Zur Neu- und Wiederbesiedlungsstrategie des Wanderfalken Falco
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4 | Wanderfalken Seevögel | 2011 | Band 32 Heft 1 Zur Neu- und Wiederbesiedlungsstrategie des Wanderfalken Falco peregrinus auf den Landesflächen von Schleswig-Holstein und Hamburg Von Uwe Robitzky Einführung Nach Looft (1981) hat die letzte Wanderfal- kenbrut in Schleswig-Holstein 1964 stattge- funden und gilt die Art ab 1965 als Brutvo- gel ausgestorben. Für das Stadtgebiet Ham- burg sind aus historischer Zeit keine Bruten bekannt geworden (Mitschke & Baumung 2001) und die letzte Brut im Klövensteen fand 1943 statt (Looft 1981). Ab 1985 begann eine zunächst zögerliche Neu- und Wieder- besiedlung von Schleswig-Holstein und Ham- burg. Gemessen an den danach folgenden Zuwächsen der Paarzahlen, besonders in den letzten beiden Jahren, erwarteten wir 2010 ei- ne erheblich deutlichere Steigerungsrate als zuvor (Robitzky 2010a). Diese hat es tat- sächlich, aber völlig unerwartet, im Wesent- lichen auf den unbewohnten Inseln der Nordsee und im Industriebereich von Ham- burg gegeben. Von den Ursachen und Hinter- gründen und einigen weiteren Aspekten zu den Schutzbemühungen handelt der nach- folgende Bericht. Methode Als der einst flächendeckende Brutbestand des Wanderfalken in weiten Teilen der Bundesrepublik Deutschland erloschen war und nur noch Restbestände in Baden-Würt- temberg und Bayern vorkamen, wurde ab 1965 der Schutz der letzten Paare organi- siert (Schilling & Rockenbauch 1985, Lanz 2002), die sich daraufhin wieder zu ver- mehren begannen. Ab 1977 ergänzten Wiederansiedlungen ausgewildeter, gezüch- teter Wanderfalken die Schutzbemühungen (Saar et al. 1982). Es gelang 1985 ein erstes Paar auf einer Seebake auf Neuwerk (Lan- desfläche Hamburg) anzusiedeln (Reilmann Wanderfalkennachwuchs auf Noderoogsand aus dem Jahr 2008. Der blaue Kennring ist gut zu erkennen. 1990), weil die Bake zuvor mit einer Nisthil- Foto: U. Knief fe ausgestattet worden war. Als 1995 ein Wanderfalkenpaar auf der Seebake auf Sü- ihnen mit Nisthilfen und anderen Maßnah- siedlung noch nicht ein einziges Mal vorge- deroogsand brütete (das erste Paar in men zum Bruterfolg zu verhelfen. Ziel ist es, kommen. Um Unterschiede und mögliche Schleswig-Holstein, dem ebenfalls eine Nist- eine auf das Berichtsgebiet bezogene, sich Ursachen zu erkennen, wurden besonders hilfe zur Verfügung stand), war das der Be- selbst tragende Population zu etablieren. die historischen Daten in der Arbeit von ginn der Brutschutzbemühungen hierzulan- Looft (1981) bewertet und mit denen der de (Robitzky 2010a). Seit dieser Zeit wer- Während die Wanderfalken vor dem Aus- jüngeren Entwicklung verglichen. Ziel dieser den ansiedlungswillige Falken in Schleswig- sterben noch alle auf Bäumen gebrütet hat- Arbeit ist es, Entwicklungen und Situationen Holstein und Hamburg erfasst und versucht, ten (Looft 1981), ist das seit der Wiederbe- aufzuzeigen.
