Wir müssen unsere Ideen noch besser selbst verwerten - Max ...

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       Wir müssen unsere Ideen
       noch besser selbst verwerten
       Die Max-Planck-Gesellschaft ist eine Grundlagenforschungseinrichtung, deren Mission
       ihr Namensgeber Max Planck einmal wie folgt formuliert hat: „Dem Anwenden muss
       das Erkennen vorausgehen.“ Erst das Wissen, das über die Gesetzmäßigkeiten in Natur
       und Gesellschaft, über Strukturen und Zusammenhänge gewonnen wird, schafft
       die Basis für wirkliche Neuerungen. Auf die Erkenntnisse aus dieser Forschung wird
       die Welt von morgen oder übermorgen bauen.

       TEXT MARTIN STRATMANN

      G
                   rundlagenforschung ist der wichtigste      tion (EFI) unter der Leitung von Dietmar Harhoff
                   Weg, innovative Lösungen für bedeuten-     vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wett-
                   de Probleme zu finden. Aber: Aus der       bewerb auf die besondere Rolle von Start-ups im In-
                   Vielzahl neuer Ideen müssen zunächst       novationssystem hingewiesen, die mit neuen Ge-
                   einmal jene herausgefiltert werden, die    schäftsmodellen und Produkten wichtige Impulse für
       Anwendungspotenzial besitzen. Und dann gilt es,        die Wirtschaft liefern.
       den weiten Weg von der Idee zum marktreifen Pro-           Um mehr Unternehmertum zu stimulieren, hat die
       dukt zu beschreiten, der nicht nur riskant ist und     Bundesregierung in den vergangenen Jahrzehnten ver-
       potenzielles Scheitern einschließt, sondern vor al-    schiedene Förderlinien für Gründer etabliert. Trotzdem
       lem auch teuer ist.
           Vor diesem Hintergrund hat die Max-Planck-Ge-
       sellschaft bereits 1970 eine der ersten Technologie-
       transfer-Einrichtungen in Deutschland gegründet,          Start-ups liefern wichtige
       die Max-Planck-Innovation GmbH – seinerzeit als
       Garching Instrumente. Sie hat in den vergangenen 50       Impulse für die Wirtschaft
       Jahren mehr als 4500 Erfindungen betreut und 2500
       Lizenzverträge abgeschlossen. Von den insgesamt        liegt die deutsche Gründungsquote unverändert bei
       rund 160, überwiegend von Max-Planck-Innovation        4,97 Prozent – im Global Entrepreneurship Monitor
       begleiteten Ausgründungen sind fast 80 Prozent nach    2018/2019 schneidet Deutschland mäßig ab. Die Grün-
       wie vor aktiv, sieben Unternehmen haben sogar den      dungskultur weiter zu stärken, um Gründungen aus der
       Sprung an die Börse geschafft. Gemessen an ihren Er-   Wissenschaft heraus zu befördern, ist daher eine der
       lösen von rund 500 Millionen Euro, ist Max-Planck-     zentralen Empfehlungen der EFI-Kommission.
                                                                                                                       Illustration: designergold

       Innovation neben Fraunhofer führend unter den              Die MPG möchte junge Forscherinnen und For-
       deutschen Technologietransfer-Einrichtungen.           scher daher ermutigen, die Anwendungspotenziale
           Deutschland hat ein enormes wissenschaftliches     ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse stärker auszu-
       Potenzial. Dieses müssen wir für Innovationen in al-   loten. Wissenschaftliche Exzellenz und wirtschaft­
       len Bereichen mobilisieren. In ihrem Gutachten 2019    licher Erfolg schließen einander dabei nicht aus. Im
       hat die Expertenkommission Forschung und Innova-       Gegenteil: Es sind insbesondere auch die Nobelpreis-

