SERIOUS GAMES Märkte. Produzenten. Trends.

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                      "Verbesserung zur regionalen Wirtschaftsstruktur"
                      (Bundes- und Landesmittel) kofinanziert.

                  SERIOUS GAMES
       Märkte. Produzenten. Trends.

                             Ansprechpartner:                                     Joachim Senger
                             Ort:                                                 Berlin
                             Datum:                                               03.09.2010

                             Autor:                                               Helge Looft
                             Version:                                             v 1.0

Serious Games: Märkte. Produzenten. Trends | September 2010                                          0
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Inhaltsverzeichnis

 1              Einführung.....................................................................       Seite    2
 1.1            Definition.......................................................................     Seite    2
 1.2            Abgrenzung....................................................................        Seite    3
 1.3            Kategorisierung..............................................................         Seite    4
 1.3.1          E-Learning……………………………………………….....................                                     Seite    4
 1.3.2          Game-Based-Learning…………………………………………………                                                Seite    4
 1.3.3          Entertainment Games…………………………………………………                                                Seite    5
 1.4            Anforderungen und Wirkungen.....................................                      Seite    5
 1.5            Anwendungsbereiche.....................................................               Seite    7
 1.5.1          Erwachsenenbildung......................................................              Seite    7
 1.5.2          Jugendbildung………………………………….............................                               Seite    8
 1.5.3          Lernspiele.......................................................................     Seite    9
 1.5.4          Gesundheitswesen……………………………...........................                                Seite    9
 1.5.5          Politik und Gesellschaft..................................................            Seite   10
 1.5.6          Produktschulungen……………………………..........................                                Seite   11
 1.5.7          Verteidigungssektor und Rekrutierung…….....................                           Seite   12
 2              Der Markt.......................................................................      Seite   14
 2.1            Marktspezifische Unterteilung.......................................                  Seite   16
 2.2            Quantitative Erhebungsverteilung.................................                     Seite   17
 3              Produzenten……………………………………………....................                                      Seite   19
 3.1            Taxonomie der Serious Games-Produktion....................                            Seite   19
 3.2            Orientierungshilfe bei Serious Games............................                      Seite   23
 3.3            Alternative Serious Games.............................................                Seite   24
 3.4            Beispiele für Produzenten in Deutschland…………………..                                     Seite   26
 4              Trends.............................................................................   Seite   28
 5              Entwicklungen und Entwickler.......................................                   Seite   31
 6              Internationaler Vergleich...............................................              Seite   34
 7              Zukünftige Märkte für Serious Games….........................                         Seite   37
 8              Weitere deutsche Anbieter und Produkte.……….…………                                       Seite   39

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1            Einführung

“Reduced to its formal essence, a game is an activity among two or more independent decision-
makers seeking to achieve their objectives in some limiting context. A more conventional definition
would say that a game is a context with rules among adversaries trying to win objectives.

We are concerned with serious games in the sense that these games have an explicit and carefully
thought-out educational purpose and are not intended to be played primarily for amusement.”1

1.1          Definition

Die Bezeichnung “Serious Games“ als auch deren Entwicklung blicken auf eine relativ kurze Vergan-
genheit zurück. Erstmalig wurde der Begriff von Clark Abt im Jahre 1970 in seinem Buch Serious Ga-
mes verwendet, wobei er in diesem Kontext Simulationen beschreibt, welche im Bildungssektor ein-
gesetzt werden. Erst deutlich später, im Jahre 2002, wurde die Spielegattung Serious Games bedingt
durch die Veröffentlichung des Spiels America´s Army durch die US-Armee konsolidiert.

Die Schwierigkeit der Eingrenzung der Gattung Serious Games liegt in der normativen Auslegung des
Begriffes. Im angloamerikanischen Raum bilden Serious Games bereits seit mehreren Jahren die
Schnittstelle zwischen Unterhaltungstechnologien und Anwendungen im primär institutionellen Be-
reich sowie im Bildungssektor.2 Serious Games sind mittlerweile in vielen Anwendungsbereichen
präsent und finden ihre Berechtigung innerhalb des Bildungswesens, des Gesundheitswesens, der
Medizin, innerhalb von Unternehmen zur Aus- und Weiterbildungszwecken sowie vermehrt auch im
politischen- und gesellschaftlichen Raum.3

Eine wirklich einheitliche Definition für Serious Games lässt sich bis heute nicht auffinden. Es lässt
sich jedoch die Tendenz feststellen, dass es sich bei Serious Games um Spiele und Anwendungen
handelt, welche mit den verfügbaren Technologien und dem Design der Unterhaltungssoftware-
Branche entwickelt werden und als gemeinsame Basis den Anspruch erheben, nicht primär dem
Unterhaltungszweck zu dienen.

Serious Games können hierbei ein unterschiedliches Gerüst zur Vermittlung des Lerninhaltes ver-
wenden. Sie können an jedes Genre (z.B. Simulation, Adventure oder Strategie) angelehnt sein sowie
für unterschiedliche Plattformen konzipiert werden (PC, Handheld, Konsole, Browser) und dabei sich
an jede demographische Kohorte wenden.

Serious Games sollen primär einen glaubwürdigen Bezug zur Wirklichkeit sowie einen erkennbaren
Grad an Authentizität besitzen, welcher mit einem Unterhaltungsfaktor verknüpft ist. Der Hauptas-
pekt des “Produktes“ liegt hierbei im Lernerlebnis. Diesbezüglich werden behavioristische und kog-
nitive Lernprozesse angesprochen.

1
    Vgl. Abt, Clark C. (1970): Serious Games; New York, Viking Press, S.6
2
    Vgl. Serious Game Conference 2009
3
    Vgl. Michael, David; Chen, Sande (2006): Serious Games - Games that educate, train and inform. Boston, Thomson

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1.2       Abgrenzung

Grundsätzlich kann jedes Spiel als Serious Game bezeichnet werden, welches nicht nur zur reinen
Unterhaltung verwendet wird. Eine absolute Trennschärfe zwischen “Unterhaltungsspielen“ und
“Serious Games“ scheint somit kaum möglich, als auch möglicherweise nicht zwingend notwendig. Es
existiert eine Vielzahl von Entertainment-Spielen, die in mancher Hinsicht deutlich lehrreicher sind
als zahlreiche Serious Games, welche „unter der schweren Last, didaktisch wertvoll zu sein zu sollen,
das Licht der Welt erblickt haben.“4

Eine weitere essentielle Frage für diesen Untersuchungsgegenstand ist, ob Serious Games gleichzu-
setzen sind mit sogenannten Lernspielen, Edutainment-Produkten, Game-Based-Learning oder dem
klassischen E-Learning. In vielerlei Hinsicht sind die Grenzen zwischen den einzelnen Kategorien flie-
ßend und insofern definierte und deskriptive Abgrenzungskriterien kaum möglich.

