Wildnis - Schmutzig und glücklich - so lernen Kinder im Sihlwald S.4 - Wildnispark Zürich

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Wildnis - Schmutzig und glücklich - so lernen Kinder im Sihlwald S.4 - Wildnispark Zürich
Frühling/Sommer 2018

                                      Wildnis
                                                Nr. 17

Schmutzig
und glücklich
– so lernen
Kinder im
Sihlwald S.4

Wildnis Nr. 17 Frühling/Sommer 2018                          1
Wildnis - Schmutzig und glücklich - so lernen Kinder im Sihlwald S.4 - Wildnispark Zürich
Agenda
                                                                 13. Schweizer                   18. Sihlwald-Kino
          Grüezi
                                CHF 50.–/10.–, mit Anmel-
                                dung. In Zusammenarbeit mit      Wandernacht                     Besucherzentrum in
    Fischotter                  Pro Natura ­Zürich.              Sa 23. Juni, Sihlwald           Sihlwald
     – willkommen
    zurück                                                       bis Langenberg
                                Wildnis Tag der                  17.45 – 23.30
                                 Tag   offenen Tür               Nachtwanderung zu Totholz,
    Sonderausstellung
    25. März bis                der Naturzentren                 Wölfen und rauschenden
    28. Okt. 2018               und Abenteuer                    ­Bächen. Ein Genuss für              31. Aug – 9. Sept. 2018
                                StadtNatur                       ­Erwachsene und Kinder.          20. Sihlwald-Kino
                                                                                                      u.a. mit
                                So 27. Mai, Besu-                                                     Three Billboards outside Ebbing
Wildnis Eröffnungs-             cherzentrum in                   Kurs Tiere zeichnen
                                                                                                      Papa Moll
                                                                                                      Jubiläumstag 2.9. Filme von 10 –22 h
 Tag
        Tag                     Sihlwald 13 – 17                 Mi 8. August,
                                                                                                            Eintritt:
                                                                                                            Einzeleintritt                   CHF 18.—
                                                                                                            Pro Natura-Mitglieder            CHF 14.—
                                                                                                            Kinder bis 16 Jahre              CHF 12.—

So 25. März,                    Abwechslungsreiches Pro-         Langenberg 14 – 16                         Detailprogramm: ab Juli 2016 an den Vorver-

Besucherzentrum in              gramm mit Blick hinter die       Vermittlung der Grundlagen
­Sihl­wald 9 – 17.30            Kulissen, Chaschperlitheater     für tierisches Zeichnen mit     Wildnis Pilz-Tag
Feierliche Eröffnung der Sai-   und Spielspass für die           einheimischen Tieren als Vor-
                                                                                                  Tag  So 30. Sept.,
son und Vernissage der neuen    ­Kleinen.                        lage. Für Erwachsene und        Besucherzentrum in
Sonderausstellung «Grüezi                                        Kinder ab 8 Jahren in Be­       Sihlwald 11 – 17
Fischotter – willkommen zu-     Moos- und                        gleitung. Erw./Kind CHF 40.–    Ein Genuss für alle Sinne mit
rück». Mit Kurzführungen,       Flechten­exkursion               /15.–, mit Anmeldung.           Ständen voll mit frischen
Apéro, «Märli-Gschichte» und    Sa 2. Juni, Sihlwald                                             ­Pilzen.
Basteln. Programm zwischen      13.45 – 16.30                    Wildnis Ranger-Tag
13 und 16 Uhr.                  Entdeckungsreise zur Arten-
                                                                  Tag  So 26. Aug.,              Wildnispark-Fest
                                und Formenvielfalt der Moose     Sihlwald 11 – 16                Sihlwald und
Erlebnis-Samstage               und Flechten im Naturwald.       Ein Tag im Zeichen unserer      Langenberg
jeden ersten Sa von             CHF 30.–, mit Anmeldung. In      Rangerin und unserer Ranger:
April bis Oktober,              Zusammenarbeit mit For-          mit Infostand, Kurzführungen
Besucherzentrum in              schenden der WSL.                und Basteltisch für die          So
Sihlwald 14 −16                                                  ­Kleinen.                        16. Sept
Wir halten jeden Monat eine     Wildnis Jungtiere im
«wilde» Idee für Sie bereit.
                                 Tag   Langenberg                                                                                      Wildnis
                                So 17. Juni,                                                                              park
Exkursion Mäuse­
jäger Sa 14. April,
                                Langenberg 13 – 17
                                Spannendes und Spieleri-
                                                                                                        F est
Sihlwald 15 – 18.30             sches zu ausgewählten Wild-
Spannende Entdeckungsreise      tieren und ihren Jungen. Ein
auf den Spuren von Mauswie-     tierischer Erlebnistag für die   ☛ Alle Angebote des Wildnispark Zürich finden Sie unter
sel und Hermelin. Erw./Kind     ganze Familie.                   www.wildnispark.ch/veranstaltungen

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Wildnis - Schmutzig und glücklich - so lernen Kinder im Sihlwald S.4 - Wildnispark Zürich
Inhalt                                                                                       Editorial

