Wir in Biebrich - Vielfalt Mediathek
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Wozu soziale Netzwerke für Vielfalt? Des Nazis neue Kleider – Extreme Rechte in Alltag und Umgebung Prävention für eine offene, tolerante Zivilgesellschaft Soziokulturelle Theaterprojekte im Stadtteil – Chance und Risiko Wir in Vielfalt Biebrich tut gut Vier Jahre lokaler Aktionsplan. Für Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Gegen Fremdenfeindlichkeit, Rechtsradikalismus und Antisemitismus. ionsschluss: Es geht weiter! Die gute Nachricht kur z vor Redakt ... e weitere Förderung in Aussicht Das Bundesministerium stellt ein VIELFALT TUT GUT. JUGEND FÜR VIELFALT, TOLERANZ UND DEMOKRATIE.
Inhalt GruSSwort 04 von Dr. Kristina Schröder | Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend GruSSwort 05 von Arno Goßmann | Stadtrat Wir in Biebrich ... Vielfalt tut gut 06 Wolfgang Gores | Ortsvorsteher von Biebrich Vier Jahre »Vielfalt tut gut« in Biebrich 08 Gabi Reiter und Christoph Rath | Koordinierungsstelle Vielfalt tut gut – Als Coach in Wiesbaden-Biebrich 13 Thomas Heppener Vielfalt tut gut – in der Kulturellen Bildung 16 Margarethe Goldmann SOZIOKULTURELLE THEATERPROJEK TE IM STADTTEIL – CHANCE UND RISIKO Klaus Huhle und Leila Haas 18 Vielfalt tut gut – Pr ävention für eine offene, 20 toler ante Zivilgesellschaft Heiner Brülle Wozu soziale Ne tzwerke für Vielfalt? 22 Margarete Unkhoff | Mitglied des Begleitausschusses Vielfalt, Toler anz und Demokr atie – (k)ein Thema für Religionsgemeinschaften und Kirchen? 23 Jörg Wilhelm | Mitglied des Begleitausschusses Impressum Exemplarische Projek te 24 Der Laden im Parkfeld 25 Herausgeber Interkulturelles Forum Wiesbaden e. V. in Kooperation mit der Koordinierungsstelle „Vielfalt tut gut“ Des Nazis neue Kleider | Hintergrundwissen für Pädagogen und 26 in Biebrich, Amt für Soziale Arbeit Wiesbaden Pädagoginnen zum Thema „Extreme Rechte“ in Alltag und Umgebung Bildungswerk Anna Seghers e.V. Redaktion Gabi Reiter, Christoph Rath STAR-Club Biebrich | Biebricher Stars für Vielfalt & Toleranz 27 Gestaltung Interview 28 Ute Marquardt, designgruppe schloss + hof, Wiesbaden Conny Meyne | Jugendbildungsreferentin bei der Landeshauptstadt Wiesbaden Hendrik Harteman | Bildungsreferent bei der Jugendinitiative Spiegelbild beim Fotos Aktiven Museum Spiegelgasse Rainer Unholz und die Projektträger Martin Geist | Rektor an der Riehlschule Druck TipPs Druckerei Schwalm GmbH & Co. KG, Mainz für Kinder- und Jugendbücher sowie Spiele und weiterführende Informationen 33 Ausgabe November 2010 LINKS 35 02 W I R I N B I E B R I C H Vielfalt tut gut W I R I N B I E B R I C H Vi e l f a l t t u t g u t 03
Editorial D r . K r i s t i n a S c h r ö d e r Bundesminister in für Familie, S enioren, Frauen und Jugend Arno Goßmann Stadtrat Editorial Grußwort von Frau Bundesministerin Grußwort von für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Herrn Arno Goßmann, Dr. Kristina Schröder, für den Lokalen Stadtrat Aktionsplan Wiesbaden-Biebrich im Bundesprogramm „VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“. H einz Galinski, der erste Präsident des Zentralrats der L iebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, nach nunmehr vier Jahren Lokaler Aktionsplan „Vielfalt tut Juden in Deutschland, hat einmal gesagt: „Demokratie kann man keiner Gesellschaft aufzwingen, sie ist auch kein Ge- gut“ in Wiesbaden-Biebrich möchte ich Ihnen mit der vor- schenk, das man ein für allemal in Besitz nehmen kann. Sie liegenden Broschüre das beeindruckende Engagement der muss täglich erkämpft und verteidigt werden.“ Auch wenn zahlreichen Akteurinnen und Akteure vor Ort näherbringen. unsere Demokratie auf einem festen Fundament wurzelt: An- Biebrich als bunter und lebendiger Stadtteil kann mit Stolz tisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und extremistische Be- auf eine gewachsene Struktur des Miteinanders blicken. „Buntes strebungen gefährden den Zusammenhalt der Gesellschaft. Leben in Biebrich“ – die Aktionswoche der Stadtteilkonferenz, Deshalb müssen wir denen, die unsere demokratischen das Höfefest oder das Mosburgfest sind nur einige Beispiele für Grundwerte in Frage stellen, geschlossen und mit guten Argu- das vielfältige Miteinander in Netzwerken unterschiedlicher Art. menten entgegentreten. So lag der Schluss nahe, mit dem „Vielfalt tut gut“-Projekt des Die Bundesregierung hat dazu das Bundesprogramm Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokra- genau diese Netzwerke zu nutzen. Für die politische Aussage tie“ aufgelegt. Es soll gerade bei Jugendlichen das Bewusstsein „Vielfalt tut gut – Jugend für Vielfalt und Toleranz, gegen Rechts- fördern, dass Demokratie mündige Bürgerinnen und Bürger radikalismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit“ waren braucht, die für sie einstehen und sich für unsere gemeinsa- und sind die sozialräumlich ausgerichteten Einrichtungen der men Werte engagieren. Jugendarbeit im Sozialdezernat, Kinder- und Jugendzentrum In meiner Heimatstadt Wiesbaden – genauer gesagt: in Biebrich und Stadtteilzentrum Gräselberg prädestinierte Netz- Biebrich – wurde einer der ersten lokalen Aktionspläne im werkmoderatoren. Der präventiv-pädagogische Ansatz des Rahmen des Bundesprogramms ins Leben gerufen. Seit mitt- Lokalen Aktionsplanes entspricht der Präventionsstrategie des lerweile vier Jahren arbeiten Kommunalpolitik, engagierte Sozialdezernates. Er will sowohl in scheinbar kleinen und zurück- Träger und viele weitere Akteure der Zivilgesellschaft hier mit haltenden Aktionen wirken wie auch in großen strategischen einem gemeinsamen Ziel zusammen: Menschen aus verschie- Projekten, die mitunter erst nach Jahren ihre Wirkung entfalten. denen Kulturkreisen, gleich welcher Herkunft, Hautfarbe und Die Zivilgesellschaft, die kommunale Verwaltung, die Religion, sollen in Frieden und mit gegenseitiger Toleranz zu- lokale Ökonomie wie auch die zahlreichen sozialen und sammenleben. Im Vordergrund der verschiedenen Projekte kulturellen Institutionen, Vereine und Initiativen profi- stehen die Stärkung der Zivilgesellschaft und die Vermitt- tieren von einem Stadtteil, der auf die hohen Werte eines lung von Werten wie Freiheit und Gerechtigkeit. Für dieses toleranten, friedlichen Miteinanders setzt. Denn Demokratie Engagement wurde Biebrich zu Recht als „Ort der Vielfalt“ ist kein Selbstläufer! Sie muss immer wieder mit Leben gefüllt ausgezeichnet. werden und Menschen aktivieren, sich zu beteiligen und an- Ich danke allen, die mit ihren Ideen und ihrer Tatkraft zum o-ton! gesprochen zu fühlen. Die Erfolge und Sensibilisierungspro- Erfolg des lokalen Aktionsplans beigetragen haben. Bleiben zesse im Stadtteil Biebrich zeugen von diesem Engagement. » Menschen aus ver- Ich bin sicher, dass der angestoßene Prozess über die Lauf- Sie wachsam und aktiv gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemi- schiedenen Kultur- zeit hinaus seine Wirkung entfaltet, und hoffe auf ein weiterhin tismus und Extremismus, gleich welcher Ausrichtung! kreisen, gleich welcher aktives Miteinander. Herkunft, Hautfarbe und Zeit zu bleiben Film- und Tanzprojekt für Jugendliche Religion, sollen in Frieden und mit Dr. Kristina Schröder gegenseitiger Toleranz Arno Goßmann Stadtrat Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zusammenleben. « Dr. Kristina Schröder Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 04 W I R I N B I E B R I C H Vielfalt tut gut W I R I N B I E B R I C H Vi e l f a l t t u t g u t 05
