Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie
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Foto: Niedersachsen Aviation Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie Status Quo und Perspektiven für den Luftfahrtstandort Deutschland Erstellt von der Initiative Supply Chain Excellence im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |2 Inhaltsverzeichnis Ausgangslage .................................................................................................................... 3 Zielsetzung .................................................................................................................................................................... 3 Initiative Supply Chain Excellence (SCE) ....................................................................................................................... 3 Umsetzungskonsortium ................................................................................................................................................ 4 Methodik ...................................................................................................................................................................... 5 Grundgesamtheit .......................................................................................................................................................... 6 Struktur der deutschen Luftfahrtindustrie ......................................................................... 8 Regionale Verteilung .................................................................................................................................................... 8 Unternehmensgrößen und Beschäftigung.................................................................................................................... 9 Kompetenzen und Fähigkeiten, Zertifizierungen........................................................................................................ 10 Aufbau der Wertschöpfungskette .............................................................................................................................. 12 Kernkompetenzen / Branchensegmentierung ........................................................................................................... 13 Veränderungen im Aufbau der Wertschöpfungskette ............................................................................................... 15 Branchenstruktur........................................................................................................................................................ 16 Strukturwandel in der Luftfahrtindustrie .......................................................................... 21 Strukturwandel, Konsolidierung und Branchendiversifizierung ................................................................................. 21 Konkurrenz und Marktpotenzial ................................................................................................................................. 22 Wettbewerbsfähigkeit ................................................................................................................................................ 22 Herausforderungen in der Zukunft ............................................................................................................................. 23 Perspektiven.................................................................................................................... 25 Umsetzungsstrategie .................................................................................................................................................. 27 Maßnahmenprogramm .............................................................................................................................................. 28 Handlungserfordernisse für Wirtschaft, Politik und Verbände .................................................................................. 31 Ansprechpartner .............................................................................................................. 33 Auftraggeber............................................................................................................................................................... 33 Initiative Supply Chain Excellence .............................................................................................................................. 33 Mitglieder der Supply Chain Excellence Initiative....................................................................................................... 34
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |3 Ausgangslage Die vorliegende Studie basiert auf einer flächendeckenden Befragung der Zulieferer der deutschen Luftfahrtindustrie. Ziel der Studie ist es, einen Überblick über die deutsche Luftfahrtzulieferindustrie zu gewinnen und Handlungsansätze zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland abzuleiten. Die Studie wurde von der bun- desweiten Initiative Supply Chain Excellence (SCE) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie durchgeführt. Sie berücksichtigt sämtliche Wertschöpfungsstufen in den relevanten Marktsegmenten. Erfasst wurden die für Produktion und Betrieb von Luftfahrzeugen relevanten Segmente. Der Luftverkehr sowie die Flughafeninfra- struktur waren nicht Gegenstand der Untersuchung. Zielsetzung Ziel der Studie ist es, einen flächendeckenden Über- Mit der Durchführung der Studie wurde die Initiative blick über die deutsche Luftfahrtzulieferindustrie zu Supply Chain Excellence (SCE) beauftragt. Sie sichert gewinnen. Im Abgleich mit den sich verändernden über ihre Mitglieder die flächendeckende Erfassung Anforderungen an die Wertschöpfungskette in der aller Luftfahrtregionen in Deutschland und ermöglicht Luftfahrt soll sie Anhaltspunkte zu Status Quo und den Zugang auch zu kleineren Betrieben der Luft- Positionierung deutscher Luftfahrtzulieferer geben. fahrtzulieferindustrie. Um einen Gesamtüberblick über den Zustand und die Die Studie konzentriert sich auf die Branchensegmen- Wettbewerbsfähigkeit der Zulieferindustrie zu erhal- te der Luftfahrtzulieferindustrie, also der Produktion ten, wurden sämtliche Betriebe und Standorte ent- und Wartung von Luftfahrzeugen. Die ebenfalls wich- lang der vollständigen Wertschöpfungskette der tigen Branchensegmente der Flughafeninfrastruktur Luftfahrt betrachtet. sowie der Airlines und des Flugbetriebs wurden im Rahmen dieser Studie nicht berücksichtigt. Initiative Supply Chain Excellence (SCE) Der Strukturwandel in der Luftfahrtindustrie schreitet verbindet diese aktiv. Die enge Zusammenarbeit von voran. Durch die Industrialisierung der Wertschöp- Politik, Unternehmen und Verbänden stellt hierbei fungsketten geraten traditionelle Lieferbeziehungen einen zentralen Erfolgsfaktor dar. unter Druck. In der Folge sind Teile der