Schmutzig und glücklich – so lernen Kinder im                                                           Sommer wie Winter halte ich
Sihlwald       Unsere Schulangebote sind weit mehr als                                                  mich sehr gerne in der Natur
abenteuerliche Erlebnisse im Wald. S. 4                                                                 auf und geniesse ausgedehn-
                                                                                                        te Waldspaziergänge. Meist
Eine neue Chance für den Fischotter Lange aus­                                                          sind auch meine (angeleinten)
gestorben in der Schweiz, hinterlassen bei uns seit                                                     Hunde mit von der Partie.
2009 einzelne Fischotter wieder ihre Spuren. S. 9                                                       Nicht selten beobachte ich
                                                                              auf meinen Spaziergängen am Albis Rehe und Füchse
«Der Patentag ist ein Highlight» Nur ein Zaun                                 oder ab und zu auch einen Dachs oder einen Iltis. Bei ei-
trennt das Ehepaar Frieden von der Wisentanlage.                              ner direkten Begegnung halten beispielsweise Rehe
Die langjährigen Paten erzählen. S. 13                                        kurz inne, wie um die ­Situation abzuschätzen, und
                                                                              flüchten dann in dichter bewachsene Waldflächen. Ich
Einsame Wildnis            Wie Elsbeth Flüeler Wildnis auf                    habe mich schon oft gefragt, welchen Einfluss ich als
dem Wildalpili erlebt. S. 14                                                  Spaziergängerin auf Wildtiere habe. Forschungsprojek-
                                                                              te zu diesem wichtigen Thema in unseren immer inten-
Neues aus dem Wildnispark                  Stabübergabe im                    siver genutzten Naherholungsgebieten gibt es nicht vie-
­Besucherzentrum. S. 15                                                       le. Eines davon hat in den letzten Jahren im Sihlwald
                                                                              stattgefunden. Erfahren sie mehr dazu auf Seite 16.
Rehforschung im Sihlwald abgeschlossen
Mit gezielter Besucherlenkung funktionieren                                   Die Rückkehr einer ausgestorbenen Tierart ist ein span-
­Erholung und Naturschutz nebeneinander. S. 17                                nendes und bewegendes Ereignis. Wir erleben es in
                                                                              ­dieser Zeit gleich mehrfach: beim Wolf, beim Rothirsch
Kinderseite         Fischotter-Rätsel S. 18                                   und auch beim Fischotter. Neben der meist sehr emoti-
                                                                              onal gefärbten Diskussion über Vor- und Nachteile einer
Mein Wildnispark-Tipp Andres Türler beobachtet                                Rückkehr, Lebensrecht und gesellschaftlicher Akzep-
seit seiner Kindheit Tiere im Langenberg. S. 19                               tanz tritt der Kern dieser Entwicklung meist etwas in
                                                                              den Hintergrund: dass eine Tierart selbstständig wieder
                                                                              Fuss fassen kann in unserer Landschaft. Der Fischotter
Titelbild: Feuersalamander. Bild: Wildnispark Zürich.                         kehrt zurück, weil sich seine Lebensbedingungen bei
Rückseite: Schulkinder im Wald. Bild: Wildnispark Zürich.
Heftmitte: Fischotter. Bild: Fredy Tschui.
                                                                              uns verbessert haben – das sollte uns mit Stolz erfül-
                                                                              len. Im Wildnispark Zürich können Fischotter, Wolf und
Impressum «Wildnis» Nr. 17:                                                   Rothirsch nicht nur in ihren Tieranlagen beobachtet
© Wildnispark Zürich, Redaktion: Bianca Guggenheim, Martin Kilchen-
mann | Bilder: Wildnispark Zürich, Fredy Tschui | Gestaltung: Angelika
                                                                              werden. Die Naturlandschaft mit Sihlwald und Sihl
Wey-Bomhard | Mitarbeit an dieser Nummer: Karin Hindenlang, Carmen            ­bietet einen geeigneten Lebensraum für ihre Rückkehr.
Herzog | Klimaneutral und mit Ökostrom gedruckt | Papier: Cyclus Print
aus 100% Altpapier | Die «Wildnis» erscheint 2x jährlich. Abdruck mit         Ich freue mich darauf, bei meinen Spaziergängen künf-
Quellenangabe und Belegexemplar erwünscht: Stiftung Wildnispark
­Zürich, Wildnis, Frühling 2018 | Die nächste «Wildnis» Nr. 18 erscheint im   tig auch ihnen zu begegnen.
 September 2018 | Stiftung Wildnispark Zürich, Alte Sihltalstrasse 38,
 8135 Sihlwald, Tel. 044 722 55 22, info@wildnispark.ch,
 www.wildnispark.ch, Konto 80-151-4, IBAN CH14 0070 0110 0017 3782 3          Herzlich, Ihre Karin Hindenlang

Wildnis Nr. 17 Frühling/Sommer 2018                                                                                                     3
Wildnis - Schmutzig und glücklich - so lernen Kinder im Sihlwald S.4 - Wildnispark Zürich
Schmutzig und glücklich – s
             Über einen kleinen «Höllenschlund»
             springen, gemeinsam einen steilen Hang
             erklimmen und über einen gekippten
             Baumstamm balancieren. Waldtage im
             Rahmen der Schulangebote des Wildnis-
             park Zürich ermöglichen Abenteuer. Durch
             diese entsteht auch eine tiefe Verbunden-
             heit mit der Natur.

             «Los geht’s, wir machen eine Mutprobe», verkündet Urs Hof­
             stetter. Die Stimme des gross gewachsenen Mannes ist tief,
             rau und freundlich. Etwas Geheimnisvolles schwingt in ihr. Der
             Projektleiter Schulen des Wildnispark Zürich dreht sich um
             und rennt in geschicktem Zickzack einen baumdurchsetzten
             weglosen Hang hinauf. Die Dritt- und Sechstklässler, die an
             diesem kalten Wintertag gemeinsam mit ihren zwei Lehrerin-
             nen am Waldtag teilnehmen, folgen ihm mit munterem Ge-

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Wildnis - Schmutzig und glücklich - so lernen Kinder im Sihlwald S.4 - Wildnispark Zürich
«Buah, das           Kind frei wie hier im Sihlwald, so ergänze es intuitiv das, was
                                              isch krass»          es bereits kann mit einer zusätzlichen Herausforderung. «Im
                                              – selbst die         Wald vermitteln wir Inhalte auf einem anderen Weg als im
                                              mutigsten            Schul­zimmer. Auch die Schwerpunkte liegen woanders. Muss
                                              Sechst-              ein Kind entscheiden, an welcher Stelle es über den Graben
                                              klässler sind        springt, so stärkt das ganz nebenbei seine Selbstkompetenz
                                              beeindruckt.         und dadurch sein Selbstbewusstsein». Hinzu kommt, dass die
                                                                   Grobmotorik sowie das Gleichgewicht mit beinahe jedem
 schrei. Der Waldtag findet im Rahmen der vielseitigen Schul-      Schritt abseits des Weges weiterentwickelt werden, erwähnt
 angebote des Wildnispark Zürich statt. Die Drittklässler neh-     Hofstetter fast nebenbei. «Im Wald ist das Kind im Rahmen
 men am sogenannten Vier-Jahreszeitenprogramm teil; für sie        des selbstbestimmten und entdeckenden Lernens also prak-
 ist es bereits der fünfte Tag im Sihlwald, die Sechstklässler     tisch andauernd am Lernen», erklärt der Projektleiter Schulen.
 sind als «Göttiklasse» der Kleinen erstmals mit dabei.