Editorial W o l f g a n g G o r e s Ortsvorsteher von Biebrich © Frank Hennig Biebrich in Berlin als „Ort der Vielfalt“ ausgezeichnet »Wir in Biebrich ... Vielfalt tut gut « o-ton! V or drei Jahren haben wir uns auf die Reise nach Berlin begeben. Wir, Gabi Reiter und Christoph Rath von der Projekt- Für mich als Ortsvorsteher und Mitglied des Begleitaus- schusses war dieser Entwicklungs- und Auseinandersetzungs- » Biebrich wurde noch koordination und Motoren von „Vielfalt“, Frank Hennig von der prozess ebenfalls ständig vorhanden. Auch für mich war es ein Stück lebendiger. Redaktion „Der Biebricher“ sowie ich, Wolfgang Gores – Orts- nicht immer einfach, die Sinnhaftigkeit eines Projektes sofort Menschen rückten enger vorsteher von Biebrich. Eine tolle Stimmung, ein toller Empfang zu erkennen. zusammen, Ängste und eine würdige Veranstaltung, die mit der Auszeichnung als Allerdings war es ebenso überwältigend, das Endprodukt zu konnten ausgeräumt „Ort der Vielfalt“ für Biebrich und uns endete. erleben und vor allem das Engagement all derer, die an die- und „falsches“ Verhalten Wir hatten auch die einmalige Gelegenheit, mit dem Bun- sem Ergebnis beteiligt waren. richtig gestellt werden. despräsidentenkandidaten, Herrn Gauck, zu sprechen, der als Ich danke vor allem Gabi Reiter und Christoph Rath für Ein sehr spannender Ehrengast der Auszeichnung der Städte, Landkreise und Ge- ihre unendliche Geduld und ihr Engagement für die Sache. Prozess, der nicht immer meinden beiwohnte. Biebrich und viele Menschen haben von „Vielfalt“ profitiert. die Zustimmung aller Nun sind vier Jahre „Vielfalt tut gut“ vergangen. Eine Zeit, Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass mit dem Ende Menschen erhielt. « die in und für Biebrich sehr intensiv und positiv genutzt wurde. der Projektelaufzeit und der damit verbundenen finanziellen Wolfgang Gores Es wurde ein Begleitausschuss gegründet, dem Mitglieder aus Zuwendung von Bundesmitteln der Begleitausschuss in dieser Ortsvorsteher in Biebrich den unterschiedlichsten Einrichtungen und Institutionen ange- oder ähnlicher personeller Zusammensetzung erhalten bleibt hörten. In diesem Ausschuss wurden viele Projekte besprochen und es uns allen gelingt, den eingeschlagenen, sehr positiven und viele Ideen geboren, die in positiven Aktivitäten endeten. Weg eben anders weiterzugehen. Biebrich wurde noch ein Stück lebendiger. Menschen rückten Biebrich ist und bleibt ein Ort der Vielfalt. Danke an alle. enger zusammen, Ängste konnten ausgeräumt und „falsches“ Verhalten richtiggestellt werden. Ein sehr spannender Prozess, der nicht immer die Zustimmung aller Menschen erhielt. Dies ist aber in einem Entwicklungs- und Entscheidungsprozess im- mer der Fall. Dies bedeutet aber auch gleichfalls Vielfalt. Die Auseinandersetzung mit dem „FREMDEN“, den anderen Ideen Ihr Wolfgang Gores und manchmal auch den unangenehmen Themen, über die Ortsvorsteher von Biebrich nicht gerne und schon gar nicht öffentlich diskutiert wird. Vielfaltladen im Parkfeld Sommerfest 06 W I R I N B I E B R I C H Vielfalt tut gut W I R I N B I E B R I C H Vi e l f a l t t u t g u t 07
Vier Jahre »Vielfalt tut gut« in Biebrich E i n R ü c k b l i c k v o n G a b i R e i t e r u n d C h r i s t o p h R a t h E i n R ü c k b l i c k v o n G a b i R e i t e r u n d C h r i s t o p h R a t h Vier Jahre »Vielfalt tut gut« in Biebrich Vier Jahre »Vielfalt tut gut « in Biebrich Was ist ein Gremien des Der Begleitausschuss in Wiesbaden Biebrich Lokaler Aktionsplan? Lokalen Aktionsplans Im Bild zu sehen sind: Margarethe Goldmann, Bürgerin, Jeanine Rudolph, Integrationsamt, Margarete Unkhoff, DGB, Michael Fechner, Kulturamt, Christoph Rath, Koordinierungsstelle, Gabi Reiter, Koordinierungsstelle, Gerhard Wölfinger, Nachbarschaftshaus e. V., D D Steffi Filke, Stadtteilzentrum Gräselberg, Jörg Wilhelm, Ortsbeirat Biebrich, es fehlen: Wolfgang Gores, Ortsvorsteher Biebrich, Helmut Fritz, Ortsbeirat Biebrich,Turgay Aydin, Ausländerbeirat, Günter Nörpel,Vereinsring Biebrich, Pfarrer Müller, Evgl. Lukasgemeinde ie Bundesregierung verstärkte 2007 ihren Kampf gegen reh- und Angelpunkt des Lokalen Aktionsplans ist die Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Lokale Koordinierungsstelle. Von dort aus wird der Aktionsplan Unter dem Titel „Vielfalt tut gut” wurde ein dauerhaftes Pro- gesteuert, Projektträger werden beraten, Projekte koordiniert gramm aufgelegt, mit dem die Demokratieentwicklung schon und der Begleitausschuss und die Verwaltung organisiert. Die bei jungen Menschen gefördert werden sollte. Lokale Koordinierungsstelle ist zugleich der zentrale Ansprech- Im Biebricher Begleitausschuss organisierten sich Vertreter der In der Anfangsphase erfuhr die Lokale Koordinierungsstelle in Eine wichtige Säule von „Vielfalt tut gut“ bildet der so ge- partner für die administrative Projektbearbeitung mit Berlin. Parteien des Ortsbeirates, des Ausländerbeirates, Vertreter der Biebrich fachliche Unterstützung aus der Abteilung „Grundsatz nannte „Lokale Aktionsplan“. Zunächst auf drei Jahre angelegt, Ein weiteres Gremium ist der Begleitausschuss. Er entscheidet, Ämter, des Kulturamts, Integrationsamts und Amtes für Sozi- und Planung” des Sozialdezernates. Schließlich wurde die Koor- sollten im Lokalen Aktionsplan Kinder, Jugendliche und Eltern, welche Einzelprojekte gefördert werden. Der Begleitausschuss ale Arbeit. Vereinsverbandsvertreter, DGB, Nachbarschaftshaus, dinierungsstelle mit einer erfahrenen Verwaltungsfachfrau Menschen mit Migrationshintergrund, pädagogische Fachkräfte unterstützt die Umsetzung und Weiterentwicklung des Lokalen zivilgesellschaftliche Akteure sowie die zwei Mitarbeiter der und zwei langjährigen Leitungspersonen aus Stadtteilzentren und lokale Meinungsbildner vor Ort angesprochen werden. Aktionsplans und organisiert die Zusammenarbeit aller Akteure. Koordinierungsstelle zählten ebenfalls zum Begleitausschuss. besetzt und weitergeführt. Ihre lokalen Netzwerkkenntnisse Ziel des Aktionsplans war und ist es, die Demokratie Im Begleitausschuss sind Vertreter der Stadtverwaltung und lokale In der Regel traf sich der Begleitausschuss alle sechs Wochen. waren für den Erfolg des Vorhabens grundlegend. Die jeweilige entwicklung zu stärken. Dazu sollten in allen Bevölkerungs- Akteure – etwa aus Vereinen und Verbänden – versammelt. Fachlichkeit der Beteiligten fügte sich zu einem sinnvollen, teilen Konzepte zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, produktiven Ganzen. Unterschiedliche