Zur Theorie des operativen Displacements

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376                         Buchbesprechungen

                         Uwe C. Steiner über

              Peter Fuchs: Moderne Kommunikation

             Zur Theorie des operativen Displacements*

Wenn die avancierte soziologische      munikation" weckt freilich Erwar-
Theoriebildung der Romantik sym-       tungen, die zwangsläufig enttäuscht
ptomatische und typologische Rele-     werden müssen. Sicher, Fuchs hat
vanz für das nach wie vor heiße        recht: ,„Kommunikation' ist unbe-
Thema Moderne und Modernität           streitbar eines der Zauberwörter
zuspricht, kann sie allemal auf die    dieses Jahrhunderts." (S. 9) Es im
Aufmerksamkeit der Literaturwis-       Titel zu fuhren, heißt aber noch
senschaften hoffen. Und möglicher-     nicht, es auch zu treffen. Der Unter-
weise auf stärkere als auf eigenem     titel schränkt darum wohlweislich
Terrain, wie angesichts der mitunter   ein: das Mammutthema ,moderne
recht bornierten Debattenlage in       Kommunikation' wird auf den von
der Soziologie zu befürchten ist.      Fuchs so genannten Mechanismus
Der Luhmann-Schüler Peter Fuchs        des „operativen Displacements"
hat die Fruchtbarkeit der System-      perspektiviert.
theorie für ganz unterschiedliche      Die leitende These folgt damit We-
Themenbereiche aufzeigen können.       gen, die nicht zuletzt die Diskurs-
Dazu gehört der musikalische Zeit-     analyse gangbar gemacht hat und
zauber ebenso wie der Zen-Bud-         denen die gängigen Medientheo-
dhismus; zur Kommunikation in          rien mitunter mit anderer Akzent-
Mystik und bei Mönchen konnte          setzung folgen. Die Analyse moder-
Fuchs so kompetent Auskunft ge-        ner Kommunikation darf keine
ben wie über nationalistische Se-      Theorie der Kommunikabilien
mantik und moderne Lyrik.              sein, sie richtet ihre Aufmerksam-
Sein neuester, gleich zum ganzen       keit vielmehr auf die unterhalb der
Buch gewordener Versuch gilt           semantischen Oberfläche stattfin-
nichts Geringerem als der moder-       denden operativen Mechanismen,
nen Kommunikation. Fuchs weiß,         die vor allen Inhalten bereits über
daß der Titel latent pleonastisch      das Funktionieren von diskursiven
ist. Kann „Kommunikation" doch         Ereignissen entschieden haben.
als das Paradigma gelten, das für      Nicht um die Message geht es, auch
die Selbstbeschreibungen einer         nicht um die technischen Medien,
über sich selbst zutiefst verunsi-     sondern um die Besonderheiten ge-
cherten Moderne obligatorisch ist.     wisser Kommunikationstypen, die
Kommunikation definiert die Mo-        sich historisch herausgebildet und
derne, die sich durch Kommunika-       nachgerade typisiert haben.
tion definiert. Die mutige Engfüh-     Kommunikation entsteht als Lö-
 rung von „Moderne" und „Kom-          sung des Problems, daß die Köpfe

