2/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria

 
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UNIVERSITAS 2/20                                              Mitteilungsblatt
                                                              ISSN 1996-3505

     Mitglied der Fédération Internationale des Traducteurs
2/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
2   UNIVERSITAS          Mitteilungsblatt 2/20

      INHALT
      Agenda Translation                                             5
      Dagmar Jenner

      TranslatorInnen als SprachlehrerInnen: Einsatz und Eignung8
      Katerina Sinclair

      Simultan per Video – ein Thema für alle?11
      Taskforce RSI

      Konferenzdolmetschen ON AIR –
      Hubs als Knotenpunkte des RSI-Dolmetschens                    18
      Ivana Havelka

      Post-Editing und das menschliche Gehirn20
      Laura Hurot

      Erfahrungsbericht zum ULG Dolmetschen für Gerichte und Behörden23
      Nora Reichart

      Rezension:
      Handbuch Dolmetschen – Grundlagen und Praxis                  26
      Valentina Goldin

      Mediensplitter28
      María Palma

      UNIVERSITAS-Terminkalender29
      UNIVERSITAS Austria

      Verbandsmitteilungen30
      UNIVERSITAS Austria

      Rätsel32
      Vera Ribarich
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UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 2/20       3

                    EDITORIAL
                    Remote regiert die Welt

                    Liebe Leserinnen, liebe Leser,                     kurz. Laura Hurot zieht in ihrem Artikel einen
                                                                       Vergleich zwischen künstlicher und menschli-
                    das Coronavirus hält die Welt fest in Griff.       cher Intelligenz und betrachtet insbesondere,

                                                                                                                                                   ©  John Michael Oliver
                    Und obwohl die strengen Sicherheitsmaßnah-         wie sich Post-Editing auf unsere kognitiven Ak-
                    men zumindest in Österreich nun schrittweise       tivitäten auswirkt.
                    wieder gelockert werden, hat sich unser Alltag
                    durch COVID-19 doch grundlegend verändert.         Ende Jänner gelangte der mittlerweile dritte
                    Wir haben unser soziales Leben heruntergefah-      Grundlehrgang des ULG Dolmetschen für Gerich-
                    ren, arbeiten vermehrt von zu Hause aus und        te und Behörden für eine Gruppe von stolzen Ab-    Bianca Schönhofer,
                    viele von uns hatten bzw. haben mit massiven       solventInnen im großen Festsaal der Universität    Redakteurin
                    Auftragseinbrüchen und den damit einherge-         Wien zu einem krönenden Abschluss. Neben der
                    henden wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen.         Verleihung des Titels „Akademische/r Behör-
                    Veranstaltungen und Zusammenkünfte wie Kon-        dendolmetscherIn“ für die TeilnehmerInnen des
                    ferenzen, Seminare – oder auch Vorstandssit-       Grundlehrgangs nahm dabei auch eine Absol-
                    zungen – muten dieser Tage fast schon als Phä-     ventin des Master-Upgrades ihren „Master of
                    nomene aus einer entfernten Vergangenheit an.      Arts“ entgegen. Als frisch gekürte Akademische
                    Notgedrungen wurde vieles sowohl im privaten       Behördendolmetscherin berichtet Nora Reichart
                    als auch im beruflichen Bereich in den virtu-      von ihren Erfahrungen im Lehrgang. Um wichtige
                    ellen Raum verlegt. „Remote“ dürfte das neue       berufliche und praktische Grundlagen zum Dol-
                    Buzzword sein. Nicht zuletzt aus diesem Anlass     metschen geht es auch in der in dieser Ausgabe
                    hat sich rund um den Ausschuss für Dolmet-         behandelten Fachpublikation – lesen Sie dazu
                    schen eine neue Taskforce gebildet, die sich mit   die Rezension von Valentina Goldin.
                    dem Thema Remote Simultaneous Interpreting
                    befasst – einen ausführlichen Einstieg in die      Abschließend bleibt mir noch zu sagen: Pas-
                    Thematik finden Sie im Blattinneren. Parallel      sen Sie auf sich auf und bleiben Sie gesund.
                    dazu hat Ivana Havelka einen kürzlich gegrün-      Am besten Sie vertreiben sich die Zeit zu Hause
                    deten Dolmetsch-Hub in Deutschland näher un-       mit unserer Mediennachlese und „dem Letzten“
                    ter die Lupe genommen.                             (a.k.a. Rätsel) von Vera Ribarich.

                    Darüber hinaus gewährt Katerina Sinclair in        Viel Spaß beim Lesen!
                    dieser Ausgabe einen interessanten Einblick in
                    ihre Forschungen zum Einsatz und zur Eignung
                    von TranslatorInnen als SprachlehrerInnen –
                    ein Gebiet, in dem sich viele ÜbersetzerInnen
                    und DolmetscherInnen ein zweites Standbein
                    aufgebaut haben. Auch das allgegenwärtige          Bianca Schönhofer
                    Thema NMÜ kommt in dieser Ausgabe nicht zu         bianca.schoenhofer@universitas.org

                                                                        Auch Hahnsi hat seinen Homeoffice-
©  Ekaterina Graf

                                                                        Arbeitsplatz eingerichtet und blickt positiv
                                                                        in die digitale Zukunft.
2/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
4            UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 2/20

IMPRESSUM
Das Mitteilungsblatt von UNIVERSITAS Austria, Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen, dient dem
Informationsaustausch zwischen den Verbandsmitgliedern. ISSN 1996-3505

Herausgeber: UNIVERSITAS Austria, Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen
Gymnasiumstraße 50, 1190 Wien, Tel.: + 43 1 368 60 60, info@universitas.org

Redaktion: Bianca Schönhofer, bianca.schoenhofer@universitas.org, Tel.: + 43 664 466 37 44
Ständige Mitarbeit: María Palma, Katerina Sinclair, Vera Ribarich • Koordination Rezensionen: Julia Schöllauf •
Lektorat: Karina Ghilea-Trummer

