WIR REDEN ÜBER POLKE, DAS SIEHT MAN DOCH! - Gerhard Meister | Uraufführung
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WIR REDEN ÜBER POLKE, DAS SIEHT MAN DOCH! Gerhard Meister Mit Vivienne Causemann, Gilbert Handler (Live-Musik), Luzian Hirzel, Johanna Köster, Nico Raschner, Jürgen Sarkiss, Sebastian Schulze Inszenierung Bérénice Hebenstreit Bühne & Kostüm Mira König Musik Gilbert Handler Licht Arndt Rössler Dramaturgie Ralph Blase Regieassistenz Michael Wilhelmer Ausstattungsassistenz Lillie Löbl Inspizienz Eva Lorünser Regiehospitanz Josepha Yen Premiere Sa 6. November, 19.30 Uhr, Großes Haus Vorstellungen Di 9.11., Mi 10.11.2021, Fr 14.1., Sa 15.1.2022, 19.30 Uhr, So 16.1.2022, 16.00 Uhr Publikumsgespräch Sa 15.1.2022, im Anschluss an die Vorstellung Aufführungsrechte S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main Bild- und Tonaufnahmen während der Aufführung sind nicht gestattet. Aufführungsdauer ca. 2 Stunden 15 Minuten, eine Pause Technische Leitung Tino Machalett Assistenz Technische Leitung Leslie Bourgeois Bühnenmeister Werner Mathis, Jörg Dettelbach Bühnentechnik Johannes Moosbrugger, Werner Pettinger Beleuchtungsmeister Arndt Rössler Beleuchtung & Video Simon Tamerl Ton Andreas Niedzwetzki Veranstaltungstechnik Marco Kelemen, Simon Prantner, Sandro Todeschi Lehrlinge Veranstaltungstechnik Mohammad Chalch, Daniel Kämmerer, Julian Schedler Requisite Ramona Bereiter Maske Tatjana Alber (Leitung) Schneiderei Bettina Henning (Leitung), Christine Schnell Garderobe Maria Stabodin Haustechnik Robert Mäser Werkstatt Claudius Rhomberg (Leitung), Kurt Amann, Rene Fischer, Roland Sonderegger Bühnenmalerei Valerie Fricker, Sarah Goldmann
Zum Einstieg Sigmar Polke hätte im Jahr zweitau- von Sigmar Polke ausgesetzt. So wie sendeinundzwanzig seinen achtzigs- Polke immer wieder mit seiner Kunst ten Geburtstag gefeiert. Der Züricher tiefen Eindruck hinterließ, entzog er Autor Gerhard Meister hat aus sich gleichzeitig immer wieder als diesem Anlass für uns einen Theater- Künstlerpersönlichkeit, auch dem text über den Künstler und sein Werk Kunstmarkt, auf dem seine Bilder geschrieben. bald hoch gehandelt wurden. Polke gilt als einer der einfluss- Polkes Werk zeigt eine breite Palette reichsten Künstler seiner Epoche von Gestaltungstechniken und ein und schuf ein facettenreiches Werk, alchemistisches Interesse bei der Er- auf dessen Spuren sich nun sechs forschung von Materialität, insbeson- Schauspieler:innen und ein Musiker dere von Farben, ihren Effekten, ihren begeben. Entlang des Textes über das Herstellungs- und Verwendungsmög- Werk Sigmar Polkes versuchen sie, lichkeiten. den Künstler über sein Schaffen zu Auch mit „höheren Wesen“ ist zu erschließen. Doch kann das bei einem rechnen, die sich laut Künstler in die Werk mit dieser enormen Fülle und Gestaltungsprozesse seiner Kunst Vielfalt überhaupt gelingen? einmischten. Einer Kunst, mit der Es gilt viele Anläufe zu starten, An- Polke immer wieder auch politisch näherungen zu unternehmen, um Stellung bezog, in den Jahren seines zu versuchen die Vielfalt, Plastizität, Schaffens zwischen den neunzehn- Flüchtigkeit, die Tiefgründigkeit, den hundertsechziger Jahren bis zu Ernst, die Heiterkeit und das Schalk- seinem Tod im Jahr zweitausendund- hafte dieses Werkes zu fassen. zehn – in denen er eine der zentralen Keine einfache Angelegenheit: Denn Figuren der Kunstszene wurde. Polke spielte so manches Spiel, Sie kennen Polke nicht? Dann lernen auch mit dem Kunstbetrieb. Und der Sie ihn kennen, während über ihn ge- Eindruck kann entstehen, der Text redet wird. von Gerhard Meister wie auch das Unterfangen diesen auf die Bühne zu bringen, sind ebenfalls diesem Spiel
Wir reden über Polke. Aber worüber reden wir, wenn wir über Polke reden? Reden wir über Kapitalistischen Realismus? Über Alchemie Humor Punkteraster und Rasterpunkte Schweinfurter Grün Purpurschnecken thermosensible Farben Glasmalerei Vorhangstoff Meteorstaub Hakenkreuze LSD Höhere Wesen oder Kartoffeln Gerhard Meister Vivienne Causemann
Interview mit dem Autor Gerhard Meister Nach dem Polken Du trittst auch als Spoken-Word-Künstler auf. Wenn jemand fragt, was das genau ist, wie erklärst Du diese Kunstform in wenigen Worten? Ganz kurz, bei Spoken Word gehe ich als Autor selber auf die Bühne und trage einen Text vor, den ich zu diesem Zweck, also damit er von mir vorgetragen wird, geschrieben habe. Welche Verbindung siehst Du zwischen Deinem Umgang mit Text beim „Spo- ken Word“ und Deinem Schreiben von Theatertexten, die dann von anderen gesprochen und interpretiert werden sollen? Es sind beides Texte für die Bühne. Der Unterschied liegt darin, dass ich als Sprecher und Performer nur in einem bestimmten Teil des Ausdrucksspektrums was kann, darauf nehme ich beim Schreiben Rücksicht, ich will ja auf der Bühne nicht allzu sehr ins Abseits geraten. Schreibe ich für Schauspieler:innen, bin ich so frei, mir zu denken, dass die mit den Texten dann schon irgendwie zurande kommen. Wie hast Du Dich für das Schreiben von WIR REDEN ÜBER POLKE, DAS SIEHT MAN DOCH! an Sigmar Polke und sein Werk angenähert und mit ihm angefüt- tert? Welche Quellen konntest Du nutzen? Welche Menschen sind Dir auf dem Weg begegnet? Ich habe gelesen, was ich auftreiben konnte, und ich habe geschaut. Was letz- teres betrifft, ich wohne in Zürich und da lag es nahe, mich mit seinem letzten grossen Werk, den Glasfenstern im Grossmünster näher auseinander zu setzen. Eine Schwierigkeit bei der Recherche war, dass es über Polke erstaunlicherweise keine einzige Monografie gibt und man sich alles aus den Ausstellungskatalogen zusammensuchen muss. Eine grosse Hilfe war für mich Anna Polke. Wir haben Gespräche über ihren Vater geführt und sie hat mir Material aus der von ihr ge- gründeten Anna-Polke-Stiftung zur Verfügung gestellt, darunter auch Sachen, die nicht öffentlich zugänglich sind, ein Film zum Beispiel, der Polke bei seiner Arbeit im Atelier zeigt, beim Malen seiner berühmten Punkte.