o lernen Kinder im Sihlwald
 Vielfältige Herausforderungen im Wald                             Im Wald lernen Kinder aus eigenen Erfahrungen
 Der Wind bläst kalt an diesem Wintertag. An schattigen Stel-      Die Kinder stehen erneut vor einem Graben. Er ist deutlich tie-
 len liegt pulvriger Schnee. Der Boden ist mit einer dicken        fer und breiter als der erste. «Buah, das isch krass» – selbst die
 Schicht verdorrter Laubblätter zugedeckt. Sie wirbeln den         mutigsten Sechstklässler sind beeindruckt. An einer Stelle
 rennenden Kindern wild um die Beine. Abrupt stoppt Hof­           reicht ein gekippter, relativ schmaler Baumstamm bis an die ge-
 stetter auf einer Anhöhe. Vor ihm klafft ein Graben. «Diesen      genüberliegende Seite. Ein langer, faustdicker Ast überquert
 kleinen Höllenschlund müssen wir nun überqueren», erklärt         den Graben etwa einen Meter darüber und bildet so ein ‘natürli-
 Hofstetter. Ein paar Kinder drängeln nach vorne. Noch bevor       ches Geländer’. Alles halb so wild? «Bei dieser Überquerung
 Unruhe aufkommen kann, erklärt der Pädagoge, dass es ver-         geht es um Sachkompetenz», erklärt Hofstetter. «Jedes Kind
 schiedene Möglichkeiten gebe, den an der tiefsten Stelle etwa     erlernt für sich, wie es den Fuss am besten platziert, um den
 anderthalb Meter tiefen und einen Meter breiten Graben zu         Stamm ­sicher überqueren zu können.» Die Kinder reihen sich
 überqueren. Ein paar Schritte weiter ist der Graben nur noch      ein und rutschen einen kurzen schlammigen Abhang hinunter in
 halb so tief und mit einem Schritt überwindbar. Die Kinder fin-   Richtung ‘Brücke’. Einige nehmen dabei Hofstetters Hand zu
 den rasch ihren Platz. Ein paar Kinder brauchen noch etwas        Hilfe. Manch ein Kinderfuss sucht erst vorsichtig den Halt auf
 Zeit, um sich zu sammeln, andere springen sofort. Stolz haben     der Baumbrücke – ob es mit quer oder längs gestelltem Fuss
 alle die Mutprobe bestanden.                                      besser geht? Überquere ein Kind einen Graben auf diese Art, so
 «Wichtig ist, dass wir den Kindern verschiedene Möglichkeiten     taste es sich je nach ‘Walderfahrung’ langsam an die verschie-
 geben, um Herausforderungen entsprechend ihren Fähigkei-          denen Möglichkeiten heran, sagt Hofstetter. Im Sihlwald ist es
 ten annehmen zu können», erklärt Urs Hofstetter. Lerne ein        in diesen Morgenstunden noch immer knapp unter null Grad

 Wildnis Nr. 17 Frühling/Sommer 2018                                                                                                 5
Wildnis - Schmutzig und glücklich - so lernen Kinder im Sihlwald S.4 - Wildnispark Zürich
Vom Wald-Erlebnis zum Naturschutz
           Mit unseren Schulangeboten ermöglichen wir jährlich rund
           200 Schulklassen ein ­unvergessliches Erlebnis in der Natur.
           Durch wiederholte Besuche – ob in Mehrfach­angeboten oder
           in der Freizeit mit der Familie – wächst eine Verbundenheit
           mit der entdeckten Natur heran. So entwickeln Kinder auf
           ganz natürliche Weise Interesse an Naturthemen und möchten           Hand entgegen. Es wird gestöhnt und geschwitzt.
           von sich aus schützen, was sie kennen und schätzen gelernt           Eine Viertelstunde später haben alle den Hang über-
           haben. Eine generationenübergreifende Voraus­setzung für             wunden. «Wer ist am schmutzigsten?» ruft Hofstet-
           ­einen langfristig ­geschützten ­Naturwald Sihlwald.                 ter. «Ich, ich, ich» – lautes Kindergeschrei erklingt,
                                                                                die Kinder drängen sich um Hofstetter. Nun sind alle
                                                                                schmutzig und wirken glücklich und erschöpft. «Auf
­Celsius, die Sonne steigt langsam über den Horizont, leichte        dem ‘Seiliweg’ erlernen die Kinder auf ganz natürlichem Weg
Nebelschwaden ziehen vorbei und verwandeln den Wald in               Sozialkompetenz – neben der bereits erwähnten Selbst- und
­einen lichtdurchfluteten Märchenwald mit langen Schatten.           der Sachkompetenz», erzählt Hofstetter. Er erwähnt mit einem
                                                                     Lächeln, dass es immer wieder beeindruckend sei, wie sich die
«Soll ich dir helfen?»                                               Kinder gegenseitig beim Überwinden besonders rutschiger oder
Hofstetter zeigt auf einen steilen Hang. «Wir kommen zum             steiler Partien auf dem ‘Seiliweg’ helfen w
                                                                                                               ­ ürden.
‘Seili­weg’», erläutert der ehemalige Lehrer. Mehrere Seile sind     Zwischen all den Herausforderungen haben die Kinder immer
an Stämmen fixiert und hängen talwärts. Der Boden ist rutschig       wieder Zeit für die Entwicklung eigener Spiele. Das liegt Urs
und meist ohne Laub. Auch hier können die Kinder zwischen            Hofstetter sehr am Herzen. Denn so können die Kinder den
schwierigeren und einfacheren Routen auswählen. Voller Taten-        Wald selbst entdecken und Freude an der Natur gewinnen. Ein
drang stürmen sie los und kämpfen sich den steilen Hang hin-         Drittklässler kriecht auf den Knien und schiebt mit den Armen
auf – mancherorts auf allen Vieren. Halt geben die Seile, aber       Laub zu einem Haufen: «Ich bin ein König. Wer ist mein Unter-
auch Wurzeln und Baustämme. Hier und da rutscht ein Kind ein         tan?» Der Junge legt sich auf das gerade entstandene Königs-
Stück zurück. «Soll ich dir helfen?» Ruft eine Drittklässlerin und   bett und lächelt.
streckt einem gross gewachsenen Sechstklässler ihre helfende         ✺ Bianca Guggenheim