Es existieren unterschiedliche Ansätze, den weitläufigen Begriff der Serious Games einzugrenzen,
indem der Versuch unternommen wird, die didaktische- und methodische Komponente als Anhalt-
spunkt für eine Begriffsdefinition zu verwenden. Der zentrale Fokus der Serious Games liegt im Er-
langen neuer Kenntnisse und Kompetenzen, wobei der Kontext des zu Erlernenden in einen Spiel-
ablauf integriert wird. Im Gegensatz dazu können klassische Lernspiele oder Edutainment-Produkte
als gewollte Hybride aus Bildung und Unterhaltung verstanden werden, die einen definierten (meist
schulischen) Kontext verfolgen. Der Unterhaltungsfaktor in Form eines Spiels erfolgt im Anschluss an
den Lernteil, so dass beide Aspekte voneinander getrennt erfolgen.5

In der Praxis wird diese Differenzierung häufig nicht vorgenommen. So werden zum Beispiel die “Ge-
nius“-Reihe von Cornelsen und “Physikus“ von Klett als klassische Serious Games definiert, obwohl
die Lern- und Spielphasen sowohl optisch als auch inhaltlich getrennt vorliegen. Die Differenzierung
ist jedoch aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll und notwendig, da sich der grundsätzliche Ansatz “wie
Lernen im digitalen Medium“ funktioniert, grundlegend unterscheiden.

Unter diesem Aspekt lässt sich der Edutainment- und Lernspiel-Begriff von der Kategorie der Serious
Games differenzieren. Unter dem Begriff Lernspiel fallen demnach alle Produkte der Kategorie
“Spielen mit Lerninhalt“ sowie “Lerninhalt mit Spielen“, wobei die Kategorie Serious Games beide
Komponenten so miteinander vereint, dass in der Tat “spielend gelernt“ wird.6

Sowohl Lernspiele als auch Edutainment-Angebote beziehen sich auf spielerische multimediale Lern-
umgebungen und Bildungsangebote. Im Gegensatz zu den Edutainment-Angeboten, bei denen auf-
grund der stark didaktisch geprägten Lernkomponente oftmals eine fehlende motivierende Dynamik
erkennbar ist, besitzen Serious Games Attribute, die normalerweise für kommerzielle Computerspie-
le charakteristisch sind. Anzuführen sind hierbei der hohe Motivationsgrad sowie stark ausdifferen-
zierte Spielumgebungen.7 Die Abgrenzung wird zusätzlich dadurch erschwert, unter welcher Intenti-
on die Differenzierung vollzogen werden soll. Gründe dafür liegen einerseits in den unterschiedlichen
Anwendungsgebieten dieser Produkte als auch in der diversifizierten Betrachtung der einzelnen
Interessengruppen.
4
  Jantke, Klaus P. (2005): Serious Games - Eine kritische Analyse
5
  Vgl. Serious Games für die Informations- und Wissensvermittlung; Band 28, Reihe Bibliothek Information Technologie
6
  Hawlitschek, Anja: Spielend lernen in der Schule? Ein Serious game für den Geschichtsunterricht
7
  Vgl. Egenfeld-Nielsen 2006

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1.3       Kategorisierung

Neben der tendenziell unscharfen Abgrenzung der Serious Games zu der Edutainment- und Lern-
spiel-Kategorie gibt es weitere Ansätze und Konzepte, welche das Potential der Computerspiele für
die Vermittlung von (pädagogischen) Lerninhalten nutzen. Um den Begriff Serious Games im Bereich
der “pädagogisch motivierten Computerspiele“ zu verorten, sollen die darüber hinaus existieren-
den Kategorien kurz skizziert werden.

1.3.1     E-Learning

Die weitläufigste Kategorie stellt hierbei sicherlich das E-Learning dar, welches sich primär auf die
Aspekte des computerbasierten Lernens, auf interaktive Technologien sowie auf das Lernen auf Dis-
tanz bezieht. Die Vermittlung von Lehrinhalten und Wissen im Allgemeinen erfolgt in dieser Katego-
rie mit einer Lernsoftware oder einem Trainer, wobei sich hier die Seminarteilnehmer beim “Lernen
auf Distanz“ in einem sogenannten virtuellen Klassenzimmer (z.B. Online-Kurse in Unternehmen oder
in Universitäten) befinden. Diese Einheiten oder Trainings finden mit der Unterstützung von Sprach-,
Video-, oder Chatfunktionen am Computer unabhängig von einem bestimmten Ort statt. In der Praxis
werden häufig Präsenzveranstaltungen und E-Learning kombiniert, sodass definierte Lerneinheiten
auch nach der Veranstaltung eigenständig am heimischen Computer vertieft und ergänzt werden
können.8

1.3.2     Game-Based-Learning

Neben dem E-Learning finden sich weitere Kategorien, wie zum Beispiel das sogenannte “Game-
Based-Learning“ und “Digital Game-Based-Learning“, welche ebenfalls Spiele für pädagogische Zwe-
cke nutzen.9 Digital Game-Based-Learning funktioniert aufgrund der integrierten spielinhärenten
Motivation, welche den Spieler unbewusst zum Lernen bringt (stealth learning). Des Weiteren setzt
die Kategorisierung voraus, dass ein Angebot verschiedene Eigenschaften in einer definierten Ver-
hältnismäßigkeit aufweisen sollte. So müssen zum Beispiel Kontext und Inhalt so miteinander ver-
bunden sein, dass sich der Nutzer des Spiels permanent wie ein Spieler- und nicht wie ein Lernender
fühlt. Zudem funktioniere das Prinzip des Digital Game-Based Learning nur dann, wenn Engagement
und Lernen gleichwertig gewichtet sind. Ist dies nicht der Fall, wird das Lernprogramm zum gewöhn-
lichen Spiel oder das Spiel zum Lernprogramm. Es müssen beide Dimensionen während des gesam-
ten Spielablaufs auf einem hohen homogenen Niveau gehalten werden. Prensky vereinfacht die
Trennschärfe der Kategorien und definiert diese Form des spielerischen Lernens allgemein als “(...)
any learning game on a computer or online“.10

8
  Vgl. Bitkom Presseinformation: E-Learning spart Zeit und Geld
9
  Lampert, Claudia; Schwinge, Christina; Tolks Daniel: Der gespielte Ernst des Lebens: Bestandaufnahme und Potentiale von Serious Games
10
   Prensky, Marc. Digital Game-Based Learning; St. Paul: Paragon House: 2001

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1.3.3        Entertainment Games