Zulieferindust- rie in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit In insgesamt sechs Arbeitsbereichen werden Maß- gefährdet. nahmen zur Unterstützung der Unternehmen inner- halb der Zulieferkette geplant und umgesetzt (vgl. Um die Unternehmen in der Luftfahrtzulieferindustrie Abbildung 1). Die beteiligten Partner haben über bei dem begonnenen Strukturwandel zu unterstützen einen intensiven Beteiligungsprozess gemeinsam mit und die globale Wettbewerbsfähigkeit am Luftfahrt- den Akteuren der Branche die inhaltlichen Grundla- standort Deutschland weiter zu steigern wurde 2015 gen in diesen Arbeitsbereichen erarbeitet. die Initiative Supply Chain Excellence (SCE) gegründet. Im Rahmen der Initiative arbeiten erstmals sämtliche Um eine bestmögliche Ausrichtung der Initiative auf Luftfahrtverbände, -cluster und -initiativen in die Bedarfe der Unternehmen sicherzustellen und Deutschland gemeinsam mit Bund, Ländern und In- einen Überblick über den zu erwartenden Handlungs- dustrie daran, dieses Ziel flächendeckend für den bedarf in den einzelnen Luftfahrtregionen zu erhal- Luftfahrtstandort Deutschland zu erreichen. ten, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Ende 2015 die Erarbeitung eines Supply Chain Excellence bedeutet die aktive Entwick- fachlichen Überblicks über die deutsche Zulieferland- lung von stabilen und agilen Lieferketten entlang der schaft initiiert. gesamten Wertschöpfungsstufen und ist Ziel und Aufgabe aller Partner der Initiative. Hierbei nutzt und unterstützt die Initiative sowohl erfolgreiche nationa- le als auch regionale Aktivitäten sowie Strukturen und
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |4 Die vorliegende Studie basiert auf diesen Vorarbeiten der SCE-Initiative. Neben qualitativen Erhebungen ergänzt sie den Marktüberblick der deutschen Zulie- ferindustrie um eine Online-Befragung der gesamten deutschen Wertschöpfungskette der Luftfahrtindust- rie. In dem mehrstufigen Verfahren wurde so ein flä- chendeckender Überblick der relevanten Themenfel- der und Akteure gewonnen und Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Umsetzung der gemeinsamen Initiative erarbeitet. Darauf aufbauend wurden kon- krete Unterstützungsmaßnahmen definiert, die Leitli- nie für die zukünftige Arbeit der SCE-Initiative sind. Abbildung 1: Arbeitsbereiche der Initiative Supply Chain Excellence Umsetzungskonsortium Die Studie wurde im Auftrag des Bundesministeriums Die Koordinatorin der deutschen Luft- und Raumfahrt für Wirtschaft und Energie als Gemeinschaftsprojekt und Bundeswirtschaftsministerin Frau Brigitte Zypries mit der Initiative Supply Chain Excellence durchge- ist seit 2015 Schirmherrin der SCE-Initiative. führt. Alle 14 Landesverbände und Regionalcluster, der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raum- Für die Länder Bayern, Niedersachsen, Hamburg und fahrtindustrie (BDLI) und der SPACE Deutschland e.V. Baden-Württemberg haben ebenfalls die jeweiligen kooperieren im Rahmen dieser Initiative. Wirtschaftsminister/-innen die Schirmherrschaft für die Initiative übernommen (vgl. Abbildung 2). Schirmherrschaft aus der Politik Unterstützung durch Regionalverbände, Landesinitiativen, BDLI und SPACE Deutschland Schleswig- HolsteinMecklenburg- Vorpommern Hamburg Bremen Brandenburg Niedersachsen Berlin Sachsen- Anhalt Nordrhein Westfalen Sachsen Thüringen Hessen Rheinland- Pfalz Saarland Baden- Bayern Württemberg Abbildung 2: Umsetzungskonsortium der SCE-Initiative
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |5 Methodik Die Studie erfasst flä- chendeckend alle rele- vanten Themenfelder Engineering, und Akteure der deut- Testing, Systeme Forschung schen Luftfahrtzuliefer- Anlagenbau industrie. Daraus wur- den Ansatzpunkte für Kabine Produktions- eine zielgerichtete unterstützung Branchenkern: Umsetzung der SCE- Flugzeugbau Initiative abgeleitet. MRO Triebwerke Hierzu wurde zunächst Aftermarket eine horizontale Glie- Struktur derung der industriel- Individuelles Anforderungsprofil len Zulieferkette in ihre der Tier-Stufen je Commodity Teilsegmente vorge- Abbildung 3: Untersuchte Branchensegmente und Wertschöpfungsstufen (vgl. auch Abb. 4) nommen. Neben den einem Systemhersteller (Tier-1) beliefert, die Teil- für den Luftfahrzeugbau wesentlichen Bereichen komponenten eines Systems wiederum von Kompo- Strukturbau, Triebwerke, Kabine und Systeme wur- nentenherstellern (Tier-2) und dessen Lieferanten den auch produktions- und entwicklungsrelevante (Tier-3 usw.) bezogen. Segmente (Engineering, Testing, Forschung, Maschi- nen- und Anlagenbau, Tools) sowie der Bereich der Die Anforderungen an die Unternehmen variieren, Wartung, Instandsetzung und Reparatur von Luftfahr- sowohl in den Stufen der Lieferkette, als auch in den zeugen betrachtet. Für jedes dieser Segmente wurde unterschiedlichen Branchensegmenten. In der Praxis darüber hinaus die vertikale Gliederung der Wert- existieren jedoch vielfältige Überlappungen und schöpfungskette in die einzelnen Stufen der Zulie- Schnittmengen zwischen den einzelnen Stufen. Ein ferpyramide berücksichtigt (vgl. Abbildung 3). direkter Zulieferer eines OEM für ein bestimmtes Produkt kann durchaus als Tier-2 Idealisierte Tier-Struktur am Beispiel des Strukturbaus oder 3 in einem anderen Pro- Indikatoren duktsegment eingeordnet wer- Kategorisierung der Unternehmen nach idealtypischen Anforderungen (Auswahl) den. Daher wurde in der Studie OEM • Entwicklung und Integration System Flugzeug Typenzulassung diese in der Industrie weit ver- breitete Sichtweise aufgegriffen • Entwicklung und Fertigung technisch komplexer Systeme (QSF-C) QSF-B und C und um eine qualitative Einord- Tier-1 • Luftfahrtrechtliche Verantwortung für Komplettsystem EASA 21J und G • Lieferung an OEM ISO 9100 nung ergänzt. • Fertigung von Baugruppen / Komponenten (QSF-B) inkl. Prozesskette QSF-B Tier-2 • Luftfahrtrechtliche Verantwortung für Produktionsprozess EASA 21J oder G Zur Abgrenzung der einzelnen • Lieferung an Tier-1 ISO 9100 Stufen der Zulieferkette wurde • Reine Fertigung von Teilen (QSF-A) QSF-A zwischen den Verantwortlichkei- Tier-3 • Wenig bis keine luftfahrtrechliche Verantwortung (verlängerte Werkbank) ISO 9001/9100 • Lieferung an Tier-2 ten, die auf den einzelnen Stufen • Materialien, Normteile der Wertschöpfungskette über- Multi-Tier • Betriebsmittel nommen werden, unterschieden. • Personaldienstleister Maßgeblich bei der Kategorisie- Abbildung 4: Idealisierte Tier-Struktur am Beispiel des Strukturbaus rung der Zulieferer in die jeweili- Es wird von einer „Tier-Struktur“ gesprochen, die ge Wertschöpfungsstufe war ausgehend vom Hersteller (auch OEM =“ Original dabei also nicht ausschließlich die Lieferverflechtung Equipment Manufacturer“) die Zulieferverflechtungen (z.B. Direktlieferung an OEM), sondern auch die (In- in Form einer Pyramide von direkten Lieferbeziehun- tegrations-)Funktion und luftfahrtrechtliche Verant- gen („Tiers“) beschreibt. In der idealisierten Darstel- wortung, die ein Zulieferer übernimmt. lung wird ein OEM also in der ersten Lieferebene von