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        träger in der Max-Planck-Gesellschaft, die immer wie-      grundlegenden Voraussetzungen dafür mitbringen,
        der die Anwendung in den Blick genommen haben.             wie etwa die Region in und um Stuttgart und Tübin-
        Manfred Eigen zum Beispiel, der 1967 mit erst 40 Jah-      gen mit ihren exzellenten Forschungseinrichtungen
        ren mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet            und einer innovativen Industrielandschaft. Mithilfe
        wurde. Mit der Entwicklung sogenannter Evolutions-         von räumlicher Verdichtung wollen wir die Wissens-
        maschinen in den 1980er-Jahren setzte er seine The-        flüsse zwischen Forschungseinrichtungen und Unter-
        orien über die Selbstorganisation komplexer Molekü-        nehmen verstärken und zugleich Freiräume für Un-
        le in die Praxis um. Die Firma Evotec gründete ihr Ge-     ternehmen und Wissenschaft schaffen, um neue
        schäftsmodell auf Bioreaktoren, die diesen natürlichen     Technologien und Geschäftsmodelle praxisnah zu er-
        Prozess beschleunigen können. Damit lassen sich            proben. Es geht darum, Orte zu schaffen, an denen
        neue molekulare Wirkstoffe für die Entwicklung von         hoch risikoreiche Projekte und Geschäftsmodelle ge-
        Medikamenten identifizieren. Eigen steuerte zu dem         wagt werden, ohne dass ein Scheitern als Bedrohung
        jungen Unternehmen 1993 nicht nur seine Patente            wahrgenommen wird.
        und die notwendigen Maschinen bei, er gab auch Ka-             Das von der Max-Planck-Gesellschaft initiierte Cy-
        pital und wurde zum Mitgründer der Biotechfirma,           ber Valley mit dem in Tübingen und Stuttgart ansäs-
        die heute zu den erfolgreichsten im MDAX gehört.           sigen Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme als
            Theodor Hänsch, 2005 mit dem Nobelpreis für            Aggregationskern soll hier Wege aufzeigen. Es entwi-
        Physik ausgezeichnet, entwickelte den optischen            ckelt sich gerade zu einem kreativen Hotspot für wis-
        „Frequenzkamm-Synthesizer“, der es erstmals ermög-         senschaftliche Fortschritte und ökonomisch erfolgrei-
        licht, die Zahl der Lichtschwingungen pro Sekunde          che Innovationen auf dem Gebiet der künstlichen
        genau zu zählen und Lichtwellenlängen damit exakt          Intelligenz – und lockt große wie kleine Unternehmen
        zu bestimmen. Die nobelpreisgekrönte Technologie           an. Mit einem jüngst gegründeten Start-up-Netzwerk
                                                                   will das Cyber Valley eine Gemeinschaft von Grün-
                                                                   dern schaffen.
                                                                       Und auch die Technologiekonzerne Bosch und
             Wissenschaftliche Exzellenz                           Amazon investieren hier kräftig. So hat Bosch ange-
                                                                   kündigt, in Tübingen einen neuen Campus zu errich-
             und wirtschaftlicher Erfolg                           ten, an dem zukünftig etwa 700 KI-Experten forschen
                                                                   sollen, und Amazon plant den Aufbau eines For-
            schließen einander nicht aus                           schungs- und Entwicklungszentrums innerhalb der
                                                                   nächsten fünf Jahre mit rund 100 Mitarbeitern.
        dient heute in zahlreichen Laboren weltweit als Ba-            Aber selbst wenn es uns gelingt, mehr Unterneh-
        sis für optische Frequenzmessungen und ist Kernge-         mergeist zu wecken, so brauchen wir neben Erfindern
        schäft der von Hänsch und seinen Mitarbeitern ge-          und Managern vor allem auch eines: mehr Kapital.
        gründeten Firma Menlo Systems.                             Deutschland ist stark in der Grundlagenforschung.
            Und auch der jüngste Max-Planck-Nobelpreisträ-         Aber die Möglichkeiten, die sich daraus für die Pro-
        ger, Stefan Hell, ist ein Entrepreneur. Die von ihm ent-   duktentwicklung und Kommerzialisierung ergeben,
        wickelte und 2014 mit dem Nobelpreis für Chemie            werden von heimischen Investoren kaum geschätzt.
        ausgezeichnete STED-Mikroskopie hat die Lichtmi­           Stattdessen sind deutsche Start-ups immer stärker auf
        kroskopie in eine neue Dimension katapultiert und          ausländische Geldgeber angewiesen. Das wachsende
        ermöglichte erstmals eine optische Auflösung im Na-        Interesse von US-Investoren bestätigt zwar die Qua-
        nometer-Bereich. Das STED-Mikroskop sollte aller-          lität der Forschung in unserem Land, birgt aber die
        dings nur das erste in einer ganzen Familie von beu-       Gefahr, dass Know-how und Wertschöpfungspoten-
        gungsunbegrenzten Lichtmikroskopen sein. Hell hat          zial langfristig weiter abwandern.
        gleich zwei Firmen auf den Weg gebracht: Abberior              Dafür finden sich auch bei Max-Planck etliche
        und Abberior Instruments. Während sich die eine mit        Beispiele, wie etwa das von Anthony Hyman, Direk-
        der Weiterentwicklung von Fluoreszenzfarbstoffen be-       tor am Dresdener Max-Planck-Institut für molekula-
        fasst, fertigt die andere Mikroskope.                      re Zellbiologie und Genetik. Zusammen mit dem
            Start-ups benötigen aber nicht nur eine innovati-      Whitehead Institute am MIT in Boston hat er Ende
        ve Idee bzw. Erfindung – sie benötigen auch ein Um-        2018 das Biotechunternehmen Dewpoint gegründet.
        feld, in dem sie wachsen und gedeihen können.              Es verfolgt einen neuen Ansatz, um unter anderem
        Schon heute gibt es in Deutschland Räume, die die          Krebs zu behandeln. Mit Unterstützung des Leit­

