Wissenschaftskommunikation nach der Krise - eine politische Einschätzung
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Ernst Dieter Rossmann Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung E-PAPER DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG NETZWERK WISSENSCHAFT Die Corona-Krise hat auch Auswirkungen auf das Die qualifizierte Politikberatung aus der Wissen- Verhältnis von Wissenschaft und Politik. Wechsel- schaft heraus sollte systematisch und vorausschau- seitig wird das Verständnis für das jeweilige ande- end ausgebaut werden. Für die wissenschaftliche re Teilsystem und seine Funktionslogiken wachsen Politikberatung braucht es verlässliche, interdiszi- müssen. Gerade jetzt brauchen Wissenschaft und plinär ausgewiesene und mit Autorität versehene Politik den respektvollen Umgang miteinander. Institutionen. Die Idee einer mit öffentlichen Mit- Der Beitrag nimmt Bezug auf die von der Fried- teln finanzierten Stiftung für Wissenschaftsjour- rich-Ebert-Stiftung initiierte Artikelreihe zu Wis- nalismus liegt im allgemeinen Interesse und muss senschaftskommunikation und argumentiert: deshalb auch von der politischen Debatte jetzt kon- zentriert und zielgerichtet aufgegriffen werden. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat jüngst und dan- zum Beitrag: http://library.fes.de/pdf-files/studienfoer- kenswerterweise in zwei Papieren aus zwei Blick- derung/16781-20200403.pdf ). winkeln die Wissenschaftskommunikation in Zeiten der Corona-Krise zum Thema gemacht. Stefanie Im politischen Bereich verzeichnen wir neben breiter Molthagen-Schnöring, Professorin für Wirtschafts- angelegten Initiativen aus Wissenschaft wie Journa- kommunikation und Vizepräsidentin für Forschung lismus zur Stärkung der Wissenschaftskommunikati- und Transfer an der Hochschule für Technik und on seit Beginn der laufenden Legislaturperiode auf- Wirtschaft (HTW) Berlin hat ihre Fragen nach den gekommene und vom Ministerium für Bildung und Zielgruppen von Wissenschaftskommunikation, den Forschung genauso wie aus dem Parlament heraus Wegen ihrer Erreichbarkeit und die Auseinanderset- beförderte und stimulierte Debatten zu diesem The- zung mit der Sehnsucht nach Eindeutigkeit in der ma. Auf ein Grundsatzpapier des Ministeriums vom Schlussfrage gebündelt, wie die Wissenschaft den November 2019 folgte ein Parlamentsantrag der Ko- aktuellen Vertrauensvorschuss über die Zeit retten alitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD vom De- kann (Link zum Beitrag: http://library.fes.de/pdf-files/ zember 2019 mit einer dazu gehörigen Debatte vom studienfoerderung/16765.pdf ). Der freie Journalist, 19.12.2019 im Bundestag und als erste Parlament- Autor und Moderator Jan-Martin Wiarda diagnos- sinitiative aus der Opposition ein Antrag der FDP tiziert ein Dilemma des Wissenschaftsjournalis- vom März 2020. Ein für den 25.3.2020 vorgesehenes mus, fragt nach neuen wirtschaftlichen Strukturen Fachgespräch zum Thema mit einem einschlägigen für den Wissenschaftsjournalismus und reflektiert das Pro und Contra einer zentralen Förderinsti- tution für dessen systemrelevante Funktion (Link
Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung Seite 02/7 NETZWERK WISSENSCHAFT Kreis von neun Expertinnen und Experten konnte Spannungsfeld von Interessen und Werten auch dann leider nicht stattfinden, weil die Corona-Krise früher schon eine Rolle gespielt, aber nicht derart zur Unterbrechung der normalen Parlamentsarbeit zentral, wie sie seit der Zeitenwende nach dem 2. führte. Weltkrieg mit den exponentiell wachsenden Er- kenntnissen insbesondere in den Naturwissenschaf- Es ist schon eine kleine historische Ironie, dass die ten aufgekommen sind und den hierdurch angesto- Wissenschaftskommunikation seitdem durch die ßenen Innovationen durch neue Technologien und Wirklichkeit der Corona-Pandemie in der Wahrneh- damit verbundenen Chancen und Risiken. Hierfür mung und Umsetzung von politischen Entschei- stehen beispielhaft die politischen Debatten um die dungsträger_innen höchste Relevanz bekommen hat militärische und die zivile Nutzung der Atomspal- und sich ein äußerst enges Zusammenwirken von tung, die Potentiale der Raumfahrt, die Informati- Politik, Wissenschaft und Medien in der Bekämp- onstechnologie, die neuen Kommunikationsmedien fung dieser umfassenden Bedrohung beobachten bis hin aktuell zur künstlichen Intelligenz, die Bi- lässt. Wissenschaftskommunikation im weiteren otechnologien und die Möglichkeiten der Genma- Sinne hat damit, wie Jan-Martin Wiarda es in seinen nipulation, der Erhalt der biologischen Diversität Ausführungen dann noch fokussiert auf den Wis- von Böden und Meeren und die Welternährung, die senschaftsjournalismus zuspitzt, in diesen Zeiten globale Überhitzung und die Stabilisierung der kli- der Corona-Pandemie eine systemrelevante Funkti- marelevanten Emissionen. Man muss kein Prophet on: Als Beratung für die demokratisch legitimierten sein, um den Schutz vor Pandemien in diesen sich in politischen Entscheidungsträger_innen unter ande- der Welt von morgen noch ganz gewiss erweiternden rem zu Fragen der Virologie und der Bekämpfung Katalog an Wissenschafts- und Wahrheitsthemen der der Pandemie. Als Aufklärung für die breite Öffent- Politik mit aufzunehmen. lichkeit über die wissenschaftliche Begründung von getroffenen und möglichen weiteren Maßnahmen Gewiss: Die Hinterlegung und Legitimation von po- des Gesundheitsschutzes. Als Orientierungsinstanz litischer Bewegung mit vermeintlich wissenschaft- zur Einordnung der Corona-Pandemie in ethische, lich begründeten Gewissheiten hat es früher auch politische, ökonomische und ökologische Zusam- schon gegeben. Der dialektische und historische Ma- menhänge. Und in einem Schulterschluss von Wis- terialismus bis hin zu dessen Perversion im realen senschaft und Journalismus als Dialog-Partner für Kommunismus führten allerdings wie in anderen to- besorgte und verunsicherte Bürgerinnen und Bürger talitären Systemen auch in ihren Konsequenzen im sowie für eine engagierte Zivilgesellschaft. Umgang mit Wissenschaft und deren Zusammenwir- ken mit Gesellschaft und Politik in ein grausames Debakel. Die Entfaltung der freien Wissenschaft in DAS JAHR VON CORONA den offenen Demokratien hat für alle deren soziale, UND DAS ZUSAMMENWIRKEN VON ökonomische und auch ökologische Potentiale er- WISSENSCHAFT UND POLITIK höht, aber eben gleichzeitig auch globale Heraus- forderungen mitsamt Chancen und Risiken mit sich Was in diesen Krisenzeiten selbstverständlich ist, gebracht, denen sich die Wissensgesellschaften der muss in seiner grundsätzlichen Bedeutung begriffen Zukunft mit ihren immer stärker werdenden Teilsys- werden, um daraus über die Krise hinausreichende temen der Wissenschaft jetzt ethisch, kommunikativ Analysen vorzunehmen und nachhaltige Konse- und auch pädagogisch stellen müssen. Hier liegen quenzen ziehen zu können. Zur Moderne im politi- nicht zuletzt Aufgabe und Sinn von Politik. schen Handeln gehören Auseinandersetzungen und Klärungen entlang von Interessen und Werten, auf deren Basis sich Parteien gründen und in ihrer Iden- VERWISSENSCHAFTLICHUNG, tität definieren, nach deren Wahrnehmung und Be- WISSENSCHAFTSVERSTÄNDNIS UND wertung Wahlentscheidungen getroffen werden und POLITISCHE GESTALTUNG Macht verteilt wird und nach denen auch letztlich politische Kompromisse verhandelt und politische Stefanie Molthagen-Schnöring wirft in ihrem Beitrag Entscheidungen getroffen werden. die Grundsatzfrage auf, wie man in der Verwissen- schaftlichung vieler Lebenszusammenhänge und Natürlich haben wissenschaftlich begründete Er- Zukunftsentwicklungen der Sehnsucht der meisten kenntnisse und Projektionen in diesem politischen Menschen nach Eindeutigkeit begegnet. Denn dieses
Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung Seite 03/7 NETZWERK WISSENSCHAFT Verlangen steht vom System her konträr zur zentra- rausschauend genauso wie anlass- und krisenbezo- len wissenschaftstheoretischen Prämisse, dass wis- gen. Die drei Ad hoc – Stellungnahmen der Natio- senschaftliche Theorien, Wahrheiten und Projekti- nalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina sind onen prinzipiell widerlegbar und damit immer nur hierzu ein beispielhafter anspruchsvoller Vorstoß, vorläufig und relativ sein können. Eine Antwort, die berechtigte Kritik im Einzelnen hin oder her. Wenn das Vertrauen in die Wissenschaft selbst betrifft, liegt wir nicht einen Nationalen Wissenschaftsberater, gewiss in den von der Autorin benannten Kategorien einen Scientific Advisor für die Regierung, analog der Kompetenz, des Wohlwollens und der Integri- dem Institut des Sicherheitsberaters nach amerika- tät, d.h. Kompetenz durch exzellente Wissenschaft nischem Muster haben wollen, braucht es für die und deren Vermittlung, Wohlwollen durch Stabilität wissenschaftliche Politikberatung verlässliche, in- und Orientierungsfähigkeit von Wissenschaft und terdisziplinär ausgewiesene und mit Autorität ver- Integrität durch realistische Selbsteinschätzung der sehene Institutionen. Kurzfristig zusammen geru- Möglichkeiten und Grenzen von Wissenschaft. fene Beratungskreise von Ministerpräsidenten, wie sie jetzt in der Corona-Krise im föderativen Ehrgeiz Die Grundsatzfrage von Stefanie Molthagen-Schnö- aus der Taufe gehoben worden sind, sind sicherlich ring richtet sich aber auch an die weitere Öffentlich- nicht so zielführend wie langfristig gesicherte Ein- keit und die Systeme von Wirtschaft und Politik und richtungen einer freien, politisch und wirtschaftlich deren Repräsentant_innen und Akteure. Nicht we- unabhängigen, wissenschaftsgeleiteten und wissen- nige der Akteure in der Politik scheuen unter dem schaftlich orientierten Politikberatung. Der aktuelle Erwartungsdruck ihrer jeweiligen Wählerschaft und Vorschlag aus der Leopoldina heraus zu einer sol- Interessenvertreter_innen Offenheit, Relativierung, chen „Querschnittseinheit Wissenschaftstransfer“ Unsicherheit, Ambiguität. Kruder Populismus und unter Einschluss der Dimension von Wissenschafts- Wissenschaftsfeindlichkeit sind da nur die Spitze des kommunikation ist ein sehr ernst zu nehmender Eisberges, die aus einer immer noch viel zu großen Vorschlag. Das Corona-Jahr mit seinen Erfahrungen Masse an Distanz zu Intellektualität und Wissen- bietet leider wahrlich genug Anlass, hier zu neuen schaft herausragt. Die Zukunft wird sich aber nicht Initiativen zu kommen. anders bestehen lassen. Gerade die Volksvertreter_ innen in den Parlamenten werden lernen müssen, Es motiviert hoffentlich auch Parteien wie Bürger_in- Wissenschaft im Allgemeinen in ihrer Methodik und nen, vermehrt Volksvertreter_innen in die Parla- Begrenztheit und im Konkreten in ihren jeweiligen mente zu entsenden, die durch ihre wissenschaft- Themen und den begründeten Ableitungen zu verste- liche Arbeit ausgewiesen sind und diese Kompetenz hen und in ihre Handlungsstrategien einzubeziehen. in das Entscheidungsdreieck von „Werten, Interessen So wie