Was hat zu der Entscheidung geführt keine Art chronologischer Künstlerbio- grafie über Sigmar Polke für die Bühne zu schreiben? Gab es im Prozess des Recherchierens und Schreibens überhaupt mal so eine oder eine ähnliche Überlegung? Eine Künstlerbiografie im klassischen Sinn war eigentlich nie ein Thema für mich. Natürlich gibt es Aufregendes im Leben von Polke, aber keine so richtig dramatische Fallhöhe, nicht einmal ein Ohr hat er sich abgeschnitten, wie es im Stück einmal heisst. Jemand anderes hätte das vom biografischen Ansatz nicht abgehalten, mir schien es interessanter, anhand des Beispiels von Polke auch allgemeine Fragen zur Kunst zu stellen, inwiefern sie sich von Theater unter- scheidet zum Beispiel, aber auch nach ihren Ausdrucksformen zu fragen und ihrem Ort in der Gesellschaft und im Weltall, aus dem ja jederzeit Ausserirdische auftauchen können, die dann vielleicht Lust haben, sich im Museum Bilder an- zuschauen. Der Stücktitel hat uns gleich so gut gefallen, dass er, variiert um ein Wort und ein Satzzeichen, ein Satz für die Spielzeit geworden ist: WIR REDEN ÜBER KUNST, DAS SIEHT MAN DOCH. Hat das Nachdenken und Schreiben über Polke einen Einfluss auf Dein Denken über Kunst, Künstler:innen und ihre Werke oder auch Dein künstlerisches Schaffen ausgeübt, womöglich Spuren hinterlassen? Irgendwie sicher, auch wenn ich das jetzt nicht konkret benennen könnte. Für mich war die Auseinandersetzung mit Polke ja auch so etwas wie eine Reise in ein fremdes Land: da ist vieles spannend und anregend, aber es gibt nichts, was ich direkt auf meine Arbeit beziehen muss. Ich muss auch nicht alles begreifen, kann Dinge zur Seite schieben und anderes ins Zentrum rücken, wie es mir gefällt. Das wäre natürlich anders gewesen, hätte ich mich mit einer Person aus- einandergesetzt, die schreibt. Das hätte ich nicht mit der Leichtigkeit angehen können, die bei Polke möglich war. Hat Dich eines der Werke von Sigmar Polke besonders beeindruckt oder überrascht? Oder sind es mehr die Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk und die Eindrücke, die aus der Beschäftigung mit der Künstlerpersönlichkeit Sigmar Polke entstehen können, die nachwirken. Vielleicht war es weniger ein einzelnes Kunstwerk, das mich besonders beein- druckt hat, als vielmehr die Fülle von Ausdrucksformen und Materialien, die mir bei Polke begegnet sind. Polke, das sind eine ganze Reihe von Künstlern und Kunstprogrammen in einer Person. Also, so richtig festnageln lässt sich Polke auf nichts, oder? Nein, lässt er sich nicht, weder auf ein Kreuz noch auf irgendwelche Dogmen.
