WILLKOMMEN AUF DEUTSCH - DOK MACHT SCHULE - DOK LEIPZIG

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WILLKOMMEN AUF DEUTSCH - DOK MACHT SCHULE - DOK LEIPZIG
DOK macht Schule

Willkommen auf Deutsch

                          26.10. – 1. 11.2015
                      58. INTERNATIONALES
                     LEIPZIGER FESTIVAL FÜR
                       DOKUMENTAR– UND
                           ANIMATIONSFILM
                      WWW.DOK-LEIPZIG.DE
WILLKOMMEN AUF DEUTSCH - DOK MACHT SCHULE - DOK LEIPZIG
DOK macht Schule

  Mit seinen Schulvermittlungsprojekten bietet DOK Leipzig Lehrern/innen die Möglichkeit, sich gemein-
sam mit ihren Schülern/innen ausgesuchte Dokumentarfilme im Kino anzuschauen.

 Das Vermittlungskonzept von „DOK macht Schule“ besteht aus drei Teilen:
    • Schulvorbereitungsstunden vor der Vorführung in den Schulklassen

    • Filmhefte, die den Lehrern/innen eine individuelle Vor- und Nachbereitung ermöglichen

    • Vorführung mit anschließender Diskussion mit den Filmemachern/innen

Inhaltsverzeichnis
DOK macht Schule2
Inhalt3
Thema6
Zur Filmsprache12
Unterrichtsvorschläge18
Materialien19
Literaturhinweise, Links und
Filmempfehlungen22

Impressum:
Herausgeber:
DOK Leipzig (V.i.S.d.P.) und Bundeszentrale für politische Bildung/bpb
Adresse:
Leipziger Dok-Filmwochen Gmbh, Katharinenstr. 17, 04109 Leipzig, Tel.: +49 (0)341 30864-0, Fax: +49
(0)341 30864-15, info@dok-leipzig.de, www.dok-leipzig.de
und
Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Fachbereich Multimedia, Adenauerallee 86, 53113 Bonn,
Tel.: +49 (0)228 99-515-0, Fax: +49 (0)228 99-515-113, info@bpb.de, www.bpb.de
Autorin: Luc-Carolin Ziemann
Redaktion: Katrin Willmann (verantwortlich, bpb), Marie Schreier (bpb)
Lektorat: Andreas Kötzing, Jan-Philipp Kohlmann (bpb)
Layout: Lisa Gerkens
Bildnachweis: Pier53
Lizenziert nach der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs
3.0 Germany License
© März 2015
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Filmheft   |   Willkommen auf Deutsch   |   3

Inhalt

Carsten Rau und Hauke Wendler
  Carsten Rau (Autor, Regisseur, Produzent) wurde 1967 in Hamburg geboren.
Er studierte Politische Wissenschaften und Geschichte in Hamburg und Berlin.
Von 1993 bis 2006 arbeitete er als Autor, Regisseur und Reporter für das NDR
Fernsehen. 2006 gründete er zusammen mit Hauke Wendler die Filmproduk-
tionsfirma PIER 53 in Hamburg. Gemeinsam realisieren sie Dokumentationen,
Dokumentarfilme und Reportagen für öffentlich-rechtliche Sender und fürs
Kino. (Quelle: www.willkommen-auf-deutsch.de)

  Hauke Wendler (Autor, Regisseur, Produzent) wurde 1967 in Bremen gebo-
ren. Er studierte Politische Wissenschaften und Geschichte in Hamburg und
London und verfasste mehrere Bücher zu den Themen Medienpolitik und Mi-
gration. Von 1995 bis 2006 arbeitete er als Autor, Regisseur und Reporter für
das NDR Fernsehen. Für ihre gemeinsamen TV-Produktionen wurden Carsten
Rau und Hauke Wendler mehrfach für den Grimme-Preis nominiert. (Quelle:
www.willkommen-auf-deutsch.de)

Gemeinsame Filmographie
 2014 Willkommen auf Deutsch , 2011 Wadim

Willkommen auf Deutsch
Deutschland 2014, 90 min.
Filmformat: DCP
Sprache: Deutsch

Buch und Regie: Carsten Rau und Hauke Wendler
Produktion: PIER 53 Filmproduktion
Kamera: Boris Mahlau
Schnitt: Stephan Haase
Ton: Torsten Reimers, Detlev Meyer, Patrick Benze
Redaktion: Barbara Denz und Gudrun Hanke-El Ghomri

Förderung: Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur
und Medien und Nordmedia – Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen.

Verleih: Brown Sugar Films

Altersempfehlung
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Klassenstufen: ab 9. Klasse
Themen: Asyl, Integration, Flüchtlinge, Rassismus, Fremde Kulturen, kulturelle Identität, Heimat,
Vorurteile
Unterrichtsfächer: Gemeinschaftskunde/Sozialkunde, Politik, Geschichte, Philosophie, Ethik/Religion
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  Wie reagieren Menschen, wenn in ihrer Nachbar-         Die Regisseure beobachten zwei kleine Gemeinden
schaft Asylbewerber untergebracht werden? „Will-       in Niedersachsen, in denen Flüchtlinge untergebracht
kommen auf Deutsch“ geht diesem Thema nach und         werden sollen. Sie erleben, wie sich Bürgerinitiativen
beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Auswir-    gründen, die sich angesichts der neuen Nachbarn um
kungen der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Im Zen-       das Wohl ihrer Kinder und den Verkaufswert ihrer
trum des Films stehen die vielzitierte „Willkommens-   Eigenheime sorgen. Sie lernen aber auch Menschen
kultur“ und die Frage nach der Offenheit gegenüber     kennen, die sich ohne Wenn und Aber für die Flücht-
Migranten in Deutschland.                              linge einsetzen. Für die Asylsuchenden selbst ist die
                                                       Ankunft in Deutschland zwar oft das Ende einer jah-
                                                       relangen Odyssee, doch viele Probleme dämpfen ihre
                                                       Erwartungen an die neue Heimat.
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Übersicht der mitwirkenden

Larisa                                                   Reiner Kaminski
  Die 21-jährige Larisa ist mit ihrer Mutter und ihren     Der Leiter des Fachbereichs Soziales beim Land-
fünf jüngeren Geschwistern aus Tschetschenien nach       kreis Harburg ist zuständig für die Unterbringung
Deutschland gekommen, um Asyl zu beantragen.             von Asylbewerbern. Er bemüht sich darum, eine Will-
Nach der Ankunft wird die Mutter aufgrund psychi-        kommenskultur von amtlicher Seite zu fördern und
scher Probleme ins Krankenhaus eingeliefert. Larisa      trifft dabei – besonders bei der Einrichtung von Un-
muss allein die Verantwortung für ihre fünf jüngeren     terkünften – immer wieder auf Widerstand aus der
Brüder übernehmen.                                       Bevölkerung.

Ingeborg Neupert                                         Hartmut Prahm
  Die 80-jährige Rentnerin aus Tespe kümmert sich         Der Bürger aus Appel ist einer der Mitbegründer
ehrenamtlich um Larisas Familie. Sie hilft ihnen bei     der Bürgerinitiative gegen das geplante Asylbewer-
Fragen und Problemen mit den Ämtern und lernt mit        berheim. Er sagt, die Menschen in Appel wären im
den Kindern Deutsch. Trotz ihres hohen Alters in-        Großen und Ganzen offen für Fremde, aber 53 Asyl-
vestiert sie viel Kraft und Mühe in die Hilfe und ge-    bewerber seien „nicht sozial verträglich“ für den klei-
winnt in ihrem Freundeskreis weitere Unterstützer/       nen 400 Seelen-Ort.
innen.

