ZUKUNFT VON INSURTECH IN DEUTSCHLAND - DER INSURTECH-RADAR - Policen Direkt
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EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, sie sind gekommen, um zu bleiben: InsurTechs. Diese digital agierenden Finanz- dienstleister, oft mit nur wenigen Leuten im Hinterhof gestartet, sorgen für einen immensen Innovationsschub im Versicherungsgeschäft. Mal geht es um situative Versicherungen, mal um einen Community-basierten Ansatz. Das alles funktioniert ganz locker per Smartphone und trifft den Zeitgeist junger, moderner Großstädter. Am hippen Anstrich mangelt es nicht. Wie viel Substanz steckt wirklich hinter den Ansätzen? Hier wird es oft spekulativ – Dr. Dietmar Kottmann auch bei gestandenen Marktbeobachtern. Die Kommentatoren schwanken zwischen Hype und Hysterie. Oberflächlicher Alarmismus führt aber ebenso wenig zu strate- gischen Weichenstellungen wie lässige Ignoranz. Ein kleiner Hinweis auf die Erfolgs- story von Check24 dürfte genügen. Mit dieser Studie beleuchten wir das Phänomen InsurTech auf eine neue Weise: systematisch, ausführlich, unvoreingenommen. In 19 Start-up-Kategorien haben wir national und international die Wettbewerber auf den Schirm geholt – das Ergebnis liegt vor Ihnen: der erste InsurTech-Radar. Entscheider, die fundiert erfahren möchten, in welchen Branchenfeldern die InsurTechs größte Chancen haben, finden alles Wesentliche in der Management Summary. Wer tief eintauchen möchte, um die potenziellen Gewinner und Kooperationspartner Dr. Nikolai Dördrechter von morgen kennenzulernen, dem sei die detaillierte Analyse samt Anhang empfohlen. Treffen Sie informiert Ihre Entscheidungen, navigieren Sie mit Radar: Neue Technologien ermöglichen neben weiteren Kosteneinsparungen durch Digitalisierung und Automati- sierung auch echte Produkt- und Serviceinnovationen entlang der gesamten Wert- schöpfungskette der Versicherungsbranche. Und eines macht Mut: Deutschland hat das Vermögen, auch in der Digitalisierung der Versicherung eine führende Rolle einzunehmen. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre! Ihr Dr. Dietmar Kottmann Dr. Nikolai Dördrechter Partner im Versicherungsbereich Geschäftsführer Oliver Wyman Policen Direkt 3
MANAGEMENT SUMMARY Weckruf der InsurTechs Wer gewinnt, wer verliert? Die Digitalisierung hat die Versicherungs- Die Geschäftsmodelle der InsurTechs sehen in wirtschaft voll ergriffen. Ohne Zweifel: Die den allermeisten Fällen eine Zusammenarbeit Industrie ist aufgewacht. mit etablierten Versicherern vor. Es besteht also Potenzial zur Partnerschaft zwischen „Alt“ und InsurTechs haben einen überfälligen Struktur- „Neu“. So stellen viele InsurTechs keine Gefahr, wandel in der Branche in Gang gesetzt. Ob auf sondern eher eine Chance für die Versicherer der Angebotsseite, im Vertrieb oder im Betrieb: dar. Dennoch wird es zur Verschiebung von Entlang der gesamten Wertschöpfungskette Werten kommen. Angesichts der hohen Dynamik sorgen neue Digitaltechnologien für Inno- lohnt ein differenzierter Blick in die Wert- vationen. Auf jeder Ebene sind InsurTechs schöpfungsstufen – welche Newcomer, welche tätig, wenngleich in unterschiedlicher Intensität. Geschäftsmodelle muss man zwingend auf Die Gefahr aber, dass sich innovative Start-Ups dem Radarschirm haben? daran machen, den Kuchen in der Versicherungs- wirtschaft zu Lasten der etablierten Unter- Durch eine umfassende Kategorisierung und nehmen neu zu verteilen, ist nicht nur theo- Bewertung der digitalen Geschäftsmodelle retischer Natur. Sie ist sehr real. erlaubt diese Untersuchung eine Prognose zur weiteren Entwicklung des InsurTech-Marktes. Wettbewerb als Innovationstreiber Je nach Segment sind unterschiedliche Gewinner zu erwarten. Auch das zu hebende Die zentralen Fragen lauten: Auf welchen wirtschaftliche Potenzial schwankt je nach Gebieten sind die von InsurTechs in den Markt Geschäftsbereich beachtlich: getragenen Technologien und Prozesse so unwiderstehlich, dass sie alte Strukturen •• InsurTechs werden die wahrscheinlichen ablösen? Wo winken die größten Effizienz- Gewinner in den meisten Bereichen des gewinne? Und wem gelingt es, die Kunden- Versicherungsbetriebs und -vertriebs sein. schnittstellen zu besetzen? Soll man kämpfen Im Betrieb gibt es vor allem im Schaden- oder kooperieren? bereich viel Potenzial, das in Deutschland im Gegensatz zum Ausland noch wenig Klar ist: Versicherer und Vertriebsorganisationen adressiert wird. Im Vertrieb fokussiert sich beginnen zu reagieren. Kampflos wollen sie den hingegen die Hauptaktivität in Deutschland Start-ups das Feld nicht überlassen. Fast alle auf Gebiete, denen nur mittleres Potenzial großen Versicherungsunternehmen haben in zuzutrauen ist. Dabei haben beide Felder jüngster Vergangenheit „Digitalisierung“ als signifikantes Potenzial für weitere Gründungen Kernthema benannt – ein Indiz für das Umdenken. und Finanzierungen zu bieten. Blickt man auf Im Versicherungsvertrieb ist ein echter, harter die Angebotsseite und hier auf neue digitale Wettbewerb entbrannt. Versicherungsprodukte, haben InsurTechs die höchsten Erfolgschancen nur in Nischen- bereichen – etwa in situativen und Community- basierten Angeboten. 4
•• Traditionelle Versicherer haben das Zeug, Potenzial der InsurTechs in die besten digitalen Angebote zur Deutschland Absicherung digitaler Risiken im Markt zu platzieren. Auch im Low Cost-Segment Eines ist auffällig: Es gibt kaum internationale haben die Etablierten ihre Chancen. Beide InsurTechs, die auch in Deutschland tätig sind. Bereiche bieten signifikantes Geschäfts- Eine internationale Skalierbarkeit ist in den potenzial. Im Vertrieb hingegen tun sich weltweit sehr unterschiedlich funktionieren- traditionelle Versicherer mit allen digitalen den Versicherungsmärkten nicht leicht zu schaf- Modellen schwer. Allerdings heißt dies nicht, fen. InsurTechs haben es hier per se schwerer dass der Vertrieb ganz auf neue Modelle als FinTechs. umschwenken wird. Neben den neuen Spielern bleibt ein bedeutender Marktanteil Auswirkungen auf den für traditionelle Vertriebe, die es schaffen, Versicherungsstandort in digitale Omni-Kanalmodelle zu migrieren. Deutschland Im Bereich des Versicherungsbetriebs identi- fiziert die Studie vor allem die Rückversicherer Deutschlands Versicherungssektor hat heute als potenzielle Gewinner, wenn es um digi- global eine sehr gute Position. Neben Unter- tales Underwriting geht. nehmen, die weltweit zu den führenden An- bietern gehören (Allianz, MunichRe) weist •• Neueintritte aus anderen Industrien: Auch Deutschland nach den USA auch die höchste Quereinsteiger haben Erfolgschancen in der Anzahl von InsurTech-Gründungen auf. Assekuranz. Bei