* Frankfurt/ Main: Suhrkamp 1993.
Buchbesprechungen                          377
füreinander undurchsichtig bleiben       Kommunikation nicht von vorn-
und kein Bewußtsein, als operativ        herein so eingerichtet wäre, gerade
geschlossenes System, außerhalb          nichtauthentisch zu sein, gerade
seiner Grenzen operieren kann. In        nicht mit dem zusammenzufallen,
die Kommunikation, m. a. W.,             was im Moment gerade gedacht
geht kein Bewußtsein ein. Daß die        und gefühlt wird.1
Ausfuhrungen zu diesem Verhält-          Fuchs knüpft daran eine bithemati-
nis sehr breit geraten sind, ist wohl    sche Variation auf zwei zentrale In-
vor dem Hintergrund der Ableh-           gredienzen des multiperspektivi-
nung erklärbar, der diese doch so        schen Konglomerats Systemtheorie
plausible Grundthese immer noch          an. Zunächst entnimmt er der
begegnet. Den Romantik-Kundi-            Kommunikationstheorie das Theo-
gen dürfte die Feststellung, daß         rem der Dreigliedrigkeit der Kom-
keine mentalen Gehalte in die            munikation, die, wie man weiß,
Kommunikation         durchdringen,      durch das Zusammenspiel dreier
und jeder Versuch der Fremdintro-        Komponenten, erstens der Infor-
spektion notwendig an der Oberflä-       mation (des mitgeteilten Weltsach-
che abprallen muß, freilich sehr         verhalts), zweitens der Mitteilung
schnell einleuchten, wenn er sich        selbst (der Tatsache, daß und wie
an E. T. A. Hoffmanns Märchen            die Information mitgeteilt wurde)
„Meister Floh" erinnert. Dessen          und drittens des Verstehens funk-
Protagonist übt bekanntlich am           tioniert. Dann integriert er ansatz-
Ende den weisen Verzicht auf die         weise ein Stück Gesellschaftstheo-
ihm mit ebenso magisch wie tech-         rie, nämlich die Charakterisierung
nisch anmutenden Mittein ge-             der Moderne als in autonome, mit
währte Möglichkeit der Entlarvung        je eigener Codierung operierende
fremdpsychischer Gehalte, er ver-        Subsysteme funktional ausdiffe-
zichtet darauf, durch das „verhäng-      renziertes Gesellschaftssystem. Die
nisvolle Geschenk" eines mikro-          im systemtheoretischen Kontext
skopisches Augenglases in die            einigermaßen verblüffende These
Köpfe seiner Gesprächspartner            des Versuchs lautet nun: moderne
schauen und derart Wahrheit und          Kommunikation kennzeichnet sich
Lüge, tatsächlichen Bewußtseins-         durch Besonderheiten, die quer zur
vorgang und kommunizierten               funktionalen Differenzierung ste-
Sachverhalt unterscheiden zu kön-        hend in den diversen Subsystemen
nen. Denn gelingende Sozialität          gleichermaßen anzutreffen sind
wäre unmöglich, so seine Einsicht,        (und die sich aus der funktionalen
läge das Innere der Köpfe für den        Differenzierung nicht selber erklä-
wahrheitswütigen Beobachter frei.         ren). Und zwar gibt es deren drei,
Nicht nur die Kommunikation               die Fuchs in dieser Reihenfolge als
würde kollabieren, auch die Moral         romantische, als aufgeklärte und
wäre empfindlich gefährdet, wenn          als nebulöse Kommunikationsty-

1
    Vgl E.T.A. Hoffmann, Meister Floh,     in vier Bänden, Frankfurt Main 1967,
    Band 4, S. 140.
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pen, als „Displacements", zu be-        teilung anknüpfen soll. Indem sie
schreiben versucht. Wiederum            die Information durch die Art der
horcht der Literaturwissenschaft-       Mitteilung in Frage stellt, kommu-
ler, darum bemüht, seinem Gegen-        niziert sie ironisch. Sie entsagt dem
stand Relevanzen zu verschaffen,        Systemzwang, um sich fragmenta-
auf.                                    rischen Formen zu widmen. So
Der Grundgedanke ist so simpel          weit also nichts Neues. Hinzu
wie reizvoll: Da Kommunikation          kommt drittens die Form nebulo-
auf der Unterscheidung von Infor-       ser Kommunikation. Hinter ihrer
mation und Mitteilung beruht,           Beschreibung verbirgt sich vor al-
kann man beide Komponenten un-          lem eine (sicher nicht unberechtig-
terschiedlich gewichten. Wer auf        te) Polemik gegen die wuchernden
die Information setzt und die Mit-      therapeutischen Kommunikations-
teilung aus- oder zumindest ab-         techniken zumal psychoanalyti-
blendet, setzt auf Rauschfreiheit in    scher Provenienz.
jedem Sinne: über eine allen ge-        Fuchs will seine Unterscheidungen
meinsam gegebene identische Welt        typologisch und nicht historisch de-
muß nur noch richtig und störungs-      skriptiv verstanden wissen. Die (li-
frei gesprochen werden. So kom-         teraturgeschichtlich festgemachten)
muniziert man aufgeklärt. Damit         Epochen liefern ihm ,Idealtypen\
 die Prävalenz der Information          seine Konzeptionen durchzuexer-
nicht von notorisch irritablen Be-      zieren. Sicher, es kann nicht die
wußtseinen gestört werden kann,         Aufgabe des Soziologen sein, die li-
 sollte neben dem Rauschen aber         teraturwissenschaftliche Forschung
 auch tunlichst jedweder Rausch         voranzutreiben und Fuchs bittet die
 vermieden werden. Dazu werden          Zunft deshalb um Nachsicht.
 Lektüre-Restriktionen und Regle-       War es aber dennoch und trotz
 mentierungen der gefährlichen          zahlreich konsultierter und system-
 Einbildungskraft verhängt, und ein     theoretisch paraphrasierter neuerer
 allzu ästhetisierendes Bewußtsein      Arbeiten nötig, hinter einem be-
 muß auch möglichst vermieden           trächtlichen terminologischen Auf-
 werden. Die Romantik, wie be-          wand sehr einfache und längst ab-
 kannt, spielt dabei nicht mit. (Das    getan geglaubte schematische Ent-
 entsprechende Kapitel über die         gegensetzungen zu verbergen? Mit
 Form romantischer Kommunika-           der Trennung zwischen fragmenta-
 tion war in nahezu identischer         risierender und ironisch verunkla-
 Form bereits im Athenäum 1993          render Romantik einerseits und
 zu lesen.) Sie irritiert die aufge-    nüchterner Aufklärung anderer-
 klärte Weltsicht, sie verunklart sy-   seits verfehlt man zumindest die
 stematisch das, was sie sagt, indem    Romantik ums Ganze. Man sieht
 sie sagt, wie sie es sagt. Romanti-    nicht mehr, wie sie noch über die
 sche Kommunikation behandelt           Aufklärung und zumal über ihre
  die Mitteilung als Information und    diskursiven und kommunikativen
  macht die Anschlüsse schwierig,       Charakteristika aufzuklären weiß:
  denn man weiß nicht, ob man an        über das, was in ihr ausgeblendet
  die Information, oder an die Mit-     wird, über die immanente Parado-
Buchbesprechungen                           379