                                                         Malik und Abida
                                                           Das Ehepaar stammt aus Pakistan und musste von
                                                         dort fliehen. Abida ist Christin, Malik gläubiger Mus-
                                                         lim – aufgrund ihrer unterschiedlichen religiösen
                                                         Überzeugungen wurden sie in ihrer Heimat bedroht
                                                         und verfolgt.
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Thema

Willkommenskultur in                   Rassismus, der „nicht so                 Willkommenskultur
Deutschland                            gemeint“ ist                             Als Willkommenskultur bezeichnet man
                                                                                die Offenheit gesellschaftlicher Struk-
  In Deutschland wurden zwar             In der Eröffnungsszene beglei-         turen gegenüber Fremden. Das beinhal-
verschiedene Maßnahmen zur             tet die Kamera Hartmut Prahm             tet einerseits eine offene und tolerante
                                                                                Haltung bei jedem Einzelnen, aber auch
Förderung einer Willkommens-           auf einem Spaziergang durch das          offene Strukturen von Organisationen
kultur eingeführt, jedoch gibt es      idyllische niedersächsische Dorf         und Institutionen im Umgang mit Men-
                                                                                schen, die in ein Land einwandern. Als
immer noch Probleme in der Um-        Appel. Der großgewachsene Mann            Grundlage für eine Willkommenskultur
setzung. Im Umgang mit Vielfalt        zeigt dem Filmteam sein Dorf und         gilt ein „Wir-Gefühl“, das auch Migranten
                                                                                einschließt. Damit verbunden ist die Ent-
werden nach wie vor verschiedene      hebt bei jedem Auto, das vorbei-          wicklung einer Anerkennungskultur, die
Formen der Diskriminierung beo-        fährt, die Hand zum Gruß – in            die bereits bestehende kulturelle Vielfalt
                                                                                der deutschen Gesellschaft als Norma-
bachtet (Vgl. Carrel 2013) und es     Appel kennt man sich, nur knapp           lität und Ressource für gesellschaftliche
gibt gesellschaftliche Strömungen,    450 Menschen wohnen hier. Als             Entwicklung würdigt.

die die Zuwanderung stärker be-        bekannt wurde, dass im leerste-          Flüchtling
grenzen möchten. Mit den stei-        henden Alten- und Pflegeheim              Personen, die aufgrund ihrer ethnischen
                                                                                Zugehörigkeit oder Religion in ihrem Hei-
genden Flüchtlingszahlen der          Menschen untergebracht werden             matstaat verfolgt werden bzw. aufgrund
letzten Jahre (Grafik siehe Attach-    sollen, die in Deutschland Asyl          der sozialen, wirtschaftlichen oder poli-
                                                                                tischen Bedingungen bzw. wegen eines
ment, S. 3) hat die Diskussion über    beantragt haben, dauerte es nicht        (Bürger-)Krieges ihr Heimatland verlas-
den Umgang mit Migration und          lange, bis sich dagegen eine Bür-         sen mussten. Der Hohe Flüchtlingskom-
                                                                                missar der Vereinten Nationen (UNHCR)
Flüchtlingen in Deutschland eine       gerinitiative gründete.                  gibt an, dass die Anzahl der Flüchtlinge,
neue Intensität erreicht. Immer          Hartmut Prahm ist deren Vorsit-        die ihr Heimatland verlassen mussten,
                                                                                2013 weltweit knapp 20 Mio. betrug.
wieder kommt es zu – teilweise         zender. Er begründet den Wider-          Schätzungen, die auch die Vertriebenen
gewalttätigen – Protesten, wenn        stand gegen die Unterbringung            innerhalb der eigenen Länder (Binnen-
                                                                                Flüchtlinge) einkalkulieren, belaufen sich
neue Unterkünfte für Flüchtlinge       mit rationalen Argumenten, wie           auf ca. 51 Mio. Flüchtlinge.
geplant werden. Diese Entwick-         zum Beispiel der fehlenden In-
                                                                                Asyl
lung war für Hauke Wendler und         frastruktur. Im Verlauf des Films        Ein geschützter Aufenthaltsort, im Grie-
Carsten Rau der Anlass, sich dem      wird aber deutlich, dass der Pro-         chischen der „Ort, von dem man nicht ge-
                                                                                waltsam weggeholt wird“. Unser Grund-
Thema filmisch zu nähern. Dabei        test auch durch irrationale Äng-         gesetz gewährt politischen Flüchtlingen
beleuchten sie ganz bewusst ver-       ste („Da kann man ja seine Kinder        Asyl. Dieses unbefristete Aufenthalts-
                                                                                recht in Deutschland wird nur denjenigen
schiedene Perspektiven: Zu Wort        nicht mehr auf die Straße lassen!“)      gewährt, bei denen eine Prüfung ergibt,
kommen Flüchtlinge und deren           genährt wird. Hinzu kommt der            dass sie wegen politischer Verfolgung
                                                                                (und nicht z.B. aus wirtschaftlichen Grün-
Unterstützer/innen, aber auch kri-    Unmut darüber, in die Planungen           den) ihre Heimat verlassen haben.
tisch eingestellte Bürger/innen        nicht eingebunden gewesen zu
                                                                                Bürgerinitiative
sowie Mitarbeiter/innen von Be-        sein:                                    Interessenvereinigung von Bürgerinnen
hörden und politischen Initiati-         Obwohl Appel wie viele andere          und Bürgern, die sich aufgrund eines kon-
                                                                                kreten Anlasses organisiert haben und
ven. Der Film behandelt einerseits     ländliche Regionen unter Abwan-          sich um Abhilfe im Sinne ihres Anliegens
die Ängste und das Unverständ-         derungstendenzen leidet, wollen          bemühen, z.B. dass eine Umgehungs-
                                                                                straße gebaut wird. Im Gegensatz zu
nis derer, die ihre Heimat durch       sich die Alteingesessenen nicht          Parteien wollen Bürgerinitiativen nicht auf
den Zuzug von „Fremden“ be-           „von oben“ diktieren lassen, wer zu       Dauer bestehen, nehmen nicht an Wahl-
                                                                                en teil und haben auch kein allgemeinpo-
droht sehen. Er zeigt anderer-         ihnen gehören soll und wer nicht.        litisches Programm. Sie können aber zu
seits aber auch die Erlebnisse und    53 Flüchtlinge in einem Ort mit           Vorstufen politischer Parteien werden.

Hoffnungen von Menschen, die in       450 Anwohnern: Dieser Plan sei
Deutschland nicht nur vorrüber-       „sozial unverträglich“.
gehend Schutz suchen, sondern
dauerhaft eine neue Heimat fin-
den möchten.
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  Als Alternative schlagen die
Anwohner vor, zehn Asylbewer-
ber im Gasthaus ‚Deutscher Hof‘
unterzubringen.
  Tatsächlich kann man die be-
hördliche Planung hinterfra-
gen, doch in der dünn besiedel-
ten Region südlich von Hamburg
gibt es nur wenig geeignete Orte
und Objekte, um die gut 1000
Asylbewerber           unterzubrin-
gen, die der Landkreis nach dem
Königssteiner Schlüssel ins-
gesamt aufnehmen muss. Dazu
kommt, dass Einwohner hier,
wie auch in anderen Teilen von         tenheim als Standort schließlich       aus Tespe entsetzt hat:
Deutschland nach dem St. Flori-        fallen gelassen und steht nun wei-       „Als ich das hörte von dem Protest
ans-Prinzip reagieren: „Generell       ter leer. Derweil beziehen zehn        gegen die Familie habe ich mich er-
habe ich nichts gegen Ausländer,       Flüchtlinge aus Albanien und           schrocken und habe gedacht, oh Gott,
solange sie nicht direkt neben mir     Syrien ihre Zimmer im Gasthof          was wohnen hier für harte Menschen.“
einziehen.“                            ‚Deutsches Haus‘.                      Ingeborg Neubert
  Schon bevor die ersten Flücht-                                                Einige der Rentnerinnen um
linge nach Appel kommen, haben         Hingehen statt                         die 80-jährige Ingeborg Neubert
die Bürger genaue Vorstellungen        Wegschauen                             haben nach dem Zweiten Welt-
über ihre potentiellen neuen             Bereits einige Zeit vorher hatte     krieg selbst erlebt, wie sich Flucht
Nachbarn. In ihren emotionalen         das Filmteam im 70 Kilometer           und Ausgrenzung anfühlen. Nun
Äußerungen schwingen auch              entfernten Tespe mit den Drehar-       wollen sie dazu beitragen, dass sich
Ressentiments mit. So wird un-         beiten begonnen, als dort gerade       Larisa und ihre Familie in Tespe
terstellt, dass die Flüchtlinge auf-   eine siebenköpfige Flüchtlings-        bald zu Hause fühlen. Angesichts
grund ihrer „männlichen Bedürf-        familie aus Tschetschenien ange-       der fragilen Gesundheit der Mut-
nisse“ eine Gefahr für die Frauen      kommen war. Auch hier regte sich       ter werden die freiwilligen Helfe-
und Kinder des Dorfes werden           Widerstand gegen die Flüchtlinge,      rinnen zur unverzichtbaren Stüt-
könnten. Hartmut Prahm sagt in         die in einer zur Wohnung umge-            Königssteiner Schlüssel
einer öffentlichen Diskussion, er      bauten ehemaligen Sparkassenfili-         Jedes Bundesland nimmt eine bestimmte
                                                                                 Zahl von Asylsuchenden auf. Diese Auf-
wisse nicht, wie lange der Pro-        ale untergebracht sind. Die allein-       nahmequote wird nach dem sogenann-
test noch friedlich bleiben werde.     erziehende Tschetschenin erlitt           ten „Königsteiner Schlüssel“ festgesetzt.
                                                                                 Dieser wird für jedes Jahr entsprechend
Sollte das Heim wirklich gebaut        einen Zusammenbruch und muss-             der Steuereinnahmen und der Bevölke-
werden, könne er für nichts garan-     te danach monatelang im Kran-             rungszahl der Länder berechnet.

