2/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
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UNIVERSITAS 2/20 Mitteilungsblatt ISSN 1996-3505 Mitglied der Fédération Internationale des Traducteurs
2 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 INHALT Agenda Translation 5 Dagmar Jenner TranslatorInnen als SprachlehrerInnen: Einsatz und Eignung8 Katerina Sinclair Simultan per Video – ein Thema für alle?11 Taskforce RSI Konferenzdolmetschen ON AIR – Hubs als Knotenpunkte des RSI-Dolmetschens 18 Ivana Havelka Post-Editing und das menschliche Gehirn20 Laura Hurot Erfahrungsbericht zum ULG Dolmetschen für Gerichte und Behörden23 Nora Reichart Rezension: Handbuch Dolmetschen – Grundlagen und Praxis 26 Valentina Goldin Mediensplitter28 María Palma UNIVERSITAS-Terminkalender29 UNIVERSITAS Austria Verbandsmitteilungen30 UNIVERSITAS Austria Rätsel32 Vera Ribarich
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 3 EDITORIAL Remote regiert die Welt Liebe Leserinnen, liebe Leser, kurz. Laura Hurot zieht in ihrem Artikel einen Vergleich zwischen künstlicher und menschli- das Coronavirus hält die Welt fest in Griff. cher Intelligenz und betrachtet insbesondere, © John Michael Oliver Und obwohl die strengen Sicherheitsmaßnah- wie sich Post-Editing auf unsere kognitiven Ak- men zumindest in Österreich nun schrittweise tivitäten auswirkt. wieder gelockert werden, hat sich unser Alltag durch COVID-19 doch grundlegend verändert. Ende Jänner gelangte der mittlerweile dritte Wir haben unser soziales Leben heruntergefah- Grundlehrgang des ULG Dolmetschen für Gerich- ren, arbeiten vermehrt von zu Hause aus und te und Behörden für eine Gruppe von stolzen Ab- Bianca Schönhofer, viele von uns hatten bzw. haben mit massiven solventInnen im großen Festsaal der Universität Redakteurin Auftragseinbrüchen und den damit einherge- Wien zu einem krönenden Abschluss. Neben der henden wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen. Verleihung des Titels „Akademische/r Behör- Veranstaltungen und Zusammenkünfte wie Kon- dendolmetscherIn“ für die TeilnehmerInnen des ferenzen, Seminare – oder auch Vorstandssit- Grundlehrgangs nahm dabei auch eine Absol- zungen – muten dieser Tage fast schon als Phä- ventin des Master-Upgrades ihren „Master of nomene aus einer entfernten Vergangenheit an. Arts“ entgegen. Als frisch gekürte Akademische Notgedrungen wurde vieles sowohl im privaten Behördendolmetscherin berichtet Nora Reichart als auch im beruflichen Bereich in den virtu- von ihren Erfahrungen im Lehrgang. Um wichtige ellen Raum verlegt. „Remote“ dürfte das neue berufliche und praktische Grundlagen zum Dol- Buzzword sein. Nicht zuletzt aus diesem Anlass metschen geht es auch in der in dieser Ausgabe hat sich rund um den Ausschuss für Dolmet- behandelten Fachpublikation – lesen Sie dazu schen eine neue Taskforce gebildet, die sich mit die Rezension von Valentina Goldin. dem Thema Remote Simultaneous Interpreting befasst – einen ausführlichen Einstieg in die Abschließend bleibt mir noch zu sagen: Pas- Thematik finden Sie im Blattinneren. Parallel sen Sie auf sich auf und bleiben Sie gesund. dazu hat Ivana Havelka einen kürzlich gegrün- Am besten Sie vertreiben sich die Zeit zu Hause deten Dolmetsch-Hub in Deutschland näher un- mit unserer Mediennachlese und „dem Letzten“ ter die Lupe genommen. (a.k.a. Rätsel) von Vera Ribarich. Darüber hinaus gewährt Katerina Sinclair in Viel Spaß beim Lesen! dieser Ausgabe einen interessanten Einblick in ihre Forschungen zum Einsatz und zur Eignung von TranslatorInnen als SprachlehrerInnen – ein Gebiet, in dem sich viele ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen ein zweites Standbein aufgebaut haben. Auch das allgegenwärtige Bianca Schönhofer Thema NMÜ kommt in dieser Ausgabe nicht zu bianca.schoenhofer@universitas.org Auch Hahnsi hat seinen Homeoffice- © Ekaterina Graf Arbeitsplatz eingerichtet und blickt positiv in die digitale Zukunft.
4 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 IMPRESSUM Das Mitteilungsblatt von UNIVERSITAS Austria, Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen, dient dem Informationsaustausch zwischen den Verbandsmitgliedern. ISSN 1996-3505 Herausgeber: UNIVERSITAS Austria, Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen Gymnasiumstraße 50, 1190 Wien, Tel.: + 43 1 368 60 60, info@universitas.org Redaktion: Bianca Schönhofer, bianca.schoenhofer@universitas.org, Tel.: + 43 664 466 37 44 Ständige Mitarbeit: María Palma, Katerina Sinclair, Vera Ribarich • Koordination Rezensionen: Julia Schöllauf • Lektorat: Karina Ghilea-Trummer Beiträge, Wünsche, Anregungen, Leserbriefe bitte an eine der oben stehenden E-Mail-Adressen senden – danke! Das Mitteilungsblatt erscheint vierteljährlich. Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe: 15. Juli 2020 Grafik und Layout: Sabina Kargl-Faustenhammer Titelbild: “people with different and expert skills connecting and working online together on computer, remote working, work from home and work from anywhere concept, vector flat illustration” © Tong_art / Adobe Stock
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 5 AGENDA TRANSLATION Dagmar Jenner Angesichts dieser beklemmenden Situation wa- ren wir im Vorstand bemüht, unsere Mitglieder so gut wie möglich durch die schwierige An- fangsphase der Krise zu begleiten – damals noch in der (rückblickend naiven) Hoffnung, Illustration und Fotos: © UNIVERSITAS Austria dass der Spuk in ein paar Wochen vorbei sein würde. Es galt, Infos über Hilfsprogramme zu- sammenzutragen, Anfragen von Mitgliedern zu beantworten, Proteste auszuformulieren, uns mit anderen Verbänden, Organisationen und Dachverbänden kurzzuschließen, nationale In- formationen an FIT, FIT Europe etc. zu liefern und vieles mehr. Wir haben uns durch gefühlte hunderte Corona-Newsletter gelesen und stets Dagmar Jenner ist Dolmet- die Medien und Pressekonferenzen der Regie- scherin und Übersetzerin rung verfolgt, um das für uns Wichtigste he- für Englisch, Spanisch und Liebe Kolleginnen und Kollegen, rauszufiltern. Und natürlich haben wir unsere Französisch und Präsidentin Arbeitsabläufe auf Corona umgestellt und unser von UNIVERSITAS Austria. während beim Redaktionsschluss der letzten Fortbildungsangebot neu ausgerichtet. Ausgabe dieses Mitteilungsblatts ein Virus beginnend mit dem Buchstaben C noch kaum Ganz unbestritten hat uns die Coronakrise bekannt war und das beginnende Jahr 2020 in auch im Verband einen Digitalisierungsschub erster Linie mit Beethoven assoziiert wurde, beschert. Als sich abzeichnete, dass wir so ist nun alles anders. Was bei der Mitgliederver- schnell nicht zur Normalität zurückkehren wür- sammlung am 28. Februar da und dort prakti- den, haben wir eine Zoom-Lizenz für den Ver- ziert wurde, erschien exotisch und war kurze band erworben und dank des unermüdlichen Zeit darauf die Norm: Abstand halten. Die Coro- Einsatzes unserer Fortbildungsbeauftragten nakrise hat uns alle mit voller Wucht erwischt: Bettina Schreibmaier-Clasen binnen kürzes- beruflich, privat, gesamtgesellschaftlich. Die ter Zeit unsere ersten beiden Webinare organi- Auswirkungen dieser weltweiten Ausnahmesitu- siert. Technisch lief alles einwandfrei und über ation werden uns wohl noch lange begleiten. 