Die Vorbereitenden Übungen Teil 5: Guru-Yoga
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Serie Die Vorbereitenden Übungen Teil 5: Guru-Yoga National Museum of Ethnography, Stockholm. Der Guru-Yoga kann in Verbindung mit Dsche Tsongkapa ausgeübt werden. von Geshe Thubten Ngawang 4. Pantschen Lama, Pantschen Palden sehr wichtig, eine vorbereitende Klau- Yeshe (1738-1780); dieser wurde vom sur zu absolvieren. Pantschen Palden VII. Dalai Lama, Kelsang Gyatso, als Yeshe empfiehlt als Vorbereitung eine A uch der Guru-Yoga ist Teil der Reinkarnation des 3. Pantschen Lama, Yamåntaka-Klausur. Wer dazu nicht in Vorbereitenden Übungen, anerkannt. Zu seinen Werken zählt ein der Lage ist, sollte auf jeden Fall eine und es gibt verschiedene Mög- Text, in dem elf Rituale oder Medita- Klausur durchführen, in der 100.000 lichkeiten, es zu üben: im Zusammen- tionen in Verbindung mit Dsche Mal das Bittgebet an Dsche Tsongkapa hang mit der Lama Tschöpa oder an- Tsongkapa dargelegt werden. Diese rezitiert wird. Dazu sucht er sich einen hand des Guru-Yoga der Hundert Göt- dienen zum Beispiel dazu, gesegnete geeigneten Ort, wie es im Zusammen- terscharen von Tuæita. In beiden Fällen Pillen herzustellen, Krankheiten zu hang mit der Meditation der Geistigen besteht die eigentliche Praxis darin, beseitigen und Ähnliches. Zur Durch- Ruhe erklärt wird. Man stellt einen Al- 100.000 Mal das Bittgebet an Dsche führung dieser Rituale sind bestimmte tar mit Repräsentationen von Buddhas Tsongkapa, das sogenannte Mig-Tse- Vorbereitungen nötig, und eine davon Körper, Rede und Geist auf und bringt ma, zu rezitieren. Ich hatte in früheren ist der Guru-Yoga in Verbindung mit ehrlich beschaffte Opfergaben in einer Seminaren beide Texte schon einmal Dsche Tsongkapa. Da es sich hier um schönen Anordnung dar. Dann setzt erklärt. Diejenigen, die die Praxis auf- einen kurzen Text handelt, eignet er man sich in Meditationshaltung auf ei- nehmen möchten, sollten sich die Kas- sich nicht nur für eine längere Klausur, nen angenehmen Sitz und entwickelt setten anhören. sondern auch für die tägliche Praxis, als einen heilsamen Geisteszustand, so wie An dieser Stelle möchte ich einen Vorbereitung auf die Meditation. es in den „Sechs Vorbereitungen für die weiteren Text erklären, anhand dessen Wenn wir die elf Rituale in Verbin- Meditation“ erklärt wird. wir den Guru-Yoga üben können: Es dung mit dem Bittgebet an Dsche Als nächstes werden die Zufluchts- handelt sich um einen kurzen Text des Tsongkapa durchführen möchten, ist es objekte visualisiert. Allgemein nehmen 8 Tibet und Buddhismus • Heft 59 • Oktober November Dezember 2001
Serie wir als Verdienstfeld die Gottheit, zu Mütter sind, Glück besitzen und die Ur- Der Meister sitzt in Meditations- der wir großes Vertrauen haben, in die- sachen von Glück. Mögen sie frei sein von haltung. Von seinem Körper strahlen sem Fall ist es Dsche Tsongkapa. Wir Leid und den Ursachen des Leids. Mögen Licht und Glanz in alle Richtungen stellen uns Dsche Tsongkapa auf einem sie niemals von dauerhaftem Glück ge- aus. Das Licht erfüllt alle Bereiche, so Thron verweilend vor, der von Löwen trennt sein. Mögen sie stets in Gleichmut dass alles in der Gestalt von Dsche getragen wird. Dieser Thron befindet verweilen, ohne