tieren. Als selbst diese Drohung       kenhaus betreut werden.                   St.-Florians-Prinzip
nicht zum gewünschten Ergeb-             Die Verantwortung für die fünf          Eine egoistische Geisteshaltung nach
                                                                                 dem Grundsatz, das eigene Umfeld mög-
nis führt, greift die Bürgeriniti-     minderjährigen Jungen trägt seit-         lichst problemfrei zu halten und Unange-
ative zu juristischen Mitteln, um      dem die erst 21-jährige Larisa. Tat-      nehmes möglichst weit weg zu schieben,
                                                                                 obwohl dann andere davon betroffen
den Einzug der Flüchtlinge durch       kräftig unterstützt wird die junge        werden. Im Englischen spricht man vom
baurechtliche Einsprüche zu ver-       Frau von älteren Damen aus dem            NIMBY-Prinzip. NIMBY ist ein Akronym
                                                                                 für „Not in my backyard“.
hindern. Tatsächlich wird das Al-      Ort, die die harsche Ablehnung
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ze der Familie. Ingeborg Neubert
lernt mit den Kindern Deutsch
und unterstützt Larisa im Um-
gang mit den Behörden. Das ist
nicht einfach, denn das deutsche
Asylrecht ist kompliziert. So ist
die tschetschenische Familie akut
von Abschiebung bedroht, weil
sie über Polen nach Deutschland
eingereist ist, um hier Asyl zu be-
antragen. Die sogenannte Dritt-
staatenregelung besagt jedoch,
dass ein Asylverfahren nur dort
möglich ist, wo die Asylsuchenden
zuerst ein sogenanntes „sicheres
Drittland“ im Geltungsbereich der      treuen und die vielzitierte Will-        Drittstaatenregelung/
                                                                                Dublin-III-Verordnung
Dublin-III-Verordnung betreten         kommenskultur – gemäß den ge-            Die Drittstaatenregelung besagt, dass
haben. Folglich hätte die Familie      setzlichen Vorgaben - umzusetzen.        Asylsuchende, die von ihrem Herkunfts-
                                                                                land über einen sicheren Drittstaat nach
eigentlich in Polen ihren Asylan-         Der Beamte betont jedoch              Deutschland eingereist sind, keinen An-
trag stellen müssen.                   mehrfach, wie notwendig es sei-          spruch auf Asyl in Deutschland haben.
                                                                                Sie werden auf Anordnung des Bundes-
                                       ner Meinung nach ist, das Aus-           amtes an den für sie zuständigen sicheren
                                       länderrecht zu modifizieren. Als         Drittstaat, der ihr letzter Aufenthaltsort
                                                                                war, zurückgeführt. Diese Anordnung
Mittendrin: Ein Beamter                mindestens ebenso elementar wie          wird auch Abschiebungsanordnung ge-
zwischen Bürokratie und                staatliche Leistungen bewertet er        nannt.
Menschlichkeit                         das gesamtgesellschaftliche Enga-        Asylverfahren
  Rainer Kaminski, der Leiter des      gement für Flüchtlinge. Dass sich        Erreichen Geflüchtete die Bundesrepu-
                                                                                blik, stellen sie einen Asylantrag. Das
Fachbereichs Soziales beim Land-       genau dieses Engagement nicht            Asylverfahren kann unterschiedlich lan-
kreis Harburg, weiß, dass nur ein      erzwingen lässt, sondern nur von         ge dauern – von mehreren Monaten bis
                                                                                zu mehreren Jahren. Nur ca. 1,8 % der
verschwindend geringer Teil der        den Bürger/innen vor Ort ausge-          Asylanträge werden positiv entschieden.
Menschen, die in Deutschland           hen kann, erlebt er allerdings täg-      Weitere 30 % der Antragsteller werden
                                                                                zwar nicht als asylberechtigt, aber als
Asyl beantragen, auch dauerhaft        lich. Wenn sich Anwohner/innen           Flüchtling anerkannt. Sie erhalten einen
hier leben darf. Die Anerken-          wie in Appel durch die Anwesen-          temporären Aufenthaltstitel, der jederzeit
                                                                                widerrufen werden kann, wenn sich die
nungsquote bei Asylanträgen lag        heit von Flüchtlingen bedroht            Situation im Heimatland ändert.
im Jahr 2014 bei 1,8 Prozent.          fühlen, ist Kaminski als Vermittler
                                                                                Anerkennungsquote
                                       gefragt: Er muss eine Eskalation         Die Anerkennungsquote beziffert, wie
  Dazu kamen ungefähr 30 Pro-          verhindert, indem er versucht, die       viele Asylgesuche positiv entschie-
                                                                                den werden. Neben der Anerkennung
zent, die als Flüchtlinge anerkannt    Interessen des Staates, der Flücht-      als Asylbewerber, die nur recht weni-
werden und solange in Deutsch-         linge und der Anwohner/innen             ge Antragsteller erreichen, existieren
                                                                                weitere Aufenthaltsarten. So wird eine
land bleiben dürfen, bis sich die      auszugleichen.                           vergleichsweise größere Zahl der Asyl-
politische Situation in ihrem Hei-                                              bewerber als Flüchtling anerkannt und
                                                                                darf so lange in Deutschland bleiben, bis
matland verbessert hat. (Quelle:                                                sich die politische Situation in ihrem Hei-
BAMF)                                                                           matland ändert. In diesem Fall wird der
                                                                                Status geändert und eine Ausreise ge-
  Als Vertreter des Staates ist Rai-                                            fordert. Erfolgt diese nicht freiwillig, wird
ner Kaminski dafür zuständig, die                                               sie durch eine Abschiebung erzwungen.
                                                                                (Quelle: BAMF)
Asylsuchenden angemessen zu be-
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  Sein langfristiges Ziel ist es, ein
gesellschaftliches Klima herzu-
stellen, in dem die Anwohner/
innen den Flüchtlingen „nicht mit
rassistischen Vorurteilen begeg-
nen, sondern ihnen Empathie und
Hilfsbereitschaft entgegen brin-
gen.“ Bis dahin kann es jedoch ein
langer Weg sein, auf dem Kamin-
ski immer wieder auch persönlich
zum Zielpunkt von Aggressionen
wird.

Heimat Deutschland? Ver-
schiedene Perspektiven auf
ein begehrtes Gefühl
  Die Mitwirkenden in „Willkom-           Das Beispiel veranschaulicht,         Rassismus
men auf Deutsch“ sprechen über          dass es häufig vor allem an per-        Rassismus ist eine Ideologie der Un-
                                                                                gleichwertigkeit. Sie teilt die Menschen
ihre Heimat bzw. den Heimatver-         sönlichen Kontakten zwischen            aufgrund ihrer vermeintlichen oder realen
lust. Dabei messen alle – Flücht-       Deutschen und Migranten man-            Herkunft, Hautfarbe, Sprache oder eth-
                                                                                nischen Zugehörigkeit in verschiedene
linge wie Alteingesessene – der         gelt. Wie in der Kontakttheorie         Gruppen ein und weist diesen unverän-
Heimat einen hohen Wert zu.             beschrieben, wären allerdings ge-       derliche, meist negative Eigenschaften
                                                                                oder Handlungen zu. Ihrer eigenen Grup-
Viele Alteingesessenen sehen die        rade solche Begegnungen geeig-          pe sprechen Rassisten meist eine natürli-
Flüchtlinge, die auf der Suche          net, um die vorhandenen Ängste          che Überlegenheit zu und leiten daraus
                                                                                das Recht zur Benachteiligung anderer
nach einem neuen Zuhause nach           in der Bevölkerung abzubauen.           ab. Der sog. Alltagsrassismus beschreibt
Deutschland kommen, jedoch als          (Vgl. Winkler, 2003) Ohne per-          die Übernahme von Rassismus in alltäg-
                                                                                lichen Situationen. Es handelt sich dabei
Bedrohung der eigenen Heimat an.        sönliche Erfahrungen können ab-         oft um rassistische Bezüge in der Alltags-
  Die Angst vor „Überfremdung“          strakte Statistiken über steigende      sprache und im Alltagsbewusstsein und
                                                                                um Ausgrenzungspraktiken, bei denen
zeigt sich im Film am deutlichs-        Asylbewerberzahlen – unterstützt        Menschen oder Menschengruppen auf-
ten bei Hartmut Prahm, dem Vor-         durch eine dramatisierende Me-          grund eines Merkmals (Hautfarbe, Her-
                                                                                kunft, Geschlecht etc.) in einer subtilen
sitzenden der Bürgerinitiative. Er      dienberichterstattung – durchaus        Art und Weise diskriminiert werden.
schätzt an Appel nicht nur die          das Gefühl erzeugen, dass der ei-
                                                                                Kontakttheorie
Ruhe und Beschaulichkeit, son-          gene Status Quo bedroht ist.            Soziologisches Theorem, das 1954 von
dern auch die Tatsache, dass er           Wie wichtig persönliche Begeg-        Gordon Allport formulierte und 1998
                                                                                von Andrew Pettigrew weiter entwickelt
in dem kleinen Ort selbst Ein-          nungen sind, veranschaulicht der        wurde. Die Kontakttheorie spezifiziert
fluss auf die Gestaltung seiner Le-     Film anhand von Ingeborg Neu-           Bedingungen, unter denen interethnische
                                                                                Vorurteile reduziert werden können. För-
bensumstände hat. Die geplante          pert. Für sie war Zuwanderung           derlich sind demzufolge der persönliche
Asylunterkunft beunruhigt ihn           lange kein Thema – in der nie-          Kontakt zwischen Angehörigen der ver-
                                                                                schiedenen Gruppen sowie die Existenz
nicht nur wegen der Flüchtlinge,        dersächsischen Kleinstadt gab es        gemeinsamer Ziele und ein vergleich-
sondern auch weil er sich von den       schließlich kaum Flüchtlinge oder       barer sozialer Status.
politischen Entscheidungsträgern        Migranten. Erst als sie durch die
übergangen fühlt.                       massive Abwehr gegen Larisas Fa-
                                        milie aufgeschreckt wurde, be-
                                        gann sie, sich mit dem Thema Asyl
                                        zu beschäftigen.
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  Durch ihren direkten Kontakt
mit der Familie registrierte sie, wie
sehr der Verlust der Heimat die
Psyche der ganzen Familie beein-
trächtigt hat. Besonders die Tatsa-
che, dass Larisa trotz der schwie-
rigen Umstände gern mit ihrer
Familie in Tespe bleiben möchte,
machte ihr bewusst, wie groß die
Sehnsucht der jungen Tschetsche-
nin nach einer neuen Heimat ist.

