Y arn-Spinning, der austra

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Y arn-Spinning, der austra
Unterwegs auf dem Bibbulmun Track

Y
                          arn-Spinning, der austra-
                          lische Volkssport im Ge-
                          schichtenerzählen, umhüllt
                          mich wie die glühende
                          Hitze im Busch, sobald ich
                          Fragen zum Bibbulmun
                          Track stelle. Ich höre die
     wildesten Geschichten, Worte fallen wie:
     «brütend heiss, voller Schlangen, kein Wasser,
     gift ige Tiere, Buschfeuer, gefährlich». Eigent-
     lich müsste ich nun verdurstet im Bauch einer
     Schlange liegen und könnte unmöglich diesen
     Bericht schreiben.
          Eine gute Vorbereitung ist unerlässlich.
     Mit gesundem Menschenverstand und einigen
     Survivalskills kann man aber sogar in der
     heissen Jahreszeit alleine raus in den Busch,
     vor allem auf einem Track wie dem Bibbul-
     mun. Die zahlreichen Warnungen im Ohr,
     gehe ich die Sache mit dem nötigen Ernst an.
     Ich habe keine Lust für die nächste Schlagzeile
     zu sorgen: «Leichtsinniger Tourist im Hoch-
     sommer auf dem Bibbulmun Track verschol-
     len.» Ich stelle meine Sensoren scharf: Kein
     Rumgefummel im Unterholz, denn wer weiss,
     was da liegen oder kriechen mag. Keine Extra-
     touren, immer auf dem sehr gut markierten
     Weg bleiben, vorsichtig gehen, nichts verstau-
     chen oder gar brechen. Den Wasserhaushalt
     gut regeln, mich informieren, wo es Wasser
     nachzufüllen gibt. Kompass und Karte sind
     dabei, meine Freunde in Perth über meine
     Route und Dauer der Wanderung informiert.
     Dazu lese ich noch ein Buch, wie man Busch-
     feuer überlebt, ist doch die Waldbrandgefahr
     wegen der Trockenheit sehr hoch.
          Die Fahrt von der Busplattform in Down-
     town Perth bis zum Ausgangsort der Wande-
     rung dauert eine knappe Stunde. Im Shopping
     Center von Kalamunda kaufe ich die letzten
     Früchte und Snacks für meine zehntägige
     Wanderung bis Dwellingup. Ich marschiere
     an diesem Nachmittag alleine los, in der irri-
     gen Annahme, in einer der nächsten Hütten
     rasch auf Gleichgesinnte zu stossen.

     Alleine draussen im Bush. Der Schweiss
     tropft, die australische Sommerhitze macht zu
     schaffen. Bei 40 Grad im Schatten wird das
     Wandern mit schwerem Rucksack sehr an-
     strengend. Der Körper kühlt, indem er liter-
     weise Wasser verdunstet. Mit langen Hosen
     und langem Baumwollhemd reduziert sich
     mein Wasserverbrauch erheblich, und der
     Kühlprozess wird über das Baumwollgewebe
     gesteigert – Rüdiger Nehbergs Trick funktio-
     niert prima. Zudem bleibe ich vor lästigen In-
     sekten und der Sonne optimal geschützt. Es ist
     unglaublich, innert Stunden werden aus 15
     Grad deren 40. So breche ich in der Morgen-
     dämmerung auf, bewundere eine kleine Blu-
     me, die aus der knochentrockenen Erde              Text: Claudio Breda   Bilder: Claudio Breda & Hanspeter Kämpf
     spriesst, und staune über einen grossen Euka-
     lyptusbaum, der seine weissen Äste majestä-
     tisch in den Himmel streckt. Die Wegbedin-
     gungen ändern sich ständig. Auf steile An-

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Y arn-Spinning, der austra
westaustralien

Dem Spirit Australiens auf der Spur

BUSHWALK
Claudio Breda ist für zehn Tage in eine andere Welt eingetaucht. Weg von der Zivilisation,
einem unsichtbaren Faden entlang, der ihm einen kleinen, faszinierenden Teil des
roten Kontinents erschlossen hat. – «Alles war da, was ich mir vom australischen Busch
erträumt habe. Endlose Wälder, die bis an den Horizont reichen, die Sonne, die den
Tag zum Glühen bringt, die unzähligen Tiere, die einsamen Hütten, der Duft von Eukalyptus,
Holz und Erde und der unvergessliche Sternenhimmel in einsamer Nacht.»

