"ÄRZTLICH BEGLEITETER SUIZID IN DER SCHWEIZ" - Elke M. Baezner-Sailer EXIT Dt. Schweiz, 2004

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"ÄRZTLICH BEGLEITETER SUIZID
 IN DER SCHWEIZ"

Elke M. Baezner-Sailer
EXIT Dt. Schweiz, 2004
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Index

1.    Proportionen

2.    Ablauf einer Freitod-Begleitung

3.    Geburtshelfer - Sterbehelfer

4.    Rechtliche Grundlagen

5.    Sterbetourismus

6.    Definitionen

7.    Patienten-Verfügungen

8.    Patientenrechte

9.    Gründe für Freitodhilfe

10.   Autonomiebestreben, "slippery slope" und Dammbrüche

11.   Mündigkeit und Selbstbestimmung

12.   Neue Direktiven der Ethik-Kommission der SAMW

13.   Schlussbemerkung

14.   Anmerkungen

15.   Literatur-Verzeichnis

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Das Thema meines Vortrages ist als "Ärztlich begleiteter Suizid in der Schweiz" ange-
kündigt.
Dazu gab es bis Februar dieses Jahres allerdings nicht viel zu berichten. Die SAMW
(Schweizer Akademie der Medizinischen Wissenschaften) hat, seit die Diskussion um
Freitod- und Sterbehilfe seit nunmehr 24 Jahren in der Schweiz öffentlich ausgetragen
wird, immer wieder betont, Sterbehilfe, also Hilfe zum Sterben, gehöre nicht zu den
ärztlichen Tätigkeiten.
Dagegen haben Schweizer Ärzte in einer Umfrage, die letztes Jahr anonym durchge-
führt worden ist, zugegeben, in 400 Fällen Sterbehilfe geleistet zu haben. Inoffiziellen
Hochrechnungen zufolge sollen es weit mehr Patienten sein, denen in Schweizer Kran-
kenhäusern und Pflegeheimen nicht nur beim, sondern auch zum Sterben geholfen
wird.
Lassen Sie mich daher – bevor ich auf den jüngsten Kurswechsel der Standesvertre-
tung der Schweizer Ärzte eingehe – die bisherige Praxis in der Schweiz erklären:

1. Proportionen
7,36 Millionen Einwohner, 5 Sterbe- und Freitod-Hilfe-Organisationen (EXIT Deutsche
Schweiz, EXIT ADMD Suisse romande, Dignitas, Ex-International und SuizidHilfe): das
ist die Situation heute in der Schweiz.
Die Mitgliederzahl aller Vereinigungen zusammen liegt bei etwa 62 000, davon entfallen
50 000 allein auf EXIT Deutsche Schweiz, auf die ich mich hauptsächlich beziehe, weil
ich sie nach insgesamt 17 Jahren Vorstandsarbeit in den beiden Schweizer EXIT-
Vereinigungen, davon 4 Jahre als Präsidentin von EXIT Dt. Schweiz, am besten kenne.

Die Zahl der jährlichen Todesfälle in der Schweiz liegt bei etwa 64 000: Davon entfielen
im vergangenen Jahr 181 auf Mitglieder der beiden EXIT-Vereinigungen: 131 bei EXIT
Dt.Schweiz, 50 bei EXIT ADMD Suisse romande. 181 Fälle also von gewünschter, ge-
planter Freitodhilfe auf 64 000 Todesfälle im Jahr 2003.

2. Ablauf einer Freitodbegleitung
Der Ablauf einer Freitodbegleitung durch EXIT ist schnell geschildert, wenn auch nicht
leichten Herzens getan:
Wer EXIT um Freitodhilfe ersucht,
a - muss Mitglied sein und sich persönlich an uns wenden. "EXIT nimmt urteilsfähige
Personen, die das 18.Altersjahr vollendet haben, als Mitglieder auf, sofern sie das
schweizerische Bürgerrecht besitzen oder in der Schweiz wohnhaft sind" (1) oder zu-
mindest über einen Zweitwohnsitz in der Schweiz verfügen. Freitod- bzw. Suizidhilfe ist
rechtlich nur auf Schweizer Boden möglich.
b - Das Mitglied muss nachweislich an einer tödlichen Krankheit in einem irreversiblen
Stadium leiden, oder an einer – für ihn/für sie – unzumutbaren Behinderung, oder an
unerträglichen Beschwerden ohne Aussicht auf Heilung oder doch wenigstens
Linderung.
c - Ein Freitod-Begleiter/in nimmt mit der Person selber, aber auch mit ihrem sozialen
Umfeld Kontakt auf, um sich über die Gründe für den Freitodwunsch, über die medizini-
sche Situation und die Lebensverhältnisse zu informieren und v.a. eine Vertrauensbasis
zu schaffen – ein Kontakt, der sich im Durchschnitt über 2 - 4 Monate hinzieht,