Sichtweisen, Erfahrungen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus entwickelt wer- Die Lokale und Hintergründe wurden gewinnbringend in alle Diskussio- den. Möglichst viele Bürgerinnen und Bürger wurden im Der Begleitausschuss und Koordinierungsstelle nen eingebracht. Rahmen des Lokalen Aktionsplans in ihrem Bestreben un- der Impuls zur Mitarbeit Indem sich die unterschiedlichen Netzwerke zusammen- D terstützt, sich für ein friedliches und solidarisches Zusam- fügten, wurde der Lokale Aktionsplan seinem Motto und An- menleben in Vielfalt zu engagieren. Der Lokale Aktionsplan spruch schon von Anfang an gerecht: Vielfalt tut gut! Eine in- I er Lokalen Koordinierungsstelle kam im gesamten Pro- setzte Zeichen, die über den Förderzeitraum hinaus gesehen n Biebrich leben über 100 verschiedene Nationalitäten. Diese jektzeitraum eine zentrale Rolle zu, die für die Umsetzung des tensive Zusammenarbeit konnte beginnen. und verstanden werden sollten. Nachhaltige Wirkung zu errei- kulturelle Vielfalt spiegelt sich in einem Netzwerk von Akteuren Aktionsplans in Wiesbaden-Biebrich bedeutsam war. Jeden Mittwoch trafen die Akteure der Lokalen Koordinie- chen, war bei allen Aktionen das wichtigste Ziel. wider, von denen sich viele bereits seit einigen Jahren im Bereich rungsstelle für drei Stunden aufeinander. Zu dieser „Sprech- Integrationsarbeit in Biebrich engagieren. Projekte wie zum Bei- zeit“ standen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Koordi- Die Lokale Koordinationsstelle übernahm zahlreiche Für Biebrich wurde ein Lokaler Aktionsplan entwickelt, der spiel „Buntes Leben in Biebrich“ oder die Kooperationsformen nierungsstelle Projektträgern und deren Fragen zur Verfügung. Aufgaben: die speziellen Ressourcen, Herausforderungen und Mög- in der Stadtteilkonferenz, in der zahlreiche pädagogische In- Antragsberatung und Information zu den Förderbedingungen lichkeiten des Ortes berücksichtigte. Der Lokale Aktions- » Steuerung und Organisation der einzelnen hatten hohe Priorität. Der Unterstützungsbedarf war hoch. Die stitutionen und Einrichtungen zusammengeschlossen sind, plan beinhaltet folgende Ansprüche und Ziele: Phasen des Lokalen Aktionsplans sorgfältige Vor- und Nachbereitung und die Moderation der waren schon in der Vergangenheit auf interkulturelle Inhalte » Bearbeitung der jährlichen Förderanträge Sitzungen des Begleitausschusses lagen ebenfalls in der Zu- ausgerichtet. In Biebrich, dem größten und vielleicht buntesten » Interkulturelles Lernen/antirassistische Bildung » Implementierung, Auswertung, Fortschreibung ständigkeit der Koordinierungsstelle. Die inhaltliche Aufberei- Stadtteil Wiesbadens, ist auch die Arbeit im Ortsbeirat von ei- » Interreligiöses Lernen und nachhaltige Absicherung von Strategien tung von Anträgen, die Gewährleistung der Kommunikation ner besonderen Sensibilität für das Thema Integration geprägt. » Kulturelle und geschichtliche und Projekten nach innen und außen sowie zahlreiche interne Gespräche Es gelang in Biebrich entsprechend schnell, die Protagonis- Identitätsentwicklung » Formelle und finanzielle Verwaltung über die inhaltliche Ausrichtung beanspruchten viel Zeit – ein ten für eine langfristige Zusammenarbeit unter dem Dach des » Demokratie- und Toleranzerziehung » Administrative Verantwortung für die Abrechnung Aufwand, der sich lohnte. Lokalen Aktionsplans zu gewinnen. Gerade die Verschiedenheit » Stärkung der demokratischen Bürgergesellschaft der Fördermittel mit der Regiestelle in Berlin Die Zusammenarbeit war leidenschaftlich, produktiv der Vertreterinnen und Vertreter im Begleitausschuss brach- te wesentliche Vorteile, da die Projekte aus unterschiedlichen und von gegenseitigem Respekt getragen. Die Kombination Wesentliches Arbeitsfeld der Lokalen Koordinierungsstelle Für diese Arbeit stellte das Bundesministerium für Familie, Blickwinkeln betrachtet wurden. Inhaltliche und grundlegen- von Männern und Frauen im Team förderte interessante, ge- war auch die Beratung und Unterstützung der Projektträ- Senioren, Frauen und Jugend jährlich einen Betrag von de organisatorische Diskussionen führten dazu, dass sich die schlechtersensible Betrachtungsweisen und brachte einen ger. Die Koordinierungsstelle erfasste die Projektdaten und 100.000 Euro zur Verfügung. Das Sozialdezernat der Stadt Teilnehmenden in der Auseinandersetzung mit dem Thema ausgewogenen Austausch mit sich. Unterschiedliche Zugän- die Ergebnisse. Transparenz zu schaffen und den Bezugs- Wiesbaden ergänzte die Mittel mit der Übernahme von „Vielfalt tut gut“ weiterentwickelten. Viele Sitzungsteilnehmer ge, Netzwerke und Fähigkeiten fügten sich zu neuen Denk- gruppen – von Verwaltung bis Medien – Informationen be- Personal- und Sachkosten. lobten die Erkenntnisse und schätzten die vertieften Einsich- ansätzen, Einsichten und Ideen. So konnte sich der Lokale Ak- reitzustellen, war eine weitere Aufgabe der Lokalen Koordi- ten, die sie in der Gruppe gewinnen konnten. Die professionelle tionsplan zu dem entwickeln, was er ist: eine bunte, lebendige nierungsstelle. Für die Wahrnehmung und den Erfolg des Auseinandersetzung mit interkulturellen Themen trug im Be- und von Begeisterung fürs Thema getragene Strategie, die Lokalen Aktionsplans war die Öffentlichkeitsarbeit der Ko- gleitausschuss dazu bei, eigene Sichtweisen und Einstellungen hoffentlich ihre Spuren in Biebrich hinterlassen wird. »»» ordinierungsstelle wesentlich. Kooperative und netzwerk- zu hinterfragen und zu verändern. bildende Funktionen rundeten die Aufgabenpalette ab. 08 W I R I N B I E B R I C H Vielfalt tut gut W I R I N B I E B R I C H Vi e l f a l t t u t g u t 09
Vier Jahre »Vielfalt tut gut« in Biebrich E i n R ü c k b l i c k v o n G a b i R e i t e r u n d C h r i s t o p h R a t h E i n R ü c k b l i c k v o n G a b i R e i t e r u n d C h r i s t o p h R a t h Vier Jahre »Vielfalt tut gut« in Biebrich Heimathafen Biebrich Auseinandersetzung im öffentlichen Raum | Mosburgfest | VorLeseZeit Mehrsprachiges Leseangebot Stromkilometer 504 Kunstausstellung Zoll Biebrich | Vielfalt-o-Saurus Denkmal für Vielfalt und Toleranz | Kulturherbst Biebrich Unter Glas Highlights – aus unserer Sicht wickeln einer CD mit Kinder- Gabi Reiter | Christoph Rath Allen Projekten gingen detaillierte Planungen voraus, die mit war es, diese Impulse für längere Zeit zu bewahren und einen Ein persönlicher Rückblick von liedern aus unterschiedlichen Biografische Notizen Hilfe der Koordinierungsstelle in straff strukturierter Form er- dauerhaften, positiven Veränderungsprozess anzustoßen. Gabi Reiter und Christoph Rath von Ländern - sie alle motivierten Leitung von Stadtteilzentren, arbeitet wurden. In so genannten Stammblättern mussten Die nachhaltige Absicherung einzelner Projekte und die der Lokalen Koordinierungsstelle mit künstlerischen Mitteln interkulturelle Arbeit, Projekt- die Motivation, das Konzept, die Umsetzung und das Ziel des langfristige Bewahrung der grundlegenden Strategie von Kinder und Jugendliche, sich managment, Aufbau von jeweiligen Projekts dargestellt werden. Für einige Träger war „Vielfalt tut gut“ waren herausragende Ziele im letzten Förder Netzwerken, Drittmittelacquise. E mit den Themen des Lokalen diese klare Struktur neu und herausfordernd; anderen ging es jahr. Ein 2009 aus dem Anne-Frank-Projekt entstandener Aktionsplans auseinanderzusetzen und sich aktiv zu beteiligen. leicht von der Hand. Trägerk reis wird auch weiterhin Projekte durchführen, die sich s ist eine stolze Bilanz: Der Lokale Aktionsplan hat in vier Hervorzuheben sind auch jene Projekte, die mit Me- der Beteiligung der Jugend und der Entwicklung von Kultur- Jahren mehr als 14.000 Kinder und Jugendliche sowie über thoden der außerschulischen Bildung die Themen Vielfalt, Jeder Projektträger musste sich wesentliche und Bildungsangeboten widmen. 