Hüttenzauber. Von den erhöhten Schlafböden der offenen Hütten aus geniesst man eine 24-Stunden-Aussicht. Die Wassertanks sind überlebenswichtig.   75
Y arn-Spinning, der austra
Mein Ausblick ist spektakulär. Jeden Moment
                                                        erwarte ich, einen kapitalen Stegosaurus zu erblicken.

                                                       Temperaturen wieder erträglicher, ich streife        schehnisse des Tages Revue passieren. Gerne
                                                       etwas durch die Gegend, koche und lege mich          hätte ich die vielen Eindrücke und Erlebnisse
                                                       früh schlafen.                                       mit anderen Menschen geteilt. Mir ist nun
                                                           Einmal finde ich ein National Geographic-        endgültig klar, dass sowohl Aussies wie Tou-
                                                       Magazin. Darin ist ein Bericht über das faszi-       risten jetzt mit einem kühlen Drink in der
                                                       nierende Leben der Primatenforscherin Jane           Hand am Strand liegen und sich im Sommer
                                                       Goodall. In dieser Umgebung kann ich mir             garantiert nicht in den Busch zum Wandern
                                                       gut vorstellen, wie es in Afrika war, als sie frei   verirren. So lausche ich dem Zirpen der Zika-
                                                       lebende Schimpansen beobachtete. Die Hitze,          den, und über mir leuchtet der erste Stern am
                                                       die tausend Gerüche, die Weite. Mein Aus-            Abendhimmel auf.
                                                       blick ist nicht minder spektakulär, lässt aber
    stiege folgen flache Stücke, die dann wieder in    mehr auf Dinosaurier schliessen. Jeden Mo-           Ohne Wasser geht gar nichts. Meine be-
    abschüssige Passagen übergehen. 20 Kilome-         ment erwarte ich, in der Senke, die sich vor         rechtigte Sorge gilt der Trinkwasserversor-
    ter werden unter diesen Umständen sehr lang,       mir ausbreitet, einen kapitalen Stegosaurus zu       gung unterwegs. Schon bei der ersten Hütte
    der Rücken schmerzt, der Weg ein ständiges         erblicken. Er taucht am Abend als Tannenzap-         angekommen, gibt es die kühle Entwarnung.
    Auf und Ab in jeder Hinsicht. Sehnsüchtig          fenechse auf, die vor der Hütte nach Insekten        Der grosse Regenwassertank ist zu zwei Drit-
    warte ich jeweils auf den nächsten erlösenden      jagt. Interessiert beobachte ich das urtümliche      tel voll, und der Weitermarsch vorläufig gesi-
    Hüttenwegweiser. «Da, endlich!», immer kurz        Tier, das mir wild fauchend seine blaue Zunge        chert. Erst die Regenwassertanks ermöglichen
    bevor ich mich ernsthaft frage, was ich hier       entgegenstreckt, als es mich wahrnimmt.              ein unproblematisches Wandern. Die grossen
    draussen eigentlich mache, taucht er auf. Hat          An Echsen, Spinnen, Wallabys, Kängurus,          geschlossenen Tanks, die neben den Hütten
    die Hitze am Mittag ihren Höhepunkt er-            Insekten und Vögeln mangelt es hier nicht,           stehen und mit einem kleinen Schnapphahn
    reicht, sitze ich im Schatten der Schutzhütte      bloss die Gattung Mensch lässt sich nicht bli-       versehen sind, sammeln das vom Hüttendach
    und erhole mich vom anstrengenden Marsch.          cken. Den letzten Artgenossen begegne ich            abgeleitete, nach Erde schmeckende Regen-
    Da es zu heiss ist für jegliche Aktivitäten, ma-   kurz nach Kalamunda bei den grossen Trink-           wasser. Ich trinke es, ohne abzukochen, und
    che ich eine Siesta von ein paar Stunden, döse,    wasserstauseen, die Perth mit dem kostbaren          habe nie Probleme damit. Drei Monate zuvor
    knabbere etwas Proviant, lese die Einträge in      Nass versorgen. So liege ich abends leider viel      ist der Staat von einem Zyklonausläufer ge-
    den Hüttenbüchern und studiere meinen Bib-         einsamer, als ich mir das ausgemalt habe,            troffen worden. In der Folge regnete es im
    bulmun-Führer. Gegen Abend werden die              wach in einer der Hütten und lasse die Ge-           Südwesten sehr stark, und alle Tanks sind aus-