Aber man kann das Werk eines Künstlers nicht auf drei Stichworte reduzieren. Natürlich kann man das. Kann man nicht. Kann man doch. Hut, Filz, Fett, wer ist das? Beuys. Perücke, Monroe, Tomatensauce. Warhol. Kornfeld, Krähen, Ohr. Van Gogh. Spritz, spritz, spritz. Pollock. Quadrate, Quadrate, Quadrate. Mondrian. Na siehste, geht doch. Aber nicht bei Polke. Warum nicht bei Polke? Was ist bei Polke denn so anders? Gerhard Meister Vivienne Causemann, Sebastian Schulze, Nico Raschner, Luzian Hirzel, Johanna Köster, Jürgen Sarkiss
Ralph Blase Mit Gerhard Meisters Text durch das Schaffen von Sigmar Polke Der Text WIR REDEN ÜBER POLKE, Als Zuschauende sind wir eingeladen DAS SIEHT MAN DOCH! schlängelt uns ebenfalls mit diesem Polke-Er- und windet sich durch seine Themen- fahrungsraum verbinden zu lassen. felder und Betrachtungsgegenstände. So können wir an diesem Reden über Er bietet dabei viele Einblicke und Sigmar Polke teilhaben, indem wir Aussichten, paart Leichtigkeit mit uns zum Nachdenken anregen lassen, präzisen Beobachtungen und Dar- in die Aspekte des Werkes eintauchen stellungen. und erfahren, was diese Künstler- persönlichkeit über fünf Jahrzehnte WIR REDEN ÜBER POLKE, DAS SIEHT ihres Schaffens alles unternommen MAN DOCH! von Gerhard Meister und als Werk hinterlassen hat. verflechtet sich mit dem Werk Sigmar Polkes, verweilt bei vielen Aspekten, durchleuchtet sie. Geschickt verbin- det Gerhard Meister Beschreibungen von Fakten mit Phantasie und auch Phantastischem, stellt Assoziationen her, die sich nie im Willkürlichen ver- lieren. So wird mittels des Textes ein Polke-Erfahrungsraum entworfen, der auf der Bühne des Vorarlberger Lan- destheaters in seiner Inszenierung von Bérénice Hebenstreit und in der Bühne von Mira König erstmalig zu sehen ist. Dazu liefert die Live-Musik von Gilbert Handler einen akusti- schen Raum. Alles wird belebt und bespielt von den Schauspielerinnen und Schauspielern, die sich in diesen Räumlichkeiten bewegen und über Polke reden. Sebastian Schulze, Johanna Köster, Vivienne Causemann
Die ständige Suche, nach einer Er- zählweise, die ihrem Beschreibungs- gegenstand gerecht wird, bringt Ger- hard Meister gleich mit dem ersten Satz, der ersten Frage seines Textes ins Spiel: „Aber müssen wir gleich beim Urknall anfangen?“ Der Text begegnet einer außerordent- lichen Komplexität und Vielfältigkeit, die dem Werk von Sigmar Polke inne- wohnt, seiner Opulenz, die eigentlich viel zu reichhaltig ist, um es in zwei Theaterstunden vollständig zu erfas- sen. Gerhard Meister begegnet die- sem ‚Problem‘, indem er es in seinen Text einschreibt. Auch behauptet der Text nie, er würde eine endgültige, zusammenfassende Rückschau auf Sigmar Polke und sein Werk liefern. Gegen Ende des Textes, kommt der Aspekt der Vielfalt des Werkes aber- über jeden einzelnen dieser Punkte mals ins Spiel. Plötzlich tauchen die gebeugt. Verdammt nochmal, wir ‚Punkte‘ im Text auf, die zu einer haben über Polke geredet, aber nicht Technik gehören, mit der Sigmar über die Punkte, die er ein Leben lang Polke viele Bilder gemalt hat – „Schon gemalt hat … Und schon hält eine ganz am Anfang seiner Karriere hat der Figuren diese Punkte für einen er das getan und bis zum Schluss Schlüssel zu Polkes Werk.“ Es wird nicht mehr damit aufgehört. Auch befürchtet, etwas fundamentales als weltberühmter Künstler hat er nicht beachtet zu haben: „Einen sich mit seinem Pinsel noch immer Schlüssel zu Polkes Werk, das hätten Sebastian Schulze
wir mit diesen Punkten gehabt. Da Der Text zieht auch daraus eine vor unseren Füssen, da ist dieser Stärke. Denn zum Schluss führt der Schlüssel gelegen. Wir hätten ihn nur Text vor, wie die Beschäftigung mit aufheben müssen.“ Sigmar Polke und seinem Werk ein Beschreibungs-Perpetuum-Mobile an- Sigmar Polke und sein Werk entzie- treiben kann, das sich unerschöpflich hen sich also einer allumfassenden immer wieder aus sich selbst heraus Beschreibung, weil sich immer wieder fortschreiben ließe. neue Aspekte entdecken lassen. Ein abschließendes Fazit wird verweigert, Selbst wenn dann doch irgendwann ein weiterer Verweis auf die Komple- der Werkkatalog erschöpft wäre, wä- xität von Sigmar Polkes Werk. ren noch nicht die Bezüge erschöpft, Luzian Hirzel, Vivienne Causemann, Johanna Köster, Jürgen Sarkiss, Gilbert Handler
die sich aus dem Werk heraus herstel- Der Text redet mit ernster Heiterkeit len lassen, da es eng verknüpft ist mit von seinen Betrachtungsgegenstän- Kontexten – historischen, politischen, den, berichtet von seiner Suche mit gesellschaftlichen, kunsthistorischen einer nicht zu überhörende Eindring- etc. lichkeit. Der Text geht nicht den Weg der Ver- einnahmung seines Gegenstandes, drängt sich nicht mit einer Introspek- tion und der Behauptung auf, Sigmar Polke mit seinem Werk vor unseren Augen gänzlich aufzublättern. Gerhard Meisters Vorgehensweise ist eher spielerisch beschreibend, als voyeuristisch aufdeckend oder entlarvend und wirkt daher viel subtiler. Er enthält sich penetranten Zuschreibungen und nimmt sich mit diesen Eigenschaften wohltuend anachronistisch aus, denken wir an heutiges Infotainment und heutige Personality-Geilheit. Sebastian Schulze, Vivienne Causemann, Nico Raschner
Nicht zu fassen I + II (Nicht zu fassen I) In Anbetracht des überbordenden und großen Werkes von Sig- mar Polke scheint es unmöglich, Sigmar Polke und sein Werk in einem Aufsatz umfassend zu beschreiben. Vorworte zu Ausstellungskatalogen, Berichte oder Beilagen in Zeitungen widerlegen diese Annahme nur scheinbar. Das Dilemma, etwas in wenigen, übersichtlichen Worten erklärt bekommen zu wollen, was sich allerdings nur schwer in wenigen, übersichtlichen Worten gänzlich fassen lässt, verrät etwas über unser Bedürfnis, einen Überblick zu erhalten; leider oft lediglich, um es in der gepflegten Konversation zu reproduzieren oder für Prüfungszwecke zu verwenden. Es stellt sich die Frage, ob diese Eingemeindung in den eigenen Horizont bei der Auseinandersetzung mit Kunstwerken und Künstler:innen überhaupt wünschenswert ist, sich eigentlich sogar verbietet. Denn die eigentliche Dimension von Kunst liegt darin, Wahrnehmungsgrenzen zu überschreiten, neue Gedankenräume zu betreten, Denkweisen in Frage zu stellen etc. (Nicht zu fassen II) Bei der Beschäftigung mit Sigmar Polke und seinem Werk fällt auf, dass immer wieder davon berichtet wird, der Künstler sei oft nicht zu erreichen gewesen. Zutreffend scheint sogar, dass er sich zurückzog, rarmachte, als Person flüchtig war. Der Graphiker und Verleger Klaus Staeck, den seine über vierzig Jahre währende enge Zusammenarbeit mit Sigmar Polke verbindet, sagt im Jahr 2011 in einem Interview über Sigmar Polke „Wir alle hatten große Mühe, ihn zu erreichen ... In meinem Archiv habe ich über 100 Faxe gefunden. Alles Versuche, ihn zu er- reichen. Mein Bitten, Drängen und vorsichtiges Drohen war allerdings meist ver- geblich.“ Von nicht wie geplant stattfindenden, aufgeschobenen Verabredungen erzählt Klaus Staek auch in einem Interview mit Burkhard Müller-Ullrich, das dieser aus Anlass des Todes von Sigmar Polke 2010 für Deutschlandradio führte. Müller-Ullrich: … Sie sagten, er lebte zurückgezogen, das ist noch ein Euphemis- mus. Er war biestig gegenüber sogar seinen Förderern. Er hat Leute draußen vor der Tür stehen lassen, er hat Briefe nicht beantwortet. Wenn man mal an ihn rankam, war er dann anders?