100 Teilnehmende beschäftigten sich online mit Hoffen wir, dass wir eines Tages auf diese Zäsur der deutschen Rechtschreibung und den Fein- zurückblicken können und sagen können: Wir heiten der Angebotslegung. Damit haben wir haben es überstanden. Bis dahin gilt es, mit den oft geäußerten, aber bisher nicht umge- den vielen Sorgen umzugehen und wenn mög- setzten Wunsch nach Webinaren umgesetzt und lich optimistisch zu bleiben. nebenbei ein weiteres Ziel erreicht, nämlich un- sere Fortbildungsangebote für Mitglieder (und die, die es noch werden möchten) in ganz Ös- terreich und darüber hinaus zugänglich zu ma- chen. Auch unsere sonstigen Veranstaltungen sind zum Teil in die virtuelle Welt gewandert, etwa das Meet & Share, organisiert von Tamara Popilka, bei dem wir uns am 7. April über unse- re Sorgen und Bewältigungsstrategien in Bezug auf Corona austauschten. Am 1. April fand unser UNIVERSILunch zum brandaktuellen Thema Re- mote Simultaneous Interpreting (RSI) mit sehr aufschlussreichem Input von Chantal Niebisch Ein Bild aus einer anderen Zeit: unsere Mit- und Thomas Musyl bei großem Interesse (50 Teil- gliederversammlung am 28. Februar nehmende) ebenfalls online statt. Auch wenn wir alle möglicherweise eine gewisse Sättigung
6 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 in Sachen Online-Veranstaltungen verspüren, wird also sehr fleißig genutzt. Auch dies könnte werden wir wohl in Zukunft Webinare mit Prä- eine Lehre für die Post-Corona-Zeit sein: dass senzveranstaltungen kombinieren. Denn, gera- etwa jede zweite Vorstandssitzung online statt- de nach so vielen Wochen Selbstisolation zeigt findet, was Zeit und Kosten spart und sich ins- sich: Es geht ja doch nichts über den persön- gesamt als sehr effizient erwiesen hat. Unser lichen Kontakt. Vorteil als selbstständige TranslatorInnen dabei ist, dass wir alle über sehr gute technische Inf- Kurz nach Redaktionsschluss, nämlich am 9. Mai, rastruktur verfügen. fand unser gemeinsam mit AIIC Region Österreich veranstaltetes Ganztages-Webinar über RSI mit Der Ausschuss für PR und Strategie hat die Zeit dem ausgewiesenen Experten Klaus Ziegler statt. genutzt, um zusammen mit Grafikerin Kineke Mulder einen Folder zur Mitgliederwerbung zu Auch die gesamte Verbandsarbeit hat sich in finalisieren, siehe links. Der Plan war, ihn unter den virtuellen Raum verlagert und derzeit fin- anderem beim Tag der offenen Tür am 18. Mai den Vorstandssitzungen sowie alle Sitzungen zu verteilen. Auch diese Veranstaltung wird unter der Ausschüsse inklusive der neu gegründeten tatkräftiger Organisation der Jungmitglieder-Ver- „Taskforce RSI“ online statt. Unser Zoom-Konto treterinnen nun auf Zoom über die Bühne gehen. Etwas Niedlich-Heiteres kann ich auch berich- Fünf Gründe, Mitglied von ten: Wie bei der Mitgliederversammlung am 28. Februar bekannt gegeben, hat unsere Rob- UNIVERSITAS Austria be, der Star unserer englischsprachigen Image- zu werden kampagne (Seal or seal?) nach der Online-Ab- stimmung nun einen offiziellen Namen: Sealvia! NETZWERK • Kontakt zu anderen Translationspros und Berufs- verbänden • Laufender Austausch mit über 800 Mitgliedern auf verbandsinternen Kanälen Dank einer Initiative von Nóra Uhri, Mitglied • Regelmäßige Netzwerkveranstaltungen, auch unter Einbeziehung fachexterner ExpertInnen im Ausschuss für PR und Strategie, wurde eine • Ein gutes Gefühl, dabei zu sein! Umfrage zu den Auswirkungen von Covid-19 WEITERBILDUNG • Vielfältiges Fortbildungsangebot, von Kurzvorträgen bis auf die berufliche Situation unserer Mitglieder Ganztages-Workshops erstellt. Die Ergebnisse wurden zusammenfas- • Vergünstigungen bei den Fortbildungen befreundeter Verbände send im iBoard zur Verfügung gestellt. Wenig • Zugriff auf Praxisleitfäden und Glossare • Umfassendes Informationsmaterial zu berufsrelevanten überraschend trifft die Krise unsere Mitglieder Themen wie Recht, Steuern und Versicherung hart und 63 % gaben an, dass sie die Krise STARTHILFE • Mentoringprogramm mit Stage-Einsätzen für stark bis sehr stark getroffen hat. Vor diesem angehende TranslatorInnen • Hilfestellung für den Berufseinstieg (Webinar, Videos etc.) Hintergrund hat der Vorstand in einem ersten • Exklusives Jungmitglieder-Netzwerk (Social Media, Schritt beschlossen, die Rechnungen für den Events etc.) • Orientierung bei der Preisgestaltung Mitgliedsbeitrag statt im März erst im Mai zu • Sonderkonditionen für diverse Dienstleistungen verschicken. In weiterer Folge wurde beschlos- ZERTIFIZIERUNG • Möglichkeit zur UNIVERSITAS-Austria-Zertizierung nach sen, den Mitgliedsbeitrag für 2020 um 25 % zwei Jahren ordentlicher Mitgliedschaft • Anerkanntes Qualitätssiegel in der Translation zu reduzieren, um damit unsere Mitglieder • Sichtbarkeit in der öffentlich zugänglichen Online-Daten bank von UNIVERSITAS Austria finanziell zu entlasten. Die entsprechende Nachricht erhalten Sie nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe. Unsere Kassierin Justyna Graken adaptiert von freepik & pixabay INTERESSENS- • Einsatz für den Berufsstand seit über 65 Jahren Bork hat ausgerechnet, dass wir auch mit dem VERTRETUNG • Presseaussendungen, Beratung von Behörden und Unternehmen bei Translationsprojekten, humorvolle reduzierten Mitgliedsbeitrag unsere laufenden Imagekampagnen • Wir stärken unseren Mitgliedern den Rücken! Kosten abdecken können, aber wenig finanzi- ellen Spielraum haben. Deshalb meine Bitte an Sie: Überweisen Sie den Mitgliedsbeitrag Jetzt Mitgliedschaft beantragen! innerhalb der angegebenen Frist. Wenn Sie www.universitas.org den üblichen Betrag (oder gar mehr?) bezah- len können, freuen wir uns natürlich beson- Unser neues Werbemittel zur ders! Dies wäre dann sozusagen ein Solidari- Mitgliedergewinnung tätsbeitrag derjenigen, die von der Krise nicht so stark betroffen sind.
