Wissenschaftskommunikation nach der Krise - eine politische Einschätzung

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Ernst Dieter Rossmann

                          Wissenschaftskommunikation nach
                      der Krise – eine politische Einschätzung
                                                                E-PAPER DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG
       NETZWERK
        WISSENSCHAFT
 Die Corona-Krise hat auch Auswirkungen auf das            Die qualifizierte Politikberatung aus der Wissen-
 Verhältnis von Wissenschaft und Politik. Wechsel-         schaft heraus sollte systematisch und vorausschau-
 seitig wird das Verständnis für das jeweilige ande-       end ausgebaut werden. Für die wissenschaftliche
 re Teilsystem und seine Funktionslogiken wachsen          Politikberatung braucht es verlässliche, interdiszi-
 müssen. Gerade jetzt brauchen Wissenschaft und            plinär ausgewiesene und mit Autorität versehene
 Politik den respektvollen Umgang miteinander.             Institutionen. Die Idee einer mit öffentlichen Mit-
 Der Beitrag nimmt Bezug auf die von der Fried-            teln finanzierten Stiftung für Wissenschaftsjour-
 rich-Ebert-Stiftung initiierte Artikelreihe zu Wis-       nalismus liegt im allgemeinen Interesse und muss
 senschaftskommunikation und argumentiert:                 deshalb auch von der politischen Debatte jetzt kon-
                                                           zentriert und zielgerichtet aufgegriffen werden.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat jüngst und dan-           zum Beitrag: http://library.fes.de/pdf-files/studienfoer-
kenswerterweise in zwei Papieren aus zwei Blick-           derung/16781-20200403.pdf ).
winkeln die Wissenschaftskommunikation in Zeiten
der Corona-Krise zum Thema gemacht. Stefanie               Im politischen Bereich verzeichnen wir neben breiter
Molthagen-Schnöring, Professorin für Wirtschafts-          angelegten Initiativen aus Wissenschaft wie Journa-
kommunikation und Vizepräsidentin für Forschung            lismus zur Stärkung der Wissenschaftskommunikati-
und Transfer an der Hochschule für Technik und             on seit Beginn der laufenden Legislaturperiode auf-
Wirtschaft (HTW) Berlin hat ihre Fragen nach den           gekommene und vom Ministerium für Bildung und
Zielgruppen von Wissenschaftskommunikation, den            Forschung genauso wie aus dem Parlament heraus
Wegen ihrer Erreichbarkeit und die Auseinanderset-         beförderte und stimulierte Debatten zu diesem The-
zung mit der Sehnsucht nach Eindeutigkeit in der           ma. Auf ein Grundsatzpapier des Ministeriums vom
Schlussfrage gebündelt, wie die Wissenschaft den           November 2019 folgte ein Parlamentsantrag der Ko-
aktuellen Vertrauensvorschuss über die Zeit retten         alitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD vom De-
kann (Link zum Beitrag: http://library.fes.de/pdf-files/   zember 2019 mit einer dazu gehörigen Debatte vom
studienfoerderung/16765.pdf ). Der freie Journalist,       19.12.2019 im Bundestag und als erste Parlament-
Autor und Moderator Jan-Martin Wiarda diagnos-             sinitiative aus der Opposition ein Antrag der FDP
tiziert ein Dilemma des Wissenschaftsjournalis-            vom März 2020. Ein für den 25.3.2020 vorgesehenes
mus, fragt nach neuen wirtschaftlichen Strukturen          Fachgespräch zum Thema mit einem einschlägigen
für den Wissenschaftsjournalismus und reflektiert
das Pro und Contra einer zentralen Förderinsti-
tution für dessen systemrelevante Funktion (Link
Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung                                       Seite 02/7

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     WISSENSCHAFT
Kreis von neun Expertinnen und Experten konnte                       Spannungsfeld von Interessen und Werten auch
dann leider nicht stattfinden, weil die Corona-Krise                 früher schon eine Rolle gespielt, aber nicht derart
zur Unterbrechung der normalen Parlamentsarbeit                      zentral, wie sie seit der Zeitenwende nach dem 2.