Staeck: Er war ganz einfach freundlich. Ich habe einmal erlebt, dass auch ich vor der Tür stehen musste, dann kam aber später ein Anruf, er konnte gerade nicht, oder es war ein Zettel ein anderes Mal an der Tür, musste nun doch woanders hin, also das passierte, aber das wusste man. Also es hat Leute ge- geben, die aus Amerika sich mit ihm verabredet hatten und auch einen Zettel an der Tür fanden nach dem Motto: Tut mir leid, heute ging es nicht. In seinem Band „Rasterfahndung“, den Klaus Staeck im Jahr nach dem Tod von Sigmar Polke veröffentlichte, gibt er Einblicke in die oben erwähnten Zettel und Faxe, indem er einige von ihnen ganzseitig abbildet und so für sich sprechen lässt. Johanna Köster, Gilbert Handler, Jürgen Sarkiss, Luzian Hirzel, Sebastian Schulze, Vivienne Causemann, Nico Raschner
Lieber Klaus! Ich bin gegen 3.00 wieder da laufe nicht weg, wenn es etwas später ist (wird) Salü Sigmar [23.10.95] oder DIENSTAG 14.12.99 Lieber Sigmar Neue RUNDE Neues GLÜCK? Geht es heute (DIENSTAG) O morgen (MITTWOCH) O übermorgen (DONNERSTAG) O Nächste Woche? Zwischen den Jahren? Gib den Reihern Futter! Herzlich Klaus Mit roter Tinte hat Polke die Passage „heute (DIENSTAG) O morgen (MITT- WOCH) O“ durchgestrichen, vor die Zeilen „Nächste Woche?“ und „Zwischen den Jahren?“ je einen Pfeil gemacht, unter die FUTTER-Zeile notiert: „Gib dem Beuys die Butter!“
Am Ostermontag, 24. April 2000 beantwortet Polke ein Fax von Staeck, mit dem dieser ihm die „FREUNDLICHE ERINNERUNG“ zukommen lässt, dass sie für Mittwoch, den 26. April, 15 Uhr verabredet seien, indem er das Fax in Gänze mit einem großen Kreuz durchkreuzt, den Termin zusätzlich durchstreicht und den rechten Rand entlang ergänzt: „Lieber Klaus, bitte noch nicht kommen, bin verhindert!!!“ Am linken Rand entlang schlägt Polke einen neuen Termin vor: „Geht erst ab 8. Mai“. Das daneben abgedruckte Fax von Staeck mit seiner Anfrage bezüglich der Verabredung für den von Polke in Aussicht ge- stellten 8. Mai, nebst Uhrzeit, beantwortet Polke positiv, teilt dann aber wenige Tage später mit einer Notiz mit: 5.5.2000 Lieber Klaus! Staeck Ich muss leider Nach Frankreich für 14 Tage so etwa. Am 8. Mai läuft nix. Junge kommt bald wieder Freundschaft! Sigmar Dieses als Einblick, was gemeint sein kann, wenn von der Unerreichbarkeit von Sigmar Polke als Person die Rede ist. Ralph Blase
Hinweise zu Inspirationsquellen für Kostüm und Maske für Johanna Köster, Gilbert Handler, Jürgen Sarkiss die Höheren Wesen finden Sie am Ende dieses Programmheftes.