30.000 Eltern, Migranten und Migrantinnen, Multiplikatoren Toleranz, Vorurteile und Rassismus aufgriffen. „Bittere Hei- Überlegungen vergegenwärtigen: Der „Laden“ im Parkfeld wie auch der „Laden“ auf dem und einflussreiche Akteursgruppen unterschiedlicher sozialer mat oder süße Zukunft” ein Projekt für türkischstämmige Gräselberg sind für ein weiteres Jahr abgesichert. Gesichert und kultureller Herkunft erreicht! Migrantinnen, „SinnStiftend” das mobile Schreibtischprojekt, » Was ist mein Schwerpunkt? ist auch das Bekenntnis der im Begleitausschuss Tätigen, sich Mit der Durchführung von über 60 Projekten in vier Jahren das Anne-Frank-Ausstellungsprojekt mit über 30 zusätzlichen » Wer ist meine Zielgruppe? auch ohne die bisherigen Fördermittel für „Vielfalt tut gut“ zu sind wir mehr als zufrieden. Neben so genannten Mikroprojek- Veranstaltungen, die Mutmachprojekte in der Waldorfschule, » Was ist mein Ziel? engagieren. Von daher muss es gelingen, finanzielle Mittel zu ten, großen Events und vielen unterschiedlichen Bildungs- und der Ludwig-Erhard-Schule und in der Kindertagesstätte Park- » Wie und womit kann ich Erfolg und akquirieren – denn damit kann der „Motor“ am Laufen gehal- Kulturangeboten gab feld möchten wir an dieser Stelle exemplarisch aufführen. Misserfolg des Projektes messen? ten werden, der das friedliche Zusammenleben im bunten es herausgehobene Ver- Auch die beiden Workshops für Multiplikatoren zu den The- » Wer könnte mein Kooperationspartner sein? Stadtteil Biebrich voranbringt. anstaltungen und ver- o-ton! blüffende Ideen. Es ent- men „Symbole und Codes rechtsextremer Jugendlicher“ » Wie kann ich Synergien aus dem und „Neuer Antisemitismus?“ fanden interessierte Teilneh- Netzwerk nutzen? standen effektive neue Im Sinne der Nachhaltigkeit wurde 2009 für interessierte Strukturen, von denen mer aus Schule und Offener Jugendarbeit. Bürgerinnen und Bürger und für Mitarbeiterinnen und » Der Lokale Aktionsplan die beteiligten Gruppen Erstmalig konnten wir im letzten Förderjahr zwei Biebri- Fragen über Fragen, deren Beantwortung letztendlich dazu Mitarbeiter von sozialen Einrichtungen in Biebrich eine hat in vier Jahren mehr längerfristig profitieren cher Fußballvereine einbinden. Mit Workshops für junge Fuß- beitrug, eine hohe Qualität des Projektes für die Zielgruppe Zukunftswerkstatt durchgeführt. 55 Teilnehmerinnen und als 14.000 Kinder und ballspieler unter dem Motto „Zeig Rassismus die rote Karte“ zu garantieren. Die besondere Qualität der Projekte war als können. Teilnehmer setzten sich einen Tag lang mit grundlegenden wurden Verhaltensweisen und Beschimpfungen auf dem Fuß- Vorgabe des Lokalen Aktionsplans vorausgesetzt. In diesem Jugendliche sowie über Die einzelnen Projek- Fragen auseinander: ballplatz hinterfragt. Zusammenhang muss erwähnt werden, dass mit den Einzel 30.000 Eltern, Migran- te mögen in der Öffent- Begeistert hat uns auch die Entscheidung für eine projekten, die ihren Schwerpunkt in kurzfristigen und ver- ten und Migrantinnen, lichkeit mal mehr, mal » Wie soll sich mein Stadtteil entwickeln? empirische Untersuchung zu politischen Haltungen meintlich ergebnisoffenen Veranstaltungen hatten, durchaus weniger auffallend ge- » Wie kann das Zusammenleben Multiplikatoren und ein- wesen sein. In der Sum- der Bewohnerinnen und Bewohner auf dem Gräsel- Impulse ausgesandt wurden, die erst später ihre Wirkung ent- unterschiedlicher Menschen gelingen? flussreiche Akteursgrup- me haben jedoch alle berg. Die Untersuchung führte das Bildungswerk Anna falten. Gerade manchen Einzelprojekten gelang es, aufzurütteln, » Was sollte sich ändern? pen unterschiedlicher Seghers durch. Zwar gibt es inzwischen in Deutsch- zu aktivieren, auch zu irritieren, eigene Verhaltensweisen zu Projekte die Grundlage » Wie kann nötige Veränderung erreicht werden? land einige Erhebungen zu rechtsextremen Einstellun- thematisieren und innere Kräfte zu mobilisieren. sozialer und kultureller für Diskussionen und » Gute Ideen wurden entwickelt – und sie werden gen. Bisher wurde allerdings keine Studie erarbeitet, Herkunft erreicht! « Austausch geschaffen. die in einem überschaubaren Stadtteil wie dem Gräsel- ihren Weg finden. Wichtige Denkanstöße Gabi Reiter und Christoph Rath berg das Thema „Demokratiefeindlichkeit“ beleuchtet. wurden ausgesandt, und Was nun? Lokale Koordinierungsstelle Damit stößt diese Untersuchung in eine Lücke, die in Sichergestellt sind die Kontakte zu all den „neuen“ Koope- es wurden auch durch- Wie geht es nach vier Jahren der Fachwelt anerkennend wahrgenommen wurde. rationspartnerinnen und Kooperationspartnern, die im Laufe aus gewünschte Irritati- der Förderung weiter? D Angesichts von heute kaum noch rekonstruierbaren Wir- der vierjährigen Aktionszeit zu uns gefunden haben. Diese onen ausgelöst. Damit rungen rund um den Bau einer Moschee war der Gräselberg vielfältigen Kontakte und Menschen haben dazu beigetragen, wurde eine Sensibilisierung für das Thema Vielfalt erreicht, die as Bundesprogramm „Vielfalt tut gut“ ist seitens der Bun- in Verruf geraten. Über die Studie konnte sich der Gräselberg dass sich neue Aktions- und Denkräume entwickeln konnten. einen positven Veränderungsprozess in Gang brachte. desregierung auf Dauer angelegt; die Förderung der Lokalen nachweislich als Ortsteil präsentieren, der viel besser ist als sein Auch die Idee einer Bürgerstiftung reift in den Köpfen eini- Viele Projekte rückten die Bildung eines demokratischen Aktionspläne ist allerdings nur als vierjährige Anschubfinan- Ruf. Die Studie eröffnete für den Gräselberg auf der Grundlage ger Akteurinnen und Akteure in Biebrich. Vielleicht ist dies der und toleranten Verständnisses über eine künstlerische zierung zu verstehen. Der präventiv-pädagogische Ansatz des eines wissenschaftlich erarbeiteten Stimmungsbildes manche Weg, um auch in Zukunft die Fahne „Vielfalt tut gut“ in Biebrich Auseinandersetzung in den Fokus. Ob „Gräselbergturm” im Programms setzt auf langfristige Wirkungen – ein Anspruch, Chance für einen Neubeginn. Die Weiterarbeit an einem de- wehen zu lassen. »»» Jahr 2007/2008, der Roboter-Figurenbau, der Bau eines „Dino- der in Biebrich heute erreichbar scheint. Mit vielfältigen Ver- sauriers”, das Fotoprojekt „BlickWinkel”, das Kinderkunstprojekt mokratischen und nachbarschaftlichen Miteinander liegt im anstaltungen konnten im Stadtteil nachweisbare Impulse für „Kunsterbunt”, die Klangreise durch Biebrich, das „European Gräselberg nun auch in den Händen der (Lokal-)Politik. Vielfalt, Toleranz und Demokratie ausgesandt werden. Die Vor- Childrens Orchestra” an der Goetheschule wie auch das Ent gabe des Lokalen Aktionsplans und das Wesen jedes Projekts 10 W I R I N B I E B R I C H Vielfalt tut gut W I R I N B I E B R I C H Vi e l f a l t t u t g u t 11