Seevögel | 2011 | Band 32 Heft 1 Wanderfalken | 5 Ergebnisse Zum Status des Wanderfalken in histori- scher Zeit Nach Looft (1981) soll sich der Brutbestand des Wanderfalken in Schleswig-Holstein An- fang der 1950er Jahre auf 10-15 Paare ge- steigert haben, nahm dann aber kontinuier- lich ab. Für das Landesgebiet Hamburg be- schreibt er nur ein Vorkommen, das im Klö- vensteen. Als Grund für Abnahme und Aus- sterben als Brutvogel benannte er die Bio- zidkontamination. Um diese Angaben nach- vollziehbar und mit heutigen Erfahrungen vergleichbar zu machen, wurden seine An- gaben zu den von ihm ermittelten Bruten (Tab. 109: Brutorte des Wanderfalken: S.: 191 in Looft & Busche 1981) in eine Grafik umgewandelt (s. Grafik 1). Grafik 1: Aus historischer Zeit (von 1922 bis 1964 = 44 Jahre) sind nach Looft (1981) 81 Wanderfalkenbruten überliefert. Bei Betrachtung der Grafik fällt auf, dass nie mehr als vier Paare gleichzeitig in einem Jahr brütend erfasst wurden. Dabei haben an ei- ner Stelle 12 Jahre und an zwei weiteren bei- nah 20 Jahre nacheinander Bruten stattge- funden. Dadurch, dass nur maximal 4 zeit- gleich brütende Paare erfasst wurden, ergibt sich ein scheinbarer Widerspruch zu den ver- meintlichen erwähnten vorgekommenen 10-15 Paaren. Um die Datenangaben aus dieser Arbeit zum Wanderfalken und die Einschätzung des Au- tors besser zu verstehen und einen mög- lichen Anteil am Rückgang durch Verfolgung sichtbar zu machen, wurden die Daten aus der Arbeit mit Hilfe von V. Looft (briefl. Mitt.) jahrweise aufgelistet und um die im gleichen Band enthaltenen, durch Jäger zur Strecke gekommenen Greifvögel ergänzt (s. Tab. 1). Landesweite systematische Bestandsunter- suchungen zum Wanderfalken gab es in Schleswig-Holstein in historischer Zeit nie. Dennoch wurden die Bruten nicht nur zufällig erfasst. Die Daten stammen mit Mehrheit von in besonderer Weise an Falken interes- sierten Personen, die sie manchmal aus sehr unterschiedlichen Interessen an immer den Tab. 1: Wanderfalkenbestand nach Looft (1981), ab 1950 bis zum Aussterben als Brutvogel in Schleswig-Holstein: gleichen Orten aufsuchten oder eben nur unterschieden nach vom Autor ermittelte anwesende Paare, vom Autor geschätzter Bestand, nachgewiesene Bruten und von Jägern der Obersten Jagdbehörde gemeldete zur Strecke gekommenen Greifvögel für das jewei- zufällig (Looft 1981, eigene Erfahrung.). lige Jahr. Über den erheblicheren größten Teil des Lan- des liegen keine Erfahrungen vor. Deshalb wieder einmal in ganz Deutschland bis 1953. ge Greifvogelarten verfolgen dürfen (Looft entstanden die Schätzwerte. In dieser Zeit vermehrt sich der kleine Be- 1981). Die Jagd auf Greifvögel ist im übrigen stand an Wanderfalkenpaaren sogar. Das än- Europa in dieser Zeit ebenfalls weit verbrei- Mit Kriegsende (1945) wurde der Waffenbe- dert sich aber drastisch, nachdem ab 1954 tet. In einigen südlichen Ländern wurde sie sitz und damit die Jagd verboten. Sie ruhte deutsche Jäger wieder jagen und auch eini- ja bis heute nicht eingestellt und auch bei uns