Beiträge, Wünsche, Anregungen, Leserbriefe bitte an eine der oben stehenden E-Mail-Adressen senden – danke!
Das Mitteilungsblatt erscheint vierteljährlich. Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe: 15. Juli 2020

Grafik und Layout: Sabina Kargl-Faustenhammer
Titelbild: “people with different and expert skills connecting and working online together on computer, remote working, work from
home and work from anywhere concept, vector flat illustration” © Tong_art / Adobe Stock
2/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 2/20           5

                                 AGENDA TRANSLATION
                                 Dagmar Jenner

                                                                                               Angesichts dieser beklemmenden Situation wa-
                                                                                               ren wir im Vorstand bemüht, unsere Mitglieder
                                                                                               so gut wie möglich durch die schwierige An-
                                                                                               fangsphase der Krise zu begleiten – damals
                                                                                               noch in der (rückblickend naiven) Hoffnung,
Illustration und Fotos: © UNIVERSITAS Austria

                                                                                               dass der Spuk in ein paar Wochen vorbei sein
                                                                                               würde. Es galt, Infos über Hilfsprogramme zu-
                                                                                               sammenzutragen, Anfragen von Mitgliedern zu
                                                                                               beantworten, Proteste auszuformulieren, uns
                                                                                               mit anderen Verbänden, Organisationen und
                                                                                               Dachverbänden kurzzuschließen, nationale In-
                                                                                               formationen an FIT, FIT Europe etc. zu liefern
                                                                                               und vieles mehr. Wir haben uns durch gefühlte
                                                                                               hunderte Corona-Newsletter gelesen und stets       Dagmar Jenner ist Dolmet-
                                                                                               die Medien und Pressekonferenzen der Regie-        scherin und Übersetzerin
                                                                                               rung verfolgt, um das für uns Wichtigste he-       für Englisch, Spanisch und
                                Liebe Kolleginnen und Kollegen,                                rauszufiltern. Und natürlich haben wir unsere      Französisch und Präsidentin
                                                                                               Arbeitsabläufe auf Corona umgestellt und unser     von UNIVERSITAS Austria.
                                während beim Redaktionsschluss der letzten                     Fortbildungsangebot neu ausgerichtet.
                                Ausgabe dieses Mitteilungsblatts ein Virus
                                beginnend mit dem Buchstaben C noch kaum                       Ganz unbestritten hat uns die Coronakrise
                                bekannt war und das beginnende Jahr 2020 in                    auch im Verband einen Digitalisierungsschub
                                erster Linie mit Beethoven assoziiert wurde,                   beschert. Als sich abzeichnete, dass wir so
                                ist nun alles anders. Was bei der Mitgliederver-               schnell nicht zur Normalität zurückkehren wür-
                                sammlung am 28. Februar da und dort prakti-                    den, haben wir eine Zoom-Lizenz für den Ver-
                                ziert wurde, erschien exotisch und war kurze                   band erworben und dank des unermüdlichen
                                Zeit darauf die Norm: Abstand halten. Die Coro-                Einsatzes unserer Fortbildungsbeauftragten
                                nakrise hat uns alle mit voller Wucht erwischt:                Bettina Schreibmaier-Clasen binnen kürzes-
                                beruflich, privat, gesamtgesellschaftlich. Die                 ter Zeit unsere ersten beiden Webinare organi-
                                Auswirkungen dieser weltweiten Ausnahmesitu-                   siert. Technisch lief alles einwandfrei und über
                                ation werden uns wohl noch lange begleiten.                    100 Teilnehmende beschäftigten sich online mit
                                Hoffen wir, dass wir eines Tages auf diese Zäsur               der deutschen Rechtschreibung und den Fein-
                                zurückblicken können und sagen können: Wir                     heiten der Angebotslegung. Damit haben wir
                                haben es überstanden. Bis dahin gilt es, mit                   den oft geäußerten, aber bisher nicht umge-
                                den vielen Sorgen umzugehen und wenn mög-                      setzten Wunsch nach Webinaren umgesetzt und
                                lich optimistisch zu bleiben.                                  nebenbei ein weiteres Ziel erreicht, nämlich un-
                                                                                               sere Fortbildungsangebote für Mitglieder (und
                                                                                               die, die es noch werden möchten) in ganz Ös-
                                                                                               terreich und darüber hinaus zugänglich zu ma-
                                                                                               chen. Auch unsere sonstigen Veranstaltungen
                                                                                               sind zum Teil in die virtuelle Welt gewandert,
                                                                                               etwa das Meet & Share, organisiert von Tamara
                                                                                               Popilka, bei dem wir uns am 7. April über unse-
                                                                                               re Sorgen und Bewältigungsstrategien in Bezug
                                                                                               auf Corona austauschten. Am 1. April fand unser
                                                                                               UNIVERSILunch zum brandaktuellen Thema Re-
                                                                                               mote Simultaneous Interpreting (RSI) mit sehr
                                                                                               aufschlussreichem Input von Chantal Niebisch
                                                Ein Bild aus einer anderen Zeit: unsere Mit-   und Thomas Musyl bei großem Interesse (50 Teil-
                                                gliederversammlung am 28. Februar              nehmende) ebenfalls online statt. Auch wenn
                                                                                               wir alle möglicherweise eine gewisse Sättigung
2/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
6   UNIVERSITAS   Mitteilungsblatt 2/20