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Wildnis - Schmutzig und glücklich - so lernen Kinder im Sihlwald S.4 - Wildnispark Zürich
Nachgefragt                          gend Raum und Zeit für Erholung und
                                            Reflexion bieten. Eine positive Natur­
                                            erfahrung steht auch bei Erwachsenen
                    Frau Gutbrodt, Sie      im Vordergrund.
                    sind Leiterin des Be-
                    reichs Bildung. Was     Hat der Sihlwald als Naturwald eine be-
                    ­bewirken Natur­        sondere Bedeutung für die Bildung?
                    erlebnisse wie die      Der Sihlwald repräsentiert die wilde, ur-
                    im Text beschriebe-     sprüngliche Natur. Der natürliche Zyk-
                    nen bei Kindern?        lus ist eindrücklich – junge, alte sowie
Wir ermöglichen Tausenden von Schüle-       tote Bäume nebeneinander prägen das
rinnen und Schülern unvergessliche          Bild. Da ist aber noch viel mehr: Im Na-
Abenteuer im Wald, so viel ist sicher.      turwald ist die komplexe und verfloch-
Und ich bin überzeugt, unsere Schulan-      tene Lebens­gemeinschaft direkt erleb-
gebote haben daneben eine tiefgründi-       bar. In diesem Umfeld sind überra-
ge Auswirkung auf die Entwicklung der       schende Beobachtungen möglich, die
Kinder. Wir erstellen unsere Angebote       Sinne werden geschärft. Hier können
unter den Gesichtspunkten der Bildung       Phantasien wahr werden und der Geist
für nachhaltige Entwicklung, der Wild-      kann sich entfalten. Wir werden wie
nispädagogik und der naturbezogenen         kaum anderswo mit unseren Ursprün-
Umweltbildung: Kinder sollen sich in-       gen und uns selbst konfrontiert.
nerhalb ihrer Möglichkeiten frei entfal-
ten können. Sie lernen sich dabei s
                                  ­ elber   Nur was das Herz liebt, wird auch als
besser kennen, loten Grenzen aus und        schützenswert empfunden. Haben Sie
erleben sich gleichzeitig als Teil einer    diese Erfahrung bei Ihren Besuchenden
Gemeinschaft. Um dahin zu gelangen,         gemacht?
brauchen wir herausfordernde Aben-          Mit unseren Angeboten begleiten wir
teuer und Naturerfahrungen.                 unsere Besucherinnen und Besucher
                                            nur auf einem Teilstück dieses Prozes-
Gilt dies auch für Waldführungen mit        ses. Viele unserer Gäste haben bereits
Erwachsenen?                                eine vertiefte Naturbeziehung, die bei
Absolut. Als Erwachsene sind wir im         uns nochmals gestärkt wird. Auffällig
Alltag oft unter Zeitdruck und mit sozi-    ist, dass viele immer wieder in den Sihl-
alen Konventionen beschäftigt. Als Aus-     wald oder Langenberg kommen. Die
gleich dazu wird im Sihlwald Wildnis er-    Mehrfachangebote bei den Schulklas-
fahren und erlebt. Dadurch findet eine      sen nehmen hier eine besondere Rolle
Entschleunigung statt. Als Erwachsene       ein. Es ist erstaunlich, wie schnell die
haben wir den intuitiven, spielerischen     Kinder sich in «ihrem» Sihlwald orien-
Zugang zur Natur oftmals verloren. In       tieren können und selbstständig Verän-
der Waldwildnis knüpfen wir an Erinne-      derungen im Jahresverlauf bemerken.
rungen aus der Kindheit an und machen       Damit leisten wir einen nachhaltigen
neue Entdeckungen. In einer Gruppe er-      Beitrag hin zu einer Generation, welche
lebt der Einzelne den Wald daneben an-      Naturwälder als selbstverständlichen
ders. Mit unseren Angeboten möchten         Teil unseres Landschaftsbilds versteht
wir Wissen vermitteln, aber auch genü-      und wertschätzt.

                                                                                       7
Wildnis - Schmutzig und glücklich - so lernen Kinder im Sihlwald S.4 - Wildnispark Zürich
Grüezi
    Fischotter
        willkommen
    zurück
    Sonderausstellung
    25. März bis
    28. Oktober 2018

    Naturmuseum im Besucherzentrum
    in Sihlwald
    wildnispark.ch
    Eine Ausstellung des Bündner Naturmuseums,
    der Stiftung Pro Lutra, des Zoos Zürich      NATUR
                                                 ERLEBNISPARK

    und des Zürcher Tierschutzes

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Wildnis - Schmutzig und glücklich - so lernen Kinder im Sihlwald S.4 - Wildnispark Zürich
Neue Chance für den Fischotter
Lange ausgestorben in der                                                                Schlangen, Vögel und kleine Nagetiere.
Schweiz, hinterlassen seit                                                               Abhängig vom Angebot an Nahrung und
2009 einzelne Fischotter                                                                 Rückzugsorten bewohnt ein Fischotter
wieder ihre Spuren.                                                                      bis zu 40 Kilometer Ufer entlang eines
                                                                                         Gewässers. Hier lebt er meist einzelgän-
Fotos auf Wildtierkameras, Trittsiegel,                                                  gerisch und verteidigt gegenüber Art­
Kothaufen und vereinzelt überfahrene                                                     genossen das Revier.
Tiere enthüllen, was selbst gestandene
Forscher lange nicht zu glauben gewagt                                                   Bewegte Geschichte
hätten: Der Fischotter ist zurück in der    Fischotter (lutra lutra)                     Ende des 19. Jh. lebten in der Schweiz
Schweiz. Spuren hinterlassen hat er bis-    ­Aussehen: Fell braun; Kehle,                geschätzt noch über 1000 Fisch­otter. Der
her in den Kantonen Graubünden, Wallis,      Schultern und Bauch heller                  schwindende Lebensraum, verschmutzte
Tessin, Genf und Bern. Dies könnten          Grösse: Körperlänge 50 – 80 cm,             Gewässer, aber auch der rückläufige
theo­retisch Stationen eines einzelnen      Schwanz 40 – 55 cm                           Fischbestand erschwerten dem Fisch­
Fischotters sein. Tatsächlich stammen       Gewicht: m bis 12 kg, w bis 8kg              otter zunehmend das ­Leben. Zudem
die Spuren von mehreren Tieren. Die Tie-    Lebensraum: Bäche, Flüsse und                ­wurde er als Fischräuber konsequent
re selbst bleiben in der Regel verborgen.   Seen bis 1 600 m.ü.M.                        verfolgt. Letztmals 1989 am Neuenbur-
Deshalb lohnt sich ein Besuch im Wild-      Fortpflanzung: ganzjährig                    gersee nachgewiesen, gilt der Fischotter
nispark Zürich, um mehr über die «Was-      Bestand Schweiz: Gilt seit 1989              in der Schweiz seither als ausgestorben.
sermarder» zu erfahren.                     als ausgerottet. Ab 2009 wieder              Junge Fischotter in der freien Natur