Anhaftung und Hass Tsongkapa erscheint und die Gestalt sich im Raum vor uns auf einer strah- gegenüber Nahestehenden und Fernste- von Dsche Tsongkapa alle Bereiche lend weißen Wolke. Wir können den henden. durchdringt. Das ist folgendermaßen Meister allein visualisieren oder uns zu verstehen: Die Erscheinung von zusätzlich rechts und links jeweils einen Dsche Tsongkapa ist eine Manifesta- kleineren Thron vorstellen, auf dem Tsongkapa besitzt die Natur tion des höchsten Weisheitsbewusst- sich seine beiden Hauptschüler, Gjälts- aller Zufluchtsobjekte seins des Buddha. Und dieses völlig rei- ab Dsche und Khedrup Dsche, be- ne und höchste Bewusstsein aller Bud- finden. Wir denken, dass sie von vielen Nun folgt die eigentliche Visualisation: dhas – mit anderen Worten der Dhar- anderen Zufluchtsobjekten umgeben Über dem eigenen Scheitel erscheint sind, all den Buddhas, Bodhisattvas, ein von acht Löwen getragener, mit den Meditationsgottheiten, den Ðåkas kostbarem Schmuck versehener Thron, und Ðakinïs, den Dharma-Beschüt- der hoch und tief ist. Darauf befinden zern, so dass alle Zufluchtsobjekte zu- sich ein vielfarbiger Lotus mit einer gegen sind. Mond- und Sonnenscheibe, die den Dann sprechen wir den Zufluchts- Sitz oder das Kissen für die darauf ver- vers: „Ich nehme Zuflucht zum Lama, weilenden Gottheiten bilden. Sie sym- ich nehme Zuflucht zum Buddha, ich bolisieren die drei Hauptaspekte des nehme Zuflucht zum Dharma und ich Pfades: Entsagung, Erleuchtungsgeist nehme Zuflucht zum Sa‡gha. Ich nehme und Erkenntnis der Leerheit. Dass die Zuflucht zu dem großen Dsche Tsongka- Gottheit auf einem so gestalteten pa, dem König des Dharma in den Drei Thron verweilt, ist ein Zeichen dafür, dass sie diese Qualitäten vollständig Geste des Lehrens Bereichen, und zu den Wesen in seiner Begleitung. Ich nehme Zuflucht zu den entwickelt hat. Auf dem Thron stellen glorreichen Dharma-Beschützern, die wir uns Dsche Lobsang Drakpa vor makåya – durchdringt alle Phänomene, edel sind und die Wesen schützen und die (ein anderer Name für Dsche Tsongka- erkennt alle Wissensobjekte und kann das Auge der höchsten, reinen Weisheit pa), der die Natur sämtlicher sich an jedem Ort und zu jedem Zeit- besitzen.“ Zufluchtsobjekte besitzt; er vereint alle punkt zum Wohle der Wesen spontan Wir sollten uns die Gründe für die Qualitäten, angefangen vom Buddha verkörpern. Dsche Tsongkapa erscheint Zufluchtnahme ins Bewußtsein rufen: bis hin zu unserem eigenen gütigen an dieser Stelle allein, ohne seine bei- Furcht und Vertrauen. Dies hatte ich Hauptlama. Tsongkapa ist in der Er- den Hauptschüler. Nachdem wir ihn so in Verbindung mit den Unterweisun- scheinung eines Mönches, seine visualisiert haben, lassen wir in seinem gen zur Zufluchtnahme ausführlich er- Körperfarbe ist weiß mit einer leicht Scheitel die weiße Silbe OÞ, in seiner klärt (Tibet und Buddhismus, Heft 56). rötlichen Einfärbung. Sein Gesicht ist Kehle die rote Silbe AH und in seinem Wir nehmen zusammen mit allen an- sehr freundlich und strahlt liebevolle Herzen die blaue Silbe HÝÞ erschei- deren Wesen Zuflucht, die wir uns um Zuneigung aus; seine Augen sind läng- nen. Man bezeichnet dies als die Visua- uns herum vorstellen. Wir rezitieren lich. Er ist mit den drei safranfarbenen lisation des