Angeboten aus den Bereichen Allerdings sind viele dieser Gründungen in „Internet of Things (IoT)“ und dem ganzheit- Bereichen mit nur mittlerem Potenzial tätig, lichen Ansatz „von versichert zu geschützt“ während vielversprechendere Bereiche in können Spieler aus vorgelagerten Industrien Deutschland noch weitgehend brach liegen. ihre Wertschöpfungskette erweitern. Das gilt Es bedarf viel Arbeit und Investitionen, um die etwa für die Automobilindustrie im Bereich globale Position zu erhalten oder gar auszu- der Telematik. Während bei IoT-Themen die bauen. Doch die Mühe könnte Früchte tragen: vorgelagerten Industrien deutlich im Vorteil Einige der deutschen InsurTechs zeigen schon sind, könnte die Versicherungsindustrie den heute ihr Potenzial, sich auch international Wettbewerb bei Schutzprodukten durchaus erfolgreich zu etablieren. über fokussierte Aktivitäten zu ihren Gunsten entscheiden. Im Versicherungsvertrieb wird Welches Level die zu erwartende Disruption ein spannender Wettbewerb der Finanz- erreicht, bleibt abzuwarten. Zwar schmälern portale und Aggregatoren entstehen – einem InsurTechs die Wertschöpfung traditioneller Geschäftsmodell mit hohem Potenzial und Versicherer, aber noch nicht in existenzbe- guten Erfolgschancen. Es ist davon auszu- drohlichem Maße. Es wird einerseits auf die gehen, dass hier InsurTechs im engeren Entwicklung der Kundenbedürfnisse ankom- Sinne die Oberhand gewinnen. men und andererseits auf die Frage, inwieweit sich Oligopole oder gar Monopole bilden. In diesem Fall könnte es eng werden für manchen Versicherer. 5
1. INSURTECH WELTWEIT IM AUFWIND Während der FinTech-Sektor nach Berech- aus der InsurTech-Szene weltweit in 2015 über nungen des Informationsdienstleisters CB dreimal mehr Wagniskapital anlocken können Insights mit einem Investitionsvolumen von als im Jahr 2014. Mit einem Funding von mehr rund 20 Mrd. USD allein in 2015 weltweit als 900 Mio. USD führt der chinesische Online- bereits große Beachtung findet, ist das Thema versicherer ZongAn Insurance die CB-Insights- InsurTech noch vergleichsweise neu. Doch die Liste der am besten finanzierten Start-Ups Finanzierungen steigen auch hier deutlich an. aktuell klar an. Mit rund 2,7 Mrd. USD haben danach Start-ups Abbildung 1: InsurTech-Finanzierungen weltweit im Zeitverlauf und nach Ländern DER FINANZIERUNGSTREND VON INSURTECH-GESCHÄFT INSURTECH-UNTERNEHMEN ZWISCHEN NACH LÄNDERN IN Q2 2016 Q1 2011 UND Q2 2016 In % 1.852 63 52 36 28 30 27 30 21 21 22 22 20 657 18 13 11 13 11 12 10 9 415 369 389 277 10 7 5 4 6 180 171 5 5 4 4 110 43 133 93 3 62 29 22 32 31 44 78 37 18 240 Q1 Q1 Q1 Q1 Q1 Q1 Q2 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2016 Investitionen ($M) Deals USA Andere Deutschland Indien Großbritannien China Kanada Frankreich Quellen: CB Insights DEFINITION Analog zu FinTech verstehen wir unter InsurTech alle neuen, modernen Technologien rund um Versicherungen. INSURTECH… •• betrifft Versicherungsprodukte, deren Vertrieb und den laufenden Versicherungsbetrieb •• wird von neuen, nicht etablierten Unternehmen/Start-ups bzw. industriefremden Unternehmen angeboten. •• basiert auf neuen, digitalen Technologien zur Bereitstellung und Erbringung von Leistungen – also von Web-Technologien über neue Programmierverfahren bis hin zu Daten- Analysetechnologien, die bestimmte Geschäftsmodelle erst ermöglichen.
Eine ganze Reihe von Versicherern haben eigene Versicherungsthemen fokussierte Accelarator- Direktinvestment-Aktivitäten gestartet und Programme wie der W1 Forward InsurTech engagieren sich so im InsurTech-Sektor, z.B. Accelerator. Das zunehmende Interesse an über Allianz Digital Corporate Ventures und InsurTech zeigt sich auch in der Anzahl der AXA Strategic Ventures. Zudem entstehen auf Studien und Blogs zum Thema. Abbildung 2: InsurTech-Investitionen von Versicherern weltweit INVESTITIONEN IN TECH-STARTUPS VON VERSICHERERN 55 72 24 4 18 2 2 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Q1 Deals Geplante Deals Quellen: CB Insights Auch in Deutschland gibt es in den letzten drei vielen Start-Ups im Bereich Versicherungs- Jahren einen deutlichen Anstieg bei jenen vertrieb – zwischen 2011 und 2015 immerhin Gründungen, die den Versicherungssektor bereits auf dem zweiten Platz, berichtet CB aufrollen wollen. Im internationalen Vergleich Insights. InsurTech ist ein „Hype-Thema“ liegt Deutschland bei der Anzahl der Early- geworden. Stage-Transaktionen – getrieben durch die 7
2. INSURTECHS SUCHEN IHRE CHANCEN Die Versicherungswirtschaft zählt zu den wich- •• Mit Kapitalanlagen in Höhe von rund tigsten Branchen in Deutschland. Die Versicherer 1,5 Billionen Euro gehören die deutschen mit traditionellen Geschäftsmodellen stehen Versicherer zu den größten institutionellen jedoch vor gewaltigen Herausforderungen. Investoren und machen rund ein Drittel des gesamten verwalteten Vermögens in Für Start-ups bietet die Versicherungsbranche Deutschland aus. als attraktiver Massenmarkt viele Angriffsflächen. Die Newcomer treten mit neuen Digitalkon- •• Über viele Jahrzehnte wuchs die Versich- zepten an, um entweder Kundenbedürfnisse erungsbranche stabil und profitabel. Von besser zu bedienen oder mit sonstigen Mehrwer- 2005 bis 2014 allerdings lag das jährliche ten schnell Geschäftsanteile hinzuzugewinnen. Beitragswachstum in der Schaden-/ Unfallversicherung mit durchschnittlich Wichtigste Eckdaten der 1,4 Prozent deutlich unterhalb des Wachs- Versicherungswirtschaft tums des Bruttoinlandsprodukts, das 2,6 in Deutschland: Prozent betrug. Hier stützten zuletzt vor allem Preiserhöhungen die Ergebnisse. •• Rund 550 Versicherungsunternehmen sind Die Lebensversicherer erreichten im betref- am Markt aktiv. Nach Angaben des Gesamt- fenden Zeitraum immerhin ein durchschnitt- verbands der Deutschen Versicherungswirt- liches Beitragsplus von 2,5 Prozent. Allerdings schaft (GDV) vereinen sie rund 427 Millionen werden in dieser Sparte die bestehenden Policen auf sich. Garantieverpflichtungen zunehmend zur Belastung – eine Folge des anhaltend •• Allein das vom GDV erfasste Prämienvolumen niedrigen Zinsniveaus. lag im Jahr 2014 bei 193 Milliarden Euro. Damit entsprechen die Beitragseinnahmen Branche steht vor der im Verband organisierten Versicherer großen Herausforderungen: fast sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts. •• Obwohl die Versicherungsunternehmen •• 2014 beschäftigten die deutschen Versich- vieles leisten sowohl als Partner der Kunden erungsunternehmen rund 211.500 Arbeit- wie auch als Arbeitgeber, wird ihr traditio- nehmer. Zählt man Makler, Agenturkräfte nelles Wertversprechen in der Öffent- und indirekt Beschäftigte hinzu, sind mehr lichkeit vermehrt kritisch wahrgenom- als eine halbe Million Menschen im deutschen men. Die Herausforderungen der Branche Versicherungsgewerbe tätig. sind groß: •• 2014 betrug das Geldvermögen privater •• Das generell hohe Gehalts- und Sachkosten- Haushalte in Versicherungen und Pensionen niveau schränkt die Gesellschaften erheblich rund 1,9 Billionen Euro – das ist mehr als ein, was ihre Flexibilität für die anstehen- ein Drittel des gesamten Geldvermögens den Veränderungen angeht. Gehaltsstei- der Deutschen. gerungen und aus dem Ruder laufende Sachkosten verschärfen das Problem. 8
