden mehrere, dass man                       Du stehst stark im Leben,
                                             möglichst bald das »erste Mal« hinter sich bekommen muss.                         hast eine eigene Meinung und
                                             Sie machen sich darüber lustig, dass dies bei einigen noch                        brauchst nicht mit sexuellen
                                             ewig dauern wird. Erkläre, dass du dich von den anderen nicht                     Erfahrungen anzugeben.
                                             beeinflussen lässt, wann bei dir das »erste Mal« ist.
                                             SITUATION   5 – F Ü R M Ä D C H E N : Du bist sehr zärtlich mit deinem            Bleib ruhig, zeig Verständnis
                                             Freund zusammen, würdest auch gerne mit ihm schlafen, traust                      für die Gefühle deines Freundes,
                                             dich aber gerade noch, deinen Freund zu bitten, ein Kondom zu                     bestehe aber auf deiner Forderung
                                             verwenden. Da du von deinen Tagen her ziemlich sicher nicht                       und nenne die Gründe hierfür.
                                             schwanger werden kannst, ist dein Freund verärgert und fragt
                                             wütend, ob du glaubst, dass er Aids habe.
                                             SITUATION     6 – F Ü R J U N G E N : Du bist schon längere Zeit mit deiner       Äußere Verständnis für die
                                             Freundin zusammen und ihr habt auch schon öfters miteinander                      Ängste deiner Freundin.
                                             »geschlafen«, meistens mit Kondom. Deine Freundin hat zwar                        Mache ihr aber auch deutlich,
                                             nichts gegen die Pille, hat aber Angst vor einem Besuch beim                      dass eine ungewollte Schwanger-
                                             Frauenarzt / bei der Frauenärztin und vor einem Gespräch mit ihren                schaft schlimmer wäre.
                                             Eltern. Überzeuge deine Freundin davon, ihre Angst zu überwinden.
                                             SITUATION   7 – F Ü R M Ä D C H E N : Du hast seit längerer Zeit einen            Bleibe ruhig, zeige Verständnis
                                             Freund und hast auch schon öfters (ohne Wissen deiner Eltern)                     für die Bedenken und Sorgen
                                             mit deinem Freund »geschlafen«. Du redest nun mit deiner Mutter,                  deiner Mutter und führe deine
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                                             weil du einen Krankenschein für den Frauenarzt / die Frauenärztin                 Gründe für die Pille an.
                                             brauchst und dir die Pille verschreiben lassen möchtest.
                                             S I T U A T I O N 8 : Ihr habt in den »kritischen« (fruchtbaren) Tagen mit-       Bewältigt diese Aufgabe
                                             einander geschlafen, dabei ist unbemerkt das Kondom abgerutscht.                  gemeinsam, da es auch ein
                                             Um eine Schwangerschaft auf jeden Fall zu vermeiden, ruft ihr am                  gemeinsames Problem ist!
                                             nächsten Tag beim Frauenarzt / bei der Frauenärztin an und besteht
                                             auf einen sofortigen Termin, um die »Pille danach« zu bekommen.
                                             SITUATION  9 : Du hast eine Freundin / einen Freund, von der / dem                Nenne die Argumente für
                                             du weißt, dass sie / er schon viele sexuelle Partner hatte. Beginne               »Safer Sex«, zeig Verständnis
                                             ein Gespräch über »Safer Sex«.                                                    für die Vorbehalte des anderen,
                                                                                                                               bleibe aber bei deiner Meinung.
Umsetzung an Schulen

                                Anweisung für das Rollenspiel

    Im Mittelpunkt des Rollenspiels steht der / die           »   Deutlich machen, was du willst!
Übende. Die Mitspieler haben die Aufgabe, es dem                  Nenne erst dann Begründungen.
Übenden nur so schwer zu machen, dass er /sie sich
anstrengen muss, aber erfolgreich ist.                        »   Keine pauschalen Abwertungen machen
    Zunächst liest jeder für sich die Rollenspielsitu-            (zum Beispiel: »Du bist einfach doof.«).
ation durch und schätzt die Schwierigkeit für sich
ein. Im ersten Durchgang beginnt jeder mit der                »   Du kannst ruhig Verständnis für die Position
Situation, die für ihn / sie ziemlich leicht ist ( 0 / 1 ).       des anderen äußern. Du darfst aber auf keinen
    Das Rollenspiel wird auf Tonband aufgenommen.                 Fall deine eigene Position aufgeben.
                                                                  (»Ich kann gut verstehen, dass du…,
                                                                  aber ich möchte…«).
    DER/DIE ÜBENDE SOLLTE

