"Zombiestaat" Nordkorea - Zum Umgang mit schlecht regierten Staaten - Internationale Politik

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A N A LY S E N

     „Zombiestaat“ Nordkorea
          Zum Umgang mit schlecht regierten Staaten
von Hanns W. Maull                                              ihre Selbstbehauptung gegen den
         ie Demokratische Volksrepu-                            Süden und die Weltmacht USA.

D        blik Korea ist eine lebendige
         Paradoxie, ein zutiefst unzeit-
gemäßes politisches Gebilde. An-
                                                                   Paradox ist allerdings nicht nur die
                                                                Existenz Nordkoreas als isoliertes Au-
                                                                ßenwerk in einer sich globalisieren-
schaulich wird das, wenn man sich                               den Welt, sondern auch sein Über-
nächtliche Satellitenaufnahmen von                              leben als eigenständiger Staat. Zahl-
Nordostasien betrachtet: Nordkorea                              reiche Experten und zeitweilig auch
erscheint da – im Kontrast zu dem von                           die Korea-Politik der USA und Süd-
den Lichtern der modernen Indus-                                koreas gingen schon Mitte der neun-
triegesellschaft aufgehellten Süden,                            ziger Jahre davon aus, dass der nord-
den Küstenregionen Chinas und dem                               koreanische Staat binnen weniger
japanischen Archipel – als „schwarzes                           Jahre zusammenbrechen und vom
Loch“. Nordkorea lebt buchstäblich                              Süden aufgesogen würde.1 In der Tat
und im übertragenen Sinne im Dun-                               fällt es schwer, dem nordkoreanischen
keln, es hält sich aus den Netzwerken                           Staat auf längere Frist – etwa bis zum
der Globalisierung heraus und kulti-                            Jahr 2020 – Überlebensperspektiven
viert den Anspruch der Autarkie.                                zuzugestehen: Dieser Staat ist in vieler
   Davon profitiert das gegenwärtige                            Hinsicht bankrott und zugleich unfä-
Regime, das an Brutalität und schierer                          hig zu Veränderungen, die Zukunfts-
Bizarrheit seinesgleichen sucht: kaum                           perspektiven eröffnen würden.
vorstellbar, dass diese Ordnung in                                 Diese Einschätzung beruht vor
einer offenen Gesellschaft überlebt                             allem auf dem massiven wirtschaftli-
hätte. Den Preis für diese „bad gover-                          chen Versagen Nordkoreas, dessen
nance“ aber zahlt die Bevölkerung                               Wirtschaftsaktivität sich von 1990 bis
Nordkoreas, deren Lebenschancen                                 1996 nach nordkoreanischen Anga-
durch das Regime empfindlich beein-                             ben halbiert hat; der Schrumpfungs-
trächtigt und oft auch zerstört werden                          prozess setzte sich auch danach weiter
und die obendrein in einem kaum                                 fort. Erst in den letzten beiden Jahren
vorstellbaren Maße indoktriniert und                            konsolidierte sich die Wirtschaftslage
brutalisiert wird.Was ihr dafür als Ge-                         mit westlicher, vor allem südkorea-
genleistung angeboten wird, ist ideo-                           nischer Hilfe auf äußerst niedrigem
logisch aufgeladener Stolz auf die „Er-                         Niveau.2 Im Gefolge dieser wirtschaft-
rungenschaften“ ihres Landes und                                lichen Talfahrt kam es zu chronischen
                                                                Hungersnöten und dem Zerfall des
                       Prof. Dr. Hanns W. Maull,
                 Lehrstuhl für Außenpolitik und
                                                                Gesundheitswesens. Der Kontrast
                   Internationale Beziehungen,                  zwischen der Verelendung, Ausbeu-
                                 Universität Trier.             tung und brutalen Repression dieser