Novalis, 1799 … je mehr sich die Geschichte der eu- die, vom Strom des Zufalls getrieben ropäischen Menschheit dem Zeitraum und auf ihm schwimmend, eine Mühle der triumphierenden Gelehrsamkeit an sich, ohne Baumeister und Müller, näherte, und Wissen und Glauben in und eigentlich ein echtes Perpetuum eine entschiedene Opposition traten, mobile, eine sich selbst mahlende suchte man im Glauben den Grund Mühle sei. der allgemeinen Stockung, und durch Ein Enthusiasmus ward großmütig das durchdringende Wissen hoffte dem armen Menschengeschlechte man sie zu heben. Überall litt der übriggelassen und als Prüfstein der heilige Sinn unter den mannigfachen höchsten Bildung jedem Aktionär Verfolgungen seiner bisherigen Art, derselben unentbehrlich gemacht – seiner zeitigen Personalität. Das der Enthusiasmus für diese herrliche, Resultat der modernen Denkungsart großartige Philosophie und ins- nannte man Philosophie und rechnete besondere für ihre Priester und ihre alles dazu, was dem Alten entgegen Mystagogen. war, vorzüglich also jeden Einfall Frankreich war so glücklich, der gegen die Religion. Der anfängliche Schoß und der Sitz dieses neuen Personalhass gegen den katholischen Glaubens zu werden, der aus lauter Glauben ging allmählich in Hass ge- Wissen zusammengeklebt war. So gen die Bibel, gegen den christlichen verschrien die Poesie in dieser neuen Glauben und endlich gar gegen die Kirche war, so gab es doch einige Religion über. Noch mehr – der Reli- Poeten darunter, die des Effekts gionshass dehnte sich sehr natürlich wegen noch des alten Schmucks und und folgerecht auf alle Gegenstände der alten Lichter sich bedienten, aber des Enthusiasmus aus, verketzerte dabei in Gefahr kamen, das neue Phantasie und Gefühl, Sittlichkeit Weltsystem mit altem Feuer zu ent- und Kunstliebe, Zukunft und Vorzeit, zünden. Klügere Mitglieder wussten setzte den Menschen in der Reihe jedoch die schon warmgewordenen der Naturwesen mit Not oben an und Zuhörer sogleich wieder mit kaltem machte die unendliche schöpferische Wasser zu begießen. Die Mitglieder Musik des Weltalls zum einförmigen waren rastlos beschäftigt, die Natur, Klappern einer ungeheuren Mühle, den Erdboden, die menschlichen
Seelen und die Wissenschaften von sollte. Das gemeine Volk wurde der Poesie zu säubern, jede Spur recht mit Vorliebe aufgeklärt und des Heiligen zu vertilgen, das An- zu jenem gebildeten Enthusiasmus denken an alle erhebenden Vorfälle erzogen, und so entstand eine neue und Menschen durch Sarkasmen zu europäische Zunft: die Philanthropen verleiden und die Welt alles bunten und Aufklärer. Schade, dass die Natur Schmucks zu entkleiden. Das Licht so wunderbar und unbegreiflich, so war wegen seines mathematischen poetisch und unendlich blieb, allen Gehorsams und seiner Frechheit ihr Bemühungen, sie zu modernisieren, Liebling geworden. Sie freuten sich, zum Trotz. Duckte sich ja irgendwo dass es sich eher zerbrechen ließ, als ein alter Aberglaube an eine höhere dass es mit Farben gespielt hätte, und Welt und sonst auf, so wurde sogleich so benannten sie nach ihm ihr großes von allen Seiten Lärm geblasen, und Geschäft „Aufklärung“. In Deutsch- womöglich der gefährliche Funke land betrieb man dieses Geschäft durch Philosophie und Witz in der gründlicher, man reformierte das Er- Asche erstickt. Dennoch war Toleranz ziehungswesen, man suchte der alten das Losungswort der Gebildeten Religion einen neueren vernünftigen, und besonders in Frankreich gleich- gemeinern Sinn zu geben, indem bedeutend mit Philosophie. Höchst man alles Wunderbare und Geheim- merkwürdig ist diese Geschichte nisvolle sorgfältig von ihr abwusch; des modernen Unglaubens und der alle Gelehrsamkeit ward aufgeboten, Schlüssel zu allen ungeheuren Phäno- um die Zuflucht der Geschichte abzu- menen der neueren Zeit. schneiden, indem man die Geschichte zu einem häuslichen und bürgerlichen Sitten- und Familien-Gemälde zu veredeln sich bemühte. Gott wurde zum müßigen Zuschauer des großen rührenden Schauspiels, das die Ge- lehrten aufführten, gemacht, welcher am Ende die Dichter und Spieler feierlich bewirten und bewundern
Vivienne Causemann, Nico Raschner, Sebatian Schulze
Alchemie Magie Kosmos Mittelalter Ein Glossar Schon das Anführen weniger Quellen und Bezüge verweist auf die Komplexi- tät von Sigmar Polkes Schaffen und Werk und lassen dessen tiefgehenden Beschäftigungen hinter dem sichtbaren Werk erahnen. Der folgende Glossar behauptet dabei keine Vollständigkeit gegenüber dem Text WIR REDEN ÜBER POLKE, DAS SIEHT MAN DOCH!, schon gar nicht gegenüber dem Werk und Schaffen Sigmar Polkes. Achat ist eine Varietät des Minerals Isaak Abraham wird von Gott aufge- Quarz, die ausschließlich mikrokristalli- fordert, seinen Sohn Isaak zu Opfern. ne Mineral-Aggregate in Form von Ein Engel verhindert die Tötung Isaaks. Drusen und Mandeln bildet. Stattdessen wird ein Widder geopfert. Sigmar Polke verarbeitet diese Farbpigmente Farbgebende Substan- Geschichte in einem der Fenster des zen. Im Gegensatz zu Farbstoffen sind Grossmünsters in Zürich. sie im Anwendungsmedium praktisch unlöslich und liegen dort als Feststoff- Punkteraster und Rasterpunkte Teilchen vor. Das Anwendungsmedium kommen bei Drucktechniken wie umschließt die Pigmente im Regelfall Siebdruck und Offsetdruck zur Anwen- an allen Seiten. Verwendet werden dung. Das Bild setzt sich aus Punkten meist Bindemittel wie Öle, Wachse zusammen, die durch ihre Größen oder Kunststoffe. helle und dunkle Stellen des Drucks bestimmen. Mönch 1382 vollendete John Wyclif, Sigmar Polke setzt dieses Prinzip der 1415 postum als Ketzer verurteilt während seiner gesamten Laufbahn wurde, mit seinen Übersetzungs- malerisch um und schafft Variationen. kollegen seine früher begonnene Bibelübersetzung aus der Vulgata ins Englische. Sie wurde die erste maß- gebliche Übersetzung in England nach dem Frühmittelalter.
