Zeitschrift für amtliche Statistik 4 2017 - WIRTSCHAFT IN BERLIN UND BRANDENBURG
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Zeitschrift für amtliche Statistik 4 ⌜ 2017 statistik Berlin Brandenburg ⌜ WIRTSCHAFT IN BERLIN UND BRANDENBURG TEIL 1 R äumliche Verteilung des Hightech-Sektors am 31. Dezember2014 in Berlin Gesundbrunnen: Osloer Straße Brunnenstraße Nord Britz/Buckow und Gropiusstadt Anzahl der Beschäftigten Treptow-Köpenick 2: nach Prognoseräumen Oberschöneweide Niederschöneweide unter 100 Adlershof 100 bis unter 500 Köllnische Vorstadt/ 500 bis unter 1 000 Spindlersfeld 1 000 und mehr keine Daten verfügbar Weitere Themen ⌜Steuern, Bevölkerung
Amt für Statistik Berlin-Brandenburg Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg Impressum Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg hat seinen Sitz in Potsdam und weitere 11. Jahrgang Standorte in Berlin und Cottbus. Auskunft und Beratung Herausgeber Amt für Statistik Berlin-Brandenburg Steinstraße 104-106 Steinstraße 104-106 14480 Potsdam 14480 Potsdam Telefon: 0331 8173-1777 Tel.: 0331 8173-1777 Fax: 030 9028-4091 info@statistik-bbb.de Verantwortlicher Redakteur i. S. d. BbgPG Hartmut Bömermann Redaktion Nicole Dombrowski, Dr. Holger Leerhoff, Anja Malchin, Dr. Thomas Troegel, Ramona Voshage (Leitung) Zeichenerklärung zeitschrift@statistik-bbb.de 0 weniger als die Hälfte von 1 in der letzten besetzten Stelle, jedoch mehr als nichts Preis – nichts vorhanden Einzelheft EUR 6,00 … Angabe fällt später an ISSN 1864-5356 ( ) Aussagewert ist eingeschränkt Satz und Gestaltung / Zahlenwert nicht sicher genug Amt für Statistik Berlin-Brandenburg • Zahlenwert unbekannt oder geheim zu halten Druck x Tabellenfach gesperrt, weil Heenemann GmbH & Co., Berlin Aussage nicht sinnvoll p vorläufige Zahl © Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, 2017 Alle Ausgaben seit 2007 r berichtigte Zahl Auszugsweise Vervielfältigung und finden Sie auf s geschätzte Zahl Verbreitung mit Quellenangabe gestattet. www.statistik-berlin-brandenburg.de Abweichungen in der Summe können sich durch Schätzungen ergeben
Zeitschrift für amtliche Statistik 4 ⌜ 2017 Kurzberichte Fachbeiträge Inhaltsübersicht Öffentliche Finanzen ⌜ Statistische Jahrbücher 2017 für Berlin und Brandenburg präsentiert 3 ⌜ Öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen in Berlin und Brandenburg Cathleen Faber, Ralf Naumann 20 ⌜ Zur Lebenssituation von Auszubildenden und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen Studierenden in Berlin und Brandenburg ⌜ Einschulungsbereiche mit Open Data 4 ⌜ Auswirkungen der Gesundheitsausgaben auf die Bruttowertschöpfung der Gesundheitswirtschaft 28 optimieren 5 Robert Budras Entwicklungen in der amtlichen Statistik ⌜ Die Rentenanpassungen in Deutschland seit der Wiedervereinigung 34 ⌜ Das EU-Konzept des Unternehmens 6 Heike Zimmermann, Julia Höninger ⌜ Einzeldaten zeitlos sichern – Steuern Das Archivierungsmanagementsystem in der amtlichen Statistik 16 ⌜ Eine Karte sagt mehr als tausend Werte Gemeindeergebnisse der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2013 für das Land Brandenburg kartografisch aufbereitet 43 Statistik erklärt Dietmar Quaiser ⌜ Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008) 27 ⌜ Die wirtschaftliche Entwicklung in der Metropolregion Berlin-Brandenburg anhand der Umsatzsteuerstatistik 2011 bis 2015 48 Neuerscheinungen Anett Sommerfeld ⌜ Kurzanalysen zur Abfallwirtschaft in den Bundesländern 19 Unternehmensregister ⌜ Geschäftsbericht 2016 77 ⌜ Industriestandort Berlin Ergebnisse einer Auswertung des Unternehmensregisters 58 ⌜ „Kleine Statistiken“ für die Länder Berlin Jan Klare und Brandenburg 77 Fachgespräch mit Prof. Dr. Martin Gornig (DIW Berlin) Historisches ⌜ Die Lebensmittelversorgung Berlins „Aus regionalökonomischer Sicht ist Berlin eindeutig eine Industriemetropole.“ 64 von 1925 bis 1928 – Bevölkerung ein historischer Schnappschuss 72 ⌜ Die Anziehungskraft Berlins Wanderungsdaten aus dem Einwohnermelderegister 66 Save the date Katja Niemann-Ahrendt ⌜ Öffentliches Symposium der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Statistik (DAGStat) 78 ⌜ Frühjahrstagung der Städtestatistik 78
Editorial In zwei weiteren Aufsätzen wer- Ob sich Berlin „Industriestandort“ den Steuerstatistiken zur Beurtei- nennen darf, wird in einem Gast- lung herangezogen. Zum einen beitrag des DIW Berlin untersucht. werden anhand von Daten zur Mithilfe des Unternehmensregis- Umsatzsteuer Rückschlüsse auf ters wird ein Bild der räumlichen die wirtschaftliche Entwicklung in Verteilung und Mobilität von der Metropolregion gezogen. Zum Industriebetrieben gezeichnet und anderen werden kartografisch gezeigt, wo in Berlin Spitzen- aufbereitete Gemeindeergebnisse technologien angesiedelt sind. Im der Lohn- und Einkommensteuer- Fachgespräch mit Prof. Dr. Martin statistik Brandenburg, wie der Gornig (DIW Berlin) stehen durchschnittliche Bruttolohn und ebenfalls die Charakteristika des die durchschnittliche Wegstrecke Verarbeitenden Gewerbes in Berlin Liebe Leserinnen und Leser, zum Arbeitsort, verglichen und im Mittelpunkt. in die gesamtdeutschen Daten Die stabile wirtschaftliche Lage die Berliner Wirtschaft wächst, teilweise eingeordnet. Die Auswirkungen Berlins sorgt dafür, dass die Stadt sogar überdurchschnittlich. Und auch aus der Bruttolöhne und -gehälter auf einen regelrechten Einwohner- dem Land Brandenburg gibt es positive die Entwicklung der gesetzlichen boom erlebt. Eine Auswertung Nachrichten zu vermelden. Grund genug, Rente in Deutschland sowie die des Einwohnermelderegisters die wirtschaftliche Entwicklung beider Anpassung des Rentenwertes in veranschaulicht die Wanderungs- Länder statistisch abzubilden. Die aktuel- den neuen an das Niveau der alten bewegungen und geht dabei auf le und die nächste Ausgabe der Zeitschrift Bundesländer sind Thema eines einzelne Personengruppen ein. für amtliche Statistik Berlin Brandenburg weiteren Beitrags. sind in zahlreichen Fachbeiträgen den Inwieweit die Ausgaben der ge- In Ausgabe 1/2018 der Zeitschrift für Facetten der Wirtschaft in den Ländern setzlichen und privaten Kranken- amtliche Statistik Berlin Branden- Berlin und Brandenburg gewidmet. versicherungen die Bruttowert- burg wird dann der thematische schöpfung im Gesundheitswe- Schwerpunkt auf einzelne Wirt- Einen nicht zu unterschätzen- sen beider Länder beeinflussen, schaftsbereiche in Berlin und den Wirtschaftsfaktor in beiden verrät eine umfassende statistische Brandenburg gelegt. Es erwarten Ländern bilden die öffentlichen Analyse anhand der Daten der Ge- Sie unter anderem Beiträge zum Fonds, Einrichtungen und Unter- sundheitsökonomischen Gesamt- Gründungsgeschehen und zur nehmen. Am Beispiel der Statistik rechnungen. Gründungsdynamik, den Investitio- der Jahresabschlüsse werden nen im Verarbeitenden Gewerbe, deren Strukturen, Umsätze und der Struktur der landwirtschaft- Beschäftigtenzahlen dargestellt lichen Betriebe und der Entwick- und ausgewählte Bilanzkennzahlen lung im Bauhauptgewerbe sowie analysiert. im Einzel- und Außenhandel. Eine informative Lektüre wünscht Ihnen Hartmut Bömermann verantwortlicher Redakteur
Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg 4 ┏ 2017 3 Kurzbericht ⌜Statistische Jahrbücher 2017 für Berlin und Brandenburg präsentiert von Ina Hergert Das Amt für Statis- Oder-Spree, gefolgt von 1,8 Mill. im Spreewald. Die tik Berlin-Branden- Landeshauptstadt Potsdam steigerte ihre Über- burg (AfS) präsen- nachtungszahl auf über 1,1 Mill. 2016 besuchten das tierte im Rahmen Land Brandenburg 422 000 ausländische Gäste, die der Landes- meisten kamen aus Polen, den Niederlanden und pressekonferenz Dänemark. Brandenburg am Im Anschluss informierten Ricarda Nauenburg, 1. Dezember 2017 Leiterin des Referates Mikrozensus, Sozialberichte, die Statistischen und Jürgen Paffhausen, Referent für Bevölkerungs- Jahrbücher 2017 statistik, über die Geburtenentwicklung in der für Berlin und Metropolregion. „In Berlin gab es 2016 das zehnte Brandenburg. Das Jahr in Folge einen Geburtenüberschuss, mit 7 000 Pressegespräch Kindern lag er 2016 am höchsten. In Brandenburg fand im Branden- übertraf die Zahl der Gestorbenen – trotz höchster burgischen Land- Geburtenzahl seit 1990 – die Zahl der Geborenen, Rudolf Frees mit den Statistischen Jahrbüchern 2017 tag statt. der Sterbeüberschuss lag 2016 bei 9 900 Personen.“, für Berlin und Brandenburg Rudolf Frees, erläuterte Jürgen Paffhausen. Ricarda Nauenburg Vorstand des AfS, ergänzte auf der Grundlage der Ergebnisse des ging zunächst auf herausragende Entwicklungen in Mikrozensus: „Fast die Hälfte der Berlinerinnen mit beiden Ländern im Jahr 2016 ein. Neben dem Woh- Hochschulabschluss hatte 2016 keine Kinder, bei nungsbau, den Baupreisen und den Schülerzahlen den Brandenburgerinnen mit Hochschulabschluss richtete er den Fokus auf den Tourismus in der war es ein Sechstel. In allen Stadtstaaten und Groß- Region: „Mit 31,1 Mill. zählten die Berliner Beherber- städten Deutschlands ist eine relativ hohe Kinder- gungsbetriebe im Jahr 2016 nahezu doppelt so viele losigkeit zu beobachten.“ Übernachtungen wie im Jahr 2007.“ Damit erreichte Die Jahrbücher bieten auf jeweils rund 600 Seiten Berlin im Jahr 2016 einen neuen Übernachtungsre- aktuelle Daten und Fakten zu den Ländern Berlin kord. Auch die Zahl der Gäste erreichte mit 12,7 Mill. und Brandenburg. Anhand von Tabellen und Grafi- einen neuen Höchststand. Der Anteil der Übernach- ken werden Statistiken aus allen Bereichen des ge- tungen ausländischer Gäste an allen Übernachtun- sellschaftlichen Lebens präsentiert. Das Zahlenwerk gen erreichte 45,6 %. Die meisten Besucher kamen ist eine Fundgrube aufschlussreicher, nützlicher aus dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten und interessanter Fakten über die Metropolregion. Staaten und Spanien. Rudolf Frees berichtete weiter: „Mit 12,9 Mill. Die Jahrbücher sind im be.bra verlag erschienen Übernachtungen im Jahr 2016 liegen die Zahlen der und können zum Preis von jeweils 28 EUR über den Brandenburger Beherbergungsbetriebe knapp ein Buchhandel bestellt werden. Außerdem stehen die Viertel über denen des Jahres 2007.“ Die Zahl der Nachschlagewerke im PDF- und Excel-Format zum Gäste stieg auf 4,8 Mill. Bei den Reisegebieten über- kostenfreien Herunterladen unter wog mit 2,2 Mill. Übernachtungen das Seenland www.statistik-berlin-brandenburg.de bereit. Ina Hergert ist Sachgebietsleiterin im Referat Presse, Öffentlichkeitsarbeit des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg. v. l.: Rudolf Frees (Vorstand des AfS), Jürgen Paffhausen (Referent Bevölke- rungsstatistik) und Ricarda Nauenburg (Referatsleiterin Mikro- zensus, Sozialberichte) beim Pressegespräch Fotos: Theresa Roscher
4 Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg 4 ┏ 2017 Kurzbericht ⌜Zur Lebenssituation von Auszubildenden und Studierenden in Berlin und Brandenburg Ergebnisse aus dem Mikrozensus und der Mikrozensus-Zusatzerhebung zur Wohnsituation von Jakob Grimm und Steffi Kuß Der Mikrozensus ist die größte jährliche Haushalts- Neben dem Grundprogramm des Mikrozensus befragung in Europa. In Deutschland werden circa mit jährlich wiederkehrenden Fragen gibt es 830 000 Personen in etwa 370 000 privaten Haushal- eine Reihe von Merkmalen, die im vierjährlichen ten und Gemeinschaftsunterkünften stellvertretend Rhythmus erhoben werden. Die Zusatzerhebung für die gesamte Bevölkerung zu ihren Lebensbedin- zur Wohnsituation beispielsweise wurde zuletzt gungen befragt. Das entspricht etwa einem Prozent 2014 durchgeführt. Sie stellt unter anderem der Bevölkerung, der nach einem festgelegten Informationen über die Struktur der Wohneinheiten statistischen Zufallsverfahren ausgewählt wird. In sowie die Wohnsituation verschiedener Perso- der Metropolregion Berlin-Brandenburg befragt das nengruppen, beispielsweise Auszubildender und Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (AfS) im Rah- Studierender, bereit.1 men des Mikrozensus rund 35 000 Personen in Ber- Auszubildende und Studierende in Berlin lebten lin und 24 000 im Land Brandenburg. Die Erhebung 2014 in Wohnungen mit einer durchschnittlichen liefert unter anderem statistische Informationen Wohnfläche von 54 m², für die rund 500 EUR im in tiefer fachlicher und regionaler Gliederung zur Monat gezahlt wurden. Damit stieg die Warmmiete wirtschaftlichen und sozialen Lage der Bevölkerung, seit 2010 um 17,4 %, während sich die Fläche der zu Haushalts- und Familienstrukturen, Erwerbstä- Wohnung nicht veränderte. Im Land Brandenburg tigkeit, Einkommenssituation, Wohnverhältnissen, zahlten Auszubildende und Studierende 2014 im Gesundheit und Pendlerverhalten. Mittel 405 EUR und damit etwa 2,2 % weniger als 2010. Die Fläche der Wohnung betrug durchschnitt- lich 53 m² (Tabelle 1). 1|W ohnflächen und Mieten von Personen im Alter Gleichzeitig lässt sich aus dem Grundprogramm von 16 bis unter 30 Jahren mit eigener Haushalts- des Mikrozensus ermitteln, dass 2014 mit 56,5 % führung in beruflicher Ausbildung oder Studium in Berlin und 63,2 % im Land Brandenburg die in Berlin und Brandenburg 2010 und 2014 Mehrheit der Auszubildenden und Studierenden Berlin Brandenburg erwerbstätig war. Ihren überwiegenden Lebensun- Merkmal Einheit 2010 2014 2010 2014 terhalt bezogen aber nur 43,7 % (Berlin) und 45,5 % (Brandenburg) aus dieser Nebentätigkeit. Die Mehr- Fläche m² 54 54 56 53 heit der Auszubildenden und Studierenden lebte Fläche pro Kopf m² 37 37 36 35 von finanzieller Hilfe durch Eltern und Angehörige Nettokaltmiete EUR 293 368 291 300 oder von anderen Unterstützungsleistungen und Bruttokaltmiete EUR 372 440 348 352 Einnahmequellen. In Berlin bildete die elterliche Warmmiete EUR 425 499 414 405 Unterstützung für fast ein Drittel die wichtigste Einnahmequelle. In Brandenburg war mehr als ein Viertel vor allem auf Unterstützungsleistungen auf 2|Ü berwiegender Lebensunterhalt von Personen Grundlage des Bundes- im Alter von 16 bis unter 30 Jahren mit eigener ausbildungsförderungs- Jakob Grimm s tudiert Volkswirt- Haushaltsführung in beruflicher Ausbildung gesetzes (BAföG) oder ein schaftslehre und Geschichte an der oder Studium in Berlin und Brandenburg 2014 Stipendium angewiesen Universität Potsdam. Er war Praktikant Überwiegender Berlin Brandenburg (Tabelle 2). im Referat Mikrozensus, Sozialberichte Lebensunterhalt % Die nächste Zusatzerhe- des Amtes für Statistik Berlin- bung zur Wohnsituation Brandenburg. Eigene Erwerbstätigkeit/ wird 2018 im Rahmen des Steffi Kuß ist Referentin im Referat Berufstätigkeit 43,7 45,5 Mikrozensus durchge- Presse, Öffentlichkeitsarbeit des Amtes Einkünfte der Eltern oder Angehöriger 30,1 / führt. für Statistik Berlin-Brandenburg. Sonstige Unterstützung, z. B. BAföG, Stipendium, Asylbewerberleistungen 20,3 26,0 Sonstiges, z. B. eigenes Vermögen, ALG II, Elterngeld / / 1 Aussagen zu Auszubilden- sowie Studierende von den und Studierenden 16 bis unter 30 Jahren, die als beziehen sich auf Personen Hauptmieter einen eigenen in beruflicher Ausbildung Haushalt führen.
Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg 4 ┏ 2017 5 Kurzbericht ⌜Einschulungsbereiche mit Open Data optimieren von Niels Reinhard und Daniel Kirsch Das Zuschneiden von Das Tool basiert in der Betaversion fast vollstän- Einschulungsbereichen dig auf offenen, in Berlin frei verfügbaren Daten. für Grundschulen in Es können aber angepasste Datensätze ergänzt Berlin ist ein hochgradig werden. Dies ist notwendig, da offene Daten aus komplexer Prozess. Die Datenschutzgründen nicht immer die nötige Gra- Verwaltung weist die nularität aufweisen. Folgende frei verfügbare Daten Schulplätze anhand von sind bei der Erstellung der Software zum Einsatz festgelegten Kriterien zu, beispielsweise sollte der gekommen: Schulweg für Grundschüler nicht mehr als zwei • Schulstandorte Kilometer betragen. Gleichzeitig ändert sich die • Hauskoordinaten Bevölkerungszahl und -zusammensetzung in den • OpenStreetMap für das Schulwege-Routing Bezirken stetig, was die Kapazitätsplanung in den (via OSRM) einzelnen Schulen erschwert. Die optimale Planung bindet verwaltungsintern Ressourcen – auch weil • Tatsächliche Nutzung Eltern gegen die Zuweisung ihres Kindes an eine (welche Häuser sind Wohngebäude) nicht gewünschte Schule immer wieder Klage • Geometrien der Lebensweltlich orientierten einreichen. In solch einem hoch politischen und Räume (LOR) sensiblen Umfeld ist die Transparenz des Prozesses • Einwohnerregisterstatistik auf LOR-Ebene ein relevanter Faktor. • Block-Geometrien des Regionalen Bezugssystems In einem Gemeinschaftsprojekt zwischen dem (RBS) Bezirk Tempelhof-Schöneberg, der idalab GmbH, der Technologiestiftung Berlin und der Stiftung • Einwohnerdichte auf Block/Blockteilflächen-Ebene Neue Verantwortung wurde eine Softwareanwen- (zur Interpolation der Einwohnerregisterstatistik dung entwickelt, die es der Verwaltung ermöglicht, auf Block-Ebene) während des Zuschneidens der Einzugsgebiete auf • Kapazitäten der Grundschulen alle dafür relevanten Datenquellen zurückzugreifen, (als einziger nicht offener Datensatz)¹ den Prozess signifikant zu beschleunigen und so- Offene Daten können zu mehr Transparenz und wohl optimale als auch nachvollziehbare Entschei- Innovation führen. Das Projekt zur Optimierung dungen zu treffen. der Grundschuleinzugsgebiete mit offenen Daten Das Tool bietet im Kern zwei Funktionalitäten: ist in diesem Kontext ein gutes Beispiel. Dabei ist 1. eine optimierte automatische Zuordnung von ein Verständnis der konkreten Anwendungsfälle Straßenzügen und Häuserblöcken zu Grund- einzelner Datensätze auch für das Amt für Statistik schulen unter Berücksichtigung vorgegebener Berlin-Brandenburg wertvoll. Durch einen konti- Parameter und Beschränkungen mit einer nuierlichen Austausch zwischen Anwendenden modernen Benutzeroberfläche. und Bereitstellenden kann 2. Analyse eines bestehenden Zuordnungsschemas sichergestellt werden, hinsichtlich der Auslastung einzelner Schulen dass die Datensätze Niels Reinhard ist Data Strategist und Aufzeigen von Optimierungsmöglichkeiten. zukünftig nicht nur groß- bei der idalab GmbH und berät Gleichzeitig kann das Tool durch diverse Export- flächig verfügbar sind, hauptsächlich große Unternehmen und Importfunktionen in existierende Arbeitspro- sondern in einer für die in den Bereichen Datenstrategie und zesse integriert werden. Verwendung optimier- Datenmanagement. Aktuell befindet sich die Anwendung in der ten Form bereitgestellt Daniel Kirsch a nalysiert als Data Beta-Phase mit dem Ziel, sie zunächst im Berliner werden. Scientist bei der idalab GmbH die Daten Bezirk Tempelhof-Schöneberg einzusetzen, der in von Startups und Industrieunterneh- mancher Hinsicht den Berliner Durchschnitt abbil- men mittels statistischer Methoden det. Ein Einsatz in anderen Bezirken und Bundes- und Machine Learning. Am 28. Juni 2017 ländern ist mit den durch die Bildungshoheit der stellte er im Rahmen eines Statisti- Länder verbundenen Einschränkungen grundsätz- schen Kolloquiums am Standort Berlin lich ebenfalls denkbar. 1 Quelle: Schriftliche Anfrage des AfS die Softwareanwendung zur von Joschka Langenbrink (SPD) beim Abgeordnetenhaus von Optimierung von Grundschuleinzugs- Berlin vom 07.06. 2016. gebieten vor.