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Bevölkerung mit dem attraktiven                       überschritten, dürfte dieses System zu
wirtschaftlichen und gesellschaftli-                  erfolgreicher Anpassung unter Krisen-
chen Gegenmodell Südkorea war                         bedingungen kaum fähig sein. Es feh-
schärfer kaum vorstellbar.                            len zudem fast alle Mechanismen zur
                                                      präventiven Entlastung des Systems
                                                      durch kontrollierte Innovation: Jede
Staatlicher                                           Form von Reform- und Öffnungspoli-
Zusammenhalt                                          tik (etwa nach dem Vorbild der wirt-
                                                      schaftspolitischen Reformen der
       as ermöglicht diesem Staat,                    Volksrepublik China,wie sie Pjöngjang
W      trotz krassen wirtschafts- und
gesellschaftspolitischen Versagens
                                                      von der chinesischen Führung nahe
                                                      gelegt wird) birgt politische Risiken für
weiter zu funktionieren? Auffallend                   die heutige politische Ordnung.
ist zunächst, wie stark ausgeprägt die                   Was den Staat unter diesen Voraus-
koreanische Staatsidee in Nordkorea                   setzungen zusammenhält, ist letztlich
ist: Die DVRK versteht sich als Erbe                  Repression und nackte Gewalt. Seine
der Jahrtausende alten koreanischen                   Funktion besteht heute praktisch aus-
Staatstradition und als einzig legitime               schließlich darin, das Überleben und
Repräsentantin der koreanischen Na-                   den Herrschaftsanspruch des Re-
tion; das Regime beansprucht dabei                    gimes nach innen und außen zu si-
für seine politische Ordnung auch                     chern. Allein die Ausgaben für die
Vorbildcharakter. Mit dieser Staats-                  Streitkräfte verschlingen mindestens
ideologie – einer synkretistischen Mi-                ein Viertel des BSP, hinzu kommen die
schung aus marxistisch-leninisti-                     für die Sicherheitsdienste und den in-
schen, stalinistischen und eigenstän-                 ternen Repressionsapparat.3 Der Staat
digen, z.T. quasireligiösen Elementen                 leistet sich mit über einer Million Sol-
– verknüpft sich ein Kult um den                      daten unter Waffen die viertgrößten
Staatsgründer Kim Il Sung und seinen                  Streitkräfte der Welt (nach den USA,
Sohn und Erben, Kim Jong Il. Dieser                   China, Russland und Indien).4 Diese
Personenkult verleiht dem Regime                      Gewaltapparate sind zudem mit tech-
Züge einer staatlich organisierten                    nologisch anspruchsvollen Sicher-
Sekte.                                                heits-, Waffen- und Rüstungstech-
   Angesichts seiner personalisierten                 nologien ausgestattet, darunter ato-
Herrschaftsordnung ist Nordkorea zu-                  maren, biologischen und chemischen
gleich aber auch ein permanent über-                  Massenvernichtungswaffen und weit
lastetes System: Alle wichtigen Ent-                  reichenden Raketensystemen.5
scheidungen bedürfen offenbar min-                       All dies ist aufwändig: Um die not-
destens der Zustimmung, wenn nicht                    wendigen Mittel zum Unterhalt des
der Anordnung durch Kim Jong Il.                      Machtapparats und des Militärs auf-
Damit ist diese politische Ordnung                    zubringen und darüber hinaus die
zwar möglicherweise hoch belastbar,                   wirtschaftliche und gesellschaftliche
aber zugleich höchst brüchig: Werden                  Infrastruktur sowie die Minimalver-
die Toleranzgrenzen der Belastung                     sorgung eines hinlänglichen Teiles der