Schweinfurter Grün ist ein auffällig Meteorstaub Extraterrestrisches grün leuchtendes und lichtbeständiges Material. Meteroide befinden sich auf Arsenpigment. Es wurde 1805 erst- festen Umlaufbahnen in unserem mals hergestellt. Eine kleine Pigment- Sonnensystem. Tritt einer in die Erdat- körnung führt zu einem helleren Grün. mosphäre ein, wird er Meteor genannt Durch Säuren, Alkalien und Schwefel- und es tritt eine Leuchterscheinung wasserstoff wird das Pigment zersetzt. auf. Liegt der Körper dann auf der Schweinfurtergrün wirkt akut toxisch Erdoberfläche heißt er Meteorit. beim Einatmen und Verschlucken. Die große Gefahr geht von einer Zerset- Kartoffel ein auch in Deutschland zung aus, wenn sich organische Arsen- zentrales Nahrungsmittel. Obwohl verbindungen oder Arsenwasserstoff es dort erst Ende des achtzehnten bilden. Die Vergiftungssymptome ent- Jahrhunderts auf Betreiben des sprechen dann denen von Arsen. Seit Arztes und Landwirtschaftsreformers 1882 ist es in Deutschland verboten. Albrecht Thaer eingeführt wurde, um der Unterernährung weiter Teile Purpurschnecken Aus einem Schleim der Bevölkerung entgegenzuwirken, aus einer Drüse an der Atemhöhlen- wird „deutsch“ und „Kartoffel“ häufig wand der Schnecke wird ein gelbes miteinander in Verbindung gebracht. Sekret gewonnen. Um ein Gramm des Auch während Polkes Kindheit spielt Farbstoffs zu gewinnen bedarf es rund die Kartoffel eine große Rolle in Er- 8000 Schnecken. nährungsfragen, sowohl während des Nationalsozialismus, wie auch in Thermo- und Hydrosensible Farben der Nachkriegszeit. Vor seinem Text reagieren auf klimatische Bedingun- WIR REDEN ÜBER POLKE, DAS SIEHT gen mit Farbveränderung, wie ein von MAN DOCH! bemerkt Gerhard Meister Polke im Deuschen Pavillion auf der u.a.: „Was die Bühne angeht, da hatte Biennale von Venedig 1986 verwende- ich zuweilen eine ums Mehrfache tes Kobaldchlorid. vergrösserte Kopie von Polkes Kartof- felmaschine vor dem inneren Auge, die sich als Turngerät und Karussell gebrauchen lässt.“
Polke schuf 1967 sein „Kartoffelhaus“, Hermes Trismegistos Dem wichtigsten ein bemaltes Hausgerüst mit Kar- Patron der Alchemisten wird eine toffeln und 1969 die oben erwähnte göttliche Gestalt zugeordnet, die Kartoffelmaschine: „Apparat mit dem Lüge, Subversivität und Tiefsinnigkeit eine Kartoffel eine andere umkreisen verbindet. Obwohl eine imaginäre kann“ – Holzgestell, batteriebetriebe- Gestalt, werden ihm Urheberschaften ner Elektromotor, zwei Austauschbare zentraler Schriften der Alchemie zu- Kartoffeln. geordnet. Die Alchemie wurde mit der sog. Aufklärung und dem damit ver- Wirtschaftswunder ist ein für die bundenen Wissenschaftsverständnis Epoche der Nachkriegszeit geprägtes zurückgedrängt, diskreditiert, so dass Schlagwort, das den wiedererlangten sie sich auf den Status einer Geheim- Wohlstand in Deutschland nach der wissenschaft zurückzog. Katastrophe des 1945 geendeten Nationalsozialismus und Krieges Risus sardonicus Sardonisches bezeichnet; steht gleichzeitig für Lachen – hämisch wirkendes Lachen. das Bedürfnis, die Verbrechen des Tritt auch als pathologisches Symptom Nationalsozialismus zu vergessen. auf, wenn es zu einer krankhaften Dieser verlogene Versuch, mittels Kontradiktion der Gesichtsmuskulatur dieses Common sense, sich von der kommt; kann z. B. durch Wundstarr- Vergangenheit zu distanzieren, wurde krampf oder Vergiftung durch Strych- von Sigmar Polke kritisch gesehen nin hervorgerufen werden. und fand immer wieder Resonanzen in seinem Werk. Autopoiesis bedeutet die Hervorbrin- gung von etwas als Werk seiner selbst Aldebaran (αTauri) ist ein Stern im (Selbstherstellung), die Produktion Sternbild Stier. eines lebenden Systems aus dem Netzwerk der Elemente, aus denen es besteht.
Uluru, auch Ayers Rock genannt, ist Malachit auch als Kupferspat sowie ein gewaltiger Sandsteinmonolith in- Berg- oder Kupfergrün oder schlicht mitten des trockenen „Red Centre“ im Grünspan bekannt, ist ein häufig vor- australischen Bundesstaat Northern kommendes Mineral aus der Mineral- Territory. Den australischen Ureinwoh- klasse der „Carbonate und Nitrate“. nern gilt der Uluru als heilig. Schätzun- Er ist damit chemisch gesehen ein gen zufolge entstand der Felsriese vor basisches Kupfercarbonat. rund 550 Millionen Jahren. Er liegt im Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark, in dem Lapislazuli ist ein lichtechtes, sulfidhal- sich auch die 36 roten Felskuppeln der tiges Aluminiumsilikat. Dieses Pigment Kata-Tjuta-Formation (genannt „The findet seit dem Altertum Verwendung, Olgas“) befinden. z. B. auf sumerischen Mosaiken aus Ur (liegt im heutigen Irak), die auf 3000 Azurit Dieses blaue Mineral entsteht v. Chr. datiert werden. Bevor 1830 durch Verwitterung von Kupfersulfiden Ultramarinblau künstlich hergestellt und ist ein basisches Kupferkarbonat. wurde, bildete Lapislazuli seine Basis. Das aus Azurit gewonnene Pigment ist im Vergleich zum Lapislazuli eher Chrom ist ein chemisches Element. grünlich. Azurit ist seit dem Mittelalter Es zählt zu den Übergangsmetallen, das wichtigste Blaupigment in Europa, im Periodensystem steht es in der 6. verändert sich unter Einfluss von Nebengruppe oder Chromgruppe. Die Schwefelwasserstoff ins schwärzliche Verbindungen von Chrom haben viele und durch Abgabe von Wasser- und verschiedene Farben und werden oft Kohlenstoffdioxid ins grünliche; wird als Pigmente in Farben und Lacken dabei zu Malachit. Seit Beginn des 18. verwendet. Jahrhunderts führte die Herstellung von Preußisch Blau und später Ultra- marinblau zu einer immer weniger werdenden Verwendung von Azurit.