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 7 Was den Bürobetrieb betrifft, so waren wir den da und dort persönliche Grenzen ausgelo- glücklicherweise der Zeit weit voraus, da un- tet bzw. fast gesprengt – weshalb es besonders sere Büromitarbeiterinnen Daniela Kosic und guttut, wenn wir in den letzten Wochen gele- Marlene Hönigsberger schon immer einen Teil gentlich anerkennende Worte zu unserer Arbeit der Arbeit von zu Hause aus erledigten. Nach lesen durften. Schließung der Universitäten und damit ´unse- res am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien befindlichen Büros wird nun die gesamte administrative Arbeit im Homeof- fice geleistet. Sie erreichen unser Team wie ge- wohnt unter info@universitas.org. Übrigens befinden wir uns angesichts der aktu- ellen Ausnahmesituation derzeit in Verhandlun- gen mit der Universität Wien über die Ausset- zung der Büromiete. Vorstandsmitglied Katerina Sinclair hat zuletzt ein weiteres ihrer beliebten Videos fertigge- stellt, diesmal zum Thema Verbandswebsite und den vielen Ressourcen, die sie bietet. Sie finden dieses Video zusammen mit allen ande- ren auf unserem YouTube-Kanal „Universitas Presse“. Weitere Videos sind in Planung. Auch Hahnsi ist anpassungsfähig! Ansonsten waren Generalsekretärin María Pal- ma und ich auch mit diversen Protesten sehr gut beschäftigt, unter anderem gegen die Frei- schaltung der Übersetzungs-Engine eTranslati- Ich hoffe, Sie konnten sich einigermaßen in on der Europäischen Kommission, die bisher nur dieser „neuen Normalität“ einrichten. Ich wün- für Behörden zugänglich war, für KMUs in Euro- sche uns allen, dass bald bessere Zeiten kom- pa. Wir halten diese Entscheidung für überstürzt men und schließe mit der neuen Abschlussfor- und haben dies der Leitung der Generaldirekti- mel: Bleiben Sie gesund. on Übersetzung der Europäischen Kommission so kommuniziert. Etwaigen späteren Protesten Translatorischen Gruß seitens der internationalen Dachverbände wür- den wir uns auf jeden Fall anschließen. Dagmar Jenner dagmar.jenner@universitas.org Apropos international: Zu den vielen bereits bis in den Herbst und Winter 2020 abgesagten Kon- ferenzen zählt auch der FIT-Weltkongress, der im Dezember in Kuba stattfinden sollte. Dieses große Event wird nun voraussichtlich im Dezem- ber 2021 über die Bühne gehen. Rückblickend auf die vergangenen sieben Wo- chen kann ich sagen, dass die Verbandsarbeit in den letzten 10 Jahren für mich selten so in- tensiv war. Und: Noch nie war Verbandsarbeit so lohnend wie jetzt. Ich danke allen Vorstands- und Ausschussmitgliedern, die zwischen Home- schooling und Zukunftssorgen Zeit und Energie gefunden haben, sich für den Verband einzu- setzen. Angesichts des großen Aufwandes wur-
8 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 TRANSLATORiNNEN ALS SPRACHLEHRERiNNEN: EINSATZ UND EIGNUNG Katerina Sinclair T abuthema der für die neuen EU-Länder oder der Migrationsbe- Translationswissenschaft wegungen ab 2015, ist es jedoch anzunehmen, dass heutzutage noch wesentlich mehr Überset- Ausgangspunkt meiner Forschung ist zerInnen und DolmetscherInnen als Sprachleh- die unleugbare Tatsache, dass sehr rerInnen tätig sind. viele ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen bereits während ihres Studiums oder nach ih- Studie rem Studienabschluss als SprachlehrerInnen tätig sind. Trotz dieser allgemein bekannten 18 AbsolventInnen des ZTW, die in den letz- Realität blieb bis jetzt dieser Berufsweg in der ten zwanzig Jahren ihr Studium abgeschlossen Translationswissenschaft vernachlässigt. Die haben, wurden gebeten, ihre Sprachlehrkom- Dr. Katerina Sinclair arbeitet Dissertation hatte daher zum Ziel, die berufli- petenzen anonym einzuschätzen. Als Evalu- als Dolmetscherin und Über- che Erfahrung der ÜbersetzerInnen und Dolmet- ierungstool wurde das quantitative, standar- setzerin für Tschechisch, scherInnen, die als SprachlehrerInnen arbeiten, disierte Instrument Europäisches Profilraster Englisch und Deutsch zu erfassen, zu ermitteln, welche Basis das für Sprachlehrende (EPR) gewählt. Im zweiten und lehrt am Zentrum für translatorische Studium für die Sprachlehrtä- Schritt reflektierten dieselben ProbandInnen Translationswissenschaft. tigkeit bietet und schließlich der Frage nachzu- ihre Sprachlehrkompetenzen und ihre berufli- office@englisch- gehen, ob bereits während des translatorischen chen Erfahrungen in semistrukturierten Inter- tschechisch.at Studiums sprachunterrichtsrelevante Lehrver- views. Gefragt wurde zum Beispiel nach ihrer anstaltungen angeboten werden sollten. Motivation für den Einstieg in den Sprachun- terricht, der absolvierten Weiterbildung, dem Berufseinstieg der ZTW- Unterrichtsbereich, in dem sie tätig sind etc. AbsolventInnen Schließlich wurde auch die Rolle des ZTW bei der Vorbereitung für diesen Berufsweg ermit- Es ist statistisch belegt, dass nur wenige Ab- telt. In der zweiten Phase wurden ExpertInnen, solventInnen nach ihrem Studienabschluss eine also Personen mit abgeschlossener translatori- fixe Stelle finden. Die meisten ÜbersetzerInnen scher und philologischer Ausbildung, gebeten, und DolmetscherInnen müssen ihre translato- die gewonnenen Daten zu diskutieren. rische Tätigkeit auf freiberuflicher Basis aus- üben. Da die Auftragslage in den beruflichen Weiterbildung notwendig? Anfangsjahren stark variieren kann, bauen vie- le AbsolventInnen ein zusätzliches berufliches Eine der zentralen Fragen der Forschungsarbeit Standbein auf, das ein regelmäßiges Zusatz- beschäftigte sich damit, ob die translatori- einkommen generiert. Laut der Statistikstudie schen Kompetenzen eine geeignete Grundlage von Putz et al. (2008) hat die Mehrheit der für den Sprachunterricht bieten, und welche AbsolventInnen des Zentrums für Translati- Kompetenzen für den Fremdsprachenunterricht onswissenschaft nach ihrem Studienabschluss zu erwerben oder zu vertiefen sind. neben ihrer freiberuflichen Tätigkeit auch eine Teilzeitanstellung inne, um ein regelmäßiges Es zeigt sich etwa in Hinblick auf Ausbildung, Einkommen zu garantieren. In fast 40 % der dass die Befragten entweder überhaupt kei- Fälle handelt es sich bei diesem zweiten be- ne oder eine sehr gute Ausbildung im Bereich ruflichen Standbein um die Sprachunterrichts- des Sprachunterrichts aufweisen, und dass tätigkeit. In Anbetracht der gesellschaftspoli- beide Gruppen ungefähr gleich groß sind. Ein tischen Veränderungen des letzten Jahrzehnts, möglicher Grund für diese starke Polarisie- wie etwa der Integrationsvereinbarung und der rung könnte die Intensität der Ausübung der damit zusammenhängenden vorgeschriebenen Unterrichtstätigkeit sein. Das heißt also, dass Deutschkurse, der Eröffnung des Arbeitsmarktes jene AbsolventInnen, die längerfristig intensiv