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manchmal über 1 - 2 Jahre, der sich in extremen Notsituationen aber auch nur auf ein
paar Tage beschränken kann.
Es muss geklärt werden, ob der/die Sterbewillige zurechnungs- und handlungsfähig ist,
ob ein dauerhafter, stabiler, nicht von Drittpersonen beeinflusster Sterbewunsch vor-
liegt. Und es muss klar sein, dass alle Therapie-Möglichkeiten ausgeschöpft sind – so-
fern der Patient das wünscht.
d - EXIT verwendet ausschliesslich die medikamentöse Methode, ein hochdosiertes
Barbiturat, das nur auf ärztliches Rezept erhältlich ist.
Wenn der behandelnde Arzt das Rezept hierfür nicht ausstellen will – und diese Wahl
steht ihm jederzeit frei – verfügen wir über ein Netz von Vertrauensärzten, die nach dem
Studium des Dossiers den Patienten aufsuchen, mit ihm die Situation noch einmal ab-
klären, und, wenn auch sie zum Schluss kommen, Hilfe sei nötig, das Rezept aus-
schreiben. Normalerweise konsultiert dieser Vertrauensarzt auch den behandelnden
Arzt oder das Krankenhaus, im Einvernehmen mit dem Patienten.
Zweifelsfälle werden unserer Ethik-Kommisson unterbreitet.
e - Das Mittel wird vom Apotheker ausschließlich dem Arzt, EXIT oder dem Freitodbe-
gleiter ausgehändigt, nie dem Mitglied direkt, und auch nie "auf Vorrat", um jeden Miss-
brauch zu verhindern.
f - Der Kranke bestimmt den Todestag, ein Datum, das jederzeit verschoben oder auch
annulliert werden kann.
g - Erst wenn der Sterbewillige vor aktenkundigen Zeugen eine Freitoderklärung unter-
zeichnet hat, übergibt ihm der Freitodbegleiter das Glas mit 10 – 15 g in Wasser aufge-
löstem Natrium-Pento-Barbital. (3 - 5 g dieses Barbiturates in reiner Form wirken bereits
tödlich.) (2) Wegen der Gefahr des Erbrechens nimmt der Sterbewillige zuvor ein Anti-
Emetikum in Pillen- oder Zäpfchenform. Der Kranke fällt, genau wie bei einer Anästhe-
sie, innerhalb weniger Minuten und ohne jedes Anzeichen von Schmerz in ein tiefes
Koma. Die Atmung setzt nach 10, 20, 30 Minuten aus, manchmal auch erst nach Stun-
den, aber immer, ohne Ausnahme, mit Todesfolge, ohne dass der Patient das Bewusst-
sein wieder erlangt hätte.
Neben dem Freitodbegleiter ist immer mindestens eine zweite Person als Zeuge dabei:
das kann ein weiterer Freitodbegleiter sein, oder gern auch ein Familienmitglied oder
Freund, oder der behandelnde Arzt.
EXIT begrüßt es zwar, wenn die nächsten Angehörigen oder dem Sterbenden naheste-
hende Personen einverstanden und anwesend sind in der Todesstunde. Wir möchten
wann immer vermeiden, dass die Familie unvorbereitet vor vollendete Tatsachen ge-
stellt wird. Aber die Entscheidung liegt letztlich allein beim Kranken.
Laut einer repräsentativen IPSO-Umfrage (3) unter der gesamten Schweizer Bevölke-
rung im Jahr 2000 wurden als Begleitpersonen gewünscht:
zu 90 % Verwandte, Familie, Freunde, zu 22 % Ärzte, 11% zogen den Beistand eines
Pfarrers vor, und 11 % die Gegenwart eines Freitodbegleiters.
h - Nachdem der Freitodbegleiter den Tod festgestellt hat, ruft er die Polizei, denn nach
schweizerischem Recht muss diese bzw. der beigezogene Amtsarzt jeden "außerge-
wöhnlichen", also nicht-natürlichen Todesfall untersuchen, um sicherzustellen, dass
kein Verbrechen vorliegt.

Dieses Verfahren zeigt die Wichtigkeit eines erfahrenen Begleiters: er steht dem Ster-
benden bei, wacht über die Ausführung seiner Wünsche, schirmt ihn ab vor unvorher-
gesehenen Zwischenfällen, und er hilft auch der Familie bei der praktischen wie
emotionalen Vorbereitung sowie im Umgang mit den Behörden.

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Unsere Freitod-Helfer sind zwar Laien in dem Sinne, als sie, von Ausnahmen abgese-
hen, nicht Ärzte sind, aber alle verfügen über die nötige menschliche und berufliche Er-
fahrung und Ausbildung für ihre Aufgabe. Das hat auch ein vom Institut für
Angewandte Psychologie in Zürich speziell für EXIT entwickelter Eignungstest
bestätigt, dem sich letztes Jahr alle Begleiter unterzogen haben.
Der Sorgfaltspflicht ist, wie Sie sehen, damit wohl Genüge getan.