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Bevölkerung zu gewährleisten, muss                   des maroden Gesundheitssystems)
der Staat Devisen erwirtschaften bzw.                sicherzustellen oder ihren Tod in
in anderer Form Ressourcen aus dem                   Kauf zu nehmen.
Ausland mobilisieren. Traditionell ge-                  Die zweite Strategie setzte auf die
schah dies durch Überweisungen der                   Erpressung der Staatengemeinschaft
auf Nordkorea ausgerichteten korea-                  durch die „Geiselnahme“ der südko-
nischen Minderheit in Japan,6 durch                  reanischen Hauptstadt Seoul. Ein
Rüstungsexporte sowie durch staat-                   neuer Krieg auf der koreanischen
lich organisierte Kriminalität (etwa                 Halbinsel würde zwar aller Voraus-
den Zigaretten- und Drogenschmug-                    sicht nach mit der Zerstörung des
gel durch koreanische Diplomaten                     nordkoreanischen Staates und der
sowie Falschmünzerei).7                              Vereinigung mit dem Süden enden,
   Die Systemkrise Nordkoreas in den                 doch würde Seoul – und damit ein
neunziger Jahren beeinträchtigte frei-               Viertel der südkoreanischen Bevölke-
lich auch einen Teil dieser Einnahme-                rung – aufgrund ihrer Grenznähe mit
quellen. Insbesondere die Überwei-                   größter Wahrscheinlichkeit schwerste
sungen aus Japan gingen in dem                       Zerstörungen erfahren. Eine dritte
Maße stark zurück, in dem Nord-                      Strategie zielt auf andere Nachbar-
korea bei der koreanischen Minder-                   staaten und die Staatengemeinschaft
heit in Japan an Rückhalt einbüßte.8                 insgesamt: Nordkoreas Massenver-
Hinzu kam der Wegfall der sowjeti-                   nichtungswaffen und seine weit rei-
schen Unterstützung und die Öff-                     chenden Trägersysteme bedrohen in-
nung der VR China hin zu Südkorea,                   zwischen auch Japan, und ihr Export
die Chinas Bereitschaft, Nordkorea                   in andere Regionen (etwa Südasien
finanziell durch Energie- und Le-                    oder den Nahen und Mittleren Osten)
bensmittellieferungen zu Sonder-                     gefährdet die Sicherheit weltweit.
konditionen über Wasser zu halten,
abschwächte.9 Nordkorea sah sich
                                                     Erfolgreiche Erpressung
deshalb veranlasst, nach anderen
Möglichkeiten der externen Finan-                       Dass Nordkorea mit diesen Dro-
zierung des Systems zu suchen. Dabei                 hungen in der Tat Ressourcen mobili-
schälten sich folgende Erpressungs-                  sieren kann, zeigt die Errichtung zwei-
strategien heraus: Die erste Strategie               er von Südkorea finanzierter Kern-
nahm die eigene Bevölkerung gewis-                   kraftwerke und die Lieferung von
sermaßen in Geiselhaft und stellte die               Schweröl in einer Größenordnung
Staatengemeinschaft vor die Alterna-                 von insgesamt rund 4,6 Milliarden
tive, das Überleben der Teile der                    Dollar hauptsächlich durch Südko-
nordkoreanischen Bevölkerung, die                    rea, Japan, die USA und die Europäi-
sich durch das Desaster der nord-                    sche Union im Gegenzug gegen die
koreanischen Landwirtschaftspolitik                  Stilllegung und, perspektivisch, auch
strukturell vom Hungertod bedroht                    die Aufgabe des nordkoreanischen
sahen, durch Nahrungsmittelhilfe                     Kernwaffenprogramms und seiner
(und auch durch die Unterstützung                    Nuklearanlagen.10

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   Mit Hilfe dieser Strategien konnte               Organisationen und den bilateralen
sich der nordkoreanische Staat bis-                 Hilfeleistungen anderer Regierun-
lang nach innen und nach außen er-                  gen), um die verfügbaren Ressourcen
folgreich behaupten, obwohl seine ei-               auf die aus Sicht der Regime zentrale
gentlichen wirtschaftlichen Fun-                    Aufgabe zu konzentrieren: die Absi-
damente längst zusammengebrochen                    cherung der bestehenden Machtver-
sind und er über keine Zukunftsper-                 hältnisse.
spektive mehr verfügt. Nordkorea ist                   Dies geschieht nicht nur durch Re-
jedoch kein „gescheiterter Staat“ im                pression im Innern oder Erpressung,
Sinne gängiger Taxonomien, die auf                  sondern auch durch gezielte Koope-
die Erfahrungen mit zerfallender                    rationsangebote, etwa an die Vereinig-
Staatlichkeit mit vormodernen Vor-                  ten Staaten im Zusammenhang mit
zeichen vor allem in Afrika und La-                 dem Kampf gegen den internationa-
teinamerika abheben.11 Es handelt                   len Terrorismus: Im Gegenzug für die
sich bei Nordkorea vielmehr um eine                 Bereitstellung von Stützpunkten, Ge-
pervertierte Form von Staatlichkeit,                heimdienstinformationen und Un-
eine evolutionäre Sackgasse der mo-                 terstützung beim Vorgehen gegen tat-
dernen Staatsentwicklung, in der sich               sächliche oder angebliche internatio-
durchaus auch andere Staaten finden                 nale Terrororganisationen lassen sich
oder bald finden könnten – etwa Irak,               so Hilfsgelder und politische Dul-
Algerien oder die Nachfolgestaaten                  dung bzw. vielleicht sogar die aktive
der Sowjetunion in Zentralasien.                    Unterstützung der bestehenden in-
                                                    nenpolitischen Ordnung erreichen.
                                                    All diese Aktivitäten können aller-
Bad Governance
                                                    dings nicht darüber hinwegtäuschen,
   In diesen „Zombiestaaten“ sind                   dass Zombiestaaten wirtschaftlich,
Staat und Regime faktisch weitgehend                gesellschaftlich und kulturell-ideo-
deckungsgleich, die ökonomischen                    logisch nicht mehr lebensfähig sind.
Grundlagen des Staates beruhen auf
der Ausplünderung der Bodenschätze
und der Bevölkerung, auf transnatio-                Umgang mit
nalen kriminellen Aktivitäten (mit                  Zombiestaaten
Querverbindungen zur organisierten
internationalen Kriminalität) und auf                   ie können die Nachbarn, wie
der Mobilisierung externer Ressour-
cen mit dem Verweis auf die Verant-
                                                    W   die Staatengemeinschaft mit
                                                    Zombiestaaten wie Nordkorea umge-
wortung der Staatengemeinschaft für                 hen? Idealtypisch lassen sich folgende
die Konsequenzen des Staatsver-                     mögliche Reaktionen unterscheiden:
sagens für die eigene Bevölkerung.                  Eindämmung und Quarantäne; Sub-
Zombiestaaten überlassen wichtige                   version; Konfrontation sowie Soziali-
Funktionen moderner Staatlichkeit                   sierung.
externen Akteuren (wie Nichtregie-                     Eindämmung/Quarantäne: Bei die-
rungsorganisationen, internationalen                ser Strategie geht es darum, die mit