vorgestellten Wesens, die den ersten Vers mindestens dreimal; Mönchsgewänder gekleidet und sehr damit abgeschlossen ist. dann folgt der Vers zur Entwicklung schön anzusehen. Er trägt einen gold- Es folgt die sogenannte Einladung des Erleuchtungsgeistes ebenfalls drei- gelben, länglichen Gelehrtenhut mit und Verschmelzung der Weisheits- mal: „Zum Buddha, der Lehre und der einer Spitze. Er hält seine beiden Hän- wesen. Wir stellen uns vor, dass aus der Höchsten Gemeinschaft nehme ich Zu- de vor dem Herzen in der Geste des Silbe HÝÞ im Herzen des Dsche flucht bis ich die Erleuchtung erlange. Lehrens und hält in ihnen die Stengel Tsongkapa, den wir visualisiert haben, Möge ich durch die Verdienste der Tugend von Utpala-Blumen, die hinter seiner Licht in alle Richtungen ausstrahlt und der Freigebigkeit und anderer Tugenden rechten und linken Schulter aufblühen. Dsche Tsongkapa von seinem natür- die Buddhaschaft erlangen, um den We- Auf der Blüte rechts (von ihm aus gese- lichen Aufenthaltsort einlädt; er befin- sen zu nutzen.“ Wir rufen die Gedan- hen) befindet sich ein Schwert, das die det sich inmitten einer Schar von Bud- ken zur Erzeugung des Erleuchtungs- Weisheit symbolisiert, und auf der Blü- dhas und Bodhisattvas. Der natürliche geistes in uns wach und meditieren te links eine Schrift, das Sýtra über die Aufenthaltsort des Buddha, der eine dann die Vier Unermesslichen Geistes- Vollkommenheit der Weisheit in achttau- Manifestation der höchsten Weisheit haltungen: Mögen alle Wesen, die meine send Versen. ist, ist der Dharmakåya. Das heißt, er Tibet und Buddhismus • Heft 59 • Oktober November Dezember 2001 9
Serie verweilt stets in der Sphäre der endgül- Lama: „Ich verneige mich zu den Vajra- stand der großen Glückseligkeit in kur- tigen Realität ähnlich wie Wasser, das Füßen des kostbaren Lama, der durch sei- zer Zeit erlangen. Damit ist ein Zu- in Wasser gegossen und niemals davon ne Güte selbst in einem Moment die Gro- stand gemeint, in dem alle Hindernisse, getrennt ist. Aus dieser Sphäre der end- ße Glückseligkeit verleiht.“ Wir sollten alle Befleckungen des Geistes, selbst die gültigen Realität heraus nimmt er jetzt uns bewusst machen, dass die hier ge- subtilsten Täuschungen, beseitigt sind Gestalt an und erscheint in Begleitung gebenen Erklärungen mit den tantri- und der Geist verquickt ist mit der vieler Buddhas und Bodhisattvas. Mit der Rezitation der Silben „JAÇ HÝÞ BAÞ HOÇ“ denken wir, dass die ein- geladenen Weisheitswesen mit den zu- vor vorgestellten Wesen verschmelzen. Es handelt sich um tiefgründige Methoden, die uns und anderen dauer- haftes Glück bringen und alles Leiden mitsamt seinen Ursachen aus der Welt schaffen können. Im ersten Schritt geht es darum, dass wir für uns selbst dauer- haftes Glück erlangen, also nicht nur Wohlergehen in diesem Leben, son- dern auch in zukünftigen Existenzen. Dies geschieht, indem wir die Ursachen für Leiden in unserem Geist verringern, bis wir sie ganz überwinden. In einem zweiten Schritt geht es darum, eine altruistische Haltung zu üben, um auch den vielen anderen Wesen von Nutzen Archiv sein zu können. Wir sollten den Erklä- rungen über den Guru-Yoga mit einer umfassenden weitreichenden Motivati- Der Lama wird als derjenige bezeichnet, der das Vajra besitzt. on