xienträchtigkeit eines Wissens, das      den größten Dreck (z. B. „Exkre-
in der Rückwendung aufsieht selbst       mente in Dosen", S. 165) zu Gold
seine Voraussetzungen und blinde         machen, indem sie mit der „Be-
Flecken zu sehen und nicht zu se-        zeichnung/Nicht-Bezeichnung von
hen bekommt. Ein Wissen, das sich        etwas als Kunst oder Nichtkunst"
selber wissen will, kann nicht wie       das System kontinuiert und die
die aufgeklärte Kommunikation            Kunstwerke stiftet. (S. 164) Natür-
dabei stehen bleiben, nur die Kom-       lich geht Fuchs in diesem Zusam-
munikabilien und eine angeblich          menhang auch an Duchamps Uri-
allen gemeinsame Welt zu betrach-        nal nicht vorbei. Die Kritik könnte
ten. Die hinlänglich bekannte Tat-       es sich leicht machen und auf jene
sache, daß eine direkte Linie von        genannten unverständigen Beob-
Kant über den Idealismus zu Schle-       achter verweisen, die mit der Be-
gel und Novalis führt, hätte Fuchs       zeichnung von etwas als Nicht-
zu denken geben sollen, zumal            kunst (meistens als rhetorische
doch gerade die Systemtheorie An-        Frage formuliert: „Soll das etwa
sprüche auf die Erbmasse transzen-       Kunst sein?*4) schnell bei der Hand
dentalen Denkens angemeldet hat.         sind. Aber schon systemtheoretisch
Wie die moderne Kommunikation            kann der Vorschlag nicht funktio-
allen Inhalten voraus funktioniert,      nieren. Nur zur Verdeutlichung:
versucht Fuchs am System der             eine Nicht-Zahlung ist ein Ereignis
Kunst exemplarisch zu demon-             im Wirtschaftssystem, eine nicht
strieren. Und wiederum wird ein          wahre These fällt nicht aus dem
vergleichsweise schlichter Ge-           Wissenschaftssystem heraus in das
danke mit erheblichem Aufwand in         Religionssystem (oder wohin auch
Szene gesetzt, ja ins beinah Nebu-       immer). Der Code der Kunst soll
lose gewendet. Die in der System-        aber laut Fuchs dazu führen, die
theorie noch offene Frage, ob und        Ereignisse des Kunst-Systems von
wie das Kunstsystem codiert sei -        allen anderen Ereignissen, die
und um System zu sein, muß es mit        nicht Kunst sind, dadurch zu un-
einem binären Code operieren2 ~,         terscheiden, daß der positive Wert
versucht Fuchs per Handstreich zu        die Kunst-Ereignisse und der nega-
lösen. Nicht mit ^schön oder häß-        tive die Nicht-Kunst bezeichnet.
lich*4, „passend oder nicht-pas-         Da liegt eine schlichte Verwechs-
send4* operiere die Kunst, sondern       lung der Einheit des Codes (als Ein-
mit einem so genannten „Midas-           heit des positiven und negativen
Code44: Kunst, so die vom common         Wertes), durch die sich das System
sense eines kunst- und avantgarde-       von allen anderen Systemcodierun-
femen Beobachters nicht weit ent-        gen unterscheidet, mit der Unter-
fernte Behauptung3, kann selbst          scheidung im Code selbst (positi-