3. Geburtshelfer – Sterbehelfer
Lassen Sie mich in ganz groben Zügen einen Vorschlag für einen neuen, aber gangba-
ren Weg entwickeln:
Am Anfang des Lebens, bei der Geburt, genügt im Normalfall eine Hebamme, ein Ge-
burtshelfer. Das ist eine solide Person mit einer soliden Ausbildung, die dem Arzt kei-
neswegs Konkurrenz macht, sondern komplementär mit ihm zusammenarbeitet. Der
Gynäkologe wird nur bei Komplikationen beigezogen. Beide Berufe begegnen sich mit
Respekt und viel Achtung voreinander.
Warum sollte es eigentlich, in Analogie zur Heb-Amme, ("la sage femme" auf franzö-
sisch: die Weise, die Wissende) keine ausgebildeten, anerkannten Sterbe-
Ammen/Sterbehelfer geben? Das kann ein Mann oder eine Frau sein, sensibel, solide
und, wie die Hebamme, ebenfalls mit einer seriösen, adäquaten Ausbildung. Das Ster-
ben zuhause oder im Krankenhaus könnte endlich (wieder) so natürlich gehandhabt
werden wie das Gebären, wo die Hausgeburten ja ebenfalls an Terrain gewinnen. Nur
bei Komplikationen müsste ein Arzt beigezogen werden.
Als Gegenstück zum Gynäkologen könnte man sich einen Facharzt mit der Qualifizie-
rung zum "Thanatologen" vorstellen. Kein Zweifel, er wäre anfangs der Missachtung
seiner Kollegen ausgesetzt wie anfangs, noch vor 20 Jahren, der Gerontologe, der heu-
te zu einer voll anerkannten Spezialität der Medizin geworden ist.
Der Weg, den EXIT Dt. Schweiz mit seiner sehr seriösen, fachspezifischen Ausbildung
der Freitodbegleiter/innen eingeschlagen hat, könnte durchaus richtungsweisend wer-
den für diese beiden neuen Berufszweige, und könnte damit viel zur Entkrampfung im
Verhältnis zwischen den Freitod-Organisationen und der Standesvertretung der Ärzte
beitragen – nicht nur in der Schweiz!

4. Rechtliche Grundlagen :
Viele glauben immer noch, die Sterbe- bzw. Freitodhilfe bewege sich in einer
Grauzone zwischen Mord und Selbstmord, sei eine Art aktiver Sterbehilfe auf Ver-
langen. Wahr ist, dass die Tätigkeit von EXIT auf geltendem schweizerischem
Recht beruht. Wir stützen uns auf Art. 115 des seit 1942 geltenden Schweizeri-
schen Strafgesetzbuches. Er ist übrigens fast identisch mit Art. 102 des alten
StGB aus dem Jahr 1898, das noch, allerdings vor einem anderen sozial-
geschichtlichen Hintergrund, von der Freitodhilfe als einer "Freundestat" sprach.
Art. 115 des heutigen Schweizer StG-Buches besagt:
"Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmord verleitet oder ihm
dazu Hilfe leistet, wird, wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde, mit
Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft."

Mit anderen Worten: ohne selbstsüchtige Motive ist diese Hilfe nicht strafbar. Das ist
auch logisch, weil kaum Beihilfe zu einer Tat strafbar sein kann, die ihrerseits straflos
ist. Das Gesetz definiert somit in keiner Weise die Personen oder Gruppen, die
Freitodhilfe gewähren dürfen. Es begrenzt nicht einmal die Anwendung auf be-
stimmte Situationen, wie z. B. das Endstadium einer Krankheit.

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Es herrschen z. Zt. Bestrebungen, auf kantonaler wie auf föderaler Ebene, den Freitod-
und Sterbe-Hilfe-Organisationen einen genauer definierten, wohl auch engeren gesetz-
lichen Handlungs-Rahmen zu geben in Form einer gesetzlichen Regelung der Sterbe-
und Freitodhilfe. Bundesrat Blochers Entschluss, das Thema Sterbehilfe für die Legisla-
turperiode 2003 - 2007 von der Prioritätenliste seines Polizei- und Justizdepartements
zu streichen, veranlasste den Züricher Staatsanwalt Dr. Andreas Brunner, ein kantona-
les Gesetz oder doch wenigstens eine Verordnung vorzuschlagen, in der Hoffnung, es
habe Schneeballwirkung auf die anderen Kantone und führe letztlich zu einer gesamt-
schweizerischen Regelung (4).
Sein Augenmerk gilt besonders den folgenden Punkten:
    - Richtlinien für die Auswahl und Ausbildung von Freitodbegleiter/innen und Ärzten
        sowie über deren Kontrolle;
    - Maßnahmen, um die Konstanz des Sterbewunsches zu sichern; Stichwort
        "schnelle Begleitungen";
    - Kriterien, um die Urteilsfähigkeit des Sterbewilligen, insbesondere des psychisch
        Kranken, festzustellen;
    - Richtlinien über den Einsatz von technischen Hilfsmitteln bei einer Freitodbeglei-
        tung, wie Perfusionen oder Magensonden. Übrigens wurde der in den USA und
        Australien verwendete sogenannte "EXIT-Bag" weder von EXIT "erfunden" noch
        je von uns eingesetzt! Wir lehnen diese Methode klar ab;
    - Beschränkung der Freitodhilfe auf Personen mit Wohnsitz in der Schweiz oder im
        Kanton Zürich;
    - Beteiligung der Freitodhilfe-Organisationen an den Kosten der Behörden;
    - Aussagepflicht der Freitodhelfer und ihrer Organisationen bei Ermittlungsverfah-
        ren;
    - Einbezug von 2 Ärzten anstatt des alleinigen rezeptierenden Arztes;
    - Richtlinien für Fälle, in denen ein Arzt unabhängig von einer Organisation ein
        Rezept für das NaP ausstellt: ein zunehmender Trend;
    - und v. a. eine Bewilligungspflicht für alle Suizidhilfe-Organisationen.
Grundsätzlich soll an der Straflosigkeit für Beihilfe zum Suizid nicht gerüttelt werden, es
geht vor allem darum, Missbrauch zu verhindern.
Staatsanwalt Brunner erteilte übrigens EXIT ein uneingeschränktes Lob für unsere be-
reits bestehenden vorbildlichen Richtlinien und Standards, insbesondere, was Auswahl,
Ausbildung und Supervision der Freitod-Begleiter anbelangt. Was nichts daran ändert,
dass er ausschließlich Sterbehilfe-Organisationen unter Kontrolle bringen möchte, nicht
aber die Zustände in den Krankenhäusern und Altersheimen.
Darüber hinaus wird das Problem im Europa-Rat, in der Kommission für Familie, Ge-
sundheit und Soziales, diskutiert – und immer wieder vertagt.
Wir werden uns also noch eine ganze Weile selber behelfen müssen.