führte.                                                              Weltkrieg mit den exponentiell wachsenden Er-
                                                                     kenntnissen insbesondere in den Naturwissenschaf-
Es ist schon eine kleine historische Ironie, dass die                ten aufgekommen sind und den hierdurch angesto-
Wissenschaftskommunikation seitdem durch die                         ßenen Innovationen durch neue Technologien und
Wirklichkeit der Corona-Pandemie in der Wahrneh-                     damit verbundenen Chancen und Risiken. Hierfür
mung und Umsetzung von politischen Entschei-                         stehen beispielhaft die politischen Debatten um die
dungsträger_innen höchste Relevanz bekommen hat                      militärische und die zivile Nutzung der Atomspal-
und sich ein äußerst enges Zusammenwirken von                        tung, die Potentiale der Raumfahrt, die Informati-
Politik, Wissenschaft und Medien in der Bekämp-                      onstechnologie, die neuen Kommunikationsmedien
fung dieser umfassenden Bedrohung beobachten                         bis hin aktuell zur künstlichen Intelligenz, die Bi-
lässt. Wissenschaftskommunikation im weiteren                        otechnologien und die Möglichkeiten der Genma-
Sinne hat damit, wie Jan-Martin Wiarda es in seinen                  nipulation, der Erhalt der biologischen Diversität
Ausführungen dann noch fokussiert auf den Wis-                       von Böden und Meeren und die Welternährung, die
senschaftsjournalismus zuspitzt, in diesen Zeiten                    globale Überhitzung und die Stabilisierung der kli-
der Corona-Pandemie eine systemrelevante Funkti-                     marelevanten Emissionen. Man muss kein Prophet
on: Als Beratung für die demokratisch legitimierten                  sein, um den Schutz vor Pandemien in diesen sich in
politischen Entscheidungsträger_innen unter ande-                    der Welt von morgen noch ganz gewiss erweiternden
rem zu Fragen der Virologie und der Bekämpfung                       Katalog an Wissenschafts- und Wahrheitsthemen der
der Pandemie. Als Aufklärung für die breite Öffent-                  Politik mit aufzunehmen.
lichkeit über die wissenschaftliche Begründung von
getroffenen und möglichen weiteren Maßnahmen                         Gewiss: Die Hinterlegung und Legitimation von po-
des Gesundheitsschutzes. Als Orientierungsinstanz                    litischer Bewegung mit vermeintlich wissenschaft-
zur Einordnung der Corona-Pandemie in ethische,                      lich begründeten Gewissheiten hat es früher auch
politische, ökonomische und ökologische Zusam-                       schon gegeben. Der dialektische und historische Ma-
menhänge. Und in einem Schulterschluss von Wis-                      terialismus bis hin zu dessen Perversion im realen
senschaft und Journalismus als Dialog-Partner für                    Kommunismus führten allerdings wie in anderen to-
besorgte und verunsicherte Bürgerinnen und Bürger                    talitären Systemen auch in ihren Konsequenzen im
sowie für eine engagierte Zivilgesellschaft.                         Umgang mit Wissenschaft und deren Zusammenwir-
                                                                     ken mit Gesellschaft und Politik in ein grausames
                                                                     Debakel. Die Entfaltung der freien Wissenschaft in
DAS JAHR VON CORONA                                                  den offenen Demokratien hat für alle deren soziale,
UND DAS ZUSAMMENWIRKEN VON                                           ökonomische und auch ökologische Potentiale er-
WISSENSCHAFT UND POLITIK                                             höht, aber eben gleichzeitig auch globale Heraus-
                                                                     forderungen mitsamt Chancen und Risiken mit sich
Was in diesen Krisenzeiten selbstverständlich ist,                   gebracht, denen sich die Wissensgesellschaften der
muss in seiner grundsätzlichen Bedeutung begriffen                   Zukunft mit ihren immer stärker werdenden Teilsys-
werden, um daraus über die Krise hinausreichende                     temen der Wissenschaft jetzt ethisch, kommunikativ
Analysen vorzunehmen und nachhaltige Konse-                          und auch pädagogisch stellen müssen. Hier liegen
quenzen ziehen zu können. Zur Moderne im politi-                     nicht zuletzt Aufgabe und Sinn von Politik.