                  in Sachen Online-Veranstaltungen verspüren,                                                                                     wird also sehr fleißig genutzt. Auch dies könnte
                  werden wir wohl in Zukunft Webinare mit Prä-                                                                                    eine Lehre für die Post-Corona-Zeit sein: dass
                  senzveranstaltungen kombinieren. Denn, gera-                                                                                    etwa jede zweite Vorstandssitzung online statt-
                  de nach so vielen Wochen Selbstisolation zeigt                                                                                  findet, was Zeit und Kosten spart und sich ins-
                  sich: Es geht ja doch nichts über den persön-                                                                                   gesamt als sehr effizient erwiesen hat. Unser
                  lichen Kontakt.                                                                                                                 Vorteil als selbstständige TranslatorInnen dabei
                                                                                                                                                  ist, dass wir alle über sehr gute technische Inf-
                  Kurz nach Redaktionsschluss, nämlich am 9. Mai,                                                                                 rastruktur verfügen.
                  fand unser gemeinsam mit AIIC Region Österreich
                  veranstaltetes Ganztages-Webinar über RSI mit                                                                                   Der Ausschuss für PR und Strategie hat die Zeit
                  dem ausgewiesenen Experten Klaus Ziegler statt.                                                                                 genutzt, um zusammen mit Grafikerin Kineke
                                                                                                                                                  Mulder einen Folder zur Mitgliederwerbung zu
                  Auch die gesamte Verbandsarbeit hat sich in                                                                                     finalisieren, siehe links. Der Plan war, ihn unter
                  den virtuellen Raum verlagert und derzeit fin-                                                                                  anderem beim Tag der offenen Tür am 18. Mai
                  den Vorstandssitzungen sowie alle Sitzungen                                                                                     zu verteilen. Auch diese Veranstaltung wird unter
                  der Ausschüsse inklusive der neu gegründeten                                                                                    tatkräftiger Organisation der Jungmitglieder-Ver-
                  „Taskforce RSI“ online statt. Unser Zoom-Konto                                                                                  treterinnen nun auf Zoom über die Bühne gehen.

                                                                                                                                                  Etwas Niedlich-Heiteres kann ich auch berich-
                                  Fünf Gründe, Mitglied von                                                                                       ten: Wie bei der Mitgliederversammlung am
                                                                                                                                                  28. Februar bekannt gegeben, hat unsere Rob-
                          UNIVERSITAS Austria                                                                                                     be, der Star unserer englischsprachigen Image-
                                            zu werden                                                                                             kampagne (Seal or seal?) nach der Online-Ab-
                                                                                                                                                  stimmung nun einen offiziellen Namen: Sealvia!
                     NETZWERK           • Kontakt zu anderen Translationspros und Berufs-
                                          verbänden
                                        • Laufender Austausch mit über 800 Mitgliedern auf
                                          verbandsinternen Kanälen                                                                                Dank einer Initiative von Nóra Uhri, Mitglied
                                        • Regelmäßige Netzwerkveranstaltungen, auch unter
                                          Einbeziehung fachexterner ExpertInnen
                                                                                                                                                  im Ausschuss für PR und Strategie, wurde eine
                                        • Ein gutes Gefühl, dabei zu sein!                                                                        Umfrage zu den Auswirkungen von Covid-19
                     WEITERBILDUNG      • Vielfältiges Fortbildungsangebot, von Kurzvorträgen bis
                                                                                                                                                  auf die berufliche Situation unserer Mitglieder
                                          Ganztages-Workshops                                                                                     erstellt. Die Ergebnisse wurden zusammenfas-
                                        • Vergünstigungen bei den Fortbildungen befreundeter
                                          Verbände                                                                                                send im iBoard zur Verfügung gestellt. Wenig
                                        • Zugriff auf Praxisleitfäden und Glossare
                                        • Umfassendes Informationsmaterial zu berufsrelevanten                                                    überraschend trifft die Krise unsere Mitglieder
                                          Themen wie Recht, Steuern und Versicherung
                                                                                                                                                  hart und 63 % gaben an, dass sie die Krise
                     STARTHILFE         • Mentoringprogramm mit Stage-Einsätzen für                                                               stark bis sehr stark getroffen hat. Vor diesem
                                          angehende TranslatorInnen
                                        • Hilfestellung für den Berufseinstieg (Webinar, Videos etc.)
                                                                                                                                                  Hintergrund hat der Vorstand in einem ersten
                                        • Exklusives Jungmitglieder-Netzwerk (Social Media,                                                       Schritt beschlossen, die Rechnungen für den
                                          Events etc.)
                                        • Orientierung bei der Preisgestaltung                                                                    Mitgliedsbeitrag statt im März erst im Mai zu
                                        • Sonderkonditionen für diverse Dienstleistungen
                                                                                                                                                  verschicken. In weiterer Folge wurde beschlos-
                     ZERTIFIZIERUNG     • Möglichkeit zur UNIVERSITAS-Austria-Zertizierung nach                                                  sen, den Mitgliedsbeitrag für 2020 um 25 %
                                          zwei Jahren ordentlicher Mitgliedschaft
                                        • Anerkanntes Qualitätssiegel in der Translation                                                          zu reduzieren, um damit unsere Mitglieder
                                        • Sichtbarkeit in der öffentlich zugänglichen Online-Daten
                                          bank von UNIVERSITAS Austria
                                                                                                                                                  finanziell zu entlasten. Die entsprechende
                                                                                                                                                  Nachricht erhalten Sie nach Redaktionsschluss
                                                                                                                                                  dieser Ausgabe. Unsere Kassierin Justyna
                                                                                                        Graken adaptiert von freepik & pixabay