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Zombiestaaten verbundenen Risiken                     biestaat die Risiken der Subversion
zu kontrollieren und zu verringern.                   kennt, genau beobachtet und Gegen-
Eine kluge Politik der Eindämmung                     strategien entwickelt.
braucht allerdings nicht nur die Fä-                     Konfrontation: Diese Strategie zielt
higkeit zu robuster Selbstverteidigung                darauf ab, den Zombiestaat möglichst
und auch zur Abschreckung des Zom-                    rasch zu eliminieren. Die ihr zugrun-
biestaats bzw. seiner Machthaber                      de liegende Logik hebt darauf ab, dass
(wobei Abschreckungsfähigkeit auf                     die vom Zombiestaat ausgehenden
den Herrschaftsapparat und den in-                    Risiken und die Kosten ihrer Beseiti-
neren Zirkel der Machthaber zielen                    gung in Zukunft noch höher sein wer-
muss; Abschreckungsstrategien, die                    den als in der Gegenwart. Ob dies zu-
auf die Bevölkerung des Zombie ge-                    trifft, entzieht sich aber letztlich der
richtet sind, gehen an den politischen                Überprüfung; diese Strategie wird
Realitäten vorbei). Sie muss sich auch                also politisch bestenfalls dann sinn-
um Konfliktprävention bemühen,                        voll und rational sein, wenn die Risi-
wobei grundsätzlich zwei unter-                       ken der Konfrontation begrenzt sind.
schiedliche Typen von Szenarien zu                    Für Nordkorea trifft dies nicht zu.
berücksichtigen sind: Szenarien eines                    Sozialisierung: Weil die Risiken un-
gewaltsamen „Ausbrechens“ bzw.                        kalkulierbar sind, sind die bislang
einer ungewollten, aber nicht ein-                    skizzierten Strategien insgesamt
dämmbaren Gewalteskalation, und                       wenig tauglich bzw. unzureichend,
Szenarien der (allmählichen oder,                     um mit den von diesem Staat aus-
wahrscheinlicher, krisenhaften) Im-                   gehenden Risiken angemessen umzu-
plosion des Staates, die im Falle Nord-               gehen – wie im Falle Nordkoreas.
koreas zu einer raschen Vereinigung                   Unter diesen Umständen gibt es für
mit dem Süden führen dürfte.                          die Staatengemeinschaft insgesamt
   Subversion: Die zweite Strategie                   und für die Nachbarn von Zombie-
setzt darauf, Veränderungen im In-                    staaten im Besonderen kaum Alterna-
nern des Zombiestaats gezielt herbei-                 tiven zu einer Politik der Sozialisie-
zuführen – sei es im Sinne innerer Re-                rung. Diese zielt darauf ab, das betref-
formen oder der Erschütterung der                     fende Land durch Anreize und Ein-
Herrschaftsordnung. Die Chancen                       bindung geduldig aus seiner prekären
dieser Strategie sind im ersten Falle                 Situation herauszulösen. Dabei ist al-
abhängig von den Innovationspoten-                    lerdings zu beachten, dass das Regime
zialen des Systems, die jedoch bei                    in Nordkorea von der gegenwärtigen
Zombiestaaten in aller Regel sehr eng                 Lage profitiert und diese grundsätz-
begrenzt sind. Im zweiten Falle hän-                  lich auch verewigen möchte. Dies be-
gen sie ab von der Fähigkeit des Re-                  deutet, dass eine Politik der Sozialisie-
gimes, Opposition rechtzeitig zu                      rung Verknüpfungsstrategien benö-
identifizieren und zu zerschlagen bzw.                tigt, die auch gezielte, konditionierte
Einfallstore des politischen Wandels                  Anreize für die Machthaber einbezie-
konsequent zu schließen.Auch hier ist                 hen. So kann es politisch sinnvoll sein,
Skepsis angebracht, zumal der Zom-                    die politischen Exponenten eines