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westaustralien

Wegmarkierung. Regenbogenschlange (l. oben).
Tierisch. Der Kookaburra mit seinem eigentüm-
lichen Ruf und ein kleines Känguru (oben).
Herrscher über das Buschland. Manchmal
wirken die Eukalyptusbäume wie lebendige
Kunstwerke (rechts).
Orientierung. Der Track ist meistens gut sichtbar
(rechts unten).

nahmslos gut gefüllt. Mit der Hand fühlt man
präzise die Temperaturgrenze am Eisentank,
die den Wasserpegel markiert. Es ist nicht
selbstverständlich, dass im Sommer zu Fuss
autonom in diesem Gebiet gewandert werden
kann. Wasser ist ansonsten in dieser Jahreszeit
rar und wenn überhaupt, sehr schwer zu fin-
den. Die früheren Bewohner des Gebietes, die
Bibbulmun, wichen im Sommer wegen un-
verlässlicher Wasserquellen an die Küste aus.
    Eines Nachts tobt ein heft iges Gewitter.
Ich liege in der kleinen Schutzhütte, umzingelt
von Blitz und Donner und mache mir ernst-
hafte Sorgen, dass ein Blitz den Wald entzün-
det. Dann fällt zu meiner Erleichterung für
ein paar Minuten heft iger Regen. Am nächs-
ten Morgen finde ich bei einigen Felsen kleine
Wasserlachen. Mit steigender Sonne verwan-
delt sich der ganze Wald in kürzester Zeit in
einen erbarmungslosen Kochtopf. Das wenige
Wasser verdampft vor meinen Augen. Es ist
unglaublich heiss und feucht. Ich gare darin
wie ein australischer Damper. Ausgerechnet
heute windet sich der Pfad in die Höhe, und
ich schleppe mich keuchend und leidend hin-