  Es ist nicht ohne Ironie, dass La-
risa – ähnlich wie Hartmut Prahm
– an Deutschland vor allem die
Ruhe gefällt. Genau daran müs-          Vielfalt als Chance und                    Abgesehen von der Frage nach
sen sich Malik und Abida aus Pa-        Integration als Notwen-                  dem gesellschaftlichen Nutzen,
kistan erst noch gewöhnen. Sie          digkeit                                  den Zuwanderer für unser Ge-
realisieren schon kurz nach ihrer         Malik und Abida haben in ihrer         meinwesen haben, wirft „Will-
Ankunft, wie groß die kulturel-         Heimat beide in leitenden Positi-        kommen auf Deutsch“ die grund-
len Unterschiede zwischen ihrer         onen in Nichtregierungsorgani-           sätzliche Frage auf, wie Menschen
alten und ihrer neuen Heimat            sationen gearbeitet. Sie sind Aka-       aus ganz unterschiedlichen Kul-
sind – besonders der Kontakt und        demiker und sprechen mehrere             turkreisen in Deutschland inte-
der Austausch mit anderen Men-          Sprachen fließend. Damit gehören         griert werden können. Der Film
schen fehlt ihnen in Tespe. Anders      sie ohne Zweifel in die Kategorie        macht deutlich, dass Integrati-
als Larisa, die sehr scheu ist und      der gutausgebildeten Zuwande-            on nicht verordnet werden kann.
die Wohnung nur selten verlässt,        rer, um die der deutsche Staat seit      Eine Willkommenskultur, die es
macht sich das Ehepaar schon kurz       einigen Jahren mit verschiedenen         den Ankommenden so einfach wie
nach seiner Ankunft auf den Weg,        Kampagnen wirbt. Spätestens mit          möglich macht, sich hier heimisch
um in einer nahen Kirchgemeinde         dem Migrationsbericht 2014 hat           zu fühlen, kann nicht gegen den
mit Einheimischen und anderen           sich die Einsicht manifestiert, dass     Willen der Bevölkerung, sondern
Migranten ins Gespräch zu kom-          Deutschland in Zukunft noch we-          nur mit der Unterstützung der
men. Beide gehen selbstbewusst          sentlich mehr Zuwanderung benö-          Einheimischen entstehen. Eine vo-
auf Fremde zu und reflektieren          tigen wird, da unser Renten- und         rausschauende und transparente
die kulturellen Unterschiede zwi-       Sozialsystem aufgrund des demo-          Unterkunftsplanung ist ebenso
schen ihrer alten und ihre neuen        grafischen Wandels nicht mehr            wichtig wie der gezielte Aufbau
Heimat.                                 ohne ausländische Arbeitskräfte          von Strukturen, in denen sich Ein-
                                        finanzierbar sein wird.                  heimische und Neuankömmlinge
                                                                                 begegnen können.
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Fragen für den Unterricht

  Beschreiben Sie die Hauptpersonen im Film und          Warum droht Larisa die Abschiebung nach Polen?
ihre Beziehungen zueinander!                           Und woran liegt es, dass sie letztlich doch in Tespe bei
                                                       ihrer Familie bleiben kann?
  Wie beschreibt Herr Prahm sein Heimatdorf Appel?
Wie nehmen Sie selbst Appel wahr?                        Malik und Abida suchen sofort nach ihrer Ankunft
                                                       den Kontakt zu den Deutschen. Auf welche kulturel-
  Die Bürgerinitiative in Appel will laut eigener Aus- len Unterschiede treffen sie und in welchen Szenen
sage den Menschen helfen. Dennoch sind sie gegen wird dies deutlich?
die Aufnahme von 53 Asylbewerbern in ihrem Dorf.
Wie begründen sie ihren Widerstand?                      Welche Vorurteile gegenüber Ausländern werden
                                                       im Film angesprochen? Welche Vorurteile über Deut-
  Welche Gründe haben die Menschen im Film, nach sche werden artikuliert?
Deutschland zu ziehen? Auf welche Probleme und
Grenzen stoßen sie?                                      Hartmut Prahm unterscheidet zwischen Flücht-
                                                       lingen, die „aus politischen Gründen um ihr
  Im Mittelpunkt des Films steht das Thema „Migra- Leben fürchten müssen“ und anderen, die auf-
tionspolitik“. Welche verschiedenen Meinungen dazu grund von wirtschaftlichen Gesichtspunkten flie-
sind zu hören? Wie werden die verschiedenen Positi- hen. Seiner Meinung nach sollte nur die erste
onen dargestellt?                                      Gruppe in Deutschland aufgenommen werden.
                                                       Wie bewerten Sie diese Unterscheidung?
  Wovor haben die Mitwirkenden Angst? Denken Sie
dabei an alle im Film dargestellten Menschen. Kön-       Hat sich Ihre Sicht auf das Thema Zuwanderung
nen Sie als Zuschauer/innen beurteilen, welche Äng- durch den Film verändert?
ste „berechtigt“ sind und welche nicht?                  In welcher Hinsicht hat eine Veränderung
                                                       stattgefunden?
  Was motiviert Ingeborg Neupert dazu, die die
tschetschenische Familie im Dorf zu unterstützen?
Was tut sie konkret?
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Zur Filmsprache