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |6 Einen beispielhaften Überblick über die gewählte Im Anschluss erfolgte eine flächendeckende Befra- Betrachtungsweise gibt Abbildung 4 anhand des gung der in Deutschland agierenden Unternehmen. Teilsegments „Strukturbau“. Auf Basis von Erfahrungen und Marktkenntnissen der OEM: Als OEM gelten solche Unternehmen, SCE-Partner sowie öffentlich verfügbarer Daten wur- die über eine eigene Typenzulassung für ein de eine umfassende Übersicht der Luftfahrtbetriebe Fluggerät verfügen. in Deutschland erstellt, welche die Datengrundlage Tier 1 / Systemhersteller: Systemhersteller für die Befragung darstellt. Hierbei konnte das Um- verantworten die Entwicklung und Fertigung setzungskonsortium auf die zum Teil seit vielen Jah- technisch komplexer Systeme und tragen ren in den jeweiligen Regionen entlang der Wert- auch die luftfahrtrechtliche Verantwortung. schöpfungsketten tätigen Cluster und Regionalver- Tier 2 / Komponentenhersteller: Kompo- bände zurückgreifen. So konnte die größtmögliche nentenhersteller fertigen Baugruppen ein- Rücklaufquote gewährleistet werden. baufertig für Systemhersteller oder OEMs. Die technische Umsetzung und Programmierung der Sie tragen die Verantwortung für den Pro- Befragung realisierte die h&z Unternehmensberatung duktionsprozess, aber nicht notwendiger- AG. weise für die Bauteilentwicklung. Tier 3 / Teilehersteller: Teilehersteller ferti- Die Befragungsergebnisse wurden zentral zusammen- gen Teile oder Komponenten nach Vorgabe geführt und ausgewertet. Dies umfasste zum einen der Komponentenhersteller („verlängerte die Auswertung der Befragung hinsichtlich Struktur, Werkbank“). Sie tragen wenig bis keine luft- Zusammensetzung und Wettbewerbsfähigkeit der fahrtrechtliche Verantwortung, sind in der deutschen Zulieferkette. Zum anderen wurden die Regel aber nach luftfahrtrechtlichen Vorga- qualitativen Hinweise der Unternehmen (z.B. zu ben zertifiziert. Marktherausforderungen, Wettbewerbssituation Multi-Tier: Multi-Tier liefern Materialien, oder Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbe- Normteile oder Betriebsmittel an alle Ebe- werbssituation) herausgearbeitet, mit den Ergebnis- nen der Lieferkette. Hierzu wurden ebenfalls sen anderer Studien abgeglichen und in das SCE- reine Personaldienstleister gezählt. Angebot eingearbeitet. Um die Unternehmenslandschaft flächendeckend zu Schließlich wurden Handlungsempfehlungen für erfassen und anschließend die Ergebnisse konsolidie- Maßnahmen abgeleitet, um die deutsche Luftfahrtzu- ren zu können, ist eine solche Standardisierung und lieferindustrie langfristig wettbewerbsfähig zu halten Typisierung der Branchenstruktur notwendig. In meh- und ihre Marktposition bestmöglich zu unterstützen reren Workshops wurde diese zwischen den beteilig- bzw. auszubauen. ten SCE-Partnern sowie mit der Industrie abgestimmt. Grundgesamtheit Die Grundgesamtheit der befragten Betriebe, welche Abdeckung der Wertschöpfungsstufen als repräsenta- - wie oben beschrieben - vor der Befragung durch das tiv für die Branche einzustufen (vgl. Abbildung 6 und Umsetzungskonsortium bundesweit zusammengetra- Abbildung 7). gen wurde, betrug mehr als 2.300 Betriebe der deut- schen Luftfahrtzulieferindustrie (vgl. Abbildung 5). Die Studie bietet erstmals ein flächendeckendes Bild der deutschen Diese wurden durch die jeweils regional zuständigen Zulieferindustrie. Verbände / Cluster standortbezogen befragt. Auf- grund dieser Vorgehensweise konnte eine Rücklauf- quote von 19,5% erreicht werden. Durch die umfas- Auch hinsichtlich der räumlichen Verteilung der be- sende Einbeziehung aller in der Luftfahrt tätigen antworteten Fragebögen zeigt sich eine repräsentati- Zulieferer ist die Studie mit insgesamt 452 Beantwor- ve Abdeckung der Luftfahrtindustrie in Deutschland. tungen sowohl hinsichtlich der Zahl als auch ihrer
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |7 Konzentration der Luftfahrtbetriebe in Deutschland Abbildung 5: Verteilung der Luftfahrtzulieferbetriebe in Deutschland (Basis: Vorerhebung der SCE-Initiative)
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |8 Struktur der deutschen Luftfahrtindustrie Die deutsche Luftfahrtzulieferindustrie umfasst mehr als 2.300 Betriebe und ist bundesweit beinahe flächendeckend präsent. Schwerpunkte der Industrie liegen sowohl in Norddeutschland (insbesondere in Nähe zu den Airbus-Werken), Süddeutschland (Bodenseeregion, Großraum München) als auch in Mittel- und Ostdeutschland (v.a. Berlin- Brandenburg und Sachsen-Thüringen). Es zeigt sich, dass die Industrie nicht nur an den Hauptstandorten der Luftfahr- zeughersteller präsent ist, sondern weitreichende regionale Verzweigungen der Branche existieren. Die Luftfahrtin- dustrie im Ganzen nimmt somit eine wichtige Rolle in der deutschen Industrielandschaft ein. Regionale Verteilung Die Luftfahrtzulieferindustrie ist in nahezu sämtlichen lungszentren mit ohnehin starker Industriepräsenz zu Regionen Deutschlands vertreten (vgl. Abbildung 6). finden: In Norddeutschland insbesondere in den Um für die Befragung aussagekräftige Ergebnisse Großräumen Hamburg, Bremen und Hannover; in hinsichtlich der räumlichen Verteilung der Industrie Mittel- und Ostdeutschland in den Großräumen Ber- zu gewinnen, wurden die Unternehmen je Standort / lin/Brandenburg und Dresden; in Süddeutschland in Betriebstätte befragt. Damit trägt die Studie der in den Großräumen München, Stuttgart und der Boden- ihren Regionen sehr breit aufgestellten deutschen seeregion; in Westdeutschland im Großraum Aachen, Luftfahrtindustrie und ihrem breit gefächerten Ange- Bonn, Köln. Diese Verteilung spiegelt sich auch in der botsspektrum Rechnung. Zahl beantworteter Fragebögen wider (vgl. Abbildung 7). Anzahl von Standortname Saarland Rheinland-Pfalz 15 52 Mecklenburg- Berlin Sachsen-Anhalt Vorpormmern Brandenburg 34 6 56 55 Bremen 83 Thüringen Bayern 93 445 Hessen 125 Schleswig-Holstein 139 Niedersachsen 338 Hamburg 163 Sachsen NRW 175 Baden- 276 Württemberg 207 Abbildung 6: Befragte Betriebsstätten je Bundesland Die Ergebnisse zeigen, dass die Luftfahrtindustrie relevanter Wirtschaftsfaktor in nahezu ganz Deutsch- land ist. Deutschland verfügt über eine breit aufgestellte, heterogene Abbildung 7: Räumliche Verteilung der Antworten Zuliefererlandschaft. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Antworten sowohl hinsichtlich ihrer räumlichen Verteilung in Schwerpunkte liegen in den über ganz Deutschland Deutschland als auch hinsichtlich der Abdeckung der verteilten, z.T. historisch gewachsenen Standorten Wertschöpfungskette ein gutes Gesamtbild der Lage der Luftfahrzeughersteller. Diese sind häufig in Bal- der Zulieferindustrie in Deutschland abgeben.