5. "Sterbetourismus"
Das Schlagwort vom "Sterbetourismus" kam auf wegen der Aktivitäten von Dignitas,
und dem Medienrummel, den ihr Präsident, RA L. Minelli, ganz bewusst und mit Absicht
provoziert hat.
Das Problem wird wahrscheinlich vorrangig wegen finanzieller Gründe beendet werden,
denn die Zürcher Steuerzahler und die Behörden sind offenbar nicht länger bereit, pro
"Fall" 3 000,-- bis 5 000,-- CHF an Verfahrenskosten zu übernehmen für Personen, die
für die Hilfe zwar Dignitas finanziell entschädigen, nicht aber die Stadt oder den Kanton.
Der Staatsanwaltschaft zufolge belaufen sich die Kosten für ausländische Suizidenten
im Kanton Zürich auf CHF 273 000,-- pro Jahr!

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Die beste Gewähr, dass die Freitod- und Sterbehilfe für Nicht-Schweizer unterbleibt,
wäre allerdings, dass die Nachbarstaaten der Schweiz, und ich denke da besonders an
Deutschland, Frankreich, aber auch England, die Bedingungen schaffen, die es den
Schwerstkranken ermöglichen, in Würde und Frieden daheim sterben zu können.

6. Definitionen
Eine gewisse Konfusion herrscht in den Definitionen:
Man unterscheidet zwischen
    - Beihilfe zum Suizid oder Freitodhilfe: sie ist nur bei selbstsüchtigen Motiven
       strafbar;
    - passiver Sterbehilfe, also Unterlassen oder Abbrechen einer lebensverlängern-
       den oder lebenserhaltenden Behandlung: toleriert;
    - indirekter aktiver Sterbehilfe, d.h. das Verabreichen von Medikamenten oder Be-
       handlungen, die zwar das Leiden lindern, als Nebenfolge aber den Todeseintritt
       beschleunigen können: toleriert;
    - aktive Sterbehilfe, also die gezielte Tötung eines Schwerkranken, um dessen
       Leiden zu verkürzen, z. B. mittels Injektion einer tödlichen Substanz: steht in der
       Schweiz wie fast überall auf der Welt unter Strafe;
    - aktive Sterbehilfe auf Verlangen: Sie wird, auch aus achtenswerten Beweggrün-
       den, in der Schweiz per Art. 114 StGb mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren oder mit
       Gefängnis bestraft.
Der aktiven Sterbehilfe gestehen in Europa nur Belgien und die Niederlande Straffrei-
heit unter ganz bestimmten Bedingungen zu. Jede Art von Sterbehilfe auf das eindring-
liche und ernsthafte Verlangen des Schwerstkranken wird dort hypokrisie- und
komplexlos als "Euthanasie" bezeichnet und als PAS (physician assisted suicide) in die
Praxis umgesetzt. Im Unterschied zu der Schweiz dürfen aber in Belgien und den Nie-
derlanden ausschließlich Ärzte Beihilfe zum Sterben leisten, dafür aber mittels Spritze.
Interessant ist das Ergebnis einer internen Umfrage unter EXIT-Mitgliedern der deut-
schen Schweiz aus dem Jahr 2000. Sie zeigt, dass nicht einmal 1 % Freitod-Hilfe aus-
schliesslich durch Ärzte wünscht, und etwas über 50 % stimmten für die Hilfe sowohl
durch Nicht-Ärzte als auch durch Ärzte.