die Repräsentant_innen und Akteure von Wis- und Wahrheiten“ einbringen können. Wir brauchen senschaft und Forschung die komplexen Aufgaben solche Brückenbauer zwischen den Systemen in der von politischer Gestaltung, das Primat der Demokra- Zukunft, als Erklärer, Vermittler, Vorbild, persönliche tie und ihrer Legitimation verstehen lernen müssen. Autoritäten. Mehr Wissenschaftler_innen in der Poli- Wissenschaft und Politik brauchen den respektvollen tik können auch dafür sorgen, dass die System- Umgang miteinander und sie brauchen auch mehr logiken der Politik, des Rechts, der Ökonomie, die wechselseitigen Austausch und mehr Beratung. von der überwiegenden Mehrheit der Volksvertre- ter_innen gegenwärtig noch durch ihren beruflichen POLITIKBERATUNG DURCH DIE Werdegang repräsentiert werden, mit einer anderen relevanten Systemlogik, eben der der Wissenschaft, WISSENSCHAFT UND verbunden werden. Das kann nicht nur fruchtbar WISSENSCHAFTLER IN DER POLITIK werden in Bezug auf die Inhalte, sondern auch auf die Methodik von Politik. Um es ebenso banal wie Das nicht zufällig in der epochalen Auseinanderset- aktuell zu veranschaulichen: Das systematische Vor- zung um die Risiken der Atomenergie entstandene gehen einer Bundesregierung, die von einer Wis- Instrument der Technikfolgenabschätzung muss und senschaftlerin geführt wird und deren Anti- Coro- kann auf allen Ebenen ausgeweitet werden. Enquete- na-Strategie von einem wissenschaftlich besonders Kommissionen im Zusammenwirken von Politik und ausgewiesenen Narkose-Arzt als Minister admini- Wissenschaft verdienen mehr Aufmerksamkeit. Die striert wird, ist sicherlich effektiver und Vertrauen qualifizierte Politikberatung aus der Wissenschaft erweckender als das erratische Vorgehen eines Präsi- heraus ist auszubauen – systematisch, komplex, vo- denten, der als Show-Meister und Immobilien-Mogul
Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung Seite 04/7 NETZWERK WISSENSCHAFT qualifiziert ist und der die Hauptverantwortung für Wissenschaft hat eine Bringschuld gegenüber der die Administration in der Corona-Krise an seinen Bevölkerung und muss ihre Botschaften so senden, Stellvertreter, einen evangelikalen Anwalt und Mo- dass sie bei denen ankommen, die sie betreffen.“ derator, abgegeben hat. Bei Stefanie Molthagen-Schöning findet sich in ihrem WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION Eröffnungsbeitrag zur Debatte der Friedrich-Ebert- Stiftung die Aussage, „häufig liest man, Wissen- – BREITBANDIG, VIELFÄLTIG, schaftler_innen wollten heute nicht mehr nur ih- KRITISCH, NACHHALTIG resgleichen erreichen, sondern „die Öffentlichkeit“ (manchmal sogar die „breite Öffentlichkeit“). Abge- Ob die Monate der Wissenschaft, in der Forschungs- sehen davon, dass dies nicht realistisch ist, erscheint einrichtungen wie auch einzelne Wissenschaftler_in- es auch in den seltensten Fällen sinnvoll.“ Das BMBF nen mehr denn je Gesicht und Popularität bekom- hat in seinem Grundsatzpapier zur Wissenschafts- men, wie wir es in der Corona-Krise gegenwärtig kommunikation in bemerkenswerter Entschieden- erleben, zugleich das Jahr der Wissenschaftskom- heit den Punkt gesetzt, dass aus seiner Sicht „vor munikation und des Wissenschaftsjournalismus be- allem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fördern und zu einer nachhaltigen Stärkung dieser primäre Akteure der Wissenschaftskommunikati- Dimension von Wissenschaft beitragen können, wird on“ sind. Durch Transparenz und Dialog können sie abzuwarten sein. Die Chance ist jedenfalls da, dass selbst einen wichtigen Beitrag leisten, das Vertrauen der FactoryWisskomm-Prozess, den sich das Minis- in