folgen. Damit wir langfristig Wohl- Das Vajra steht für die unerschütterliche Weisheit, wie sie ein ergehen erlangen – für uns selbst und Buddha verwirklicht hat. für andere –, ist es notwendig, dass wir einerseits eigene Anstrengungen unter- nehmen, indem wir den Dharma ver- schen Lehren zusammenhängen. Im Sphäre der endgültigen Realität, die stehen, ihn mit unserem Geist verbin- Tantra gibt es Mittel, mit denen ein völlig frei ist von Fehlern, Verblen- den, indem wir lernen, nachdenken qualifizierter Schüler, der die entspre- dungen oder Konzepten. und meditieren. Andererseits brauchen chenden Voraussetzungen besitzt, wie Wir erweisen dem Lama Ehre und wir Hilfe von außen, wir brauchen in einem Moment die große Glückse- verneigen uns voller Vertrauen und Re- förderliche Umstände, die unsere Be- ligkeit der Buddhaschaft erreichen spekt vor ihm, der „kostbar wie ein Ju- mühungen unterstützen. In diesem kann. Der Begriff „ein Moment“ ist zu wel ist“. Natürlich ist der Lama viel Zusammenhang ist es bedeutsam, dass interpretieren; er ist im Vergleich mit kostbarer als gewöhnliche Juwelen. wir uns auf Wesen stützen können, die den vielen Zeitaltern zu sehen, die auf Vermutlich sind wunscherfüllende Ju- diesen Pfad bereits gegangen sind und dem nicht-tantrischen Pfad (dem so- welen gemeint, obwohl ich nicht weiß, zur Vollendung gebracht haben. Aus genannten Vollkommenheits-Pfad) er- ob es die gibt. Der Punkt ist, dass der dieser Motivation heraus üben wir den forderlich sind, um die Erleuchtung ei- Lama, wenn wir uns an ihn wenden, Guru-Yoga. Kern dieser Praxis ist es, nes Buddha zu erlangen. Hier wird von die verschiedenen Verwirklichungen Vertrauen in die Lamas und Buddhas drei Perioden unzähliger Zeitalter ge- auf dem Pfad gewährt. Darüber hinaus zu entwickeln. Wir richten unsere Bit- sprochen. Im Vergleich dazu lässt sich wird er als derjenige bezeichnet, der das ten an sie, damit sie ihren Segen spen- mit den tantrischen Mitteln in relativ Vajra besitzt. Das Vajra ist ein Symbol den und uns Inspiration und Hilfe zu- kurzer Zeit die Buddhaschaft verwirk- für Unerschütterlichkeit und Stabilität. teil werden lassen. Dadurch schaffen lichen, insbesondere mit den Metho- Es bezieht sich im eigentlichen Sinn auf wir sehr positive Umstände dafür, dass den des Höchsten Yogatantra. Es heißt die höchste und unbefleckte Weisheit unsere eigenen Anstrengungen im in den Schriften, dass es in dieser Zeit eines Buddha, also jene Weisheit, die Dharma gute Früchte tragen. des Niedergangs in nur einem Leben völlig mit der Sphäre der endgültigen Als nächstes rezitieren wir einen möglich ist. Durch die Güte des Lama, Realität verquickt und frei von jeg- Lobpreis an Dsche Tsongkapa und den durch seine Hilfe kann man den Zu- lichen Täuschungen und Hindernissen 10 Tibet und Buddhismus • Heft 59 • Oktober November Dezember 2001