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auf. Oben werde ich mit der schönsten Aus-
     sicht für die Rackerei belohnt. Markante Hü-
     gelzüge im Norden lassen mich erahnen, wie            Der einstige Wald hat sich in Kohle und Asche
     weit ich bereits gelaufen bin. Sind es zwei oder
     bereits drei Tagesetappen? Eigentlich unwich-
                                                        verwandelt, der Geruch von Rauch ist allgegenwärtig.
     tig, denn ich lebe im Hier und Jetzt, der Au-
     genblick ist das Ziel. Der Blick nach Süden of-
     fenbart unendliches Buschland. Irgendwo da         der Wassertanks prächtig gedeihen, fehlen          Über überlebenswichtige Schutz- und Ret-
     hinten, am Horizont, liegt Dwellingup.             nicht. Sobald es dunkel wird, tauchen sie auf      tungsmassnahmen sollte man sich von vorn-
          Der Busch ist für uns Europäer anfangs        und sind unerbittlich. Es ist grässlich. Dank      herein unbedingt informieren. Normalerwei-
     rau, doch man gewöhnt sich daran. Die durch        einem Moskitonetz und Mückenschutzmittel           se kommt man zu Fuss gut weg, wenn man ein
     Hitze, Staub, Erde und die Trockenheit rissig      überstehe ich die Nächte in den offenen            Feuer früh genug entdeckt und gute Karten
     gewordene Haut, die Blasen an den Füssen           Schutzhütten halbwegs schadlos. Die lästigen       und Kompass zur Hand hat, damit man sich
     und die gemeinen Bremsenstiche sind bald           Fliegen bei Tag lassen sich immerhin durch         auf der Flucht nicht verläuft.
     vergessen. Auch die Stechmücken, die dank          stetes Wedeln mit ein paar Gräsern vom Ge-             Ich bin beeindruckt, als ich über Kilome-
                                                        sicht fernhalten.                                  ter durch Gebiete wandere, die kurz zuvor ab-
                                                                                                           gebrannt sind. Der einstige Wald hat sich in
                                                        Buschfeuer. Meine Füsse tragen mich durch          Kohle und Asche verwandelt, der Geruch von
                                                        grandiose Waldlandschaften mit verschie-           Rauch und Asche ist noch allgegenwärtig.
                                                        densten Eukalyptusarten und den mannsho-           Selbst ganz grosse Eukalyptusbäume sind ver-
                                                        hen Grass Trees mit ihrem speziellen Harz,         brannt, und ihre kümmerlichen Überreste
                                                        mit dem die Aborigines ihre Pfeilspitzen befes-    zeugen von der Gewalt des Feuers. Erschwert
                                                        tigen. Sträucher und Büsche liegen eingebettet     wird das Wandern dadurch, dass alle Wegwei-
                                                        in der hügligen Landschaft aus roter Erde,         ser weggebrannt sind. Alles liegt unter einem
                                                        Staub und Felsen. Im ganzen Gebiet herrscht        zentimeterdicken Ascheteppich. Mir kommen
                                                        striktes Feuerverbot. Einzig mit einem Ko-         Passagen aus dem Klassiker von A. B. Facey
                                                        cher ist es erlaubt, sich seine Mahlzeiten zuzu-   «A Fortunate Life» in den Sinn. Eine Austra-
                                                        bereiten. Die Gefahr eines Buschfeuers ist all-    lierin empfahl mir vor Jahren diese Biografie
                                                        gegenwärtig. Verhält man sich geschickt ge-        über die Pionierzeit in Westaustralien. Hier
                                                        nug und versteht das Wesen eines Buschfeu-         draussen wird mir erst richtig bewusst, wie
                                                        ers, kann man im Ernstfall richtig reagieren.      hart die Anfänge gewesen sein müssen und

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westaustralien

                                                                                                        Der Track

                                                                                                                             Kalamunda
                                                                                                                  Perth
                                                                                                              Fremantle

                                                                                                              Mandurah                    North
                                                                                                                                          Bannister
                                                                                                                  Dwellingup

                                                                                                                                     Collie
                                                                                                                        Bunbury

                                                                                                                                  Balingup
                                                                                                            Busselton
                                                                                                                                    Bridgetown        AUSTR ALIEN
                                                                                                               Nannup
                                                                                                                                    Manjimup
                                                                                                                                  Pemperton
                                                                                                                                    Northcliffe
                                                                                                                                              Walpole Denmark
                                                                                                                                                                Albany