Zwar versuchen alle großen Versicherungs- Erneuerung der IT-Landschaft. So beschäf- gesellschaften seit rund drei Jahren mit tigen sich über 60 Prozent der Befragten Kostensenkungsprogrammen gegenzu- mit Projekten zur Ablösung alter IT-Systeme. steuern. Doch die erhofften Effekte sind Einige Versicherungen wie etwa die Aviva häufig noch nicht voll zur Geltung gekommen, haben indes deshalb Teile der IT in eigene so dass der Druck zur weiteren Senkung der Bereiche oder Gesellschaften auslagert, um Stückkosten in der Sach- und Lebensver- dem Problem zu begegnen. Hier sollen sich sicherung anhält. die IT-Mitarbeiter ausschließlich auf digitale Innovationen fokussieren können. •• Steigende regulatorische und rechtliche Anforderungen an die Versicherer treiben •• Der Automatisierungs- und Digitali- die Kosten zusätzlich in die Höhe, ohne dass sierungsgrad bleibt auf niedrigem Niveau, die Unternehmen hieran etwas ändern können. obwohl eine Versicherung ein immaterielles Produkt ist. Zahlreiche Medienbrüche in den •• Durch das Internet informieren sich die existierenden Prozessen verteuern zusätzlich Kunden mittlerweile viel besser. Internetseiten die Leistungserstellung. Die sogenannte und Vergleichsportale machen Produkt- Dunkelverarbeitungsquote ist gering – also landschaft, Leistungsmerkmale und Preise der Teil der Prozesse, der vollautomatisch immer transparenter. Dadurch laufen im Verborgenen abläuft. Auch der Standar- zumindest Standard-Versicherungsleistungen disierungsgrad in den Prozessen ist ausbau- Gefahr, zu einem Commodity-Produkt ohne fähig: Noch werden gleichartige Produkte echtes Differenzierungspotential im Wettbe- teilweise deutlich unterschiedlich abgewickelt. werb zu werden. Sinkende Produktmargen sind die Folge, bei der Kfz-Versicherung ist •• Das Niedrigzinsniveau führt dazu, dass dies bereits klar zu beobachten. alle Produktsparten, die Anwartschaften bilden oder einen Ansparcharakter haben •• Versicherer haben oft eine überalterte (z.B. Kranken- und Lebensversicherungen) Belegschaft, zudem sind sie als Arbeitgeber unter massiven Druck geraten. Versicherern tendenziell wenig beliebt. Der steigende fällt es immer schwerer, die notwendigen Bedarf der Unternehmen an Fachkräften, Renditen zu erwirtschaften, um ihren besonders Akademikern, wird künftig noch künftigen Verpflichtungen nachzukommen. schwieriger zu decken sein. Dies gilt umso mehr, wenn wie jüngst bei Bundesanleihen geschehen sogar negative •• Teils gravierende Hemmnisse ergeben sich Renditen am Kapitalmarkt drohen. aus veralteten IT-Systemen. Sie wurden selten modernisiert oder sind durch Zukäufe •• Seit 2011 müssen Lebensversicherer eine zu unflexiblen Silo-Systemen geworden. Eine Zinszusatzreserve bilden, um die Lücke Studie der Oliver Wyman Tochter Celent zwischen den zugesagten Mindesterträgen unter 113 Versicherern benennt die Haupt- und den am Markt tatsächlich erzielbaren probleme beim Einsatz alter IT-Systeme: Zinsen zu schließen. Bis Ende 2014 haben Es hakt im Kundenservice sowie beim schnel- die Unternehmen hierfür bereits über len Entwickeln und Einführen neuer Pro- 20 Milliarden Euro aufgebracht – mehr als dukte – und auch die Effizienz im Produkt- das Eineinhalbfache ihres Eigenkapital- management leidet. Optimierungen an den bestands. In den kommenden Jahren müssen bestehenden Systemen sind extrem komplex Lebensversicherer davon ausgehen, dass und führen immer wieder zu unerwünschten der Referenzzinssatz weiter verringert wird Nebeneffekten oder scheitern komplett. und sie noch höhere Reserven bilden müssen. Viele Versicherungsgesellschaften kämpfen laut Studie vor allem mit Projekten zur 9
•• Produktvertrieb und Kundenbetreuung •• Durch die in Deutschland vorherrschende stehen vor einschneidendem Wandel: Sie indirekte Vertriebsstruktur über Agenten, erfolgen heute noch oft über Intermediäre. Makler und Drittvertriebe wie Banken haben Das können Makler sein, Mehrfachagenten, die Versicherer auf der Vertriebsseite in der Banken und sonstige Drittunternehmen oder Regel keinen direkten Kontakt zum End- Vermittler, darunter auch Ausschließlich- kunden. Die Kundenbedürfnisse sind daher keitsorganisationen, die exklusiv an ein teilweise schlichtweg unbekannt, vor bestimmtes Versicherungsunternehmen allem im Bereich der Gewerbeversicherungen. gebunden sind. Dieses indirekte Vertriebs- Wettbewerb von kundenzentrierten Digital- modell führt zu hohen Kosten. So bewegen modellen, deren Stärke nicht zuletzt darin sich die Abschlussprovisionen je nach Produkt besteht, schnell auf wechselnde Kunden- zwischen zehn und über 30 Prozent der bedürfnisse zu reagieren, gab es daher in Jahresprämie (Sachversicherungen, Makler) der Vergangenheit nicht. und zwei bis fünf Promille der Beitrags- summe (Lebensversicherungen). Teilweise •• Viele Versicherungsprodukte werden kann die Provision sogar deutlich höher von den Kunden nicht aktiv nachgefragt, ausfallen, etwa bei Ausschnittsdeckungen sondern müssen vom Anbieter verkauft oder Annex-Policen. Die Bedingungen ändern werden (sogenannte „Push“- und eben sich zusehends: Eine verschärfte Regulierung keine „Pull“-Produkte). Bei „Pull“-Produkten der Vertriebsvergütung, vorwiegend in haben beispielsweise im Einzelhandel der Lebensversicherung, sowie mögliche Onlineverkaufsmodelle schon zu massiven Gesetzesänderungen etwa im Zuge der Strukturveränderungen geführt. Anders Rentendiskussion könnten nach einer aktu- in der Versicherungswirtschaft: Funktio- ellen Studie von Oliver Wyman zum deutschen nierende rein digitale Verkaufsmodelle für Versicherungsmarkt dafür sorgen, dass „Push“-Produkte sind industrieüber- beispielsweise das Provisionsvolumen für greifend bislang kaum anzutreffen. gebundene Vertriebe bis 2025 um 40 bis 50 Prozent abnimmt. Diese Entwicklung würde •• Auf Leitungsebene der Versicherungsge- vor allem viele kleinere Agenturen und Ver- sellschaften gibt es ein „Generations- mittler zur Aufgabe zwingen. problem“. Viele Vorstände und Aufsichts- räte können sich in die Lebenswelt der •• Widerstände sind zu erwarten: Die von den jüngeren Kunden, die mit Smartphones Versicherern selbst aufgebauten Ausschließ- und Onlinediensten aufwachsen, nicht lichkeitsorganisationen haben eine starke mehr hineindenken. So besteht gegenüber Lobby und stehen Veränderungen – insbe- künftigen Kundengenerationen die Gefahr sondere solchen, die das Machtgefüge im der Entfremdung. Gleiches gilt für die Versicherungsvertrieb verschieben könnten – Vertriebsorganisationen. äußerst skeptisch gegenüber und üben Druck auf die Versicherer aus. 10