Serie ist. Wir sollten wissen, dass der eigent- Disziplinen und Gelübde, die wir auf Als nächstes bitten wir die Buddhas liche Lama, vor dem wir uns verneigen uns genommen haben (vielleicht sogar und Lamas, dass sie verweilen mögen: und der das Vajra besitzt, im letztlichen schon in früheren Leben). Im Bewusst- „Bitte bleibt, solange der Daseinskreislauf Sinne diese Weisheit verkörpert, wie sie sein des Leidens, das sie in Zukunft noch nicht leer ist,“ das heißt, solange es ein Buddha besitzt; er ist selbst dieses hervorrufen, bereuen wir sie und rei- noch Wesen gibt, die Leiden erleben. Bewusstsein, das niemals von der Sphä- nigen uns davon. Zugleich machen wir Damit ersuchen wir die Buddhas und re der endgültigen Realität getrennt ist. uns bewusst, dass alle anderen Wesen, Lamas, in ihrer persönlichen Gestalt zu Vor dem Lama, der diese Qualitäten die uns umgeben, ebenso viele bleiben, so dass wir als Menschen mit besitzt, verneigen wir uns, das heißt, unheilsame Handlungen angesammelt ihnen Kontakt aufnehmen können. wir werfen uns zu seinen Füßen nieder. haben und denken, dass gleichzeitig all Darüber hinaus bitten wir sie, auch in Wir neigen uns also mit der höchsten ihre negativen Handlungen bereinigt anderen Manifestationen zu verweilen, Stelle unseres Körpers, dem Kopf, vor werden. Dann kommt das Erfreuen: so dass wir sie in der Meditation der niedrigsten Stelle des Lama, seinen „Ich erfreue mich an all den heilsamen visualisieren, unsere Bitten an sie rich- Füßen. Damit bringen wir unsere gro- Handlungen, die von gewöhnlichen We- ten können und sie als Verdienstfelder ße Verehrung und unser persönliches sen und von Heiligen begangen werden.“ zur Verfügung haben. Natürlich ver- Vertrauen zum Ausdruck; wir erkennen Wir vergegenwärtigen uns die positiven schwinden die Buddhas niemals aus die große Hilfe an, die uns vom Lama Taten der gewöhnlichen Wesen, die der Welt. Aber es ist wichtig, dass wir zuteil wird. noch nicht in einen Pfad eingetreten von unserer Seite her diese Bitte aus- Mit dem Vers der Verehrung beginnt sind, von Übenden, die am Beginn des drücken, dass die Buddhas und die die Darbringung der Sieben Zweige, Pfades stehen, und von hoch verwirk- Lamas erscheinen mögen. Damit schaf- und so folgt als nächstes die Darbrin- lichten Wesen, die schon die Stufe der fen wir Ursachen dafür, auch tatsäch- gung der Opfergaben: „Ich bringe alle Heiligkeit oder die Vollendung erlangt lich mit den heiligen Wesen zusam- tatsächlich aufgestellten und vom Geist haben und erzeugen Freude daran. Wir menzutreffen bzw. mit ihnen zusam- geschaffenen Opfergaben dar.“ Wir op- entwickeln eine möglichst reine Freude men bleiben zu können. Dies reicht fern zunächst Dinge, die wir auf dem daran, die frei ist von Neid und Wett- natürlich noch nicht aus, und deshalb Altar aufgestellt haben, wie Blumen, bewerbsdenken. formulieren wir noch die Bitte um Be- Räucherwerk, Licht, Wasser usw., dann solche, die wir uns vorstellen. Wir kön- nen geistig den ganzen Raum mit Opfergaben anfüllen. Wenn wir die BESONDERE VISUALISATION BEIM STERBEN Gaben gewidmet und als Opfergaben Es gibt noch ein weiteres Bittgebet, das beim Ster- aufgestellt haben, sollten wir sie segnen, ben wichtig sein könnte. Dazu wird eine spezielle indem wir dreimal die Silben OÞ ÅÇ Meditationsmethode erklärt, die wir während un- HÝÞ sprechen. Dabei stellen wir uns seres Lebens üben und mit der wir Dsche Tsongka- vor, dass sich die dargebrachten Sub- pa stets bei uns verweilen lassen. Wir stellen uns stanzen in reine Substanzen umwan- vor, dass aus dem Herzen des Buddha Maitreya, deln. So können sie bei den Zufluchts- der in Yiga Tschödsin in Tuæita weilt, ein Lichtstrahl