Zur Umsetzbarkeit eines nationalen CO2-Mindestpreises im Stromsektor - Rechtsgutachten
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I Zur Umsetzbarkeit eines nationalen CO2-Mindestpreises im Stromsektor Rechtsgutachten 11.05.2021 erstellt von Dr. Hartmut Kahl, LL.M. (Duke)
II Zur Umsetzbarkeit eines nationalen CO2-Mindestpreises im Stromsektor Zitiervorschlag: Hartmut Kahl, Zur Umsetzbarkeit eines nationalen CO2- Mindestpreises im Stromsektor, 11.05.2021. Der Verfasser dankt Thorsten Müller (Stiftung Umweltenergierecht) sowie Friedhelm Keimeyer und Hauke Hermann (Öko-Institut) für den wertvollen Austausch. Entstanden im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität Stiftung Umweltenergierecht Friedrich-Ebert-Ring 9 97072 Würzburg Telefon Vorstand +49 931 794077-0 Thorsten Müller und Fabian Pause, LL.M. Eur. Telefax Stiftungsrat +49 931 7940 77-29 Prof. Dr. Helmuth Schulze-Fielitz Prof. Dr. Franz Reimer E-Mail Prof. Dr. Monika Böhm kahl@stiftung-umweltenergierecht.de Spendenkonto Sparkasse Mainfranken Würzburg Internet IBAN: DE16 7905 0000 0046 7431 83 www.stiftung-umweltenergierecht.de BIC: BYLADEM1SWU
III Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung der Ergebnisse______________________________________________________ 1 A. Hintergrund, Prüfungsgegenstand und Gang der Darstellung ______________________________ 2 B. Europarecht _____________________________________________________________________ 4 I. Vereinbarkeit mit der ETS-Richtlinie______________________________________________________________ 4 II. Vereinbarkeit mit der Energiesteuer-Richtlinie ____________________________________________________ 5 1. Besteuerung von Primärenergieträgern ______________________________________________________ 6 2. Gestaffelte Steuersätze ___________________________________________________________________ 7 III. Vereinbarkeit mit der Verbrauchsteuersystem-Richtlinie ___________________________________________ 7 IV. Vereinbarkeit mit dem Diskriminierungsverbot ___________________________________________________ 8 V. Vereinbarkeit einer flankierenden Strompreiskompensation mit Beihilferecht __________________________ 9 C. Verfassungsrecht ________________________________________________________________ 12 I. Umsetzung als Verbrauchsteuer _______________________________________________________________ 12 1. Stand der Rechtsprechung ________________________________________________________________ 12 2. Anwendung der Kriterien auf die geplante Besteuerung ________________________________________ 15 a) Liegt überhaupt ein reines Produktionsmittel vor? ___________________________________________ 15 b) Greifen die beiden Ausnahmen? _________________________________________________________ 16 aa) Erste Ausnahme: Wird auf das energetische Potenzial abgestellt? ____________________________ 16 bb) Zweite Ausnahme: Ist das Anknüpfen an den Rohstoff zur Wahrung einer geschlossenen Besteuerung im Rahmen einer ansonsten systemgerechten Steuer notwendig?_______________________________ 17 c) Abwälzbarkeit ________________________________________________________________________ 17 II. Gleichheitssatz ____________________________________________________________________________ 18 III. Vertrauensschutz __________________________________________________________________________ 19 IV. Gesetzesvorbehalt und Bestimmtheitsgebot ____________________________________________________ 20 1. Vorbehalt des Gesetzes __________________________________________________________________ 20 2. Bestimmtheitsgebot _____________________________________________________________________ 20 V. Zweckbindung der Einnahmen ________________________________________________________________ 21 D. Vertragsrecht ___________________________________________________________________ 23
1 Zusammenfassung der Ergebnisse Das vorliegend zu prüfende „Konzept für die Einfüh- er die Gesetzgebungskompetenz hat. Insbesondere rung eines CO2 -Mindestpreises im Stromsektor in liegen die Merkmale einer Verbrauchsteuer vor. Das Deutschland“ ist mit höherrangigem Recht vereinbar heißt, es handelt sich bei den adressierten Energie- und löst auch keine Neuverhandlungen mit den Be- trägern um zumindest auch konsumtiv nutzbare Gü- treibern von Braunkohletagebauen und -kraftwerken ter, die einen tauglichen Steuergegenstand einer Ver- im Rahmen des Kohleausstiegs aus. brauchsteuer darstellen. Selbst wenn dem nicht so wäre, könnte das Konzept dennoch als Verbrauchs- Das Konzept ist mit Europarecht vereinbar. teuer umgesetzt werden, da das Bundesverfassungs- Am CO 2 -Ausstoß orientierte steuerliche Maßnahmen gericht die Besteuerung des rein unternehmerischen der Mitgliedstaaten sind auch parallel zum Europäi- Verbrauchs von Rohstoffen im Wege einer Ver- schen Emissionshandel zulässig. brauchsteuer auch dann für zulässig hält, wenn das tatsächlich im Primärenergieträger verkörperte ener- Die unterschiedliche Besteuerung von verschiedenen getische Potential besteuert wird oder der Gesetzge- Energieerzeugnissen ist nach der Energiesteuerricht- ber im Rahmen einer geschlossenen Besteuerungs- linie zulässig – solange der europäische Mindeststeu- systematik ein verhaltenssteuerndes Ziel zugrunde ersatz eingehalten und die Ausgestaltung ansonsten legt. Beides ist hier der Fall. unionsrechtskonform ist. Verschiedene Primärener- gieträger mit unterschiedlichen Emissionsintensitä- Soweit steuerliche Verschonungstatbestände bei der ten wie etwa Braunkohle, Steinkohle oder Erdgas Stromerzeugung abgebaut werden sollen, ist dies zu- können demnach auch unterschiedlich, also gestaf- lässig. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach felt, besteuert werden. hervorgehoben, dass es grundsätzlich keinen An- spruch des Einzelnen auf den dauerhaften Fortbe- Schon die bisherige Besteuerung von Energieträgern stand einer für ihn günstigen Rechtslage gibt, wenn im Energiesteuergesetz entspricht dem Anforde- keine besonderen Momente der Schutzwürdigkeit rungskatalog der Verbrauchsteuersystemrichtlinie vorliegen. Solche sind hier nicht erkennbar. Die CO 2 -basierte Neujustierung der Steuersätze än- dert daran nichts. Die jährliche nachgelagerte Anpassung des nationa- len Mindestpreises u.a. an das Preisniveau des ETS Dass bestimmte Energieträger ausschließlich oder mittels einer im Gesetz niedergelegten Formel durch weit überwiegend aus anderen EU-Ländern impor- den Verordnungsgeber ist sowohl mit dem Vorbehalt tiert werden, ist bei dem hier verfolgten Besteue- des Gesetzes als auch mit dem Bestimmtheitsgebot rungsmodell unschädlich. Unterliegen die im Inland des Grundgesetzes vereinbar. gewonnenen Primärenergieträger – wie hier – exakt denselben objektiven Maßstäben wie jeweils diesel- Die vorgesehene Verwendung der eingenommen ben importierten Energieträger, besteht kein Anlass, Mittel für den Energie- und Klimafonds EKF schränkt in der nach der CO 2 -Intensität gestaffelten Besteue- die Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers rung eine Diskriminierung zu sehen. Demnach ist das nicht ein, da es sich nur um eine politische Zweckbin- vorliegende Konzept mit dem Binnenmarkt verein- dungsabsicht handelt und die Einnahmen zunächst bar. immer erst in den allgemeinen Bundeshaushalt flie- ßen. Die in dem Konzept flankierend vorgesehene Strom- Die Umsetzung des Konzeptes würde auch keine preiskompensation für besonders energieintensive In- Neuverhandlung des zwischen den Betreibern von dustrieunternehmen ist beihilferechtlich genehmi- Braunkohletagebauen und -kraftwerken und dem gungsfähig, da sie sich nicht zuletzt bei der Bestimmung Bund geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages der Beihilfenintensität eng an die Vorgaben für die im Rahmen des Kohleausstieges auslösen. Es handelt Strompreiskompensation zum ETS anlehnt, die die Euro- sich um ein energieträgerneutrales Bepreisungskon- päische Kommission vorgegeben und in ihrer Beihilfe- zept, das nicht darauf angelegt ist, gezielt die Ver- praxis auf ein vergleichbares Modell in UK schon ange- stromung von Braunkohle zu benachteiligen. Dem- wendet hat. nach liegt hier keine wesentliche Änderung der Ver- Das Konzept ist auch mit Verfassungsrecht verein- hältnisse vor, die eine Anpassung des Vertrages aus- bar. lösen könnte. Der Bundesgesetzgeber kann die steuerlichen Anpas- sungen im Energiesteuergesetz vornehmen, da es sich dabei um eine Verbrauchsteuer handelt, für die
2 Zur Umsetzbarkeit eines nationalen CO2-Mindestpreises im Stromsektor A. Hintergrund, Prüfungsgegenstand und Gang der Darstellung Die im Energiesteuergesetz vorgesehene Besteue- Gewicht bzw. Energiemenge normativer Anknüp- rung von Energieträgern bei der Verstromung orien- fungspunkt für die Besteuerung bleiben. tiert sich bisher nicht einheitlich an deren Emissions- Bisher unterscheidet das Energiesteuergesetz nicht intensitäten. Gerade mit Blick auf die Einhaltung der zwischen Stein- und Braunkohle. Dies soll sich än- vom Bund verfolgten Klimaziele, deren Anhebung dern, da beide unterschiedliche Emissionsfaktoren derzeit nicht zuletzt als Folge einer ambitionierteren aufweisen. Innerhalb der Braunkohle soll hingegen europäischen Zielarchitektur diskutiert wird, bleibt nicht nochmals differenziert werden. Hier wird ein- hier ein mögliches (weiteres) Instrument der Beprei- heitlich mit 99 t CO 2/TJ der günstigste Wert für die sung von klimawirksamen Emissionen ungenutzt. im privaten Verbrauch dominierenden Braunkoh- Dies zu ändern ist das Ziel des vorliegend zu prüfen- lebriketts gewählt, auch wenn die in Kraftwerken ein- den Vorschlags „Konzept für die Einführung eines gesetzte Braunkohle höhere – wiederum vom jeweili- CO2 -Mindestpreises im Stromsektor in Deutsch- gen Revier abhängige – Emissionsfaktoren von 104,2 land“1, der insoweit eine Neuausrichtung der Ener- t CO 2 /TJ (Mitteldeutschland) bis 112,7 t CO 2/TJ giebesteuerung in Deutschland vorsieht. Erstmals (Rheinland) aufweist. würde der Steuersatz für die einzelnen zur Verstro- Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Gichtgase mung eingesetzten Energieträger in seiner Höhe mit- und Kokereigase, die als Koppelprodukte der Rohei- tels einer einheitlichen Methodik danach bemessen, senproduktion anfallen und in der Regel auch für die wie viel klimawirksame Emissionen bei ihrer Verbren- Stromerzeugung eingesetzt werden, nicht vom An- nung jeweils freigesetzt werden. Zugleich würden wendungsbereich des Energiesteuergesetzes erfasst bisher bestehende Verschonungstatbestände abge- sind. Daher gilt der CO 2 -Preisaufschlag auch nicht für baut, um die einheitliche Anwendung des gewählten die Stromerzeugung aus diesen Stoffen. Gleiches gilt Maßstabs auf alle Energieträger sicherzustellen. Die für die Abfallverbrennung. Eckpfeiler des Vorschlags und seiner Begleitmaßnah- men gestalten sich wie folgt: Um eine Anpassung der Steuerhöhe an die im ETS aufgerufenen und Marktschwankungen unterliegen- Der hier zu prüfende Vorschlag orientiert sich als den Zertifikatspreise zu ermöglichen, ist vorgesehen, Vorbild am sog. Carbon Price Floor (CPF) Großbritan- die zunächst im Energiesteuergesetz nominell festge- niens. Das heißt, die CO 2-Bepreisung wird im Rahmen legten Steuersätze jährlich anzupassen ohne jedes der Steuersätze für die einzelnen Energieträger um- Mal eine Gesetzesänderung zu brauchen. Dazu soll in gesetzt und nicht direkt mit möglichen Zahlungs- eine Anlage zum Energiesteuergesetz eine festste- pflichten im Europäischen Emissionshandelssystem hende Formel aufgenommen werden, die die Para- (ETS) verrechnet, ist also als reiner Preisaufschlag meter für die Anpassung enthält. Die sich daraus er- konzipiert. Die im ETS aufgerufenen Preise und der gebenden neuen nominellen Steuersätze sollen dann steuerliche Preisaufschlag ergeben dann in Summe im Wege einer Rechtsverordnung des Bundesfinanz- einen CO 2 -Mindestpreis, der sich in seiner Höhe an ministeriums bekannt gemacht werden. Gleiches soll den Minderungsanforderungen des Klimaschutzziels für diejenigen Stromerzeugungsanlagen gelten, die für 2030 bemisst. Bei einer angenommenen Einfüh- nicht dem ETS unterfallen, deren Einsatzstoffe aber rung im Jahr 2025 würde der gemeinsame CO2 -Preis dem Brennstoffemissionshandelsgesetz unterfallen. zunächst 50 €/t CO 2 betragen und dann in Jahres- schritten von 3 € bis 2030 auf 65 €/t CO 2 steigen, falls Ferner sind zur Wirkungsentfaltung der neuen die Preise im ETS – wider Erwarten – nicht über das konfigurierten Steuersätze Folgeänderungen heutige Niveau steigen sollten. vorgesehen. So soll die Steuerbefreiung in § 37 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EnergieStG für Kohle gestrichen sowie Dieser CO 2-Mindestpreis wird mit den jeweiligen die Steuerentlastung der Stromerzeugung nach Emissionsfaktoren für die einzelnen Energieträger § 53 Abs. 1 EnergieStG für Erdgas und sonstige umgerechnet und in entsprechenden Steuersätzen Energieträger sowie in § 53a EnergieStG für die KWK festgelegt, wobei wie bisher im Energiesteuergesetz zurückgefahren werden. 1 Stiftung Klimaneutralität, Planungssicherheit für den Stromsektor Hermann/Matthes/Keimeyer, Konzept für die Einführung eines CO2- schaffen mit einem Mindestpreis für die Emissionen – Ein Rege- Mindestpreises im Stromsektor in Deutschland, Mai 2021. lungsvorschlag, Mai 2021, basierend auf