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 9 Sprachen unterrichten, wesentlich mehr in ihre beschreiben. Herausragend scheint in diesem Fortbildung investieren, als jene AbsolventIn- Kontext jedoch die Passion für das Erschließen nen, die die Lehrtätigkeit als ein zusätzliches, der Bedeutung einzelner Wörter und der geeig- weniger intensiv ausgeübtes Berufsprofil be- neten Kontexte unter vielen ProbandInnen zu „ trachten. Betrachtet man die nach EPR defi- sein. So schildert eine Probandin: nierten Zentralen Kompetenzen, werden insbe- sondere Didaktik/Methodik und Evaluieren von Und die KursteilnehmerInnen su- Lernenden als grundlegend ausbaubare Sprach- chen alles im Google, und dort gibt lehrkompetenzen erörtert. Nur weniger stark es manche Übersetzungen, die total ausgeprägt ist der Vertiefungsbedarf im Bereich falsch sind. Sie finden das Wort, ver- Unterrichts- und Kursplanung und teilweise der wenden es sofort, und das Wort kann Steuerung von Interaktion zu sehen. aber für den gegebenen Kontext un- passend sein. Ich muss ihnen natür- Stärken der TranslatorInnen lich ein paar Beispiele nennen, in welchem Kontext das Wort verwendet Wenig überraschend werden die Sprachkompe- werden kann, und natürlich – diese “ tenz und Sprachbewusstheit als ausgesprochene Kenntnis setze ich oft ein, setze ich Stärken der TranslatorInnen angesehen, eben- sehr oft ein. falls die Interkulturelle Kompetenz, obwohl hier anzumerken ist, dass hiermit sprachunterrichts- relevante interkulturelle Kompetenz gemeint Berufsbild ist. Gefragt, welche translatorischen Kompe- tenzen die TranslatorInnen im Sprachunterricht Signifikat erscheint, dass für die meisten Trans- besonders gut einsetzen, nennen die Befragten latorInnen der Sprachunterricht über Jahre das häufig die Mehrsprachigkeit. So erklärt eine berufliche Standbein bildet. Es handelt sich bei „ Translatorin: den meisten also um keine vorübergehende Tä- tigkeit, sondern um einen langfristigen Einsatz. Da man einfach (unterschiedliche) Als Grund dafür wird neben dem gesicherten Sprachstrukturen kennt, versteht man Einkommen häufig auch die Begeisterung für auch sehr schnell, woher die Fehler der die Unterrichtstätigkeit genannt. Befragt nach Teilnehmenden kommen. Weil man ein- dem Berufseinstieg geben mehr als die Hälf- fach offen ist für andere grammatikali- te der Befragten an, dass sie bereits während sche Strukturen, und dass man, glaube ihres translatorischen Studiums als Sprachleh- ich, rasch eingreifen kann, wenn es zu rende tätig waren. Der am häufigsten genannte Fehlern kommt, und rasch auch eben Grund für die Aufnahme des Sprachunterrichts sagen kann, woher es kommt, und wie bei jenen ProbandInnen, die bereits während “ man das vielleicht lösen kann. Das ist ihres Studiums Sprachen unterrichteten, war auf jeden Fall ein Vorteil. der finanzielle Aspekt. Fast genauso stark war jedoch das Interesse für den Sprachunterricht Auch die Textkompetenz und Recherchierkom- als Motivation zu werten. Bei jenen Befragten, petenz kommen im Sprachunterricht häufig zum die erst nach ihrem translatorischen Studien- Einsatz. Die Palette der (spontan) genannten abschluss die Sprachunterrichtstätigkeit auf- Teilkompetenzen ist sehr breit: Genauigkeit im genommen hatten, war hingegen der stärkste Ausdruck, Paraphrasieren, Phraseologie, Einsatz Beweggrund für den Einstieg in die Sprachun- von Fachsprachen, gute Grammatikkenntnisse, terrichtssparte die schwierige Vereinbarkeit von Landeskunde und einiges mehr, was viele Pro- Familie und Beruf. So äußerte sich eine Proban- bandInnen mit „das Gespür für die Sprache“ din wie folgt:
10 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 „ Ich habe es dann eine Zeit lang gemacht mit Übersetzungen, und Literatur: dann war mein Sohn sehr krank, EPR online. http://www.epg-project.eu/ hatte über 40 Fieber, und ich war projekt-epg/?lang=de (Stand April 2020). sehr, sehr froh, dass er Fieber hatte, weil ich eine große Übersetzung zu Moisl, Angela. 22002. Eine breite Palette. schreiben hatte. Mit über 20 Seiten. Perspektiven für IÜD-AbsolventInnen. In Wieder über das Wochenende. Und Kurz, Ingrid/Angela, Moisl (eds.) Berufs- ich hätte es nicht geschafft, wenn er bilder Für Übersetzer Und Dolmetscher. nicht krank gewesen wäre. Und ich Wien: WUV Universitätsverlag, 9-15. “ habe mir dann gedacht: ‚So kann es nicht funktionieren.‘ Sinclair, Katerina. 2018. TranslatorInnen als SprachlehrerInnen. Qualifikations- Die meisten Befragten sind parallel zum profile und gesellschaftspolitische Sprachunterricht zwar auch translatorisch tä- Rahmenbedingungen. Unveröffentlichte tig, das Verhältnis beider Tätigkeiten variiert Dissertation: Universität Wien. jedoch stark. Putz, Ingrid/ Mosberger, Brigitte /Kreiml, Rolle des ZTW Thomas/ Kaupa, Isabella/ Denkmayr, Eva. 2008. Berufseinstieg, Joberfahrungen und Einstimmig erklären die ProbandInnen, dass Beschäftigungschancen von UNI-Absolven- sie sich ein zusätzliches sprachunterrichtsre- tInnen. Wien: Arbeitsmarktservice Österreich. levantes Angebot am ZTW gewünscht hätten. Im Kontrast dazu plädieren die ExpertInnen für interdisziplinäre Zusammenarbeit und wür- den etwa Schnuppermöglichkeiten oder Orien- tierungshilfe zur Weiterbildung während des translatorischen Studiums für sinnvoll halten. Der Sprachunterricht wird von vielen Überset- zerInnen und DolmetscherInnen mit großer Leidenschaft und sehr kompetent ausgeübt. Es ist nun an der Zeit, das Engagement zahlreicher KollegInnen zu anerkennen, indem man die- sen Beruf thematisiert. Gleichzeitig ist es aber notwendig darauf hinzuweisen, dass die trans- latorische Ausbildung bloß eine gute Ausgangs- basis darstellt, eine sprachunterrichtsrelevante Weiterbildung für die Ausübung der Sprachlehr- tätigkeit jedoch erforderlich ist.