                                            vereinzelte Nachweise                        ­lichteten Wildtierkameras im Herbst
Im Element                                                                               2017 bei Bern ab – zudem ein erstes Ein-
Beim Besucherzentrum in Sihlwald                                                         zeltier im Engadin. Die neusten Schnapp-
scheint die Fischotteranlage verlassen.     schlussartig ineinandergreifen, bleibt die   schüsse nähren die Hoffnung, dass sich
Weit und breit ist kein Tier zu sehen.      Haut darunter trocken. Wer wie der Otter     die Fischotter allenfalls wieder bei uns in
Doch dann bahnen sich Luftbläschen auf      immer in Bewegung ist, legt kaum Fett zu     der Schweiz etablieren könnten. Bisher
der Wasseroberfläche ihren Weg Rich-        und muss viel fressen – rund ein Kilo-       ist dies den «Wassermardern» bereits in
tung Besucherkanzel. Dies verfolgen Be-     gramm am Tag.                                Österreich, Italien und Frankreich ge­
suchende fasziniert. Sie können es kaum     Wie sein Name vermuten lässt, mag der        lungen.
erwarten, dass der Fischotter endlich       Otter Fisch und hat diesbezüglich kaum
auftaucht. Er beäugt die Beobachtenden      Vorlieben. Ein langgezogener Körper und      Eintauchen
kurz, zieht dann seine Kreise – wobei der   Schwimmhäute zwischen den Zehen              «Grüezi Fischotter – willkommen zu-
Kopf kaum aus dem Wasser ragt –, dreht      ­machen den Otter zum schnittigen            rück»: In der von Bündner Naturmuseum,
sich um die eigene Achse und balgt mit      Schwimmer. Bis zu sieben Minuten lang        Zoo Zürich und Pro Lutra konzipierten
einem Artgenossen verspielt im Wasser.      kann er tauchen. Dabei verschliesst er       Ausstellung dreht sich ab dem 25. März
Fischotter sind perfekt an ein Leben im     Ohren und Nase. Dank langer Tasthaare        2018 im Naturmuseum des Besucher-
Wasser angepasst. Ihr Pelz ist mit bis zu   an der Schnauze findet er auch im trüben     zentrums in Sihlwald alles ums Thema
50 000 Haaren pro Quadratzentimeter         Wasser oder im Dunkeln Nahrung. Nebst        Fischotter.
unglaublich dicht. Da die Haare reissver-   Fischen erbeutet er Krebse, Frösche,         ✺ Carmen Herzog

Wildnis Nr. 17 Frühling/Sommer 2018                                                                                               9
Wildnis - Schmutzig und glücklich - so lernen Kinder im Sihlwald S.4 - Wildnispark Zürich
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Wildnis Nr. 17 Frühling/Sommer 2018   11
Damit die Natur ihre Freiräume behält:
     Wir unterstützen den Wildnispark Zürich.

     Mehr unter zkb.ch/wildnispark

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     Zürcher Kantonalbank 30% Ermässigung
     für alle Ausstellungen und 20% auf Kurse.

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Klaudia und Ernst Frieden sind Paten eines Wisents und
                                                                  schätzen es sehr, die Tiere täglich beobachten zu können.

«Der Patentag                                                     direkt vom Sofa aus beobachten zu können. Das gibt’s nicht so
                                                                  schnell woanders. Die Patenschaft bringt uns das Tier gefühls-

ist ein Highlight»
                                                                  mässig noch ein bisschen näher.

                                                                  Was gefällt Ihnen ganz besonders an diesem Tier?
                                                                  Ernst Frieden: Für mich sind Wisente von der Art her «typische
Klaudia und Ernst Frieden sind seit vielen                        Schweizer»: Sie beobachten lange, bevor sie etwas tun. Die
Jahren Wisent-Paten. Nur ein Zaun trennt                          ­Tiere sind nicht aggressiv, das gefällt mir ganz besonders. Das
das Haus des Ehepaars von der Wisent­                             passt zu uns.
anlage im Langenberg. Die beiden schät-
zen diese Nähe und freuen sich jedes Jahr                         Was ist das Schönste, das eine Patenschaft mit sich bringt?
auf den traditionellen Patentag.                                  Ernst Frieden: Der jährlich stattfindende Patentag ist jeweils
                                                                  ein Highlight für uns. Ein Tierpfleger führt uns an diesem Tag
Was hat Sie dazu bewogen, Paten eines Wisents zu werden?          durch den Park, wir kommen den Tieren dadurch näher als
Ernst Frieden: Vor einigen Jahren wurde die Wisentanlage er-      sonst. Die Pfleger beantworten unsere Fragen jeweils sehr
weitert. Sie reicht nun bis direkt hinter unser Haus – nur ein    kompetent, das beeindruckt mich.
Zaun trennt uns von den Tieren. Die Wisente lassen sich seither
von unserem Wohnzimmer aus beobachten, das ist einzigartig.       Haben Sie einen Bezug zu den anderen Tieren im Langenberg?
Während eines Spaziergangs durch den Tierpark bin ich durch       Klaudia Frieden: Ich spaziere täglich durch den Park, manchmal
die Tafel mit den Patinnen und Paten auf die Möglichkeit einer    sogar zweimal. Am Schönsten ist es morgens, noch vor neun
Tierpatenschaft aufmerksam geworden. Da wusste ich sofort,        Uhr. Dann ist kaum jemand unterwegs. Bei den Steinböcken und
dass ich Wisent-Pate werden möchte.                               den Hirschen durften wir schon mehrmals Geburten beobach-
                                                                  ten. Das sind faszinierende und unvergessliche Erlebnisse.
Wie ist es, wenn man so nah beim Patentier wohnt?
Klaudia Frieden: Es fühlt sich nach Natur pur an. Wer uns be-     Weitere Informationen zu Patenschaften:
sucht, ist tief beeindruckt – so ursprüngliche und grosse Tiere   ≥ wildnispark.ch/patenschaften