3 Um dem Marktumfeld der Strombeschaffung, die Verbrauchsteuerrichtlinie sowie das Beihilferecht zu meist mehrere Jahre im Voraus erfolgt, Rechnung zu nennen. Dazu unter B.). tragen, soll es nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Auf mitgliedstaatlicher Ebene ist der Gesetzgeber Übergangsfrist von zwei Jahren geben, sodass der dann zusätzlich dem Verfassungsrecht des deutschen Mindestpreis erst zu Beginn des Jahres 2025 gelten Grundgesetzes unterworfen. Hier stellt sich insbeson- soll. dere die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz im Das festgelegte Zielniveau für den CO 2 -Preis soll im Rahmen der Finanzverfassung, aber auch grundrecht- Jahr 2026 evaluiert und das Gesetz ggf. angepasst liche Vorschriften wie der Gleichbehandlungsgrund- werden. Dabei sollen auch die seit der Einführung satz und der Vertrauensschutz sind zu beachten. vorliegenden Erfahrungen und die dann beobachtba- Dazu unter C.). ren Rahmenbedingungen wie Erdgas-, Kohle- oder Schließlich hat sich der Bund im Rahmen des sog. Strompreise Berücksichtigung finden. Kohleausstiegs vertraglich gebunden, Betreiber von Im internationalen Wettbewerb stehende energiein- Braunkohletagebauen und -kraftwerken für Betriebs- tensive Industriezweige sollen eine Strompreiskom- stillegungen finanziell abschließend abzufinden, wo- pensation für den Preisaufschlag erhalten. Der Emp- bei neue regulatorische Eingriffe im Sinne einer Ver- fängerkreis und die Höhe der Kompensation sollen änderung der Verhältnisse zu Nachverhandlungen sich eng an die schon bestehenden Regelungen zur des Vertrages führen können. Da unterstellt werden Strompreiskompensation im ETS-Bereich anlehnen, kann, dass der Bund solche Verhandlungen vermei- mit dem Unterschied, dass statt des Zertifikatsprei- den will, bestimmt der Vertrag ebenfalls den Hand- ses der nationale Mindestpreis angesetzt wird. lungsspielraum des Gesetzgebers, weshalb dieses Gutachten auch darauf eingeht. Dazu unter D.). Die durch den Preisaufschlag möglicherweise gene- rierten zusätzlichen Einnahmen sollen, wie schon die Das vorliegende Gutachten stützt sich allein auf das aus der bisherigen Energiesteuer, in den Bundes- zum Veröffentlichungszeitpunkt geltende Recht. haushalt fließen. Sie sollen von dort in den Energie- Zwar sind derzeit im Rahmen des Europäischen und Klimafonds (EKF) überführt werden, da nicht zu- Green Deals Änderungen u. a. an der ETS-Richtlinie letzt auch die Strompreiskompensation aus diesem und der Energiesteuerrichtlinie seitens der Europäi- gezahlt wird. schen Kommission in Vorbereitung, allerdings sind diese im Detail noch nicht bekannt, geschweige denn Daneben sollen die Einnahmen dazu verwendet wer- in Kraft getreten. Gleichfalls gibt es Forderungen, in den, um ETS-Zertifikate zu löschen. Damit soll ein der neuen Legislaturperiode des Bundestages Grund- Wasserbetteffekt im ETS entgegengewirkt werden, gesetzänderungen auf den Weg zu bringen, die es er- der entstehen kann, wenn durch die zusätzlichen leichtern sollen, klima- und umweltpolitische Instru- Emissionsminderungen infolge des nationalen CO 2- mente – gerade auch mit fiskalischem Charakter – Mindestpreises, Zertifikate frei werden. Diese wer- umzusetzen. den zwar teilweise durch die Marktstabilitätsreserve gelöscht. Eine Löschung von Emissionsberechtigun- Diese Initiativen mögen den gesetzgeberischen Spiel- gen ist also mindestens in dem Umfang angedacht, in raum für eine auch steuerliche CO 2-Bepreisung per- dem eine Löschung noch nicht durch die Marktstabili- spektivisch erweitern, als Grundlage für ein Rechts- tätsreserve erfolgt ist. gutachten können sie aber noch nicht herangezogen werden. Dafür ist allein das geltende Recht maßge- Rein ergänzend sei darauf verwiesen, dass die Einfüh- bend, auch wenn es punktuell veraltet erscheinen rung eines nationalen CO 2-Mindestpreises durch poli- mag. Für die Aussagen dieses Gutachtens hat dies in- tische Gespräche mit progressiven Nachbarländern des keine Auswirkungen: Der zu prüfende Vorschlag flankiert werden soll, um ihn mittelfristig zu einem kann auch schon unter der gegenwärtigen Rechtslage regionalen CO 2 -Mindestpreis weiterentwickeln zu rechtssicher umgesetzt werden, siehe die Zusam- können. menfassung oben). Bei einer solchen Umstellung der Energiebesteue- rung agiert der Gesetzgeber freilich nicht in einem rechtlichen Vakuum, sondern kann sich nur innerhalb des Spielraums bewegen, den ihm höherrangiges Recht vorgibt. Zunächst sind hier bestimmte Rechts- akte aus dem Europarecht einschlägig, das Anwen- dungsvorrang gegenüber mitgliedstaatlichem Recht genießt. Neben der Richtlinie über den Emissionshan- del, sind hier vor allem die Energiesteuer- und die
4 Zur Umsetzbarkeit eines nationalen CO2-Mindestpreises im Stromsektor B. Europarecht Das vorstehend geschilderte Konzept muss sich zu- [jetzt Artikel 107 und 109 AEUV = Beilhilfeverbot] nächst an den Vorgaben des Europarecht messen las- können die Mitgliedstaaten bei Tätigkeiten, die un- sen. Hier ist mit einer Reihe von inhaltlich einschlägi- ter das Gemeinschaftssystem fallen, die Auswirkun- gen Richtlinien zunächst Sekundärrecht zu beachten, gen von ordnungs- und steuerpolitischen sowie sons- also insbesondere die ETS-Richtlinie sowie jeweils die tigen Maßnahmen prüfen, die auf die gleichen Ziele Energiesteuer- und die Verbrauchsteuersystem- gerichtet sind. Bei der Überprüfung der Richtlinie Richtlinie. Auf der Ebene des Primärrechts sind die sollte berücksichtigt werden, in welchem Umfang Warenverkehrsfreiheit und das Beihilferecht zu ad- diese Ziele erreicht wurden.“ ressieren. Dass die ETS-Richtlinie 4 nicht abschließend ist, wird auch in Art. 30 Abs. 2 deutlich, wo hinsichtlich der I. Vereinbarkeit mit der ETS-Richtlinie Berichtspflicht seitens der Kommission andere Maß- nahmen zu adressieren sind: Auf europäischer Ebene gibt es bekanntlich schon ein Bepreisungsinstrument für CO 2 -Emissionen, nämlich „Auf der Grundlage der Erfahrungen mit der Anwen- den europäischen Emissionshandel ETS. Mit Blick auf dung dieser Richtlinie und der Fortschritte bei der die ETS-Richtlinie stellt sich daher die Frage, ob der Überwachung der Treibhausgasemissionen sowie ETS eine abschließende Regelung darstellt, der eine angesichts der Entwicklungen auf internationaler parallele nationale Bepreisung ausschließt. Ebene erstellt die Kommission einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie, in dem sie auf folgende In der Urfassung2 der ETS-Richtlinie heißt es in Erwä- Punkte eingeht: […] gungsgrund (26) zunächst recht allgemein: e) das Verhältnis des Emissionshandels zu anderen „Ungeachtet des vielfältigen Potenzials marktge- auf Ebene der Mitgliedstaaten und der Gemein- stützter Mechanismen sollte die Strategie der Euro- schaft durchgeführten Politiken und Maßnahmen, päischen Union zur Bekämpfung der Klimaänderung einschließlich der Besteuerung, mit denen die glei- auf der Ausgewogenheit zwischen dem Gemein- chen Ziele verfolgt werden; […].“ schaftssystem und anderen Arten gemeinschaftli- cher, einzelstaatlicher und internationaler Maßnah- Beide Textstellen machen deutlich, dass andere Maß- men beruhen.