Wissenschaft zu stärken. Wissenschaftskommu- terium für Bildung und Forschung für dieses Jahr in nikation soll grundständig im Wissenschaftssystem einer Denkwerkstatt auf Leitungsebene verordnet verankert werden. Entsprechend möchte das BMBF hat, hierdurch einen ordentlichen Schub bekommt, im Rahmen der wissenschaftlichen Selbstverwaltung konzeptionell, institutionell, finanziell. bestehende Reputationslogiken unter Wahrung der wissenschaftlichen Exzellenz überdenken, Möglich- Die bisher vorliegenden Parlamentsanträge doku- keiten zur Entwicklung von Kompetenzen in der Wis- mentieren, welche Fülle von einzelnen Projekten und senschaftskommunikation schaffen und einen bes- Initiativen sich in Deutschland zu allen Bereichen seren Transfer von Wissenschaftskommunikations- der Wissenschaftskommunikation entwickelt hat, forschung und -praxis methodisch stärken. Beson- von Forschungsmuseen, und Zukunftshäusern, von ders relevant ist dazu auch die Ankündigung des Wissenschaftskampagnen und Wissenschaftsmedi- Ministeriums, die Wissenschaftskommunikation als en, von Bürgerwissenschaft und Wissenschaftsdia- integralen Bestandteil der BMBF-Förderung auszu- logen. Immerhin sind auch die freien Haushaltsmit- bauen, mit Qualitätsstandards abzusichern und die tel des Bildungs- und Forschungsministeriums von Evaluation und Wirkungsmessung auszubauen. einem IST im Jahr 2018 von 11,901 Millionen auf ein SOLL in 2020 in Höhe von 17,450 Millionen für Was sich hier als Programmatik abzeichnet, hat sich den Titel Wissenschaftskommunikation und Partizi- an vielen Stellen im System der Forschungseinrich- pation gewachsen. Wenn sich auch diese Mittel noch tungen, Hochschulen und Förderorganisationen immer als relativ begrenzt darstellen, so kann mit schon konkret niedergeschlagen. Einige Beispiele Recht darauf verwiesen werden, dass viele zusätz- an Vorboten für diesen Kulturwandel in der Wissen- liche Ressourcen in den Etats der Wissenschafts- und schaft sollen hier genannt werden. Mit dem NaWik Forschungseinrichtungen selbst mobilisiert werden. gibt es ein Nationales Institut für praxisorientierte Gleichwohl wird die allen exemplarisch deutlich ge- Fortbildungen in der Wissenschaftskommunikation. wordene Bedeutung von Wissenschaft und deren Die Körber-Stiftung vergibt ihre Projektmittel mit Kommunikation in der Corona-Krise dazu führen einem festen Prozentsatz an Mitteln für die Wis- müssen, hier auch noch breitbandiger, vielfältiger senschaftskommunikation. Die frisch gewählte Prä- und innovativer aufzutreten, als es bisher der Fall ist. sidentin der größten deutschen öffentlichen För- Der Hinweis in dem Bundestagsantrag der FDP unter dereinrichtung für die Forschung, die DFG, setzt der Überschrift „Elitenwirkung und Breitenwirkung“ bemerkenswerte Akzente in der Öffnung der Wis- wird dabei zwingend aufzunehmen sein, dass eine senschaft und Forschung in die Gesellschaft hinein entscheidende Aufgabe der Wissenschaftskommu- bis hin zu so sympathischen Ideen wie „einer Stunde nikation ist, „diejenigen zu erreichen, die nicht von Wissenschaft auf der Parkbank“. sich aus auf die Informationsquellen zugehen. Die
Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung Seite 05/7 NETZWERK WISSENSCHAFT Die entscheidende Debatte wird allerdings im Be- die Prioritätensetzung in den Blogs und anderen so- reich der Hochschulen und deren Verständnis von zialen Medien betrachtet. Gleichzeitig drohen unter Autonomie in der Lehre und Forschung zu der Frage diesem krisenbedingten und auf die Corona-Pande- zu führen sein, wieweit Wissenschaftskommunika- mie fixierten Hype wichtige Basisstrukturen und ge- tion ein inhärenter verpflichtender Bestandteil von festigte Beschäftigungsverhältnisse weiter wegzubre- wissenschaftlicher Ausbildung und Forschungspra- chen und letztlich auch Qualität und Komplexität von xis an den Hochschulen werden kann und soll. Diese Wissenschaftsjournalismus zu leiden. Vereinigungen Klärung wird sicherlich nicht im Jahr 2020 allein, wie die Wissenschaftspressekonferenz oder Instituti- dem Jahr von FactoryWisskomm, erfolgen, sondern onen wie das Science Media Center weisen mit Recht eine Aufgabe für das ganze Jahrzehnt sein. Erste darauf hin, dass es hier über schnelle Unterstützungs- Schritte zur adäquaten Umsetzung dieser kommuni- maßnahmen hinaus langfristige Lösungen zur Siche- kativen Seite von Wissenschaft sollten gleichwohl an rung des Wissenschaftsjournalismus geben muss. allen Hochschulen eingeleitet werden. Sie bringen eine Stiftung zur Förderung des Wissen- schaftsjournalismus in die Diskussion ein, deren Stif- tungskapital sich aus Mitteln speisen soll, die von Un- DIE SYSTEMRELEVANZ DES ternehmen, Stiftungen, Mäzenen und eben auch dem WISSENSCHAFTSJOURNALISMUS Staat bereitgestellt werden. Die Corona-Krise hat es allen nachdrücklich deutlich gemacht. Der Wissenschaftsjournalismus ist ein zen- EINE STIFTUNG FÜR DEN traler Teil jeder umfassenden Strategie der Wissen- WISSENSCHAFTSJOURNALISMUS schaftskommunikation. Er zeigt aktuell seine hohe – TABU ODER LÖSUNG? Leistungsfähigkeit in der Vermittlung von notwen- digen Informationen, Zusammenhängen und Hin- An diesen möglichen staatlichen Mitteln entzündet tergründen auf allen Medien. Er gibt Orientierung sich ein Grundsatzstreit, der dankenswerter Weise in der Darstellung und kritischen Aufarbeitung von auch von Jan-Martin Wiarda thematisiert wird und verschiedenen wissenschaftlichen Positionen. Und der jetzt im politischen Diskurs dringend geklärt er nimmt zunehmend auch sein Wächteramt wahr, werden muss. Es ist schließlich ein Kernbestandteil sowohl gegenüber der Wissenschaft in der kritischen der freiheitlichen Demokratie, dass Wissenschaft Auseinandersetzung mit den dort notwendigerweise und Forschung ebenso wie Medien und Journalismus auftretenden verschiedenen Denkschulen und da- von direkten und indirekten Einflüssen staatlicher raus folgenden Konsequenzen in Forschungspraxis Seite möglichst frei gehalten sein sollten. Unsere und wissenschaftlich geleiteten Handlungsempfeh- Verfassung führt aus guten Gründen die Prinzipien lungen wie gegenüber der Politik und der Wirtschaft der Freiheit von Wissenschaft und Forschung und in den dort getroffenen praktischen Entscheidungen. die Prinzipien der Pressefreiheit im gleichen Artikel Hier wird noch vieles nachzuarbeiten und aufzuklä- 5 auf und schweißt diese beiden Freiheiten damit ren sein, wenn die prioritären Aufgaben der Eindäm- zugleich zusammen. Beide Freiheiten gründen auf mung der Pandemie erfolgreich gelöst sind. Dann einem hohen Maß an Unabhängigkeit und Transpa- kommt die Zeit des investigativen Wissenschafts- renz gegenüber Interessen und politischer Macht. journalismus. Nur beide Freiheiten brauchen doch zugleich den Schutz und letztlich auch die Unterstützung von Jan-Martin Wiarda weist in seinem Beitrag aller- Staat und Politik. dings auf eine gefährliche Paradoxie in unserer jet- zigen Situation hin. Der Systemrelevanz eines qua- Umso unverständlicher ist es, wie selbstverständlich litativ hochwertigen Wissenschaftsjournalismus, der die milliardenschwere Förderung von Wissenschaft gleichzeitig in die Breite der Gesellschaft wirken und Forschung durch staatliche Instanzen akzep- kann, steht ein dramatischer Rückgang an gesicher- tiert ist und wie groß das Tabu um die Frage