Als definitiver Gegenpol zu den beschriebenen Kategorien können die klassischen Spiele hinzugezo-
gen werden, d.h. allgemeine kommerzielle Spiele für den reinen Unterhaltungszweck. Innerhalb die-
ser Spiele finden zwar ebenfalls Lerneffekte statt, jedoch auf einer primär informellen Ebene. Enter-
tainment Spiele verfolgen hauptsächlich den Zweck, den Spieler in die Umgebung und die Handlung
des Spiels eintauchen zu lassen und den Rezipienten zu einem immersiven Erlebnis zu führen. Es ist
durchaus vorstellbar, dass auch Entertainment Games unter didaktischen Gesichtspunkten in forma-
len Bildungskontexten genutzt werden können, wenngleich jedoch eine zu starke Didaktisierung sich
negativ auf den Lernerfolg auswirken kann, wenn das Spiel nicht mehr als Spiel im Hinblick auf sein
Motivationspotential funktioniert.11

1.4          Anforderungen und Wirkungen

Serious Games sollen den Nutzer in ein interaktives Umfeld eintauchen lassen, so dass der zu vermit-
telnde Bildungskontext möglichst realitätsnah nachempfunden werden kann. Hierbei ist der Begriff
“realitätsnah“ primär auf eine anwendungsorientierte Weise zu verstehen. Serious Games haben die
Funktion, eine Situation, einen komplexen Vorgang oder Prozess für den Rezipienten mediendidak-
tisch wertvoll aufzubereiten um Lernkontexte adäquat zu adressieren. Dabei soll der Rezipient in das
geschaffene Medium eintauchen (Immersion) und den integrierten Kontext nachempfinden (Invol-
vement). Dadurch wird ein aktiver Lernprozess beim Rezipienten ausgelöst (Aktivation).

Darüber hinaus sollen Serious Games einen Anreiz schaffen, den Spieler zu motivieren. Der Nutzer
soll die jeweilige Thematik, welche durch das Serious Game transportiert wird enthusiastisch, aber
konzentriert verfolgen. Im Idealfall soll sich der Spieler sowohl für den Lerninhalt interessieren als
auch mit der Spielthematik (Genre/Avatar) identifizieren. Hierbei sollte aber dennoch eine differen-
zierte Betrachtung vorgenommen werden, da zum Beispiel ein Mathematik-Lernspiel für den Jugend-
Bildungsbereich andere didaktische Methoden verwendet als eine eher instruktionistisch orientierte
Militärsimulation.

Qualitativ und didaktisch wertvolle Serious Games eröffnen dem Nutzer Handlungsspielräume und
vermitteln Kompetenzen zum Lösen der jeweiligen Problem- und Aufgabenstellung. Dabei erfolgt
innerhalb des Spielverlaufs eine graduelle Abstufung des Schwierigkeitsgrades (balance instruction /
construction) sowie eine anfängliche Komplexitätsreduktion für den Nutzer als motivierendes Ele-
ment. Der Nutzer soll die erforderlichen Fertigkeiten im Kontext des Spiels üben und ein positives
Feedback durch das Game erhalten, so dass er in seiner Leistung bestätigt wird. Serious Games sollen
das Denken in Systemen fördern und dem Spielenden eine sinnvolle und nachhaltige Erfahrung ver-
mitteln, die zu lernenden Begriffe, Konzepte und Kontexte mit Handlungen zu verbinden. Im optima-
len Fall geschieht dies unbewusst im Spielverlauf, so dass man von stealth learning spricht.

Serious Games können in gewisser Hinsicht mit der Konstruktivistischen Lerntheorie in Einklang ge-
bracht werden. Dem Individuum wird innerhalb dieser Anwendungen eine zentrale und steuernde
Rolle eingeräumt. Der Prozess des Lernens findet durch eigene aktive Konstruktions- und Reflek-
tionsprozesse statt und ist dabei sowohl situiert als auch emotional. Der Spieler identifiziert sich mit
der ihm zugedachten Rolle innerhalb des Serious Games und agiert innerhalb des Anwendungsberei-

11
     Vollbrecht, Ralf. Computerspiele als medienpädagogische Herausforderung: 2008

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ches weitestgehend sozial und interaktiv, bedingt durch das Medium als Träger des Lernkontextes.
Über das jeweilige Konzept des Spiels können komplexe Zusammenhänge authentisch und anwen-
dungsorientiert vermittelt werden, so dass der Spieler nachhaltig von dieser Spieldidaktik profitiert.

Der Spieler erhält für sich und sein Handlungsumfeld Sicherheit, da er in einer angstfreien Umgebung
ohne negative Auswirkungen auf die reale Welt “ausprobieren“ und lernen darf. Darüber hinaus wird
der Spieler belohnt und in seiner Leistung bestärkt, sofern er die Aufgaben innerhalb des Serious
Games korrekt bewältigen kann (Uses and Gratifikation Ansatz). Dies führt zu einem gesteigerten
Engagement und objektiv zur Wiederkehr in das Spielszenario.

Vergleicht man also die Wirkungsweise und das Potential der Serious Games und vergleicht diese mit
der beschriebenen Lerntheorie, kann folgende Prozesslogik konstruiert werden. Ausgangspunkt bil-
det hierbei das Modell zur “Erklärung des Lernens mit Computerspielen“ welches von Garris, Ahlers
und Driskell im Jahre 2002 entwickelt wurde. Für unseren Untersuchungsgegenstand wurde dieses
Modell weiterentwickelt und modifiziert.

Lernen mit Serious Games - 2010 - Quelle: Exozet

Die Schaugrafik erklärt die Prozesslogik und die intrapersonale Evaluation der Kontextvermittlung
über das Medium Serious Games in sehr allgemeiner Form. Eine differenzierte Betrachtung ist auf-
grund der Diversifikation des Mediums und der Schwierigkeit der Trennschärfe zwischen den einzel-
nen Kategorien und Anwendungsbereichen nur unter deutlich höherem Forschungsaufwand möglich.

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Allein die Quantität des derzeitigen Marktangebotes als auch die differenten Ansätze bei der Kon-
textvermittlung in Bezug auf den mediendidaktischen Ansatz lassen eine universalgültige Aussage in
Hinblick auf ein valides und verifizierbares Untersuchungsergebnis nicht zu.

1.5       Anwendungsbereiche

In Hinblick auf den gelegten Fokus dieser Analyse soll nach den beschriebenen Distinktionsmerkma-
len der Kategorien sowie der erbrachten Definition des Begriffes “Serious Games“ eine Untersuchung
der Anwendungsbereiche erfolgen. Es lässt sich also herausstellen, dass der zentrale Fokus der Se-
rious Games - in Abgrenzung zu den vorher skizzierten Kategorien - auf die Wissensvermittlung
sowie dem Erlernen neuer Kompetenzen gelegt wird, wobei der zu vermittelnde Inhalt spielerisch
erlernt werden soll. Die Definition der Serious Games Initiative betont ebenfalls die pädagogische
Intention dieser Produkte sowie die gesellschaftliche Relevanz der Serious Games, wobei jedoch klar
hervorgehoben wird, dass der Unterhaltungsfaktor dem Bildungsanspruch untergeordnet ist.