schen Handeln gehören Auseinandersetzungen und
Klärungen entlang von Interessen und Werten, auf
deren Basis sich Parteien gründen und in ihrer Iden-
                                                                     VERWISSENSCHAFTLICHUNG,
tität definieren, nach deren Wahrnehmung und Be-                     WISSENSCHAFTSVERSTÄNDNIS UND
wertung Wahlentscheidungen getroffen werden und                      POLITISCHE GESTALTUNG
Macht verteilt wird und nach denen auch letztlich
politische Kompromisse verhandelt und politische                     Stefanie Molthagen-Schnöring wirft in ihrem Beitrag
Entscheidungen getroffen werden.                                     die Grundsatzfrage auf, wie man in der Verwissen-
                                                                     schaftlichung vieler Lebenszusammenhänge und
Natürlich haben wissenschaftlich begründete Er-                      Zukunftsentwicklungen der Sehnsucht der meisten
kenntnisse und Projektionen in diesem politischen                    Menschen nach Eindeutigkeit begegnet. Denn dieses
Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung                                          Seite 03/7

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     WISSENSCHAFT
Verlangen steht vom System her konträr zur zentra-                   rausschauend genauso wie anlass- und krisenbezo-
len wissenschaftstheoretischen Prämisse, dass wis-                   gen. Die drei Ad hoc – Stellungnahmen der Natio-
senschaftliche Theorien, Wahrheiten und Projekti-                    nalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina sind
onen prinzipiell widerlegbar und damit immer nur                     hierzu ein beispielhafter anspruchsvoller Vorstoß,
vorläufig und relativ sein können. Eine Antwort, die                 berechtigte Kritik im Einzelnen hin oder her. Wenn
das Vertrauen in die Wissenschaft selbst betrifft, liegt             wir nicht einen Nationalen Wissenschaftsberater,
gewiss in den von der Autorin benannten Kategorien                   einen Scientific Advisor für die Regierung, analog
der Kompetenz, des Wohlwollens und der Integri-                      dem Institut des Sicherheitsberaters nach amerika-
tät, d.h. Kompetenz durch exzellente Wissenschaft                    nischem Muster haben wollen, braucht es für die
und deren Vermittlung, Wohlwollen durch Stabilität                   wissenschaftliche Politikberatung verlässliche, in-
und Orientierungsfähigkeit von Wissenschaft und                      terdisziplinär ausgewiesene und mit Autorität ver-
Integrität durch realistische Selbsteinschätzung der                 sehene Institutionen. Kurzfristig zusammen geru-
Möglichkeiten und Grenzen von Wissenschaft.                          fene Beratungskreise von Ministerpräsidenten, wie
                                                                     sie jetzt in der Corona-Krise im föderativen Ehrgeiz
Die Grundsatzfrage von Stefanie Molthagen-Schnö-                     aus der Taufe gehoben worden sind, sind sicherlich
ring richtet sich aber auch an die weitere Öffentlich-               nicht so zielführend wie langfristig gesicherte Ein-
keit und die Systeme von Wirtschaft und Politik und                  richtungen einer freien, politisch und wirtschaftlich
deren Repräsentant_innen und Akteure. Nicht we-                      unabhängigen, wissenschaftsgeleiteten und wissen-
nige der Akteure in der Politik scheuen unter dem                    schaftlich orientierten Politikberatung. Der aktuelle
Erwartungsdruck ihrer jeweiligen Wählerschaft und                    Vorschlag aus der Leopoldina heraus zu einer sol-
Interessenvertreter_innen Offenheit, Relativierung,                  chen „Querschnittseinheit Wissenschaftstransfer“
Unsicherheit, Ambiguität. Kruder Populismus und                      unter Einschluss der Dimension von Wissenschafts-
Wissenschaftsfeindlichkeit sind da nur die Spitze des                kommunikation ist ein sehr ernst zu nehmender
Eisberges, die aus einer immer noch viel zu großen                   Vorschlag. Das Corona-Jahr mit seinen Erfahrungen
Masse an Distanz zu Intellektualität und Wissen-                     bietet leider wahrlich genug Anlass, hier zu neuen
schaft herausragt. Die Zukunft wird sich aber nicht                  Initiativen zu kommen.