gelegt ten kompetenten und unabhängigen Wissenschafts- ist, ob staatliche Mittel auch in die Infrastruktur von journalist_innen gegenüber. Ganz offensichtlich hat Wissenschaftsjournalismus fließen dürfen. Wenn sich in der Corona-Krise die Nachfrage nach Wissen- hier die direkte Finanzierung von Wissenschafts- schaftsjournalismus dem Anschein nach verstärkt, journalismus aus öffentlichen Mitteln mit Recht als wenn man nur die Seitenumfänge in den Printme- übergriffiger Staatsjournalismus kritisiert werden dien, die Sendezeiten in den Rundfunkmedien oder kann, so stehen doch mit Stiftungsmodellen Rechts-
Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung Seite 06/7 NETZWERK WISSENSCHAFT konstruktionen bereit, die ganz praktisch ausrei- Forschungsgemeinschaft zu bemühen: Auch hier chende Unabhängigkeit und Freiheit in der Förderung wird nicht gefragt, ob denn nicht jedes Forschungs- garantieren können. Der Staat würde darüber seiner feld eigentlich seine eigene Forschungsgemeinschaft auch grundgesetzlich aufgegebenen Schutzfunktion bräuchte. Dass jetzt der besonders prekäre und gerecht werden, ohne die gleichzeitig grundgesetz- gleichzeitig systemrelevante Wissenschaftsjournalis- lich aufgegebenen Grenzen der Beeinflussung über- mus auf eine konkrete Unterstützung drängt, macht treten zu müssen. diese Idee ja nicht schlechter. Deshalb ist Jan-Martin Wiarda nur zuzustimmen: „Die Stiftungsidee ist zu Jan-Martin Wiarda artikuliert hierzu die Sorge, ob gut, zu vielversprechend, um sie einfach zur Seite am Ende dann jedes Ministerium seine eigene Jour- zu wischen.“ Im Gegenteil: Sie liegt im allgemeinen nalismus- Stiftung einrichtet. Unabhängig, davon, Interesse und muss deshalb auch von der politischen dass diese Sorge schon weit über den aktuellen Streit Debatte jetzt konzentriert und zielgerichtet als Zu- im Grundsätzlichen hinausgreift, sollten wir in der kunftsprojekt im Sinne einer öffentlichen und pri- politischen Diskussion dieses Ressortdenken nicht vaten Partnerschaft aufgegriffen werden. Das Jahr der zu hoch gewichten. Um noch einmal die schon von FactoryWisskomm und die Beratungen im Bundestag anderer Seite angeführte Analogie zur Deutschen sollten hierzu ausreichend Gelegenheit geben.
Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung Seite 07/7 NETZWERK WISSENSCHAFT IMPRESSUM DAS NETZWERK Copyright by Friedrich-Ebert-Stiftung 2020 Das Netzwerk Wissenschaft behandelt aktuelle wis- Hiroshimastraße 17, 10785 Berlin senschafts- und hochschulpolitische Fragestellungen Abt. Studienförderung in Form von Konferenzen und Publikationen. Ziel Redaktion: Dr. Martin Pfafferott, der Aktivitäten ist es, zur Herstellung von Bildungs- Theresia Müller vom Berge gerechtigkeit im Hochschulwesen, zur zukünftigen Illustration auf Seite 1: © Johannes Beck Gestaltung des deutschen Hochschulsystems und Gestaltung & Satz: minus Design, Berlin zum Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in fort- schrittliche Politik beizutragen. Unsere Publikationen können Sie per E-Mail nachbestel- len bei: theresia.mueller-vom-berge@fes.de DER AUTOR DIESER Digitale Versionen aller Publikationen: PUBLIKATION https://www.fes.de/themenportal-bildung-arbeit-digitali- sierung/bildung Ernst Dieter Rossmann ist Bundestagsabgeordneter der SPD und Vorsitzender des Ausschusses für Bil- dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags. KONTAKT UND FEEDBACK Dr. Martin Pfafferott Leiter Bildung und Wissenschaft der Friedrich-Ebert-Stiftung martin.pfafferott@fes.de Besuchen Sie unseren Bildungsblog www.fes.de/bildungsblog Folgen Sie uns auch auf twitter.
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