3. INSURTECH IN DEUTSCHLAND: POTENZIAL UND ERFOLGSCHANCEN Wer die Dimension der Veränderung erkennen aussichten geschieht im Folgenden auf drei will, muss die aktuellen InsurTech-Entwicklungen Stufen der Wertschöpfungskette: Angebot, entlang der Wertschöpfungskette der Ver- Vertrieb und Versicherungsbetrieb. (Abb. 3) sicherungsbranche systematisch analysieren. Die Bewertung des Potenzials und der Erfolgs- Abbildung 3: Wertschöpfungskette der Versicherungsbranche (vereinfacht) ANGEBOT VERTRIEB BETRIEB • Marktforschung (Kunden, • Marketing • Risikobewertung Wettbewerber, Trends) • Vertriebsunterstützung für und -übernahme • Produktentwicklung Vertriebsorganisationen („Underwriting“) • Direktvertrieb • Asset & Investment (falls vorhanden) Management • Channel Management • Vertragsmanagement, Kundenservice • Schadenmanagement, Betrugserkennung • Zentrale Verwaltung (Personal, Finanzen, Risikomanagement etc.) Die strategische Analyse von Potenzial und neue Versicherungsangebote offerieren, neue Erfolgschancen in dieser Studie basiert auf Ansatzpunkte im Versicherungsvertrieb finden einer einheitlichen Bewertungslogik. Dazu oder den Versicherungsbetrieb optimieren. werden in einem ersten Schritt die InsurTechs Jeder der drei Bereiche besteht wiederum aus in beobachtbare Geschäftsmodelle entlang mehreren Kategorien. (Abb. 4) der Wertschöpfungskette eingeteilt. Zu unterscheiden sind dabei InsurTechs, die 11
Abbildung 4: Kategorien InsurTech-Radar VERTRIEB Lebensdigitalisierer ANGEBOT B2B-Onlinemakler BETRIEB B2C-Onlinemakler Bil an z-/ In egatoren/Finanzportale Aggr ve stm t” en Affiliate Integration n Sc tz tm ike ha hü Un an Ris de sc ialistenvergleichs- En ag Spez portale n ge ale ab de em u“ lin rw igit e g ng ”z rit ent Generalistenver- ed v Di ing t ert Ve rieb er gleichsportale ier Neu er sich rsi e td as t ch Qu y-b rne “ver eru D2C tec ers nit Inte ngs hn Von mu v ch gien ati - nit st olo Com Situ ts- o -C Low Potenzial Um innerhalb einer Kategorie das Potenzial für •• Adressierte Prämienpools: Auf welche Ver- InsurTechs zu bestimmen, liegt das Augenmerk sicherungsarten zielen die neuen Geschäfts- auf zwei Fragen: Wie groß ist der adressierte modelle? Beispiel: Ein Nischenvergleichs- Prämienpool, wie groß ist die adressierte Wert- portal für Reiseversicherungen adressiert schöpfung? Die Berücksichtigung dieser beiden einen kleineren Prämienpool als große Faktoren relativiert die ökonomische Relevanz Generalistenvergleichsportale. Entsprech- einiger InsurTech-Geschäftsmodelle deutlich. end variieren die umkämpften Beitrags- einnahmen. (Abb. 5) 12
Abbildung 5: Prämienpools im privaten deutschen Versicherungsmarkt GEBUCHTE BEITRAGSEINNAHMEN NACH VERSICHERUNGSARTEN/-SPARTEN Bestandsbeiträge inkl. Leben-Einmalbeträge, inländisches Direktgeschäft, in Mrd. EUR Leben1 S/U - Privat S/U - Firmen Kranken 90,3 (48%) 38,8 (21%) 23,7 (13%) 34,0 (18%) 100% Transport (7,4%) Sonstige (2,1%) Krankentagegeld Sonstige Versicherungen2 (3,3%) Zusatzversicherungen (6,9%) Unfall (16,7%) Krankenhaus- Kredit (6,6%) Invaliditätsversicherung (3,1%) Zusatz tagegeld (1,6%) 80% RS (3,8%) RS (6,7%) (15,0%) Kollektivversicherungen (14,1%) Pflegezusatz (2,2%) Haftpflicht (5,5%) Haftpflicht (22,3%) 60% Sach Renten- und Pensionsversicherungen (24,0%) (33,7%) 40% Sach Vollversicherung (33,5%) (75,8%) Fondsgebundene (15,3%) 20% KFZ (46,7%) KFZ Kapitalversicherungen (22,1%) (26,3%) 0% Effekt aus Preissanierung, nur geringer Zuwachs bei “Versicherungssubstanz” Wachstum 2010–2014 (CAGR) >4% 2% bis 4% +2 bis -2% -2% bis -4%
Abbildung 6: Aufteilung der Wertschöpfung – Beispiel Sach- und Lebensversicherung WERTSCHÖPFUNG IN DER SACH- WERTSCHÖPFUNG IN DER LEBENS- VERSICHERUNG: 100 EURO PRÄMIE VERSICHERUNG: 100 EURO PRÄMIE VERTEILEN SICH AUF… VERTEILEN SICH AUF… (Idealisiertes Modell) (Idealisiertes Modell) 100 100 100 100 Kosten für 2,5 5 Vertriebskosten 15 Vertriebskosten den Betrieb 1 Schadenregu- 6,5 lierungs- „Schaden“ aufwendungen 15 Kosten für den Betrieb (RisikoLV) 10 Schadenregulierungs- aufwendungen 50 50 85 60 Schäden Sparanteil 0 0 Wertschöpfung in der Sachversicherung Wertschöpfung in der Lebensversicherung Quellen: Analyse von Oliver Wyman und Policen Direkt Als Anhaltspunkt dienen die im Diagramm Vertriebskosten für manche Sachversicherungs- aufgezeigten idealisierten Modelle von produkte auch deutlich über 15 Prozent Sach- und Lebensversicherungen. Da die bewegen. In der idealisierten Bewertungs- Prämien mit Abschluss der Versicherung systematik dieser Studie aber adressiert gezahlt werden, können Versicherer zudem ein rein vertriebliches Geschäftsmodell eine aus deren Anlage am Kapitalmarkt Gewinne Wertschöpfung von 15 Prozent, dagegen erwirtschaften, was folglich eine weitere eine komplett neue Versicherung (Angebot, Wertschöpfungsquelle im Zeitablauf darstellt. Vertrieb, Betrieb) 100 Prozent. Selbstverständlich variieren die reellen Zahlen mit der Produktkategorie; so können sich 14
Wahrscheinliche Gewinner Auch für die strategische Bewertung der Erfolgs- •• Differenzierung: Hier geht es um eine Ein- chancen schlagen zwei Faktoren zu Buche: schätzung der Wahrscheinlichkeit, mit der Wie marktgängig ist ein Geschäftsmodell sich ein neues Angebot dauerhaft vom Wett- (Konsistenz) und wie stark hebt es sich vom bewerb abheben kann. Basiert ein InsurTech- bestehenden Umfeld ab (Differenzierung)? Produkt beispielsweise auf einer innovativen, nicht trivialen IT-Lösung, so erscheint ein •• Konsistenz: Hier wird eine Einschätzung dauerhafter Wettbewerbsvorteil erreichbar, vorgenommen, ob ein Geschäftsmodell da das durchschnittliche IT-Leistungs- zum tatsächlichen Verhalten der Marktteil- vermögen der deutschen Versicherer aktuell nehmer passt. Trifft es die Kunden-, Drittver- nicht hoch einzustufen ist. Sind Produkte triebs- oder Partnerpräferenzen? Ein wichtiger aber sowohl in der Gestehung als auch im Aspekt dabei ist, ob es sich um ein „Pull“- Auge des Käufers austauschbar, wird eine oder „Push“-Produkt handelt. So gibt es Differenzierung schwer, was die Erfolgs- eine signifikante Anzahl an Verbrauchern, aussichten deutlich mindert. die für die verpflichtende Kfz-Haftplicht ein günstiges Angebot suchen, womit Nachfrage für Vergleiche geschaffen wird (Pull). Hinge- gen wird ein digitales Nischenangebot für ein wenig emotionales und selten benutztes Versicherungsprodukt wie eine Sterbegeld- versicherung nur wenige Verbraucher finden, die es aktiv suchen. Das gewählte Vertriebs- modell und die Kundenpräferenzen passen hier nicht zusammen. 15