6 | Wanderfalken Seevögel | 2011 | Band 32 Heft 1 werden Greifvögel mehr denn je illegal be- jagt (Robitzky 2010b, Robitzky Manuskript eingereicht). Als von 1954 bis 1967 (ein- schließlich) in nur 14 Jahren 63.698 Greif- vögel durch Jäger in Schleswig-Holstein er- legt waren, war auch das letzte brütende Wanderfalkenpaar verschwunden. Ferner ließ sich nachweisen, dass nur ein Teil der Jäger sich am korrekten Meldeverfahren beteiligte. Darüber hinaus wurde auch noch 1971, 1972 und 1973 trotz Vollschutz aller Greifvögel (ab 1970) weiter geschossen und sogar der zuständigen Verwaltung gemeldet, weil das Verbot längst nicht allen bekannt war. Diese Zahlen wurden von der Obersten Jagdbe- hörde jedoch in den dortigen Zusammen- stellungen einfach ignoriert und zogen kei- nerlei Konsequenzen nach sich (eigene Er- fahrungen). Neu- und Wiederbesiedlung Nach Ansiedlung des ersten Wanderfalken- Brutpaares 1985 auf der zu Hamburg gehö- renden Nordseeinsel Neuwerk (Reilmann 1990), sollte es noch bis 1992 dauern, bis sich ein zweites Paar und dann auf der eben- Grafik 2: Landeskarte für Schleswig-Holstein und Hamburg, auf der die Stellen mit Paaren markiert sind. Die falls zu Hamburg gehörenden Nordseeinsel Paare sind alle gut bewacht, weshalb diese Karte ohne große Sorge erstellt werden konnte. Nigehörn ansiedelte (Robitzky et al.1992, Korsch et al. 1994). Diesmal sogar als Bo- Zum Status des Wanderfalken in 2010 Paare, Brutpaare und einiger Einzelvögel über denbrut. 1995 siedelte das erste Paar in In Schleswig-Holstein und Hamburg wurden die gesamte Fläche. Einzelfalken sind nur in- Schleswig-Holstein und erneut war es auf in 2010 43 Paare ermittelt, von denen 33 sofern mit aufgeführt, als diese Plätze re- einer unbewohnten Nordseeinsel, nämlich (22) brüteten, wobei 51 Junge (54) ausflogen gelmäßig besetzt sind und die Wahrschein- Süderoogsand. Erst 1996 kam es zur ersten (Angaben aus 2009 in Klammern). Den größ- lichkeit besteht, dass das mal Brutplatz wer- Festlandsbrut; besiedelt wurde das KKW ten Zuwachs gab es im Industriebereich von den könnte. Brunsbüttel. Danach stieg der Brutbestand Hamburg. Dort wuchs der Bestand von drei bis 2009 allmählich auf 22 Paare (18 in Brutpaaren in 2009 auf 11 Brutpaare in 2010 Wanderfalkenbrutplätze Schleswig-Holstein und vier in Hamburg). auf einer Fläche von nur ca.100 km 2. Das ist Aus dem Vorhergesagten ergibt sich, wo die Im Durchschnitt betrug der Zuwachs in die- bisher einmalig. Wanderfalken brüten. Die nachfolgende Gra- ser Zeit etwas weniger als ein Brutpaar pro fik 3 soll das ergänzen und enthält Angaben Jahr, obwohl immer weit aus mehr Nisthil- Aus Grafik 2 ergibt sich die Verteilung der zum Brutort selbst. fen an geeigneten Objekten zur Verfügung standen. Von 2009 auf 2010 schnellte der Brutbestand aber auf 33 Brutpaare hoch. Das ist ein Zu- wachs von 50 % in nur einem Jahr. Die er- ste Wanderfalkenbrut im Industriegebiet von Hamburg gab es in 2004 (Saar pers. Mitt., In: Robitzky 2004). Bis 2009 waren es nur drei Brutpaare in Hamburg, davon eins im Stadt- zentrum und zwei im Industriegebiet. Zum Vergleich mit den historischen Daten aus Schleswig-Holstein ist erwähnenswert, dass es auf gleicher Fläche in 16 Jahren (von 1995 bis 2010) zu 127 Bruten kam. Grafik 3: Brut- und Aufenthaltsorte des Wanderfalken in Schleswig-Holstein und Hamburg 2010.