14                            I N T E R N AT I O N A L E P O L I T I K                   8/2002
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Zombiestaats mit bedingten Zusagen                   setzt dagegen auf die Verbindung von
(Amnestie, materielle Absicherung)                   Kooperationsangeboten mit einer Er-
zu „ködern“.                                         höhung des Drucks auf Nordkorea.12
                                                     Diese Politik zielt darauf ab, Nord-
                                                     koreas Verhalten international zu de-
Welche Köder?
                                                     legitimieren und eine breite Koalition
    In der Praxis kommen gegenüber                   gegen den Staat zu schmieden, um so
Nordkorea gegenwärtig vor allem zwei                 eine zukünftige Konfrontation zu be-
Strategien zum Tragen: die „Sonnen-                  stehen bzw. längerfristig den Zusam-
scheinpolitik“ der gegenwärtigen süd-                menbruch des nordkoreanischen
koreanischen Regierung unter Staats-                 Staats herbeiführen zu können. Fak-
präsident Kim Dae Jung und die                       tisch allerdings scheint die Bush-Re-
Korea-Politik der amerikanischen Re-                 gierung in ihrer Korea-Politik gespal-
gierung unter Präsident George W.                    ten zwischen den Befürwortern einer
Bush. Beide Politiken verbinden Ele-                 Konfrontation und denjenigen, die
mente der Eindämmung mit solchen                     eher der Strategie der Eindämmung
der Beschwichtigung; beide beinhal-                  und Quarantäne zuneigen.13
ten robuste Verteidigungs- und Ab-                      Wie immer sich die beiden wich-
schreckungsfähigkeit ebenso wie Nah-                 tigsten Protagonisten im Umgang mit
rungsmittelhilfe und andere Formen                   Nordkorea, China und die USA, in
der humanitären und wirtschaftlichen                 Zukunft orientieren werden: der Um-
Hilfslieferungen. In ihren Mischungs-                gang mit Zombiestaaten wirft für die
verhältnissen und den weiteren Kom-                  Staatengemeinschaft eine Reihe
ponenten unterscheiden sich diese                    schwieriger Fragen und neuer Risiken
beiden Strategien allerdings deutlich:               auf. Hierzu zählen nicht nur die spezi-
Die „Sonnenscheinpolitik“ verbindet                  fischen Probleme des angemessenen
die genannten Elemente mit Kom-                      Umgangs mit Zombiestaaten, die
ponenten der Sozialisierung, wie Be-                 Massenvernichtungswaffen bereits
standsgarantien für Nordkorea (und                   besitzen oder im Begriff stehen, diese
damit auch für seine gegenwärtige po-                zu entwickeln, und damit zukünftige
litische Ordnung),Anreize zur Koope-                 Risiken und Kosten einer Konfronta-
ration und Bemühungen um Refor-                      tion nach oben treiben. Hinzu kom-
men von innen und die Aufweichung                    men auch die Auswirkungen der Ver-
der Trennung der beiden Gesellschaf-                 bindung von alten (staatlichen) Ein-
ten. Diese Politik verzichtet bewusst                schüchterungen mit neuen Bedro-
auf konfrontative Elemente (außer in                 hungen (organisierte Kriminalität,
Reaktion auf Provokationen). Sie setzt               internationaler Terrorismus), die von
auf die Wandlungsfähigkeit des Staa-                 Zombiestaaten forciert werden.
tes im Norden und sein Interesse an                     Nicht zuletzt zählt zu diesen
friedlicher Annäherung.                              Schwierigkeiten auch die Frage, wie in
    Die Korea-Politik der Regierung                  Gesellschaften, die oft jahrzehntelang
Bush – von Beobachtern inzwischen                    unter der Last dieser pervertierten For-
als „hawk engagement“ bezeichnet –                   men moderner Staatlichkeit zu leiden