anders bestehen lassen. Gerade die Volksvertreter_
innen in den Parlamenten werden lernen müssen,                       Es motiviert hoffentlich auch Parteien wie Bürger_in-
Wissenschaft im Allgemeinen in ihrer Methodik und                    nen, vermehrt Volksvertreter_innen in die Parla-
Begrenztheit und im Konkreten in ihren jeweiligen                    mente zu entsenden, die durch ihre wissenschaft-
Themen und den begründeten Ableitungen zu verste-                    liche Arbeit ausgewiesen sind und diese Kompetenz
hen und in ihre Handlungsstrategien einzubeziehen.                   in das Entscheidungsdreieck von „Werten, Interessen
So wie die Repräsentant_innen und Akteure von Wis-                   und Wahrheiten“ einbringen können. Wir brauchen
senschaft und Forschung die komplexen Aufgaben                       solche Brückenbauer zwischen den Systemen in der
von politischer Gestaltung, das Primat der Demokra-                  Zukunft, als Erklärer, Vermittler, Vorbild, persönliche
tie und ihrer Legitimation verstehen lernen müssen.                  Autoritäten. Mehr Wissenschaftler_innen in der Poli-
Wissenschaft und Politik brauchen den respektvollen                  tik können auch dafür sorgen, dass die System-
Umgang miteinander und sie brauchen auch mehr                        logiken der Politik, des Rechts, der Ökonomie, die
wechselseitigen Austausch und mehr Beratung.                         von der überwiegenden Mehrheit der Volksvertre-
                                                                     ter_innen gegenwärtig noch durch ihren beruflichen
POLITIKBERATUNG DURCH DIE                                            Werdegang repräsentiert werden, mit einer anderen
                                                                     relevanten Systemlogik, eben der der Wissenschaft,
WISSENSCHAFT UND                                                     verbunden werden. Das kann nicht nur fruchtbar
WISSENSCHAFTLER IN DER POLITIK                                       werden in Bezug auf die Inhalte, sondern auch auf
                                                                     die Methodik von Politik. Um es ebenso banal wie
Das nicht zufällig in der epochalen Auseinanderset-                  aktuell zu veranschaulichen: Das systematische Vor-
zung um die Risiken der Atomenergie entstandene                      gehen einer Bundesregierung, die von einer Wis-
Instrument der Technikfolgenabschätzung muss und                     senschaftlerin geführt wird und deren Anti- Coro-
kann auf allen Ebenen ausgeweitet werden. Enquete-                   na-Strategie von einem wissenschaftlich besonders
Kommissionen im Zusammenwirken von Politik und                       ausgewiesenen Narkose-Arzt als Minister admini-
Wissenschaft verdienen mehr Aufmerksamkeit. Die                      striert wird, ist sicherlich effektiver und Vertrauen
qualifizierte Politikberatung aus der Wissenschaft                   erweckender als das erratische Vorgehen eines Präsi-
heraus ist auszubauen – systematisch, komplex, vo-                   denten, der als Show-Meister und Immobilien-Mogul
Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung                                          Seite 04/7

    NETZWERK
     WISSENSCHAFT
qualifiziert ist und der die Hauptverantwortung für                  Wissenschaft hat eine Bringschuld gegenüber der
die Administration in der Corona-Krise an seinen                     Bevölkerung und muss ihre Botschaften so senden,
Stellvertreter, einen evangelikalen Anwalt und Mo-                   dass sie bei denen ankommen, die sie betreffen.“
derator, abgegeben hat.