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |9 Unternehmensgrößen und Beschäftigung Die Gesamtbeschäftigtenzahl der Luft- und Raumfahrt mehr als 90% der Betriebe in der Luftfahrt weniger als in Deutschland liegt derzeit bei 108.000 direkt in der 250 Mitarbeiter (vgl. Abbildung 9). Luft- und Raumfahrt Beschäftigten. Dieser Wert ist der bisherige Höchststand der Beschäftigtenzahl in > 250 > 250 Deutschland1. Der ermittelte Gesamtumsatz der 12% 7% 101-250 10% Branche lag bei 37,5 Mrd. EUR. < 25 39% 101-250 51-100 20% 10% Insgesamt nur Luftfahrt Die Befragungsergebnisse zeigen deutlich die sehr 25-50 < 25 9% stark mittelständisch geprägte Zulieferindustrie in 51-100 64% 14% 25-50 Deutschland. Der überwiegende Anteil der erfassten 15% Betriebe ist der Gruppe der Kleinen und mittleren Unternehmen (KMU2) zuzuordnen. Abbildung 9: Zahl der Betriebe nach Mitarbeiterzahl pro Betrieb Eine Vielzahl der befragten Unternehmen ist dabei > 250 Mio € 12 auch in anderen Branchen außerhalb der Luftfahrt tätig. Da die Luftfahrt für viele dieser Unternehmen ein Nischenmarkt ist, entspricht bei vielen KMU der 100 - 250 Mio € 11 Anteil der luftfahrtrelevanten Beschäftigten häufig einem Kleinunternehmen (vgl. Abbildung 9), auch Umsatz pro Betrieb wenn der Betrieb insgesamt mehr Mitarbeiter be- 50-100 Mio € 11 schäftigt. Insbesondere in mittelständischen Unter- nehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern bestehen 20-50 Mio € 30 häufig branchenübergreifende Vernetzungen mit sehr kleinen Luftfahrtanteilen. 10-20 Mio € 50 Die Luftfahrtindustrie ist geprägt vom Zusammenspiel zwischen großen, < 10 Mio € 210 international aufgestellten Herstellern Tier-1 Lieferanten und vielen mittleren, 0 50 100 150 200 250 kleinen sowie sehr kleinen, oft stark Zahl der Betriebe spezialisierten Zulieferern. Abbildung 8: Zahl der Betriebe nach Umsatzgrößen In der dargestellten Betriebsgrößenstruktur liegt eine Bei mehr als 76% der Antworten, gaben die befragten besondere Herausforderung für den Luftfahrtstandort Betriebe einen Jahresumsatz von unter 10 Mio. EUR Deutschland. Es gilt, einerseits die zukünftige Wett- pro Jahr an (vgl. Abbildung 8) und gehören damit zur bewerbsposition zu sichern und andererseits die breit Gruppe der KMU. Auch hinsichtlich der Mitarbeiter- aufgestellte, vielfältige Zuliefererstruktur weiterzu- zahlen ist diese Struktur zu erkennen. So beschäftigen entwickeln. Vergleicht man die Unternehmensstruktur in 1 Quelle: BDLI Jahresstatistik 2016; Deutschland mit den Erwartungen der internationa- Anmerkung: Im Gegensatz zur parallel erhobenen len Marktteilnehmer an ihre Zulieferketten ist eine BDLI-Jahresstatistik bezieht die SCE-Erhebung nur die deutliche Notwendigkeit für weitere strukturelle Luftfahrtindustrie in die Betrachtung ein (ohne Luft- verkehr und Raumfahrt), schließt jedoch auch diejeni- Anpassungen festzustellen. Die Erwartungen zur gen Wertschöpfungsstufen ein, welche nicht direkt am zukünftigen Umsatzentwicklung der Unternehmen Bau von Luftfahrzeugen beteiligt sind (z.B. Maschi- sind für die kommenden Jahre branchenweit sehr nen- und Anlagenbau). positiv. Wenn der o.g. Wandel in der Unternehmens- 2 KMU-Definition der Europäischen Kommission: struktur gelingt, so sieht der überwiegende Teil der < 250 Beschäftigte; Jahresumsatz max. 50 Mio. EUR; befragten Unternehmen ein deutliches Marktpoten- Bilanzsumme max. 43 Mio EUR zial in der Geschäftsentwicklung (vgl. Abbildung 10).
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |10 Mit ihren regelmäßigen Wachstumsraten >5% p.a. Der überwiegende Anteil der befragten Unternehmen gehört die Luftfahrtindustrie derzeit zu den wachs- zeichnet langfristig ein positives Bild hinsichtlich der tumsstärksten Branchen in Deutschland. Gleichzeitig Geschäftsentwicklung. Insbesondere mittel- bis lang- gilt die Luftfahrtindustrie als sehr umsatzstabile Bran- fristig erwartet die Zulieferindustrie steigende Umsät- che und eignet sich daher gerade auch für mittelstän- ze in der Luftfahrt. Nur ein geringer Anteil der Befrag- dische Unternehmen, um Konjunkturschwankungen ten rechnet mit einem Umsatzrückgang (vgl. Abbil- auszugleichen, wie sie in anderen Branchen, wie dung 10). beispielsweise der Automobilbranche, auftreten. 200 175 150 Zahl der Antworten 125 100 75 50 25 0 Stark sinkend Leicht sinkend Gleichbleibend Leicht steigend Stark steigend 2016 / 2017 2018 / 2019 2020 / 2021 Abbildung 10: Erwartete Umsatzentwicklung in den kommenden Jahren Kompetenzen und Fähigkeiten, Zertifizierungen Hinsichtlich der Fähigkeiten der deutschen Luftfahrt- Additive Produktionsverfahren zulieferindustrie decken die Unternehmen nahezu die Montage gesamte Bandbreite an produktionsrelevanten Bran- Wärmebehandeln Oberflächenbehandeln chensegmenten ab. Gefragt wurde in der Studie ge- Kleben trennt nach Fertigungs-, Material- und Dienstleis- Schweißen tungskompetenzen. Nieten Blechbearbeitung Besonders ausgeprägt ist die Zulieferlandschaft in der Fräsen Fertigung. Die Wertschöpfungskette reicht von der Drehen Entwicklung (Engineering) über Montagetätigkeiten Umformen Urformen bis hin zu verschiedenen Materialbearbeitungsverfah- Engineering ren (vgl. Abbildung 11). Hier zeigt sich u.a. der in 0 50 100 150 200 250 Deutschland stark entwickelte Fokus auf die fertigen- de Produktion. Umgekehrt nimmt die Montage auch Abbildung 11: Fertigungskompetenzen einen großen Anteil in den Dienstleistungskompeten- zen ein. Bei den materialbezogenen Kompetenzen der Unter- nehmen dominiert die deutsche Zulieferindustrie die Additive Produktionsverfahren, denen großes Poten- Bearbeitung klassischer Materialien des Strukturbaus. zial in der Luftfahrt bescheinigt wird, sind bereits in Verbundwerkstoffe, als vergleichsweise neu einge- einigen Betrieben eingeführt und in ihrer Verbreitung setzte Materialien, haben weitgehenden Eingang in mit anderen Verfahren wie z.B. Kleben, Schweißen, die Branche gefunden und sind heute in der Zuliefer- Nieten vergleichbar häufig vertreten (vgl. Abbildung landschaft fest etabliert (vgl. Abbildung 12). 11).