Wildnis Nr. 17 Frühling/Sommer 2018                                                                                                13
Geführt zu den
Wildschweinen –
ein erfolgreiches
Angebot
Begleitet von einer Wildnisbotin oder einem Wildnisboten dür-
fen Interessierte während der Saison jeweils sonntags auf Be-
such zu den Wildschweinen in der begehbaren Anlage. Auch
Gruppen und Schulklassen profitieren von dieser Möglichkeit.
«Das besondere Angebot lief sehr gut an. Von Anfang August

                                                                   Stabübergabe im
bis Ende Oktober 2017 haben wir gut 1000 Personen und 54
Gruppen durch die Anlage geführt», erzählt Carmen Herzog,

                                                                   Besucherzentrum
Projektleiterin Freizeit im Wildnispark Zürich. In früheren Jah-
ren durften Besucherinnen und Besucher ohne Begleitung in
die Wildschweinanlage. «Dieses Angebot mussten wir im Som-
mer 2015 stoppen», so Herzog, denn die Schweine seien teil-
weise gefüttert oder gestreichelt worden und hätten so die         Am 1. Februar hat Christine Jutz Portmann im Wildnispark
Scheu vor den Menschen verloren.                                   ­Zürich ihre Tätigkeit als Leiterin Kundendienst und Veranstal-
Kleinere Schwierigkeiten des aktuellen Angebots sind bereits       tungen begonnen. Die Geografin verfügt über fundierte Kennt-
erfolgreich beseitigt: «Am Anfang mussten wir die Wildschwei-      nisse und Erfahrungen, die für diese breit gefächerte Aufgabe
ne ein paar Mal verscheuchen. So machen wir den Tieren die         notwendig sind. «Ich freue mich, unseren Besuchenden die ein-
Spielregeln klar», sagt Herzog, denn Wildschweine und Men-         zigartige Wildnis präsentieren zu dürfen». Sie hat die verant-
schen sollen Abstand bewahren. Die Tiere lernen rasch, die         wortungsvolle Aufgabe von Florine Michaud übernommen, die
weiteren Besuche verliefen wie gewünscht. «Das Angebot kann        während 17 Jahren als Leiterin des Besucherzentrums tätig
als grosser Erfolg bewertet werden»,                                 war. Michaud ist der Abschied nicht leicht gefallen: «Ich habe
sagt Carmen Herzog, «es                                                  viel Herzblut in diese schöne Aufgaben fliessen lassen.»
kam zu vielen spannen-                  Führungen durch                    Von den Fähigkeiten ihrer Nachfolgerin ist sie aber
den Gesprächen». Das               die Wildschweinanlage                     überzeugt.
vertröstete einige Besu-    21. März bis 28. Oktober sonntags                 Ihren früheren Job beschreibt Michaud gerne als
chende, die Pech hatten     bei trockenem Wetter. Zeit: 13.30,                 eine Art Schaukel. Über die Wintermonate habe sie
und keine Tiere zu Ge-      14.30, 15.30 Uhr. Dauer: 20 Min.                   in Ruhe vorbereitet, um im März jeweils mit neuem
sicht bekamen. Denn         Treffpunkt: beim Infopunkt neben                   Elan in die Saison zu starten. Michaud arbeitet
auch das ist ­möglich in    dem Restaurant Langenberg.                         noch bis Ende 2018 als Assistentin im Bereich Bil-
einer grossen, natur­       Keine Anmeldung nötig.                             dung. Sie freut sich bereits jetzt auf die Zeit nach
nahen Anlage.               Gruppenführungen: buchen unter                    ihrer ­Pensionierung: «Bald habe ich viel Zeit für Rei-
✺ Bianca                    ≥ wildnispark.ch/fuehrungen.                     sen, meine Enkel und andere spannende Projekte».
Guggenheim                                                                   ✺ Bianca Guggenheim

14
Wildnis –
                                                                                                   Gedanken und
                                                                                                      Gesichter

                                                                                                          Elsbeth Flüeler

«Ah, das Wildalpili», meinte der Älpler und                                    Elsbeth Flüeler, Geografin, beschäftigt
wünschte guten Aufstieg. Etwas erstaunt                                        sich seit vielen Jahren mit der Wildnis.
hatte er schon geschaut, wie ich so spät                                       Als Bergwandererin, als Geschäftsleiterin
unterwegs war, dazu mit Rucksack. Ich                                          von Mountain Wilderness von 2001 bis
würde auf dem Wild­

                                      Einsame
                                                                               2011 und heute als Wildheuerin.
alpili übernachten,
sagte ich.                                                                   sie dies am fast senkrechten Berg getan. An diesem

                                      Wildnis
                                                                             Abend mied ich die Felswand. Ich suchte meinen Weg
Alpili gibt es wenige. Aber wa-                                              zwischen den Blöcken. So einfach würde es nicht sein,
rum dieses eine die Bezeich-                                                 ­einen Schlafplatz zu finden. Ich entschied mich für ein
nung «wild» im Namen trägt?                                                  fast ebenes Stück Gras und spannte meinen Tarp über
Vielleicht weil kein Weg dahin führt. Vielleicht, weil es keinen    einen Felsblock: eine Andeutung von Dach über dem Kopf.
Grund gibt, dahin zu gehen. Überhaupt keinen.                       Die Sonne stand schon tief und schickte orangene Strahlen auf
Vor langer Zeit hatte sich hier ein Stück Berg gelöst und war als   die Felswand. Bald würde die Dunkelheit hereinbrechen. Ich
felsiger Kegel etwas weiter unten zum Stillstand gekommen.          schlüpfte in den Schlafsack, wickelte mich ein und träumte die
Zurück geblieben waren der Abbruch, eine senkrechte Fels-           Nacht herbei. Vor Wochenfrist hatte ein Wolf in nur sechs Kilo-
wand und darunter eine Senke, ein wild kupiertes und mit            metern Entfernung Schafe gerissen. Man würde ihm nachstel-
­groben Blöcken durchsetztes Gelände. Das ist das Wildalpili.       len. Wenn er sich nun auf das Wildalpili geflüchtet hatte? Würde
Der einfachste Weg es zu durchqueren, hatte ich einmal her-         er mich aufspüren? Der Wolf und ich. Hier, auf dem Wildalpili?
ausgefunden, ist der Wildwechsel, der, abschüssig und schmal,       Für einen kurzen Moment war mir in meiner Wildnis etwas un-
unter der Felswand verläuft.                                        heimlich zumute.
Im Aufstieg schaute ich zum gegenüberliegenden Berg. Eine           Wochen später erhielt ich ein WhatsApp. Der Älpler hatte seine
markante, horizontal in die stotzige Flanke gelegte Linie zeigte:   Dexterrinder aufs Wildalpili getrieben. Es sei für die Tiere immer
Bis zu diesem Zaun weidet das Vieh. Darüber, so hatte man mir       der Höhepunkt des Alpsommers, schrieb er, und schickte ein Vi-
erzählt, hatten die Wildheuer noch vor fünfzig Jahren Wildheu       deo mit einem wilden Juiz (Jodlerjauchzer).
geerntet: «So weit hinauf es eben ging.» Mir schien, als hätten     ✺ Elsbeth Flüeler