objekten, für die sie gedacht sind, eine wie ein langer Faden ausgeht. Dieser erscheint vor reine Glückseligkeit erzeugen. Wir soll- uns im Raum, wo sich das Licht zu einer weißen ten möglichst auch unser Verständnis Wolke wandelt, auf der Dsche Tsongkapa mit sei- der Leerheit wachrufen und uns be- nen geistigen Söhnen verweilt. In dieser Form ist wusst machen, dass diese Opfergaben Dsche Tsongkapa immer als Zuflucht bei uns, und zwar erscheinen und eine makellose wenn wir sterben, gelangen wir im gleichen Mo- Glückseligkeit erzeugen können, aber ment mit Dsche Tsongkapa nach Tuæita zu Buddha völlig leer sind von inhärenter Existenz. Maitreya. Mit dieser Meditation ist das folgende Es folgt die Bereinigung unheilsamer Bittgebet oder Widmungsgebet verbunden: Handlungen: „Alle seit anfangloser Zeit angesammelten negativen Handlungen „Wenn ich am Ende des Lebens angekommen bin, und Verfehlungen oder Übertretungen möge der glorreiche und gütige Losang Dragpa auf bereinige ich.“ einer wunderbaren Wolke bei mir sein, und möge er Wir läutern uns hier von den ver- mir unter Klängen angenehmer Musik zurufen: ‚Mein schiedenen unheilsamen Handlungen, Kind, mein Kind, komm her zu mir, und laß uns nach die wir in all den Leben der Vergangen- Tuæita gehen.‘ Möge ich dann seine Stimme hören, heit begangen haben: von Natur her und möge mir so Kraft gespendet werden.“ unheilsame Taten wie Töten, Stehlen usw., aber auch Verfehlungen gegen Tibet und Buddhismus • Heft 59 • Oktober November Dezember 2001 11
Serie Tsongkapa vereint in sich die Qualitäten von Avalokite³vara, Mañju³rï und Vajrapåni. Sie verkörpern Mitgefühl, Weisheit und Kraft der Buddhas. lehrungen: „Ich bitte Euch – wenn Ihr dem Guru-Yoga der Hundert Götter- blockieren könnten, beendet und be- also verweilt zum Wohle der Wesen – bitte scharen von Tuæita enthalten ist. Auf je- friedet werden mögen. dreht zum Wohle der Wesen das Rad des den Fall sollten wir die Darbringung Dharma.“ Wir ersuchen die Buddhas des Ma¶ðalas mit Gebeten verbinden. und Lamas, die Belehrungen der ver- Wir wünschen uns selbst und allen Die Visualisation schiedenen Fahrzeuge zu geben – ent- anderen Wesen, dass alle negativen während der Übung sprechend den Veranlagungen, Bedürf- nissen und Fähigkeiten der einzelnen Ich werde nun die Visualisation erklä- Wesen. Der letzte und siebte Zweig be- ren, die wir während der Rezitation des steht in der Widmung der Verdienste: Mantra und des Bittgebets an den „All die heilsamen Handlungen, die ich Lama Dsche Tsongkapa durchführen. selbst und die andere begangen haben, Wir stellen uns vor uns im Raum oder widme ich der Großen Erleuchtung.“ im Herzen Dsche Tsongkapas, der sich Wir widmen all unser heilsames Tun über unserem Scheitel befindet, eine dem Ziel, dass wir selbst und andere waagerecht liegende Sonnenscheibe Wesen die vollkommene Buddhaschaft vor; in ihrer Mitte befindet sich die Sil- erreichen mögen. Die Widmung soll be DHÏÇ. Es ist die Keimsilbe von auch verhindern, dass wir überheblich Mañjuœrï, die eine rot-gelbe oder oran- über das werden, was wir an guten gene Farbe hat. Um diese Silbe herum Handlungen getan haben. Auch sollten sind die Silben des Namens-Mantra wir das Positive nicht nur für uns selbst von Dsche Tsongkapa im Uhrzeiger- wünschen, sondern