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 11 SIMULTAN PER VIDEO – EIN THEMA FÜR ALLE? Taskforce RSI D ie Informationstechnologie hat in (engl. distance interpreting) gängig geworden. den letzten Jahren cloudbasierte Dol- Zuvor hatte sich seit den 1990er Jahren der Ter- metschplattformen hervorgebracht, minus Remote Interpreting (RI) eingebürgert, mit deren Hilfe völlige Ortstrennung der nach wie vor alternativ verwendet wird3. Fern- zwischen DolmetscherInnen und Konferenzort dolmetschen ist dabei ein breiter Oberbegriff, der möglich ist. Die Bandbreite an Konstellationen eine Reihe von Unterscheidungen zulässt. und technischen Lösungen ist groß und reicht von eigens zu diesem Zweck entwickelten Si- Eine grundsätzliche Unterscheidung betrifft das multandolmetschplattformen (RSI-Plattformen, eingesetzte technische Medium – Telefon vs. wobei RSI für remote simultaneous interpreting Videokonferenz (VK), wobei letztere Bezeich- steht) bis hin zum behelfsmäßigen Einsatz von nung irreführend sein kann, weil sie sich nicht dafür kaum geeigneten Videokonferenzplattfor- auf eine Konferenzsituation (i. S. v. Konferenz- men. Die Coronakrise mit all ihren Begleiterschei- dolmetschen) bezieht. Beim VK-gestützten Dol- nungen gibt diesen Entwicklungen nun ganz neue metschen wird je nach Standort der Dolmet- Aktualität und wird sie sicher beschleunigen. scherIn eine weitere wichtige Differenzierung vorgenommen: Beim sogenannten Videokonfe- Die Taskforce RSI1 wurde ins Leben gerufen, renzdolmetschen (oft im juristischen Bereich) um den Mitgliedern von UNIVERSITAS Aust- wird die DolmetscherIn für eine bestehende ria gebündelte Informationen bereitzustellen. VK-Kommunikation beigezogen und befindet Mit diesem Artikel soll etwas Ordnung in die sich dann an einem der beiden per VK-Schal- Begriffsvielfalt gebracht und über die grund- tung verbundenen Orte. Beim Ferndolmetschen legenden Aspekte aus der Sicht von Konfe- im engeren Sinn ist dagegen nur die Dolmet- renzdolmetscherInnen informiert werden. Wir scherIn nicht vor Ort und wird mittels VK zu- verzichten sehr bewusst auf die namentliche geschaltet, um die Kommunikation zwischen Nennung von RSI-AnbieterInnen. Die Vielfalt GesprächspartnerInnen, die sich gemeinsam ist zu groß, um vollständig darüber zu informie- am selben Ort befinden, zu ermöglichen. Eine ren, genannte AnbieterInnen könnten dies als Dreipunkt-Videokonferenzschaltung, bei der offizielle Empfehlung verstehen, nicht genann- alle Gesprächsbeteiligten an einem jeweils an- te Unternehmen als Diskriminierung. Außerdem deren Ort sind, stellt ein Mittelding dar, dessen kommen laufend neue AnbieterInnen und Lö- eindeutige Bezeichnung noch unklar ist. Unklar sungen dazu und die „ideale“ Plattform gibt es ist jedenfalls auch, wie unschwer zu erkennen unserer Meinung nach ohnehin noch nicht. ist, der Ausdruck „Videodolmetschen“, der hier- zulande vor allem im Bereich des Kommunaldol- Eine ISO-Norm für die Ausgestaltung von RSI- metschens Verbreitung gefunden hat und sich Plattformen ist in Vorbereitung. Derzeit gibt es auf VK-gestütztes Ferndolmetschen im Konse- 1 Die Taskforce RSI besteht aus Claudia als Vorstufe das Dokument ISO/PAS 24019:20202. kutivmodus bezieht. Fischer-Ballia, Ivana Havelka, Thomas Musyl, Franz Pöchhacker und Susanne Diese PAS (Publicly Available Specification) ent- Watzek. Dieser Artikel ist ein Gemein- hält Anforderungen und Empfehlungen für die Im Bereich des Konferenzdolmetschens im Si- schaftsprodukt der Taskforce auf der Grund- verschiedensten Aspekte, die BetreiberInnen multanmodus ist dagegen das Akronym RSI, lage der folgenden Beiträge: Begriffsklä- von RSI-Plattformen beachten sollten. also Remote Simultaneous Interpreting, ge- rung FP, technische Teile TM, Belastungen bräuchlich. Für RSI werden (seit ca. 2014) IH, Gehörschutz SW, juristischer Teil CFB, I. Ursprung und Begriffe spezielle VK-Dolmetschplattformen angebo- Gesamtredaktion SW ten, die ohne traditionelle Konferenztechnik 2 https://www.iso.org/obp/ Für das Dolmetschen über räumliche Grenzen für Dolmetschen (d. h. ohne Kabinen, Konso- ui/#iso:std:iso:pas:24019:ed-1:v1:en hinweg („aus der Ferne“), das ab Mitte des len oder Infrarotempfänger) auskommen. Von 3 Sabine Braun (2015). “Remote Inter- 20. Jahrhunderts in Verbindung mit dem Tele- einer Alternative zum Konferenzdolmetschen preting”. In H. Mikkelson & R. Jourdenais fon thematisiert wurde, ist erst in den letzten vor Ort hat sich RSI durch die Coronaviruskrise (eds), Routledge Handbook of Interpreting. Jahren der deutsche Ausdruck Ferndolmetschen verstärkt zum Mittel der Wahl entwickelt, um London/New York: Routledge, 352-367.
12 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 überhaupt Veranstaltungen mit Simultandol- Besonderes Augenmerk sollte der Internetan- metschen zu realisieren. Die Möglichkeiten und bindung geschenkt werden. Wie auch bei den Grenzen dieser Dolmetschform sollen im Weite- Headsets wird oft ein kabelgebundenes Inter- ren beschrieben werden. net verlangt (RJ45-Kabel). WLAN ist meistens verboten. Prinzipiell sollte der Datendurchsatz II. Technische Aspekte über das Kabel und WLAN identisch sein, aber WLAN kann Funkinterferenzen ausgesetzt sein II.1. Grundlagen und im Sekundenbruchteil ausfallen. Der Daten- durchsatz bzw. die Bandbreite wird vom Platt- RSI beruht auf Technologie, die es vor ein paar formbetreiber angegeben oder kann bei diesem Jahren in dieser Form noch nicht gab. Deshalb per Speedtest überprüft werden. ist es notwendig, ein paar grundlegende Ele- mente zu verstehen. Alle RSI-Plattformen be- RSI-Plattformen bieten meistens Schulungen ruhen auf der sogenannten VoIP-Technologie4. oder Demos an. Keine DolmetscherIn wird ins Dabei handelt es sich um genau jene Techno- kalte Wasser geworfen. Softwareaffine erfahre- logie, die aktuell von allen Telefonieservern ne KonferenzdolmetscherInnen finden sich im weltweit eingesetzt wird. Eine RSI-Plattform ist Interface sofort zurecht. Der Unterschied ist, nichts anderes als ein großer Telefonieserver. dass jetzt Schaltflächen mit der Maus und nicht Jede KonferenzteilnehmerIn und jede Dolmet- mehr mit Knöpfen bedient werden müssen. Der scherIn ist eine BenutzerIn mit Rechten und eigene Computer wird so zur Dolmetschkonso- einer Gruppenzugehörigkeit. Bei RSI-Plattfor- le. Inzwischen besteht aber auch bei manchen men ist eine Gruppe eine Sprache. Wie bei der Plattformen die Möglichkeit, die wichtigsten Begriffsklärung erläutert, hat Ferndolmetschen Funktionen (Mikro an/aus, Kanalwahl) über ein seinen Ursprung in der Telefonie. Allerdings be- kleines Tastengerät zu bedienen, das per USB ruht heute das „gute alte Telefon“ nicht mehr an den Computer angeschlossen wird. auf der Übertragung von Schallwellen über ei- nen Kupferdraht, sondern