Vier Jahre »Vielfalt tut gut« in Biebrich E i n R ü c k b l i c k v o n G a b i R e i t e r u n d C h r i s t o p h R a t h A l s C o a c h i n W i e s b a d e n - B i e b r i c h Thomas Heppener Resümee Wir sind der festen Überzeugung, dass dieser Weg richtig o-ton! war, um gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Rechtsextre- V ielfalt ist nicht nur der Name des Gesamtprojektes, viel fältig war auch das Spektrum der geförderten Projektträger, der mismus und Antisemitismus vorzugehen. Wie nah und geschäftig die „rechte Szene“ ist, zeigte die jüngste Vergangenheit in Wiesbaden-Erbenheim. Dort musste » Es hat mich sehr begeistert, dass im Rahmen des Lokalen Themen und Zielgruppen. Jugendinitiativen, Kirchen, Schulen, im Frühjahr 2010 festgestellt werden, dass sich undemokra- Aktionsplans die Anne Frank Vereine, Verbände, Kulturinitiativen und Künstlerinnen und tische Kräfte nicht nur im virtuellen Raum, sondern in unserer Vielfalt tut gut ... Ausstellung präsentiert wurde. Coach Künstler, Politikerinnen und Politiker begleiteten und unter- unmittelbaren Nachbarschaft präsentieren. In unserer direkten Mit den vielen engagierten stützten den Lokalen Aktionsplan. Die herausragende Zu- Umgebung verbreiten sie ihre menschenverachtenden Parolen. sammenarbeit mit den unterschiedlichsten Akteurinnen und Akteuren, die mitunter streitbare, aber stets konstruktive Stim- Wir hoffen, mit dem Lokalen Aktionsplan eine schützende Mauer gegen rechtes Gedankengut aufgebaut zu haben. Zu- als Jugendlichen, der aktiven Ausstellungsarbeit, dem Rahmen- mung im Begleitausschuss, die Unterstützung der Verwaltung und das Vertrauen aller Beteiligten in die Arbeit der Koordinie- gleich wissen wir aber, dass dieser Schutz noch nicht sicher und stabil genug ist. Wir müssen weiter daran arbeiten und das in Wiesbaden- programm und dem breiten Trägerkreis hat das Projekt in der rungsstelle haben „Vielfalt“ im Stadtteil Biebrich zu einem er- folgreichen Projekt gemacht. Wie gut „Vielfalt“ tut, wurde weit Bemühen für ein demokratisches, solidarisches und friedliches Zusammenleben fortsetzen. Biebrich Oranier-Gedächtnis-Kirche neue Maßstäbe gesetzt. « über die Grenzen des Stadtteils hinaus wahrgenommen. Der Auszeichnung „Biebrich. Ort der Vielfalt“, die Biebrich Dennoch gab es Momente der Enttäuschung, der Stagna- 2008 verliehen wurde, ging eine Erklärung voraus, die im Orts- Ein Rückblick von Thomas Heppener Thomas Heppener tion und der Sorge, die selbst gesetzten Ziele und Ansprüche beirat verabschiedet wurde. Darin heißt es: „Gerade rechtsex- Direktor des Anne Frank Zentrums Berlin Direktor des Anne Frank Zentrums Berlin nicht erreichen zu können. „Vielfalt tut gut“ als Haltung in den tremistische, fremdenfeindliche, rassistische und antisemiti- Köpfen und Herzen der Menschen zu verankern und als ge- sche Aktivitäten, Einstellungen und Phänomene sind keine sellschaftspolitische Strategie eines Stadtteils zu entwickeln, vernachlässigbaren Randprobleme unserer Gesellschaft. braucht Zeit. Unsere Leidenschaft für die Projekte, unser Wahlerfolge rechtsextremistischer Parteien, das erhebli- dynamisches, mitunter forsches Tempo und auch die manchmal che Gewaltpotential, die zunehmende Anziehungskraft der romantische Herangehensweise zeigten nicht immer den Szene für Jugendliche, rechtsextremistische Musikveranstal- Erfolg, den wir uns wünschten. tungen und rechtsextremistische Propagandaaktivitäten Ende 2006 wurde ich angesprochen, ob ich kurzfristig bei der koordiniert werden. Des Weiteren kannte ich nur das Projekt Traditionelle Vereine mit ihren mitunter engen Struktu- sind Bestandteil der gesellschaftlichen Realität in Deutsch- Einführung Lokaler Aktionspläne helfen könnte. Damals stand „Wiesbaden kocht“ aus der Ferne – das für mich fragwürdig war: ren und traditionellen Haltungen waren nicht einfach zu er- land. Rechtsextremismus versucht dabei zunehmend, sich das Programm „VIELFALT TUT GUT“ in den Startlöchern. Durch Wird nicht mit Kochen das Fremdsein der vermeintlich„Anderen“ reichen. Auch Migrantenselbstorganisationen nutzten die bestehender demokratischer Strukturen zu bedienen, oder meine Arbeit für das Anne Frank Zentrum und die Stiftung festgeschrieben? Gleichzeitig waren nur wenige Wochen Zeit, Möglichkeiten des Lokalen Aktionsplans nicht im erhofften breitet sich dort aus, wo diese Strukturen zivilgesellschaftli- Demokratische Jugend hatte ich viele Projekte in der Arbeit für um die Erstellung eines förderfähigen Antrags zu unterstützen. Umfang. Über persönliche Kontakte, mit viel Geduld und mit cher Organisationen fehlen oder nur schwach ausgeprägt Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, der Bereitschaft, begleitend zur Seite zu stehen, konnten trotz- sind.” Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus – vor allem in Ost- Nach kurzer Zeit schlug meine anfängliche Skepsis in Begeis- dem einzelne Partner gewonnen werden. „Vielfalt tut gut“ hatte einen befristeten Projektcharakter. deutschland mit entworfen, kennen gelernt und begleitet. Gern terung um. Mit Gabi Reiter und Christoph Rath lernte ich en- Wir dürfen davon ausgehen, dass viele Mitbürgerinnen Soll es aber gelingen, die zivilgesellschaftlichen Kräfte dauer- wollte ich diese Erfahrungen weitergeben, vor Klippen warnen gagierte JugendzentrumsmitarbeiterInnen kennen. Dazu Kolle- und Mitbürger in Biebrich von „Vielfalt tut gut“ als Teil von De- haft zu mobilisieren und eine produktive Unruhe am Thema und passende Projekte mit entwickeln. Dabei war und bin ich ginnen und Kollegen im Begleitausschuss, die nicht nur Geld für mokratie- und Toleranzentwicklung in den vergangenen drei aufrechtzuerhalten, müssen die im Rahmen des bisherigen davon überzeugt, dass es in der Arbeit gegen Demokratiefeind- Projekte verteilen wollten, sondern sich intensiv Gedanken über Jahren gehört haben. Tausende Menschen haben aktiv teilge- Lokalen Aktionsplans gewachsenen Strukturen weiterhin ge- lichkeit um eine gute Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen die Entwicklung „ihres“ Stadtteils machten. Dabei war schnell nommen. Etliche Medienberichte trugen die Idee von Vielfalt festigt werden – und die dazu notwendigen Mittel gefunden Kräfte geht: zivilgesellschaftliche Gruppen und Projekte, Ver- klar, in Wiesbaden-Biebrich geht es nicht um die Bekämpfung nach Biebrich und in die Welt. werden. Wir bleiben dran! ««« waltung und Politik, Kirchen und Religionsgemeinschaften, des organisierten