2
  Vgl. dazu Niklas Luhmann, Weltkunst, in: ders./ Frederick Bunsen/ Dirk Baecker:
  Unbeobachtbare Welt.Ober Kunst und Architektur, Bielefeld 1990.
3
  Die das Buch abschließende Insinuation, „alles das (könnte) zu ungewöhnlich
  gedacht (sein), zu exotisch" (S. 227), ist mithin reine Koketterie.
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ver und negativer Wert) vor. Durch        struktivismus und nicht zuletzt
die Einheit des Codes werden die          Luhmann selber berufen sich im-
systemrelevanten Ereignisse iden-        mer wieder darauf. Als ginge es
tifiziert, um dann im System selber      nicht schließlich auch in der Kunst
einem der beiden Werte zugeführt          darum, das Wie eines Was zur Gel-
zu werden. Fuchs kann also das           tung zu bringen. Und man darf es
Entscheidende gar nicht in den           als kunsttheoretische Naivität be-
Blick bekommen: ob, und wenn ja,         zeichnen, etwa abstrakte Malerei
auf welche Weise im Kunstsystem          als referenzfreie, themavermeiden-
selbst codiert über Werke kommu-         de Gestaltungsweise anzusehen.
niziert wird, deren Zugehörigkeit        Bazon Brock hat bei Gelegenheit
zur Kunst dann schon gar nicht           klargemacht, daß ungegenständli-
mehr fraglich ist. Nicht nur deswe-      che Kunst der ikonographischen
gen sind die Ausführungen zum            Betrachtungsweise nicht weniger
Kunstsystem im Ansatz verfehlt.          als die gegenständliche zugänglich
Verblüfft registriert man, wie           ist. 4 Auch und gerade ein schwar-
Fuchs, anscheinend ohne es zu be-        zes Quadrat kann zur Ikone wer-
merken, im weiteren Verlauf seine        den.
Ausgangsthese widerruft, nach der        Überhaupt degeneriert hier die von
die operativen Displacements quer        Luhmann her gewohnte system-
zur funktionalen Differenzierung         theoretische Präzision zur biswei-
stünden. Die Kunst wird nämlich          len eitel ausgestellten Geste, die ex-
mit der romantischen, die Wissen-        akte Terminologie in mitunter arg
schaft mit der aufgeklärten Kom-         skurrilen Metaphern nachahmt.
munikation identifiziert. (Vgl.          Das ließe sich verschmerzen, wä-
S. 221) Kommt beides zusammen,           ren diese nicht auch noch derma-
fragt also jemand nach dem Sach-         ßen bar jeglicher ästhetischer und
gehalt des Kunstwerks, ergibt sich       stilistischer Qualität, daß der Leser
ein „Referenzdilemma". Damit             nur mit Mühe am Ball bleibt. Ange-
wird nicht nur suggeriert, in der        sichts seiner Vorliebe für metapho-
Kunst gehe es ding- und sachver-         rische Exaktheitssuggestionen wie
gessen, weltfern eben zu. Fuchs re-      „Kohäsion", „Klebung'*, „Viskosi-
formuliert die ebenfalls nicht neue      tät", „Granulation" u.v.m. hat man
Einsicht, nach der die Dichter lü-       fast den Eindruck, als verfolge
gen, dergestalt, daß die Wissen-         Fuchs demiurgische Absichten. Er
schaft sich um das Was, um die           scheint die abstrakten Systemco-
Sachgehalte, die Kunst aber sich         des, die intelligiblen Unterschei-
um das Wie, um die Form kümme-           dungen, die ein Beobachter anfer-
re. (S. 183 f) Als hätte nicht schon     tigt, und die operativen Displace-
Kant die Umstellung der Erkennt-         ments an eine notdürftig zusam-
nistheorie von Was- auf Wie-Fra-         mengeleimte Welt anpappen, in ei-
gen eingeleitet. Der radikale Kon-       nen metaphorischen Urschlamm