                                                                                                        Eine Wanderung auf dem 965 Kilometer
                                                                                                        langen Bibbulmun Track ist eine bewusste
                                                                                                        und rücksichtsvolle Art, den Südwesten
                                                                                                        Australiens kennenzulernen. Das dreieckige
                                                                                                        Schlangensymbol, der «Waugal» (Regenbo-
                                                                                                        genschlange), markiert den ganzen Track und
                                                                                                        führt von Hütte zu Hütte. Der von Freiwilligen
                                                                                                        unterhaltene Pfad schlängelt sich im Norden
                                                                                                        durch grandiose Eukalyptuswälder, der süd-
                                                                                                        liche Abschnitt verläuft entlang einer der
Unter brütender Sonne. Sieht idyllisch aus, aber                                                        schönsten Küsten Australiens.
auf so einer Strecke erwartet man sehnsüchtig den   Wallabys, die frühmorgens vor mir flüchten          Das Bibbulmun-Volk, die Ureinwohner, die
nächsten Hüttenwegweiser (links oben).
                                                    und die ich dank ihres schlagenden, harten          ehemals auf dem Gebiet lebten und nach
Vielfältige Pflanzenwelt. Die Grasbäume
stellen ihre üppige Haarpracht zur Schau (oben).
                                                    Geräuschs beim Springen leicht orten kann.          denen der Track benannt wurde, legte für
Es hat selten so geschmeckt. Einkehr im North       «Tock, tock, tock, tock», und schon sehe ich        zeremonielle Zusammenkünfte weite Distan-
Bannister Roadhouse (links unten).                  einen Kopf oder Körper durch die                                               zen zurück. Der
                                                    Landschaft hüpfen. Teilweise er-                                               Track wurde 1979
                                                    scheint der Kopf des Kängurus wie                                              zum 150-Jahr-Jubilä-
was der junge Albert Facey in Westaustralien        im Trickfilm hinter einem Busch,                                               um Westaustraliens
für Strapazen durchmachte, als er von Hand          verschwindet und ist sogleich wie-                                             offiziell eröffnet, auf
den Busch roden, die grossen Bäume mit der          der da. Ich muss bei solchen Sze-                                              Geoff Schafer’s Idee
Axt fällen und die Strünke in dieser Hitze aus-     nen laut lachen. Dazu gesellen sich                                            hin, einen Wander-
brennen musste, um kostbares Farmland zu            jede Menge Echsen und viele Vö-                                                weg von Perth bis
gewinnen.                                           gel. An Abwechslung fehlt es nie.                                              Albany zu bauen.
     Das verbrannte Land wird in wenigen Jah-       Die Aussicht von den Anhöhen ist                                               1993 erfolgte eine
ren wieder dicht bewachsen sein. Eukalyptus         atemberaubend. Buschland so weit                                               radikale Routenän-
ist der einzige Baum, der, selbst wenn er völlig    das Auge reicht. Der Wald erstreckt sich über       derung, um diverse Konflikte mit anderen
abgebrannt ist, aus einer Knolle im Wurzel-         alle vier Himmelsrichtungen bis an den Hori-        Landnutzern ein für alle Mal beizulegen. Als
bereich einen Doppelgängerkeim ausschlagen          zont. Dank der starken Sonneneinstrahlung           Modell diente der 3450 Kilometer lange
kann. Der Spross wächst dank der Aschedün-          und entsprechender thermischer Aktivität            Appalachen Trail der USA.
gung und dem Fehlen von Konkurrenten sehr           sind die Luftmassen immer in Bewegung. Es
rasch. Viele australische Pflanzensamen brau-       weht regelmässig ein Luftzug, der die Hitze
chen gar die Hitzeeinwirkung eines Buschfeu-        erträglicher macht. Wie harsch das Land ist,
ers, um spriessen zu können. In Westaustra-         zeigen die Temperaturunterschiede. In der       und meine Gesprächsbereitschaft ernten ver-
lien wird ein kontrolliertes Abbrennen des          Nacht kühlt es auf fröstelnde 10 Grad ab, und   wunderte Blicke bei Mutter und Tochter, die
Unterholzes betrieben, um die Buschfeuerge-         in diesen Momenten bin froh um jedes Klei-      als Einzige zugegen sind. Gäste tauchen keine
fahr zu senken und zu kontrollieren.                dungsstück, das ich dabei habe.                 auf. Die Mutter macht sich in der Küche zu
                                                        An meinem sechsten Tag, nach insgesamt      schaffen, und die Tochter, eher schüchtern,
Tierische Abwechslung. So ziehe ich durch           130 zurückgelegten Kilometern, packe ich die    wundert sich wohl ob dem fremden Kauz, der
die grandiose Landschaft und lege täglich           Gelegenheit und laufe zusätzliche 5 Kilometer   da so viel zu erzählen weiss. Noch nie haben
rund 20 Kilometer zurück. Freude bereiten           für ein Abendessen im North Bannister Road-     mir ein Steak, Salat und Cola besser ge-
mir die grossen, roten Kängurus und kleineren       house am Albany Highway. Mein Auftauchen        schmeckt. Ein kurzes Telefonat nach Perth