Rechtsextremismus (wie es in manchen Teilen Gewerkschaften und Unternehmen … Aus einer kurzfristigen Ostdeutschlands, aber auch Westdeutschlands so dringend ge- Begleitung als Mentor wurde eine mehr als dreijährige Unter- boten ist), sondern um die gesamten Fragen des Zusammen- stützungsarbeit und eine herzensreiche Verbindung mit Wies- lebens in einem sehr heterogenen Stadtteil. Dabei haben die baden-Biebrich. Akteure schnell erkannt, welche hervorragenden Möglichkei- ten dieses Förderprogramm bietet. Dabei war es aber nicht nur Als Coach – wenn ich dieses Bild für den Fußball bemühe – stehe die Chance, außergewöhnliche Projekte zu fördern wie z. B. ich nicht auf dem Platz. In meiner Rolle sah ich mich aber auch den Gräselturm oder Heimathafen. Gerade mit der Einrichtung nicht als Trainer, sondern eher als Begleiter, Moderator, Nach- des Stadtteilladens auf dem Gräselberg wurde gezeigt, dass es frager, manchmal als Impulsgeber und im übertragenen Sinne um eine längerfristige Strategie der Veränderung geht: Vielfalt Übersetzer. Gern habe ich auch die tollen Projekte aus Biebrich miteinander zu leben, deren Herausforderungen anzuneh- bei anderen angepriesen und bei den notwendigen Arbeiten men, von einander zu lernen, Unterschiede zu ertragen und wie Anträgen, Sachberichten und Abrechnungen unterstützt. schätzen zu lernen. Dabei Brücken zu schlagen zwischen Men- Wiesbaden ist von Berlin aus weit weg, aber für mich war es schen, die sich fremd sind, verschiedenen Generationen ange- spannend, wie in einem aus meiner Sicht kleinen Stadtteil diese hören oder sprachlos nebeneinanderleben. Spannend war es Aufgabe umgesetzt werden würde. Am Anfang war ich auch für mich zu erleben, wie sich – manchmal langsam, manchmal skeptisch: Diese aus meiner Sicht wichtige Aufgabe sollte durch stürmisch – Sichtweisen änderten oder neue Partnerschaften Kulturherbst Biebrich Unter Glas eine Mitarbeiterin und einen Mitarbeiter aus Jugendzentren entstanden. »»» 12 W I R I N B I E B R I C H Vielfalt tut gut W I R I N B I E B R I C H Vi e l f a l t t u t g u t 13
Thomas Heppener A l s C o a c h i n W i e s b a d e n - B i e b r i c h Manche Diskussionen gingen sehr tief. Gerade die Fragen Ich erinnere mich gern an die Kreativität und die Kraft einer Zu- nach dem Anderssein, die Reflexion eigener Vorurteile, das Be- kunftswerkstatt, in der fantasievolle neue Ideen entstanden. Es schreiben von Diskriminierungserfahrungen sind nicht einfach. ist wunderbar, dass einige auf dem Weg der Umsetzung sind. Was „normal“ und selbstverständlich erscheint, kann von einer Sie zeigen, dass ein Stadtteil ein Ort der aktiven, vielfältigen anderen Position aus als fremd und unfair erlebt werden. Die Bürgergesellschaft sein kann, in dem man/frau ohne Angst ver- Wahrnehmung eigener Privilegierung durch die berufliche, schieden sein kann. rechtliche, sozial-ökonomische Position lässt „interkulturelle“ Konflikte in einem anderen Licht erscheinen. Es zeigte sich, dass Aus meiner Sicht ist es gelungen, Biebrich zu einem leben- die Fragen zu Kultur und Herkunft sich auch mit Spaß und Freu- digen Ort der Vielfalt zu machen. Dabei wurde das schwierige de diskutieren lassen. Dabei kann Verbindendes und Gemeinsa- Feld zwischen Fragen der sozialen Integration, des interkul- mes hervorgehoben werden. Was Betroffenen „heilig“ ist, lässt turellen und interreligiösen Lernens, der Demokratie- und sich jedoch nur begrenzt diskutieren. Es war schön zu sehen, Menschenrechtsarbeit und der Bekämpfung demokratiefeind- dass bei unterschiedlichen Wertvorstellungen pragmatische licher Bestrebungen bei jungen Menschen erfolgreich be- Lösungen für den Einzelfall möglich waren. stellt. Dies bleibt aber eine dauerhafte Aufgabe. Dafür wün- sche ich allen Menschen in Biebrich viel Kraft und Erfolg! ««« o-ton! » ... voneinander zu lernen, Unter- schiede zu ertragen und schätzen zu lernen. Dabei Brücken zu schla- gen zwischen Menschen, die sich fremd sind, verschiedenen Genera- tionen angehören oder sprachlos nebeneinanderleben. « Thomas Heppener Direktor des Anne Frank Zentrums Thomas Heppener Strategie-Workshop Begleitausschuss Anne-Frank-Ausstellung Oranier-Gedächtnis-Kirche 14 W I R I N B I E B R I C H Vielfalt tut gut W I R I N B I E B R I C H Vi e l f a l t t u t g u t 15
THEMA KULTURELLE BILDUNG M a r g a r e t h e G o l d m a n n Margarethe Goldmann THEMA KULTURELLE BILDUNG »Vielfalt tut gut « in der Kulturellen Bildung o-ton! » Kulturelle Bildung ist aktivierend und setzt an den Motivationen der Kinder und Jugendlichen an. Sie kom- men freiwillig und in Scharen, denn es hilft ihnen, ihre Langeweile und Unterforderung am Nachmittag zu unterbrechen. Hier können sie etwas ausprobieren und neu begreifen. So entsteht Kreativität und die Idee, dass das Leben noch mehr bereit hält, als nur Konsum, Fernsehen und PC-Spiele. Das Leben gewinnt Dimensionen, die eine erweiterte Erfahrung des eigenen Ich und des fremden Du als soziales Lernen ermöglicht. « Margarethe Goldmann Kultur- und Kunstpädagogin, Mediatorin Vielfalt-Laden Parkfeld | Heilige Orte Turm der Toleranz auf dem Gräselberg Kunsterbunt Kreativer Lebens- und Gestaltungsraum Vielfalt tut gut – in der Kulturellen Bildung Kulturelle Bildung ist aktivierend und setzt an den Motivationen so gut geklappt, wie im Projektantrag beschrieben. Auch dies Das Projekt „Vielfalt tut gut“ hat auch die Stadtteil-Multiplikato- der Kinder und Jugendlichen an. Sie kommen freiwillig und in ist eine Erfahrung, die bei Kindern und Jugendlichen ankommt: ren aus Politik, Geschäftswelt, Kirchen und sozialen-kulturellen Stark im Leben durch Kunst und Kultur! So lautet die Behaup- Scharen, denn es hilft ihnen, ihre Langeweile und Unterforde- Manchmal muss man experimentieren, nicht alles gelingt sofort, Einrichtungen einander näher gebracht. Es wird darauf an tung, dass kulturelle Bildung neue Welten öffnet, starke Per- rung am Nachmittag zu unterbrechen. Hier können sie etwas Geduld ist wichtig, mit anderen nach Lösungen suchen macht kommen, dieses Netzwerk haltbar zu machen, zu verstärken sönlichkeiten schafft, Teilhabe und Mitgestaltung ermöglicht, ausprobieren und neu begreifen. So entsteht Kreativität und Spaß, Resignation hilft nicht weiter, die eigene Meinung ist ge- und gemeinsam Wege zu schlagen und zu ebnen, um kulturelle Vielfalt leben hilft, Brücken schlägt zwischen schulischer und die Idee, dass das Leben noch mehr bereit hält, als nur Konsum, fragt. Bildung in Biebrich zu verankern. Noch ist das nicht gelungen – außerschulischer Bildung, anderes Lernen und nachhaltiges Fernsehen und PC-Spiele. Das Leben gewinnt Dimensionen, die aber wir bleiben dran! ««« Wissen schafft. (zitiert nach: Bundesvereinigung kulturelle Ju- eine erweiterte Erfahrung des eigenen Ich und des fremden Du Wie geht es ohne „Vielfalt-tut-gut“-Mittel weiter? gendbildung) als soziales Lernen ermöglicht. Durch die Lebendigkeit der praktischen Projekte haben viele, die in Biebrich Verantwortung tragen, verstanden, wie wichtig Kul- Aber was ist das: Kulturelle