Euthanasie, "schöner Tod" – allein schon der Wortsinn wurde von den National-
Sozialisten missbraucht. Jede Anspielung darauf wird, in der Schweiz wie anderswo,
wider besseres Wissen immer dann ins Feld geführt, wenn man negative Emotionen
wecken anstatt eine sachliche Debatte führen will.
Der freie, autonom gefällte, wiederholt ernsthaft und vor Zeugen geäußerte Wunsch
eines urteilsfähigen Erwachsenen, über die Art und den Zeitpunkt seines Sterbens sel-
ber zu bestimmen, aus kontrollierbaren und nachvollziehbaren Gründen, ist doch das
genaue Gegenteil dessen, was in den Konzentrationslagern und psychiatrischen Klini-
ken damals geschah!

7. Die Patienten-Verfügungen
Auch hier leistete EXIT Pionierarbeit, als sie 1986 den renommierten Juristen, Dr. iur M.
Keller mit einem Rechtsgutachten betraute zur Frage der Verbindlichkeit von Patienten-
Verfügungen. Sein Fazit, revolutionär im Jahre 1986 und fast selbstverständlich aus der
heutigen Sicht: "Die PV ist zulässig; sie ist auch (für den Adressaten) verbindlich. Der
Arzt darf von ihr nur abweichen, wenn er beweisen kann, dass sie dem tatsächlichen
aktuellen Willen des Patienten nicht entspricht; ... Der Verfügende kann einen Dritten
(gültig) beauftragen, dafür zu sorgen, dass seine PV beachtet wird ..." (5). Obwohl im

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Jahre 2000 erst 6 % der Schweizer Bevölkerung eine solche Patienten-Verfügung aus-
gefüllt hatten, besteht heute kein Zweifel mehr an ihrer Nützlichkeit; ihre Verbindlichkeit
ist in mehreren Kantonen bereits im Gesetz verankert. In Dänemark ist sie seit 1987
sogar obligatorisch vor jedem Krankenhaus-Aufenthalt. (6)
Pat.Verfügungen sind v. a. gedacht für Situationen, in denen der Kranke sich nicht
(mehr) äußern kann bzw. das Bewusstsein verloren hat, sei es durch Unfall oder im
Verlauf seiner Krankheit. Sie sollen ihn schützen vor unerwünschten lebensverlängern-
den Maßnahmen, oder sie können deren Beendigung verlangen. Ein Schutz also gegen
eine sinnlos gewordene, qualvolle Verlängerung des Sterbeprozesses. Mehr kann man
mit Patienten-Verfügungen heute nicht erreichen. Aber das Wesentliche wäre damit ja
schon gewonnen.
Man kann und sollte aber einen Patienten-Vertreter, einen sog. "Patienten-Anwalt" be-
nennen, der energisch über die Einhaltung der Bestimmungen wacht.
Diese Person Ihres Vertrauens, Ihr "Schutzengel" also, hat ein ganz anderes Gewicht in
den Diskussionen mit dem Arzt und dem Pflegepersonal, zumal, wenn er nicht zum
engsten Familienkreis gehört, wenn er auf ein lange schon existierendes und immer
wieder, z. B. durch jährliche Unterschriften bestätigtes Dokument verweisen kann.

8. Patientenrechte :
Patienten, die bei Bewusstsein und urteilsfähig sind, haben das Recht auf eine frühzei-
tige, umfassende und ihnen verständliche Information als Basis für jede Entscheidung.
Sie haben – in der Schweiz wie in Deutschland – jederzeit das Recht, medizinische
Maßnahmen, die ihnen vorgeschlagen werden, abzulehnen oder zu verlangen, dass
bereits eingeleitete Maßnahmen abzubrechen sind. Und sie haben als EXIT-Mitglied
das Recht, um Sterbe- bzw. Freitodhilfe zu bitten.
Wie viel Leiden, körperlicher oder psychischer Art, wir aushalten, wie viel wir bereit sind,
angesichts des nahen Todes auf uns zu nehmen, hängt von uns allein, unserem Cha-
rakter, unserem eigenen Erlebten, aber auch von unserer Umwelt ab, von der Qualität
unseres Lebensraumes und der medizinischen Versorgung, aber vor allem vom Verhal-
ten unserer Bezugspersonen. Dafür kann es keine allgemein gültigen Normen geben,
und niemand darf sich anmaßen, seine persönlichen Kriterien einem anderen aufzu-
zwingen. Selbstbestimmung, keine Fremdbestimmung, und sei sie auch noch so
gut gemeint!
Wenn wir die Selbstbestimmung ernst nehmen, dann müssen wir dem urteils-
und entscheidungsfähigen Kranken auch das Recht einräumen auf die subjektive
Einschätzung seiner Leiden und seiner Leidens-Bereitschaft.
Gerade alte Menschen mit ihrer reichen Lebenserfahrung schätzen ihre Situation meist
illusionslos richtig ein. Wenn ihr Sterbewunsch zudem verstärkt wird durch Einsamkeit,
Verlassensein von den Angehörigen, durch lieblose Behandlung eines überforderten
Pflegepersonals, dann kann das auch kein Psychiater oder Sozialpolitiker wegdiskutie-
ren, und keine Diskussion kann diese Situation in der gebotenen Eile ändern.