                     INTERESSENS-       • Einsatz für den Berufsstand seit über 65 Jahren                                                         Bork hat ausgerechnet, dass wir auch mit dem
                     VERTRETUNG         • Presseaussendungen, Beratung von Behörden und
                                          Unternehmen bei Translationsprojekten, humorvolle                                                       reduzierten Mitgliedsbeitrag unsere laufenden
                                          Imagekampagnen
                                        • Wir stärken unseren Mitgliedern den Rücken!                                                             Kosten abdecken können, aber wenig finanzi-
                                                                                                                                                  ellen Spielraum haben. Deshalb meine Bitte
                                                                                                                                                  an Sie: Überweisen Sie den Mitgliedsbeitrag
                             Jetzt Mitgliedschaft beantragen!                                                                                     innerhalb der angegebenen Frist. Wenn Sie
                                      www.universitas.org                                                                                         den üblichen Betrag (oder gar mehr?) bezah-
                                                                                                                                                  len können, freuen wir uns natürlich beson-
                    Unser neues Werbemittel zur                                                                                                   ders! Dies wäre dann sozusagen ein Solidari-
                    Mitgliedergewinnung                                                                                                           tätsbeitrag derjenigen, die von der Krise nicht
                                                                                                                                                  so stark betroffen sind.
UNIVERSITAS      Mitteilungsblatt 2/20   7

Was den Bürobetrieb betrifft, so waren wir         den da und dort persönliche Grenzen ausgelo-
glücklicherweise der Zeit weit voraus, da un-      tet bzw. fast gesprengt – weshalb es besonders
sere Büromitarbeiterinnen Daniela Kosic und        guttut, wenn wir in den letzten Wochen gele-
Marlene Hönigsberger schon immer einen Teil        gentlich anerkennende Worte zu unserer Arbeit
der Arbeit von zu Hause aus erledigten. Nach       lesen durften.
Schließung der Universitäten und damit ´unse-
res am Zentrum für Translationswissenschaft der
Universität Wien befindlichen Büros wird nun
die gesamte administrative Arbeit im Homeof-
fice geleistet. Sie erreichen unser Team wie ge-
wohnt unter info@universitas.org.

Übrigens befinden wir uns angesichts der aktu-
ellen Ausnahmesituation derzeit in Verhandlun-
gen mit der Universität Wien über die Ausset-
zung der Büromiete.

Vorstandsmitglied Katerina Sinclair hat zuletzt
ein weiteres ihrer beliebten Videos fertigge-
stellt, diesmal zum Thema Verbandswebsite
und den vielen Ressourcen, die sie bietet. Sie
finden dieses Video zusammen mit allen ande-
ren auf unserem YouTube-Kanal „Universitas
Presse“. Weitere Videos sind in Planung.
                                                    Auch Hahnsi ist anpassungsfähig!
Ansonsten waren Generalsekretärin María Pal-
ma und ich auch mit diversen Protesten sehr
gut beschäftigt, unter anderem gegen die Frei-
schaltung der Übersetzungs-Engine eTranslati-      Ich hoffe, Sie konnten sich einigermaßen in
on der Europäischen Kommission, die bisher nur     dieser „neuen Normalität“ einrichten. Ich wün-
für Behörden zugänglich war, für KMUs in Euro-     sche uns allen, dass bald bessere Zeiten kom-
pa. Wir halten diese Entscheidung für überstürzt   men und schließe mit der neuen Abschlussfor-
und haben dies der Leitung der Generaldirekti-     mel: Bleiben Sie gesund.
on Übersetzung der Europäischen Kommission
so kommuniziert. Etwaigen späteren Protesten       Translatorischen Gruß
seitens der internationalen Dachverbände wür-
den wir uns auf jeden Fall anschließen.            Dagmar Jenner
                                                   dagmar.jenner@universitas.org
Apropos international: Zu den vielen bereits bis
in den Herbst und Winter 2020 abgesagten Kon-
ferenzen zählt auch der FIT-Weltkongress, der
im Dezember in Kuba stattfinden sollte. Dieses
große Event wird nun voraussichtlich im Dezem-
ber 2021 über die Bühne gehen.

Rückblickend auf die vergangenen sieben Wo-
chen kann ich sagen, dass die Verbandsarbeit
in den letzten 10 Jahren für mich selten so in-
tensiv war. Und: Noch nie war Verbandsarbeit so
lohnend wie jetzt. Ich danke allen Vorstands-
und Ausschussmitgliedern, die zwischen Home-
schooling und Zukunftssorgen Zeit und Energie
gefunden haben, sich für den Verband einzu-
setzen. Angesichts des großen Aufwandes wur-
8           UNIVERSITAS         Mitteilungsblatt 2/20