Im folgenden Abschnitt soll aufgezeigt werden, in welchen Anwendungsbereichen Serious Games
ihren Einsatz finden. Dabei soll der Fokus zunächst auf die inhaltliche Ausrichtung der Serious Games
gerichtet werden. Es lassen sich nach erster Sichtung und Erarbeitung des Genres sieben entschei-
dende Kategorien der Serious Games erkennen, welche sich teilweise in sich selbst untergliedern.
Diese sollen im Folgenden gegliedert, skizziert und beschrieben werden, um ein umfassendes Ver-
ständnis für den Anwendungsbereich zu erarbeiten.

1.5.1     Erwachsenenbildung

Serious Games finden schon seit längerer Zeit Anwendung in der Erwachsenenbildung. Hierbei wer-
den dem Anwender über realitätsnahe Simulationen und durchdachte Planspiele die Option eröffnet,
Erfahrungen zu einem spezifischen Thema zu sammeln und Wissen zu vertiefen. Die aus dem eige-
nen Vorwissen des Anwenders generierten Handlungen können hier spielerisch getestet und hinter-
fragt werden. Theoretisches Wissen wird innerhalb der Anwendung erlernt oder bei vorherigem
Grundwissen ergänzt und aufgefrischt sowie innerhalb einer Aktion in der virtuellen Praxis getestet
und abgefragt.

Thematische Schwerpunkte können hierbei beispielsweise Anwendungsbereiche aus der Berufswelt
sein oder auch gesellschaftlich relevante Alltagssituationen sowie prosoziale Kompetenzaktivierung.
Ein Beispiel hierfür ist Sharkworld, ein Cross Media Serious Game, in dem der Anwender in die Rolle
eines Projektmanagers schlüpft. Neben dem Umgang mit klassischen Projektparametern (Zeit, Kos-
ten, Logistik und Qualität) liegt der Fokus der Simulation vor allem auf der Vermittlung von sozialen
Kompetenzen.

Auch in der Aus- und Weiterbildung von (jungen) Erwachsenen wird verstärkt das Potential der Se-
rious Games genutzt. Dabei werden vor allem virtuelle Szenarien simuliert, welche den jeweiligen
Handlungsabläufen der Betriebe und Unternehmen entsprechen. Darüber hinaus werden Serious
Games auch vermehrt für Prozess-Optimierungszwecke in Führungsgremien als Instrumentarium
eingebunden. In Planspielen entwickeln Entscheider eines Unternehmens Strategien für die Zukunft
ihres Unternehmens. Des Weiteren können und werden Serious Games als sinnvolle Vorbereitungs-
und Ergänzungsmaßnahme für Extremsituationen innerhalb bestimmter Berufsfelder verwendet. So

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                       u.a. aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe
                       "Verbesserung zur regionalen Wirtschaftsstruktur"
                       (Bundes- und Landesmittel) kofinanziert.

können zum Beispiel Rettungskräfte Notfallsituationen virtuell erproben, bevor sie in einen realen
Einsatz geschickt werden.

Serious Games werden in der Erwachsenenbildung verwendet, um notwendige Kompetenzen und
implizites Wissen mit spielerischen Handlungen zu kombinieren sowie mit intrinsischen Motivations-
faktoren mediendidaktisch zu verknüpfen.

1.5.2       Jugendbildung

Serious Games werden auch in den Bereichen Berufsvorbereitung und Ausbildungsförderung speziell
für Jugendliche und junge Erwachsene eingesetzt, um berufsrelevante Lernkontexte mit der Mög-
lichkeit der audio-visuellen Umsetzung zu vermitteln. Hierbei ist es essentiell, eine Lernumgebung zu
erzeugen, welche die individuellen Möglichkeiten sowie den Lernrhythmus des Lernenden berück-
sichtigt.

Normativ betrachtet ist ein für das Individuum angenehmes und vertrautes Lernumfeld bezüglich des
konsekutiven und nachhaltigen Lernerfolgs definitiv von Vorteil. Die Qualität des Serious Games ist
natürlich ebenfalls ausschlaggebend für den zu erreichenden Lernerfolg. Der Grad sowie die Qualität
der Interaktivität sind entscheidend für die Rezeptionshaltung des Nutzers. Darüber hinaus bieten
Serious Games die Möglichkeit, sich auf die unterschiedlichen Potentiale der Nutzer einzulassen, so
dass sich die Anforderungen und damit der entsprechende Schwierigkeitsgrad einstellen lassen. So-
mit kann der Lernstoff und sowie die Kontextvermittlung individueller gestaltet werden und sich den
Bedürfnissen des Rezipienten anpassen, so dass der Nutzer deutlich weniger unter Versagensängsten
und Lerndruck steht.

Spielimmanente Belohnungsmechanismen erzeugen über die reine Kontextvermittlung hinaus eine
Motivation beim Rezipienten, so dass ein ehrliches Eigeninteresse entwickelt wird, sich mit der The-
matik zu beschäftigen. Eine solche Form der Lern-Motivation gilt in der Mediendidaktik seit langer
Zeit als die effizienteste und nachhaltigste Form der Lernsituation. Grundlage hierfür müssen aber in
kritischer Reflektion zum Untersuchungsgegenstand Serious Game-Anwendungen sein, die sich ei-
nerseits individuell an den Erfahrungshorizont des Nutzers anpassen und andererseits über eine in-
tuitive Benutzerführung und Aufgabenstellung verfügen.

Beispiele für den Erfolg von Serious Games in der Praxis lassen sich in verschiedenen Bereichen auf-
zeigen: zum Beispiel informiert die Metall- und Elektroindustrie im Rahmen einer Berufsinformati-
onskampagne “M+E Berufe Info“ des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall mit dem Serious Game
TechForce12 und begeistert die junge Zielgruppe für technische Berufe. Das Serious Game Kassen-
spiel13 bereitet Jugendliche und junge Erwachsene auf den Alltag im Einzelhandel vor. Dieses Serious
Game ist ein Projekt, welches im Rahmen der “Schulen ans Netz“-Initiative zusammen mit dem Bun-
desministerium für Bildung entwickelt wurde.

Dies sind nur zwei Beispiele aus der Praxis, welche erfolgreich belegen, dass Serious Games seit lan-
gem keine Avantgarde-Produkte mehr sind. Serious Games lassen sich im Bereich der Kinder- und
Jugendbildung fächerübergreifend einsetzen. Innerhalb des deutschen Marktes für Serious Games

12
     www.techforce.de
13
     www.qualiboxx.de/ww3ee/kassenspiel.php

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finden sich unterschiedliche Produkte für nahezu jede Alters- und Zielgruppe sowie für jedes Schul-
fach. Ein weiterer Vorteil liegt in der weitestgehenden Barrierefreiheit dieser Titel. Serious Games
sind seit Langem nicht mehr auf physikalische Datenträger beschränkt. Flash-basierte Browserspiele,
welche mit Multiplayer-Funktionalitäten und Web2.0-Communities versehen sind, geben dem Ler-
nenden Möglichkeiten an die Hand, neben der Vermittlung des Lernstoffs auch mit Mitspielern und
den Lehrenden zu kommunizieren und einen fruchtbaren Gedankenaustausch zu pflegen und somit
das Erlernte zu vertiefen.