4. DIGITALE VERSICHERUNGSANGEBOTE Die Digitalisierung ermöglicht innovative auf Änderungen im Wettbewerbsumfeld Versicherungslösungen auf verschiedenen reagieren zu können – bis hin zur Preisgestal- Ebenen: Zum einen lassen sich klassische tung in Echtzeit analog zu Onlinehändlern. Versicherungsprodukte mittels digitaler Elemente weiterentwickeln. Daneben entstehen Das Problem der Low-Cost-Versicherer in neue Angebote auf Digitalbasis, die risikobe- Deutschland ist der Marktzugang. Der Aufbau haftete Lebenssituationen in den Fokus nehmen einer eigenen Marke ist sehr teuer – ganz abge- und dabei Versicherungsschutz als einen – meist sehen vom Problem, eine Marke differenziert nicht dominierenden – Bestandteil umfassen. zu positionieren. Auch der Zugang zu Neuge- schäft über Aggregatoren oder Suchmaschinen Digitale Versicherungsangebote lassen sich in stellt sich oft als unökonomisch dar. Deshalb sechs Kategorien einteilen: ist die Marktaktivität in Deutschland im inter- nationalen Vergleich in puncto InsurTechs klein, 1. Low-Cost-Versicherungen obwohl Low-Cost-Versicherungen ein Kunden- Wer sein Betriebsmodell weitgehend digitali- bedürfnis direkt befriedigen. Auch zeigen siert und automatisiert, kann die eigenen Beispiele wie Hastings Direct oder Admiral, Gestehungskosten weitgehend minimieren. dass Low-Cost nicht Low-Profit bedeuten muss, Solche Anbieter sind in der Lage, die Preisführer- sofern die Wertschöpfung nicht durch Oligopole schaft zu übernehmen. Erfolgsbeispiele finden im Kundenzugang abgegriffen wird. sich im In- und Ausland. Mal sind es Start-ups, die den Vorteil eines unbelasteten Beginns Ein weiteres Feld, das einer Low-Cost-Struktur („grüne Wiese“) nutzen. Aber auch Töchter bedarf, sind Mikroversicherungen für kleine etablierter Versicherer können im Niedrigkosten- Risiken wie Gefahren im Onlinehandel. So hat segment erfolgreich sein. Die Verbindung zum der von Alibaba mitgegründete reine Online- Konzern birgt Vor- und Nachteile: Begünstigend versicherer Zhong An bereits Mikroversicher- wirken Markenstärke und der Zugriff auf echtes ungen an 150 Millionen Kunden verkauft. Know-how, hemmen können hingegen eine Solche Versicherungsprodukte, die nur wenige träge Kultur oder bürokratisches Vorgehen. Euro oder gar Cent kosten, sind grundsätzlich Heute zeigen Erfolgsbeispiele wie HUK24 oder eine gute Spielwiese für InsurTechs. Denn Cosmos Direkt, dass man sehr wohl über Modelle Betriebsmodelle traditioneller Versicherer mit der losen Einbindung die Vorteile maximieren häufig Stückkosten von weit über 10 Euro sind und Nachteile minimieren kann. Noch domi- hier nicht tragfähig. nieren Töchter etablierter Versicherer den Bereich der Low-Cost-Modelle. Allerdings ist 2. Situative Versicherungen nicht auszuschließen, dass in Zukunft techno- Klassische Versicherungsprodukte können so logieorientiere Neugründungen Wege finden, weiterentwickelt werden, dass die auch für eine über eine viel tiefer gehende Digitalisierung Kurzzeitdeckung in Frage kommen. In diesem noch bessere Kostenpositionen zu erreichen. Bereich gibt es einige Aktivitäten in Deutschland, Im Ausland ist zudem zu beobachten, dass sowohl von Start-ups als auch von etablierten Low-Cost-Versicherungen auch Agilitätsvorteile Versicherern. Im digitalen Zeitalter erfolgt der ausnutzen, um schneller als etablierte Konzerne Abschluss meist unkompliziert über eine App 16
wie etwa beim Anbieter AppSichern. Ein weiteres Risiken sozialisieren – gewissermaßen ein Beispiel liefert eine Innovation der Tokio Marine, „Back to the Roots“. die die Barmenia jüngst in Deutschland in ähn- licher Form aufgegriffen hat: Hier lassen sich Der Begriff „Peer-to-Peer“-Versicherungen führt kurzfristig in der Autoversicherung Altersgrenzen dennoch etwas in die Irre. Denn typischerweise aufheben. So können Eltern ihrem Nachwuchs ist der Community-Ansatz mit einer Rückdeck- an einzelnen Tagen das Fahren unter ihrem ung für Großschäden durch einen etablierten Versicherungsschutz ermöglichen, müssen aber Primär- oder Rückversicherer gekoppelt. Zwar für den Rest des Jahres nicht auf den Prämien- trägt die Community in der Regel einen Teil des vorteil dank einer Mindestalter-Vereinbarung Schadens selbst, der eigentliche Versicherungs- verzichten. Auch lässt sich per App der Standort schutz wird jedoch von einem bonitätsstarken des Versicherungsnehmers im Verkaufs- oder Versicherungsunternehmen gewährt. Der Com- Deckungsprozess nutzen: So kann ein Anbieter munity kommt eine andere wichtige Aufgabe zu: wie Bankinter den Nutzern von Geldautomaten Die dient dazu, kosteneffizient Versicherungs- im Ausland ein gekoppeltes Angebot für eine nehmer mit gleichgerichteten Interessen zu Reiseversicherung machen. Situative Versich- akquirieren und – so die Annahme – Versich- erungen senken auch die Reaktionszeit: Selbst erungsbetrug zu verhindern. Damit sinken kurzfristig oder in Echtzeit gewonnene Infor- zugleich die Risikokosten. Das Ergebnis ist mationen können einfließen in Deckungs- letztlich ein Gruppentarif. konzepte oder die Preisfindung. In der Landwirt- schaft bietet die ClimateCorporation bereits Da Versicherungen kaum das Zeug haben zu Kurzzeit-Erntedeckungen an. emotionalisieren, ist die Akquise von Community- Mitgliedern aufwendig. In Deutschland halten 3. Community-basierte Versicherungen sich die P2P-Aktivtäten bislang in Grenzen. Der Freundes- und Bekanntenkreis der Versicher- International existieren einige Modelle, benötig- ten spielt bei Community-basierten Angeboten ten aber teils hohe Anschubfinanzierungen – die entscheidende Rolle: Aus Unternehmenssicht beispielsweise Lemonade in den USA. Mit Big- geht es darum, soziale Mechanismen zu nutzen, Data-Tools und Advanced Analytics soll hier um die Vertriebskosten oder das Versicherungs- Betrug vermieden und die Interessengleichheit risiko zu senken. Selbst im später behandelten der Community-Mitglieder sichergestellt werden. Bereich des Underwriting/Risikotransfers (siehe Kapitel Betrieb) gibt es entsprechende Auch gezielte Kaufabsichten lassen sich über Ansätze, etwa Uvamo. P2P-Ansätze generieren: So sollen die üblichen Vertriebskosten durch Mundpropaganda in Eine Spielart des Community-basierten Ange- einer Community stark reduziert werden, dem bots ist die „Peer-to-Peer” (P2P)-Versicherung Versicherungsnehmer wird sogar ein positives wie sie Friendsurance offeriert. Die Grundidee: Gefühl beim Abschluss vermittelt. Um das zu Eine Gruppe von Menschen mit ähnlichen schaffen, muss man sich als Anbieter geschickt (Risiko-) Merkmalen findet sich über digitale in einer Community positionieren. Der deutsche Kanäle als Community zusammen – und gibt Anbieter Community Life zum Beispiel versucht, sich gegenseitig Risikoschutz. Damit greifen sie sich als fair, transparent und nicht von Eigen- den ganz ursprünglichen Gegenseitigkeits- interessen getrieben darzustellen – ganz in gedanken des Versicherungswesens auf: Man Abgrenzung zum bisweilen negativen Image will füreinander einstehen, die Auswirkungen der Versicherungsbranche. negativer Ereignisse dämpfen und große 17