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hatten und dementsprechend schwere                            Zombiestaats durch einen funktions-
Schäden davongetragen haben, funk-                            fähigen Staat (im Falle Nordkoreas
tionierende moderne bzw. post-                                durch Südkorea) oder durch Protekto-
moderne14 Staatlichkeit aufgerichtet                          ratslösungen der Staatengemeinschaft.
werden kann. In aller Regel wird dies
                                                                  Eine erweiterte Fassung dieses Beitrags ist
wohl nur durch umfangreiche Hilfe-                                              als PDF-Datei zu finden unter:
stellung von außen möglich sein, also                                .

                                      Anmerkungen
1   Vgl. etwa Nicholas Eberstadt, The End of                       Auch die Mitgliedschaft in Chosen Soren ist
    North Korea, Washington, DC, 1999.                             deutlich gefallen. Vgl. auch Christopher W.
2   Vgl. Marcus Noland, Avoiding the Apoca-                        Hughes, Japan’s Economic Power and Secu-
    lypse. The Future of the Two Koreas, Wash-                     rity, Japan and North Korea, London/New
    ington, DC, 2000, S. 82.                                       York 1999, S. 183 f.
3                                                             9    Noland, a.a.O. (Anm. 2), S. 99 ff.
    Das nordkoreanische Militär unterhält of-
    fenbar ausgedehnte eigene wirtschaftliche                 10   Vgl. hierzu Sebastian Harnisch/Maull,
    Aktivitäten und bildet damit ein System der                    Kernwaffen in Nordkorea, Regionale Stabi-
    „Autarkie in der Autarkie“ (Noland); zu die-                   lität und Krisenmanagement durch das
    sen Aktivitäten gehören vermutlich auch die                    Genfer Rahmenabkommen, Bonn 2000.
    umfangreichen Rüstungsexporte Nord-                       11   Vgl. Jean-Germain Gros, Towards a Taxono-
    koreas.Vgl. ebenda, S. 71 ff.                                  my of Failed States in the New World Order:
4   Vgl. IISS, The Military Balance 2001/2002,                     Decaying Somalia, Liberia, Rwanda and
    London 2002, S. 299 ff.                                        Haiti, in: Third World Quarterly, Bd. 17,
5   Vgl. David Reese, The Prospects for North                      Nr. 3 (1996), S. 455–471; Georg Sørensen,
    Korea’s Survival, 1998 (Adelphi Paper,                         An Analysis of Contemporary Statehood:
    Nr. 323), S. 62 ff.; Ministry of National De-                  Consequences for Conflict and Co-operati-
    fence, Defense White Paper 2000, Seoul                         on, in: Review of International Studies, Bd.
    2001, S. 41 ff.                                                23, Nr. 3 (1997), S. 253–269; und Robert I.
6   Noland, a.a.O. (Anm. 2), S. 102 ff. Auf die                    Rotberg, The New Nature of Nation-State
    Organisation der Nordkoreaner in Japan                         Failure, in: The Washington Quarterly, Bd.
    (Chosen Soren) entfallen rund 80 Prozent                       25, Nr. 3 (Sommer 2002), S. 85–96 .
                                                              12   Victor D. Cha, Korea’s Place in the Axis, in:
    Nordkorea und ein Großteil des bilateralen
    Handels.                                                       Foreign Affairs, Bd. 81, Nr. 3 (Mai/Juni
7   Bertil Lintner/Suh-kyung Yoon, North                           2002), S. 79–92.
                                                              13   Vgl.Sebastian Harnisch, US-DPRK Relations
    Korea, Coming in From the Cold, Asia Paci-
    fic Media Services Ltd., in: .                                                   schung International, Nr. 29 (Winter
8   Die Überweisungen von Mitgliedern dieser                       2001/02).
    Organisation nach Nordkorea erreichten                    14   Vgl. dazu Richard Rosecrance, The Rise of
    ihren Höhepunkt vermutlich Mitte der                           the Virtual State. Wealth and Power in the
    neunziger Jahre und sind seither rückläufig.                   Coming Century, New York 1999.

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