Seevögel | 2011 | Band 32 Heft 1 Wanderfalken | 7 Aus der Grafik wird ersichtlich, dass seit der (Mitschke & Baumung 2001), nur ein Vor- Im Vergleich der Brutdaten wird deutlich, Wiederbesiedlung, im Unterschied zur his- kommen auf der Landesfläche im Wald Klö- dass die Brutpaarzahl in historischer Zeit er- torischen Zeit, noch nicht ein Falke auf einem vensteen beschrieben ist, lassen sich ledig- heblich höher gewesen sein kann und ver- Baum brütete. lich die Verhältnisse aus Schleswig-Holstein mutlich auch gewesen sein muss. Wander- miteinander vergleichen. Dazu werden ver- falken zu beobachten und zu erfassen ist Diskussion gleichbare Daten in der nachfolgenden Ta- nicht leicht, war früher aber bestimmt noch Weil in historischer Zeit im Stadtgebiet Ham- belle 2 aufgeführt, die das Klövensteen-Vor- ungleich schwerer als heute. Die früheren burg keine Brutdaten bekannt wurden kommen beinhalten. Lebensbedingungen der Falken sind auch Tab. 2: Gegenüberstellung von Brutdaten aus historischer Zeit mit denen der Wiederbesiedlung überhaupt nicht mehr mit denen von heute richtig sind, ist heute nur wenig bedeutsam. chen Bedingungen Wanderfalken heute brü- vergleichbar. Die Unterschiede hier alle auf- Wichtig ist, dass der Bestand zunächst wuchs, ten können und früher gebrütete haben wer- zuführen, würde den Rahmen sprengen. Die ehe er wieder abnahm (Looft 1981). Weil an den, wobei wir immer noch nicht wissen, ob Schätzungen von Looft (1981), so lässt sich verschiedenen Stellen in Deutschland Wan- das bereits das Optimum ist. Zur Einschät- deshalb begründen, waren zu vorsichtig. Mit derfalken heute im städtischen Bereich, bzw. zung der Bestände unter ganz unterschied- unseren heutigen Erfahrungen, die in die- Industriebereichen großer Städte bereits in ei- lichen Bedingungen und Zeiten werden da- ser Form zu keiner Zeit zuvor im Lande vor- ner Dichte von ca. sechs Brutpaaren auf 100 zu in der Tabelle 3 einige Hinweise gege- handen waren, können wir deshalb davon km 2 brüten (Kladny 2010, Wegner, Kramer ben. Daraus soll vor allem deutlich werden, ausgehen, dass der Brutbestand in den pers. Mitt.), in Hamburg in 2010 sogar 11 in welcher Situation wir uns heute befinden 1950er Jahren auf mindestens 25-35 Paare Brutpaare auf 100 km2 vorkamen, sind die his- und dass die bereits vorhandenen aber we- anwuchs, ehe er wieder abnahm und er- torischen Daten zur Einschätzung der mög- nigen Brutpaare noch kein Grund sind, die losch. lichen früheren Bestände von nur geringem Hände bereits in den Schoß zu legen und Wert. Die Paare in Hamburg haben in 2010 zu frohlocken. Aber ob nun 10-15 Paare oder 25-35 Paare gezeigt, in welcher Dichte und unter wel- Tab.3: Bestandsangaben zum Wanderfalken zu unterschiedlichen Zeiten und Situationen Weil gleich mehrere Falkenpaare in der Nä- immer schon in auffälliger Größenordnung die gesamte Vogeljagd infrage. Durch unse- he der Stadt Hamburg brüteten, ist ferner vorgekommen sein. Letztlich wird dies eben- re Nachforschungen lässt sich ferner belegen, anzunehmen, dass, solange die hohen Kir- falls bestätigt durch die sorgfältige Erfassung dass Biozide zu diesem Zeitpunkt in Schles- chen