                                                                     Bei Stefanie Molthagen-Schöning findet sich in ihrem
WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION                                           Eröffnungsbeitrag zur Debatte der Friedrich-Ebert-
                                                                     Stiftung die Aussage, „häufig liest man, Wissen-
– BREITBANDIG, VIELFÄLTIG,                                           schaftler_innen wollten heute nicht mehr nur ih-
KRITISCH, NACHHALTIG                                                 resgleichen erreichen, sondern „die Öffentlichkeit“
                                                                     (manchmal sogar die „breite Öffentlichkeit“). Abge-
Ob die Monate der Wissenschaft, in der Forschungs-                   sehen davon, dass dies nicht realistisch ist, erscheint
einrichtungen wie auch einzelne Wissenschaftler_in-                  es auch in den seltensten Fällen sinnvoll.“ Das BMBF
nen mehr denn je Gesicht und Popularität bekom-                      hat in seinem Grundsatzpapier zur Wissenschafts-
men, wie wir es in der Corona-Krise gegenwärtig                      kommunikation in bemerkenswerter Entschieden-
erleben, zugleich das Jahr der Wissenschaftskom-                     heit den Punkt gesetzt, dass aus seiner Sicht „vor
munikation und des Wissenschaftsjournalismus be-                     allem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
fördern und zu einer nachhaltigen Stärkung dieser                    primäre Akteure der Wissenschaftskommunikati-
Dimension von Wissenschaft beitragen können, wird                    on“ sind. Durch Transparenz und Dialog können sie
abzuwarten sein. Die Chance ist jedenfalls da, dass                  selbst einen wichtigen Beitrag leisten, das Vertrauen
der FactoryWisskomm-Prozess, den sich das Minis-                     in Wissenschaft zu stärken. Wissenschaftskommu-
terium für Bildung und Forschung für dieses Jahr in                  nikation soll grundständig im Wissenschaftssystem
einer Denkwerkstatt auf Leitungsebene verordnet                      verankert werden. Entsprechend möchte das BMBF
hat, hierdurch einen ordentlichen Schub bekommt,                     im Rahmen der wissenschaftlichen Selbstverwaltung
konzeptionell, institutionell, finanziell.                           bestehende Reputationslogiken unter Wahrung der
                                                                     wissenschaftlichen Exzellenz überdenken, Möglich-
Die bisher vorliegenden Parlamentsanträge doku-                      keiten zur Entwicklung von Kompetenzen in der Wis-
mentieren, welche Fülle von einzelnen Projekten und                  senschaftskommunikation schaffen und einen bes-
Initiativen sich in Deutschland zu allen Bereichen                   seren Transfer von Wissenschaftskommunikations-
der Wissenschaftskommunikation entwickelt hat,                       forschung und -praxis methodisch stärken. Beson-
von Forschungsmuseen, und Zukunftshäusern, von                       ders relevant ist dazu auch die Ankündigung des
Wissenschaftskampagnen und Wissenschaftsmedi-                        Ministeriums, die Wissenschaftskommunikation als
en, von Bürgerwissenschaft und Wissenschaftsdia-                     integralen Bestandteil der BMBF-Förderung auszu-
logen. Immerhin sind auch die freien Haushaltsmit-                   bauen, mit Qualitätsstandards abzusichern und die
tel des Bildungs- und Forschungsministeriums von                     Evaluation und Wirkungsmessung auszubauen.