“ nahmen möglich sind, welche das gleiche Ziel verfol- gen. Daher ließe sich fragen, ob parallele Maßnah- Festzuhalten ist also, dass die ETS-Richtlinie von An- men nur dann zulässig sind, wenn die CO 2-Bepreisung fang an andere, insbesondere auch einzelstaatliche auch tatsächlich auf das gleiche Ziel wie die ETS- Maßnahmen ausdrücklich nicht ausschließt. Explizit Richtlinie gerichtet ist – also ob die Lenkungswirkung ist in den Erwägungsgründen sogar von „ordnungs- der CO 2-Vermeidung und nicht etwa fiskalische Inte- und steuerpolitischen sowie sonstigen Maßnahmen“ ressen im Vordergrund steht. und im Rahmen der Berichtspflichten von „anderen auf Ebene der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft Letztlich dürfte der Hinweis zur gleichen Zielausrich- durchgeführten Politiken und Maßnahmen, ein- tung wohl allein die Selbstverständlichkeit zum Aus- schließlich der Besteuerung“ die Rede. So lautet Er- druck bringen, dass die Richtlinie in ihrem inhaltli- wägungsgrund (23) der ETS-Richtlinie 3: chen Anspruch nur Emissionsminderungsinstrumente betrifft, weshalb Maßnahmen mit anderen (Primär-) „Der Emissionszertifikatehandel sollte Teil eines um- zielen weder von ihrem Regelungsgegenstand noch fassenden und kohärenten Politik- und Maßnahmen- von ihrem Regelungsanspruch erfasst werden. Auf pakets sein, das auf Ebene der Mitgliedstaaten und die generelle Zulässigkeit mitgliedstaatlicher Steuern der Gemeinschaft durchgeführt wird. Unbeschadet in Ergänzung zum ETS hat diese Differenzierung hin- der Anwendung der Artikel 87 und 88 des Vertrags gegen keine Auswirkungen. Für das hier zu prüfende 2Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates 4Richtlinie (EU) 2018/410 des Europäischen Parlaments und des Ra- vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treib- tes vom 14. März 2018 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG hausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Ände- zwecks Unterstützung kosteneffizienter Emissionsreduktionen und rung der Richtlinie 96/61/EG des Rates RL 2003/87/EG. zur Förderung von Investitionen mit geringem CO2-Ausstoß und des 3 Wiederum Urfassung: Richtlinie 2003/87/EG. Beschlusses (EU) 2015/1814.
5 Konzept machte dies ohnehin keinen Unterschied, da II. Vereinbarkeit mit der Energiesteuer- es ja gerade – wie auch der Emissionshandel – auf eine Lenkungswirkung zur Emissionsminderung ab- Richtlinie zielt. Nachdem geklärt ist, dass steuerliche Maßnahmen Im Übrigen illustrieren auch die Beihilfeleitlinien für der Mitgliedstaaten ergänzend zum ETS zulässig sind, den Energie- und Umweltbereich (UEBLL) 5 in ihren ist weiter zu klären, ob das vorstehend beschriebene Rn. (179) und (180), dass die Kommission auch in ei- Konzept auch mit der Energiesteuer-Richtlinie 8 ver- nem anderen rechtlichen Kontext völlig selbstver- einbar ist. Diese wurde 2003 von der EU zur Harmo- ständlich von ergänzenden steuerlichen Maßnahmen nisierung indirekter Steuern für Energieerzeugnisse zum Emissionshandel ausgeht, indem sie schreibt: und elektrischen Strom erlassen. „Eine solche CO2-Steuer kann in einer Weise ausge- Sie setzt mehrere Prinzipien für die Besteuerung fest, staltet werden, die die ETS-Zertifikatspreise unter- die von den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in na- stützt und direkt an diese geknüpft ist. […] Wenn die tionales Recht beachtet werden müssen: unter Randnummer (179) genannte Steuer folglich in einer Weise ausgestaltet ist, dass sie direkt an ETS- ▶ Es gelten grundsätzlich EU-weit vorgegebene Zertifikatspreise der EU geknüpft ist und darauf ab- Mindeststeuersätze, die nicht unterschritten wer- zielt, den Zertifikatspreis zu erhöhen, kann ein Aus- den dürfen 9. gleich für diese höheren indirekten Kosten in Be- tracht gezogen werden.“ ▶ Primärenergieträger für die Stromerzeugung sind grundsätzlich von der Steuer zu befreien 10. Es zeigt sich also, dass steuerliche Maßnahmen auch parallel zum ETS möglich sind. Eine Einschränkung ▶ Für die einzelnen Steuergegenstände müssen folgt allerdings – dies rein ergänzend und ohne Aus- die Mitgliedstaaten jeweils einheitliche Steuers- wirkungen auf das vorliegend zu prüfende Konzept – ätze anwenden, sodass gestaffelte Steuersätze aus der Industrieemissions-Richtlinie, 6 die in Art. 9 grundsätzlich nicht zulässig sind 11. ordnungsrechtliche Instrumentarien neben dem ▶ Außer in ausdrücklich angeordneten Fällen Emissionshandel im Grundsatz ausschließt, sofern darf es keine Steuerermäßigungen oder -befreiun- diese in der Anlagengenehmigung verankert sind. gen geben 12. Dass die Einführung selbst nationaler CO 2 -Grenz- werte dadurch nicht zwingend unzulässig ist, wird durch die primärrechtliche Figur der Schutzverstär- Der mitgliedstaatliche Gesetzgeber hat also nur inso- kung deutlich, auf die der europäische Gesetzgeber weit Spielräume, als er auf die ausdrücklich einge- insoweit in den Erwägungsgründen ausdrücklich Be- räumten Steuerermäßigungs- oder -befreiungstatbe- zug genommen hat 7. Steuerrechtliche Maßnahmen stände zurückgreifen kann oder Ausnahmen von den der Mitgliedstaaten, wie gesagt, sind parallel zum oben genannten Grundsätzen bestehen. ETS sehr wohl zulässig. 5 Europäische Kommission, Mitteilung „Leitlinien für Staatliche Um- (Industrieemissions-Richtlinie), im Folgenden IE-RL, geläufiger unter weltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020“, ABl. EU Nr. C 200 vom der englischen Abkürzung IED für Industrial Emissions Directive. 28.06.2014, S. 1-55; zuletzt geändert durch Mitteilung der Kommis- 7 Siehe Erwägungsgrund (10) der IE-RL: „Im Einklang mit Art. 193 sion über die Verlängerung und Änderung der Leitlinien für Regio- AEUV hindert diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht daran, ver- nalbeihilfen 2014-2020, der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur stärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen, zum Förderung von Risikofinanzierungen, der Leitlinien für staatliche Beispiel Vorschriften für die Treibhausgasemissionen, sofern solche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020, der Leitlinien für Maßnahmen mit den Verträgen vereinbar sind und der Kommission staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzi- notifiziert wurden.“ Dazu auch Klinski, in: Hermann et al, Klima- eller Unternehmen in Schwierigkeiten, der Mitteilung — Kriterien schutz im Stromsektor 2030 – Vergleich von Instrumenten zur Emis- für die Würdigung der Vereinbarkeit von staatlichen Beihilfen zur sionsminderung, Januar 2017, S. 29 f. Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem In- 8 teresse mit dem Binnenmarkt, der Mitteilung der Kommission — Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Rest- Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, rukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Be- Entwicklung und Innovation und der Mitteilung der Kommission an steuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, im Fol- die Mitgliedstaaten zur Anwendung der Artikel 107 und 108 des genden Energiesteuer-RL. 9 Art. 4 Abs. 1 Energiesteuer-RL. Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf die kurz- fristige Exportkreditversicherung, ABl. EU 2020 Nr. C 224 S. 2. 10 Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) S. 1 Energiesteuer-RL. 6Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates 11 Art. 5 Energiesteuer-RL. vom 24. November 2010 über Industrieemissionen 12 Artt. 15-19 Energiesteuer-RL.