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |11 rer auf höheren Stufen der Wertschöpfungskette sind Kunststoffe; 149 Aluminium- außerdem die luftfahrtrechtlichen Zertifizierungen werkstoffe; 178 z.B. nach EASA 21G oder 21J für Herstell- bzw. Ent- wicklungsbetriebe besonders wichtig. Analog zur großen Anzahl kleiner und mittlerer Betriebe lässt sich feststellen, dass die Basisnorm ISO 9100 bereits etwas weiter verbreitet ist, während die Zulassung Verbund- nach den EASA-Normen in geringerem Maße in den werkstoffe; 131 Hartmetall- werkstoffe; 113 Unternehmen vorhanden ist. Dies ist ein Indikator dafür, dass in der Unterstützung des Strukturwandels Abbildung 12: Materialkompetenzen hier noch Entwicklungsspielräume insbesondere bei Hinsichtlich der Dienstleistungskompetenzen ist wie den anspruchsvolleren Zertifizierungen der EASA bereits beschrieben eine stark auf die Luftfahrzeug- vorhanden sind (vgl. Abbildung 14). Ähnliches gilt für produktion ausgerichtete, jedoch breit aufgestellte Unternehmen des Wartungssektors in Bezug auf die Wertschöpfungskette zu erkennen. Dienstleistungen entsprechende Norm EASA Part 145/147. in den Bereichen Testing, Simulation und Montage gehören zu den deutschen Kernkompetenzen. Der NADCAP hohe F+E-Anteil der deutschen Zulieferkette im Be- QSF-C reich Luft- und Raumfahrt spiegelt sich in der Bedeu- QSF-B QSF-A tung der Bereiche Testing und Simulation wider. Auch EASA 66 der Bereich Wartung hat einen entsprechenden Stel- EASA 147 lenwert in der Zulieferindustrie (vgl. Abbildung 13). EASA Part M EASA 145 EASA 21G Wartung 105 Testing EASA 21J 148 ISO 9120 ISO 9110 ISO 9100 Montage 132 0 50 100 150 200 250 300 Simulation 117 aktuell angestrebt Logistik 43 Personal Abbildung 14: Zertifizierungen 72 Ein beträchtlicher Anteil der befragten Unternehmen Abbildung 13: Dienstleistungskompetenzen gab an, im Bereich Zertifizierungen weiteren Hand- Für die Positionierung vieler Unternehmen innerhalb lungsbedarf zu sehen. Dies umfasst sowohl die Ein- der Luftfahrtzulieferkette ist neben den reinen unter- tritts-Zertifizierung ISO 9100 (hier vor allem die Er- nehmerischen und technologischen Fähigkeiten auch neuerung der Zertifikate) als auch EASA- oder Herstel- die Zertifizierung und Zulassung als Luftfahrtunter- ler-bezogene Zertifizierungen, die notwendig sind, um nehmen unerlässlich. Ohne Zertifizierung bleibt ein sich als Zulieferer auf einer höheren Wertschöpfungs- Aufstieg und eine dauerhafte Positionierung inner- stufe zu etablieren. halb der Wertschöpfungskette unmöglich. Die Unternehmen sehen großen Für Zulieferer auf allen Stufen der Wertschöpfungs- Handlungsbedarf bei Zertifizierungen. kette stellt insbesondere die Zertifizierung nach der ISO/EN 9100-Norm oder auch Herstellerbezogene Die hohe Zahl an angestrebten Zertifizierungen zeugt Normen wie die Airbus-Zulassung als QSF-A, -B oder - vom Willen der Unternehmen, sich in diesem Bereich C Lieferant eine wichtige Eintrittsvoraussetzung in stärker zu engagieren und über eine entsprechende den Zuliefermarkt und ein Qualifizierungsmerkmal Qualifizierung somit zur Absicherung der eigenen innerhalb der Wertschöpfungskette dar. Für Zuliefe- Wettbewerbsfähigkeit beizutragen.
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |12 Aufbau der Wertschöpfungskette Deutschland verfügt über eine sehr To Date Future breit aufgestellte Wertschöpfungskette Aircraft OEM OEM in nahezu allen Teilsegmenten der Systems & Equipment Tier-1RSPs Luftfahrtindustrie (vgl. Abbildung 16 und Abbildung 17). Der Aufbau der Large Scale Integration Wertschöpfungskette entspricht dabei Value added parts & assemblies heute allerdings noch nicht vollständig Build-to-print parts der von OEMs und Tier-1 vorgegebe- and assemblies nen Struktur nach dem bereits be- Raw materials schriebenen System der Tier-Level (vgl. Abbildung 15: idealtypische Gliederung der Luftfahrt-Wertschöpfungskette Abbildung 15). So ist die idealtypische Gliederung der Kette, wie sie v.a. von OEMs und Vergabe von integrierten Arbeitspaketen, die in redu- großen Systemhäusern propagiert wird, insbesondere zierter Häufigkeit aber mit vergrößertem Volumen an auf den Zulieferstufen 2-4 in der deutschen Zuliefer- Komponentenlieferanten vergeben werden. Ziel ist industrie nicht zu erkennen. es, dadurch die Zahl der direkten Zulieferer zu redu- zieren, also insgesamt weniger Tier-1 und Tier-2 in Die Mehrheit der Betriebe ist im Bereich der Kompo- der Lieferkette zu haben, die dafür jedoch umfangrei- nenten- (Tier-2) und Teilelieferanten (Tier-3) tätig, chere Aufgaben wahrnehmen als bisher. während eine geringere Zahl an Zulieferern auf der Stufe der Systemlieferanten (Tier-1) zu finden ist (vgl. Insbesondere den Komponentenlieferanten bieten Abbildung 16). sich daher einerseits großen Marktchancen aufgrund wachsender Vergabevolumina. Andererseits intensi- Die Mehrheit der Betriebe ist im viert sich der internationale Wettbewerb. Die stärker Bereich der Komponenten- und konsolidierte Vergabepraxis stellt bestehende Lie- ferverflechtungen infrage. Teilelieferanten tätig. Ziel der Systemhäuser ist dabei u.a. eine Reduktion Die deutsche Zulieferindustrie ist also insbesondere der Anzahl der Lieferanten. Dies steht im Wider- durch Betriebe der Ebenen Tier-2 und Tier-3 geprägt. spruch zur großen Anzahl an Tier-2 Lieferanten in Dieses Segment ist besonders vom Strukturwandel Deutschland und kann daher als Indikator für poten- und dort von starken Konsolidierungstendenzen be- zielle Konsolidierungstendenzen in der Zulieferkette troffen. Insbesondere die großen Tier-1 / Systemliefe- in der Zukunft gesehen werden. ranten verändern derzeit ihre Zulieferketten hin zur 180 160 12 Anlagenbau /Jigs & Tools 140 19 16 5 120 19 Wartung / MRO 10 32 18 100 17 34 17 7 Engineering / Testing / 10 Qualifikation / 80 29 32 18 11 Dokumentation / Forschung 28 Systeme 60 36 29 40 26 32 15 40 Kabine 12 14 16 23 7 10 20 13 7 4 26 11 5 25 Triebwerke 12 17 5 9 6 0 Strukturbau Abbildung 16: Gliederung der deutschen Zulieferindustrie nach Wertschöpfungsstufen