Serious Games sind heutzutage so konzipiert, dass sie sowohl einzeln, als auch gemeinsam im Unter-
richt in der Klasse verwendet werden können; sie sind sowohl mit- als auch gegeneinander spielbar.
Darüber hinaus unterstützen sie zielgruppengerecht das individuell abweichende Niveau der einzel-
nen Nutzer.

1.5.3     Lernspiele

Der Begriff “Lernspiele“ bildet eine sehr allgemeine Kategorie innerhalb des Segments der Serious
Games. Ähnlich wie bei der Begriffsdefinition und den Abgrenzungsmerkmalen der Serious Games
lassen sich Lernspiele nicht eindeutig beschreiben. Lernspiele können sowohl an Erwachsene als auch
an Kinder und Jugendliche adressiert sein. Lernspiele dienen zur Erprobung und Reflexion des eige-
nen Verhaltens und Handelns. So können zum Beispiel für jüngere Zielgruppen (auch Vorschulkinder)
Aufgaben zu Hand-Augen-Koordination, Feinmotorik, Zahlenverständnis, Buchstabenerkennung oder
Reaktionsvermögen integraler Bestandteil sein.

Lernspiele sollen je nach anvisierter Zielgruppe und fachlicher Ausrichtung Verständnis für komplexe
Zusammenhänge fördern sowie Kompetenzen zum Lösen von Problemen vermitteln. Lernspiele för-
dern das Denken in Systemen und vermitteln Erfahrungen in einem an die konstruktivistische Lern-
theorie eingebetteten Rahmen. Dem Individuum soll nach Möglichkeit eine zentrale und steuernde
Rolle im Lernprozess zugeteilt werden. Der Lernprozess findet dadurch in einem aktiven Konstrukti-
onsprozess statt und ist somit situiert und authentisch. Der Kontext soll ebenfalls mutliperspektiv
wahrgenommen werden, indem der Lernende sich mit der Rolle im Spiel identifiziert. Dadurch wird
wiederum ein hohes Involvement erzeugt. Lernspiele sollen im Idealfall objektive Aspekte sowie sub-
jektive Empfindungen berücksichtigen.

Neben einzelnen Produkten die sich fachspezifisch auf Zielgruppen spezialisieren, gibt es seit länge-
rem auch Onlineplattformen, welche spielerische Alternativen zum schulischen Lernen anbieten. Ein
Beispiel hierfür findet sich in der digitalen Lernplattform scoyo: Diese Lernplattform bietet Schülern
der 1. bis 7. Klasse spielerisch verpackte Lerninhalte, welche sich jeweils an den Lehrplänen der ein-
zelnen Bundesländer orientieren. Da sich der Begriff Lernspiele weder inhaltlich noch definitorisch
von den bisher skizzierten Serious Games trennen lässt, soll in dieser Forschungs-Analyse in Hinblick
auf den Fokus der Untersuchung nicht weiter darauf eingegangen werden.

1.5.4     Gesundheitswesen

Auch im Bereich der Gesundheitsvorsorge und der Rehabilitation lassen sich Anwendungsbereiche
von Serious Games finden. Jedoch sollte in diesem Bereich unterschieden werden zwischen Games
im Allgemeinen, welche auch für den “Serious“-Bereich anwendbar sind, und “Serious Games“, die

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speziell für diesen Bereich entwickelt wurden. Beispiele hierfür sind Spiele, die sich auf die Motorik
und den gesamten Bewegungsapparat beziehen und sowohl für den heimischen als auch freizeitli-
chen Gebrauch konzipiert wurden. In diesem Segment gibt es unterschiedliche Anbieter aus der klas-
sischen Entertainment-Games Branche, die Spiele entwickelt haben, welche auch in der Rehabilitati-
on ihren Einsatz finden. Anzuführen hierbei sind Wii Fit und Wii Fit Plus sowie EA Sports Active oder
Your Shape. Letzteres verfolgt die Bewegung des Nutzers via Kamera-Tracking in Echtzeit und passt
das Workout-Programm dementsprechend an die Leistungen des Nutzers an.

Auch Tanzspiele wie zum Beispiel Dance Dance Revolution und Walk it out sind Spiele, die primär im
Entertainment-Bereich anzusiedeln sind, mittlerweile aber für den “Serious“-Bereich ebenfalls Ver-
wendung finden. So arbeitet beispielsweise der Videohersteller Konami in den USA mit der National
Association for Sport and Education zusammen, um seine Fitness-Spiele an öffentlichen Schulen zu
etablieren. Diese Fitness-Spiele eignen sich als effektive Werkzeuge, um jungen Menschen eine vor-
teilhafte Gewichtsreduktion zu vermitteln.

Demgegenüber stehen speziell für das klinisch- und medizinische Feld entwickelte Serious Games,
welche den Patienten in der Therapie sinnvoll unterstützen sollen. Magic Castle ist ein Beispiel für
ein Serious Game, welches speziell für Kinder konzipiert wurde, um die Behandlung von Depressio-
nen, Ängsten und aggressivem Verhalten zu unterstützen. Das Spiel wird für die kognitiv-
verhaltenstherapeutische Behandlung von Kindern im Alter von 8-12 Jahren eingesetzt.

Gerade für den Präventivbereich bildet sich ein interessantes Anwendungsgebiet in der Gerontologie
heraus. Das Forschungsprojekt Gerigames widmet sich der Erforschung von Möglichkeiten der spie-
lerischen Unterstützung der Krankheitsprävention und Rehabilitation, unter der Berücksichtigung
besonderer Bedürfnisse der älteren Bevölkerungsschicht. Gerade vor dem Hintergrund des demog-
raphischen Wandels kommt dem Bereich der Serious Games in dieser Kategorie eine besondere Stel-
lung zu. Inhaltliche Schwerpunkte sind in diesem Anwendungsbereich die spielerische Unterstützung
der körperlichen und kognitiven Leistungsfähigkeit im Alter, motivierende Anreize zur wiederholten
Ausführung und Erreichung therapeutischer Ziele sowie die Schaffung von Anreizen für soziale Inter-
aktion und Kommunikation.