6 Zur Umsetzbarkeit eines nationalen CO2-Mindestpreises im Stromsektor 1. Besteuerung von Primärenergieträgern Besteuerungsregelung fallen, von jeder Besteuerung zu befreien.“15 Das Konzept sieht vor, steuerliche Privilegien bei der Stromerzeugung im Energiesteuergesetz zurückzu- Vielmehr haben – wie vom EuGH angeführt – die Mit- führen, was Voraussetzung für eine flächendeckende gliedstaaten gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) S. 2 der CO2 -orientierte Besteuerung von Primärenergieträ- Energiesteuer-Richtlinie ausdrücklich die Möglichkeit, gern ist. Hier stellt sich die Frage, ob dies mit der eu- die bei der Stromerzeugung eingesetzten Primär- roparechtlichen Vorgabe vereinbar ist, „bei der energieträger, aus „umweltpolitischen Gründen“ zu Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse“ besteuern: obligatorisch von der Steuer zu befreien, Art. 14 Abs. 1 lit. a) S. 1 der Energiesteuer-Richtlinie. „Es steht den Mitgliedstaaten allerdings frei, diese Erzeugnisse aus umweltpolitischen Gründen zu be- Zunächst ist klarzustellen, dass diese sog. „Inputfrei- steuern, ohne die in der Richtlinie vorgesehenen stellung“ 13 – entgegen einer früher bisweilen anzu- Mindeststeuerbeträge einhalten zu müssen.“ treffenden Lesart 14 – keinen allgemeinen Grundsatz darstellt, der eine parallele Inputbesteuerung von Für diesen Fall erfolgt auch keine Anrechnung auf die Primärenergieträgern auf der einen und eine Output- Einhaltung der Mindeststeuerbeträge für Strom 16. Die besteuerung von Strom auf der anderen Seite verbie- zusätzliche Input-Besteuerung soll nämlich nicht dazu ten würde. Der EuGH hat dazu geurteilt: führen können, ein Unterschreiten des (Output)-Min- deststeuersatzes für Strom zu rechtfertigen 17. Zu- „Hierzu ist festzustellen, dass die […] geltend ge- gleich bleibt damit auch der Lenkungseffekt durch machten Argumente nicht den Schluss zulassen, dass die Zusätzlichkeit der Steuer bestehen, der sonst es einen Grundsatz gibt, der der gleichzeitigen Erhe- durch eine Reduktion der Steuer auf Strom konterka- bung einer Steuer auf den Verbrauch elektrischer riert werden könnte. Energie und einer Steuer auf den zu ihrer Erzeugung Wenn Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) S. 2 der Energie- eingesetzten Energieträger entgegenstünde. Aus […] steuer-Richtlinie also vorsieht, dass eine Inputbe- der Begründung des Vorschlags […] geht höchstens steuerung bei der Stromerzeugung ausschließlich hervor, dass ‚[e]lektrischer Strom … auf zwei ver- „aus umweltpolitischen Gründen“ erfolgen darf, schiedene Methoden vom Besteuerungsmechanis- stellt sich natürlich die Frage, was darunter im Einzel- mus erfasst werden [kann], durch Besteuerung der nen zu verstehen ist. Nach dem primärrechtlichen Brenn- oder Heizstoffe, die bei der Stromproduktion Verständnis erfasst das Umweltrecht alle Schutzmaß- eingesetzt werden (Steuer auf die Eingangsum- nahmen zugunsten der Gesamtheit der Lebensgrund- sätze), oder durch Besteuerung des elektrischen lagen des Menschen, also seiner ökologischen Um- Stroms selbst (Steuer auf die Ausgangsumsätze‘. Aus welt 18. Demnach wäre die mit einer Steuer auf Pri- diesem Vorschlag geht nicht hervor, dass sich diese märenergieträger intendierte Reduktion von CO 2 - zwei Methoden grundsätzlich gegenseitig ausschlie- Emissionen in die Atmosphäre ein taugliches Ziel, um ßen, zumal die Europäische Kommission ihre Kom- sich auf die „umweltpolitischen Gründe“ berufen zu plementarität dadurch zugelassen hat, dass sie in können. diesem Vorschlag den Mitgliedstaaten die Möglich- keit vorbehalten hat, auf Brenn- oder Heizstoffe, die Entscheidend wird sein, dass der Gesetzgeber mit der aus Umweltgesichtspunkten nicht wünschenswert Steuer eine Lenkungswirkung anstrebt, also nicht pri- sind, eine zusätzliche (nicht harmonisierte) Steuer mär ein nur fiskalisches Interesse an einer bloßen Ab- auf die Eingangsumsätze anzuwenden‘. Außerdem schöpfung hat. Spiegelt sich dies – wie hier durch die geht aus diesem Text auch nicht hervor, dass die Ausrichtung der Steuersätze an den Emissionsfakto- Kommission die Absicht gehabt hätte, die Schaffung ren – in der instrumentellen Ausgestaltung der einer Pflicht für die Mitgliedstaaten vorzuschlagen, Steuer wieder und dokumentiert der Gesetzgeber Erzeugnisse, die nicht unter die harmonisierte diese Absicht auch in seiner Gesetzesbegründung, ist 13Bongartz, in: Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Kommentar 15EuGH, Urteil vom 04.06.2015, Rechtssache C-5/14 („Kernbrenn- zum Energiesteuerrecht, 12. EL 2016, Vorbemerkungen zum Ener- stoffsteuer“), Rn. 51. gieStG, Rn. 36. In Deutschland bisher umgesetzt durch § 53 Energie- 16 Siehe Art. 14 Abs. 1 Buchst. a S. 3 Energiesteuer-RL. StG. 17Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016, Rn. F 14Vgl. nur die pauschale Formulierung in der Vorlage des FG Ham- 55. burg, Beschluss des 4. Senats vom 11.04.2014, Az. 4 V 154/13, 2. 18 Leitsatz: „Das in der europäischen Energiesteuerrichtlinie veran- Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, München 2011, Rn. 14 kerte Prinzip der ‚Output-Besteuerung‘ verbietet es, neben dem f. elektrischen Strom selbst auch noch die Energieerzeugnisse zu be- steuern, die zu seiner Produktion eingesetzt werden.“
7 die rechtliche Verankerung der Maßnahme über die Ausgestaltung ansonsten unionsrechtskonform ist 21. Ausnahme aus umweltpolitischen Gründen abgesi- Verschiedene Primärenergieträger mit unterschiedli- chert. chen Emissionsintensitäten wie etwa Braunkohle, Steinkohle oder Erdgas können demnach auch unter- schiedlich, also gestaffelt, besteuert werden 22. Die 2. Gestaffelte Steuersätze kombinierte Zollnomenklatur 23 mit ihren Codenum- Wenn sich die Steuersätze in dem eingangs vorge- mern für Waren, auf deren Positionen sich auch die stellten Konzept an den Emissionsfaktoren orientie- Mindeststeuersätze beziehen, hält insoweit jeden- ren, stellt sich die Frage, ob es sich dabei um unzuläs- falls eine hinreichende Möglichkeit zur Differenzie- sige gestaffelte Steuersätze handelt. Denn grundsätz- rung vor, an die das Energiesteuergesetz ja auch an- lich darf es nach Art. 5 der Energiesteuer-Richtlinie knüpft (siehe unten C.I.). gestaffelte Steuersätze nur in bestimmten Fällen ge- ben – und unter Einhaltung der Mindeststeuer- sätze19. III. Vereinbarkeit mit der Bei einer Differenzierung nach der Emissionsintensi- Verbrauchsteuersystem-Richtlinie tät des Steuergegenstandes ist zwischen Primärener- gieträgern und Strom zu unterscheiden. Während es In der Verbrauchsteuersystem-Richtlinie 24 hat der durchaus herausfordernd sein mag, einen richtlinien- EU-Gesetzgeber Regelungen