die Verdienste dem sinn aufgebaut. Von dem DHÏÇ und Wohl aller Wesen widmen. den Mantra-Silben gehen Ströme von Die Silbe DHÏÇ Weiter bringen wir ein Ma¶ðala dar, Nektar aus, die in unseren Körper ein- ist die Keimsilbe entweder in der ausführlichen Form fließen und uns von allen karmischen von Mañju³rï. mit 37 Anhäufungen, in der mittleren Befleckungen reinigen. Während wir es oder kurzen Version. Die kurze Version so visualisieren, erzeugen wir ein star- lautet: „Diesen Boden mit Duftwasser kes Vertrauen und eine besondere Hin- besprengt und mit Blumen bestreut, in Eigenschaften, die dem Erreichen der gabe zum Lama, zu Dsche Tsongkapa. der Mitte den Berg Meru mit den vier verschiedenen Stufen auf dem Pfad Aufgrund dieses starken Vertrauens ge- Kontinenten, Sonne und Mond, stelle ich und der Vollendung im Wege stehen, hen von den Mantra-Silben immer wei- mir als reines Buddhaland vor und brin- überwunden werden und dass alle po- ter Ströme von Nektar aus und fließen ge es den Buddhas dar. Mögen sich alle sitiven und heilsamen Eigenschaften, über den Scheitel in unseren Körper Wesen an einem solchen reinen Land er- also alles auf der Seite der Gegenmittel, ein. Wenn wir dazu in der Lage sind, freuen können.“ Man kann dies mit be- entwickelt werden möge. Weiter for- stellen wir uns vor, dass dies auch mit sonderen Bitten an den Lama, an die mulieren wir die besondere Bitte, dass allen anderen Wesen geschieht; auch Zufluchtsobjekte verbinden, wie es in alle Hindernisse, die diese Entwicklung ihre Körper werden mit Nektar ange- 12 Tibet und Buddhismus • Heft 59 • Oktober November Dezember 2001
Serie DIE EIGENTLICHE ÜBUNG DES GURU-YOGA IN VERBINDUNG MIT DSCHE TSONGKAPA BESTEHT DARIN, DAS FOLGENDE BITTGEBET 100.000 MAL ZU REZITIEREN Avalokiteœvara, großes Schatzhaus der Liebe, die auf kein Selbst gerichtet ist, Mañjuœrï, Herr der unbefleckten Weisheit, Vajrapå¶i, Zerstörer der Kräfte des Bösen ohne Ausnahme, Tsongkapa, Kronjuwel der Meister des Schneelandes, Lobsang Drakpa, zu Deinen Füßen bitte ich. füllt, so dass sie von allen karmischen Ende jeder Sitzung widmen wir die geistige Führung verweilt. Die Rezita- Befleckungen geläutert werden. So er- Verdienste, wie es zum Beispiel in dem tion dazu lautet: „Glorreicher Kostbarer halten wir die so genannten vier In- folgenden Vers zum Ausdruck kommt: Hauptlama, ich bitte Dich, verweile auf itiationen, die dazu dienen, Körper, „Möge ich schnell durch dieses Heilsame dem Lotus auf meinem Scheitel. Aus Dei- Rede und Geist zu reinigen und die die Verwirklichungen von Dsche Tsong- ner großen Güte heraus nimm mich in Spuren der negativen Handlungen kapa, von Lobsang Drakpa, erreichen Deine Obhut. Segne mich, dass ich bald vollständig zu beseitigen. Wir machen und alle Wesen ohne eine Ausnahme auf so werde wie Du.“ Nach der Widmung uns bewusst, dass uns dadurch ein be- diese Ebene führen.