Andere Industrien haben diesen Gedanken Diese Preisnachlässe tatsächlich zu erwirt- bereits auf eine höhere Ebene gehoben. Die schaften, fällt Anbietern gerade im Telematik- Idee: Man schafft eine dezidierte Community, bereich jedoch schwer. Einfacher haben es die in spezifischen Fragen möglichst glaubhaft Angebote im Gewerbe- und Industriebereich, berät. Das funktioniert besonders gut bei Pro- da sich über den reinen Versicherungsschutz dukten mit einer hohen Emotionalisierung, wie hinausgehende Dienstleistungen bündeln die Erfolge von Bewertungsportalen wie lassen, so etwa im Flottenmanagement. HolidayCheck und TripAdvisor im Reisebereich zeigen. Nimmt das emotionale Engagement 5. Von „versichert“ zu „geschützt“ ab, so wird es bereits deutlich schwerer, analoge Dieser Terminus beschreibt Produkte, denen Geschäftsmodelle aufzubauen. Im Bereich ein neues Grundverständnis des Anbieters der Finanzanlage tun sich beispielsweise innewohnt. Sie umfassen systematisch mehr Community-Modelle wie sharewise oder wikifolio als eine reine Versicherungsleistung. Statt schon schwerer. Unwahrscheinlich erscheint, nur Notnagel für den Schadenfall zu sein, dass man aktuell mit dem Thema Versicherungen adressiert der Versicherer umfassend das landen kann, denn noch stärker fehlt hier die Kundenbedürfnis nach Schutz. Kurz: Er liefert emotionale Bindung. Ein möglicher Ausweg „erlebbare Sicherheit“. sind Modelle, die eine positive Positionierung mit finanziellen Anreizen kombinieren. Ein Bei- Die Produkte entstehen meist aus der Bünde- spiel hierfür ist Haftpflichthelden. Der Anbieter lung von Dienstleistungen. Es kommen dabei zielt auf ein positives Anti-Establishment-Image Elemente aus der „Value Chain of Risk“ (etwa und bietet zugleich monetäre Anreize, das Risikoanalyse, Prävention, Monitoring, Eingriff) Produkt im Freundes- und Bekanntenkreis zusammen mit Elementen aus der Wertschöpf- zu vermarkten. ungskette im Schadenfall und der Kernver- sicherungsleistung. Verbreitet sind derartige 4. Internet der Dinge Angebote heute bereits bei Cyberrisiken: So Zunehmend kommen Versicherungsprodukte verknüpft beispielsweise der Anbieter ACE auf, die Daten physischer Objekte nutzen. spezielle Versicherungen mit Risikoanalyse, Überwiegend handelt es sich dabei derzeit um Prävention und Dienstleistungen im Schaden- Telematik-Daten, die für die Kfz-Versicherung fall zu einem gesamthaften Schutzprodukt. relevant sind. Aktiv sind hier bereits Allianz, Axa, Indem man Schutzprodukte mit weitergehen- HUK oder VHV. Doch auch im Bereich der Wohn- den Dienstleistungen kombiniert, versucht gebäude- und Hausratversicherung können man die Kundensorgen um ein mögliches Domotik-Daten unterstützen, wie NBC Insurance Schadenereignis zu minimieren. Zu nennen zeigt. Im Bereich der Personenversicherung sind hier Domotik-Angebote, die Warnungen nutzen Anbieter wie Discovery Vitality schon an das Smartphone des Nutzers senden Daten über Körperfunktionen und Aktivitäten („Wasser läuft“, „Einbruch“) oder angebrachte des Versicherten. Im Haupteinsatzgebiet Tele- Abwehrreaktionen ermöglichen („Hauptventil matik werden die Policen in Deutschland weit- schließen“, „Sicherheitsdienst verständigen“). gehend von etablierten Versicherern als Alterna- So gilt es vordringlich, Schäden zu vermeiden, tive zu klassischen Produkten angeboten, was aber auch die Deckung bereitzustellen, sollte mit den bereits genannten Marktzugangs- es doch zu Schäden kommen. Das Produkt problemen zusammenhängt – ähnlich wie im Habit@t Domotik, angeboten von BNP Paribas Low-Cost-Segment. Nutzer tendieren dazu, Cardif, umfasst sogar begleitende Dienst- Nachlässe zu fordern als „Preis der Daten“. leistungen wie das Buchen eines Hotels 18
oder Mietwagens. In Deutschland sind solche mietet, findet bei Lloyd‘s eine entsprechende Angebote bisher selten. Ein erstes Start-Up Absicherung. Axa kooperiert mit dem asiatischen ist die OTTOnova, die als Krankenversicherer Uber-Konkurrenten Grab, um eine Deckung nicht nur Geldleistungen anbieten, sondern anzubieten, Uber selbst macht gemeinsame das Thema Gesundheitsfürsorge transparent, Sache mit der James River Insurance Company. einfach, ganzheitlich und digital gestalten möchte. In Summe findet man aktuell in Deutschland digitale Versicherungsangebote im 6. Neue digitale Risiken Wesentlichen im Low-Cost-Segment, zweitens Die Digitalisierung schafft neue Risiken – und bei situativen Versicherungen und drittens entsprechende Nachfrage nach Schutzpro- rund um das „Internet der Dinge“. Der dukten. Das wohl prominenteste Beispiel Auftritt von Internet-Versicherern wie HUK 24 ist die Cyberversicherung, die Versicherer markiert den historischen Beginn digitaler teilweise solo gegen Cyberattacken anbieten Angebote – Grundidee war damals der Low- oder auch im Bündel mit anderen Angeboten. Cost-Gedanke. Situative Versicherungen BitGo, Coinbase, Circle, Xapo oder BTC Delta können auch als Testballons gesehen werden, sind entsprechende Beispiele im Bereich die mit kleinem Geld starten, um einen Blockchain. Die Bandbreite ist groß, auch wenn „Proof of Concept“ für eine voll digitale es in Deutschland noch relativ wenige Entwick- Abschlussstrecke zu erbringen. Das Thema lungen gibt. Swiss Life Frankreich bietet eine „Internet der Dinge“ wächst vor allem infolge weitere Spielart und versichert die Online- des jüngsten Trends zu Telematiktarifen in der reputation von Privatleuten. Auch Risiken, die Kfz-Versicherung. In den anderen Kategorien durch die Sharing Economy entstehen, führen ist die Aktivität in Deutschland noch sehr zu neuen Produkten. Wer zum Beispiel über begrenzt, während international schon mehr AirBnB seine Wohnung kurzzeitig unterver- Bewegung herrscht (Abb. 8). 19