geschaffen, mit denen konformen Weg für die gestaffelte Besteuerung von die Erhebung von Verbrauchsteuern auf Alkohol, Ta- Strom zu finden, etwa entlang der Frage, ob es sich bak sowie Energieerzeugnisse und Strom harmoni- um Grün- oder Graustrom handelt, ist dies bei der siert werden soll. Im Einzelnen regelt die Richtlinie hier ins Auge gefassten Besteuerung von Primärener- für diese drei Warengruppen etwa die steuerliche gieträgern kein Problem. Denn das Verbot der Staffe- Bindung, als den Zeitpunkt, in dem ein Erzeugnis dem lung von Steuersätzen gilt nicht übergreifend. Die vorgeschriebenen Steuerverfahren zu unterstellen Mitgliedstaaten haben nur die Pflicht, „für die jewei- ist25, den Entstehungstatbestand der Verbrauchs- ligen Energieerzeugnisse einheitliche nationale Steu- teuer 26, den Steuerschuldner 27 sowie die Steueraus- ersätze festzulegen und anzuwenden“ 20. setzung28, die insbesondere über das Steuerlager 29 und bei der innergemeinschaftlichen Beförderung 30 relevant ist. Die unterschiedliche Besteuerung von verschiedenen Energieerzeugnissen ist also zulässig – solange nur Für die Frage, inwiefern das hier zu prüfende Steuer- der Mindeststeuersatz eingehalten und die konzept den Vorgaben der Verbrauchsteuersystem- richtlinie entsprechen muss, ist zunächst nach drei 19Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016, Rn. F Zollgebiet der Union und in den räumlichen Anwendungsbereich der 43. Richtlinie 2008/118/EG, ABl. L 83 vom 25.3.2019, S. 42. 20Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016, Rn. F 25Siehe Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016, 43. Rn. C 28 und Art. 2 Verbrauchsteuersystem-RL: Verbrauchsteuer- 21 In diesem Sinne auch die Kommission: „Den Mitgliedstaaten pflichtige Waren werden verbrauchsteuerpflichtig mit a) ihrer Her- steht es frei, höhere Steuersätze zu erheben, wenn sie dies für sinn- stellung, gegebenenfalls einschließlich ihrer Förderung, innerhalb voll halten.“, Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie – Fragen des Gebiets der Gemeinschaft; b) ihrer Einfuhr in das Gebiet der Ge- und Antworten, ME-MO/11/238 vom 13.04.2011, S. 1, abrufbar un- meinschaft. ter http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-11-238_de.htm. 26Siehe Art. 7 Abs. 1 Verbrauchsteuersystem-RL: Der Ver- 22Siehe zu den unterschiedlichen Emissionswerten von Erdgas und brauchsteueranspruch entsteht zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat Kohle etwa https://de.statista.com/statis tik/daten/stu- der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr. Im Einzelnen die/233868/umfrage/co2-emissionen-bei-der-stromerzeugung- dazu Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016, nach-erzeugungsart/. Rn. C 30 ff. 27 Siehe die Aufzählung in Art. 8 Abs. 1 Verbrauchsteuersystem-RL. 23Vgl. Art. 1 Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den 28Siehe Art. 4 Nr. 7 Verbrauchsteuersystem-RL: Das „Verfahren der Gemeinsamen Zolltarif, die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. Steueraussetzung“ ist eine steuerliche Regelung, die auf die Herstel- 1031/2008 geändert worden ist, in der am 1. Januar 2002 geltenden lung, die Verarbeitung, die Lagerung sowie die Beförderung ver- Fassung. brauchsteuerpflichtiger Waren, die keinem zollrechtlichen Nichter- 24Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über hebungsverfahren unterliegen, unter Aussetzung der Verbrauchs- das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der teuer Anwendung findet. Richtlinie 92/12/EWG, ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12, die zuletzt ge- 29Zum Steuerlagerverfahren eingehend Jatzke, Europäisches Ver- ändert wurde durch brauchsteuerrecht, München 2016, Rn. C 63 ff. Richtlinie (EU) 2019/475 des Rates vom 18. Februar 2019 zur Ände- 30Zur innergemeinschaftlichen Beförderung unter Steueraussetzung rung der Richtlinien 2006/112/EG und 2008/118/EG hinsichtlich der eingehend Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München Aufnahme der italienischen Gemeinde Campione d'Italia und des 2016, Rn. C 67 ff. zum italienischen Gebiet gehörenden Teils des Luganer Sees in das
8 Zur Umsetzbarkeit eines nationalen CO2-Mindestpreises im Stromsektor Kategorien von Verbrauchsteuern zu unterscheiden, IV. Vereinbarkeit mit dem die sich aus der Richtlinie ergeben. Es gibt nämlich Diskriminierungsverbot ▶ Verbrauchsteuern i.e.S. auf Energieerzeug- Auf der Ebene des europäischen Primärrechts stellt nisse und Strom nach Art. 1 Abs. 1, die allen Vor- sich im Rahmen der Grundfreiheiten die Frage, inwie- gaben der Verbrauchsteuersystem-Richtlinie un- fern eine CO 2 -orientierte Besteuerung von Energie- terliegen, trägern, die aus anderen Mitgliedstaaten nach Deutschland importiert werden, zulässig ist. ▶ indirekte Verbrauchsteuern auf Produkte für besondere Zwecke, die in einem unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang mit dem Ver- Zum Hintergrund: Im Rahmen der europäischen brauch dieser Produkte, also Energieerzeugnissen Grundfreiheiten fordert die Warenverkehrsfreiheit, oder Strom, stehen und einem nur eingeschränk- dass im europäischen Binnenmarkt Waren ungehin- ten Anforderungskatalog nach Art. 1 Abs. 2 Ver- dert und diskriminierungsfrei grenzüberschreitend brauchsteuersystem-Richtlinie unterliegen (Be- gehandelt werden können. Art. 30 AEUV verbietet messungsgrundlage, Berechnung der Steuer, Ent- dabei nicht bloß Ein- und Ausfuhrzölle, sondern auch stehung des Steueranspruchs und steuerliche Abgaben gleicher Wirkung. Damit die Mitgliedstaaten Überwachung), und nicht etwa auf interne Abgaben ausweichen, wird das Zollverbot durch Art. 110 AEUV flankiert. Diese spezi- ▶ sonstige Verbrauchsteuern auf andere als ellere Norm stellt sicher, dass die Mitgliedstaaten auf verbrauchsteuerpflichtige Waren nach Art. 1 Abs. Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittel- 3 Verbrauchsteuersystem-Richtlinie, die lediglich bar noch mittelbar höhere inländische Abgaben keine mit dem Grenzübertritt verbundenen Forma- gleich welcher Art erheben als gleichartige inländi- litäten nach sich ziehen dürfen. sche Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen ha- ben. Das heißt, eine Höherbesteuerung ausländischer Waren ist verboten, während Differenzierungen nach Wählt die Steuer, wie hier vorgesehen, zu ihrem Ge- objektiven Kriterien von der Vorschrift nicht erfasst genstand direkt den Energieträger und berücksichtigt sind, solange inländische und ausländische Erzeug- nur bei der Höhe des jeweils anzuwendenden Steuer- nisse gleichbehandelt werden 32. satzes dessen CO 2 -Intensität ohne diese selbst zum Steuergegenstand zu machen, ist ihre Einordnung recht einfach: Solche Steuern fallen trotz ihrer auch Geht man davon aus, dass ein Großteil fossiler Pri- umweltpolitischen Motivation ohne weiteres in die märenergieträger wie etwa Steinkohle oder Erdgas erste Kategorie nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a) („Ener- mangels heimischer Produktion ganz überwiegend gieerzeugnisse und elektrischer Strom“) und unterlie- nach Deutschland importiert wird, könnte man nun gen dem vollen Anforderungsprofil der Ver- fragen, inwiefern eine CO 2 -orientierte Besteuerung brauchsteuersystem-Richtlinie. Dies gilt jedenfalls für dieser Energieträger am Maßstab des Art. 110 AEUV alle Energieerzeugnisse, die auch von der Energie- zumindest mittelbar als diskriminierend angesehen steuer-Richtlinie umfasst sind, da die Verbrauchsteu- werden könnte. Dabei gilt dieser Maßstab aber nur ersystem-Richtlinie auf diese verweist 31. für Importe aus anderen EU-Mitgliedstaaten, nicht hingegen für solche aus Drittländern. Den Anforderungskatalog der Verbrauchsteuersys- tem-Richtlinie muss die Besteuerung von Energieträ- gern im Energiesteuergesetz schon bisher beachten. Eine steuerliche Diskriminierung von Importen kann Die CO 2 -basierte Neujustierung der Steuersätze än- der Gesetzgeber ausschließen, wenn er objektive Kri- dert daran nichts, sodass das hier zu prüfende Kon- terien und Modalitäten festlegt, nach denen sich der zept den Vorgaben der Verbrauchsteuersystem- jeweilige Steuersatz staffelt 33. Dies ist bei dem hier Richtlinie nicht entgegensteht. zu prüfenden Konzept der Fall, da unabhängig von der Herkunft der Energieträger bei der Bemessung des Steuersatzes allein darauf abgestellt wird, wie 31Art. 1 Abs. 2 Buchst. b) Verbrauchsteuersystem-RL verweist auf 32EuGH, Urteil vom 2.4.1998, Rechtssache C 213/96, „Outokumpu“, Energieerzeugnisse und elektrischer Strom gemäß der Richtlinie Rn. 30. 2003/96/EG (= Energiesteuer-RL), in deren Art. 2 wiederum die ein- 33Kahl/Simmel, Europa- und verfassungsrechtliche Spielräume einer zelnen Steuergegen-stände aufgeführt sind. CO2-Bepreisung in Deutschland, Würzburger Studien zum Umwelte- nergierecht Nr. 6, Oktober 2017, S. 31.
9 viel klimawirksame Emissionen bei ihrer Verbrennung Da dieser Maßstab sehr grob und die Vielgestaltigkeit jeweils freigesetzt werden. von Beihilfen sehr groß ist, hat die Europäische Kom- mission Leitlinien entwickelt, in denen sie ihren Prü- fungsmaßstab für bestimmte Beihilfen festlegt, die Dass bestimmte Energieträger, die dieser Besteue- Vereinbarkeitsanforderungen im Vorhinein definiert rung unterliegen, ausschließlich oder weit überwie- und damit quasi-faktisch vorgibt. So hat sie etwa die gend aus anderen EU-Ländern importiert werden, ist „Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energie- dabei unschädlich – und zwar selbst dann, wenn sie beihilfen“ (UEBLL) erlassen. Diese enthalten aus- dem höchsten Steuersatz unterliegen. So hat der drücklich auch Vorgaben für die Kompensation von EuGH mehrfach unterstrichen, Kostensteigerungen durch umweltpolitisch moti- vierte Steuern, wobei der Begriff der Umweltsteuer „daß ein Besteuerungssystem nicht allein deswegen definiert wird als eine: als diskriminierend angesehen werden kann, weil nur – insbesondere aus anderen Mitgliedstaaten – „Steuer, deren Gegenstand eine eindeutig negative eingeführte Erzeugnisse in die am höchsten besteu- Auswirkung auf die Umwelt hat oder die bestimmte erte Gruppe fallen“. 34 Tätigkeiten, Gegenstände oder Dienstleistungen be- lastet, damit die Umweltkosten in deren Preis einflie- Unterliegen die im Inland nach wie vor nennenswert ßen und/oder damit die Hersteller und die Verbrau- abgebaute Braunkohle und das im Inland noch geför- cher zu umweltfreundlicherem Verhalten hingeführt derte Erdgas zudem exakt denselben objektiven werden.“ 36 Maßstäben wie jeweils dieselben importierten Ener- gieträger, besteht kein Anlass, in der nach der CO 2 - Hinsichtlich der Handhabung der Kompensation zei- Intensität gestaffelten Besteuerung eine Diskriminie- gen sich die UEBLL flexibel: rung zu sehen 35. „Mitgliedstaaten können Beihilfen in Form einer Er- mäßigung des Steuersatzes oder in Form eines fes- Demnach ist das vorliegende Konzept mit dem Diskri- ten jährlichen Ausgleichsbetrags (Steuererstattung) minierungsverbot des Art. 110 AEUV vereinbar. oder als Kombination der beiden Formen gewähren. Der Vorteil des Steuererstattungsansatzes besteht darin, dass für die Unternehmen weiterhin das von V. Vereinbarkeit einer flankierenden der Umweltsteuer gesetzte Preissignal gilt.“ 37 Strompreiskompensation mit Beihilferecht Eine Ausgestaltung, nach der die Steuer erst einmal anfällt und das gesetzte Preissignal zunächst wahrge- Als flankierende Maßnahme zu dem vorliegend zu nommen wird, ist demnach aus Sicht der Europäi- prüfenden Konzept sollen energieintensive Unter- schen Kommission sogar vorzugswürdig gegenüber ei- nehmen für einen Strompreisanstieg kompensiert ner Ermäßigung des Steuersatzes, die das Preissignal werden, der infolge der zusätzlichen Bepreisung ein- insoweit abdämpfen würde. Deutlich wird dies nicht tritt. Daher stellt sich die Frage, welche beihilferecht- zuletzt auch in folgender Formulierung: lichen Grenzen für eine solche Kompensation zu be- achten sind. „Dies könnte durch die Gewährung eines Ausgleichs Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche Beihilfen in Form einer Steuererstattung erfolgen, wobei die grundsätzlich verboten. Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV Unternehmen nicht von der Steuer als solcher befreit sieht allerdings eine Ausnahme vor für Beihilfen zur würden, sondern einen festen jährlichen Ausgleichs- Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschafts- beitrag für die zu erwartende Erhöhung der Steuer- zweige. Diese können mit dem Binnenmarkt unter schuld erhalten würden.“ 38 der Bedingung vereinbar sein, dass sie die Handels- bedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem Bei den Anforderungen an eine Kompensation der gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Kosten von Umweltsteuern unterscheiden die UEBLL 34EuGH, Urt. v. 30.11.1995, Rs. C 113/94 („Casarin“), Rn. 22 mit Ver- 35Kahl/Simmel, Europa- und verfassungsrechtliche Spielräume einer weis auf die Urteile vom 14. Januar 1981 in der Rechtssache 140/79, CO2-Bepreisung in Deutschland, Würzburger Studien zum Umwelte- Chemial Farmaceutici, Slg. 1981, 1, Rn. 18, und vom 5. April 1990 in nergierecht Nr. 6, Oktober 2017, S. 31. der Rechtssache C-132/88, Kommission/Griechenland, Slg. 1990, I- 36 UEBLL, Rn. (19) Absatz (15). 1567, Rn. 18. 37 UEBLL, Rn. (174). 38 UEBLL, Rn. (168).