auf VoIP und cloud- Die BetreiberIn der RSI-Plattform sorgt für die basierten Systemen. Technik am Konferenzort und für die Übertra- gung bis zum Computer der DolmetscherIn. In Das Internetprotokoll IP5, die zweite Hälfte manchen Fällen verlangt die BetreiberIn auch des Akronyms VoIP, ist für den Datentransport aktiven Zugriff auf den Computer der Dolmet- verantwortlich. Daten können Ton, Bild, Text, scherIn, um bei Störungen oder Fehlbedienung Video usw. sein. Diese Daten werden entwe- schnell eingreifen zu können, was natürlich der über TCP oder UDP transportiert (Trans- bedeutet, dass man damit auch Zugriff zu al- portschicht genannt). Einige RSI-Plattformen len auf diesem Computer befindlichen Daten verwenden „nur“ TCP, andere auch UDP6. Kna- gewährt. Es wird daher empfohlen, einen Com- ckiger, kristallklarer Ton wird fast immer über puter zu verwenden, auf dem sich keinerlei UDP transportiert. RSI-Plattformen, die UDP sensitive eigene oder Kundendaten befinden. verwenden, haben meist einen besseren Ton als Kontakt zur Technik am Konferenzort besteht jene, die sich diesen zusätzlichen Programmier- über ein Chatfenster. aufwand erspart haben. Die NutzerInnen der Dolmetschleistung emp- II.2. Benötigte Ausstattung fangen diese über Apps, die von der RSI-Platt- form zur Verfügung gestellt werden und auf Die Anforderungen von RSI-Plattformen an Smartphones oder Tablets laufen. Computer und Notebooks sind nicht besonders hoch, da fast alle Plattformen in Web-Browsern II.3. Szenarien funktionieren, also auf allen Betriebssystemen 4 Siehe auch: https://en.wikipedia.org/ und mit allen gängigen Web-Browsern. Was die Szenarien von RSI-Plattformen betrifft, wiki/Voice_over_IP sollten wir zwei Punkte nie vergessen: 5 Siehe auch: https://de.wikipedia.org/ Zusätzlich wird noch ein USB-Headset (= ka- wiki/Internet_Protocol belgebunden) benötigt. Kabellose Bluetooth- a) Jede IT-Lösung wird für einen bestimmten 6 Siehe auch: https://tools.ietf.org/html/ Headsets sind nicht gerne gesehen, von man- Zweck, ein bestimmtes Szenario programmiert. rfc768 chen Plattformen sogar explizit untersagt. Zusätzliche Funktionalitäten kommen zwar
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 13 später hinzu, das ursprüngliche Szenario be- sind nicht automatisch alle RSI-Plattformen für stimmt aber immer die grundlegende Ausrich- die aktuelle Situation ideal. tung der Software. Im Folgenden finden Sie die vier Hauptszenari- b) Alle RSI-Plattformen wurden vor der aktu- en inklusive ihrer Variationen. ellen Covid-19-Pandemie programmiert. Somit Szenario 1 Szenario 1a entspricht der aktuellen Covid-19-Situation. Alle TeilnehmerInnen und Dolmetsche- rInnen sitzen an unterschiedlichen Orten (Homeoffice). Bei Variante 1b sitzen jeweils die Dolmet- scherInnen einer Kabine zusammen, bei Variante 1c sitzen alle DolmetscherInnen am selben Ort, auch „Hub“ oder „Studio“ genannt. Szenario 2 Bei Szenario 2a befinden sich alle TeilnehmerInnen am selben Ort, alle DolmetscherInnen sitzen an unterschiedlichen Orten, wobei die Unterschiede zwischen 2a, 2b und 2c analog zu den Un- terschieden der Szenarien 1a, 1b und 1c sind. Szenario 2c ist vielen DolmetscherInnen bereits bekannt: Die TeilnehmerInnen sitzen im Konferenzsaal, die DolmetscherInnen im Nebenraum mit Monitoren für die Bildübertragung. Beim Einsatz von RSI-Plattformen können die DolmetscherIn- nen auch in einem anderen Land sitzen.
14 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 Szenario 3 In Szenario 3 sitzen alle TeilnehmerInnen und DolmetscherInnen am selben Ort. Die RSI-Plattform ersetzt die herkömmliche Infrarot-Technologie. Diese Konstellation war historisch gesehen der Ausgangspunkt für die Entwicklung vieler Plattformen. Szenario 4 Bei den Szenarien 4a–c sitzen die TeilnehmerInnen in Gruppen an unterschiedlichen Orten (z. B. verschiedenen Firmenstandorten). Die DolmetscherInnen befinden sich analog zu den Szenarien 1 und 2 an unterschiedlichen Orten. II.4. Internetverbindung Smartphones für den Notfall). Sitzen die Kolle- gInnen gemeinsam im selben Homeoffice, gibt Die Szenarien veranschaulichen eindeutig: Die es je nach Betrachtungsweise nur mehr 2–3 In- technischen Anforderungen an RSI-Plattformen ternetverbindungen (1 kabelgebundene + 1–2 variieren bezüglich der Übertragung und des LTE über die Smartphones). Sollten beiden Kol- Managements der Daten stark. Es muss uns klar legInnen unterschiedliche Mobilfunk-Anbieter sein, dass sich die Interessen der Plattformen nutzen, sind beide Geräte, da sie sich ja am (möglichste breite Verteilung des Ausfallsrisikos selben Ort befinden, in der gleichen Funkzel- und damit der DolmetscherInnen) und legitime le eingebucht, was automatisch die Ausfallsi- Forderungen unseres Berufsstandes (möglichst cherheit reduziert. Haben beide KollegInnen als Kabine bzw. als Team gemeinsam arbeiten) einen Vertrag mit demselben Mobilfunk-An- widersprechen. Sitzen nämlich die Dolmetsche- bieter, gibt es definitiv nur 2 Internetverbin- rInnen einer „Kabine“ getrennt voneinander im dungen. RSI-Plattform-Betreiber wollen aber eigenen Homeoffice, so bestehen 4 Internetver- maximale Ausfallsicherheit. bindungen (2 kabelgebundene + 2 LTE über die
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 15 Die Ausfallsicherheit betrifft alle technischen DolmetscherInnen und TeilnehmerInnen erhal- Geräte und speziell die Internetverbindung, ten dann das Bild über die VK-Plattform, der den Strom und den Computer. Die Verwendung Ton läuft aber für alle TeilnehmerInnen über eines Notebooks gewährt dank der eingebau- das Add-on, welches ganz normales Simultan- ten Batterie eine gewisse Sicherheit gegen dolmetschen ermöglicht. Der Vorteil: Audio- Stromausfall. Wird ein Standgerät verwendet, Streams benötigen sehr wenig Bandbreite und sollte dieses zusammen mit dem Internetmo- die Streams für Video und Audio sind getrennt. dem mit einer unterbrechungsfreien Stromver- Der Nachteil: Die Synchronizität der beiden sorgung (USV)7 gesichert werden. Gegen einen Streams ist nicht immer gegeben, da der Audio- Computerausfall kann man sich nur mit einem Stream Vorrang hat. zweiten Gerät absichern. Beide Geräte müssen dabei am exakt gleichen Softwarestand sein. Fazit: Solche Lösungen müssen gut durchdacht Fast alle RSI-Plattformen ermöglichen es auch, sein und funktionieren, ungeachtet der Teilneh- im Notfall über das Handy zu dolmetschen. Na- merInnenanzahl, nur mit einer technisch ver- türlich meist nur mit Ton und ohne Bild. Jede sierten ModeratorIn. DolmetscherIn muss für sich entscheiden, wie viel Aufwand sie für die Ausfallsicherheit be- III. Gesundheitliche Aspekte treiben will. III.1. Belastungen Wird die Hub-/Studio-Lösung gewählt, liegt die Verantwortung für das reibungslose Funktionie- Mit vermehrtem