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investors Polaris Partners wurde das Start-up mit        Immer mehr dieser Projekte werden in der Zukunft
                                                 Hauptsitz in Boston und Tochtergesellschaft in Dres-     vermutlich nicht nur über den klassischen Lizenzie-
                                                 den etabliert und konnte in den USA 60 Millionen         rungsweg, sondern über Start-ups in die Anwendung
                                                 Dollar Startfinanzierung einwerben. Von solchen          finden. Ein Bereich, der bei Max-Planck-Innovation
                                                 Summen können Start-up-Gründer in Deutschland            in den kommenden Jahren weiter gestärkt werden
                                                 nur träumen.                                             soll. Gemeinsam wollen wir in der MPG die Inno­
                                                    Ein weiteres Beispiel ist das erste 2018 zugelasse-   vations- und Entrepreneurship-Kultur, unter ande-
                                                 ne RNAi-Medikament, das auf einer Technologie be-        rem durch verstärkte Präsenz von Max-Planck-Inno-
                                                 ruht, die am Max-Planck-Institut für biophysikalische    vation und ergänzende Sensibilisierungsmaßnahmen,
                                                 Chemie entwickelt wurde. Wir hätten diese Techno-        an den Instituten verbessern.
                                                                                                              Start-ups sollen mit weitestgehend einheitlichen
                                                                                                          und pauschalierten Beteiligungs- und gründungs-
                                                                                                          freundlichen Lizenzbedingungen, mit der Bereitstel-
                                                                 Deutschland braucht                      lung von Industrieexperten, eigenen „Company-
                                                                                                          Building“-Aktivitäten mit externem erfahrenem Ma-
                                                                  mehr Risikokapital                      nagement („Gründen ohne Gründer“) und einer ver-
                                                                                                          besserten Entrepreneurship-Ausbildung unterstützt
                                                 logie gerne in Deutschland gehalten. Deshalb hat die     werden. Im Bereich IT ist eine enge Kooperation mit
                                                 US-Biotechfirma Alnylam seinerzeit lediglich eine        dem Cyber Valley geplant. Durch diese und andere
                                                 Co-Lizenz bekommen, eine zweite ging an die deut-        Maßnahmen wird Max-Planck-Innovation auch wei-
                                                 sche Ribopharma AG. Doch diese wurde bereits 2003        terhin eine führende Rolle im Technologietransfer in
                                                 von Alnylam übernommen, alle Rechte wanderten            Deutschland einnehmen können. 
                                                 damit in die USA. Alynlam hat heute einen Börsen-
                                                 wert von mehr als 14 Milliarden und zählt inzwi-
                                                 schen mehr als 1000 Angestellte.
                                                     Und auch die Kommerzialisierung der erfolg-
                                                 reichsten Lifesciences-Erfindung in der Geschichte
                                                 der Max-Planck-Gesellschaft, das Medikament Su­
                                                 tent, erfolgte über eine Firmengründung in den USA,
                                                 Sugen Inc. Das Unternehmen wurde schließlich von
                                                 Pfizer übernommen. Ebenfalls ein US-amerikanischer
                                                 Pharmakonzern. Entdeckt wurde das Wirkprinzip in
                                                 den 1990er-Jahren von Axel Ullrich und seinem Team
                                                 am MPI für Biochemie.
                                                     Um die Finanzierungssituation von Start-ups in
                                                 Deutschland zu verbessern, wäre daher eine nationa-
                                                 le Initiative sehr zu begrüßen, die zur Erhöhung des
                                                 branchenübergreifend verfügbaren Risikokapitals und
                                                 zur Erleichterung einer ausreichenden, funktionalen          Martin Stratmann, Jahrgang 1954, studierte Chemie
                                                 Börsenkapitalversorgung von Start-ups führt.                 an der Ruhr-Universität Bochum. Seine Promotion
                                                     Wie die Forschung lebt auch der Technologie-             schloss er 1982 am Max-Planck-Institut für Eisen­
                                                 transfer vom Wandel. Neue Instrumente für die                forschung ab. Nach einer Postdoc-Station in den USA
Illustration: designergold; Foto: Axel Griesch

                                                 Translation der akademischen Forschung in die An-            wurde er Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für
                                                 wendung müssen entwickelt, neue Schwerpunkte ge-             Eisenforschung. Er habilitierte sich an der Universität
                                                 setzt werden. Mit der Etablierung von unterschied­           Düsseldorf und lehrte anschließend von 1994 bis
                                                 lichen Inkubatoren, wie zum Beispiel dem Lead                1999 an der Universität Erlangen-Nürnberg. Im Jahr
                                                 Discovery Center (LDC) in Dortmund, ist dies im Be-          2000 nahm er den Ruf zum Wissenschaftlichen
                                                 reich der frühen Medikamentenentwicklung in den              Mitglied und Direktor am Max-Planck-Institut für
                                                 vergangenen Jahren sehr erfolgreich gelungen. Gera-          Eisenforschung an. Er erhielt zahlreiche Preise,
                                                 de konnte das LDC gemeinsam mit Partnern einen               darunter 2005 den U. R. Evans Award des britischen
                                                 Fonds mit 60 Millionen Euro für erfolgversprechen-           Institute of Corrosion. Seit Juni 2014 ist Martin
                                                 de Projekte einwerben.                                       Stratmann Präsident der Max-Planck-Gesellschaft.

                                                                                                                                          Spezial | 20 MaxPlanckForschung   9
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