6 Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg 4 ┏ 2017 Entwicklungen in der amtlichen Statistik ⌜Das EU-Konzept des Unternehmens von Roland Sturm und Matthias Redecker Dieser Beitrag Zusammenfassung legt als auch wenn man den Unternehmensbegriff ist ein Nach- Das „Unternehmen“ ist eine zentrale Darstellungs- aus der heutigen Praxis der Unternehmensstatistik druck aus: Statistisches einheit der amtlichen Wirtschaftsstatistik; die kennt. Kapitel 2 soll diese Unklarheit auflösen. Bundesamt Unternehmensstatistik ist wesentlicher Teil der Zum Zweiten werden die nunmehr tatsächlich (Destatis); Wirtschaftsstatistik in Deutschland und in Europa. in Deutschland anstehenden Änderungen bei der WISTA Während die deutsche amtliche Statistik ein Unter- verwendeten Unternehmensdefinition methodisch Wirtschaft und nehmen bis heute als rechtliche Einheit definiert, erläutert und auch in ihrer quantitativen Bedeu- Statistik 3/2016; ist auf EU-Ebene eine weitergehende Definition tung abgeschätzt. Denn eines ist inzwischen sicher: S. 57–71. vorgegeben, die in Deutschland bislang nicht ange- Die amtliche Unternehmensstatistik steht vor einer wendet wurde. größeren konzeptionellen Änderung, die sich Dieser Beitrag stellt zunächst die „EU-Einheiten- auch deutlich in den statistischen Nachweisungen diskussion“ der Jahre 2009 bis 2014 dar und erläu- niederschlagen wird. Kapitel 3 zeigt vor allem die tert anschließend die anstehenden Änderungen Unterschiede zwischen der Unternehmensdefini- der deutschen Unternehmensstatistik hinsichtlich tion der EU-Einheitenverordnung und der bishe- Methode und Daten. Der Ausblick skizziert das ge- rigen deutschen Praxis und erläutert, wie diese plante Vorgehen der deutschen amtlichen Statistik Unterschiede in den nächsten Jahren konzeptionell auf dem Weg zur Anwendung der EU-Unterneh- überwunden werden sollen. mensdefinition. 2 Die europäische Einheitendiskussion 1 Einführung der Jahre 2009 bis 2014 In den vergangenen Jahren hat Eurostat, das Statis- 2.1 Das globale Unternehmen tische Amt der Europäischen Union, mit viel Energie Um die Phänomene der Globalisierung und versucht, die einheitliche Anwendung einer EU-De- der Internationalisierung der Arbeitsteilung bei finition für Unternehmen in den Mitgliedstaaten der den großen Wirtschaftsakteuren angemessen in EU zu erreichen. Zwar gibt es durch die EU-Einhei- den statistischen Ergebnissen der europäischen tenverordnung¹ seit dem Jahr 1993 eine einheitliche Unternehmensstatistik abzubilden, versuchte Definition des Unternehmens, die in der amtlichen Eurostat etwa ab dem Jahr 2009 das Konzept des Statistik angewendet werden soll. Die tatsächliche statistischen Unternehmens neu zu gestalten. Praxis ist dagegen in den Mitgliedstaaten unter- Dahinter lag die Grundeinschätzung, dass sich schiedlich – vor allem aus Gründen der Umsetzbar- auch die Wirtschaftsstatistik auf grenzüberschrei- keit. Als Eurostat im Jahr 2009 die Initiative ergriff, tend anzuwendende Konzepte umstellen müs- die heterogene Handhabung zu vereinheitlichen, se, wenn die relevanten Akteure der Wirtschaft strebte es zunächst an, die bestehende EU-Defini- sich global, also über Grenzen von Einzelstaaten tion zu modifizieren und in der geplanten neuen hinweg, organisieren. Das Konzept, bei dem dies Rahmenverordnung zur Unternehmensstatistik zur Anwendung kommen müsse, sei die Definition (FRIBS) (Waldmüller/Weisbrod, 2015) zu verankern. des Unternehmens als zentrale Darstellungseinheit Ende 2014 wurde dieser Plan aufgegeben. Statt- der Wirtschaftsstatistik. Dieser Ansatz führte zur dessen sollen die Mitgliedstaaten die bestehende Beschreibung des „Globalen Unternehmens“, des EU-Definition des Unternehmens unabhängig von Global Enterprise (GEN). „Global“ bedeutet dabei der Verabschiedung von FRIBS einführen. multinational und „Unternehmen“ nimmt Bezug Dieser Beitrag beleuchtet zwei Aspekte: Zum auf die EU-Einheitenverordnung aus dem Jahr 1993, Ersten wird der Hintergrund der „Einheitendiskus- in der das Unternehmen wie folgt definiert und sion“ der Jahre 2009 bis 2014 geschildert. Das soll beschrieben wird: es den Lesern erleichtern, mit den Begriffen und «Das Unternehmen entspricht der kleinsten expliziten oder oft verborgenen Zielvorstellungen Kombination rechtlicher Einheiten, die eine umzugehen, die sich in den Dokumenten und organisatorische Einheit zur Erzeugung von Diskussionsberichten jener Jahre finden. Liest man die Eurostat-Dokumente aus den Jahren 2009 bis 1 Verordnung (EWG) Nr. 696/93 2 Profiling ist eine Methode, die hier beschriebenen Sach- 2014, die zum Thema Unternehmensdefinition und des Rates vom 15. März 1993 mit der Statistiker Unterneh- verhalte vorausgesetzt. Es ist Profilingmethode² erstellt wurden, und die noch betreffend die statistischen men identifizieren können. geplant, in einem weiteren Einheiten für die Beobachtung Sie wird in diesem Beitrag Beitrag in dieser Zeitschrift die heute kursieren, so können Unklarheiten entstehen. und Analyse der Wirtschaft in nicht ausführlich erläutert, Methode des Profilings ein- Und zwar sowohl wenn man die Unternehmensde- der Gemeinschaft (Amtsblatt ihre Anwendbarkeit wird für gehend darzustellen. finition aus der EU-Einheitenverordnung zugrunde der EG Nr. L 76, Seite 1).
Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg 4 ┏ 2017 7 Waren und Dienstleistungen bildet und insbe- nationaler Unternehmensgruppen“, das in seiner sondere in Bezug auf die Verwendung der ihr konzeptionellen Anfangsphase 2009/2010 ein sta- zufließenden laufenden Mittel über eine gewis- tistisches Datenmodell diskutierte, das das globale se Entscheidungsfreiheit verfügt. Ein Unterneh- Unternehmen „GEN“ zum Gegenstand hatte. In den men übt eine Tätigkeit oder mehrere Tätigkeiten fachstatistischen Arbeitsgruppen des Europäischen an einem Standort oder an mehreren Standor- Statistischen Systems – vor allem in der Struktur- ten aus. Ein Unternehmen kann einer einzigen statistik, der FATS-Statistik, der Konjunkturstatistik rechtlichen Einheit entsprechen.» und den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen Eurostat hat im Jahr 2010 die Anwendung des sta- (VGR) – dauerte es bis 2013, bis die Initiative zur tistischen Unternehmenskonzepts in den Mitglied- Änderung der EU-Definition des Unternehmens staaten der EU untersucht und dabei festgestellt, wahrgenommen, reflektiert und dann weitgehend dass in der überwiegenden Zahl der Mitgliedstaa- opponiert wurde. Sowohl aus konzeptioneller Sicht ten – auch in Deutschland – eine Gleichsetzung wie auch aus Erwägungen der praktischen Umsetz- der Unternehmen mit rechtlichen Einheiten barkeit gab es Zweifel an der Initiative. praktiziert wird. Dies ist konzeptionell korrekt im Die Bedenken aus konzeptioneller Sicht lagen Falle der sogenannten „einfachen“ Unternehmen, darin, ob die vorgeschlagene Neudefinition an bei denen eine rechtliche Einheit die Kriterien der sich wünschenswert sei. Streng genommen ist Einheitenverordnung bezüglich des Unternehmens somit nicht von einer Neudefinition zu sprechen, erfüllt (organisatorische Einheit und ausreichende sondern vielmehr von einer Neuinterpretation Entscheidungsfreiheit³). Nach Erwartung der Un- oder einer Neuanwendung der Definition. Da die ternehmensstatistiker überwiegen diese einfachen gültige Definition keinen Regionalbezug enthält, ist Unternehmen zwar zahlenmäßig, nicht aber bezüg- die Multinationalität der Unternehmensdefinition lich des ökonomischen Gewichts. Die „komplexen“ vielmehr eine Frage der Anwendungsvereinbarung. Unternehmen, die sich aus mehreren rechtlichen Denn solange statistische Ergebnisse auf der Ebene Einheiten zusammensetzen, werden dagegen der Nationalstaaten erstellt werden, muss auch die nur in wenigen Mitgliedstaaten der EU statistisch Darstellungseinheit national abgegrenzt werden. berücksichtigt, obgleich sie als ökonomisch be- Somit befasste sich die Kritik auf der konzeptionel- deutsamer eingeschätzt werden. Die sie bildenden len Ebene auch vorrangig mit der Frage, wer denn rechtlichen Einheiten gehen bislang jeweils separat einen Wechsel zu multinationalen statistischen in die Statistiken ein. In diesem Zusammenhang ist Ergebnissen wolle und brauche. Damit kam zu- der Hinweis wichtig, dass auch in den Mitgliedstaa- nächst der Begriff des „Globalen“ in die Kritik. Auch ten, in denen komplexe Unternehmen in der amt- Eurostat beziehungsweise die Nutzer der europä- lichen Statistik bereits nachgewiesen werden, diese ischen Unternehmensstatistik haben kein Interesse bislang nicht als multinationale