 Jedem (s)eine Stimme geben
 und trotzdem Stellung be-
 ziehen – Die Erzählhaltung
   Hauke Wendler und Carsten Rau
 haben sich bereits mehrfach mit
 den kontroversen Themen Migra-
 tion und Integration auseinander
 gesetzt. In ihrem preisgekrönten
Vorgängerfilm „Wadim“ erzählten
 sie die dramatische Geschichte
 eines Jugendlichen, der nach sei-
 ner Abschiebung aus Deutschland
 kein Zuhause mehr fand und sich
 schließlich das Leben nahm. Da-
 mals konzentrierten sich die Re-
 gisseure auf die Perspektive der
                                     bar bleibt, dass ihre Sicht auf das      Dokumentarfilm
Familie des Opfers. Doch als sich
                                     Thema sich teilweise stark von dem       Im weitesten Sinne bezeichnet der Begriff
 im Sommer 2013 die Anwohner/                                                 non-fiktionale Filme, die mit Material, das
                                     unterscheidet, was vor der Kamera
 innenproteste gegen die Einrich-                                             sie in der Realität vorfinden, einen Aspekt
                                     gesagt – oder nicht gesagt wird.         der Wirklichkeit abbilden. John Grierson,
 tung von neuen Flüchtlingsunter-                                             der den Begriff prägte, verstand darunter
                                        Die scharfen Proteste gegen die
 künften häuften, entschlossen sie                                            den Versuch, mit der Kamera eine wah-
                                     Ansiedlung der tschetschenischen         re, aber dennoch dramatisierte Version
 sich, nun auch die andere Seite
                                     Familie in Tespe waren bei Dreh-         des Lebens zu erstellen; er verlangte von
 in den Blick zu nehmen. Im Mit-                                              Dokumentarfilmern/innen einen schöp-
                                     beginn bereits abgeebbt.Vor der
 telpunkt des Dokumentarfilms                                                 ferischen Umgang mit der Realität. Im
                                     Kamera wiederholte niemand das,          Allgemeinen verbindet sich mit dem Do-
„Willkommen auf Deutsch“ stehen                                               kumentarfilm ein Anspruch an Authentizi-
                                     was bei der Bürgerversammlung
 deshalb nicht allein Flüchtlinge,                                            tät, Wahrheit und einen sozialkritischen
                                     gesagt worden war. Sichtbar waren        Impetus, oft und fälschlicherweise auch
 die in Deutschland eine neue Hei-
                                     „nur“ noch die Folgen der Feindse-       an Objektivität. In den letzten Jahren ist
 mat suchen, sondern auch diejeni-                                            der Trend zu beobachten, dass in Misch-
                                     ligkeiten für die Familie, die noch
 gen, die sich gegen die Aufnahme                                             formen (Doku-Drama, Fake- oder Perfor-
                                     lange mit dem Gefühl kämpfen             ming-Doku) dokumentarische und fikti-
 dieser Menschen in ihrer Nach-                                               onale Elemente ineinander fließen und
                                     musste, in Tespe unerwünscht zu
 barschaft wehren. Ganz bewusst                                               sich Genregrenzen auflösen. (Quelle:
                                      sein. Die Regisseure geben Lari-        www.kinofenster.de)
wählten Rau und Wendler als Ort
                                      sa im Film viel Zeit, um die Lage
 ihrer filmischen Untersuchung                                                Protagonist/innen
                                     ihrer Familie zu beschreiben. Im
 keinen sozialen Brennpunkt, son-                                             Die Protagonist/innen sind die handeln-
                                     Gegensatz dazu werden die bei-           den Personen, die in einem Dokumentar-
 dern suchten „vor der eigenen                                                film mitwirken. Häufig geben die Protago-
                                      den Mütter aus Appel, die sich in
Haustür“ nach Beispielen.                                                     nist/innenn dabei einen tiefen Einblick in
                                      der Bürgerinitiative engagieren,        ihr privates Denken und Leben. Anders
   Obwohl die Regisseure nicht
                                     nur schlaglichtartig gezeigt, so         als im Spielfilm, wo Schauspieler die
Meinung aller Protagonist/innen                                               Ideen eines Regisseur/innen umsetzen,
                                      dass die von Ihnen artikulierten
 teilen, bemühen sie sich um eine                                             entsteht der Dokumentarfilm oft im Span-
                                     Ängste eher übertrieben und halt-        nungsfeld der verschiedenen Interessen
 ausgewogene Darstellung der ver-                                             der Protagonist/innen und des Filmteams.
                                     los wirken.
 schiedenen Perspektiven auf das
Thema. Den eigenen Standpunkt
vermitteln sie durch verschie-
 dene dramaturgische und filmä-
 sthetische Mittel, so dass spür-
Filmheft    |   Willkommen auf Deutsch        |     13

  Als Vertreter der Behörden war
Rainer Kaminski für die Thema-
tik des Films unverzichtbar. Da er
bereits schlechte Erfahrungen mit
anderen Medien gemacht hatte,
brauchte es einige Überzeugungs-
arbeit, bis er zu einem der wich-
tigsten Protagonisten des Films
wurde. An seiner Person verdeut-
licht der Film, in welcher Zwick-
mühle sich Staatsbeamte befinden
können: Sie sind verpflichtet, die
gesetzlichen Vorgaben umzuset-
zen, selbst dann, wenn sie sie kri-
tikwürdig finden.
   Ebenso eloquent wie Kamin-
                                       typen Ausdrücke von Fremden-        Immer wieder konzentriert
ski, aber deutlich weniger medi-
                                       feindlichkeit leise und humorvoll sich der Bildausschnitt auf seine
enscheu war Hartmut Prahm. Der
                                       ad absurdum geführt.              tippenden Finger oder die kla-
Kopf der Bürgerinitiative in Appel
                                                                         ckenden Ledersohlen, die zügig
spricht aus, was seiner Meinung-
nach die „schweigende Mehrheit“        Die Menschen ins Bild set- die blanken Amtsflure entlang
                                       zen - Mise en Scene               eilen.
denkt.
    Erst dadurch, dass ihn die Re-       Das Team begleitet die Mitwir-         Interviews
                                       kenden des Films meist auf ihren         Interviews dienen der Informationsbe-
gisseure seine Gedanken wirklich                                                schaffung und der Recherche. Sie ge-
zu Ende führen lassen, wird deut-      alltäglichen Wegen. Klassische           hören in Dokumentarfilmen und ande-
lich, wie vorurteilsgeprägt seine      Interviews sind die Ausnahme,            ren dokumentarischen Formaten zu den
                                                                                wichtigsten Bestandteilen. Im Grunde
Meinung ist. Dieser Eindruck wird      stattdessen werden die Mitwir-           ist ein Interview eine Befragung, bei der
auch durch den gezielten Einsatz       kenden in ihrem Umfeld aufge-            die Rollen klar verteilt sind: Ein Intervie-
                                       nommen. Dadurch wird das Ge-             wer fragt, der Interviewpartner antwortet.
der beschwingten Filmmusik ver-                                                 Vor dem Interview muss der Interviewer
stärkt. So erscheint Prahm manch-      fühl vermittelt, man erlebe die          darauf hinweisen, dass das Gespräch zur
mal fast wie eine tragische Gestalt,   Menschen so, wie sie ihren Alltag        Veröffentlichung bestimmt ist. Im fertigen
                                                                                Film können Interviews ganz unterschied-
wenn er, begleitet von pointierten     bestreiten. So zeigt die Kamera          lich eingebunden werden. Am häufigsten
Klängen, allein mit dem Filmteam       Hartmut Prahm häufig bei Spa-            wird auf das „Sit-Down-Interview“ zu-
                                       ziergängen durch Appel und im            rückgegriffen, das in einem ruhigen, ab-
durch die leeren Straßen Appels                                                 geschlossenen Raum geführt und in dem
läuft.                                 Gespräch mit seinen Mitstreitern.        der Interviewte häufig in einer Halbnah-
   Die unterschiedlichen Figuren-      Trotzdem erfahren wir – anders als       oder Naheinstellung gefilmt wird, bei der
                                                                                Kopf und Schultern sichtbar sind. Diese
konstellationen machen „Willkom-       bei den Flüchtlingen – wenig Pri-        Einstellung wird auch als „Talking Heads“
men auf Deutsch“ zu einem politi-      vates von ihm. In diesem Film ist        bezeichnet.

schen Plädoyer für einen offenen,      Prahm der Vertreter der Bürgeri-
                                                                                Bildausschnitt
toleranten Umgang mit Flüchtlin-       nitiative: ein Mann mit einer Mis-       Der gewählte Bildausschnitt bestimmt im
gen, ohne zu unterschlagen, dass       sion, immer im Dienst der Sache          Zusammenspiel mit der Kameraperspek-
                                                                                tive und der Tiefenschärfe die Möglich-
es auch andere Sichtweisen gibt.       unterwegs.                               keiten für die visuelle Anordnung von Fi-
Statt die im Film geäußerten Vor-        Bei Rainer Kaminski beschränkt         guren und Objekten innerhalb des Bildes.

urteile („…die wollen es sich hier     sich der Film auf seinen Arbeitsall-
bei uns nur leichter machen…“) mit     tag, er wird als korrekter und aus-
großer Geste politisch zu entkräf-     gesprochen zielstrebiger Mensch
ten, werden die teilweise stereo-      gezeigt.
Filmheft   |   Willkommen auf Deutsch   |   14