9. Gründe für Freitodhilfe
Welche Gründe stehen hinter der Bitte um Freitodhilfe?
Laut unseren internen Statistiken werden als häufigste Ursachen genannt:
   - Krebs im fortgeschrittenen Stadium, oft verbunden mit einem Lungen-Emphysem
      und Metastasen, besonders, wenn eine baldige Schluck-Unfähigkeit zu befürch-
      ten ist,
   - multiple Sklerose,
   - Hirntumor,

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    - Muskelschwund,
    - amyothrophe Lateralsklerose,
    - Parkinson,
    - Aids,
    - unbehandelbare Skelettschmerzen.
Schmerzen oder die Angst davor können in den meisten Fällen heute behandelt oder
doch auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Was bleibt, ist die Ablehnung des eige-
nen, unaufhaltsamen körperlichen und geistigen Verfalls, ist das Bild, das jeder Mensch
von sich hat und vom Eindruck, den er seiner Umwelt vermitteln und hinterlassen will.
Deshalb hilft EXIT auch
    - Hochbetagten mit irreparabler Polymorbidität: sprich Erblindung, Gehörverlust,
        zunehmender Arthrose, Lähmungen, oft alles zusammen, Menschen also, die ih-
        re Lebensqualität als unerträglich einstufen und in einer Weiterexistenz keinen
        Sinn mehr sehen.
Hier das Endstadium abzuwarten, wenn der aufgeklärte Patient das nicht will, nicht
mehr aushält, nicht mehr mit seinem Maßstab von Würde vereinbaren kann, wäre un-
menschlich. Dann braucht er nämlich keine Freitodhilfe mehr, denn im Endstadium des
Sterbeprozesses helfen auch die meisten Ärzte ganz legal mit entsprechender Sedati-
on: Die Absicht "Schmerzlinderung" ist entscheidend, nicht der Effekt "Sterbe-Hilfe".
Wie anfangs erwähnt, sollen in den Schweizer Krankenhäusern und Altersheimen jähr-
lich viel mehr als die angegebenen 400 Patienten auf diese Weise sterben. Private
Hochrechnungen von Medizinern sprechen von 7 000, aber seien es auch "nur" 700 –
1 000, wie mir Fachleute in Diskussionen versicherten: Diese Menschen sterben zu
oft, ohne dass sie rechtzeitig um ihre Meinung gefragt worden wären. Hier effi-
ziente Kontrollen einzuführen wäre dringend nötig.

Ein Wort zum Problem der psychisch Kranken:
Sie werden von EXIT seit einem Ende 1998 selbst auferlegten Moratorium nicht beglei-
tet. Wir haben aber eine Kommission mit namhaften Experten aus Psychiatrie, Medizin
und Recht beauftragt, ein Gutachten zu erstellen zur Frage, ob bei der Vielfalt der psy-
chischen Krankheiten bestimmte Patienten in Bezug auf ihren Suizidwunsch urteilsfähig
sein können. (7) Sicher ist die Grenzlinie zwischen somatischer und psychischer Er-
krankung nicht immer klar zu ziehen.
Sicher muss in jedem einzelnen Fall extrem sorgfältig abgeklärt werden, ob der Suizid-
wunsch krankheitsbedingt ist oder nicht. Und sicher muss stets und vor jeder Freitodhil-
fe geprüft werden, ob der Todeswunsch nicht eher ein Ruf nach Lebenshilfe ist. Aber
ganz sicher, und die Psychiater unter Ihnen werden das nicht bestreiten, gibt es Aus-
nahmen, in denen der Suizidwunsch als autonome Äußerung zu respektieren ist.
Es gibt Fälle, wo Nicht-Hilfe unmenschlicher wäre als die Beihilfe zu einem menschen-
würdigen Ende eines oft jahrelangen, bewusst erlebten Elends, aus dem die beste psy-
chiatrische Betreuung keinen Weg mehr weiß.

10. Autonomiebestreben , "slippery slope" und Dammbrüche
In unseren liberalen Staaten Mitteleuropas mit ihrer weltanschaulich und religiös hete-
rogen zusammengesetzten Gesellschaft wird allmählich der Autonomie des Einzelnen,
d. h. seinem Recht auf die Gestaltung seines Lebens und seines Lebensendes mehr
Gewicht eingeräumt. Allerdings: Das Recht auf diese Freiheit ist zwar ein Privileg unse-
rer Zeit, aber diesem Recht steht eine Fülle von neuen Verantwortungen gegenüber, die
es zu lernen und zu üben gilt. Selbstbestimmung zum Suizid darf kein Freibrief sein
für Egoismus, darf niemandem schaden oder in Gefahr bringen.