 Vgl. Bazon Brocks Katalogbeitrag zu P    Bömmels, Bilder, die die Welt bedeu«
 ten. Museum am Ostwall, Dortmund.
Buchbesprechungen                          381
hineinkneten zu wollen. Da „schie-      der. Aber um wie vieles gewitzter
ßen" an den Codes, „wie in einer        hat die Romantik das noch ge-
Lauge Kristalle", die Funktionssy-      konnt. Treffender könnte man
steme der Gesellschaft zusammen         Fuchsens Stil der nebulosen Kom-
(S. 160), da granulieren verschach-     munikation zurechnen, erinnern
telte Subjekte, da wird die Auto-       doch seine vor allem in den Fußno-
poiesis „verwirbelt" oder gar „ver-     ten ausgebreiteten Anekdoten
schmutzt" (S. 200). Und noch die        durchaus an Selbstbekenntnisse im
Selbsteinsicht „Das hört sich alles     therapeutischen Kontext. Immer-
furchtbar an" (S. 214) buhlt kokett     hin erreichen sie eine Plastizität,
um eine Zitation in der FAZ-Ko-         die dem argumentativen Gang zu-
lumne für exemplarisch mißlun-          meist versperrt bleibt. So erfahrt
gene Sprechweisen. Das fällt umso       man, daß Fuchs nächtelang vergeb-
mehr auf, als vorher schon der          lich versucht hat, naiven Künstlern
„Spiegel" in ähnlicher Weise um-        seine These vom Midas-Code na-
worben wurde. (S. 172) Überdies         hezubringen und daß auch seine
wird das Buch von einem ständigen       Frau nicht wahrhaben wollte, daß
Gestus der Virtualisierung des Ge-      ihr Fleischhammer qua Deklara-
sagten durchzogen, der nicht nur        tion eines ihm befreundeten
durch die bisweilen falschen Kon-       Künstlers zum Kunstwerk gewor-
junktive (z.B. S. 72) die Geduld        den ist. Frauen scheinen laut Fuchs
des Lesers arg strapaziert. Fuchs ist   eben doch mehr von der Küche als
sich seiner Sache so unsicher, daß      von der Kunst zu verstehen. (S.
er nicht nur seine ,Begriffe' ständig   173)
in Anführungszeichen setzen muß,        Man würde dieses offensichtlich zu
sondern den argumentativen Gang         schnell und überhastet entstandene
zusätzlich dadurch belastet, daß er     Buch rasch wieder beiseite legen,
(wie wir es mit systemtheoretischer     gäbe es da nicht doch einige ab-
Terminologie benennen^ wollen)          schließende Gedanken, denen man
zur Information bis zum Überdruß        gewünscht hätte, Fuchs wäre ihnen
die Selektivität der Mitteilung mit-    genauer und ausführlicher nachge-
teilt (durch gehäuft verwendete         gangen. Das aufgeklärte Displace-
tautologische Floskeln wie „wie wir     ment ist im Prozeß seiner Erosion
sagen/behaupten/betonen/wollen,         begriffen. Der Grund dafür ist in
wie man auch sagen könnte/darf          Zeitproblemen zu suchen. Systeme
usw.) Diese selbstreferentiellen Au-    operieren mit unterschiedlichen
tomatismen gefährden die Plausi-        Geschwindigkeiten. Die Unterstel-
bilität seiner Selbstrubrizierung       lung einer allen gemeinsam vorge-
unter die Form der aufgeklärten         gebenen Wirklichkeit funktioniert
Kommunikation und nähern sich           immer weniger, weil sich tempo-
der romantischen an. Denn die, so       rale Klüfte auftun, weil häufig „Au-
die These, behandelt die Selbstrefe-    ßenprozesse die Operationen des
renz, die Mitteilungskomponente         Systems       ,überholen'",     weil,
der Kommunikation als Fremdre-          m.a.W., kein System mehr mit Sta-
ferenz und „klappt" beides bis zur      bilitäten in seiner Umwelt rechnen
Ununterscheidbarkeit        aufeinan-   kann. Denn „immer mehr idiosyn-
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kratische Beobachtungsmöglichkei-       geschieht, [...] einen solchen Vor-
ten" bieten immer vielfältigere Ver-    sprung (hat) vor unserm Meinen,
sionen von Realität an. (S.#222 f.)     daß wirs niemals einholn und nie
Hier wären weitergehende Überle-        erfahren, wie es wirklich aussah"5,
gungen am Platze, die die von Rilke     mit den analytischen Mitteln der
formulierte Evidenz, daß „das, was      Systemtheorie angereichert hätten.

  Rilke, Sämtliche Werke, hg. E. Zinn, Frankfurt/Main 1987, Bd. I, S. 663 f.
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