10 Zur Umsetzbarkeit eines nationalen CO2-Mindestpreises im Stromsektor nach unionsrechtlich geregelten Umweltsteuern und Terminpreis durch den nationalen Steuersatz er- nicht unionsrechtlich geregelten Steuern: setzt werden kann. „Im Falle unionsrechtlich geregelter Umweltsteuern ▶ Die Beihilfe wird dem Empfänger in dem kann die Kommission einen vereinfachten Ansatz für Jahr, in dem die Kosten entstanden sind oder in die Prüfung der Erforderlichkeit und Angemessenheit dem darauf folgenden Jahr als Pauschalbetrag ge- der Beihilfe anwenden. Im Rahmen der Richtlinie zahlt. Wird die Beihilfe in dem Jahr gezahlt, in dem 2003/96/EG (78) („Energiesteuerrichtlinie“) kann die die Kosten entstanden sind, muss ein Mechanis- Kommission für Steuerermäßigungen, die die Min- mus der nachträglichen Kontrolle eingerichtet deststeuerbeträge der Union einhalten, einen verein- werden, mit dem sichergestellt werden kann, dass fachten Ansatz anwenden. Für alle anderen Umwelt- eine etwaige Überkompensation bis zum 1. Juli des steuern ist eine eingehende Prüfung der Beihilfe auf folgenden Jahres zurückgezahlt wird. ihre Erforderlichkeit und Angemessenheit erforder- lich.“39 Für die Kompensation, die als Ausgleich für die indi- Demnach sieht das Prüfprogramm bei unionsrecht- rekten Kosten des vorliegend zu prüfenden Steuer- lich geregelten Umweltsteuern wie folgt aus 40: konzepts gezahlt werden soll, stellt sich nun die Frage, ob hier der einfachere Maßstab anzulegen ist, weil es sich um eine unionsrechtlich geregelte Um- weltsteuer handelt, oder der strengere, weil es doch ▶ die Beihilfeempfänger zahlen mindestens die eher eine unionsrechtlich nicht geregelte Umwelt- in der einschlägigen Richtlinie vorgeschriebenen steuer ist. Mindeststeuerbeträge der Union, Wie oben gesehen, legt das vorgeschlagene Steuer- ▶ die Beihilfeempfänger werden anhand objek- konzept zwar bei der Festlegung der einzelnen Steu- tiver und transparenter Kriterien ausgewählt und ersätze methodisch die Emissionsfaktoren der einzel- ▶ die Beihilfen werden grundsätzlich allen nen Energieträger zugrunde, knüpft die Steuer aber Wettbewerbern in demselben Wirtschaftszweig in selbst nach wie vor an das Volumen bzw. Gewicht derselben Weise gewährt, wenn sich diese in einer des Energieträgers als solchen. Es verlässt also nicht ähnlichen Lage befinden. den Ansatz der klassischen Energiebesteuerung und bewegt sich somit auch im Rahmen der Energie- steuer-Richtlinie, wie auch ein Unterschreiten der Anspruchsvoller und restriktiver sind hingegen die dort vorgeschriebenen Mindeststeuersätze nicht vor- Maßstäbe bei nicht unionsrechtlich geregelten Steu- gesehen ist, im Gegenteil. Demnach spricht das ange- ern, insbesondere dann, wenn sie so ausgestaltet dachte normative Erhebungskonzept hier für eine sind, dass sie direkt an ETS-Zertifikatspreise geknüpft unionsrechtlich geregelte Steuer. sind und darauf abzielen, den Zertifikatspreis zu er- Allerdings soll sich der Steuersatz jährlich an die höhen. Dann erfolgt nämlich ein weitgehender Preisentwicklung des ETS anpassen und den Zertifi- Gleichlauf mit den Vorgaben der ETS-Beihilfeleitli- katspreis faktisch erhöhen. Steuergegenstand ist nien,41 welche entsprechende Vorgaben für die zwar nicht die Emission oder das Zertifikat, aber es Strompreiskompensation machen. Das heißt 42: besteht ein enger Nexus der Steuer zum ETS, da sich der nationale Mindestpreis aus beiden zusammen- setzt. Daher ist es auch sehr naheliegend, hier eine ▶ Die Beihilfe wird ausschließlich Sektoren und unionsrechtlich nicht geregelte Steuer anzunehmen. Teilsektoren gewährt, die im Anhang II dieser ETS- Beihilfeleitlinien genannt sind, um die durch die Den britischen Carbon Price Floor, dem das hier zu Steuer bedingten zusätzlichen indirekten Kosten prüfende Konzept im Design folgt, prüfte die Europäi- auszugleichen. sche Kommission anhand der Anforderungen, die für unionsrechtlich nicht geregelte Steuer gelten 43. Auf ▶ Die Beihilfeintensität und die Beihilfe- dieser Basis erklärte die Europäische Kommission die höchstintensitäten werden im Einklang mit den britische Kompensation für zulässig und genehmigte ETS-Beihilfeleitlinien errechnet, wobei der ETS- sie, da sie sich in Bezug auf ihre Voraussetzungen 39 UEBLL, Rn. (172). 42 UEBLL, Rn. (180). 40 UEBLL, Rn. (173). 43Siehe Europäische Kommission, Beschluss C(2014) 3136 final vom 41Mitteilung der Kommission, Leitlinien für bestimmte Beihilfemaß- 21.5.2014, zu SA.35449 (2014/N) – United Kingdom, Aid for indirect nahmen im Zusammenhang mit dem System für den Handel mit Carbon Price Floor costs, Rn. 37. Treibhausgasemissionszertifikaten nach 2021 (2020/C 317/04).
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