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Es wird immer wieder die Gefahr des "slippery slope" ins Feld geführt im Zusammen-
hang mit der Sterbe- und Freitodhilfe. Ich will diese Sorge durchaus nicht minimisieren.
Aber ohne in einen historischen Diskurs fallen zu wollen: Schauen wir uns doch die gra-
vierendsten "Dammbrüche" unserer jüngsten Vergangenheit an, nehmen wir das Bei-
spiel des Rassismus oder der Hegemonie-Bestrebungen einzelner Staaten:
Dammbrüche werden überall dort zur Gefahr, wo das Volk manipuliert wird, sich mani-
pulieren lässt, wo es in Unwissenheit gehalten oder falsch informiert wird.
Wo Emotionen geschürt anstatt Fakten vorgelegt werden.
Die beste Waffe gegen "Dammbrüche" jeder Art ist m. E., der Autoritätsgläubigkeit der
vergangenen Jahrhunderte einen wachen, kritischen Geist entgegenzusetzen, sind
Menschen, die gelernt haben, mit ihrem eigenen Kopf zu denken und die Freiheit besit-
zen, auch danach zu handeln.
Ethische Grundlagen, Transparenz, klare Grenzen, klare Direktiven, kontrollierbare Ak-
ten (bei allem gebotenen Datenschutz), strengste Kriterien bei der Auswahl und Ausbil-
dung der Sterbebegleiter, seien das nun Ärzte oder Nicht-Ärzte, darin sehe ich ebenso
praktisch durchführbare wie effiziente Leitplanken gegen die Gefahr eines Dammbru-
ches auf dem Gebiet der Sterbe- und Freitodhilfe.

11. Mündigkeit und Selbstbestimmung:
In der Schweiz ebenso wie in Deutschland wird das Verfügungsrecht des Menschen
über sein Leben heute als ein Grundrecht des mündigen Bürgers angesehen. Niemand
würde einem mündigen 20-Jährigen das Recht auf Selbstbestimmung in Abrede stellen,
wenn es um seine Berufswahl, um den Militärdienst, um Ehe und Kinderwünsche geht,
auch nicht bei offenkundig unvernünftigen, unsinnigen oder unmoralischen Entschei-
dungen, sofern sie nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Doch ein alter, lebenser-
fahrener, aber lebens-müder Mensch soll nicht mehr imstande sein zu wissen,
was für ihn gut ist oder nicht?
Auch der Pflegebedürftige, auch der alte Mensch, auch der terminal Kranke bewahrt
sein Recht auf Eigenverantwortung als Ausdruck seines freien Willens.
Er darf nicht zum Bevormundeten degradiert werden, nur weil er nicht mehr so schnell
reagiert, weil er die medizinisch-technischen Fachausdrücke nicht beherrscht, weil er
für jeden Dienst klingeln muss und davon abhängig ist, ob die Schwester schnell genug
kommt.
70 % der Schweizer – für Deutschland wird die Zahl ähnlich hoch sein – sterben in
Kranken- und Pflegeheimen. Aber auch die Pflege zuhause schützt nicht vor als degra-
dierend erlebten Situationen. Manche empfinden diese Abhängigkeit bis in die intimsten
Verrichtungen als so ent-würdigend, dass sie, wenn keine Aussicht mehr besteht auf
Besserung, und selbst bei liebevollster Pflege, einen schmerzlosen Tod diesem Zu-
stand vorziehen. Wer möchte sich anmaßen, ihnen das guten Gewissens zu verweh-
ren?
Selbstbestimmung heißt aber durchaus nicht immer nur schnelle Freitodhilfe, Selbstbe-
stimmung kann sich prinzipiell ebenso gut äußern als Hilferuf für MEHR medizinische
Unterstützung. Dieses Recht auf Selbstbestimmung abzusichern, angesichts der stei-
genden Kosten im Gesundheitswesen, die ja gerade den älteren Patienten angelastet
werden, verlangt politische Lösungen, verlangt den politischen Willen, auch die ent-
sprechenden Mittel für tragbare und humane Lösungen einzusetzen.
Man kann nicht quasi als "antidot", als wirksames Gegenmittel gegen die Bitte um Frei-
tod-Hilfe die Palliativ-Pflege propagieren und ihr dann nicht die nötigen Mittel zur Verfü-
gung stellen.