  Mit diesen Detailaufnahmen
wird Kaminski zum Inbegriff des
Staatsbediensteten stilisiert. Sein
Plädoyer für einen offeneren Um-
gang mit Flüchtlingen steht dazu
nur auf den ersten Blick im Wi-
derspruch. Kaminski wird im po-
sitiven Sinn als „Überzeugungs-
täter“ gezeigt, der ganz in seinem
Job aufgeht.
  Die Mitwirkenden des Films
sind sich die ganze Dreh-
zeit über bewusst, dass sie
vor einer Kamera agieren.
 Das gilt vor allem für die Flücht-
linge, die sich in einer Ausnahme-
situation befinden. Mitten im lau-
fenden Asylverfahren müssen sie        gegen zu genießen, nach der lan-    Neben der Hauptkamera, die
davon ausgehen, dass alles, was sie    gen und beschwerlichen Flucht in  sich darauf konzentriert, den oder
im Film sagen und tun, die Ent-        Tespe endlich einen Rückzugsort   die Handelnden im Blick zu behal-
scheidung der Behörden beein-          gefunden zu haben. Daher wird     ten, werden oft sogar weitere Ka-
flussen könnte. Dass sie dennoch       die Wohnung auch immer wieder     meras eingesetzt, die einerseits das
bereit waren, am Film mitzuwir-        ins Bild gesetzt.                 Geschehen aus einer anderen Per-
ken, zeugt von großem Vertrau-           Die rüstige Ingeborg Neupert    spektive aufnehmen, andererseits
en in das Filmteam. Das gilt vor       ist schließlich die Person, die zwi-
                                                                         sogenannte Schnittbilder produ-
allem für Malik und Abida. Im          schen den Welten pendelt. Sie ist zieren, die später in der Montage
Filmgespräch berichtet Wend-           sowohl in der unsicheren Welt     zur Verbindung zweier ähnlicher
ler, dass das Filmteam die beiden      der Flüchtlinge ein Stück weit „zuEinstellungen (zum Beispiel eines
ganz zufällig kurz nach ihrer An-      Hause“, lebt aber gleichzeitig auch
                                                                         Gesprächs) in der Kombination
kunft auf dem Flur der Harbur-         ihren normalen Alltag in ihrer    mit einem anderen Bild genutzt
ger Sozialbehörde traf. Die Paki-      kleinen Wohnung in Tespe. Wenn    werden. Gerade durch den Einsatz
staner waren schon nach einem          die Kamera sie beim Spazierenge-  solcher Schnittbilder (beispiels-
kurzen Gespräch bereit, sich wäh-      hen begleitet, erinnert ihre Hei- weise die Detailaufnahme der tip-
rend ihrer ersten Tage in Tespe fil-   matverbundenheit sogar an Hart-   penden Hände Kaminskis) kann
men zu lassen. Sowohl Malik und        mut Prahm.                        ein Film eine visuelle Erzählung
Abida, aber auch die Gruppe alba-                                        entwickeln, die die gesprochenen
nischer Flüchtlinge sind im Film       Mit Bildern erzählen – die Worte illustriert oder hinterfragt.
meistens „auf Achse“ zu sehen.         Kameraarbeit
Das liegt nicht nur daran, dass          Die grundsätzliche Entschei-
sie gerade auf dem Weg zu einer        dung, in welcher Umgebung oder
neuen Unterkunft in Deutschland        vor welchem Hintergrund die Mit-
waren und ihr gesamtes Hab und         wirkenden des Films abgebildet
Gut bei sich trugen. Gleichzeitig      werden, treffen Regisseure und
sind Malik und Abida auch sehr         Kameraleute meistens vor Beginn
offenen Menschen, die sofort nach      der Dreharbeiten. Häufig muss die
ihrer Ankunft den Kontakt zu an-       Bildgestaltung allerdings an die
deren Menschen suchten. Larisa         Gegebenheiten am Drehort ange-
und ihre Familie scheinen es hin-      passt werden.
Filmheft   |    Willkommen auf Deutsch        |    15

   Im Falle von „Willkommen auf
Deutsch“ werden häufig ähnliche
Bilder benutzt, um die verschie-
denen Erzählstränge miteinan-
der zu verknüpfen. Wenn Hartmut
Prahm aus seinem Wohnzimmer-
fenster in den Regen schaut und
erzählt, dass es früher schwieriger
war, sesshaft zu werden als heute,
blickt in der nächsten Einstellung
Larisa ebenfalls aus dem Fenster
ins Unwetter – und sinniert mög-
licherweise über ihre Schwierig-
keiten, in Deutschland eine neue
Heimat zu finden. Während Prahm
seine gepflegten Finger zufrieden
über dem Bauch verschränkt, wer-
den in einer folgenden Szenen die     versinnbildlicht dies durch die         Sequenz
bis auf die Haut herunter gekau-      gleiche Geste an der Gardine, die       Eine Gruppe aufeinanderfolgender Ein-
                                                                              stellungen, die eine sinnliche, abge-
ten Fingernägel von Schachid, La-     in der Zwischenzeit filmisch auf-       schlossene Einheit bilden. Die Sequenz
risas 16-jährigem Bruder, gezeigt.    geladen wurde.                          kann aus mehreren Szenen bestehen und
Zeitgleich spricht Larisa über die                                            wird meist durch eine filmische Markie-
                                        Oft werden die Bezüge zwi-            rung begrenzt, zum Beispiel den Einsatz
schwierige Situation der Fami-                                                von Musik, eine Auf- oder Abblende oder
lie und ihre große Angst vor der      schen Bildern oder zwischen Text        einen Kommentar.
Abschiebung.                          und Bild auch von der Regie selbst
                                                                              Einstellung
   In beiden Sequenzen wer-           erst während der Sichtung des           Die kleinste Einheit des Films. Aus meh-
den Verbindungen zwischen den         gedrehten Materials entdeckt. Je        reren Einstellungen verschiedener Größe
                                                                              (z.B. Detail, Großaufnahme) setzt sich
Einstellungen hergestellt, ohne       sublimer und versteckter diese Be-      eine Szene zusammen. Im Normalfall
dass dafür auch nur ein einziges      züge sind, desto schwieriger er-        wird eine Einstellung durch einen Schnitt
                                                                              begrenzt.
Wort benutzt wird.                    schließen sich diese „sprechenden
   Der Kameramann Boris Mahlau        Bilder“ im fertigen Film. Im be-        Kommentar/Voice-Over
filmt häufig kleine Details, die                                              Auf der Tonspur vermittelt eine Erzähler-
                                      sten Fall ergänzen sich die unter-      stimme Informationen, die dem besseren
eine große Bedeutung in sich tra-                                             Verständnis der Geschichte dienen sol-
                                      schwelligen Bezüge und die Er-
gen können. Zum Beispiel rückt er                                             len und mitunter Ereignisse zusammen-
                                      zählung des Films, so dass sich         fassen, die nicht im Bild zu sehen sind. Im
mit der Spitzengardine wiederholt                                             frühen Dokumentarfilm war es üblich, die
ein sehr deutsches Einrichtungsu-     die Komposition von Szenen aus-
                                                                              Bilder, die damals meist noch ohne Ton
tensil in der Wohnung der tschet-     nimmt wie ein natürlicher Fluss.        aufgenommen wurden, mit einem sehr
                                                                              starken Kommentar zu versehen. Ge-
schenischen Familie in den Fokus.                                             gen die Verwendung solcher autoritären
Im ersten Teil des Films zupft La-                                            Kommentare regte sich Widerstand, als
                                      Den eigenen Blickwinkel                 es mit der Entwicklung neuer Kamera-
risa die Gardine immer wieder                                                 technik Ende der 1950er-Jahre möglich
zurecht, während sich ihr sorgen-     finden – Ohne Kommentar,                wurde, dokumentarische Bilder auch
voller Blick nach draußen richtet     aber mit Musik                          mit Original-Ton aufzunehmen. Ab den
                                                                              1960er-Jahren entstanden immer mehr
– die Gardine ist dabei im über-        Auf einen Kommentar, der in           Dokumentarfilme, die bewusst auf einen
tragenen Sinne eine Art durchläs-     vielen TV-Dokumentationen obli-         Kommentar verzichteten.
sige Grenze zwischen innen und        gatorisch ist, verzichten Rau und
außen. Als ihre Mutter schließlich    Wendler. So überlassen sie die In-
endlich wieder zu Hause ist, über-    terpretation des Films so weit wie
nimmt sie Larisas Rolle – der Film    möglich den Zuschauenden
Filmheft    |   Willkommen auf Deutsch        |    16