Abbildung 7: Aktuelle Marktaktivität im Bereich digitaler Angebote (Beispiele) GESCHÄFTSMODELLE DEUTSCHLAND GLOBAL „ANGEBOT” START-UPS ETABLIERTE START-UPS ETABLIERTE • Deutsche Internet1 • Cosmos Direkt • BIMA • Cofunds • D24 Berlin Direkt • esure • Esurance Insurance • Europa Versicherungen • Hargreaves Lansdown • Services 1 • HUK 24 • Hastings Direct • Intact Insurance • Versicherung AG •… • Quotemehappy Low-Cost •… •… • KASKO • Barmenia • Cover • bankinter • Scan2Insure • Bayerische Beamten • Slice • Tokio Marine • SituatiVE/AppSichern Lebensversicherung • The Climate Corporation Insurance Group 2 • HDI • Trōv •… •… •… Situativ • Community Life • Gaggel • Generali • Friendsurance • Guevara •… • Haftpflichthelden • Inspeer 3 • Netinsurer • Tong Ju Bao Community-basiert •… • HUK-COBURG • Ingenie • Automobile Insurance • Signal Iduna • Insure The Box • AXA • SV Sparkassen • WeSavvy • Progressive Snapshot 4 Versicherung •… • State Farm Mutual • VHV Allgemeine Internet der Dinge Versicherung •… • OTTOnova • Axa • Oscar • Axa •… • Wallflower Labs • BNP Paribas Cardif •… • Hiscox 5 •… Von „versichert” zu „geschützt” • Allianz • SafelyStay • AIG • HDI Versicherung • SafeShare Global • Lloyd’s •… • Safeware • Swiss Life 6 • Y-Risk • XL Group •… •… Neue digitale Risiken Aktivitätsniveau Hoch Niedrig 1. Mittlerweile umbenannt in Europa go und Teil der Contientalen Wer die aktuelle Marktaktivität nun vergleicht Potenziale im deutschen Versicherungsmarkt, mit der strategischen Bewertung digitaler sowohl für Versicherer als auch für InsurTechs. Versicherungsangebote, stößt auf bemerkens- werte Erkenntnisse. Es ergeben sich weitere Potenzial Das größte Potenzial für Angebotsinnovationen können die Modelle die volle Wertschöpfungs- besteht in den drei Kategorien „Internet der kette des Versicherungsgeschäfts umfassen. Dinge“, „von versichert zu geschützt“ und Leichte Abstriche sind in diesem Punkt jedoch „neue digitale Risiken“, gefolgt von Low-Cost bei den Low-Cost-Versicherungen zu machen, Angeboten. Alle vier Bereiche adressieren einen da sie sich notwendigerweise günstig im Markt Prämienpool von relevanter Größe. Außerdem positionieren müssen. 20
Tatsächliche Versicherungsangebote exis- dass Versicherungen zum einen nur selten aktiv tieren in Deutschland bisher nennenswert nachgefragt werden und zum anderen wenig nur in den Kategorien „Low Cost“, „Internet emotionale Produkte sind. Damit ist es im Fall der Dinge“ und zum Teil bei „Neue digitale der situativen Angebote schwer, Konsumenten Risiken“, wobei die meisten dieser Angebote im richtigen Moment zu erreichen und zum von etablierten Versicherern und nicht von Abschluss zu bewegen. Das gleiche Problem InsurTechs lanciert sind. Das Angebot von stellt für Community-basierte Angebote eine echten Schutzprodukten ist hingegen heute Belastung dar. Dabei ist die Idee im Grunde noch eine Marktlücke. gut, Community-Mechanismen wie Mundpro- paganda oder aktive Vermarktung im Familien- Das Potenzial von „situativen“ und und Freundeskreis zu nutzen und so Vertriebs- „Community-basierten“ Angebotsinno- kosten zu sparen. Allerdings gibt es bis heute vationen muss man deutlich skeptischer kein Modell, das diese Grundidee wirklich beurteilen. Beide Modelle kämpfen damit, überzeugend umsetzt. Wahrscheinliche Gewinner Die größten Chancen haben InsurTechs ausge- In den vielversprechenden Kategorien rechnet in jenen beiden Kategorien „situativ“ „Internet der Dinge“ und „von versichert und „Community-basiert“, in denen das wohl zu geschützt“ wird es für die angestammte geringste wirtschaftliche Potenzial steckt Assekuranz allerdings schwer. Grund: (Abb. 9). Erfolg in beiden Kategorien erfordert Der Kundenzugang oder auch das für den echte Innovationssprünge, verbunden mit dem Endkunden interessante Kernangebot liegt Mut, völlig neue Modelle auszuprobieren und hier selten in der Versicherungsindustrie selbst. mit innovativen Mitteln der Kundeninteraktion Dennoch gibt es auch in diesen Bereichen zu verbinden. All das sind klassische Stärken Chancen für die etablierten Versicherer. So von Start-ups. Zudem gibt es Potenzial für leiden etwa InsurTech-Start-ups aus dem technologieorientierte Neugründungen im Bereich der Domotik an ihrer meist geringen Bereich „Low-Cost“. Vertriebskraft. Vertriebskraft ist aber eine klassische Stärke der Assekuranzbranche – Traditionelle Versicherer werden voraussichtlich gerade durch die heute noch vorhandenen die Gewinner im Feld der „neuen digitalen gebundenen Organisationen. Eine Partner- Risiken“ sein. Bei der Absicherung digitaler schaft zwischen einem innovativen Domotik- Risiken handelt es sich um eine Evolution, nicht anbieter und einer etablierten Versicherung, um eine Revolution, die am Ende „Business as die das Produkt über ihre Agenturen vertreibt, usual“ für die Branche ist. Schließlich waren vor erscheint erfolgversprechend. 150 Jahren Automobile unbekannt – heute ist die Kfz-Versicherung die größte Sparte in der Die dahinter liegende Idee, ein starkes Asset Sachversicherung für Privatkunden. Dass im in einem neuen Bereich zu nutzen, hat sich „Low-Cost“-Bereich auch etablierte Versicherer bereits in anderen Industrien bewährt, die gewinnen können, so sie den Mut haben, durch die Digitalisierung massiv verändert „Greenfield-Modelle“ zu lancieren, zeigen die wurden. Das war etwa die Strategie von Fujifilm, vielen Erfolgsbeispiele in Deutschland und im das im Gegensatz zu Kodak durch die Digitali- Ausland. sierung nicht in die Insolvenz getrieben wurde. 21
Fujifilm ist heute kein Filmehersteller mehr, von der deutschen Versicherungswirtschaft sondern im Wesentlichen ein Healthcare- lancierten versicherungsunabhängigen Unfall- Unternehmen. Das Unternehmen hatte erkannt, meldedienst. Auch das Angebot von Swiss Re dass sein wertvollstes Asset die Beschichtungs- und Veolia über Präventionsdienstleistungen technologie ist und dass dieses Asset im Kern für Städte zählt hierzu oder die neue Axa- gewisser Healthcare-Angebote liegt. Auch im Strategie, die einen expliziten Schwerpunkt Bereich der Schutzprodukte versuchen sich die auf das Thema Prävention setzt. etablierten Versicherer aktiv zu positionieren. Beispiele gibt es einige: So etwa den jüngst Abbildung 8: Strategische Bewertung digitaler Versicherungsangebote GESCHÄFTSMODELLE POTENZIAL ERFOLGSCHANCEN WAHRSCHEIN- „ANGEBOT” WERT- DIFFER- LICHER PRÄMIEN- SCHÖPF- KONSIS- ENZIER- GEWINNER POOLS UNG GESAMT TENZ UNG GESAMT Akuell Versicherer; Mittel/ Mittel/ perspektivisch 1 Hoch Mittel Hoch Mittel Hoch Hoch Chancen für Low-Cost InsurTechs Niedrig/ 2 Niedrig Mittel Niedrig Niedrig Niedrig InsurTechs Mittel Situativ Niedrig/ Niedrig/ 3 Mittel Niedrig Niedrig Mittel InsurTechs Mittel Mittel Community-basiert Mittel/ Vorgelagerte Mittel Hoch Hoch Hoch Hoch 4 Hoch Industrien Internet der Dinge Mittel/ Vorgelagerte 5 Hoch Hoch Hoch Hoch Hoch Hoch Industrien Von „versichert” zu „geschützt” 6 Hoch Hoch Hoch Hoch Niedrig Mittel Versicherer Neue digitale Risiken Strategische Chancen Hoch Niedrig 22