Akteure, sondern an statistischen Ergebnissen, die gar nicht mehr die im nationalen Kontext verstanden werden. EU-Ebene zum Gegenstand haben, sondern global Eurostat war entschlossen, diese Praxis über eine im Wortsinne sind. Wenn man aber „global“ in einer Änderung der Definition des Unternehmens im sub-globalen Weise interpretiert, ist die konzeptio- Rahmen von FRIBS umzustellen. Durch FRIBS sollte nelle Reinheit durchbrochen und die Frage liegt auf auch die Einheitenverordnung überarbeitet und der Hand, ob nicht doch nationalstaatlich abge- in diesem Zuge eine Definition des Unternehmens grenzte Statistikergebnisse weiterhin der primäre eingeführt werden, die explizit von der Unterneh- Verwendungszweck amtlicher wirtschaftsstatisti- mensgruppe4 hergeleitet wird. Damit wäre – im scher Daten sind. Falle von multinationalen Unternehmensgruppen – Der Vorschlag Eurostats, eine multinational auch die multinationale Dimension des Unter- verstandene Unternehmensdefinition möglichst nehmens definitorisch und konzeptionell explizit universell anzuwenden, wurde zuerst vom Fach- verankert worden. bereich der Konjunkturstatistik bei Eurostat selbst verworfen. Die EU-Konjunkturstatistik verwendet 2.2 Inhalte der EU-Einheitendiskussion zurzeit noch eine nach Wirtschaftsbereichen un- Das grundlegende Problem bei der damaligen terschiedliche Darstellung – nach Unternehmen in Initiative Eurostats zur Änderung der EU-Defini- den Dienstleistungsbereichen und nach fachlichen tion des Unternehmens war, dass sie weder in den Einheiten (kind of activity unit – KAU) in der Indus- fachstatistischen Abteilungen bei Eurostat, noch trie. Die Konjunkturstatistik wird in der künftigen in den statistischen Ämtern der Mitgliedstaaten Ausgestaltung durch FRIBS – dies steht inzwischen rechtzeitig wahrgenommen oder konzeptionell fest – einheitlich eine national abgegrenzte KAU als ausreichend reflektiert, geschweige denn gefördert Darstellungseinheit nutzen. wurde. Ausgelöst wurde die Initiative Eurostats Als wichtige Nutzer unternehmensstatistischer im ESSnet „Profiling großer und komplexer multi- Daten traten zunehmend auch die Vertreter der VGR innerhalb von Eurostat und in den Mitglied- staaten in die Diskussionen ein. Die VGR verwen- 3 Die eindeutige Anwendung mittelbar von einer anderen dieser Kriterien in der Praxis rechtlichen Einheit (dem Grup- den eine Vielzahl primär- und sekundärstatistisch ist teilweise schwierig. penoberhaupt) über mehrheit- gewonnener Basisstatistiken und sind daher sehr 4 Eine Unternehmensgruppe be- liche Stimm- oder Besitzanteile daran interessiert, dass die Darstellungseinheiten steht aus allen rechtlichen Ein- oder andere Kontrollmechanis- heiten, die unmittelbar oder men beherrscht werden. dieser Statistiken den Konzepten der Einheiten möglichst nahe kommen, die der Methodik der
8 Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg 4 ┏ 2017 VGR im Europäischen System Volkswirtschaftlicher Richtungswechsel: Die Definition der statistischen Gesamtrechnungen 2010 zugrunde liegen. Da die Einheiten wurde aus den FRIBS-Entwürfen heraus- VGR-Konzepte primär auf die Erstellung von Daten genommen. Die „alte“ Einheitenverordnung von auf Ebene von Nationalstaaten abzielen, sind auch 1993 sollte nun also weiter gelten und die Fachsta- die Einheiten, die die VGR anwenden, national tistiken, wie FRIBS sie regeln wird, sollten auf die (institutionelle Einheit) oder kleinräumiger (local dort verankerten Einheitendefinitionen bezogen kind of activity unit, LKAU) abgegrenzt. Für eine sein. Im Gegenzug zu diesem Zugeständnis an die multinational abgegrenzte Einheit haben die VGR Mitgliedstaaten wollte Eurostat aber deren Zusage keine Verwendung. Wohl aber liegt den VGR an erhalten, dass diese insbesondere die EU-Definition einer korrekten Darstellung der Wertschöpfung der des Unternehmens tatsächlich umsetzten. Euro- Wirtschaftszweige auf der einzelstaatlichen Ebene, stat forderte 24 Mitgliedstaaten – darunter auch was allerdings durch die derzeitige Fokussierung Deutschland – offiziell zur vollständigen Anwen- der Unternehmensstatistik auf die rechtliche Einheit dung der EU-Unternehmensdefinition auf und auch nicht sichergestellt ist. Zunehmend gewannen kündigte anderenfalls die Einleitung eines Vertrags- die Aspekte der praktischen Datengewinnung für verletzungsverfahrens an. die VGR-Statistiker an Bedeutung für ihre Positio- Inzwischen haben die betreffenden Mitgliedstaa- nierung. Letztlich war entscheidend, mit welchen ten in Aktionsplänen dargelegt, auf welche Weise in den Fachstatistiken verwendeten Einheiten die und in welchem Zeitrahmen sie die Umstellung beste Näherung an die VGR-Konzepte möglich ist. auf die EU-Definition des Unternehmens erreichen Die Kritik der statistischen Anwender war darüber wollen. hinaus auch von den vielen Aspekten geprägt, die bei der praktischen Durchführung von Fachstatisti- 2.5 Konsequenzen – ken relevant sind: Wer ist Auskunftspflichtiger, ins- das globale Unternehmen nunmehr besondere wenn der Hauptsitz des Unternehmens nur „technisches“ Konzept im Ausland liegt, und sind diesem die notwendigen Eurostat hatte bereits zur Jahresmitte 2014 neue Informationen verfügbar? Wie kann die Auskunfts- Förderprojekte aufgelegt, um die seit dem Jahr pflicht für multinationale Unternehmen rechtlich 2009 entwickelte Methode des Profilings zur Er- verankert werden? Wie kann die Verwendung von mittlung von Unternehmen gemäß EU-Definition (in der Regel nationalen) Verwaltungsdaten mit weiter zu testen und zu implementieren. Damit war dem multinationalen Unternehmenskonzept zu- zu Jahresbeginn 2015 die Situation eingetreten, dass sammenpassen? Wird die Ermittlung von globalen Eurostat die Implementierung einer Methodik – Unternehmensstrukturen auf dem Wege eines nämlich das Profiling zur Ermittlung von globalen Profilings von Unternehmensgruppen in der Praxis Unternehmen – förderte, die erklärtermaßen nicht funktionieren? mehr Gegenstand der unmittelbaren Weiterent- wicklung der EU-Unternehmensstatistik ist. Das mit 2.3 Task Force „Statistische Einheiten“ der Betreuung der Fördernehmer in den Mitglied- Im Jahr 2013 setzte Eurostat eine Task Force „Sta- staaten betraute ESSnet „ESBRs“5 muss nunmehr im tistische Einheiten“ ein, ausgewogen besetzt mit laufenden Geschäft eine neue Handhabung für die Vertretern der nationalen statistischen Ämter von Anwendung des multinationalen Profilings zur Er- Mitgliedstaaten – vornehmlich aus der Working mittlung der Einheiten GEN (global enterprises) und Group “Business Register and Statistical Units” – und TEN (“truncated enterprises”, also nationale Teile der aus den Fachbereichen bei Eurostat. Unter dem Vor- GEN) entwickeln. sitz von Eurostat war es die Aufgabe der Task Force, Dies führte zu einer Umdeklarierung des globalen neu zu fassende Definitionen der statistischen Unternehmensbegriffs (ursprüngliche Definition) Einheiten für die FRIBS-Verordnung fertigzustellen zum lediglich „technischen Konzept“. Das GEN solle und Operationalisierungsregeln für ihre Anwen- nunmehr verstanden werden als ein Verfahrens- dung zu formulieren. Zu dieser Zeit war es erklärte schritt beim Vorgehen des Profilings, der selbst Absicht von Eurostat, das Unternehmenskonzept gar nicht Gegenstand des Interesses sei, sondern global zu verstehen und diese Initiative mit dem technische Zwischenstufe zu den “truncated enter- FRIBS-Gesetzespaket umzusetzen. Der Zeitplan der prises” (TEN), die die jeweils national abgegrenzten Task Force war daher eng an den Zeitplan von FRIBS Teile eines GEN darstellten. Als konzeptionell letzte gebunden. Auswirkung der Einheitendiskussion ist damit die Frage noch nicht ausreichend behandelt, ob das 2.4 Die Wende Ende 2014 – „technisch“, also schematisch aus einem GEN abge- Abkehr vom multinationalen leitete TEN eine geeignete Approximation für das Unternehmenskonzept Unternehmen auf nationaler Ebene darstellt. Im Dezember 2014 kulminierten die Ereignisse: Der gesamte Zeitplan von FRIBS geriet durch die anhal- 5 European System of Inter- tende Diskussion um die vorgeschlagene globale operable Business Registers. Das ESSnet hat die Aufgaben, Unternehmensdefinition in Gefahr. Nachdem sich das europäische Unterneh- eine Mehrheit der Mitgliedstaaten gegen eine neue mensgruppenregister Einheitendefinition ausgesprochen hatte, erklärte (EuroGroupsRegister – EGR) weiterzuentwickeln und die Eurostat auf der Sitzung der Direktorengruppe der Methode des multinationalen Unternehmensstatistiker im Dezember 2014 seinen Profilings zu etablieren.
Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg 4 ┏ 2017 9 2.6 Praktische Auswirkungen fließt entsprechend in die statistischen Ergebnisse der Einheitendiskussion ein. Diese Definition ist, wie eingangs erläutert, in Im Ergebnis hat Eurostat durch die Einheitendis- den verschiedenen deutschen Statistikgesetzen kussion Verschiedenes erreicht: Das Unterneh- enthalten. Die EU-Einheitenverordnung von 1993 menskonzept ist nun mit großer Aufmerksamkeit definiert dagegen das Unternehmen als „kleinste bedacht. Die Chance, dass es in der europäischen Kombination rechtlicher Einheiten, die eine orga- Unternehmensstrukturstatistik in den kommenden nisatorische Einheit zur Erzeugung von Waren und Jahren flächendeckend zum Einsatz kommt, war Dienstleistungen bildet und (…) über eine gewisse noch nie so groß wie heute. Die entsprechenden Entscheidungsfreiheit verfügt“. Der wesentliche Un- Aktionspläne der nationalen statistischen Ämter terschied ist somit, dass nicht jede rechtliche Einheit sind eine Reaktion auf das angedrohte Vertragsver- ein Unternehmen im Sinne der Statistik darstellt, letzungsverfahren. Dass Eurostat zu dieser Ankündi- sondern weitere Eigenschaften erfüllt sein müssen, gung gegriffen hat, war ein deutliches Zeichen, wie damit man eine Einheit als Unternehmen versteht. ernst es Eurostat mit seinem Anliegen ist. In der EU-Einheitenverordnung wird zum Un- Weiterhin wurden in den Diskussionen der ver- ternehmenskonzept erläutert: „Das so definierte gangenen Jahre einige konzeptionelle Aspekte der Unternehmen ist eine wirtschaftliche Größe, die (…) Einheitendefinitionen ausführlich beleuchtet6: der Vereinigung mehrerer rechtlicher Einheiten ent- • die fachliche Diskussion und Klärung, welche sprechen kann. Bestimmte rechtliche Einheiten sind statistischen Einheiten in verschiedenen Fachsta- nämlich ausschließlich zugunsten einer anderen tistiken die angemessenen sind – was zur Hinwen- rechtlichen Einheit tätig, und ihre Existenz hat ledig- dung der Konjunkturstatistik zur KAU führte; lich verwaltungstechnische (z. B. steuerliche) Gründe • die Frage, ob der Marktbezug als konstituierendes (…). Häufig sind die Tätigkeiten dieser rechtlichen Element der Unternehmensdefinition anzusehen Einheiten als Hilfstätigkeiten zu den Tätigkeiten ist und ob Unternehmen folglich nur für den der rechtlichen Muttereinheit anzusehen, der sie Marktsektor relevant sind; angehören und der sie angeschlossen sein müssen, um die für die Wirtschaftsanalyse verwendete Größe • das Verhältnis zwischen dem Unternehmenskon- ‚Unternehmen‘ zu bilden.“ zept und dem Konzept der Institutionellen Einheit, Aus dieser Erläuterung wird die Zielrichtung das den VGR zugrunde liegt; der EU-Unternehmensdefinition deutlich. In der • wie die räumliche Abgrenzung von Unternehmen wirtschaftlichen Realität ist zu beobachten, dass als Kompromiss zwischen Konzeption, Reali- Unternehmen Teile des für ihre Branche charakte- sierungsmöglichkeiten und Nutzerinteressen ristischen Tätigkeits- und Faktorenbündels rechtlich verstanden werden muss. verselbstständigen (ausgliedern), um beispielsweise Damit hat Eurostat wichtige Weichen gestellt für die Haftung zu beschränken, die Steuern und Ab- eine Weiterentwicklung der Unternehmensstatistik gaben zu minimieren, den Einfluss auf die Unter- und der Unternehmensdefinition, die von der für nehmensgeschehnisse zu steuern oder tarifliche das Jahr 2018 vorgesehenen Verabschiedung von Bindungen zu vermeiden. In diesen Fällen wird FRIBS unabhängig ist und daher bereits begonnen eine Unternehmensstatistik auf Basis rechtlicher hat. Einheiten Veränderungen aufzeigen, die nicht die wirtschaftliche Realität widerspiegeln. Durch die 3 Das EU-Konzept des Unternehmens statistische Zusammenfassung der rechtlich aufge- Die Wahl der Darstellungseinheit einer Statistik spaltenen Einheiten könnten künstliche Veränderun- kann deutlichen Einfluss auf die errechneten Daten gen vermieden und die statistische Vergleichbarkeit haben. Daher ist die adäquate Verwendung statis- aufrechterhalten werden. tischer (Darstellungs-)Einheiten keine methodische Abbildung a zeigt ein schematisches Beispiel für Nebensache, sondern eine aus dem Untersuchungs- ein „komplexes Unternehmen“: Ein Produktionsun- und Darstellungszweck einer Statistik abgeleitete ternehmen gliedert seine Hauptproduktionseinheit, bewusste konzeptionelle Festlegung. Die Hinwen- seine Geschäftsleitung, seine Immobilienverwaltung dung der Unternehmensstatistik zur EU-Definition und seine Personalverwaltung in Form von vier des Unternehmens ist eine solche bewusste kon- eigenen rechtlichen Einheiten. Drei dieser Einheiten zeptionelle Ausrichtung, die sich aus dem Zweck werden aber nur untereinander und für die Produk- der Unternehmensstatistik ableitet. tionseinheit tätig. Die deutsche Statistik weist in diesem Fall vier 3.1 Inhaltliche Ausrichtung selbstständige Unternehmen in vier Wirtschaftsbe- In der deutschen amtlichen Unternehmensstatistik wird bislang die Definition „Ein Unternehmen ist die kleinste rechtlich selbständige Einheit, die Bücher a | Schematisches Beispiel führt“ verwendet. Somit wird jeder Einzelunterneh- für ein komplexes Unternehmen mer, jede GmbH, jede AG, jede KG und so weiter Geschäftsleitung Personalverwaltung als eigenständiges Unternehmen aufgefasst und Haupt- 6 Zu diesen methodischen As- pekten siehe zum Beispiel Immobilien- produktions- Sturm, 2015. verwaltung einheit
10 Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg 4 ┏ 2017 reichen aus: Produktionstätigkeit (Haupteinheit), Die eigentliche Aufgabe der Unternehmensstruk- Geschäftsleitung, Immobilienverwaltung, Personal- turstatistik ist, die Wirtschaftsstruktur auf der Basis verwaltung (jeweils im Dienstleistungsbereich). Auf der Marktteilnehmer abzugrenzen. Diese Marktteil- dem Markt (also als Anbieter von Dienstleistungen nehmer beschreibt die EU-Unternehmensdefinition. beziehungsweise Waren für andere Unterneh- Kernmerkmale sind die organisatorische Einheit men oder für Endverbraucher) tritt dagegen nur und die Entscheidungsfreiheit, um als Anbieter von ein Unternehmen auf. Die anderen Leistungen Waren oder Dienstleistungen auftreten zu können. (Geschäftsleitung, Immobilienverwaltung, Personal- Diese Intention der EU-Unternehmensdefinition ist verwaltung) werden hingegen nicht auf dem Markt auch in der deutschen amtlichen Statistik nicht um- angeboten, sondern nur intern bereitgestellt, wie stritten, denn sie dient den wesentlichen Zwecken es auch bei anderen Unternehmen geschieht, bei der strukturellen Unternehmensstatistik. Mit der denen diese Funktionen alle unter einem einzigen Anwendung der EU-Unternehmensdefinition lässt rechtlichen Dach konzentriert sind. sich die Aussagekraft der Statistik verbessern: Hinter diesem Verständnis des statistischen • Eine der