Bildung In Biebrich leben Menschen aus sehr verschiedenen Kulturen. turelle Bildung ist. Anders als frühere Generationen können sich Es sind Angebote zum Mitmachen, Mitarbeiten, Werken, Gestal- Für die Kinder und Jugendlichen ist das „normal“. Sie sind Teil die heutigen Jugendlichen auf nichts mehr verlassen, denn alle ten, Handanlegen in Tätigkeitsfeldern, die vielen Kindern und dieser Vielfalt. Hier erleben sie, dass es verschiedene Antworten gesellschaftlichen Verträge und Selbstverständlichkeiten sind Jugendlichen heute im privaten Rahmen nicht zugänglich sind. auf eine Frage gibt. Das geht nicht immer friedlich zu, denn eine in Erosion und da hilft nur eines: Sich selber orientieren, viele Margarethe Goldmann *1952 Biografische Notizen Sie können sich so etwas finanziell nicht leisten: Selber etwas andere Haltung zu respektieren, ist viel leichter gesagt als ge- Fähigkeiten entwickeln, eigene Netzwerke aufbauen und hand- Großes in Stein und Holz bauen, Schmieden, auf einem öffent- tan: Es erfordert eigene Stärke, tolerant zu sein. „Ich kann dich lungsfähig bleiben. Dazu brauchen Kinder und Jugendliche Kultur- und Kunstpädagogin, lichen Platz arbeiten, in einem Laden mit anderen gemeinsam gut leiden“ ist eine Formulierung in der deutschen Sprache, die Rüstzeug. Viele Elternhäuser sind damit schnell überfordert, Mediatorin sich am Nachmittag treffen und etwas Praktisches tun, eine Hör- wiedergibt, dass es schmerzt, wenn jemand, den man mag, doch ebenso wie die Schulen. Die heutigen Verantwortungsträger/ CD mit eigenen Liedern produzieren, Theaterspielen, Tanzen ... so anders ist als man selbst. In kulturellen Bildungsprojekten ist innen müssen erkennen, dass sie diejenigen sind, die hier Vor- 1986 – 1992 Schul- und Kulturdezernentin die Vielfalt der Ansichten gewollter und animierter Teil des Pro- sorge treffen müssen, damit diese Lücke gefüllt wird. der LH Wiesbaden Vor allem Künstlerinnen und Künstler und für außerschulische jekts und Quelle des ästhetischen Reichtums, den Kinder und 1992 – 2009 Jugendarbeit ausgebildete Kulturarbeiter bieten Projekte dieser Jugendliche schätzen lernen sollen. Künstler/innen sind selber Menschen, die für ihre künstlerische Vorsitzende der Art an. In Wiesbaden sind das die „Kunstwerker“, ein Zusammen- Kompetenz ihre ganze Individualität entwickeln mussten – als VHS Wiesbaden schluss von Kulturpädagogen mit viel Erfahrung auf diesem Die Projekte der Kulturellen Bildung, die in den letzten drei Bedingung, um ihren Beruf auszuüben und sich zu behaupten – 1986 – 2005 Gebiet. Sie werden dringend gebraucht, um die wichtigen Pro- Jahren durch die „Vielfalt-tut-gut“-Mittel möglich wurden, sind und dafür meist prekäre soziale Situationen in Kauf nehmen. Vizepräsidentin der Kultur zesse, auf die es eigentlich jenseits aller Inhalte ankommt, in der vielfältig. Es sei erinnert an das Freiluftatelier von Mireille Jautz, Sie sind damit für viele Kinder und Jugendliche eher Vorbild als politischen Gesellschaft eV Kulturellen Bildung in Gang zu setzen, zu moderieren, anzulei- den neuen Vielfalt-o-Saurus im Parkfeld, an History-Riehl-loaded fest angestellte und beamtete Lehrer/innen, die sich nach Bil- seit 2005 ten, Konflikte zu entschärfen, Wissensbestandteile in die Projekte und die Projektwoche an der Riehlschule, die Anne-Frank-Aus- dungsvorgaben „von oben“ richten (müssen) und ihre soziale Kunsterzieherin an der Wilhelm-Heinrich-von- Riehl- einzubringen. Ohne ihr Engagement geht es nicht. stellung, das BlickWinkel-Fotoprojekt, den Starclub, den Gräsel- Lebenssituation nicht teilen. Auch das macht den Einsatz außer Schule in Wiesbaden-Biebrich turm, an das „Zeit zu bleiben“- und „Kaspars Enkel“-Theaterpro- schulischer Kräfte so immens wichtig. jekt ... und viele, viele andere. Manches hat in der Praxis nicht 16 W I R I N B I E B R I C H Vielfalt tut gut W I R I N B I E B R I C H Vi e l f a l t t u t g u t 17
Soziokulturelle Theaterprojekte im Stadtteil K l a u s H u h l e Leila Haas Klaus Huhle Leila Haas Soziokulturelle Theaterprojekte im Stadtteil Unsere Freude und Dankbarkeit über die gute Koope- während der Verleihung des Integrationspreises 08, einen Klaus Huhle Biografische Notizen ration begleitet die Tatsache, dass die Projekte ohne eine Großteil der Kosten zu übernehmen, die Chance, das über 1956 in der DDR in der Nähe von Dresden geboren und 1961 solche Unterstützung kaum durchführbar wären. Denn bei arbeitete Stück ein zweites Mal aufzuführen. Auch die Auf mit Eltern, Geschwistern und der Oma in die Bundesrepublik allen Produktionen, die wir in den vergangenen 20 Jahren führungen 2009 waren ausverkauft. geflohen, kam er 1963 nach Wiesbaden-Biebrich. Klaus Huhle Und Leila Haas auf die Beine gestellt haben, war der Anteil ehrenamtlicher Angesichts des enormen Aufwands, den eine solche Der Handwerkersohn ist in der Gibb groß geworden, in Biebrich in die Schule gegangen und hat in der ehemaligen SOZIOKULTURELLE Arbeit enorm, Löhne für das professionelle Team gering. Die Produktion logistisch und materiell fordert, ist es folgerichtig, Rheinhütte in Biebrich seine erste Ausbildung als Industriekauf- hohe Qualität war nur durch Netzwerke gewährleistet, die eine Wiederaufnahme zu ermöglichen, denn es kann den Teil- THEATERPROJEKTE IM in jahrelanger Präsenz als Kulturschaffende vor Ort entstan- nehmern jährlich nur ein gewisses Maß an Aufführungen und mann gemacht. Erst danach hat er sich für den Schauspielerberuf ent- STADTTEIL – den sind. Probezeit zugemutet werden. Der Kostenaufwand für eine schieden, war damit viel in Deutschland und Österreich auf der Bühne und im Film unterwegs und hat seit zwölf Jahren auch Chance und Die Einbindung lokaler Institutionen ist jedoch nicht zweite Staffel ist wesentlich geringer, der Effekt jedoch gleich. seine Liebe für die Inszenierung soziokultureller Theaterprojekte nur in materieller und ideeller Hinsicht eine wichtige Unter entdeckt. So entstanden unter anderem das Rheingauer Georg Risiko stützung, sondern Teil unserer Absicht, mit unseren Projekten Büchner Projekt in Eltville, Orpheus und Eurydike Theatertage eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Südliche Weinstraße, 100 Jahre Festhalle Landau, Parzival in Für uns bedeutet Soziokultur, dass neben einmaligen Wiesbaden, das Schlossgrabenprojekt in Darmstadt und „Zeit zu bleiben“ in Wiesbaden-Biebrich. Events, großangelegten Festivals und institutionell geförderter Die Werkstatt für Bühne & Film e.V. in Wiesbaden wurde von Kultur etwas geschaffen wird, das nachwirkt, weil es direkt vor ihm, seiner Partnerin Ulrike Kofler und weiteren KünstlerInnen Anhand der Erfahrungen mit der großen Theaterproduktion Ort stattfindet. Theater, Tanz und Musik werden schwellennah 2003 gegründet. „Zeit zu bleiben“ sowie der diesjährigen, „Kaspars Enkel“, erlebt, als Teil des Alltags, der Stadtteil wird zum Spielort. Teil- Zeit zu bleiben Film- und Tanzprojekt für Jugendliche Klaus Huhle ❘ Hauptstr. 