    FOLGENDES BEACHTEN:                                           Nach dem Rollenspiel wird zunächst der Übende
                                                              befragt. Was ist dir gelungen? Was könnte verbessert
»   Laut und deutlich reden!                                  werden? Nun sind die Anderen dran. Auch sie sagen
                                                              zuerst, was gut war.
»   Dem Übungspartner in die Augen sehen.                         Der Übende wiederholt nun die Übung.
                                                              Er / Sie sagt, worauf er /sie achten will.
»   Die »Ich-Form« wählen (»Ich finde das gut…«,
    »Mir gefällt das nicht…«).                                                       Prof. Dr. Martin Hautzinger

                                                              ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS                          19
Umsetzung an Schulen

                             Schulgesetz
                             FAMILIEN- UND GESCHLECHTSERZIEHUNG IN DER SCHULE

                             10. TEIL                                                 RICHTLINIEN ZUR FAMILIEN- UND

                             ETHIKUNTERRICHT, GESCHLECHTSERZIEHUNG                    GESCHLECHTSERZIEHUNG IN DER SCHULE

                                                                                      Verwaltungsvorschrift vom 12. Mai 2001
                             § 100 B                                                  (K.u.U. S. 247)
                             FAMILIEN- UND GESCHLECHTSERZIEHUNG

                                                                                      Vorbemerkung
                       (1)   Unbeschadet des natürlichen Erziehungsrechts             Pflege und Erziehung der Kinder sind gemäß
                       der Eltern gehört Familien- und Geschlechts-             Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz das natürliche Recht
                       erziehung zum Erziehungs- und Bildungsauftrag            der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende
                       der Schule. Sie wird unter Wahrung der Toleranz          Pflicht. Daneben hat die Schule einen durch Grund-
                       für unterschiedliche Wertauffassungen fächerüber-        gesetz, Landesverfassung und Schulgesetz begründe-
                       greifend durchgeführt.                                   ten Erziehungs- und Bildungsauftrag, der auch die
                                                                                Familien- und Geschlechtserziehung umfasst.
                       (2)   Ziel der Familien- und Geschlechtserziehung        Nach § 100 b Schulgesetz (SchG) haben deshalb die
                       ist es, die Schüler altersgemäß mit den biologischen,    Schulen den ausdrücklichen Auftrag zur Familien-
                       ethischen, kulturellen und sozialen Tatsachen und        und Geschlechtserziehung erhalten.
                       Bezügen der Geschlechtlichkeit des Menschen ver-
                       traut zu machen.
                             Die Familien- und Geschlechtserziehung soll        1. FAMILIEN- UND GESCHLECHTSERZIEHUNG

                       das Bewusstsein für eine persönliche Intimsphäre               IN DER SCHULE

                       und für partnerschaftliches Verhalten in persönlichen
                       Beziehungen und insbesondere in Ehe und Familie          1.1   Ziel der Familien- und Geschlechtserziehung in
                       entwickeln und fördern.                                  der Schule ist es, die Schülerinnen und Schüler alters-
                                                                                gemäß mit den biologischen, ethischen, kulturellen
                       (3)   Die Erziehungsberechtigten sind zuvor über Ziel,   und sozialen Tatsachen und Bezügen der Geschlecht-
                       Inhalt und Form der Geschlechtserziehung sowie           lichkeit des Menschen vertraut zu machen.
                       über die hierbei verwendeten Lehr- und Lernmittel              Die Familien- und Geschlechtserziehung soll das
                       zu informieren.                                          Bewusstsein für eine persönliche Intimsphäre und für
                                                                                ein verantwortungsvolles partnerschaftliches Verhal-
                       (4)   Das Kultusministerium erlässt Richtlinien über     ten in persönlichen Beziehungen und insbesondere
                       die Familien- und Geschlechtserziehung in den ein-       in Ehe und Familie entwickeln und fördern.
                       zelnen Schularten und Klassen.
                                                                                1.2   Die Familien- und Geschlechtserziehung wird
                                                                                unter Wahrung der Toleranz für unterschiedliche
                                                                                Wertauffassungen fächerübergreifend durchgeführt.
                                                                                Die Unterrichtsinhalte ergeben sich aus den Bildungs-
                                                                                plänen für die einzelnen Schularten; sie finden ihre
                                                                                Grundlage vor allem in den Lehrplänen der Fächer