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |13 Am Standort Deutschland sind heute zwar die meis- Diese verfügen häufig nicht über die notwendigen ten Betriebe der Kategorie der Tier-2 und Tier-3 zuzu- Ressourcen und Voraussetzungen, um den geänder- ordnen (vgl. Abbildung 16). Gleichzeitig ist die deut- ten Anforderungen zu entsprechen. sche Zulieferindustrie wie oben beschrieben aber durch vor allem kleine und mittlere Unternehmen gekennzeichnet – auch im Bereich der Tier-2. Kernkompetenzen / Branchensegmentierung der Luftfahrt stark besetzt sind. Insgesamt Anlagenbau /Jigs & Tools 10 10 12 19 18 7 lässt sich eine räumliche Nähe innerhalb der Wartung / MRO 11 17 16 5 17 18 jeweiligen Commodities zu den jeweiligen OEM- bzw. Tier-1 Standorten feststellen (vgl. Engineering / Testing / … 29 29 32 19 28 40 Abbildung 19). Auch hier wird die bundeswei- Systeme 12 26 32 34 15 10 te Ausdehnung der Luftfahrt deutlich. Kabine 13 23 32 36 16 11 Dies zeigt sich exemplarisch im Bereich Kabi- Triebwerke 4 5 7 14 7 5 ne. Aufgrund des Schwerpunkts in der Kabi- nenausrüstung im Hamburger Airbus-Werk ist Strukturbau 12 9 25 26 17 6 insbesondere in der Metropolregion Hamburg 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 eine starke Konzentration von Betrieben der OEM Systemlieferant (Tier 1) Komponentenlieferant (Tier 2) Zulieferkette in diesem Segment festzustellen. Teilelieferant (Tier 3) Multi-Tier Keines / N.A. Abbildung 17: Verteilung der Zulieferbetriebe nach Branchensegmenten Die Zulieferstruktur folgt den Die Ergebnisse der Befragung bestätigen das allge- Produktionsstandorten der OEM meine Verständnis der Häufung von Unternehmen und Tier-1. bestimmter Teilsegmente der Branche. In allen Seg- menten verfügt Deutschland jedoch über eine ausge- Im Engineering existiert eine räumliche Dreiteilung prägte, nahezu vollständige Zulieferkette. mit Schwerpunkten in Süddeutschland, Norddeutsch- land und Ostdeutschland, während der Maschinen- Das größte Teilsegment hinsichtlich der Anzahl der und Anlagenbau klare Schwerpunkte im Norden und Betriebe innerhalb der Wertschöpfungskette ist im Nord-Osten der Bundesrepublik aufweist. Bereich Engineering/ Testing/ Qualifikation/ Doku- mentation/ Forschung zu erkennen (vgl. Abbildung Ein ähnlicher Effekt lässt sich auch in anderen Bran- 17.) Weitere wichtige Segmente sind die Bereiche chensegmenten feststellen. Im Strukturbau sind Zen- Kabine, Systeme und Strukturbau. tren im Umfeld von Airbus-Werken und anderen großen Unternehmen zu finden, beispielsweise der Auffällig ist in allen betrachteten Segmenten, dass Metropolregion Hamburg mit Werken in Stade, Bux- eine ausgesprochen stark diversifizierte Zulie- tehude und Hamburg; der Metropolregion Bremen- fererstruktur existiert. Insbesondere die mittleren Oldenburg mit Werken in Bremen; der Premium Stufen der Wertschöpfungskette (Komponenten- und AEROTEC-Standorte in Nordenham, Varel und Bre- Teilelieferanten) stellen in allen Bereichen die größte men; dem Großräumen München, Augsburg und der Gruppe an Betrieben dar. Bodenseeregion. Deutschland ist starker Partner in allen Im Bereich des Triebwerksbaus sind Schwerpunkte im Bereichen der Zulieferindustrie. Umfeld von Rolls Royce in der Hauptstadtregion Ber- lin-Brandenburg, im Umfeld von MTU Aero Engines in Gleichzeitig agieren vergleichsweise viele Betriebe München sowie MTU Maintenance in Hamburg und heute als Tier-1-Supplier. Auch dies wird sich bei Berlin sowie im Umfeld von Lufthansa Technik in zunehmender Konsolidierung der Supply Chain vo- Hamburg erkennbar. Diese finden sich auch im Be- raussichtlich in Zukunft ändern. Gleichwohl bleibt reich MRO wieder (vgl. Abbildung 19). festzuhalten, dass sämtliche Branchensegmente in
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |14 Strukturbau Anlagenbau, Jigs&Tools Triebwerke Engineering Kabine Systeme Abbildung 19: räumliche Verteilung der Zulieferbetriebe in Deutschland in ausgewählten Commodities Wartung / MRO Die deutlichste räumliche Konzentration weist das Segment War- tung/Überholung/Modifikation (MRO) auf (vgl. Abbildung 18). Hier lassen sich klare Schwerpunkte an den Flughafenstandorten mit MRO-Funktion erkennen. Schwerpunkte liegen in Hamburg (Lufthansa Technik), Hannover (MTU Maintenance, TUIfly), Berlin-Brandenburg (Lufthansa-Bombardier, MTU Maintenance), Dresden (DHL, Elbe Flugzeugwerke), Friedrichshafen (Zeppe- lin, Liebherr u.a.) sowie am Luftfahrtdrehkreuz Frankfurt (u.a. Lufthansa Technik). Abbildung 18: räumliche Konzentration von MRO-Betrieben
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |15 Veränderungen im Aufbau der Wertschöpfungskette Neben der Einordnung in die Struktur der Zulieferin- Rolle einzunehmen und sich entsprechend auf höhe- dustrie wurden die Unternehmen im Rahmen der rem Tier-Level zu positionieren (vgl. Abbildung 21). Studie auch hinsichtlich ihrer Erwartungen zur zu- künftigen Entwicklung und Positionierung des eige- Es bleibt jedoch zu berücksichtigen, dass die absolute nen Unternehmens befragt. Daraus lassen sich zu Zahl der Tier-2 Zulieferer erwartungsgemäß eher erwartende Veränderungen innerhalb der Struktur absinken als ansteigen wird, da die Systemhäuser die der Supply Chain ableiten. Zahl ihrer direkten Zulieferer reduzieren werden. Es ist daher davon auszugehen, dass es zu einem inten- Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Unterneh- siven Verdrängungswettbewerb und in der Folge zu men mehrheitlich eine Weiterentwicklung hin zu deutlichen Konsolidierungen innerhalb der Zuliefer- einer Positionierung auf einem höheren Tier-Level kette kommen kann. anstreben. Betrachtet man die Veränderungen innerhalb einzel- Es besteht ein Trend zur ner Branchensegmente, lässt sich innerhalb dieses Weiterentwicklung der Unternehmen Konsolidierungsprozesses feststellen, dass die jeweili- gen Teilsegmente unterschiedlich weit entwickelt auf höhere Tier-Level. sind. Dies betrifft insbesondere die mittleren Stufen der Die Veränderungen innerhalb der Bereiche MRO, Wertschöpfungskette. Der relative Anteil der OEM- Engineering und Triebwerke fallen vergleichsweise Betriebe sowie der sog. Multi-Tier-Betriebe, die auf moderat aus. Ein Großteil der Konsolidierung hat in mehreren Stufen der Wertschöpfungskette tätig sind, diesen Segmenten bereits stattgefunden. Im Bereich bleibt weitgehend unverändert. Jedoch steigt der Engineering ist jedoch zu erkennen, dass nach wie vor Anteil der Betriebe, die sich selber in einem Zeitraum ein intensiver Wettbewerb um die Position der Tier-1- von 5 Jahren auf Tier-1 und Tier-2 Level sehen, wäh- Supplier besteht (vgl. Abbildung 21). rend der Anteil der Unternehmen, die sich auf Tier-3 Level sehen, deutlich absinkt. (vgl. Abbildung 20). Für Der Reifegrad der Konsolidierung 2012 liegt der Anteil der Unternehmen, die sich auf variiert deutlich zwischen den Tier-3-Level sehen daher um 13% niedriger als der Commodities. Wert für 2016. Diese Entwicklung kann als Reaktion auf die angekün- Insbesondere in den Bereichen Strukturbau, Kabine digten und teilweise bereits ergriffenen Konsolidie- und Systeme hingegen, die den mit Abstand größten rungsmaßnahmen der OEM gesehen werden. Viele Anteil der betroffenen Betriebe in Deutschland dar- Unternehmen planen, in diesem Prozess eine aktive stellen, sind deutliche Anzeichen hin zu einer sich +13% +13% 30% -13% 27% +5% 25% 24% 24% 21% 20% Anteil der Befragten 20% 19% 19% 19% 15% 14% 14% 10% 5% 0% OEM Tier-1 Tier-2 Tier-3 Multi-Tier 2016 2021 Abbildung 20: Selbsteinschätzung der Unternehmen zur Positionierung in der Zulieferkette in 2016 und 2021