6 ❘ 65345 Rauenthal ❘ Fon 06123 - 7039992 der Werkstatt für Bühne & Film e.V. werden im folgenden nehmer und Zuschauer diskutieren ihre Erfahrungen, Inter- Artikel beispielhaft verschiedene Aspekte soziokultureller essen werden geweckt und ausgebaut. Auch hier entstehen Die Mitwirkenden, jeweils annähernd 90 Personen, hatten Leila Haas Biografische Notizen Bildung im öffentlichen Raum betrachtet. neue Netzwerke, die geeignet sind Verbindungen zu festigen stets großes Interesse an einer Wiederholung, ²/³ der Mitspieler Leila Haas wurde 1957 in Düsseldorf geboren. Sie ist mit und individuelle Ressourcen auszubauen. bei „Kaspars Enkel“ 2010, waren bereits in den vergangenen Italienisch und Deutsch großgeworden und war immer gerne mit Sprachen beschäftigt, studierte früher Japanologie und Im Spätherbst 2008 wurde Wiesbaden-Biebrich für sein Engage Jahren beteiligt. Vor allem unter dem Aspekt der Nachhaltig- Lateinamerikanistik, später hat sie ein Diplom als Sozialpädago- ment in Vielfalt, Toleranz und Demokratie von der Bundes keit und der Kontinuität ist ein zeitnahes Anknüpfen wichtig, gin gemacht. regierung offiziell als Ort der Vielfalt anerkannt. Wie uns der damit bestehende Kontakte weitergeführt werden können. Nach einigen Umwegen ins wirkliche Leben, wie die selbst- ständige Tätigkeit als Gärtnerin und diversen Ausbildungen im Ortsbeirat versicherte, war die Auszeichnung zum Teil auch Um unsere Arbeit fortzusetzen, bedarf es einer gewissen Bereich Theater und Tanz ist sie seit 1992 als Theaterpädagogin dem Erfolg unseres Projektes „Zeit zu bleiben“ zu verdanken. Planungssicherheit, die wir momentan nicht haben. für Menschen in jedem Lebensabschnitt und jeder Herkunft ak- Im Kontext zu diesen beiden öffentlichen Veranstaltun- Soziokulturelle Theaterprojekte wie die der Werkstatt tiv, sowie Regisseurin und Performerin im freien Theaterbereich. Das erste vielsprachige Theaterstück hat sie 1995 gemacht, gen werden Chancen deutlich, die in soziokultureller Bildung für Bühne & Film sind eine Ergänzung zu zeitgemäßen viele weitere folgten, darunter Bu yürek-Testament, das sie 2002 enthalten sind. Der lokale Bezug zu Kommune und Stadtteil, politischen Diskussionen, greifen aktuelle Probleme auf, mit einem professionellen Ensemble in der Türkei produzierte. in dessen Umfeld Soziokultur angesiedelt ist, kann zu frucht stellen Fragen und sind authentischer Ausdruck künstleri- Mit Klaus Huhle verbindet sie drei Jahrzehnte gemeinsame Kaspars Enkel Multimediales Theaterprojekt Arbeit in soziokulturellen Projekten wie Kaspars Enkel 2010, Zeit baren Auseinandersetzungen zwischen Institutionen und scher Basisarbeit. Sie erheben nicht den Anspruch, Proble- zu Bleiben 2008/9, dem Georg Büchner Projekt und die Freude Gremien führen, die ansonsten kaum kooperieren. Denn Sozio- Für Kinder und Jugendliche ist es z. B. eine Möglichkeit, auf me zu lösen, sondern sind eine hervorragende Möglichkeit, an der Gratwanderung zwischen kreativem Ausdruck und politi- kultur ist immer auch Netzwerkarbeit. anderer Ebene zu lernen als in der Schule. menschliches Miteinander zu erproben, gleichberechtigte schem Engagement. Für Erwachsene ist die gemeinsame Erfahrung in einer Strukturen auszuloten und maßgeschneiderte Inszenierun- Leila Haas ❘ Rüdesheimer Str.19 ❘ 65197 Wiesbaden ❘ Fon 0611 - 1474398 Bei beiden Großprojekten der Werkstatt für Bühne & Film, großen, heterogenen Gruppe z. B. ein Anreiz, Sprachkenntnisse gen an ungewöhnliche Orte zu bringen. Die spektakulären die in den vergangenen drei Jahren in Biebrich erarbeitet auszubauen, um leichter zu kommunizieren. Allen Teilnehmern Erfolge auf lokaler Ebene sind jedoch nur dann wirkungs- und aufgeführt wurden, waren etliche Institutionen beteiligt: ist der soziale Aspekt sehr wichtig, also das intensive Kennen- voll, wenn sie auf fruchtbaren Boden fallen. Selbst soziokul- » Mehrere Schulen, die uns aktiv darin unterstützt haben, lernen anderer Menschen, denen man im Alltag nie begegnet turelle Theaterarbeit kann eklatante Versäumnisse in den Schüler zu motivieren teilzunehmen, und die in diesem Jahr wäre. Die Situation, als Amateurschauspieler auf gleicher Ebe- Bereichen Integration, Inklusion oder Bildungswesen nicht o-ton! einen eigenständigen Beitrag zur Ausstattung des Schloss- ne gemeinsam zu agieren, sich selbst neu zu erfahren, Dinge ausgleichen und darf kein einmaliges, schillerndes Vorzei- parks während der Aufführungen herstellten zu tun, die man sich vorher nicht getraut hat, ist eine stärkende geprojekt werden, das billig eingekauft wurde und sozial- » Qualität, Wert und Nutzen, den soziokulturelle » Das Stadtteilbüro Bauhof/Caritas, für unsere Logistik, Kraft und wirkt nachhaltig, weit über das konkrete Theaterpro- politisch notwendige Entscheidungen ersetzt. Projekte in der Entwicklung menschlichen Catering etc. unverzichtbar jekt hinaus. Das bedeutet auch, dass haltbare Strukturen geschaf- Zusammenlebens in den Kommunen » Das Kulturzentrum Schlachthof, die uns technisches Die große Euphorie, wenn nach monatelangen Pro- fen werden und politische Entscheidungsträger auf loka- „erwirtschaften“, ist nicht direkt zu bemessen, Equipment geliehen haben ben und Vorbereitungen das Publikum applaudiert, kann ler und überregionaler Ebene ein deutliches Signal setzen aber allen Beteiligten sollte klar sein, dass es genau » Der TVB Biebrich, der die Bestuhlung unserer Zuschauer- dennoch kaum die Ernüchterung schmälern, die das Ende müssen, dass diese Arbeit tatsächlich gewünscht wird und solcher Projekte jedes Mal mit sich bringt. Denn die Begeis- ihre Chancen erkannt werden. Bildungspolitische diese vergleichsweise geringen Investitionen sind, tribüne stellte » Jugend- und Stadtteilzentren, als Unterstützer beider terung von Stadtteil und Publikum, Teilnehmern und Team Arbeit kostet Geld. Qualität, Wert und Nutzen, den die sich langfristig auszahlen. « Projekte auf informeller Ebene und als Multiplikatoren für bedeutet nicht, dass die anerkannte Leistung finanziell ho- soziokulturelle Projekte in der Entwicklung mensch Leila Haas Klaus Huhle potentielle Teilnehmer und Zuschauer noriert wird und weitergeführt werden kann. lichen Zusammenlebens in den Kommunen „Zeit zu bleiben“ 09 hat gezeigt, dass es richtig war und er- „erwirtschaften“, ist nicht direkt zu be Inszenierung soziokultureller Theaterprojekte » Private Unternehmen, wie Stahlbau Huhle, die große Bühnenteile gebaut und gespendet haben, oder die Gast- folgreich, eine Wiederaufnahme im nächsten Jahr zu machen. messen, aber allen Beteiligten sollte stätten Osteria da Romolo, Schützenhof und Café Metropol, Das war jedoch keine Selbstverständlichkeit, sondern eher klar sein, dass es genau diese ver- die umsonst den Kartenvorverkauf übernommen haben Glück. Letztendlich gab uns die spontane Zusage des Ober gleichsweise geringen Investitionen sind, bürgermeisters und Verantwortlicher des Caritasverbandes die sich langfristig auszahlen. ««« 18 W I R I N B I E B R I C H Vielfalt tut gut W I R I N B I E B R I C H Vi e l f a l t t u t g u t 19
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