und der Rathausturm existieren, dort der Beobachtungsdaten des Arbeitskreises wig-Holstein noch gar keine Rolle gespielt auch immer wieder Wanderfalken wenig- an der Vogelschutzwarte Hamburg (AKVSW) haben können (eigene Untersuchungen, un- stens die Brut versuchten. Warum dieses in diesem Raum (Geißler briefl Mitt., Ro- veröffentlicht). Jagd und illegale Verfolgung nicht beschrieben wurde, werden wir heute bitzky 2003). Danach sind von 1948-2002 lassen sich als limitierende Faktoren ebenfalls wohl nicht mehr erfahren. Vermutlich wurden (Zeitraum der Auswertung) in allen Jahren in bei der Wiederbesiedlung sehr deutlich er- sie weggefangen oder abgeschossen, wie an- Hamburg und beinah zu jeder Jahreszeit kennen. Die ersten Falken siedelten auf In- deren Orts auch und so erfolgreiches Brüten Wanderfalken beobachtet worden. seln der Nordsee, einige sogar regelmäßig er- verhindert (Rockenbauch 1998). Interessant folgreich am Boden, eine Verhaltensweise, die zu Hamburg ist ferner, dass am Elbhang bei Zu den Rückgangsursachen in historischer in historischer Zeit für die Inseln der Nord- Wedel die Ortsbezeichnung „Falkenstein“ Zeit ist die „Falkensprache“ eindeutig. Es see nicht bekannt wurde. Hier ruht die Jagd existiert und am Gegenhang bei Harburg kommt primär nur die Jagd auf Greifvögel, mit Einrichten der Nationalparks und es be- „Falkenberg“. Falken müssen dort demnach auf Wanderfalken damit illegal und sekundär steht ein allgemeines Betretungsverbot. Auch
8 | Wanderfalken Seevögel | 2011 | Band 32 Heft 1 die Industriegebiete sind sogenannte be- hohen Anlagen zur Verfügung stehen. Auf desflächen von Hamburg und Schleswig-Hol- friedete Bezirke, in denen die Jagd ruht. So den unbewohnten Sandinseln finden dage- stein durch den Wanderfalken erfolgte des- brüten bei uns Wanderfalken ausschließlich gen überhaupt keine Ansiedlungsförderungen halb ganz anders, als wir es zunächst erwar- in Bereichen, in denen nicht und lediglich in statt, wohl aber eine besondere Rücksichts- tet hatten. Wir wussten aber auch zu wenig zwei Fällen in Naturschutzgebieten, in de- nahme. Ohne diese Rücksichtsnahme durch von den Einflüssen, die Vogeljagd bewirkt nen kaum gejagt wird. die eingesetzten Vögelwärter gäbe es, wie und sind erst allmählich dahinter gekom- die Erfahrungen zeigen, auch dort keine Bru- men, in welcher inzwischen gewaltigen Grö- Aber nicht nur Wanderfalken regieren sehr ten, wenigstens keine erfolgreichen. So gilt ßenordnung Greifvögeln und Uhus illegal empfindlich auf die Jagd. Sehr deutliche Bei- es, weitere Unterschiede herauszuarbeiten, nachgestellt wird (Lippert et al. 2000, Aich- spiele geben Saatkrähen- und Elsternan- die sich auf die Siedlungsstrategie der Falken ner 2005, Langgemach et al. 2009, Hirsch- siedlungen, die es beinah nur noch im städ- auswirken oder ausgewirkt haben müssen. feld 2010, Robitzky 2010b, Robitzky zur Ver- tischen Bereich gibt, wo insbesondere die öffentlichung eingereicht). So wissen wir Saatkrähen niemand haben möchte. Ohne Weil Kritiker oft dem Fehler verfallen zu glau- denn auch sicher, dass es bei uns ohne die Jagd auf Vögel würden sie sich über die Land- ben, gezüchtete