prägenden Entwicklungen der letzten Unternehmens steht also das Modell eines Unter- Jahrzehnte ist die Zunahme der Bedeutung der nehmens als vollständiges Faktoren- und Funktio- Dienstleistungsbereiche gegenüber der Industrie. nenbündel. Dies bedeutet, dass zur Ausübung der Dieser erkannte Strukturwandel resultiert aller- Haupt- und Nebentätigkeiten eines Unternehmens dings nicht nur aus Verschiebungen der Endnach- ein notwendiges Bündel an Produktionsfaktoren frage in Richtung Dienstleistungen, sondern zu gehört sowie die hierzu notwendigen allgemeinen einem gewissen Teil auch daraus, dass vormals Funktionen (Hilfstätigkeiten, wie Geschäftsleitung, innerhalb der Industrie-Einheiten erbrachte Tätig- Buchführung, Einkauf, Verkauf ). Dieses Bündel keiten ausgelagert wurden. Die wirtschaftlich hier an Produktionsfaktoren und Hilfsfunktionen ist relevante Frage ist nun, inwieweit dies echte oder natürlich je nach Geschäftsmodell (oder Branche) künstliche Auslagerungen waren beziehungswei- unterschiedlich. Das EU-Unternehmenskonzept se sind. Künstliche Auslagerungen werden eher geht aber davon aus, dass nur ein Unternehmen zur Vermeidung von Steuern, zur Abdeckung von mit vollständigem Faktoren- und Funktionenbün- Betriebsrisiken, zur Vermeidung von Tarifbindun- del auch als eigenständiger Akteur und Marktteil- gen oder durch andere unternehmensinterne nehmer angesehen werden kann. Die Branche (der Überlegungen ausgelöst. Wirtschaftszweig) wird demzufolge nur dann rich- • Analysen von Wirtschaftsstrukturen, beispiels- tig dargestellt, wenn die ihr zugehörigen Unterneh- weise für die Analyse von kleinen und mittleren men mit allen Produktionsfaktoren und Funktionen Unternehmen (KMU) ebenso wie für die Messung erfasst werden (Abbildung b). von Arbeitsproduktivitäten oder Vorleistungsquo- ten, Analysen über die Entstehung beziehungsweise den Verlust von b | Das Unternehmen als rechtliche Einheit Arbeitsplätzen und so weiter sind Eigentumskomplex mit einer rechtlichen Einheit verzerrt, wenn hierbei zum Beispiel Beschäftigte teilweise in Beschäf- tigtengesellschaften ausgegliedert Allgemeine Funktionen (Hilfstätigkeiten) werden. • Beim statistischen Nachweis Einkauf Andere Buchführung Verkauf kleiner und mittlerer Unternehmen Vor- End- werden derzeit auch rechtliche leis- Haupt- und Nebentätigkeiten tungen produkte Einheiten berücksichtigt, die ausschließlich Dienstleistungen für Immobilien Ausrüstungen Immat. Personal Vermögen ein Mutterunternehmen erbrin- Produktionsfaktoren gen. Sofern die Mittelstandspolitik auf selbstständige Marktakteure rechtliche Einheit abzielt, bildet die Statistik diesen Unternehmen Ausschnitt der Wirtschaft nicht Eigentumskomplex mit drei rechtlichen Einheiten korrekt ab. Personal- verwaltung Allgemeine Funktionen (Hilfstätigkeiten) RE Einkauf Andere Buchführung Verkauf Vor- End- leis- Haupt- und Nebentätigkeiten produkte tungen Ausrüstungen Immat. Vermögen Produktionsfaktoren RE Immobilien- rechtliche Einheit verwaltung (RE) Unternehmen
Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg 4 ┏ 2017 11 3.2 Praktische Relevanz Nutzfahrzeuge und stellen dort Hilfstätigkeiten und Das EU-Unternehmenskonzept beschreibt reale Vorprodukte für die eigene LKW-Herstellung bereit. Phänomene im Wirtschaftsgeschehen, die in der Das heutige Wissen der Statistiker hierzu resultiert Unternehmenslandschaft zu beobachten sind. Das ausschließlich aus Darstellungen wie den genann- soll anhand von zwei realen Fallbeispielen gezeigt ten Presseberichten. Sollen solche Veränderungen werden. in der Realität für die Statistik genauer analysiert werden, ist die Ermittlung der Unternehmensstruk- Illustration: Unternehmen in der Realität turen mit der Methode des Profilings notwendig. am Beispiel des MAN-Konzerns Im Jahr 2015 erschienen einige Presseberichte über Fallbeispiel: Erkenntnisse eines Test-Profilings den LKW-Hersteller MAN (Süddeutsche Zeitung, Die Entwicklung, Beschreibung und Erprobung 2015a/b/c). MAN war ehemals eine eigenständige der Methode des Profilings ist von Eurostat in den Unternehmensgruppe mit den Geschäftsbereichen vergangenen Jahren gefördert worden. Ein hierzu Nutzfahrzeuge, Druckmaschinen und Turbinen. Im eingesetztes ESSnet „Profiling großer und komple- Jahr 2011 übernahm VW die Mehrheit der Aktienan- xer multinationaler Unternehmensgruppen“ hat die teile an MAN; dadurch wurde MAN Bestandteil Methode ausführlich beschrieben, Handlungsanlei- des VW-Konzerns. Ähnlich verhielt es sich mit dem tungen zur Arbeitsweise von Profilern erstellt und schwedischen Lastwagenbauer Scania. In der Folge, in einer Reihe von Testfällen reale Unternehmens- so die genannten Presseartikel, unterzog die Kon- gruppen dem Profiling unterzogen. Das Statistische zernleitung von VW ihre Töchter MAN und Scania, Bundesamt war in diesem ESSnet beteiligt.7 die bislang unter dem Dach von VW unabhängig Die Test-Profiler des Statistischen Bundesamtes voneinander ihre Geschäfte führten, einer um- haben unter anderem Untersuchungen im Kontakt fassenden konzerninternen Umstrukturierung. Es mit den Leitungen der Konzernrechnungslegung entstand ein einheitlich geführter LKW-Hersteller der jeweiligen Unternehmensgruppe durchgeführt. innerhalb der Unternehmensgruppe VW. Eine neue Ziel war es, statistische Unternehmen, die mög- Holding erhielt „umfassende Eingriffsmöglichkeiten: licherweise aus mehreren rechtlichen Einheiten Budgetplanungen, Strategien, Personalverantwor- zusammengesetzt sind, innerhalb der Konzerne zu tung für das Top-Management, Produktplanung. identifizieren und für diese statistischen Unter- Mit anderen Worten: Was in Labors und Fabriken nehmen auch ökonomische Eckdaten zu erhalten gemacht wird und was nicht, wofür Geld investiert (Wirtschaftszweigzuordnung, Beschäftigte, Umsät- wird und wofür nicht – all das wird künftig nicht ze der statistischen Unternehmen). Diesen können mehr bei MAN oder Scania entschieden. Dafür ist zum Vergleich Daten zu Beschäftigten und Umsatz die Holding da“ (Süddeutsche Zeitung, 2015c). Mit auf Basis von rechtlichen Einheiten aus der bislang dieser Beschreibung illustriert die Süddeutsche praktizierten Unternehmensstatistik gegenüber- Zeitung genau das Konzept der EU-Unternehmens- gestellt werden. Hierbei sind Daten des Unterneh- definition: eine Kombination rechtlicher Einheiten mensregisters und Ergebnisse aus den Erhebungen unter einer gemeinsamen Geschäftsleitung mit Au- der Strukturstatistiken berücksichtigt. tonomie bei der Führung der operativen Geschäfte. Die Bearbeitung des hier zur Illustration heran- Aus ehemals autonomen Nutzfahrzeugherstellern gezogenen Profiling-Falls ergab, dass die Unter- am Markt wird nun wohl ein einziger Marktakteur: nehmensgruppe gemäß dem EU-Unternehmens- die LKW-Sparte des VW-Konzerns. konzept in mehrere statistische Unternehmen zu Die deutsche Strukturstatistik berücksichtigt zerlegen ist. Abbildung c zeigt nur eines dieser er- solche Veränderungen bislang nicht, da sie auf kannten komplexen Unternehmen im Konzern. Die der Basis der rechtlichen Einheiten arbeitet. Das dargestellten Säulen fassen jeweils die Umsätze von deutsche statistische Unternehmensregister weist 45 rechtlichen Einheiten zusammen, die gemein- für das Jahr 2013 im Wirtschaftszweig „Herstellung sam eines der komplexen Unternehmen bilden, von Nutzkraftwagen und Nutzkraftwagenmotoren“ und deren Entwicklung über zwei Bezugsjahre. 