Technikeinsatz ist auch erhöh- ren der Technik bei der BetreiberIn des Hubs/ tes Stressempfinden verbunden. Dolmetschwis- Studios. Ein Beispiel für einen gut ausgestatte- senschaftliche Studien von Barbara Moser-Mer- ten Hub findet sich im Bericht von Ivana Havel- cer9 haben gezeigt, dass DolmetscherInnen bei ka in dieser Ausgabe. RSI-Einsätzen höheren physischen und psycho- logischen Belastungen als bei einem Simultan- II.5. „Coronanotfälle“: einsatz vor Ort ausgesetzt sind. Körperliche Simultandolmetschung über „normale“ Beschwerden wie Nacken- und Rückenschmer- Videokonferenzplattformen zen sowie eine Überbeanspruchung der Augen durch die ständige Konzentration auf den Bild- Bei Simultaneinsätzen, die coronabedingt auf schirm wurden angeführt. Die unfreiwillige Ein- dafür ursprünglich nicht ausgelegten VK-Platt- schränkung der Sicht auf den kaum beeinfluss- formen8 stattfinden, gilt besondere Vorsicht. baren Kamerablickwinkel und die verminderten 7 Siehe auch: https://de.wikipedia.org/ Bei Meetings dieser Art sind normalerweise auditiven Informationen führen nicht nur zu wiki/Unterbrechungsfreie_Stromversorgung alle Beteiligten an verschiedenen Orten (siehe höherem Stress und früherer Ermüdung, son- Die Größe der Batterie hängt dabei vom Szenario 1a oben). Die Audio- und Videoqua- dern können auch ganz allgemein ein Gefühl Stromverbrauch der zu sichernden Geräte lität ist oft nicht ausreichend für die Zwecke des Kontrollverlusts auslösen. und der Dauer der erwünschten Überbrü- ckungszeit ab. der Simultandolmetschung und je nach Anzahl 8 z. B. Skype, Zoom, Webex etc. der am Meeting beteiligten Personen kann es zu Negativ auf Wohlbefinden und Leistung wir- 9 Barbara Moser-Mercer. "Remote chaotischen Situationen kommen, wenn etwa ken sich auch Störfaktoren wie ein mangelhaf- interpreting: Assessment of human factors mehrere Personen gleichzeitig sprechen wollen ter, unergonomischer Bildschirmarbeitsplatz, and performance parameters". aiic.net und keine Mikrofondisziplin herrscht. Lärm- oder Lichtquellen und vor allem störan- May 19, 2003. Accessed April 24, 2020. fällige Hard- und Software aus. Der kognitive Einige dieser VK-Plattformen besitzen nur sehr Stress erhöht sich ebenfalls durch das Erfor- 10 Ähnliches gilt in eingeschränkter rudimentäre Dolmetschfunktionalitäten. Daher dernis, während des Dolmetschens verschie- Form für alle TeilnehmerInnen einer gilt es, die sich daraus ergebenden Einschrän- dene Informationsquellen auf dem Bildschirm Videokonferenz, was nur bestätigt, kungen (z. B. in Bezug auf Kanalwechsel oder (RednerIn, Präsentation, Dolmetschkonsole, worauf KonferenzdolmetscherInnen im Relais) zu beachten. Dafür besitzen diese Platt- Chatfenster für Kommunikation mit Technik/ Zusammenhang mit Ferndolmetschen schon formen Programmierschnittstellen, über die TeamkollegInnen) zu überblicken und zu be- seit langer Zeit hingewiesen haben. Siehe Drittsysteme mit den VK-Plattformen kommuni- dienen. Unsicherheit im Umgang mit der Tech- auch diesen Artikel aus DerStandard vom zieren können. Simultandolmetschplattformen nik belastet zusätzlich.10 Der internationale 10.4.2020: https://www.derstandard.at/ aus der Telefoniewelt, also reine Audioplatt- Konferenzdolmetscherverband AIIC trägt dem story/2000116676251/der-affe-im-home- formen, tun genau das. Sie können als Add-on erhöhten Stress bei RSI-Einsätzen durch die office-und-sein-problem-mit-der-webcam, Zugriff: 26.4.2020 zu den VK-Plattformen verwendet werden. Die Empfehlung Rechnung, die Einsatzdauer anzu-
16 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 passen und gegebenenfalls die Teamstärke zu IV. Rechtliche Aspekte erhöhen.11 Für die Einhaltung grundlegender gesetzlicher Der gewohnte fachliche Austausch mit der Kol- Bestimmungen ist bei RSI-Lösungen gleich legIn in der Kabine als hilfreiche Unterstützung wie bei jeglicher anderen translatorischen Tä- während des Dolmetschens oder generell im ge- tigkeit zu sorgen. Datenschutz und Vertrau- samten Team als wichtige fachliche und soziale lichkeit müssen in direkten Vereinbarungen Komponente sollte auch bei RSI-Einsätzen er- mit der KundIn geregelt werden. Im Sinne der halten werden. Das geht allerdings nur in Form EU-Datenschutzgrundverordnung sollte die Dol- eines Hubs oder Studios (Szenarien 1c, 2c, 4c). metscherIn eine Datenschutzerklärung von der Siehe dazu auch den Bericht von Ivana Havelka KundIn unterzeichnen lassen. Die KundIn wie- in dieser Ausgabe. derum wird die Unterfertigung einer Geheim- haltungsvereinbarung von der DolmetscherIn Weiterführende Informationen können auch im verlangen. Es empfiehlt sich, eine derartige Beitrag von Ivana Havelka zu den Grundsätzen Vereinbarung genau zu studieren und allfälli- der videovermittelten Dolmetschsituation nach- ge Bestimmungen, beispielsweise betreffend gelesen werden, welcher in der aktuellen Ausgabe verschlüsselte E-Mail-Übertragung, ernst zu des Mitteilungsblattes des ÖVGD enthalten ist. nehmen. Als besonders problematisch erscheint Bei Interesse kann die digitale Version des Mittei- uns in dieser Hinsicht der direkte Zugriff auf die lungsblattes unter office@gerichtsdolmetscher.at verwendeten Endgeräte der DolmetscherInnen angefordert werden. durch einige RSI-Plattformen. III.2. Gehörschutz Ein weiterer Punkt, dem vor allem bei RSI-Lö- sungen erhöhte Relevanz zukommt, ist die Wah- Ein wichtiger gesundheitlicher Aspekt des Dol- rung des Urheberrechts/geistigen Eigentums. metschens über eine RSI- oder andere Video-/ Durch das grundlegende Problem der Aufnahme Audioplattform betrifft den Schutz des Gehörs. und wiederholten Zugänglichkeit der Dolmet- Moderne ISO-kompatible Dolmetschkonsolen schung durch die Veröffentlichung im Internet beinhalten einen Schalldruckbegrenzer, der (z. B. Livestream einer Hauptversammlung) se- überlaute Signale verhindert. Fehlt ein sol- hen sich DolmetscherInnen ohnehin stärkerer cher Schutz, könnten extrem laute Töne oder Kritik und Kontrolle betreffend ihre Dolmetsch- Rückkopplungsgeräusche das Gehör empfindlich leistung ausgesetzt. Aus diesem Grund sollte schädigen. Ein sogenannter akustischer Schock unbedingt ein Haftungsausschluss (Disclaimer) kann im schlimmsten Fall auch zu einem dauer- vereinbart und an sichtbarer Stelle veröffent- haften Hörverlust führen. licht werden, in dem sinngemäß darauf hinge- wiesen wird, dass eine Dolmetschung per Video Die AIIC hat sechs RSI-Plattformen auf ver- und Audio dazu dient, mündliche Kommunika- schiedene technische Aspekte hin getestet12 tion zu erleichtern und kein Wortprotokoll bzw. und die Kriterien für den Gehörschutz wurden keine wortgetreue Übersetzung des Gesagten von keiner Plattform erfüllt. darstellt und die DolmetscherIn diesbezüglich keine Haftung übernimmt. Für RSI-Einsätze muss also die