5. VERTRIEB VON VERSICH- ERUNGSPRODUKTEN Die mit Abstand meiste Start-up-Aktivität ist oft keine Versicherer, sondern häufig reine aktuell im Versicherungsvertrieb zu beobachten. Maklerunternehmen. Entsprechend niedrig Die Markteintrittshürden für Kundenakquise sind die Markteintrittsbarrieren – sofern nicht und -betreuung sinken. Die Herausforderer ein eigener Versicherungsbetrieb aufgebaut kommen aus verschiedenen Bereichen, nicht wird. Die Kundenakquise erfolgt schwerpunkt- alle sind Neugründungen. Sowohl etablierte mäßig online. Wenn eine Marke vollständig neu als auch neue Technologieanbieter, die sich auf aufgebaut werden muss, sind große Marketing- vertriebsunterstützende Software für Makler – Budgets erforderlich. HUK24 hingegen konnte etwa Vergleichsrechner – spezialisiert haben, positive „Spill-Over“-Effekte durch den Bekannt- heben das Onlineangebot auf ein hohes pro- heitsgrad der HUK als einem etablierten fessionelles Niveau. Damit wird die Unterschei- Versicherer erzielen. dung zukünftig schwerer fallen, ob es sich um neue Onlinemakler oder traditionelle Makler 2. Generalistenvergleichsportale mit optimiertem Onlineangebot handelt. Auf Diese Onlinevergleichsportale, auch „Price die Anbieter dieser Technologien geht die Unter- Comparison Websites“ oder PCWs genannt, suchung noch näher im Kapitel 6 („Enabling sind marketinggetrieben und umfassen ein Versicherungsvertriebe“) ein. breites Sortiment, zu dem auch Versicherungen und Finanzprodukte zählten (z.B. bei Check24, Grundlage für die Geschäftstätigkeit ist in der Verivox oder Toptarif). Mit meist sehr großen Regel der Status eines Versicherungsmaklers, Marketing-Budgets steigern die Portale auf also eine Gewerbeerlaubnis nach §34d Abs. 1 vielen Kanälen ihre Bekanntheit. Bei den ange- GewO. Nicht alle Marktteilnehmer arbeiten mit botenen Versicherungen liegt der Fokus auf einem umfassenden Maklerauftrag, manche solchen Policen, über die sich Kunden aktiv vermitteln nur einzelne Produkte. informieren und die diese online abschließen wollen (sogenannte „Pull“-Produkte). Grund: Folgende acht Geschäftsmodelle im Vertrieb Den Betreibern der Vergleichsportale fällt es lassen sich ausmachen: leicht, sich als natürlicher Bestandteil des Such- prozesses des Kunden zu positionieren. Die 1. Direktvertrieb/D2C-Versicherer Auswahl erfolgt dann über meist proprietäre In diesen Geschäftsmodellen werden Versicher- Onlinevergleichsrechner, die dem Kunden ungsprodukte digital vertrieben, meist unter- beim Sparen helfen sollen. stützt durch ein Call Center. Das Vertriebsver- sprechen beruht entweder auf einem Kosten- Der Fokus liegt daher aktuell auf „einfachen“ vorteil (z.B. bei HUK24 oder Cosmos Direkt), Versicherungen ohne Beratungsbedarf. Aller- einer besonders einfachen Handhabung oder dings gibt es bereits Bestrebungen wie etwa auf einem sonstigen Extra (z.B. bei Fibur oder bei Check24, das Versicherungsangebot hin fairr), sei der Mehrwert nun echt oder nur zu einem Vollversicherungsmakler mit digitaler vermeintlich. Start-ups in diesem Bereich sind Versicherungsakte zu erweitern. 23
Die Onlinevergleichsportale sind seit Jahren Wer den Marktzugang über eine rein online etabliert und damit keine Start-ups im engeren basierte Kundenakquise schaffen will, tut sich Sinne mehr. Sie haben aber das Kräfteverhältnis schwer. Gegen die großen Marketing-Budgets beim Versicherungsvertrieb für „Pull“-Produkte der Versicherer und der Generalistenvergleichs- in den vergangenen Jahren verschoben und portale ist kaum anzukommen. So sind die sich als neue „General Digital Play“-Marktteil- kommerziellen Erfolgsaussichten der speziali- nehmer etabliert. So sind sie im weiteren Sinne sierten Vergleichsportale eher gering. Die auch „InsurTech“ relevant. Anbieter von Kostenoptimierungen bei Arzt- rechnungen sind hier prinzipiell besser posi- 3. Spezialisierte Vergleichsportale tioniert, da Patienten aufgrund der möglichen Während die etablierten Modelle alle Genera- Einsparungen aktiv im Internet nach Lösungen listen sind, versuchen es neu gegründete suchen. Ein Massenphänomen sind sie jedoch Vergleichsportale oft mit einer Spezialisierung. auch nicht. Treten diese spezialisierten Ver- Mal fokussieren die Gründer auf bestimmte gleichsportale zusammen mit Versicherern Versicherungsarten. Diese können sowohl im auf (z.B. wie Ergo Direkt bei der Zahnzusatz- Massenmarkt liegen (z.B. Covomo mit Schwer- versicherung), kann man das Geschäftsmodell punkt im Reisebereich) als auch auf Nischen- auch als ein „Affiliate Integration“-Modell produkte zielen (z.B. comparon für Sterbegeld- betrachten. versicherungen). Als Basis dienen selbst ent- wickelte Onlinevergleichsrechner. International 4. Affiliate Integration gibt es hier eine Vielzahl von InsurTechs, in In dieser Vertriebsart werden Versicherungs- Deutschland ist das Feld sehr beschränkt. abschlüsse an eine andere Hauptleistung gekoppelt. Solche sogenannten Annex-Ver- Eine Sonderform der spezialisierten Vergleichs- sicherungen oder Bündelangebote findet portale sind die Angebote zum Vergleich von man etwa rund um Reisen. Start-ups wie Arzt- oder Zahnarztkosten (vor allem bei Heil- simplesurance und massup entwickeln voll und Kostenplänen, z.B. zahngebot.de oder digitale Abschlussstrecken, bei denen der zahnarzt-preisvergleich.com) und zum Wechseln Zielkunde ohne Medienbruch „per Klick“ zur von Tarifen innerhalb der PKV (z.B. Minerva Police gelangt. Als Partner fungieren meist Kundenrechte). Ziel ist jeweils, die Kosten Plattform- und Shopbetreiber, die eben Reisen für den Patienten zu senken. Diese Anbieter oder hochwertige Elektronikgeräte anbieten. nutzen ihren Onlineauftritt nur zur Kunden- Zentrales Element dieses B2B2C-Geschäfts- akquise. Zielkunden sind Privatkunden, einen modells ist eine enge technologische Verzahn- vollumfänglichen Maklerauftrag streben die ung der Shoplösung des Hauptanbieters Vergleichsportale nicht an. (daher „Affiliate Integration“) mit dem Under- writing der einbezogenen Versicherungs- Auffällig ist, dass der Produktfokus bei den gesellschaft. Onlinevergleichern teilweise auf „Push“-Pro- dukten liegt, mit deren Vertrieb sich auch eta- Das Start-up stellt für die Kopplung in der Regel blierte Direktversicherer schwer tun. Doch selbst eine White-Label-Lösung bereit. Schließlich wer den Fokus auf ein „Pull“-Produkt wie die ist dem Privatkunden, der neben seiner Reise Kfz-Versicherung legt, hat keine Erfolgsgarantie, eine Rücktrittversicherung abschließt, auch wie das Beispiel von autoversicherung.de zeigt. egal, über welchen Anbieter die technische Abwicklung erfolgt. Das Leistungsversprechen 24
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