TRANSLATORiNNEN ALS SPRACHLEHRERiNNEN:
EINSATZ UND EIGNUNG
Katerina Sinclair

                                  T
                                           abuthema der                              für die neuen EU-Länder oder der Migrationsbe-
                                           Translationswissenschaft                  wegungen ab 2015, ist es jedoch anzunehmen,
                                                                                     dass heutzutage noch wesentlich mehr Überset-
                                            Ausgangspunkt meiner Forschung ist       zerInnen und DolmetscherInnen als Sprachleh-
                                            die unleugbare Tatsache, dass sehr       rerInnen tätig sind.
                                  viele ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen
                                  bereits während ihres Studiums oder nach ih-       Studie
                                  rem Studienabschluss als SprachlehrerInnen
                                  tätig sind. Trotz dieser allgemein bekannten       18 AbsolventInnen des ZTW, die in den letz-
                                  Realität blieb bis jetzt dieser Berufsweg in der   ten zwanzig Jahren ihr Studium abgeschlossen
                                  Translationswissenschaft vernachlässigt. Die       haben, wurden gebeten, ihre Sprachlehrkom-
 Dr. Katerina Sinclair arbeitet   Dissertation hatte daher zum Ziel, die berufli-    petenzen anonym einzuschätzen. Als Evalu-
 als Dolmetscherin und Über-      che Erfahrung der ÜbersetzerInnen und Dolmet-      ierungstool wurde das quantitative, standar-
 setzerin für Tschechisch,        scherInnen, die als SprachlehrerInnen arbeiten,    disierte Instrument Europäisches Profilraster
 Englisch und Deutsch             zu erfassen, zu ermitteln, welche Basis das        für Sprachlehrende (EPR) gewählt. Im zweiten
 und lehrt am Zentrum für         translatorische Studium für die Sprachlehrtä-      Schritt reflektierten dieselben ProbandInnen
 Translationswissenschaft.        tigkeit bietet und schließlich der Frage nachzu-   ihre Sprachlehrkompetenzen und ihre berufli-
 office@englisch-                 gehen, ob bereits während des translatorischen     chen Erfahrungen in semistrukturierten Inter-
 tschechisch.at                   Studiums sprachunterrichtsrelevante Lehrver-       views. Gefragt wurde zum Beispiel nach ihrer
                                  anstaltungen angeboten werden sollten.             Motivation für den Einstieg in den Sprachun-
                                                                                     terricht, der absolvierten Weiterbildung, dem
                                  Berufseinstieg der ZTW-                            Unterrichtsbereich, in dem sie tätig sind etc.
                                  AbsolventInnen                                     Schließlich wurde auch die Rolle des ZTW bei
                                                                                     der Vorbereitung für diesen Berufsweg ermit-
                                  Es ist statistisch belegt, dass nur wenige Ab-     telt. In der zweiten Phase wurden ExpertInnen,
                                  solventInnen nach ihrem Studienabschluss eine      also Personen mit abgeschlossener translatori-
                                  fixe Stelle finden. Die meisten ÜbersetzerInnen    scher und philologischer Ausbildung, gebeten,
                                  und DolmetscherInnen müssen ihre translato-        die gewonnenen Daten zu diskutieren.
                                  rische Tätigkeit auf freiberuflicher Basis aus-
                                  üben. Da die Auftragslage in den beruflichen       Weiterbildung notwendig?
                                  Anfangsjahren stark variieren kann, bauen vie-
                                  le AbsolventInnen ein zusätzliches berufliches     Eine der zentralen Fragen der Forschungsarbeit
                                  Standbein auf, das ein regelmäßiges Zusatz-        beschäftigte sich damit, ob die translatori-
                                  einkommen generiert. Laut der Statistikstudie      schen Kompetenzen eine geeignete Grundlage
                                  von Putz et al. (2008) hat die Mehrheit der        für den Sprachunterricht bieten, und welche
                                  AbsolventInnen des Zentrums für Translati-         Kompetenzen für den Fremdsprachenunterricht
                                  onswissenschaft nach ihrem Studienabschluss        zu erwerben oder zu vertiefen sind.
                                  neben ihrer freiberuflichen Tätigkeit auch eine
                                  Teilzeitanstellung inne, um ein regelmäßiges       Es zeigt sich etwa in Hinblick auf Ausbildung,
                                  Einkommen zu garantieren. In fast 40 % der         dass die Befragten entweder überhaupt kei-
                                  Fälle handelt es sich bei diesem zweiten be-       ne oder eine sehr gute Ausbildung im Bereich
                                  ruflichen Standbein um die Sprachunterrichts-      des Sprachunterrichts aufweisen, und dass
                                  tätigkeit. In Anbetracht der gesellschaftspoli-    beide Gruppen ungefähr gleich groß sind. Ein
                                  tischen Veränderungen des letzten Jahrzehnts,      möglicher Grund für diese starke Polarisie-
                                  wie etwa der Integrationsvereinbarung und der      rung könnte die Intensität der Ausübung der
                                  damit zusammenhängenden vorgeschriebenen           Unterrichtstätigkeit sein. Das heißt also, dass
                                  Deutschkurse, der Eröffnung des Arbeitsmarktes     jene AbsolventInnen, die längerfristig intensiv
UNIVERSITAS          Mitteilungsblatt 2/20   9

Sprachen unterrichten, wesentlich mehr in ihre     beschreiben. Herausragend scheint in diesem
Fortbildung investieren, als jene AbsolventIn-     Kontext jedoch die Passion für das Erschließen
nen, die die Lehrtätigkeit als ein zusätzliches,   der Bedeutung einzelner Wörter und der geeig-
weniger intensiv ausgeübtes Berufsprofil be-       neten Kontexte unter vielen ProbandInnen zu

                                                   „
trachten. Betrachtet man die nach EPR defi-        sein. So schildert eine Probandin:
nierten Zentralen Kompetenzen, werden insbe-
sondere Didaktik/Methodik und Evaluieren von            Und die KursteilnehmerInnen su-
Lernenden als grundlegend ausbaubare Sprach-            chen alles im Google, und dort gibt
lehrkompetenzen erörtert. Nur weniger stark             es manche Übersetzungen, die total
ausgeprägt ist der Vertiefungsbedarf im Bereich         falsch sind. Sie finden das Wort, ver-
Unterrichts- und Kursplanung und teilweise der          wenden es sofort, und das Wort kann
Steuerung von Interaktion zu sehen.                     aber für den gegebenen Kontext un-
                                                        passend sein. Ich muss ihnen natür-
Stärken der TranslatorInnen                             lich ein paar Beispiele nennen, in
                                                        welchem Kontext das Wort verwendet
Wenig überraschend werden die Sprachkompe-              werden kann, und natürlich – diese

                                                                                                 “
tenz und Sprachbewusstheit als ausgesprochene           Kenntnis setze ich oft ein, setze ich
Stärken der TranslatorInnen angesehen, eben-            sehr oft ein.
falls die Interkulturelle Kompetenz, obwohl hier
anzumerken ist, dass hiermit sprachunterrichts-
relevante interkulturelle Kompetenz gemeint        Berufsbild
ist. Gefragt, welche translatorischen Kompe-
tenzen die TranslatorInnen im Sprachunterricht     Signifikat erscheint, dass für die meisten Trans-
besonders gut einsetzen, nennen die Befragten      latorInnen der Sprachunterricht über Jahre das
häufig die Mehrsprachigkeit. So erklärt eine       berufliche Standbein bildet. Es handelt sich bei