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |16 OEM Tier-1 Tier-2 Tier-3 Multi-Tier Strukturbau -1% 7% 6% -11% -1% Triebwerke 0% -5% 6% -5% 3% Kabine 0% -3% 13% -9% -1% Systeme 2% 0% 6% -10% 2% Engineering/Testing/Qualifikation/ -2% 5% -3% -2% 1% Dokumentation/Forschung Wartung / MRO 0% 0% 0% 1% -1% Anlagenbau, Jigs & Tools -1% 2% -4% 9% -5% Self-assessment of respondents, n=289-302 Abbildung 21: Selbsteinschätzung der Betriebe: Veränderung der Positionierung in der Supply Chain 2016-2021 beschleunigenden Konsolidierung zu erkennen. Dabei Insgesamt wurden von den Befragten zur eigenen erwarten die Betriebe in allen drei Bereichen mehr- Positionierung in 5 Jahren zahlenmäßig deutlich heitlich, sich vom Tier-3 zum Tier-2-Zulieferer zu diversifiziertere Angaben gemacht als zur aktuellen entwickeln (vgl. Abbildung 21). Positionierung in der Zulieferkette. Die höhere Ge- samtsumme der Antworten hinsichtlich der Positio- Auf Ebene der Tier-1-Lieferanten ist dieses Bild weni- nierung in 5 Jahren könnte auf eine weitere Diversifi- ger einheitlich. Während in den Bereichen Triebwerke zierung der Unternehmen hinweisen. Unternehmen, und Kabine der relative Anteil der Tier-1 Lieferanten die heute nur in einem Branchensegment agieren zurückgeht, planen Unternehmen in den Bereichen (z.B. Kabine), planen in größerer Zahl, auch in ande- Strukturbau und Engineering, vermehrt auf dieses ren Bereichen (z.B. Systeme, Struktur) tätig zu wer- Tier-Level vorzustoßen, sodass ihr Anteil hier noch den. Der Anteil an Zulieferern im Bereich Systeme weiter ansteigen wird. beispielsweise steigt deutlich überproportional. Im Bereich Anlagenbau lässt sich ein anderer Trend Es ist in den kommenden Jahren also sowohl mit beobachten: Zum einen planen einige Unternehmen einer weiteren Konsolidierung der absoluten Zahl an ebenfalls ein „Aufsteigen“ auf die Ebene der Tier-1- Luftfahrtunternehmen zu rechnen – insbesondere auf Lieferanten. Andererseits lässt sich in der nachgela- den höheren Tier-Leveln, als auch mit einer stärkeren gerten Wertschöpfungskette eine relative Reduktion Diversifizierung der Branchenausrichtung der Unter- der Tier-2-Lieferanten beobachten, während der nehmen. Anteil der Tier-3-Lieferanten steigt. Es scheinen also parallel ein Konsolidierungs- und ein Spezialisierungs- prozess innerhalb der Wertschöpfungskette zu ent- stehen. Branchenstruktur Programmbeteiligungen Die deutsche Luftfahrtindustrie ist traditionell stark Die Studie zeigt jedoch mit zunehmender Internatio- durch eine enge Verzahnung mit dem Airbus-Konzern nalisierung und Industrialisierung der Zulieferketten geprägt. Sowohl im zivilen als auch im militärischen auch eine steigende Zahl an Betrieben mit Beteiligung Luftfahrzeugbau ist Airbus der größte Kunde für die an den Programmen anderer Hersteller (vgl. Abbil- deutsche Luftfahrtzulieferindustrie. dung 22).
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |17 Es zeigt sich eine starke Verflechtung General und Business Aviation verfügt Deutschland der Zulieferer zu Airbus, jedoch ist ein somit über Systemkompetenzen zur Entwicklung und Produktion ganzer Luftfahrzeuge. Trend zur Internationalisierung unverkennbar. Deutschland verfügt über Systemfähigkeit im Bereich Regional- Die größte Zahl der deutschen Zulieferbetriebe findet und Business Aviation. sich in den verschiedenen Narrow Body-Programmen. Hier haben sich deutsche Zulieferer eine gute Präsenz Im Bereich der militärischen Programme sind regiona- auch in den Programmen von Boeing, Embraer, Bom- le Wertschöpfungsketten von besonders großer Be- badier und COMAC erarbeitet. Bei Wide-Body Flug- deutung. Dies zeigt sich an der Programmbeteiligung zeugen erreichen die befragten Unternehmen noch deutscher Zulieferer. Es dominieren europäische keinen vergleichbaren Internationalisierungsgrad. Programme, in denen v.a. Airbus bestimmender Ak- Besonders heterogen ist die Programmbeteiligung in teur ist. Deutschlands aktive Rolle im A400M- den Segmenten der Regional und Business Aviation. Programm beispielsweise spiegelt sich in der starken Hier ist Deutschland in zahlreichen unterschiedlichen Dominanz der Beteiligung deutscher Zulieferer wider. Luftfahrzeugprogrammen vertreten. Dabei sei darauf Dieses Programm ist das derzeit größte Beschaf- hingewiesen, dass die Befragung in diesem Segment fungsprogramm in Deutschland, was diesen Trend außerdem eine erfreulich hohe Anzahl an OEM- noch verstärkt. Das A400M-Programm ist derzeit das Betrieben vorweisen konnte. Insbesondere in der militärische Programm mit den meisten Zulieferbe- trieben in Deutschland. Milit. Fighter 62 63 15 Milit. Other 42 42111 10 Milit. Transport 124 8 11 2 Rotorcraft 73 42 22 GA/Business 31 7 13 21 34 44 Aviation Regional 47 10 31 21 11 9 25 Wide Body 166 60 9 7 7 15 Narrow Body 147 49 34 36 26 11 38 0 50 100 150 200 250 300 350 Zahl der Betriebe Airbus Boeing Embraer Bombardier COMAC MRI Andere Abbildung 22: Programmbeteiligungen deutsche Luftfahrtzulieferbetriebe Kundenbeziehungen Entsprechend der starken Präsenz innerhalb der Die am häufigsten genannten Unternehmen sind die Airbus-Programme sind die wichtigsten Kundenbezie- Diehl-Gruppe (Kabine/Systeme), Premium AEROTEC hungen deutscher Zulieferunternehmen stark auf die (Strukturbau), Liebherr Aerospace (Systeme), Luft- Zulieferkette von Airbus ausgerichtet. Die Airbus- hansa Technik (MRO), Rolls Royce und MTU (Trieb- Gruppe ist mit Abstand wichtigster Kunde für deut- werke). sche Zulieferunternehmen (vgl. Abbildung 23). Direkte Kundenbeziehungen bestehen Darüber hinaus lässt sich unabhängig von der jeweili- überwiegend mit Deutschen Tier-1- gen Programmbeteiligung feststellen, dass insbeson- Unternehmen. dere die großen deutschen Tier-1-Unternehmen die wichtigste Kundengruppe darstellen.