                 20                                                             ZURÜCK ZUM INHALTSVERZEICHNIS
Umsetzung an Schulen
                                                                                                                   SCHULGESETZ
                                                                                                                   Familien- und
                                                                                                                   Geschlechtserziehung
                                                                                                                   in der Schule

Heimat- und Sachunterricht, Religionslehre, Ethik,         Bei der Verwendung von Lernmitteln, für die
Biologie und Biologie/Chemie sowie in beruflichen       eine Zulassung nicht erforderlich ist, ist die Lehrkraft
Schulen auch in den Lehrplänen des Faches Gesund-       zur besonders sorgfältigen Auswahl in analoger An-
heitslehre.                                             wendung von § 4 Schulbuchzulassungsverordnung
      Spontane Schülerfragen zur Geschlechtserziehung   verpflichtet. Für die verwendeten Lehrmittel gilt dies
in der Schule können in allen Fächern im stofflichen    entsprechend.
Rahmen und in den durch die Unterrichtssituation
gesetzten Grenzen beantwortet werden, ohne dass
diese jedoch zum Anlass für eine weitergehende,         3. ZUSAMMENARBEIT VON SCHULE UND

über die Einzelfragen hinausreichende Behandlung           ERZIEHUNGSBERECHTIGTEN BEI DER

der Thematik genommen werden.                              FAMILIEN- UND GESCHLECHTSERZIEHUNG

                                                           IN DER SCHULE

1.3   Die Lehrkraft gestaltet den Unterricht mit Takt
und Einfühlungsvermögen und vermeidet jede Form            Die Erziehungsberechtigten sind in einer Klassen-
der Indoktrination. Sie behandelt die Themen zurück-    pflegschaftssitzung gemäß § 56 SchG rechtzeitig und
haltend, berücksichtigt die menschlich-personalen       umfassend über Ziel, Inhalt, Form und Zeitpunkt der
Aspekte der Geschlechtlichkeit ebenso wie die Intim-    Geschlechtserziehung im Rahmen der Familien- und
sphäre der Schülerinnen und Schüler und vermeidet       Geschlechtserziehung in der Schule sowie über die
Empfehlungen für das geschlechtliche Verhalten.         hierbei verwendeten Lehr- und Lernmittel zu infor-
      Bei geeigneten Anlässen können in den Unter-      mieren. Die Erziehungsberechtigten erhalten dabei
richt Fachleute aus der Praxis einbezogen werden        gleichzeitig die Möglichkeit, ihre Wünsche und An-
(vgl. Bekanntmachung über die Mitwirkung                regungen sowie Erfahrungen einzubringen, damit die
von Fachleuten aus der Praxis im Unterricht             Familien- und Geschlechtserziehung in Elternhaus
vom 29. Oktober 1999, K.u.U. S. 252).                   und Schule so weit wie möglich abgestimmt werden
                                                        kann. Zu den Klassenpflegschaften können Fachleute
1.4   Unterrichtsinhalte, die dem Bereich der Ge-       wie z.B. Ärzte, Pfarrer und Psychologen hinzugezogen
schlechtserziehung angehören und die Intimsphäre        werden.
berühren, dürfen nicht Gegenstand von Leistungs-
erhebungen sein; dies gilt nicht für die Fächer der
beruflichen Schulen, die entsprechende Inhalte im       4. INKRAFTTRETEN

Rahmen der beruflichen Ausbildung vermitteln.
                                                           Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 1. Januar 2002
                                                        in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift
2. LEHR- UND LERNMITTEL                                 vom 7. Juli 1994 (K.u.U. S. 434) aufgrund der
                                                        Bereinigungsanordnung der Landesregierung vom
      Im Rahmen der Familien- und Geschlechtserzie-     16. Dezember 1981 (GABl. 1982 S. 14), geändert am
hung sind nur die vom Kultusministerium zugelasse-      8. Januar 1997 (GABl. S. 74), außer Kraft.
nen Schulbücher zu verwenden.