einem IST im Jahr 2018 von 11,901 Millionen auf
ein SOLL in 2020 in Höhe von 17,450 Millionen für                    Was sich hier als Programmatik abzeichnet, hat sich
den Titel Wissenschaftskommunikation und Partizi-                    an vielen Stellen im System der Forschungseinrich-
pation gewachsen. Wenn sich auch diese Mittel noch                   tungen, Hochschulen und Förderorganisationen
immer als relativ begrenzt darstellen, so kann mit                   schon konkret niedergeschlagen. Einige Beispiele
Recht darauf verwiesen werden, dass viele zusätz-                    an Vorboten für diesen Kulturwandel in der Wissen-
liche Ressourcen in den Etats der Wissenschafts- und                 schaft sollen hier genannt werden. Mit dem NaWik
Forschungseinrichtungen selbst mobilisiert werden.                   gibt es ein Nationales Institut für praxisorientierte
Gleichwohl wird die allen exemplarisch deutlich ge-                  Fortbildungen in der Wissenschaftskommunikation.
wordene Bedeutung von Wissenschaft und deren                         Die Körber-Stiftung vergibt ihre Projektmittel mit
Kommunikation in der Corona-Krise dazu führen                        einem festen Prozentsatz an Mitteln für die Wis-
müssen, hier auch noch breitbandiger, vielfältiger                   senschaftskommunikation. Die frisch gewählte Prä-
und innovativer aufzutreten, als es bisher der Fall ist.             sidentin der größten deutschen öffentlichen För-
Der Hinweis in dem Bundestagsantrag der FDP unter                    dereinrichtung für die Forschung, die DFG, setzt
der Überschrift „Elitenwirkung und Breitenwirkung“                   bemerkenswerte Akzente in der Öffnung der Wis-
wird dabei zwingend aufzunehmen sein, dass eine                      senschaft und Forschung in die Gesellschaft hinein
entscheidende Aufgabe der Wissenschaftskommu-                        bis hin zu so sympathischen Ideen wie „einer Stunde
nikation ist, „diejenigen zu erreichen, die nicht von                Wissenschaft auf der Parkbank“.
sich aus auf die Informationsquellen zugehen. Die
Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung                                          Seite 05/7

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Die entscheidende Debatte wird allerdings im Be-                     die Prioritätensetzung in den Blogs und anderen so-
reich der Hochschulen und deren Verständnis von                      zialen Medien betrachtet. Gleichzeitig drohen unter
Autonomie in der Lehre und Forschung zu der Frage                    diesem krisenbedingten und auf die Corona-Pande-
zu führen sein, wieweit Wissenschaftskommunika-                      mie fixierten Hype wichtige Basisstrukturen und ge-
tion ein inhärenter verpflichtender Bestandteil von                  festigte Beschäftigungsverhältnisse weiter wegzubre-
wissenschaftlicher Ausbildung und Forschungspra-                     chen und letztlich auch Qualität und Komplexität von
xis an den Hochschulen werden kann und soll. Diese                   Wissenschaftsjournalismus zu leiden. Vereinigungen
Klärung wird sicherlich nicht im Jahr 2020 allein,                   wie die Wissenschaftspressekonferenz oder Instituti-
dem Jahr von FactoryWisskomm, erfolgen, sondern                      onen wie das Science Media Center weisen mit Recht
eine Aufgabe für das ganze Jahrzehnt sein. Erste                     darauf hin, dass es hier über schnelle Unterstützungs-
Schritte zur adäquaten Umsetzung dieser kommuni-                     maßnahmen hinaus langfristige Lösungen zur Siche-
kativen Seite von Wissenschaft sollten gleichwohl an                 rung des Wissenschaftsjournalismus geben muss.
allen Hochschulen eingeleitet werden.                                Sie bringen eine Stiftung zur Förderung des Wissen-
                                                                     schaftsjournalismus in die Diskussion ein, deren Stif-
                                                                     tungskapital sich aus Mitteln speisen soll, die von Un-
DIE SYSTEMRELEVANZ DES                                               ternehmen, Stiftungen, Mäzenen und eben auch dem
WISSENSCHAFTSJOURNALISMUS                                            Staat bereitgestellt werden.