Wildnis Nr. 17 Frühling/Sommer 2018                                                                                                  15
Damit Erholung und Naturschutz im Natur­                          gesamt 15 Rehen akribisch verfolgt, festgehalten
erlebnis­park Sihlwald nebeneinander                              und aus­gewertet. Daneben zeichneten automati-
funktionieren können, braucht es stö­                             sche Zählstellen die Nutzung der Gebiete durch
rungs­freie Räume für die Wildtiere und                           Fussgänger und Radfahrer auf. Ergänzend unter-
eine bewusste Besucherlenkung. Dies                               suchte eine Arbeit die Anzahl Brutvögel in Abhän-
­bestätigen die Resultate eines fast fünf-                        gigkeit von der Distanz zu stark begangenen ­Wegen
 jährigen Forschungsprojekts.                                     und Strassen. Gut viereinhalb Jahre später l­ iegen
                                                                  nun die Resultate vor. Mit dem Abschluss der
Der Sihlwald ist eine einmalige Naturlandschaft, die es im        ­Forschungen liefern die Forschungsgruppen um
Schweizer Mittelland nirgendwo sonst gibt. Hier haben wir die     Roland Graf und Reto Rupf auch Empfehlungen für
einzigartige Chance, Naturschutz und Erholung zu kombinieren.     das Management von Naherholungsgebieten.
Als erster und bisher einziger Naturerlebnispark in der Schweiz

Rehforschung im Sihlwald abg
schützt die Stiftung Wildnispark Zürich den Naturwald auf ganz    Balance zwischen Menschen und Wildtieren
neue Weise: Die Menschen werden ermuntert und sogar aufge-        Rehe, die in von Menschen stark genutzten Gebieten leben,
fordert, sich die entstehende Wald-Wildnis mit eigenen Augen      ­zeigen eine geringere Bewegungsaktivität als Rehe, die an ruhi-
anzusehen. Besuchende werden hier                                             gen Orten leben. Dies deutet darauf hin, dass sich
nicht ausgeschlossen. Diese neue Form       Die unmittelbare                  die Tiere in ihrem Verhalten durch die Menschen
von Wildnis-Erlebnis birgt jedoch einige    Nähe von Natur­                   einschränken lassen – beispielsweise durch Stras-
Herausforderungen.                          erlebnispark und                  sen und Wege. Diese werden von den Rehen ge­
                                            Siedlungen führt                  mieden. Bevorzugt halten sich die Tiere in e
                                                                                                                         ­ iner
Forschen für die Praxis                     dazu, dass praktisch              Entfernung von mindestens 25 Metern zur nächsten
Der Sihlwald bietet mit seinen mosaikar-    rund um die Uhr                   Strasse auf. Überraschenderweise gilt dies nicht
tigen Waldstrukturen zahlreiche und viel-   Menschen auf den                  nur am Tag, sondern in abgeschwächter Form eben-
fältige Lebensräume für Pflanzen, Pilze     Wegen im Wald                     falls in der Nacht. Ähnlich verhalten sich auch Brut-
und Tiere. Wie aber reagieren diese Wild-   ­anzutreffen sind.                vögel. So siedeln sich Waldvögel vermehrt weiter
tiere auf die Präsenz von Erholungssu-                                        weg von Wegen und Strassen an, wenn auf diesen
chenden? Diese Frage liess sich die Stiftung Wildnispark Zürich   wie im Sihlwald regelmässig Besuchende unterwegs sind. Die
von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in       Forscher der ZHAW schlagen vor, dass in Naherholungsgebieten
Wädenswil (ZHAW) beantworten. Dazu lancierten die beiden          durch Rückbau von Strassen und Wegen möglichst grosse stö-
Forschungsgruppen Wildtiermanagement sowie Umweltpla-             rungsfreie Räume entstehen sollen. Zudem könnten mit einer
nung das Projekt «Wildtier und Mensch im Naherholungsraum».       geschickten Besucherlenkung störende menschliche Aktivitä-
Seit Herbst 2013 haben Forscherinnen und Studierende der          ten auf Gebiete konzentriert werden, die für Wildtiere keine
ZHAW im Sihlwald und in der Umgebung das Verhalten von ins-       ­attraktiven Lebensräume darstellen.

16
Rehe meiden

eschlossen
                                                                                                                 Strassen und
                                                                                                                 Wege und werden
                                                                                                                 dadurch in ihrer
                                                                                                                 Bewegungsfrei­
                                                                                                                 heit ein­
                                                                                                                 geschränkt.

 Im Naturerlebnispark Sihlwald wird dem Ruhebedürfnis der          Sihlwald mittels Fotofallen. Die grösste Schweizer Hirschart
 Wildtiere Rechnung getragen, indem die gesamte Waldfläche         galt bei uns um 1850 als ausgestorben. Ende des 19. Jahrhun-
 grob in zwei Zonen mit unterschiedlichen Regeln aufgeteilt ist.   derts wanderte der «König der Wälder» von Österreich wieder in
 In der Naturerlebniszone dürfen sich Besucherinnen und Besu-      die Schweiz ein. Die Rückeroberung seiner einstigen Lebens-
 cher auch abseits der Wege im Wald bewegen, in der zentralen      räume ist bis heute im ­Gange. So breiten sich Rothirsche aus
 Kernzone gilt ein Weggebot. Zudem sind die Veranstaltungen        den Alpen immer mehr ins Mittelland aus. Diese Entwicklung
 und Aktivitäten durch die Stiftung auf das Areal rund um das      wird nicht überall mit Wohlwollen verfolgt. Da die grosse Tierart
 Besucherzentrum in Sihlwald konzentriert. Diese Besucher­         durch ihr Verhalten auf die Gestaltung der Wälder Einfluss
 lenkung ist in einem siedlungsnahen Naturerlebnispark von         nimmt, sind Rothirsche in Nutzwäldern nicht gern gesehen. Im
 zentraler Bedeutung. Die unmittelbare Nähe führt dazu, dass       Sihlwald dagegen bietet sich durch den Prozessschutz die ein-
 praktisch rund um die Uhr Menschen auf den Wegen im Wald          malige Chance, den tatsächlichen Einfluss von Frass- und
 anzutreffen sind. Insbesondere Bikerinnen und Biker sind ver-     Schälspuren auf die Waldentwicklung zu erforschen.
 mehrt in den späteren Abendstunden unterwegs.                     ✺ Martin Kilchenmann