„
Translatorin:                                      den meisten also um keine vorübergehende Tä-
                                                   tigkeit, sondern um einen langfristigen Einsatz.
     Da man einfach (unterschiedliche)             Als Grund dafür wird neben dem gesicherten
     Sprachstrukturen kennt, versteht man          Einkommen häufig auch die Begeisterung für
     auch sehr schnell, woher die Fehler der       die Unterrichtstätigkeit genannt. Befragt nach
     Teilnehmenden kommen. Weil man ein-           dem Berufseinstieg geben mehr als die Hälf-
     fach offen ist für andere grammatikali-       te der Befragten an, dass sie bereits während
     sche Strukturen, und dass man, glaube         ihres translatorischen Studiums als Sprachleh-
     ich, rasch eingreifen kann, wenn es zu        rende tätig waren. Der am häufigsten genannte
     Fehlern kommt, und rasch auch eben            Grund für die Aufnahme des Sprachunterrichts
     sagen kann, woher es kommt, und wie           bei jenen ProbandInnen, die bereits während

                                               “
     man das vielleicht lösen kann. Das ist        ihres Studiums Sprachen unterrichteten, war
     auf jeden Fall ein Vorteil.                   der finanzielle Aspekt. Fast genauso stark war
                                                   jedoch das Interesse für den Sprachunterricht
Auch die Textkompetenz und Recherchierkom-         als Motivation zu werten. Bei jenen Befragten,
petenz kommen im Sprachunterricht häufig zum       die erst nach ihrem translatorischen Studien-
Einsatz. Die Palette der (spontan) genannten       abschluss die Sprachunterrichtstätigkeit auf-
Teilkompetenzen ist sehr breit: Genauigkeit im     genommen hatten, war hingegen der stärkste
Ausdruck, Paraphrasieren, Phraseologie, Einsatz    Beweggrund für den Einstieg in die Sprachun-
von Fachsprachen, gute Grammatikkenntnisse,        terrichtssparte die schwierige Vereinbarkeit von
Landeskunde und einiges mehr, was viele Pro-       Familie und Beruf. So äußerte sich eine Proban-
bandInnen mit „das Gespür für die Sprache“         din wie folgt:
10   UNIVERSITAS   Mitteilungsblatt 2/20

                   „    Ich habe es dann eine Zeit lang
                        gemacht mit Übersetzungen, und
                                                                      Literatur:
                        dann war mein Sohn sehr krank,                EPR online. http://www.epg-project.eu/
                        hatte über 40 Fieber, und ich war             projekt-epg/?lang=de (Stand April 2020).
                        sehr, sehr froh, dass er Fieber hatte,
                        weil ich eine große Übersetzung zu            Moisl, Angela. 22002. Eine breite Palette.
                        schreiben hatte. Mit über 20 Seiten.          Perspektiven für IÜD-AbsolventInnen. In
                        Wieder über das Wochenende. Und               Kurz, Ingrid/Angela, Moisl (eds.) Berufs-
                        ich hätte es nicht geschafft, wenn er         bilder Für Übersetzer Und Dolmetscher.
                        nicht krank gewesen wäre. Und ich             Wien: WUV Universitätsverlag, 9-15.

                                                                 “
                        habe mir dann gedacht: ‚So kann es
                        nicht funktionieren.‘                         Sinclair, Katerina. 2018. TranslatorInnen
                                                                      als SprachlehrerInnen. Qualifikations-
                   Die meisten Befragten sind parallel zum            profile und gesellschaftspolitische
                   Sprachunterricht zwar auch translatorisch tä-      Rahmenbedingungen. Unveröffentlichte
                   tig, das Verhältnis beider Tätigkeiten variiert    Dissertation: Universität Wien.
                   jedoch stark.
                                                                      Putz, Ingrid/ Mosberger, Brigitte /Kreiml,
                   Rolle des ZTW                                      Thomas/ Kaupa, Isabella/ Denkmayr, Eva.
                                                                      2008. Berufseinstieg, Joberfahrungen und
                   Einstimmig erklären die ProbandInnen, dass         Beschäftigungschancen von UNI-Absolven-
                   sie sich ein zusätzliches sprachunterrichtsre-     tInnen. Wien: Arbeitsmarktservice Österreich.
                   levantes Angebot am ZTW gewünscht hätten.
                   Im Kontrast dazu plädieren die ExpertInnen
                   für interdisziplinäre Zusammenarbeit und wür-
                   den etwa Schnuppermöglichkeiten oder Orien-
                   tierungshilfe zur Weiterbildung während des
                   translatorischen Studiums für sinnvoll halten.

                   Der Sprachunterricht wird von vielen Überset-
                   zerInnen und DolmetscherInnen mit großer
                   Leidenschaft und sehr kompetent ausgeübt. Es
                   ist nun an der Zeit, das Engagement zahlreicher
                   KollegInnen zu anerkennen, indem man die-
                   sen Beruf thematisiert. Gleichzeitig ist es aber
                   notwendig darauf hinzuweisen, dass die trans-
                   latorische Ausbildung bloß eine gute Ausgangs-
                   basis darstellt, eine sprachunterrichtsrelevante
                   Weiterbildung für die Ausübung der Sprachlehr-
                   tätigkeit jedoch erforderlich ist.
UNIVERSITAS         Mitteilungsblatt 2/20                        11