Darüber hinaus soll die Kontrolle des Rehabilitationsverlaufs durch den Patienten und den behan-
delnden Therapeuten mittels integrierter Dokumentation und Feedbacksysteme optimiert werden.
Hierbei steht die Individualisierbarkeit des Programms im Hinblick auf die Bedürfnisse des Klienten
im Vordergrund. Das aktuelle Forschungsprojekt Gerigames der Charité in Berlin knüpft hierbei an
die Themen der Informations- und Kommunikationstechnik im Alter (IKT) sowie insbesondere an den
didaktischen Fokus der Serious Games an.14

1.5.5        Politik und Gesellschaft

Serious Games finden ebenfalls ihre Verwendung bei der Vermittlung gesellschaftlich relevanter Kon-
texte. Hierbei können aktuelle Themen in “Lernspiele“ gekleidet werden, um Interesse an einem
politischen oder/und gesellschaftlichen Thema zu wecken. Bei Power of Politics muss der Spieler in
einem Multiplayer-Game gegen seine Mitspieler als Politiker antreten. Dabei geht es in erster Linie

14
     http://geriatrie.charite.de/forschung/gerigames/

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um die Kontrolle eines eigenen kleinen Bezirks bis hin an die Spitze von Deutschland, Österreich oder
der Schweiz. Dabei nehmen reale Nachrichten aus der “Offline-Welt“ direkten Einfluss auf die Karrie-
re des Spielers. Um erfolgreich diese “Serious Simulation“ zu managen, muss der Spieler Terminpläne
für die Woche zusammenstellen und tägliche Umfragen analysieren, welche über die momentane
Stimmung informieren. Darüber hinaus muss der Spieler - wie in der echten Politik auch - sich ein
eigenes Team zusammenstellen um Aufgaben effektiv lösen.

Ähnlich verhält es sich mit Titeln wie Darfur is Dying, PeaceMaker, Frontiers und Global Conflicts:
Palestine. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Avatars und erlebt in einer spielerischen, jedoch real
nachempfundenen Umgebung die im Setting verortete Problematik. Darfur is Dying legt dem Serious
Game-Spieler die Flüchtlingssituation in Darfur nahe. Dabei muss der Spieler ein Flüchtlings-Camp im
Sudan verwalten und organisieren, in welchem jederzeit mit einem plötzlichen Angriff des Janja-
weed-Militärs gerechnet werden muss. In Peacemaker muss der Spieler in die Rolle des israelischen
Premierministers bzw. in die Rolle des Palästinenserpräsidenten schlüpfen und für Frieden in der
Region sorgen. Das Spielziel ist die Gründung zweier unabhängiger Staaten, wobei der Spielaufbau
von realen Ereignissen des israelisch-palästinensischen Konflikts beeinflusst ist.

Ähnlich verhält es sich mit dem Serious Game Global Conflicts: Palestine, wobei der Spieler in diesem
Setting in die Rolle eines unabhängigen westlichen Reporters schlüpft, der mitten im ungelösten
Nahost-Konflikt die Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern erforscht. Das Spiel Frontiers
versetzt den Spieler in die Rolle eines Flüchtlings, welcher versucht, dem Elend seiner Heimat zu ent-
fliehen und nach Europa zu gelangen. Hierbei muss der Spieler über Zäune klettern und sich vor
Grenzbeamten verstecken. Das Spiel selbst klassifiziert sich als “ethischer Ego Shooter“.

Der Spieler soll bei den eben erwähnten Spielen die Konsequenzen bestimmter Handlungen selbst
erleben, durch Entscheidungssituationen reflektierend zurückblicken und durch die intensivere Dar-
stellung der Problematik und Konflikte ein hohes Involvement entwickeln. Serious Games können
diesbezüglich aus ästhetischer, dramaturgischer und kultureller Sicht Lernkontexte intensiver gestal-
ten und für den Nutzer erfahrbar machen. Dabei kann wissenschaftlich belegt werden, dass aktives
Handeln in einem Serious Game zu einer tiefer gehenden Verarbeitung von Informationen führt.
Durch die intrinsischen Motivationsfaktoren sowie durch das freiwillige Involvement nimmt der Rezi-
pient die erbrachten Informationen nicht nur auf, sondern verwendet den erlernten Kontext im Spiel.

An diesem Punkt der Untersuchung wird deutlich, wie unterschiedlich Serious Games in ihrer Aus-
richtung und Anwendung sein können und doch einen gemeinsamen Nenner bei der Vermittlung
des inhärenten Kontextes haben. “Blended Learning“ bzw. “Stealth Learning“ scheinen über die
thematische Divergenz des Mediums eine Konstante in der Rezeptionshaltung zu bilden.

1.5.6     Produktschulungen

Unter dem Stichwort Produktschulung versteht man im Allgemeinen ein mehrstufiges Vorgehen,
welches Wissen über Leistungen und Produkte von Unternehmen vermitteln soll. Produktschulungen
können sich zum einen an die Anwender richten, um ihnen die Vorteile, Eigenschaften und die Be-
dienung des Produktes anschaulich zu vermitteln. Zum anderen können sie zur (Weiter-)Bildung und
zum Training von Mitarbeitern genutzt werden.

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Ein Beispiel für ein derartiges Serious Game ist die internetbasierte Trainingsplattform, die für die
DekaBank in Frankfurt entwickelt worden ist. Zentrales Element sind die virtuellen Gespräche zwi-
schen einem Bankberater und seinen Kunden. Dabei befindet sich der Spieler in einer simulierten
Frage-Antwort-Situation. Der User filtert im Sinne einer optimalen Beratung die virtuellen Kunden-
wünsche heraus und spricht unter Anwendung des erlernten Fachwissens Empfehlungen aus. An-
hand der jeweiligen Kundenreaktion, welche durch Gestik und Mimik des Avatars zu erkennen ist,
lernt der Berater über dieses Serious Game den erfolgreichen Umgang mit Kunden in einer Bera-
tungssituation und kann darüber hinaus sein Fachwissen überprüfen.

Auch die Gesundheitskasse AOK Plus sieht den Vorteil der Kontextvermittlung über Serious Games
und informiert ihre Fachberater mit einem Online Training namens MiaA über die stetig älter wer-
dende Belegschaft. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage bezüglich dieser Thematik im direkten be-
trieblichen Kontext (unternehmerische Ziele wie Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit, Flexibili-
tät und Zukunftsfähigkeit mit einer alternden Belegschaft) lernen die Spieler durch das Online-
Training Argumente zur Erkennung und Nutzung der Potentiale der älteren Kollegen. MiaA steht
hierbei als Akronym für “Menschen in arbeitsgerechter Arbeitskultur“, welches vom Bundesministe-
rium für Arbeit und Soziales und fachlich durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedi-
zin begleitet wird.

Als abschließendes Beispiel des Anwendungsbereiches Produktbildung sei Mercedes Benz genannt.
Der Autohersteller vermittelt über ein Global Training-Programm auf spielerische Art die erforderli-
chen Kenntnisse für die neuen Fahrzeuggenerationen mit Erdgasantrieb. Der Nutzer kann in interak-
tiven Experimenten die Unterschiede und Besonderheiten von flüssigen und gasförmigen Kraftstof-
fen vermittelt bekommen. Darüber hinaus lernt der Spieler den Aufbau einer Gasanlage sowie die
Steuerung von mono- und bivalenten Antrieben. In Power Shift2: Im Betrieb werden dem Spieler die
neuen Power-Shift Getriebe spielerisch erklärt. Der Nutzer steuert in diesem Serious Game einen
LKW durch eine dreidimensionale Landschaft und erfährt in einem realitätsnahen Fahrprogramm die
Möglichkeiten der neuen Technologie.