                                                                                                                   21
Umsetzung an Schulen
     SCHULGESETZ
        Familien- und
Geschlechtserziehung
        in der Schule

                           MITWIRKUNG VON FACHLEUTEN                                 ERLÄUTERUNGEN

                           AUS DER PRAXIS IM UNTERRICHT

                           – MIT ERLÄUTERUNGEN –                                 1   FACHLEUTE

                           Bekanntmachung vom 29. Oktober 1999
                           (K. u. U. S. 252),                                        Lehrer müssen im Dienst des Landes stehen
                           geändert durch Bekanntmachung                         (§ 38 Abs. 1 SchG). Diese Norm stellt sicher, dass
                           vom 14. Dezember 2004 (K. u. U. 2005 S. 5)            zur Erteilung des Unterrichts grundsätzlich nur ein
                                                                                 Personal zugelassen ist, das eine besondere Qualifi-
                           Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule        kation aufweist und besonderen Amtspflichten
                        macht es erforderlich, dass der Unterricht in lebendi-   unterliegt. Erst dadurch legitimiert sich die Schul-
                        gem Kontakt mit der Wirklichkeit steht. Dazu trägt       pflicht, der die Pflicht des Lehrers korrespondiert,
                        bei, wenn bei geeigneten Anlässen Fachleute aus der      für ein inhaltliches und pädagogisches Niveau des
                        Praxis (Erl. 1) in den Unterricht einbezogen werden.     Unterrichts Sorge zu tragen.
                           Bei der Mitwirkung von Vertreterinnen und Ver-
                        tretern der im Bundestag und im Landtag vertretenen          Andererseits soll diese Norm nicht verhindern,
                        Parteien dürfen die Schulen keine einseitige Auswahl     dass der Lehrer z. B. durch Unterrichtsgänge, durch
                        vornehmen. Von der Mitwirkung von Abgeordneten           Theater- oder Museumsbesuche Außenkontakte
                        und anderen Personen des politischen Lebens im           herstellt. Die Bekanntmachung »Fachleute im Unter-
                        Rahmen des Unterrichts an den Schulen ist in den         richt« stellt klar, dass er außerschulisches Personal
                        letzten acht Wochen vor Landtagswahlen in Baden-         auch direkt in den Unterricht einladen kann – unter
                        Württemberg, Bundestagswahlen sowie Wahlen zum           der Voraussetzung, dass es sich um »Fachleute«,
                        Europaparlament abzusehen. (Erl. 4)                      d. h. um Personen mit einem besonderen Fachwissen
                           Diese Bekanntmachung tritt am 1. Januar 2000          handelt.
                        in Kraft.
                                                       Kultusministerium             Um § 38 Abs. 1 SchG zu genügen, bleibt der
                                                     Baden-Württemberg           Unterricht in der Verantwortung des Lehrers, der
                                                                                 deswegen in der Regel auch anwesend sein muss.
                                                                                 Die Aufzählung der Bereiche, aus denen die Fach-
                                                                                 leute kommen können, ist nicht abschließend.
                                                                                 So können neben dem Jugendoffizier auch Vertreter
                                                                                 der Behörden, die mit Fragen des zivilen Ersatzdiens-
                                                                                 tes befasst sind, Vertreter der Einrichtungen, die
                                                                                 Zivildienstleistende beschäftigen, etwa Mitarbeiter
                                                                                 des Roten Kreuzes oder der Arbeiterwohlfahrt, oder
                                                                                 die Verfahrensbeistände der Kirchen in den Unter-
                                                                                 richt einbezogen werden.
                                                                                     Kein Fachmann ist hingegen der einzelne Wehr-
                                                                                 dienstverweigerer (siehe Landtagsdrucksache 11/5148).