Die Corona-Krise hat es allen nachdrücklich deutlich
gemacht. Der Wissenschaftsjournalismus ist ein zen-
                                                                     EINE STIFTUNG FÜR DEN
traler Teil jeder umfassenden Strategie der Wissen-                  WISSENSCHAFTSJOURNALISMUS
schaftskommunikation. Er zeigt aktuell seine hohe                    – TABU ODER LÖSUNG?
Leistungsfähigkeit in der Vermittlung von notwen-
digen Informationen, Zusammenhängen und Hin-                         An diesen möglichen staatlichen Mitteln entzündet
tergründen auf allen Medien. Er gibt Orientierung                    sich ein Grundsatzstreit, der dankenswerter Weise
in der Darstellung und kritischen Aufarbeitung von                   auch von Jan-Martin Wiarda thematisiert wird und
verschiedenen wissenschaftlichen Positionen. Und                     der jetzt im politischen Diskurs dringend geklärt
er nimmt zunehmend auch sein Wächteramt wahr,                        werden muss. Es ist schließlich ein Kernbestandteil
sowohl gegenüber der Wissenschaft in der kritischen                  der freiheitlichen Demokratie, dass Wissenschaft
Auseinandersetzung mit den dort notwendigerweise                     und Forschung ebenso wie Medien und Journalismus
auftretenden verschiedenen Denkschulen und da-                       von direkten und indirekten Einflüssen staatlicher
raus folgenden Konsequenzen in Forschungspraxis                      Seite möglichst frei gehalten sein sollten. Unsere
und wissenschaftlich geleiteten Handlungsempfeh-                     Verfassung führt aus guten Gründen die Prinzipien
lungen wie gegenüber der Politik und der Wirtschaft                  der Freiheit von Wissenschaft und Forschung und
in den dort getroffenen praktischen Entscheidungen.                  die Prinzipien der Pressefreiheit im gleichen Artikel
Hier wird noch vieles nachzuarbeiten und aufzuklä-                   5 auf und schweißt diese beiden Freiheiten damit
ren sein, wenn die prioritären Aufgaben der Eindäm-                  zugleich zusammen. Beide Freiheiten gründen auf
mung der Pandemie erfolgreich gelöst sind. Dann                      einem hohen Maß an Unabhängigkeit und Transpa-
kommt die Zeit des investigativen Wissenschafts-                     renz gegenüber Interessen und politischer Macht.
journalismus.                                                        Nur beide Freiheiten brauchen doch zugleich den
                                                                     Schutz und letztlich auch die Unterstützung von
Jan-Martin Wiarda weist in seinem Beitrag aller-                     Staat und Politik.