                                                                                                                                                                         79
Y arn-Spinning, der austra
Fortsetzung. Der weiterführende Track geht
     beruhigt auch meine Freunde. Auf dem Rück-        kilometerlang der Südküste entlang – mit grandio-   den kleinen Schelm rechtzeitig. Vorsichtig
                                                       ser Sicht auf menschenleere Sandstrände (oben).
     weg zur Schlafhütte machen mich Plastik-                                                              mache ich einen grossen Bogen um das 60
                                                       Wildes Australien. Begegnungen mit einer
     säcke und Raben in der Nähe des Roadhouse         haarigen Spinne, einem Adler oder einer Dugite-
                                                                                                           Zentimeter lange Reptil. Sie ignoriert mich
     stutzig. Ich suche die Quelle dieser Verunrei-    Schlange sind immer möglich (rechts v.o.n.u.).      völlig, was mich verwundert, soll doch die
     nigung und stehe kurze Zeit später vor einer      Abends alleine. Im Licht der Kerze lässt Claudio    Dugite sehr scheu und schnell unterwegs sein.
     ausgehobenen Grube, gefüllt mit Zivilisati-       den Tag ausklingen (rechts unten).                  «Das fängt ja gut an, drei Stunden unterwegs
     onsmüll. Ob legal oder illegal, der Anblick des                                                       und bereits die erste Schlange!» Vielleicht ist
     herumliegenden Mülls schmerzt mich. Bib-                                                              sie eine Vorbotin, damit ich immer achtsam
     bulmun-Wanderer folgen einem Ehrenkodex.          sich bringt. Natürlich wäre es einfach, sie mit     bin. Nichtsdestotrotz bekomme ich auf den
     So findet man auf dem Track keinen Abfall,        einem Stock niederzureissen, doch ich habe          restlichen 210 Kilometern keine einzige
     und die Hütten werden aufgeräumt und sau-         Achtung vor diesen Kunstwerken und deren            Schlange mehr zu Gesicht. Immer wieder höre
     ber hinterlassen.                                 Erschaffern. Glücklicherweise habe ich keine        ich das Rascheln eines flüchtenden Tieres. Ob
                                                       Angst vor Spinnen, Respekt schon, aber sonst        Schlange oder Echse, ist nicht auszumachen.
     Spinnentiere. Unzählige Spinnennetze, die         wäre ich jedem Toilettenhäuschen mit Sicher-        Meine Neugierde, dies festzustellen, lässt sich
     sich kaum sichtbar mitten über den Weg span-
     nen, sind ein weiterer Hinweis, dass seit ge-
     raumer Zeit niemand des Weges gekommen
     ist. In der Mitte ihres Netzes auf Beute lau-             In dem Buch steht alles Mögliche drin über
     ernd, ist die behaarte Räuberin oft erst im
     letzten Augenblick als grosser schwarzer
                                                                 Schlangen, um einen zu verängstigen.
     Knollen wahrnehmbar, der sich plötzlich auf
     Augenhöhe bewegt. Kurz vor dem Zusam-
     menprall eilt die Spinne flink über ihr Netz in   heit ferngeblieben. Es gibt hier sehr giftige       unter den gegebenen Umständen problemlos
     Sicherheit. Eine mühselige Angelegenheit,         Spinnen, aber solange man sie in Ruhe lässt,        zügeln. Ein Wanderstock hilft mir, bei unü-
     wenn der reflexartige Notstopp zu spät erfolgt    ist man sicher vor ihnen. Die Giftigsten kön-       bersichtlichen Stellen auf den Boden zu schla-
     und man – Gesicht voran – ins Netz läuft:         nen mit ihren Fängen unsere Haut gar nicht          gen, um mein Nahen mitzuteilen.
     «Boing» – hinein ins klebrige Vergnügen.          durchdringen. Die berühmte «Redback»                    Ich habe mir ein Buch über alle Schlangen
     Wenn dies passiert, gelingt es oft, mich vor      schafft das, wenn sie etwas älter ist, doch         Westaustraliens in der Bibliothek von Perth
     dem Übelsten zu bewahren, indem ich behut-        draussen im Busch habe ich keine gesehen.           zu Gemüte geführt. Da steht alles Wichtige
     sam einen Schritt rückwärts mache. Das Netz                                                           drin, um einen zu verängstigen. Es gibt hier
     wird im besten Fall elegant wieder vom Ge-        Und Schlangen? Sorry, keine spannenden              eine Unmenge an giftigen Schlangen. Zu lesen
     sicht gezogen. Die Netze sind alle viel stärker   Schlangenstories. Nur eine ist mir begegnet,        ist aber auch, wie bei einem Schlangenbiss
     und grösser als hierzulande. Ist es aber geris-   eine kleine Dugite (sehr giftig) liegt gleich am    vorzugehen ist. Heute bandagiert man die be-
     sen, dann verbringe ich die nächsten Minuten      ersten Tag meiner Wanderung direkt vor mir.         troffene Gliedmasse vom Biss aus in beide
     damit, mir die klebrigen Fäden aus Gesicht        Keinen Wank macht die kecke kleine Schlan-          Richtungen und stellt sie möglichst ruhig. So
     und Haaren zu ziehen. Grosse Netze umgehe         ge, die mitten auf dem Weg liegt und einen          kann man versuchen, zum nächsten Highway
     ich, was oft abenteuerliche Balanceakte mit       dürren Ast mimt. Glücklicherweise sehe ich          zu gelangen, ehe das Gift sich im ganzen Kör-