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |18 Hier zeigt sich, wie wichtig die Existenz von Sys- bereits über eine teilweise entwickelte Zulieferkette temhäusern in allen Branchensegmenten für die in Deutschland, auf der weitere Entwicklung aufge- deutsche Zulieferindustrie ist. Sie sichern die nachge- baut werden kann. lagerte Wertschöpfungskette und sorgen so nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch bei den Die deutsche Zulieferkette tätigt 160 140 120 Zahl der Betriebe 100 80 60 40 20 0 Abbildung 23: TOP-Kunden deutscher Luftfahrtzulieferer (gemessen am Umsatz) Zulieferern für zusätzliche Wertschöpfung am Stand- inzwischen Geschäfte mit vielen ort Deutschland. außereuropäischen Herstellern. Gleichzeitig finden sich bereits zahlreiche internatio- nale Unternehmen unter den Top-Kunden. Hierzu Ein weiterer wichtiger Kunde ist die Bundeswehr. Im gehören insbesondere diejenigen ausländischen OEM Rahmen der Beschaffungspolitik können hier Impulse und Tier-1-Unternehmen, die mit eigenen Standorten zur Weiterentwicklung von deutschen Systemhäusern oder Tochterfirmen in Deutschland präsent sind (z.B. und Integratoren gesetzt werden. Rolls Royce). Dies ist ein weiterer Beleg für die wichti- ge Rolle von Integratoren am Standort für die nachge- Auch der größte deutsche Raumfahrtkonzern OHB lagerte Wertschöpfungskette. Systems wurde als wichtiger Kunde deutscher Zuliefe- rer genannt – obwohl die Studie explizit keinen Hervorzuheben ist die Verankerung bei ausländischen Schwerpunkt in der Raumfahrt gelegt hatte. Es lässt Herstellern wie Boeing, Embraer, Bombardier und sich hier also eine Branchenvernetzung zwischen der COMAC. Diese traditionell im Wettbewerb zu den Luftfahrt- und der Raumfahrtindustrie feststellen. europäischen Herstellern stehenden OEMs verfügen Branchenvernetzung Die Luftfahrtindustrie gilt als Innovationstreiber mit netzungen mit der deutschen Luftfahrtindustrie zu Strahlkraft in andere Branchen hinein. Mit ihren ho- finden. hen Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Liefer- treue wirkt sie auch in andere Branchen hinein. Insbesondere die Medizintechnik, Mess-, Steuer- und Gleichzeitig ist die Branchenvernetzung für den Erhalt Regelungstechnik sowie Industrieelektronik und der Innovationsfähigkeit in der Luftfahrt wichtig. Energie sind wichtige verwandte Branchen der Luft- fahrtindustrie. Dies bestätigt die große volkswirt- Die Ergebnisse der Befragung zeigen eine stark aus- schaftliche Bedeutung, die der Luftfahrtindustrie geprägte Branchendiversifizierung der befragten aufgrund ihrer Rolle als Technologietreiber zugespro- Unternehmen. Treiber sind traditionell starke deut- chen wird. sche Branchen wie die Automobilindustrie sowie der Maschinen- und Anlagenbau (vgl. Abbildung 24). Aber Die Vernetzung mit anderen Branchen sichert die auch in anderen Hochtechnologiebranchen sind Ver- Luftfahrtzulieferindustrie gleichzeitig vor negativen
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |19 konjunkturellen Einflüssen sowie Branchenrisiken ab. Nicht zuletzt bietet sich eine beidseitige Chance zu Dies ermöglicht gerade kleinen und mittleren Unter- einer Intensivierung von Technologietransfer – bei- nehmen eine größere Unabhängigkeit und Robust- spielsweise im Bereich Industrie 4.0 oder in der Ent- heit. wicklung und Markteinführung neuer Materialien. 200 180 184 160 169 140 120 100 101 99 80 81 60 71 71 62 40 48 20 15 0 Abbildung 24: Branchenvernetzung der deutschen Luftfahrtzulieferindustrie Internationalisierung Die Positionierung im globalen Wettbewerb ist eine dere im Rahmen ihrer bestehenden Kundenbeziehun- der größten Herausforderungen, um im Strukturwan- gen betreiben. del bestehen zu können. Die Studienergebnisse zei- gen, dass deutsche Luftfahrtunternehmen ihre Inter- Die Internationalisierung der nationalisierung sowohl im Hinblick auf Produktion, Kundenbeziehungen ist eine wichtige als auch Beschaffung und Kooperation bereits inten- Herausforderung der deutschen siv vorantreiben. Deutsche Unternehmen sind heute Zulieferer. in nahezu allen Weltregionen präsent. Wichtigste Auslandsstandorte deutscher Unterneh- Im Rahmen der Globalisierung nutzt beispielsweise men in der Luftfahrtindustrie sind heute die USA, der größte europäische Luftfahrtkonzern Airbus in gefolgt von Frankreich sowie Ost- und Südost-Europa. immer stärkeren Maße auch internationale Lieferket- In Asien ist China der mit Abstand wichtigste Aus- ten. Das hat zu einer Internationalisierung auf Ebene landsstandort. Die Produktion deutscher Luftfahrtzu- der Tier-1 geführt. Deutsche Zulieferer sind mit pro- lieferer ist also bereits stark internationalisiert. duzierenden Tätigkeiten diesen Kunden gefolgt. Vertrieblich ist die deutsche Zulieferlandschaft jedoch In der vertrieblich motivierten Internationalisierung noch schwerpunktmäßig auf Europa konzentriert. Wie hin zu neuen, außereuropäischen Kunden, besteht bereits die Kundenbeziehungen verdeutlicht haben, also noch Entwicklungspotenzial. Um sich langfristig bleibt Deutschland der wichtigste Absatzmarkt für im internationalen Wettbewerb als eigenständige weite Teile der deutschen Zulieferindustrie (vgl. Ab- Zulieferer behaupten zu können, wird dies eine maß- bildung 26). Dies lässt darauf schließen, dass die gebliche Herausforderung bleiben. deutschen Zulieferer Internationalisierung insbeson-
Supply Chain Excellence in der deutschen Luftfahrtindustrie |20 Abbildung 25: Internationale Standorte und Absatzverflechtungen der deutschen Luftfahrtindustrie Als einziger nichteuropäischer Zielmarkt von vertrieb- men mit Abstand wichtigster Markt. Die starke Rolle licher Bedeutung sind die USA (vgl. Abbildung 26) Österreichs und der Schweiz lässt auch auf sprachli- auch als Beschaffungsmarkt für deutsche Unterneh- che Gründe für dieses Verhalten schließen. men relevant. Im Vergleich zu Frankreich nannten mehr als doppelt so viele Befragte die USA als wichti- 0 50 100 150 200 250 300 gen Beschaffungsmarkt. Deutschland Österreich Schweiz Die Unternehmen treiben Frankreich Internationalisierung vor allem in Italien Europa voran. UK Sonstige EU Europa nicht EU Russland Die Rolle Chinas variiert ebenfalls zwischen den un- Asien terschiedlichen Motivationen zur Internationalisie- China rung. So ist China von herausragender Bedeutung in USA der Produktion, während die befragten Unternehmen Kanada Absatz Chinas Bedeutung in den Bereichen Absatz und Be- Südamerika Produktion Sonstiges Beschaffung schaffung im Vergleich zu Rest-Asien geringer einstu- fen. Abbildung 26: TOP-Zielmärkte der deutschen Luftfahrtindustrie Insgesamt folgt die deutsche Industrie ihren Kunden Der internationale Geschäftsausbau bedarf weiterer in die internationalen Zielmärkte. Gleichwohl, ist und Anstrengungen und stellt die Unternehmen vor bleibt Deutschland und der angrenzende europäische enorme Herausforderungen - insbesondere unterhalb Raum in der Wahrnehmung der befragten Unterneh- der Tier-1 Ebene.
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