Empfehlung lau- ten, selbst für entsprechenden Gehörschutz zu Aus diesem Grund sollte die Frage nach der 11 Siehe auch: https://aiic.net/page/8848/ sorgen. Da der Computer hier als Dolmetsch- beabsichtigten Verwendung der Dolmetschung Leitlinien der AIIC für das Ferndolmet- konsole dient, muss der Schutz auch da anset- proaktiv gestellt werden und gegebenenfalls schen, hier Fußnote 4, sowie Newsletter zen. Entweder man verwendet ein Headset, das ein höheres Honorar zur Abgeltung der Verwer- der AIIC Taskforce for Distance Interpret- ing: https://aiic.net/page/8998/tfdi- mit einer Gehörschutzfunktion ausgestattet tungsrechte verlangt werden. newsletter-issue-1/lang/1 (accessed ist, oder man greift auf die Hilfe eines soge- 11 May 2020) nannten Limiters13, der zwischen Kopfhörer Ein wichtiger Bestandteil ist letztendlich auch 12 Siehe auch: https://aiic.net/page/8831/ und Computer eingebaut wird, zurück. Der die Haftungsfrage, die unbedingt vertraglich technical-study-rsi-systems/lang/32 Schalldruck wird dabei in den meisten Fäl- geregelt sein sollte. Es ist ratsam, mit der Kun- 13 Siehe auch: https://aiic.net/page/8848/ len auf Werte zwischen 110-118 dB begrenzt. dIn/PlattformanbieterIn die Unterzeichnung Leitlinien der AIIC für das Ferndolmet- eines Haftungsausschlusses zu vereinbaren. schen, hier Fußnote 11 Dieser sollte die DolmetscherIn von jeglicher
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 17 Haftung für technische Probleme mit der einge- möglichst gründlich zu informieren. Einige ein- henden und ausgehenden Übertragung von Bild schlägige Links finden Sie in den Anmerkungen und Ton, der Ausfallsicherheit der Systeme oder zu diesem Artikel. einem allfälligen Datenverlust freistellen.14 Ein derartiger Haftungsausschluss sollte generell In einem so neuen und noch nicht wirklich gere- beachtet werden, ist aber für „Feuerwehreinsät- gelten Bereich müssen wir alle Eigenverantwort- ze“ während der Coronakrise essenziell, sofern lichkeit zeigen, nicht nur was unsere eigene Aus- ein RSI-Einsatz zur Gänze ohne TontechnikerIn stattung betrifft, sondern auch wenn es darum geplant ist. geht, unbedarfte AuftraggeberInnen über die Möglichkeiten und Grenzen der neuen Techno- V. Schlussbemerkungen logien aufzuklären. Vermehrtes Dolmetschen im Remotemodus ist unter derzeitigen Bedingun- Welche Schlüsse zieht man als einzelne Kon- gen belastender als gewohnte Präsenzeinsätze. ferenzdolmetscherIn nun aus all diesen Aspek- Dem sollte auch Rechnung getragen werden: ten? Auch wenn sie uns vielleicht nicht begeis- z. B. durch vertraglich vereinbarte Mehrpausen, tern, die neuen technischen Entwicklungen angepasste Honorargestaltung, die Einbezie- werden nicht verschwinden, ganz im Gegenteil. hung (und Weiterverrechnung) von nicht-dol- Momentane Beschränkungen der Reise- und metschenden AssistentInnen als Unterstützung Versammlungsfreiheit und die in den nächsten in Technikfragen oder bei der Durchführung der Jahren zu erwartenden Sparkurse von Unter- zusätzlichen Aufgaben am Bildschirm während nehmen und öffentlichen Stellen werden wohl des Dolmetschens im Homeoffice, Verkürzung beschleunigend wirken. Für manche von uns der täglichen Arbeitszeit bzw. Vergrößerung von können sich dadurch möglicherweise auch neue Teams, wo dies angezeigt erscheint, um nur ei- Einsatzmöglichkeiten und Märkte erschließen. nige Punkte zu nennen. All jenen, die sich darauf einlassen – ob freiwil- lig oder nolens volens – muss man raten, sich Die Taskforce RSI besteht aus Claudia Fischer-Ballia, Ivana Havelka, Thomas Musyl, Franz Pöchhacker und Susanne Watzek. 14 Siehe auch: https://aiic.net/page/8848/ leitlinien-der-aiic-fur-das-ferndolmetschen/ lang/32 (abgerufen am 11.5.2020)
18 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 2/20 KONFERENZDOLMETSCHEN ON AIR – HUBS ALS KNOTENPUNKTE DES RSI-DOLMETSCHENS Ivana Havelka J ahrzehntelang waren Konferenzdol- mindest in der bisher üblichen Ausführungsart metschende in ihrer Leistungserbrin- deutlich erschwert. Großes Umdenken wird nun gung vom Standort der Konferenzbe- allseits gefordert. Dabei kann die Digitalisie- teiligten abhängig. Diese Prämisse rung einen großen Beitrag bei der Gestaltung verliert jedoch zunehmend ihre Gültigkeit und neuer Dolmetschformen leisten. © John Michael Oliver angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte sowie der allgemeinen Als eine mögliche Alternative für das Dolmet- Situation durch die aktuelle Pandemie wird der schen vor Ort können Software-Plattformen für Ruf nach Lösungen aus der Ferne lauter. das Remote Simultaneous Interpreting (RSI) eingesetzt werden. Hierbei wird das Dolmet- Ivana Havelka forscht und Dolmetschen ist grundsätzlich als Kommu- schen aus der Ferne und oftmals aus dem ei- lehrt im Bereich des technik- nikationsleistung, die zwecks Verständigung genen Arbeitsbereich im Wohnungsverband gestützten Dolmetschens an erbracht wird, als eine Sprachdienstleistung ausgeführt. Jedoch ist es nicht allen Konfe- der Universität Wien und der zu definieren. Nicht selten ist für einen Kon- rendolmetschenden möglich von zu Hause zu Université de Neuchâtel. ferenzdolmetschauftrag auch eine längere An- arbeiten, da das häusliche Umfeld nicht die Be- reise zum Einsatzort notwendig. Manchmal fällt stimmungen zu Datenschutz und Datensicher- sogar für einen kurzen, einstündigen Einsatz heit erfüllt. am Konferenzort die An-und Abreise unverhält- nismäßig länger und kostenintensiver als der Eine geeignete Lösung für das Konferenzdol- eigentliche Dolmetscheinsatz aus. Der Standort metschen aus der Ferne stellen sogenannte Dol- der Leistungserbringung von Konferenzdolmet- metsch-Hubs dar. Ein solcher Dolmetsch-Hub, schenden wurde daher immer öfter außerhalb betrieben vom Unternehmen Neumann&Müller, der eigentlichen Konferenzräume oder Plenar- wurde 2019 in Deutschland gegründet. Die säle verlegt. Angetrieben u. a. durch allgemeine Ton- und Lichtexperten für Konferenzausstat- wirtschaftliche Entwicklungen wurde die Scho- tung gründeten in der Nähe von Stuttgart den nung von finanziellen, räumlichen aber auch plattformunabhängigen RSI-Hub mit festen zeitlichen Ressourcen auf Seiten der Kundinnen Dolmetschkabinen. Der RSI-Hub in Neuhausen und Kunden zunehmend prioritär behandelt. bietet permanente und temporäre Dolmetschka- binen an. Die Technik sowie das dazugehörige Aktuell haben die Maßnahmen zur Verhinderung Personal sind Teil des Dienstleistungskonzepts. der Ausbreitung von Covid-19 einen Präzedenz- Mit umfassender technischer Unterstützung kön- fall geschaffen, welcher die Arbeitsweise von nen Konferenzdolmetschende aus der Ferne tätig Dolmetschenden vollkommen umstellt oder zu- werden. Dabei werden die Bestimmungen des © Ivana Havelka
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