Anhand der Beispiele wird deutlich, wie reich das Feld der Anwendungsmöglichkeiten der Serious
Games ist und welche Anwendungsfelder sich auch zukünftig erschließen lassen werden. Durch die
bereits vorhandenen technischen Möglichkeiten und das Vorwissen der klassischen Entertainment-
Games lassen sich Serious Games optimal für den betrieblichen Kontext als ergänzendes Instrumen-
tarium integriert und aktiv einsetzen - sei es zu Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen, zu Aus- und
Weiterbildungszwecken als auch zur allgemeinen Produktbildung. Auch wenn an dieser Stelle öko-
nomische Potentiale Taktgeber für die Entwicklung solcher Serious Games sein dürften, stehen die
Glaubwürdigkeit und der Nutzen sowie die vorher beschriebenen didaktischen Wirkungspotentiale
von Serious Games außer Frage.

1.5.7     Verteidigungssektor und Rekrutierung

Eines der wohl bekanntesten Serious Games überhaupt ist America´s Army. Dieses ist ein kostenlo-
ses Multiplayer Online Game, welches 2002 zur Propaganda und für Rekrutierungszwecke von der
United States Army publiziert- und vom United States Pentagon gesponsert worden ist. Zielsetzung
des Spiels war es, ein positives Image der US Armee zu vermitteln sowie junge intelligente Menschen
anzuwerben, die der modernen Kriegsführung gewachsen sind und die nötige Reaktionsschnelligkeit,

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vernetztes Denken sowie Technikaffinität mitbringen.15 Die erfolgreichsten Spieler werden dann via
E-Mail von Rekrutierungsangestellten des Heers angeschrieben.

Kritiker weisen darauf hin, dass trotz einer realistischen Darstellung der Umgebung ein weitestge-
hend sauberes Bild vom Krieg dargestellt wird. Gerade was die visuelle und akustische Darstellung
eines Treffers anbelangt, wurde auf Blut und Verletzungsdarstellung verzichtet. Mit einem Budget
von über $30 Mio. dürfte America´s Army eines der kostspieligsten Serious Games überhaupt sein,
welches speziell für ein Projekt entwickelt wurde. Die Anwendung arbeitet in mediendidaktischer
Hinsicht mit operanter Konditionierung. Dies bedeutet, dass der Spieler über den Erwerb von Honor-
Punkten sein Ranking verbessern kann und von Seiten des Spiels versucht wird, einen hohen Sucht-
faktor in das Spiel zu implementieren.

Mittlerweile ist America´s Army 3 erschienen und kann auf unterschiedlichen Plattformen gespielt
werden (PC, Mac und X-Box 360). Darüber hinaus gibt es einen verschlankten Ableger für die Mobile-
Plattform. Mittlerweile sind über 9 Mio. registrierte Nutzer bei America´s Army angemeldet und die
Rekrutierungswebseiten der Armee sind durch den direkten Link auf der Serious Game Seite um 28%
gestiegen. Darüber hinaus gaben 19% der Rekruten der Militärakademie Westpoint des Jahrgangs
2003 an, America´s Army gespielt zu haben.16

Ähnliche Ansätze wurden mittlerweile auch in europäischen Ländern entwickelt. So entwickelte das
Unternehmen Thales eine umfangreiche Militär-Simulation (3´17) für die französischen Streitkräfte,
um reale Einsätze und prekäre Situationen virtuell zu trainieren. Das Spiel soll einen wertvollen Bei-
trag zur Trainings-Optimierung der Soldaten leisten und Soldaten die Möglichkeit zum Üben geben.
Auch das Serious Game VBS2 - Virtual Battlespace 2 wurde von einem spezialisierten Militärsoft-
ware-Unternehmen zusammen mit einem Team aus Simulationsexperten entwickelt, um angepasste
Missionen und Militärtrainingseinheiten in das Spiel zu integrieren.

An dieser Stelle wird deutlich, wie unterschiedlich die Ausrichtung und wie weit der Begriff von Se-
rious Games reicht. Wird bei dem Produkt America´s Army doch recht schnell deutlich, dass hier ein
Serious Game zu Werbe- und Imagezwecken konstruiert wurde, welches über operante Konditionie-
rung und dem Uses and Gratification Approach die Rekrutierungszahlen zu optimieren versucht, sieht
man bei VBS2 und 3`17 eine stark anwendungsorientierte Komponente. Bei den zuletzt genannten
Titeln steht der Ausbildungs- und Trainingsaspekt stärker im Fokus, als die Begeisterungsfunktion für
das Militär als solches.

Dennoch sollte an dieser Stelle auch kritisches Nachfragen erlaubt sein, inwiefern sich die modernen
klassischen Entertainment-Produkte wie Call of Duty 6 oder Black neben der expliziten Gewaltdar-
stellung und dem klaren Bekenntnis zur Entertainment-Ausrichtung in Bezug auf die didaktische Aus-
richtung differenzieren.

15
     http://de.wikipedia.org/wiki/America’s_Army
16
     http://www.spieleratgeber-nrw.de/?siteid=1840

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2         Der Markt
Die digitalen Medien sind mehr denn je zum selbstverständlichen Bestandteil der Lebenskultur ge-
worden. Das Medium Computerspiel im Allgemeinen erfährt seit Jahren einen stetigen Auf-
wärtstrend. Was das Nutzungsverhalten der Digital Natives anbelangt lässt sich laut der Untersu-
chung des Bitkom herausstellen, dass mittlerweile 60% der 14-29-Jährigen in Deutschland regel-
mäßig digitale Spiele in Anspruch nehmen. Bei der Alterskohorte der 10-15-Jährigen spielen über
30%. Bei der etwas reiferen Bevölkerungsschicht (50 Jahre und älter) verwenden immerhin noch 25%
das Medium Computerspiel. Der Gesamtmarkt der Computerspiele ist hochdifferenziert und sowohl
vertikal- als auch horizontal stark zergliedert.

Evolution der Digital Games, Quelle: Deutsche Bank Research

Games im Allgemeinen sind mittlerweile zu einem festen Teil der sozialen Lernkultur geworden. Laut
der Nielsen Studie “Video Gamers“ (Stand 2007) ist jeder dritte befragte Konsument davon über-
zeugt, über das Medium Spiel einen höheren Lerneffekt zu erzielen als über einen anderen Weg.
An diesem Punkt knüpfen Serious Games an, indem sie dieses generationsübergreifende Interesse an
Computerspielen mit innovativen Konzepten und didaktisch aufbereiteten Lerninhalten bedienen.
Somit können wertvolle Kompetenzen und Lerninhalte mithilfe vertrauter Spielmechanismen sinnvoll
miteinander verbunden werden.