und ausgewilderte Falken modernen hohen Industriebauten und ohne schaft verteilen und es gäbe diese Probleme würden sich anders verhalten als Wildfalken, den Nationalpark kaum erfolgreiche Wan- in den Städten nicht. Viele weitere Vogelar- möchte ich erwähnen, dass von den ca. 100 derfalkenbruten geben würde und dass die- ten kämen ohne Vogeljagd ebenfalls in ganz in Schleswig-Holstein und Hamburg vom se Phänomene eindeutig die Folgen von Aus- anderen Zusammensetzungen und Dichten Deutschen Falkenorden ausgewilderten Wan- wirkungen der Jagd auf Vögel sind. vor. Nun darf man gespannt darauf sein, wie derfalken nicht ein einziges Tier in Hamburg lange es noch dauert, bis die Bürgermeister oder Schleswig-Holstein als Brutvogel rück- Danksagung der vielen von Saatkrähen betroffenen Orte gemeldet wurde. Sie alle wurden vor der Das Wanderfalkenprojekt kann nur existieren, und unsere Vogelschutzwarte dahinter kom- Freilassung mit einem schwarzen Kennring weil große, namhafte Firmen, wie die Deut- men und endlich die richtigen Konsequenzen beringt und wären sehr leicht zu entdecken sche Funkturm GmbH, die großen Raffinerien fordern werden. gewesen. Die Wiederbesiedlung geschah, im SHELL, Ölwerke Schindler, Holborn, Airbus, Gegensatz zu Brandenburg und Mecklen- Kraftwerke und Organisationen wie Wasser- Es sticht auch besonders hervor, dass es den burg-Vorpommern, also eindeutig nicht durch und Schifffahrtsämter, Kirchenvertreter höchsten Zuwachs mit acht Brutpaaren (73 % hier ausgesetzte Falken. u.a.m. brütende Wanderfalken besonders des Gesamtzuwachses) auf nur 0,6 % der Ge- fördern und einzelne Personen und Ver- samtfläche, nämlich auf nur ca. 100 km2 in Warum eine Wiederbesiedlung der schles- einsangehörige die dafür erforderlichen Be- Hamburg gab. Ähnlich verhält es sich mit den wig-holsteinischen Landesfläche durch aus- obachtungen mitteilen. Die Arbeitsgemein- Sandinseln der Nordsee, von denen die un- gewilderte Falken nicht gelang, ist jetzt eben- schaft Wanderfalkenschutz (AGW) fügt nur bewohnten mit etwas Vegetation beinah alle ih- falls deutlich geworden. Sie wurde durch zusammen und begleitet sozusagen das Pro- re Bodenbrutpaare haben. Stehen dort See- den Vertreibungseffekt der Vogeljagd und jekt, mit Schwerpunkt auf den Bruten. Die Be- baken und sind diese mit Nisthilfen ausge- durch illegale Verfolgung verhindert, hätte ringung der jungen Wanderfalken ist dabei stattet, sind sie ebenfalls besiedelt. Auf der also nur Chancen auf den Nordseeinseln ein wichtiger Teil der Schutzarbeit. Das kann übrigen, im Größenvergleich gewaltigen Lan- oder im Industrieviertel von Hamburg ge- dennoch nur funktionieren, wenn vorhan- desfläche von Schleswig-Holstein und Hamburg habt. dene wohlwollende Mitverantwortung und gab es nur zwei neue Brutpaare in 2010, in der Spezial-Erfahrungen aufeinander treffen und Aegidienkirche in Lübeck und auf dem Fern- Vor den erwähnten Hintergründen darf man sich günstig zum Vorteil der Falken verbinden sehturm in Freienwill. deshalb auch gespannt darauf sein, ob sich lassen. Das, in Kürze dargestellt, ist der ein- die inzwischen über ausgewilderte Falken zige Grund, warum wir heute