SIMULTAN PER VIDEO –
EIN THEMA FÜR ALLE?
Taskforce RSI

D
           ie Informationstechnologie hat in         (engl. distance interpreting) gängig geworden.
           den letzten Jahren cloudbasierte Dol-     Zuvor hatte sich seit den 1990er Jahren der Ter-
           metschplattformen      hervorgebracht,    minus Remote Interpreting (RI) eingebürgert,
           mit deren Hilfe völlige Ortstrennung      der nach wie vor alternativ verwendet wird3. Fern-
zwischen DolmetscherInnen und Konferenzort           dolmetschen ist dabei ein breiter Oberbegriff, der
möglich ist. Die Bandbreite an Konstellationen       eine Reihe von Unterscheidungen zulässt.
und technischen Lösungen ist groß und reicht
von eigens zu diesem Zweck entwickelten Si-          Eine grundsätzliche Unterscheidung betrifft das
multandolmetschplattformen (RSI-Plattformen,         eingesetzte technische Medium – Telefon vs.
wobei RSI für remote simultaneous interpreting       Videokonferenz (VK), wobei letztere Bezeich-
steht) bis hin zum behelfsmäßigen Einsatz von        nung irreführend sein kann, weil sie sich nicht
dafür kaum geeigneten Videokonferenzplattfor-        auf eine Konferenzsituation (i. S. v. Konferenz-
men. Die Coronakrise mit all ihren Begleiterschei-   dolmetschen) bezieht. Beim VK-gestützten Dol-
nungen gibt diesen Entwicklungen nun ganz neue       metschen wird je nach Standort der Dolmet-
Aktualität und wird sie sicher beschleunigen.        scherIn eine weitere wichtige Differenzierung
                                                     vorgenommen: Beim sogenannten Videokonfe-
Die Taskforce RSI1 wurde ins Leben gerufen,          renzdolmetschen (oft im juristischen Bereich)
um den Mitgliedern von UNIVERSITAS Aust-             wird die DolmetscherIn für eine bestehende
ria gebündelte Informationen bereitzustellen.        VK-Kommunikation beigezogen und befindet
Mit diesem Artikel soll etwas Ordnung in die         sich dann an einem der beiden per VK-Schal-
Begriffsvielfalt gebracht und über die grund-        tung verbundenen Orte. Beim Ferndolmetschen
legenden Aspekte aus der Sicht von Konfe-            im engeren Sinn ist dagegen nur die Dolmet-
renzdolmetscherInnen informiert werden. Wir          scherIn nicht vor Ort und wird mittels VK zu-
verzichten sehr bewusst auf die namentliche          geschaltet, um die Kommunikation zwischen
Nennung von RSI-AnbieterInnen. Die Vielfalt          GesprächspartnerInnen, die sich gemeinsam
ist zu groß, um vollständig darüber zu informie-     am selben Ort befinden, zu ermöglichen. Eine
ren, genannte AnbieterInnen könnten dies als         Dreipunkt-Videokonferenzschaltung, bei der
offizielle Empfehlung verstehen, nicht genann-       alle Gesprächsbeteiligten an einem jeweils an-
te Unternehmen als Diskriminierung. Außerdem         deren Ort sind, stellt ein Mittelding dar, dessen
kommen laufend neue AnbieterInnen und Lö-            eindeutige Bezeichnung noch unklar ist. Unklar
sungen dazu und die „ideale“ Plattform gibt es       ist jedenfalls auch, wie unschwer zu erkennen
unserer Meinung nach ohnehin noch nicht.             ist, der Ausdruck „Videodolmetschen“, der hier-
                                                     zulande vor allem im Bereich des Kommunaldol-
Eine ISO-Norm für die Ausgestaltung von RSI-         metschens Verbreitung gefunden hat und sich
Plattformen ist in Vorbereitung. Derzeit gibt es     auf VK-gestütztes Ferndolmetschen im Konse-          1
                                                                                                              Die Taskforce RSI besteht aus Claudia

als Vorstufe das Dokument ISO/PAS 24019:20202.       kutivmodus bezieht.                                  Fischer-Ballia, Ivana Havelka, Thomas
                                                                                                          Musyl, Franz Pöchhacker und Susanne
Diese PAS (Publicly Available Specification) ent-
                                                                                                          Watzek. Dieser Artikel ist ein Gemein-
hält Anforderungen und Empfehlungen für die          Im Bereich des Konferenzdolmetschens im Si-
                                                                                                          schaftsprodukt der Taskforce auf der Grund-
verschiedensten Aspekte, die BetreiberInnen          multanmodus ist dagegen das Akronym RSI,
                                                                                                          lage der folgenden Beiträge: Begriffsklä-
von RSI-Plattformen beachten sollten.                also Remote Simultaneous Interpreting, ge-
                                                                                                          rung FP, technische Teile TM, Belastungen
                                                     bräuchlich. Für RSI werden (seit ca. 2014)
                                                                                                          IH, Gehörschutz SW, juristischer Teil CFB,
I. Ursprung und Begriffe                             spezielle VK-Dolmetschplattformen angebo-            Gesamtredaktion SW
                                                     ten, die ohne traditionelle Konferenztechnik         2
                                                                                                              https://www.iso.org/obp/
Für das Dolmetschen über räumliche Grenzen           für Dolmetschen (d. h. ohne Kabinen, Konso-          ui/#iso:std:iso:pas:24019:ed-1:v1:en
hinweg („aus der Ferne“), das ab Mitte des           len oder Infrarotempfänger) auskommen. Von           3
                                                                                                              Sabine Braun (2015). “Remote Inter-
20. Jahrhunderts in Verbindung mit dem Tele-         einer Alternative zum Konferenzdolmetschen           preting”. In H. Mikkelson & R. Jourdenais
fon thematisiert wurde, ist erst in den letzten      vor Ort hat sich RSI durch die Coronaviruskrise      (eds), Routledge Handbook of Interpreting.
Jahren der deutsche Ausdruck Ferndolmetschen         verstärkt zum Mittel der Wahl entwickelt, um         London/New York: Routledge, 352-367.
12                UNIVERSITAS              Mitteilungsblatt 2/20