80   GLOBETROTTER-MAGAZIN   HERBST 2009
Y arn-Spinning, der austra
westaustralien

per verteilt und seine volle Wirkung entfaltet.     beängstigendes Schauspiel, zumal die Wind-
Daher ist vor allem für Solowanderer uner-          böen so heftig sind, dass ausser dem Rauschen
lässlich, alle Vorkehrungen zu treffen, damit       der Blätter nichts mehr zu vernehmen ist.
es nie so weit kommt. So springe ich nie von        Nach wenigen Minuten ist der Spuk vorbei.
den erhöhten Schlafböden auf den erdigen            Die Stille der kommenden Nacht umhüllt
Grund der Hütten, ohne vorher nachzusehen,          mich. Dann ruft der Kookaburra mit seinem
ob sich etwas darauf befindet. Dass man seine       Lachgesang die ersten Sterne herbei. Der Mo-
Kleider, Schuhe und den Schlafsack nicht auf        ment ist so magisch, dass ich Gänsehaut be-
dem Boden, dem Lebensraum der Schlangen             komme. Majestätisch wandert das Kreuz des
und Skorpione, liegen lässt, ist klar. Gute         Südens über das Firmament, während sich die
Schuhe, lange, dicke Hosen und Gamaschen            Erde dreht. Wie auf einem kleinen Schiff treibe
haben schon manchen Schlangenzahn erfolg-           ich in diesem zeitlosen Wäldermeer und
reich abgewehrt. Vor allem wenn man über            staune über die Sternschnuppen, die mein
gefallene Baumstämme steigt, sollte man sich        Blick durch die Baumwipfel erhascht. Weit
vergewissern, dass dahinter keine Schlange          weg von jeglicher Lichtverschmutzung be-
ruht, die sich durch einen plötzlich nahenden       trachte ich all die Sternbilder. Später in der
Schuh bedroht fühlt.                                Nacht steigt der Mond als grosse Kugel zwi-
     Schlangen gehören in Australien dazu,          schen den Bäumen auf und erhellt den Wald.
verhält man sich aber vernünft ig und liest ein     Die Sterne verlieren an Leuchtkraft, und Stun-
paar aufk lärende Bücher darüber, kann das          den später lässt sie die Morgendämmerung
Risiko eines Unfalls auf ein Minimum redu-          langsam verblassen. Nur die Venus steht im
ziert werden, und sie stellen eine Bereicherung     grössten Glanz und bleibt als heller Punkt
dar. In keiner Jahreszeit wird man weniger          noch lange sichtbar.
Schlangen in Westaustralien antreffen als im            Sind es diese Eindrücke und Erlebnisse,
Februar, im Sommer. Sie sind dann in der            die ich in unserer technologisierten Welt ver-
Nacht unterwegs und bei Tag bereits weg, be-        misse? Eins zu sein mit dem Rhythmus unse-
vor man überhaupt in ihre Nähe kommt. Es            rer Erde? Um diesen Gedanken nachzugehen,
ist ihnen schlicht zu heiss.                        trieb es mich hinaus. Aber auch, um räumli-
     Dennoch sehe ich auf dem Hüttenboden           che Distanzen zu bewältigen, etwas, das mich
oft die eine oder andere Spur von ihnen. Ich        schon immer faszinierte. Meine Hoffnung, auf
mache es mir zur Gewohnheit, jeweils am             dem Weg und in den Hütten, auf andere Wan-
Abend, den staubigen Boden flach zu wischen,        derer zu treffen, schwand mit jedem zurück-
um am Morgen all die Spuren der nächtlichen         gelegten Kilometer. Obwohl ich das Erlebnis
Besucher zu bestaunen. Manchmal bekomme             gerne mit jemandem geteilt hätte, fühlte ich
ich ein mulmiges Gefühl, wenn ich verschla-         mich nie wirklich einsam, eher als Entdecker,
fen auf die vielen neuen Spuren blicke. Da un-      der alleine eine wundersame Reise tut. Dies
ten muss in der Nacht jeweils Reptilienrush-        trug dazu bei, dass die Wanderung speziell
hour herrschen. In den Hüttenbucheinträgen          und einzigartig war. Jederzeit würde ich mich
kommen Schlangenbegegnungen öfters vor,             sofort wieder auf den Weg machen und weiter
von einem ernsten Zwischenfall lese ich indes       auf dem Bibbulmun Track dem Waugal-Zei-
nie.                                                chen nach Süden folgen.          breda@gmx.ch