dings auf eine gefährliche Paradoxie in unserer jet-
zigen Situation hin. Der Systemrelevanz eines qua-                   Umso unverständlicher ist es, wie selbstverständlich
litativ hochwertigen Wissenschaftsjournalismus, der                  die milliardenschwere Förderung von Wissenschaft
gleichzeitig in die Breite der Gesellschaft wirken                   und Forschung durch staatliche Instanzen akzep-
kann, steht ein dramatischer Rückgang an gesicher-                   tiert ist und wie groß das Tabu um die Frage gelegt
ten kompetenten und unabhängigen Wissenschafts-                      ist, ob staatliche Mittel auch in die Infrastruktur von
journalist_innen gegenüber. Ganz offensichtlich hat                  Wissenschaftsjournalismus fließen dürfen. Wenn
sich in der Corona-Krise die Nachfrage nach Wissen-                  hier die direkte Finanzierung von Wissenschafts-
schaftsjournalismus dem Anschein nach verstärkt,                     journalismus aus öffentlichen Mitteln mit Recht als
wenn man nur die Seitenumfänge in den Printme-                       übergriffiger Staatsjournalismus kritisiert werden
dien, die Sendezeiten in den Rundfunkmedien oder                     kann, so stehen doch mit Stiftungsmodellen Rechts-
Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung                                         Seite 06/7

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konstruktionen bereit, die ganz praktisch ausrei-                    Forschungsgemeinschaft zu bemühen: Auch hier
chende Unabhängigkeit und Freiheit in der Förderung                  wird nicht gefragt, ob denn nicht jedes Forschungs-
garantieren können. Der Staat würde darüber seiner                   feld eigentlich seine eigene Forschungsgemeinschaft
auch grundgesetzlich aufgegebenen Schutzfunktion                     bräuchte. Dass jetzt der besonders prekäre und
gerecht werden, ohne die gleichzeitig grundgesetz-                   gleichzeitig systemrelevante Wissenschaftsjournalis-
lich aufgegebenen Grenzen der Beeinflussung über-                    mus auf eine konkrete Unterstützung drängt, macht
treten zu müssen.                                                    diese Idee ja nicht schlechter. Deshalb ist Jan-Martin
                                                                     Wiarda nur zuzustimmen: „Die Stiftungsidee ist zu
Jan-Martin Wiarda artikuliert hierzu die Sorge, ob                   gut, zu vielversprechend, um sie einfach zur Seite
am Ende dann jedes Ministerium seine eigene Jour-                    zu wischen.“ Im Gegenteil: Sie liegt im allgemeinen
nalismus- Stiftung einrichtet. Unabhängig, davon,                    Interesse und muss deshalb auch von der politischen
dass diese Sorge schon weit über den aktuellen Streit                Debatte jetzt konzentriert und zielgerichtet als Zu-
im Grundsätzlichen hinausgreift, sollten wir in der                  kunftsprojekt im Sinne einer öffentlichen und pri-
politischen Diskussion dieses Ressortdenken nicht                    vaten Partnerschaft aufgegriffen werden. Das Jahr der
zu hoch gewichten. Um noch einmal die schon von                      FactoryWisskomm und die Beratungen im Bundestag
anderer Seite angeführte Analogie zur Deutschen                      sollten hierzu ausreichend Gelegenheit geben.
Wissenschaftskommunikation nach der Krise – eine politische Einschätzung                                            Seite 07/7

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IMPRESSUM                                                             DAS NETZWERK

Copyright by Friedrich-Ebert-Stiftung 2020                            Das Netzwerk Wissenschaft behandelt aktuelle wis-
Hiroshimastraße 17, 10785 Berlin                                      senschafts- und hochschulpolitische Fragestellungen
Abt. Studienförderung                                                 in Form von Konferenzen und Publikationen. Ziel
Redaktion: Dr. Martin Pfafferott,                                     der Aktivitäten ist es, zur Herstellung von Bildungs-
Theresia Müller vom Berge                                             gerechtigkeit im Hochschulwesen, zur zukünftigen
Illustration auf Seite 1: © Johannes Beck                             Gestaltung des deutschen Hochschulsystems und
Gestaltung & Satz: minus Design, Berlin                               zum Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in fort-
                                                                      schrittliche Politik beizutragen.
                                                                      Unsere Publikationen können Sie per E-Mail nachbestel-
                                                                      len bei: theresia.mueller-vom-berge@fes.de
DER AUTOR DIESER
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PUBLIKATION                                                           https://www.fes.de/themenportal-bildung-arbeit-digitali-
                                                                      sierung/bildung
Ernst Dieter Rossmann ist Bundestagsabgeordneter
der SPD und Vorsitzender des Ausschusses für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
des Deutschen Bundestags.
                                                                      KONTAKT UND FEEDBACK

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                                                                      Leiter Bildung und Wissenschaft
                                                                      der Friedrich-Ebert-Stiftung
                                                                      martin.pfafferott@fes.de

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