“ Wir können auch und der Auflösung der Visualisation sonderer Segen gewährt und das Poten- das folgende Widmungsgebet spre- können wir noch glücksverheißende zial dafür gesetzt wird, die vier Körper chen, wie es in dem Text des 4. Pant- Verse sprechen, die in dem mir vorlie- eines Buddhas hervorzubringen. Wäh- schen Lama enthalten ist: „Möge ich in genden Text etwas ausführlicher sind: rend Nektar aus den Mantra-Silben aus allen Lebenszeiten niemals von Dir, Glor- „Mögen sich Glück und Segen ergeben dem Herzen Dsche Tsongkapas fließt, reicher und Kostbarer Lama Lobsang durch meinen persönlichen Lama und die rezitieren wir sein Namens-Mantra. Drakpa getrennt sein, von Dir, der Du Lamas der Überlieferung. Möge sich Wir rezitieren das Namens-Mantra, das Wesen aller Zufluchtsobjekte in Dir Glück und Segen ergeben durch die Me- so oft es geht. Es ist möglich, sich nach vereinst – von Buddha Vajradhara bis hin ditationsgottheiten und die verschiedenen einer gewissen Anzahl von Rezitationen zu meinem eigenen Haupt-Lama.“ Wei- Gottheiten. Mögen sich Glück und Segen vorzustellen, dass sich das Mantra zum tere Widmungsverse lauten: „Mögen ergeben durch die Ðåkas und Ðakinïs. kurzen Bittgebet, dem Mig-Tsema um- alle Wesen durch diese mit reiner Motiva- Mögen sich Glück und Segen ergeben wandelt. Denn die eigentliche An- tion angesammelten Verdienste und durch die Dharma-Beschützer, die Be- sammlung der 100.000 Guru-Yogas Bemühungen in all ihren Lebenszeiten wahrer der Lehre.“ vollziehen wir anhand dieses Bittge- niemals getrennt sein von Lobsang Drak- bets, wobei zu beachten ist, dass es pa in den friedvollen und zornvollen For- verschiedene Versionen gibt: mit fünf, men [also in den Manifestationen wie Das vollständige Sådhana zu sechs bis hin zu neun Zeilen. Das ein- Mañjuœrï, Yamåntaka]. Mögen sie in al- Dsche Tsongkapa hat Geshe fachste ist wahrscheinlich, das Mig-Tse- len Lebenszeiten von den Lamas und die- Thubten Ngawang während ma als Fünfzeiler zu rezitieren; ich hat- sen Gottheiten umsorgt werden.“ des Osterseminars 2001 er- te im ersten Teil dieser Serie (Tibet und Zur Auflösung der Visualisation gibt es klärt. Die Erklärungen sind Buddhismus, Heft 54, 2000) genauere verschiedene Möglichkeiten: Falls wir auf Kassette im Buchladen Erklärungen dazu gegeben. schon eine große Initation in eine der Tsongkang erhältlich. Prak- Wenn wir den Guru-Yoga als eine vier Tantra-Klassen erhalten haben, tizierende können das Så- der Vorbereitenden Übungen durch- denken wir, dass Dsche Tsongkapa mit dhana, einschließlich der führen wollen, müssen wir das Mig- uns verschmilzt und in unserem Selbsthervorbringung, im Tsema, also dieses kurze Bittgebet an Herzen verweilt. Der Vers dazu lautet: Tsongkang bekommen. Für Dsche Tsongkapa, 100.000 mal rezi- „Glorreicher kostbarer Wurzellama, ich die Praxis der Selbsthervor- tieren. Falls man eine abgeschlossene bitte Dich, verweile auf dem Lotus in bringung ist eine Einweihung Klausur macht, absolviert man in der meinem Herzen. Aus Deiner großen Güte nötig. Regel vier Sitzungen am Tag; es sind heraus nimm mich in Deine Obhut und natürlich auch Alternativen hierzu segne mich, dass ich schnell so werde wie denkbar. Wollen wir den Guru-Yoga als Du.“ Wer eine solche Initiation nicht Vorbereitende Übung zum Abschluss erhalten hat, stellt sich vor, dass Dsche bringen, sollten wir die Rezitationen an Tsongkapa auf seinen Scheitel kommt Aus dem Tibetischen übersetzt von einem einzigen Ort durchführen. Am und dort ständig als Zuflucht oder als Christof Spitz Tibet und Buddhismus • Heft 59 • Oktober November Dezember 2001 13
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