114 Unternehmen (im Sinne rechtlicher Einheiten) aus, darunter auch (wenige) rechtliche Einheiten der früheren MAN-Unternehmensgruppe. Eine c|V ergleich von Unternehmensumsätzen größere Anzahl weiterer rechtlicher Einheiten dieser mit und ohne Profiling heute zu VW gehörenden Gruppe, die für Vertrieb, Verwaltung, Finanzmanagement, die Herstellung Sonstige Tätigkeiten 40 Mrd. EUR von Zwischenprodukten, wie Motoren, Getrieben, WZ 4 Pumpen und so weiter, sowie Versicherungsvermitt- WZ 3 30 WZ 2 lung zuständig sind, werden in der Strukturstatistik 20 WZ 1 ökonomisch (Umsätze, Beschäftigte, Wertschöp- fung) in anderen Wirtschaftszweigen nachge- 10 wiesen. In der Realität arbeiten sie wohl künftig Haupt-WZ innerhalb des neuen großen Unternehmens der VW 0 (statistisches Unternehmen) 2009 2010 2009 2010 konsolidierter Umsatz Umsatz im Register 7 Die deutschen ESSnet-Bearbei- durchgeführt und an einer Rei- (statistisches Unternehmen) (rechtliche Einheiten) ter haben fünf Test-Profile mit he von Test-Profilen der Partner Konzernbesuch und vier wei- in den anderen ESSnet-beteilig- Die genannten Ausprägungen der Wirtschaftszweige (WZ) sind aus Gründen der tere ohne Konzernbesuch ten Ländern mitgewirkt. Geheimhaltung fiktiv und wurden nicht einer realen Klassifikation entnommen.
12 Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg 4 ┏ 2017 Die beiden linken Säulen zeigen die Selbstdarstel- nungen zum quantitativen Umfang der Änderungen lung des Unternehmens durch die Unternehmens- für die Gesamtwirtschaft vorgenommen werden. gruppe im Testprofiling. Danach haben sich die Aufgrund der zugrunde liegenden Annahmen und Gesamtaktivitäten im Unternehmen vom Bezugs- fehlender Kenntnisse werden die folgenden Daten jahr 2009 zum Bezugsjahr 2010 kaum verändert, der vorsichtig als „Abschätzung“ bezeichnet. konsolidierte Umsatz betrug in beiden Bezugsjah- Hierzu wurden erstmals Berechnungen auf der ren jeweils etwa 25 Milliarden Euro. Grundlage des Unternehmensregisters zur Bedeu- Die beiden rechten Säulen zeigen, was über die- tung von Unternehmensgruppen und zu Struktur- ses Unternehmen in die deutsche Strukturstatistik verschiebungen bei Daten zu Unternehmen/recht- einfließt. Dies weicht in verschiedener Hinsicht von lichen Einheiten verwendet. Im Folgenden werden der Selbstdarstellung des Unternehmens ab: Zum zwei Abschätzungen beschrieben: Die erste quantifi- einen ist das höhere Niveau der Summe der unkon- ziert die Bedeutung der komplexen Unternehmen in solidierten Umsätze der rechtlichen Einheiten zu der Gesamtwirtschaft und die zweite gibt vorläufige erkennen. Zusätzlich ergibt sich ein Niveauanstieg Hinweise auf die Strukturänderungen zwischen den von 2009 zu 2010. Unternehmensinterne Verla- Wirtschaftsbereichen, wie sie sich unter Zugrunde- gerungen von Tätigkeiten zwischen rechtlichen legung von komplexen Unternehmen abzeichnen Einheiten und dadurch ausgelöste Wechsel ihrer können (Abbildung d). wirtschaftlichen Haupttätigkeit bewirken in diesem Beispiel für die Gesamtheit der 45 rechtlichen Abschätzung 1: Die ökonomische Bedeutung Einheiten des Unternehmens einen fast vollständi- von komplexen Unternehmen gen Wegfall des (beispielhaften) Wirtschaftszweigs Komplexe Unternehmen können mit der Methode (WZ) 2, die Umsätze werden im zweiten Jahr dem des Profilings auf der Grundlage der Kenntnis über WZ 1 zugerechnet. Des Weiteren taucht aufgrund Unternehmensgruppen (Konzerne) ermittelt wer- einer Auslagerung von internen Tätigkeiten aus den. Zwar wird man erst durch den umfassenden rechtlichen Einheiten in andere rechtliche Einheiten Einsatz der Methode des Profilings herausfinden des Unternehmens im Jahr 2010 der WZ 4 neu auf, können, in wie viele Unternehmen die Unterneh- mit der Konsequenz, dass die Summe der Umsätze mensgruppen untergliedert werden sollten und wie im Vergleich zum Vorjahr um weitere fast 7 Milliar- diese Unternehmen konkret aussehen. Unbesehen den Euro überzeichnet wird. Das Beispiel zeigt, wie davon kann die ökonomische Bedeutung der kom- durch die Betrachtung von rechtlichen Einheiten plexen Unternehmen anhand der Bedeutung der und ihren Tätigkeitsschwerpunkten organisatori- Unternehmensgruppen grob abgeschätzt werden.8 sche Anpassungen innerhalb eines Unternehmens Im Unternehmensregister kennt man die rechtlichen als wirtschaftliche Verschiebungen fehlinterpretiert Einheiten, die zu Unternehmensgruppen gehören werden können. und die folglich für die Bildung der komplexen Unternehmen infrage kommen. 3.3 Ökonomische Bedeutung Das statistische Unternehmensregister kennt seit Die in Abschnitt 3.2 dargestellten Illustrationen dem Berichtsjahr 2005 die rechtlichen Einheiten, die mögen die Zielrichtung der EU-Unternehmensdefi- Teile von Unternehmensgruppen sind, und kann nition und die Erkenntnisse am Einzelfall erläutern, daher die ökonomische Bedeutung der Unter- sagen aber noch nichts über die gesamtwirtschaft- nehmensgruppen abschätzen. Im Bezugsjahr 2013 liche Bedeutung des anstehenden Konzept- und gehörten etwa 7 % aller rechtlichen Einheiten in Methodenwechsels aus. Um diese Bedeutung Deutschland einer Unternehmensgruppe an. Auf verlässlich in Zahlen zu fassen, müssten Kenntnisse diese Unternehmensgruppen entfielen etwa 64 % über alle komplexen Unternehmen vorliegen. Dies der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und ist erst über – teilweise aufwendiges – Profiling zu sogar mehr als 70 % des nicht konsolidierten Umsat- erreichen; daher können derzeit nur Modellrech- zes aller Einheiten im Unternehmensregister. d | Zusammenhänge zwischen Unternehmens- gruppen, Gruppen- Unternehmen 1 oberhaupt Unternehmensgruppe Unternehmen und A rechtlichen Einheiten Rechtliche Rechtliche Rechtliche Einheit Einheit Einheit B F G Rechtliche Rechtliche Rechtliche Rechtliche Einheit Einheit Einheit Einheit 8 Da nicht alle rechtlichen Ein- C D H I heiten, die in Unternehmens- gruppen organisiert sind, Unternehmen 2 zwangsläufig auch zu komple- Rechtliche Rechtliche Rechtliche xen Unternehmen zusammen- Einheit Einheit Einheit gefasst werden, überzeichnet E Unternehmen 4 J K diese erste Analyse tendenziell Unternehmen 3 die Gesamtbedeutung der komplexen Unternehmen.
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