                  22
Umsetzung an Schulen
                                                                                                                 SCHULGESETZ
                                                                                                                 Familien- und
                                                                                                                 Geschlechtserziehung
                                                                                                                 in der Schule

2   SACHLICH INFORMIERENDE BEITRÄGE                     unterworfen bleiben, dem jede Indoktrination und
                                                        Werbung für politische Ziele fern liegt. Sie haben im
    Der Text der Bekanntmachung in der ursprüng-        Unterricht also die Rolle objektiv und sachlich infor-
lichen Form (K. u. U. 1999 S. 252) hatte zusätzlich     mierender Fachleute. Würden sie aus dieser Rolle
folgende Aussagen: »Dazu trägt bei, wenn bei geeig-     heraustreten, müsste der Lehrer korrigierend eingrei-
neten Anlässen in den Unterricht Fachleute aus der      fen, da der Unterricht in seiner Verantwortung bleibt
Praxis einbezogen werden, z. B. Abgeordnete und         (siehe oben Erl. 1) .
andere Persönlichkeiten des politischen Lebens,
Vertreterinnen und Vertreter künstlerischer Einrich-        Zur Frage der Einladung von Abgeordneten
tungen, der Medien, der Verwaltung, der Recht-          in den Unterricht siehe zusätzlich Kennzahl 34.02.
sprechung, des Gesundheitswesens, der Polizei und
der Bundeswehr (Jugendoffiziere) sowie Fachleute        3   VERANTWORTUNG

der Wirtschaft einschließlich der Tarifpartner.             INNERHALB DER SCHULEN

Deren sachlich informierende Beiträge können die
Funktionen und besonderen Bedingungen des                   Die Bekanntmachung fordert die Schulen auf,
Bereichs, den sie vertreten, veranschaulichen, die      von diesen Möglichkeiten außerschulischer Kontakte
Auseinandersetzung mit der Sache beleben und so         Gebrauch zu machen. In der Praxis kommt es biswei-
die Unterrichtsarbeit in fruchtbarer Weise ergänzen.«   len zwischen Schulleiter und Fachlehrer über den
                                                        jeweiligen Verantwortungsbereich zu Meinungsver-
    Das Kultusministerium hat die kasuistische Auf-     schiedenheiten.
zählung der Beispiele insgesamt aus dem offiziellen         Einerseits steht der Unterricht in der Verantwor-
Text genommen, um Vertreter von Kriegsdienstver-        tung des Fachlehrers (§ 38 Abs. 2 SchG), der hierfür
weigererorganisationen zwar im Gegensatz zu früher      die unmittelbare pädagogische Verantwortung trägt.
nicht mehr auszuschließen, andererseits aber auch       Es kann also kein Lehrer gezwungen werden, be-
nicht ausdrücklich zu erwähnen. Nach dem Ende des       stimmte Fachleute in den Unterricht einzubeziehen.
Kalten Krieges hat diese Frage kaum noch praktische         Andererseits stellt die Bekanntmachung klar, dass
Bedeutung.                                              er die Möglichkeit hat, durch die Einbeziehung von
                                                        Fachleuten einen lebendigen Kontakt mit der Wirk-
    Der entfallene Text enthält aber zwei wichtige      lichkeit herzustellen.
Aussagen, deren Richtigkeit nach wie vor nicht in           Der Schulleiter wiederum hat das Hausrecht
Frage gestellt ist und die sich gegenseitig ergänzen:   (§ 41 SchG). Er kann also außerschulischen Personen
»   Der Lehrer kann auch Fachleute von Tendenz-         verbieten, das Schulgelände zu betreten. Dem Schul-
betrieben hinzuziehen, etwa Vertreter der Gewerk-       leiter obliegt auch die Vertretung der Schule nach
schaften, der Arbeitgeberverbände oder Persönlich-      außen und die Pflege ihrer Beziehungen zu Eltern-
keiten des politischen Lebens.                          haus, Kirchen, Berufsausbildungsstätten, Einrichtun-
»   Auf der anderen Seite wird mit dem Begriff          gen der Jugendhilfe und der Öffentlichkeit. Es ist
»sachlich informierende Beiträge« des alten Textes      daher legitim, wenn er schon den Anschein von Ein-
deutlich, dass sie den Maximen des Schulunterrichts     seitigkeit vermeiden möchte.

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