Mangan Ein Pigment, das aus dem Auripigment Giftiges, goldgelbes Mineral Pyrolusit gewonnen wird und Mineral, mit dem sich ein leuchtendes Managanschwarz genannt wird. Durch Gelb erzeugen lässt. Auch ein synthe- häufige Verunreinigung durch Eisen- tisches Auripigment, dass schon im 15. oxide entsteht ein sehr dunkler Grau- Jahrhundert hergestellt wurde, gilt als ton. Manganhaltige Schwarzpigmente giftig, giftiger als das aus dem Mineral wurden bereits in der Höhlenmalerei gewonnene Pigment. benutzt. Realgar, auch Rauschrot genannt, ist Eisenoxide In die Urmeere einschla- ein Arsensulfid von rötlicher Farbe. gende Meteoriten reicherten diese Sein arabischer Name „rahl el ghar“ mit Eisensalzen (Eisenchlorid) an und lässt sich mit „Pulver der Mine“ über- lagerten sich dann im Boden ab. Seit setzen, bedeutet aber auch „Tod-den- der Höhlenmalerei werden Eisenoxide Ratten“. als Pigmente verwendet und sind bis heute wegen ihrer Lichtbeständigkeit Bleiweiß, auch Bleihydroxidkarbonat wichtige Bestandteile für Gelb- und genannt, ist ein basisches Bleicarbo- Rotpigmente, auch für Lebensmittel- nat, ein bedeutendes Weißpigment farben. seit dem Altertum. Bleiweiß ist lichtbe- ständig, hat eine sehr hohe Deckkraft. Zinnober Als Pigment bereits in Euro- Mit ihm kann auch, je nach verwende- pa in der Antike bekannt, seit über tem Bindemittel, ein sehr hoher Glanz 3000 Jahren schon in China. Wich- erzeugt werden. Es ist seit der Antike tiges Erz für Quecksilbergewinnung. bekannt, dass es giftig ist. Denn es ent- War auch unter Alchemisten bekannt, hält Blei-Ionen. die sich intensiv mit seiner Wandlungs- fähigkeit beschäftigten, z. B. durch Erhitzen elementares Quecksilber herausdestillierten.
Kunstharzlacke werden als Grundie- Turmalin Die Edelsteine der Tur- rungen auf Malgründe aufgetragen, malin-Gruppe existieren in den z. B. auf Polyestergewebe. Wird das unterschiedlichsten Farben, mehr als Gewebe beidseitig behandelt, wird fünfzig verschiedenen Farbnuancen es transparent. Das orangefarbene – angefangen bei farblos über rosa, Pigment Mennige wird schon seit der rot, gelb, braun, grün, blau bis hin Antike aus Bleimonoxid gewonnen. zu schwarz. Turmaline gehören zur Gruppe von Mineralen der Silikate. Konche Wortbedeutung „Muschel“, Aufgrund des Farbenreichtums des in der Architektur eine halbrunde Edelsteins Turmalin gilt er als Stein Einbuchtung oder Nische. In der Kir- des Regenbogens, zu dem zahlreiche chenarchitektur auch Apsis genannt. mystische Legenden existieren. Der Im Ausstellungsraum bei der Biennale Turmalin hat oftmals die faszinierende in Venedig fand Sigmar Polke eine Eigenart in verschiedenen Farben zu Konche vor, die er mit Farbe ausmalte, schimmern – je nachdem wie das Licht die auf das Raumklima reagierte, sich auf ihn fällt. Dieses Schimmern wird rosa und eisblau verfärbte. Pleochroismus genannt. Tellurium Lateinischer Name für das Flucht Marias aus Ägypten Nachdem Element Tellur, von lat. tellus, die Erde. die Sterndeuter fortgezogen waren, Mit Tellurium werden auch Geräte be- kam ein Engel des Herrn im Traum zu zeichnet, mit denen die Bewegung von Josef und befahl ihm: „Steh schnell Erde und Mond demonstriert wird. auf und flieh mit dem Kind und seiner V. Causemann assoziiert als Abwand- Mutter nach Ägypten! Bleibt so lange lung eines Telluriums den Kartoffel- dort, bis ich dir etwas anderes sage, apparat Polkes. denn Herodes lässt das Kind suchen und will es umbringen.“ Da brach Asteroiden(gürtel) Zwergplaneten Josef noch in der Nacht mit Maria und zwischen Mars und Jupiter, Brocken, dem Kind nach Ägypten auf. die durchaus auch kartoffelförmig sein (Matthäus 2_13 – 16) können.