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12. Neue Direktiven der Ethik-Kommission der SAMW
Lassen Sie mich zum Schluss, wie angekündigt, auf eine erfreuliche Entwicklung in der
Schweizer Ärzteschaft eingehen:
In Abwesenheit gesetzlicher Rahmenbedingungen stellten bisher die Direktiven der
Ethik-Kommission der SAMW die Verhaltens-Richtlinien der ärztlichen Deontologie dar.
Der Arzt, der gegen die bisherige Engführung verstieß, hatte zwar selten strafrechtliche
Konsequenzen zu befürchten, wurde aber standesrechtlich sanktioniert mit dem Entzug
der Praxisbewilligung oder zumindest mit deren Androhung.
Bereits Anfang 2002 hatte der Schluss-Satz einer Pressemitteilung in der Schwei-
zer Ärzte-Zeitung aufhorchen lassen, der lautete: "Im Gegensatz zu ihrer früheren
Position geht die SAMW heute davon aus, dass die Beihilfe zum Suizid in gewis-
sen Situationen auch zur ärztlichen Tätigkeit gehören kann: ..." (8). Im Februar
2004 stellte nun die SAMW den Entwurf für eine Neuregelung der "Betreuung von
Patienten am Lebensende" vor. (9)
In dem zur Vernehmlassung vorgestellten Text wird – das ist ganz neu – Wert gelegt
auf die Trennung zwischen der Rolle des Arztes und seiner Aufgabe.
Die persönliche Gewissensentscheidung eines Arztes, im Einzelfall Beihilfe zum
Suizid zu leisten, ist zu respektieren, steht da. Neu ist auch, was der Präsident der
Zentralen Ethik-Kommission, Prof. Michel Vallotton, folgendermaßen formuliert:
"Es ist unbestritten, dass die Begleitung von Sterbenden nicht den Ärztinnen und
Ärzten vorbehalten ist." Mit anderen Worten, die Beihilfe zum Suizid eines Schwerst-
kranken ist nun auch Ärzten erlaubt. Denn vor dem Gesetz, wie anfangs festgestellt,
sind alle Menschen gleich. Auch Ärzte. Lediglich die aktive Sterbehilfe wird sowohl aus
rechtlicher wie aus medizin-ethischer Sicht abgelehnt. Womit, nebenbei bemerkt, indi-
rekt den belgischen und holländischen Ärzten das ethische und moralische Niveau der
Schweizer Ärzte abgesprochen wird.
Die Anerkennung der Selbstbestimmung des Patienten, der Patienten-Autonomie, hat
aber doch endlich zu einer gewissen Öffnung in Bezug auf die Beurteilung der ärztli-
chen Beihilfe zum Suizid beigetragen. Das Prinzip der Beihilfe zum Suizid ist also nicht
mehr in Frage gestellt, wie noch vor 20 Jahren, als jede Diskussion um Freitod- und
Sterbehilfe ein Tabu war, eine Provokation, und noch einen Sturm der Entrüstung aus-
löste. Heute geht es nur noch um die Modalitäten, sowohl im Gesetz-Entwurf des Zür-
cher Staatsanwaltes als auch in den Direktiven der SAMW.

13. Schlussbemerkung:
Sterbehilfe-Gesetze, medizinisch-ethische Richtlinien, Palliativ-Pflege, Freitod-Hilfe,
passive Sterbehilfe, indirekte aktive Sterbehilfe: Es fällt auf, dass sich alle diese so lo-
benswerten Aktivitäten auf das äußerste Ende des Lebensendes beziehen. Sobald ein
Patient seinen Sterbewunsch äußert, konzentriert sich plötzlich – endlich – alles auf ihn,
entfaltet sich eine entsetzte, eine betroffene Aktivität um ihn herum. Aber vorher, am
Beginn der Krankheit, im Verlauf der zunehmenden Altersbeschwerden, der multiplen
Abhängigkeiten, am Anfang des sozialen Sterbens hat der alte und kranke Mensch
manchmal nur zu oft und zu deutlich zu hören und zu spüren bekommen, wie teuer er
der Krankenkasse, der AHV, der Pensionskasse, der Gesellschaft zu stehen kommt,
wie störend seine Bitte um Zuwendung im hyperaktiven Alltag der Familie empfunden
wird. Nicht wenige werden u. a. deswegen in ein Heim "abgeschoben".
Meinen Sie nicht, wir sollten, anstatt das Problem zu abstrahieren und die Misere in rein
theoretischen Diskussionen zu anonymisieren, uns alle zusammen bemühen, den heute
Alten gerecht zu werden, bevor es für sie zu spät ist? Zu einer menschenwürdigen
Sterbekultur zurückfinden, im Geist des hippokratischen Eides, aber mit den Mitteln der

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heutigen medizinisch-technischen Möglichkeiten und auf der Basis des Selbstbestim-
mungsrechtes der betroffenen Person. Wir würden gleichzeitig auch unser eigenes
Sterben besser absichern.
Denn die Alten von morgen sind wir.

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Anmerkungen :

1    Statuten EXIT Dt. Schweiz, Zürich, 15. Mai 2004, Art. 3
2    Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin, Universität Zürich-Irchel, Abt. Foren-
     sische Medizin, Zürich, 06.09.2000, S. 5
3    IPSO: Repräsentative Bevölkerungsbefragung: Sterbehilfe und Image EXIT. Dü-
     bendorf, 11. Oktober 2000
4    Vortrag am "EXIT-Tag", Mai 2004
5    Keller-Schwegler, Max: Rechtsgutachten über die Frage: Sind Patientenverfü-
     gungen in der Art des Textes, den EXIT seinen Mitgliedern vorschlägt, für jeder-
     mann, namentlich für Ärzte, Spitalärzte und das übrige Spitalpersonal,
     verbindlich? Zürich, 1986
6    A Report from Denmark: Experiences and Attitudes Towards End-of-Life Deci-
     sions Amongst Danish Physicians. Dans: Bioethics ISSN 0269-9702, volume 10,
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     psychischen Störungen. Unter besonderer Berücksichtigung der Urteilsfähigkeit.
     Expertenbericht zu Handen von EXIT-Deutsche Schweiz. Zürich 2004
8    Schweizer Ärztezeitung Nr. 1/2, 2002, S. 47
9    Schweizer Ärztezeitung Nr. 6, Februar 2004, S. 286 ff

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