 Rothirsche im Fokus
 Trotz positiver Beurteilung des Managements im Naturerlebnis-     ☛ Weitere Informationen: Das Faktenblatt der Akademie der
 park müssen Besucherlenkung und Akzeptanz der Regelungen          Naturwissenschaften zum Projekt «Wildtier und Mensch im
 laufend überprüft und weiterentwickelt werden. Dazu schlagen      Nah­erholungsraum» kann unter ≥ www.naturwissenschaften.ch
 die zwei Forschergruppen ein regelmässiges Monitoring vor. In     ≥ Organisationen ≥ Parkforschung Schweiz ≥ Publikationen
 Planung befindet sich aktuell ein Monitoring der Rothirsche im    heruntergeladen werden.

 Wildnis Nr. 17 Frühling/Sommer 2018                                                                                               17
Fischotter-
      ..
     Ratsel                                                             4
                                                                            E
                                                                                      B                     D
     Kannst du alle Fragen
     zum Thema Fischotter beantworten?
     Unser Tipp: Die gesuchten Wörter
     findest du alle                                        C                               6
     in diesem Heft.            A                                                                                   2
                                                            6
                                                   3   G
                                                        1                         9
                                                                        5
     A   Am häufigsten frisst ein Fischotter…
                                                                    F
     B   Der Fischotter gehört zur Familie der…
     C   Sein Fell besteht aus vielen einzelnen…                    8,11          7              10
     D   Die Farbe des Fells ist grösstenteils…
     E   Der Fischotter hält sich vor allem in der Nähe von … auf
     F   Die Haare seines Fells sind reissverschlussartig ineinander verzahnt, dadurch bleibt die Haut darunter …
     G   Der Wildnispark Zürich eröffnet am 25. März im Besucherzentrum eine neue … zum Thema Fischotter

                                                                                         Lösungswort:
                                                                                         Der Fischotter gilt in
                                                                                         der Schweiz seit 1989
                                                                                         als _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
                                                                                            1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

                                                                                        Man
                                                                                       zum dala
                                                                                           Aus
                                                                                               mal
                                                                                                              en

18
Mein Wildnispark-Tipp
von Andres Türler, Zürcher Stadtrat und Präsident der Stifterversammlung Wildnispark Zürich

Wo ich im Wildnispark am liebsten hin­                           lichkeit. Heute ist die ganze Anlage viel naturnaher. Aber das
gehe? Diese Frage kann ich nicht beant-                          heisst dann auch, dass die Tiere nicht mehr ausgestellt sind,
worten. Sehr wohl kann ich aber sagen,                           sondern entdeckt werden müssen. Das ist in unserer Hoch­
was ich für einen Besuch unbedingt                               geschwindigkeits-Zeit eine gute und günstige Massnahme zur
­brauche: Zeit und Geduld, und ich nehme                         Entschleunigung. Wir können uns in der Stadt Zürich glücklich
 meistens auch einen Stuhl
 mit, der mich beim Gedul-
 digsein unterstützt.

Der Wildnispark ist kein Zoo, sondern wie
es der Name schon sagt vergleichbar mit
dem Leben in der freien Natur. Ich
schaue gern der Natur und den Tieren zu,
aber ich muss sie zuerst ­finden. Auch
ausserhalb der Gehege halte ich nach
Tieren Ausschau, zum Beispiel nach
                                                     Auf den Knopf
­Vögeln. Auch diesen zuzuschauen kann
                                                     drücken kann man
sehr interessant sein. Auf den Knopf
                                                     nirgends; wenn der
­drücken kann man nirgends; wenn der
                                                     Bär nicht kommen
Bär nicht kommen will, dann kommt er
                                                     will, dann kommt er
einfach nicht.
                                                     einfach nicht.
Besonders spannend finde ich, Tiere über
längere Zeit zu beobachten, ganz gleich
ob kleine oder grosse. Ich verfolge zum
­Beispiel eine Rotte Sauen und verstehe
nach und nach, wie die Tiere miteinander umgehen und welche      schätzen, einen solchen Erholungs- und Erlebnisraum quasi vor
Verhaltensregeln innerhalb der Rotte gelten. Bei Wölfen ist es   der Haustür zu haben, und wir müssen dafür nicht einmal
genau das Gleiche. Auch diese behalte ich so lang wie möglich    ­Eintritt bezahlen.
im Auge und versuche h
                     ­ erauszufinden, wie das Rudel kommuni-     Auch der Mensch ist ein Tier, nämlich ein Gewohnheitstier, und
ziert.                                                           so gehe ich immer wieder in den alten Teil des Parks. Den neue-
Meine ersten Erlebnisse in diesem Park reichen in die frühe      ren Teil kenne ich gar nicht so gut, obwohl es dort für mich auch
Kindheit zurück. Mit den Grosseltern gingen wir regelmässig      noch viel zu entdecken gäbe. Rückblickend bin ich dankbar,
hin, und es war für mich immer ein willkommener Ausflug. Da-     dass ich als Präsident der Stifterversammlung bei der Entwick-
mals war es einfacher, die Tiere zu Gesicht zu bekommen, denn    lung des Parks habe mithelfen können und wünsche meiner
sie waren in viel kleineren Gehegen ohne grosse Rückzugsmög-     Nachfolge viel Freude bei dieser Aufgabe.

Wildnis Nr. 17 Frühling/Sommer 2018                                                                                               19
im Rhythmus der Natur

     Wussten Sie…
     …dass im vergangenen
     Jahr 2669 Kinderherzen
     beim Erkunden des
     ­Naturwalds Sihlwald
      ­höher geschlagen haben?

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