Ausstellungen – Preise – Lebensdaten 1941 Geboren am 13. Februar in Oels / Schlesien (Ostdeutschland, heute Polen). 1945 Flucht nach Thüringen. 1953 Übersiedlung über Berlin-West nach Düsseldorf. 1959 – 1960 Glasmalerlehre in Düsseldorf-Kaiserswerth. 1961 – 1967 Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf. 1963 Erste öffentliche Ausstellung in Düsseldorf. 1966 Kunstpreis der deutschen Jugend, Baden Baden (mit Klaus Geldmacher und Dieter Krieg). Erste Einzelausstellung, Galerie René Block, Berlin. 1970 – 1971 Gastprofessur an der Hochschule für Bildende Künste, Hamburg. 1972 Übersiedlung in den Gaspelshof in Willich/Niederrhein. Teilnahme an der Dokumenta V, Kassel. 1974 Reise nach Pakistan und Afghanistan. 1975 Preis der Stadt São Paulo aus Anlass der XIII. Bienale São Paulo. 1976 Große Wanderausstellung in der Kunsthalle Tübingen (danach Städtische Kunsthalle, Düsseldorf und Stedelijk Abbemuseum, Eindhoven). 1977 Teilnahme an der Dokumenta VI, Kassel. 1978 Übersiedlung nach Köln. 1982 Will-Grohmann-Preis, Akademie der Künste, Berlin. Teilnahme an der Dokumenta VI, Kassel. 1984 Kurt-Schwitters-Preis der Stadt Hannover. Erste große Einzelausstellung in der Schweiz im Kunsthaus Zürich (danach Kunsthalle Köln) 1986 Großer Preis für Malerei (Goldener Löwe) XLII. Biennale di Venezia, Venedig 1987 Lichtwark-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg. 1988 Internationaler Kunstpreis des Landes Baden-Württemberg. 1990 Monografische Wanderausstellung in San Francisco Museum of Modern Art (danach Hirshhorn Museum und Sculpture Garden Smithsonian Institution, Washington/D.C.; Museum of Contemporary Art Chicago; Brooklyn Museum, New York). Große Retrospektive der Fotografie in der Kunsthalle Baden-Baden. 1993 Lovis-Corinth-Preis, Regensburg. 1994 Premium Erasmianum, Amsterdam. 1995 Carnegie International Prize, Pittsburgh, Pennsylvania. Große Wanderretrospektive der Fotografien, The Museum of Contemporary Art (MOCA), Los Angeles (danach Site Santa Fe; Corcoran Gallery of Art, Washing- ton/D.C. 1996 Kunstpreis der NORD/LB (Norddeutsche Landesbank). 1997 Große Wanderretrospektive in der Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn (danach Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin).
1998 Art Award der 14th Anual Infinity Awards des International Center of Pho- tography, New York für die Verwendung von Fotografie und anderen Medien. 1999 Überblicksausstellung der Arbeiten auf Papier 1963 – 1972 im Museum of Modern Art, New York und in der Hamburger Kunsthalle. 2000 Kaiserring der Stadt Goslar Ausstellung im Museum für neue Kunst, ZKM Karlsruhe. 2000 – 2001 Wanderausstellung der gesamten Edition im Württembergischen Kunstverein Stuttgart (danach Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn; Kunsthaus Zürich) 2001 Rhenus Kunstpreis des Mönchengladbacher Unternehmers Rhenus Lub. 2002 Praemium Imperiale der Japan Art Association. 2003 – 2004 Große Wanderausstellung mit Malerei und Zeichnungen 1998 – 2003 im Dallas Museum of Art (danach Tate Modern, London) 2007 – 2008 Sigmar Polke. Original und Fälschung, Kunsthalle Tübingen. 2009 – 2010 Sigmar Polke. Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinnen. Die 1970er Jahre, Hamburg Kunsthalle 2010 Sigmar Polke stirbt am 10. Juni in Köln. 2011 Sigmar Polke – Eine Hommage. Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/ Staeck, Akademie der Künster, Pariser Platz, Berlin. 2014 – 2015 Retrospektive Alibis: Sigmar Polke 1963 – 2010, Museum of Modern Art, New York; Tate Modern, London; Museum Ludwig, Köln. Johanna Köster, Vivienne Causemann, Luzian Hirzel, Sebastian Schulze, Nico Raschner, Gilbert Handler
Literaturnachweis Alchemist und Ironiker / Klaus Staeck im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich, deutschlandradio 2010. Curiger, Böhme, Seegers (Hg.): Sigmar Polke Werke & Tage. Köln 2005. Klaus Staeck über seine Freundschaft mit Sigmar Polke, adk.de 2011. Novalis: Die Christenheit oder Europa, Ein Fragment. 1799. Nach: projekt-guten- berg.org Für die Zusammenstellung des Glossars benutzte Quellen: kunstforum.de; rene- sim.com; seilnacht.com; wikipedia.org und Curiger, Böhme, Seegers (Hg.): a. a. O. Die Texte „Zum Einstieg“, „Mit Gerhard Meister durch das Schaffen von Sigmar Polke“, das „Interview mit dem Autor Gerhard Meister / Nach dem Polken“ und "Nicht zu fassen I + II" sind als Originalbeiträge für dieses Programmheft ent- standen. Für die Stückzitate Gerhard Meister WIR REDEN ÜBER POLKE, DAS SIEHT MAN DOCH!, Auftrags- werk für das Vorarlberger Landestheater Uraufführung 06.11.2021, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021. Kostüm und Maske für Höhere Wesen sind inspiriert von (im Bild v. l.) Remedios Varo: Creación de las Aves (Erschaffung der Vögel), 1958 Leonora Carrington: Bird Superior, Portrait of Max Ernst, 1939 Leonora Carrington: Portrait of the late Ms. Partridge, 1947
Luzian Hirzel, Nico Raschner, Vivienne Causemann
Sie haben immer noch kein Bild von Polke? Aber was haben Sie da jetzt in Ihrem Kopf? Impressum Vorarlberger Landestheater · Seestraße 2 · 6900 Bregenz info@landestheater.org · www.landestheater.org Intendantin · Stephanie Gräve Geschäftsführer · Werner Döring Redaktion · Ralph Blase · Fotografie · Anja Köhler Gestaltung · Ellen Tiefenbacher landestheatervorarlberg vorarlbergerlandestheater landestheater.org
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