  und fügen der notwendigen
künstlerischen Bearbeitung des
Materials (z.B. durch die Auswahl
bestimmter Szenen, die Montage
oder auch den Einsatz von Musik)
keine weitere subjektive Ebene
hinzu. So können die Zuschauen-
den sich ihre eigenen Gedanken
zu dem Gesehenen und Gehörten
machen. Eigene Erkenntnisse wir-
ken erfahrungsgemäß ohnehin
weitaus nachhaltiger als ein Kom-
mentar, der vorgibt wie die Bilder
zu interpretieren sind.
  Eine Herausforderung für die
Regie ist der Verzicht auf einen
Kommentar besonders dann, wenn
es darum geht, komplexe Pro-            Recht ungewöhnlich ist die
                                                                              Montage/ Schnitt im Dokumentarfilm
blemlagen zu erklären. Rau und        Filmmusik, die Sabine Wortmann          Als Schnitt oder Montage bezeichnet
                                      für den Film komponiert hat. Die        man die Anordnung und Zusammenstel-
Wendler stießen an ihre Grenzen,                                              lung der einzelnen Bildelemente eines
als sie die prekäre Situation von     lebhafte Musik, die unter ande-         Filmes einschließlich der Szenenfolge
Larisas Familie erklären wollten.     rem mit Marimba, Vibraphon, Xy-         und der Anordnung der verschiedenen
                                      lophon eingespielt wurde, gibt          Sequenzen. Im Schnittprozess wird aus
Warum ihnen eine Abschiebung                                                  den einzelnen Filmszenen ein filmischer
nach Polen droht, verstanden Lari-    dem Film eine große Leichtigkeit        Text produziert. Dabei ist die Bezeich-
                                      und erinnert an Slapstick-Komö-         nung Filmschnitt eigentlich irreführend,
sa und ihre Mutter zunächst selbst                                            denn die Kunst der Montage liegt nicht
nicht ganz. Schließlich arbeitete     dien der 1930er-und 1940er-Jahre.       in virtuos gesetzten Schnitten, sondern in
sich Ingeborg Neupert mühsam in       Damit ergibt sich ein deutlicher        der Interpretation des Materials und im
                                      Kontrast zur inhaltlichen Schwe-        Zusammenfügen einzelner Elemente zu
die Rechtslage ein und erklärt im                                             einer großen Erzählung. Im Dokumentar-
Film, wie die Gesetze lauten und      re des Themas. Die Filmemacher          film ist die Filmmontage für die Dramatur-
                                      wollten mit der Wahl der Musik          gie des Films mindestens ebenso wichtig
auf welche Weise sie umgesetzt                                                wie die Drehbucharbeit, da beide mit
werden. Für Rau und Wendler war       ganz bewusst einen Kontrapunkt          dem Aufbau der Geschichte des Films
dies eine gute Möglichkeit, um        setzen und signalisieren, dass          befasst sind.

die schwierige politische Situation   trotz der scheinbar unvereinbaren
                                                                              Filmmusik
von Larisas Familie im Film trans-    Positionen im Streit um Zuwande-        Das Filmerlebnis wird wesentlich von der
                                      rung und Integration eine positive      Filmmusik beeinflusst. Sie kann Stim-
parent zu machen.                                                             mungen untermalen (Illustration), ver-
                                      Einigung denkbar ist.                   deutlichen (Polarisierung) oder im kras-
                                                                              sen Gegensatz zu den Bildern stehen
                                                                              (Kontrapunkt). Eine extreme Form der
                                                                              Illustration ist die Pointierung (auch: Mi-
                                                                              ckey-Mousing), die nur kurze Momente
                                                                              der Handlung mit passenden musika-
                                                                              lischen Signalen unterlegt. Musik kann
                                                                              Emotionalität und dramatische Spannung
                                                                              erzeugen, manchmal gar die Verständ-
                                                                              lichkeit einer Filmhandlung erhöhen. Bei
                                                                              Szenenwechseln, Ellipsen, Parallelmon-
                                                                              tagen oder Montagesequenzen fungiert
                                                                              die Musik auch als akustische Klammer,
                                                                              in dem sie die Übergänge und Szenenfol-
                                                                              gen als zusammengehörig definiert.
Filmheft   |   Willkommen auf Deutsch   |   17

Fragen für den Unterricht

• Vermitteln die Filmemacher Ihrer Meinung nach        • Der Film verzichtet auf einen Kommentar. Hat Ih-
  eher ein objektives oder ein subjektives Bild über     nen ein Kommentar gefehlt? Wenn ja, warum?
  die Problematik von Zuwanderung und Integrati-
  on? Begründen Sie Ihre Meinung.                      • Wir wirkt die Filmmusik auf Sie? In welchen Sze-
                                                         nen ist Ihnen die Musik besonders aufgefallen?
• In welcher Umgebung werden die Protagonisten
  gefilmt? Was sagt die Umgebung über sie aus?         • Verschiedene illustrative Aufnahmen dienen der
                                                         Regie als Bindeglieder zwischen den verschie-
• Inwiefern unterteilt der Film die Mitwirkenden in      denen Geschichten und Schauplätzen. An welche
  Täter und Opfer?                                       Bilder erinnern Sie sich?

• Wie werden der Landkreis Harburg und die Orte
  Appel und Tespe im Film dargestellt?
Filmheft   |   Willkommen auf Deutsch   |   18

Unterrichtsvorschläge
Vor dem Kinobesuch:                                      Thema Unterbringung
  Welche Assoziationen weckt der Titel „Willkom- Wo und wie sollten Ihrer Meinung nach Flüchtlinge
men auf Deutsch“?                                      in Deutschland untergebracht werden? Eher in einer
                                                       Großstadt oder in einem Dorf? Lieber in einer Ge-
  Wie stellen Sie sich die Situation vor, wenn Flücht- meinschaftsunterkunft    oder in einer eigenen Woh-
linge in Deutschland ankommen?                         nung? Sammeln Sie Argumente für oder gegen die
                                                       unterschiedlichen Möglichkeiten. Vergleichen Sie
                                                       Ihre Argumente mit den Ergebnissen der Umfrage
Nach dem Kinobesuch:                                   der DOK Spotters Schülerredaktion!
  Fluchtursachen                                         http://dok-spotters.de/?p=2954
  Warum würden Sie aus ihrer Heimat fliehen?
  •      Weil Krieg herrscht                             Interview mit Hauke Wendler
  •      Weil ich selbst oder ein Mitglied meiner        Im Video-Interview äußert sich der Regisseur
         Familie bedroht wird                          Hauke Wendler dazu, welche Art von Willkommens-
  •      Weil ich politisch verfolgt werde             kultur er sich wünscht. Wie lauten seine Vorschläge?
  •      Damit meine Kinder in die Schule gehen http://dok-spotters.de/?p=2954
         können
  •      Damit ich meiner Familie eine Leben in          Filmrezension
         Sicherheit bieten kann                          Schreiben Sie eine Filmrezension über „Willkom-
                                                    men auf Deutsch“. Teilen Sie sich dazu in zwei Grup-
  Vergleichen Sie nun, welche Voraussetzungen für pen auf – während die eine Gruppe bei der Formu-
die Anerkennung eines Asylgesuchs oder des Flücht- lierung ihres Textes genauen Vorgaben folgt, kann
lingsstatus in Deutschland gelten.                  die zweite Gruppe den Text frei gestalten. Verglei-
                                                    chen Sie gruppenintern Ihre Texte und wählen Sie je-
  Integration                                       weils zwei Beispiele aus, die Sie der anderen Gruppe
  Was versteht man unter dem Begriff „Integration“? präsentieren.
Sammeln Sie verschiedene Definitionen und verglei-
chen sie sie miteinander! Entscheiden Sie sich für    Die Vorgaben für Gruppe 1:
eine Definition und begründen Sie Ihre Meinung.       1. Worum geht es in dem Film? (ca. 300 Zeichen)
                                                       2. Wie hat der Filmemacher das Thema umgesetzt?
  Thema Kommentar                                    (ca. 300 Zeichen)
  Sichten Sie die Beispielszenen A und B. Wählen       3. Wie hat Ihnen der Film gefallen? Bewerten Sie
Sie eine Szene aus und verfassen sie einen möglichen den Film! (ca. 300 Zeichen)
Kommentar dazu.
  Präsentieren Sie den Text Ihren Mitschüler/innen,
indem Sie ihn direkt zu den Bildern einsprechen. In-
wiefern verändert der Kommentar die Wirkung der
Szenen?

  Die Menschen ins Bild setzen
  Sichten Sie die Beispielszenen B und C und ver-
gleichen Sie, wie Ingeborg Neupert und Hartmut
Prahm dargestellt werden. Welche Wirkungen erzielt
der Film durch den Einsatz filmischer Mittel wie der
Filmmusik, der Kameraeinstellung und der Montage?