schon mit so Bei der weiteren Betrachtung lassen sich ent- etablierte Baumbrüterpopulation von 32 Paa- vielen (aber insgesamt gesehen noch weni- sprechend der Zuwachsraten demnach drei ren in Mecklenburg-Vorpommern und Bran- gen) brütenden Wanderfalken aufwarten verschiedene Teilgebiete klar und deutlich denburg alleine halten kann, weil die Aus- können. Dass das ein Produkt vieler ist, muss in ihrer Bedeutung für den Wanderfalken wilderungen inzwischen beendet wurde nicht erst unterstrichen werden. Aus diesem voneinander abgrenzen: 1. Industriebereich (Kleinstäuber 2010), illegale Verfolgungs- Grunde gebührt allen Dank, die daran mit- Hamburg, 2. unbewohnte Sandinseln der praktiken aber weiter zunehmen. Bei uns wirkten. Sie alle aufzuführen, würde aller- Nordsee und 3. übrige Landesflächen von wären sie vermutlich in wenigen Jahren wie- dings den Rahmen sprengen. Schleswig-Holstein und Hamburg. der verschwunden, erneut ausgestorben. Aber im Übrigen vermissen wir ebenfalls al- Literatur Das ist besonders auch deshalb so auffällig, le auf dem Festland ausgeflogenen jungen Aichner, D. (2005): Mit Gift und Schrot ge- weil schon aufgrund der Entfernungen zu Wanderfalken aus gleichem Grunde. Von den gen Greifvögel. Avifaunistik Bayern 3: meinem Wohnort die hohen Türme und Bau- ca. 200 beringten Jungfalken hat sich bisher 97-106. werke in Hamburg nicht besonders mit Nist- nur einer als Brutvogel gezeigt. Hirschfeld, A. (2010): Illegale Greifvogel- hilfen ausgestattet wurden und in Schleswig- verfolgung in Nordrhein-Westfalen in Holstein deutlich mehr freie Nisthilfen auf Die Neu- und Wiederbesiedlung der Lan- den Jahren 2005 bis 2009. – Charadrius
Seevögel | 2011 | Band 32 Heft 1 Korrigenda | 9 1-2: 89-101. grinus. In: Vogelwelt Schleswig-Hol- Schleswig-Holstein und Hamburg. - Vo- Kladny, M., T. Thomas & P. Wegner (2010): steins. Bd. 2, Karl Wachholtz, Neumün- gelkdl. Ber. zw. Küste u. Binnenland 2: Brutergebnisse des Wanderfalken in ster. 118-132. Nordrhein-Westfahlen im Jahre 2008. – Looft, V. & G. BUSCHE (1981): Vogelwelt Robitzky, U. (2010b): Sind Erklärungen zum JB AGW NRW 2010: 3-6. Schleswig-Holsteins. Bd. 2 Greifvögel. Greifvogel- und Uhuschutz in Schles- Kleinstäuber, G. (2010): AWS-Rundschrei- Karl Wachholtz, Neumünster. wig-Holstein nur Potemkinsche Dörfer? ben 2010. – Unveröffentlicht. Mitschke, A. & S. Baumung (2001): Wan- – Ein Erfahrungsbericht. – Vogelkdl. Ber. Korsch, M., W. Pieper, U. Robitzky & U. derfalke – Falco peregrinus. In: Brutvo- zw. Küste u. Binnenland 1: 10-23. Schneider (1994): Erstnachweis einer gelatlas. hab, Bd. 31: 328. Robitzky, U. : Erkennen und Bekämpfen il- Bodenbrut des Wanderfalken (Falco pe- Reilmann, F. (1990): Norddeutschlands Wan- legaler Greifvogel- und Uhuverfolgung. regrinus) in der Bundesrepublik derfalkenprojekt in Gefahr. – National- – Zur Veröffentlichung eingereicht. Deutschland. – Seevögel 15: 23-24. park 66: 22-27. Rockenbauch, D. (1998): Der Wanderfalke in Langgemach, T., P. Sömmer, B. Block & T. Robitzky, U., U. Schneider, M. Korsch & Deutschland und umliegenden Gebie- Dürr (2009): Langzeituntersuchungen W. Pieper (1992): Erstnachweis einer Bo- ten. – Ludwigsburg: C. Hölzinger. zu den Verlustursachen bei Greifvögeln, denbrut des Wanderfalken in Deutsch- Saar, C., G. Trommer & W. Hammer (1982): Eulen und anderen Vogelarten in Bran- land. – Rundbrief Nr. 16/17 der Weltar- Der Wanderfalke. Bericht über ein Ar- denburg. – In: Stubbe, M. & U. Mammen beitsgruppe Greifvögel und Eulen: tenschutzprogramm – Methoden, Ziele, (Hrsg.): Populationsökologie Greifvö- 14-15. Erfolge -. – DFO (Hrsg.). Schmücker, gel- und Eulenarten 6: 27-46. Robitzky, U. (2003): Wanderfalken in und um Löningen. Lanz, U. (2002): 20 Jahre Artenhilfspro- Hamburg. Eine Auswertung von Wan- Schilling, F. & D. Rockenbauch (1985): Der gramm Wanderfalke. – Hrsg.: Bayrisches derfalkenbeobachtungen (Falco pere- Wanderfalke in Baden-Württemberg – Landesamt für Umweltschutz & LBV. grinus) des Arbeitskreises an der Staat- gerettet! – Beih. Veröff. Naturschutz Lippert, J, T. Langgemach & P. Sömmer lichen Vogelschutzwarte Hamburg Landschaftspflege Bad.-Württ. 46. (2000): Illegale Verfolgung von Greif- (AKVSW Hamburg). – Unveröffentlichtes vögeln und Eulen in Brandenburg und Manuskript. Berlin. – In: Stubbe, M. & A. Stubbe Robitzky, U. (2004): Jahresbericht AGW-SH. Anschrift des Verfassers (Hrsg.): Populationsökologie Greifvö- – Unveröffentlicht. Uwe Robitzky gel- und Eulenarten 4: 435-466. Robitzky, U. (2010a): Über die Fortentwick- Fieler Str. 11 Looft, V. (1981): Wanderfalke – Falco pere- lung des Wanderfalkenschutzes in 25785 Odderade Korrigenda Korrigenda SEEVÖGEL (Band 31, Heft 4) Korrigenda Seevögel 28 (März 2007) – Sonderband, S. 43/44: Nach der Veröffentlichung unserer Brutpaaraufstellung 2010 im „Brut- In den folgenden drei Titeln (von M. Stock) ist das Wort „Störungen“ bericht aus unseren Schutz- und Zählgebieten im Jahr 2010“ in der durch den Begriff „Störreize“ zu ersetzen (wie hier bereits gesche- letzten Ausgabe der SEEVÖGEL (Band 31, Heft 4, Seite 104 ff.) ha- hen): ben sich nach der endgültigen Auswertung drei Änderungen ergeben: Schulz, R. & Stock, M. (1991): Kentish Plovers and tourists – con- Brutvögel Neuwerk flicts in a highly sensitive but unprotected area in the Wadden Silbermöwe: 340 BP (statt 344) Sea National Park of Schleswig-Holstein. In: Stock, M. (1994): Küstenseeschwalbe: 298 BP (statt 198) Auswirkungen von Störreizen auf Ethologie und Ökologie von Vö- geln im Wattenmeer. Verlag Shaker, Aachen: 177-184. Brutvögel Habel Brandgans: 2 BP Schulz, R. & Stock, M. (1993): Kentish Plovers and tourists: com- petitors on sandy coasts? In: Stock, M. (1994): Auswirkungen von Darüber hinaus wurde im Dank versehentlich die OAG SH mit der Störreizen auf Ethologie und Ökologie von Vögeln im Wattenmeer. OAG Helgoland verwechselt. Unser Dank für die Bereitstellung der Verlag Shaker, Aachen: 185-202. Brutvogelzahlen von Helgoland geht natürlich an das Institut für Vo- gelforschung, Vogelwarte Helgoland und der OAG Helgoland. Wir bit- Stock, M. (1994): Auswirkungen von Störreizen auf Ethologie und ten diesen Fehler zu entschuldigen. Ökologie von Vögeln im Wattenmeer. Verlag Shaker, Aachen. Christel Grave Ich bitte um Nachsicht. G. Busche
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