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                        (Bundes- und Landesmittel) kofinanziert.

Weltweit wurden bisher über 600 englischsprachliche Serious Games entwickelt17. Etwa 60% dieser
Spiele setzten sich primär mit der Vermittlung von schulischen Kontexten auseinander. 14 % der Se-
rious Games behandeln gesellschaftlich relevante Themen und etwa 10% dieses Marksegmentes
widmen sich berufsrelevanten Themen oder werden für Weiterbildungszwecke eingesetzt. Doch der
Trend ist eindeutig steigend: bis 2012 werden schätzungsweise 130 der weltweit größten Unterneh-
men Serious Games als Instrumentarium für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter nutzen, glaubt man
den Experten des Forschungsunternehmens Apply Group.

Der Markt der Computerspiele entwickelt sich zunehmend von
einem Unterhaltungsmedium zu einem immer intelligenter wer-
denden und vielfältig einsetzbaren Trainingsinstrumentarium. Die
Serious Games nehmen hierbei eine besondere Rolle ein, da sie als
zusätzlicher Motor für die gesamte Spiele-Industrie angesehen
werden. Ursache hierfür ist der vielfältige Einsatzbereich dieser
Produkte.

Serious Games werden im anglo-amerikanischen Sprachraum be-
reits seit 2002 als Konferenzthema und Forschungsschwerpunkt
behandelt, in Deutschland hingegen organisiert der Bundesver-
band Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. (im Folgenden BIU)
zusammen mit der nordmedia - Die Mediengesellschaft Nieder-
sachsen/Bremen mbH - eine eigenständige Serious Game Confe-
rence, welche jährlich im Rahmen der Cebit in Hannover stattfin-
det. Die fünfte Serious Games findet am 04.03.2011 statt und the-
matisiert die aktuellen nationalen und internationalen Trends der
Serious Games sowie erfolgreiche Beispiele aus der Praxis.

Der geschätzte Marktanteil der Serious Games bewegt sich bei 2-5%, laut der Aussage des Ge-
schäftsführers der BIU Olaf Wolters. Serious Games gewinnen zwar deutlich an Bedeutung, jedoch
seien sie zum jetzigen Zeitpunkt immer noch unterrepräsentiert.18

Nimmt man diese Zahl als Berechnungsgrundlage für eine prospektive Marktanalyse, so lässt sich ein
ungefährer Nennwert als Maßstab für den deutschen sowie den internationalen Markt errechnen.
Laut einer Entwicklungsprognose der Deutsche Bank Research würde der geschätzte Marktanteil
der Serious Games in Deutschland ein Volumen von 40-100 Mio. Euro ausmachen, während der
weltweite Serious Games Markt ein Volumen von circa 1,5-2,5 Mrd. Euro ausmachen dürfte.

An dieser Stelle muss jedoch auf die Ungenauigkeit der Berechnungsgrundlage im Hinblick auf die
wissenschaftliche Verifizierbarkeit der Aussage hingewiesen werden. Es gibt mehrere Gründe, die
eine Quantifizierung des Marktes erschweren. Zum einen gibt es – wie anfangs gezeigt – keine ein-
heitliche Definition für Serious Games und somit noch keine separate Erfassung der Umsätze des
noch sehr jungen Marktsegments. Zum anderen sind die Produktionsprozesse von Serious Games
sehr unterschiedlich. So werden viele Serious Games in den Statistiken nicht erfasst, weil sie nicht als
Verkaufsprodukt auf den Markt kommen, sondern beispielsweise von Unternehmen bei Game Deve-

17
     Vgl. hierzu “Serious Games: Mechanics and Effects“ v. Dr. Ute Ritterfeld
18
     https://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/0529/bildungsmarkt/0035/index.html

Serious Games: Märkte. Produzenten. Trends | September 2010                                                       15
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                      (Bundes- und Landesmittel) kofinanziert.

lopment Studios oder Multimediaagenturen in Auftrag gegeben und zu Schulungs- oder Werbezwe-
cken kostenlos vertrieben werden.

Genauso verhält es sich mit der Genrevielfalt bezogen auf die Kommerzialisierbarkeit des Serious
Games Marktes: So verfolgen zum Beispiel viele Gesundheitsspiele (Games for Health) nicht das Ziel,
direkte Verkaufserlöse zu erzielen, sondern die Öffentlichkeit bzw. eine bestimmte Zielgruppe aufzu-
klären und zu aktivieren. Ähnlich verhält es sich mit Werbespielen (Advergames): Sie entsprechen
zwar den formalen Kriterien eines Serious Games, dennoch sollten sie primär als Marketinginstru-
ment verstanden werden, die allenfalls auf zweiter Ebene mit dem Begriff “messbare Umsatzsteige-
rung“ in Verbindung gebracht werden dürfen. Beispiele hierfür sind Audi A4 Challenge des gleich-
namigen Automobilherstellers, Big Bumpin´ der Fastfood-Kette Burger King sowie das Spiel Food
Force der UNO.

Diese Klasse der Serious Games werden im Sinne der Produktwerbung, der Kundenbindung sowie
der Produktidentifikation entwickelt und können auf ökonomischer Ebene nicht mit klassischen En-
tertainment-Spielen verglichen werden. Sie dienen in erster Linie als Marketinginstrument und sind
daher in Hinsicht auf den erzielten Profit oder Umsatz im Allgemeinen schwer messbar.

Darüber hinaus gibt es Studien und Surveys aus der Unterhaltungs-Industrie, welche angeben, dass
frühestens im kommenden Jahr 2011 der Serious Games Markt einen Umsatzwert von 1 Mrd. US-
Dollar erreichen wird und stufen den US-Amerikanischen Serious Games Markt bei ungefähr $150-
200 Mio. ein. Diese Aussage läuft weitestgehend konform mit den Angaben der “Web-Industry“ Stu-
die, welche von PricewaterhouseCoopers durchgeführt wurde19.

2.1        Marktspezifische Unterteilung

Um die bisher systematisch erhobenen Erkenntnisse dieser Untersuchung über Serious Games in
eine abstrahierte Form zu bringen soll die folgende Tabelle eine kompakte Übersicht der einzelnen
Serious Games “Anbieter“ und deren Produkte vermitteln. Als Leitfaden zur Kategorisierung dient in
diesem Forschungsabschnitt das Klassifikationsschema nach Sawyer & Smith aus der “Serious Games
Taxonomie“ von 2008, welche von uns erweitert und angepasst wurde.

19
     www.pwc.com/extweb/industry.nsf/docid/E7376CAA22C376408525662700504BD4

Serious Games: Märkte. Produzenten. Trends | September 2010                                            16
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