  (Beispielszenen    siehe:  http://www.dok-leip-
zig.de/projekte/dok-macht-schu le/schu lk ino/
schulscreenings/willkommen-auf-deutsch)
Filmheft   |   Willkommen auf Deutsch   |   19

Materialien
Hintergründe und Fakten zum Thema Asyl                   der Asylprüfung ist das Bundesamt für Migration
                                                         (BAMF). Die Bundesländer haben für eine angemes-
in Deutschland
                                                         sene Unterbringung zu sorgen.
  Obwohl Deutschland durch seine geografische
Lage für Asylsuchende schwer zu erreichen ist, wur-
den 2014 gut 200.000 Asylanträge gestellt – das sind     Wie leben Asylsuchende in Deutschland?
mehr als doppelt so viele wie 2013. Bedenkt man aller-     Erwachsene Asylbewerber erhalten (je nachdem,
dings, dass weltweit mehr als 51 Millionen Menschen      ob sie alleinstehend sind oder für minderjährige Kin-
auf der Flucht sind (Quelle: UNHCR), relativiert sich    der zu sorgen haben) zwischen 290,- und 362,- EUR
diese Zahl. Nur ein kleiner Teil aller weltweit Ge-      Regelleistung nach § 3 des Asylbewerberleistungsge-
flüchteten stellt in der Bundesrepublik einen Asyl-      setzes pro Monat.
antrag. Laut Zahlen des BAMF nimmt innerhalb der           Jede Person hat Anspruch auf 6 m² Wohnraum.
EU Schweden – umgerechnet auf die Einwohnerzahl          Dabei teilen sich bis zu 5 Menschen ein Zimmer und
– die meisten Flüchtlinge auf. Auf 1000 Einwohner        schlafen teilweise in Doppelstockbetten.
kommen hier 5,7 Asylanträge. Dicht dahinter kommt          8 Bewohner/innen teilen sich einen Herd mit vier
der kleine Inselstaat Malta mit 5,3 Anträgen je 1000     Kochplatten.
Einwohner. In Deutschland werden nur 1,6 Asylan-           Eine Dusche soll maximal von 10 Menschen, eine
träge pro 1000 Bewohner registriert – innerhalb Eu-      Toilette von 10 Frauen oder 15 Männer genutzt werden.
ropas liegen wir damit eher im Mittelfeld.                 Unverbindlich empfohlen wird, dass ein(e) Sozial-
  2014 wurden in Deutschland bestimmte Her-              arbeiter/in für 150 Asylsuchende zuständig ist. Das
kunftsstaaten wie Serbien, Mazedonien und Bosnien-       Verhältnis ist in der Realität häufig noch schlechter.
Herzegowina als „sichere Herkunftsländer“ einge-           Die meisten Asylsuchenden sind in Heimen, soge-
stuft. Flüchtlinge aus diesen Ländern erhalten nun       nannten Gemeinschaftsunterkünften, untergebracht.
generell kein Asyl mehr in Deutschland. Eine Ein-        Die Heimgrößen variieren zwischen 30 und 500 Be-
zelfallprüfung findet nicht mehr statt. Durch diese      wohner/innen. Die Zustände in den Heimen sind sehr
Maßnahme soll die durchschnittliche Verfahrensdau-       unterschiedlich. Manche sind in kleine Wohnein-
er eines Antrags verkürzt werden. Im Gegenzug kön-       heiten unterteilt, in anderen teilen sich alle Bewoh-
nen Flüchtlinge aus Syrien und dem Nord-Irak mit         ner/innen eine Küche und sanitäre Einrichtungen.
einem erleichterten Verfahren rechnen. Trotz allem       Mangelnde Privatsphäre, der psychische Stress und
dauerte ein Asylverfahren im Jahr 2014 im Schnitt        die soziale Isolation wirken sich negativ auf die Le-
über sieben Monate.                                      bensqualität aus. Auf engem Raum müssen häufig
                                                         traumatisierte Menschen aus verschiedenen Ländern
  Dabei müssen gerade die Antragsteller, die die gute    und mit unterschiedlichen sozialen Hintergrün-
Chancen auf Anerkennung ihrer Asylanträge haben,         den gemeinsam leben. Häufig haben nur Familien
oft ein Jahr und länger auf eine Entscheidung warten     und psychisch kranke Menschen Chancen auf eige-
(Quelle: BAMF). Staatliche Integrationsmaßnahmen         ne Wohnungen. Die Umsetzung der Verwaltungs-
(wie Sprachkurse) werden jedoch meist erst nach          vorschrift liegt in der Verantwortung der Städte und
einer Anerkennung ermöglicht, da eine Integration        Kommunen. Ihr politischer Wille entscheidet, wie
erst dann angestrebt wird, wenn gesichert ist, dass      Asylsuchende untergebracht werden.
die Flüchtlinge dauerhaft in Deutschland bleiben.
  In den ersten neun Monaten ihres Aufenthalts in
Deutschland dürfen Geflüchtete nicht arbeiten. Da-
nach wird eine Arbeitserlaubnis nur dann erteilt,
wenn Sie nachweisen können, dass kein deutscher
Staatsbürger und kein EU-Bürger diese Arbeit auf-
nehmen wollte. Das Führen dieses Nachweises ist je-
doch aufwändig, so dass sich kaum ein Arbeitgeber
dazu bereit erklärt. Zuständig für die Durchführung
Filmheft   |   Willkommen auf Deutsch   |   20

Materialien
Wie läuft ein Asylverfahren in Deutsch-                  Interview mit Carmen Stamm, die seit 2 Jahren
                                                       in Leipzig gemeinsam mit anderen Schüler/innen
land ab?
                                                       das Asylbewerber-Hilfsprojekt “Stolz und Vorurteil”
  Jeder, der sich auf das Asylrecht beruft, muss ein
                                                       leitet.
Anerkennungsverfahren durchlaufen, das im Asyl-
                                                         dok-spotters.de/?p=2954
verfahrensgesetz festgelegt ist. Zuständig für die
Durchführung der Asylverfahren ist das Bundesamt
                                                        Was tut die Stadt Leipzig, um eine andere Willkom-
für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Das BAMF
                                                       menskultur zu schaffen?
informiert über den Ablauf des Asylverfahrens von
                                                        Interview mit Christian Walther, Projektleiter Asyl
der Antragstellung über die Anhörung bis zur Ent-
                                                       bei der Stadt Leipzig
scheidung mit einem Flyer, der hier herunter geladen
werden kann.
                                                         Interview siehe: http://www.dok-leipzig.de/pro-
www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/                        jekte/dok-macht-schule/schulkino/schulscreenings/
DE/Publikationen/Flyer/ablauf-asyl-                    willkommen-auf-deutsch
verfahren.pdf?__blob=publicationFile
                                                      Die eigene Geschichte erzählen: Willkom-
Geschichtlicher Rückblick auf Verände- men in Deutschland?
rungen im deutschen Asylrecht                           Was erleben Flüchtlinge, die zu uns nach Deutsch-
  Vor zwanzig Jahren: Einschränkung des Asylrechts land kommen? Wie heißen wir die Menschen will-
1993                                                  kommen, die zu uns vor Krieg, Terror und Armut
  Anfang der 1990er Jahre stiegen die Asylbewer- fliehen? Die Journalistin und Philosophin Carolin
berzahlen in Deutschland stark an. Der wichtigste Emcke hat zusammen mit dem Fotografen Sebastian
Grund dafür war der Krieg in Ex-Jugoslawien und Bolesch Flüchtlinge, die in der Zentralen Aufnahme-
die anhaltenden Konflikte in Nachfolgestaaten. 1992 stelle für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt/Bran-
wurden über 400.000 Asylanträge in Deutschland denburg angekommen sind, über Monate begleitet.
gestellt, 1990 waren es nur knapp 200.000 gewesen. Ihre Geschichten können hier nachgelesen werden:
Das Thema Asyl würde zum parteipolitischen Spiel-
ball, viele Medien schürten die Angst vor einer ver-    www.zeit.de/zeit-magazin/fluechtlinge-in-
meintlichen „Asylantenflut“. Eine Welle rassistischer deutschland
und ausländerfeindlicher Gewalttaten ging durch
Deutschland. Im Jahr 1993 wurde das Asylrecht           Quellen:
schließlich stark eingeschränkt.                        Mal ehrlich: Flucht und Asyl in Sachsen. Hg: Wei-
  Ein guter Hintergrundartikel ist hier zu lesen:     terdenken e.V. Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen e. V.,
  www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/160780/ Dresden, 2014
asylkompromiss
                                                     Wendel, Kay: Unterbringung von Flüchtlingen in
Wie Jugendliche das Thema sehen: Die DOK Deutschland, Regelungen und Praxis der
Spotters zu „Willkommen auf Deutsch“                Bundesländer im Vergleich, Hg. Förderverein PRO
  Video-Interview mit dem Regisseur Hauke Wend- ASYL e. V., Frankfurt am Main 2014
ler, das die DOK Spotters Jugendredaktion kurz nach
der Premiere des Films bei DOK Leipzig im Novem-
ber 2014 geführt hat.

 Wo sollten Asylbewerber untergebracht werden –
auf dem Land oder in der Stadt?
  Straßenumfrage der DOK Spotters
Sie können auch lesen