The Spirit of Australia. Es gibt ihn, den «Spi-
rit of Australia». Ich treffe ihn da draussen an,
inmitten dieser grossartigen Natur. Er tritt
langsam ins Herz all jener ein, die zuhören,
hinschauen und sich die Zeit nehmen, die
Grösse und Vielfalt des Landes an sich heran-
zulassen. Er ist die treibende Kraft des roten
Kontinents.
     Allabendlich, kurz nach Sonnenunter-
gang, beginnt ein erhabenes Schauspiel. Wenn
sich die Sonne hinter dem Horizont zur Ruhe
legt, kommt plötzlich ein starker thermischer
Wind auf. Er streicht mit grosser Kraft durch
die Eukalyptusbäume und erzeugt ein immer
lauter werdendes Orchester aneinanderrei-
bender Blätter und Äste, die sich in den star-
ken Böen heftig hin und her wiegen. Es scheint,     Die meisten Bilder dieser Reportage stammen vom
als ob der Geist der Eukalyptuswälder den           Fotografen Hanspeter Kaempf. Er arbeitete über
                                                    20 Jahre lang als Banker in der Schweiz, bevor er
                                                                                                        © Globetrotter Club, Bern

Staub des heissen Tages aus den Haaren seiner       2003 mit seiner Frau nach Australien auswanderte
Kinder schüttelt und diese kurz umarmt, be-         und seine Passion für Naturfotografie zum Beruf
vor sie sich schlafen legen. Die Nacht wird ih-     machte. Hanspeter Kaempf ist die gesamte
                                                    Strecke des Bibbulmun Tracks von Albany nach
nen die ersehnte Abkühlung bringen, wäh-            Perth gewandert und hat viele weitere Bushwalks
rend die funkelnden Sterne am Himmel über           in Australien und Neuseeland gemacht.
sie wachen. Ein tief beeindruckendes, teilweise     www.ozkaempf.com

                                                                                                                      81
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                                                                 der Globetrotter Tours AG und der bike adventure tours AG
                                                                 (nicht kumulierbar/nicht übertragbar/bei der Buchung anzugeben)
                                                                                                                           .12 bis tt 12
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