                                               überhaupt Veranstaltungen mit Simultandol-         Besonderes Augenmerk sollte der Internetan-
                                               metschen zu realisieren. Die Möglichkeiten und     bindung geschenkt werden. Wie auch bei den
                                               Grenzen dieser Dolmetschform sollen im Weite-      Headsets wird oft ein kabelgebundenes Inter-
                                               ren beschrieben werden.                            net verlangt (RJ45-Kabel). WLAN ist meistens
                                                                                                  verboten. Prinzipiell sollte der Datendurchsatz
                                               II. Technische Aspekte                             über das Kabel und WLAN identisch sein, aber
                                                                                                  WLAN kann Funkinterferenzen ausgesetzt sein
                                               II.1. Grundlagen                                   und im Sekundenbruchteil ausfallen. Der Daten-
                                                                                                  durchsatz bzw. die Bandbreite wird vom Platt-
                                               RSI beruht auf Technologie, die es vor ein paar    formbetreiber angegeben oder kann bei diesem
                                               Jahren in dieser Form noch nicht gab. Deshalb      per Speedtest überprüft werden.
                                               ist es notwendig, ein paar grundlegende Ele-
                                               mente zu verstehen. Alle RSI-Plattformen be-       RSI-Plattformen bieten meistens Schulungen
                                               ruhen auf der sogenannten VoIP-Technologie4.       oder Demos an. Keine DolmetscherIn wird ins
                                               Dabei handelt es sich um genau jene Techno-        kalte Wasser geworfen. Softwareaffine erfahre-
                                               logie, die aktuell von allen Telefonieservern      ne KonferenzdolmetscherInnen finden sich im
                                               weltweit eingesetzt wird. Eine RSI-Plattform ist   Interface sofort zurecht. Der Unterschied ist,
                                               nichts anderes als ein großer Telefonieserver.     dass jetzt Schaltflächen mit der Maus und nicht
                                               Jede KonferenzteilnehmerIn und jede Dolmet-        mehr mit Knöpfen bedient werden müssen. Der
                                               scherIn ist eine BenutzerIn mit Rechten und        eigene Computer wird so zur Dolmetschkonso-
                                               einer Gruppenzugehörigkeit. Bei RSI-Plattfor-      le. Inzwischen besteht aber auch bei manchen
                                               men ist eine Gruppe eine Sprache. Wie bei der      Plattformen die Möglichkeit, die wichtigsten
                                               Begriffsklärung erläutert, hat Ferndolmetschen     Funktionen (Mikro an/aus, Kanalwahl) über ein
                                               seinen Ursprung in der Telefonie. Allerdings be-   kleines Tastengerät zu bedienen, das per USB
                                               ruht heute das „gute alte Telefon“ nicht mehr      an den Computer angeschlossen wird.
                                               auf der Übertragung von Schallwellen über ei-
                                               nen Kupferdraht, sondern auf VoIP und cloud-       Die BetreiberIn der RSI-Plattform sorgt für die
                                               basierten Systemen.                                Technik am Konferenzort und für die Übertra-
                                                                                                  gung bis zum Computer der DolmetscherIn. In
                                               Das Internetprotokoll IP5, die zweite Hälfte       manchen Fällen verlangt die BetreiberIn auch
                                               des Akronyms VoIP, ist für den Datentransport      aktiven Zugriff auf den Computer der Dolmet-
                                               verantwortlich. Daten können Ton, Bild, Text,      scherIn, um bei Störungen oder Fehlbedienung
                                               Video usw. sein. Diese Daten werden entwe-         schnell eingreifen zu können, was natürlich
                                               der über TCP oder UDP transportiert (Trans-        bedeutet, dass man damit auch Zugriff zu al-
                                               portschicht genannt). Einige RSI-Plattformen       len auf diesem Computer befindlichen Daten
                                               verwenden „nur“ TCP, andere auch UDP6. Kna-        gewährt. Es wird daher empfohlen, einen Com-
                                               ckiger, kristallklarer Ton wird fast immer über    puter zu verwenden, auf dem sich keinerlei
                                               UDP transportiert. RSI-Plattformen, die UDP        sensitive eigene oder Kundendaten befinden.
                                               verwenden, haben meist einen besseren Ton als      Kontakt zur Technik am Konferenzort besteht
                                               jene, die sich diesen zusätzlichen Programmier-    über ein Chatfenster.
                                               aufwand erspart haben.
                                                                                                  Die NutzerInnen der Dolmetschleistung emp-
                                               II.2. Benötigte Ausstattung                        fangen diese über Apps, die von der RSI-Platt-
                                                                                                  form zur Verfügung gestellt werden und auf
                                               Die Anforderungen von RSI-Plattformen an           Smartphones oder Tablets laufen.
                                               Computer und Notebooks sind nicht besonders
                                               hoch, da fast alle Plattformen in Web-Browsern     II.3. Szenarien
                                               funktionieren, also auf allen Betriebssystemen
4
    Siehe auch: https://en.wikipedia.org/
                                               und mit allen gängigen Web-Browsern.               Was die Szenarien von RSI-Plattformen betrifft,
wiki/Voice_over_IP                                                                                sollten wir zwei Punkte nie vergessen:
5
    Siehe auch: https://de.wikipedia.org/      Zusätzlich wird noch ein USB-Headset (= ka-
wiki/Internet_Protocol                         belgebunden) benötigt. Kabellose Bluetooth-        a) Jede IT-Lösung wird für einen bestimmten
6
    Siehe auch: https://tools.ietf.org/html/   Headsets sind nicht gerne gesehen, von man-        Zweck, ein bestimmtes Szenario programmiert.
rfc768                                         chen Plattformen sogar explizit untersagt.         Zusätzliche Funktionalitäten kommen zwar
UNIVERSITAS       Mitteilungsblatt 2/20   13

später hinzu, das ursprüngliche Szenario be-     sind nicht automatisch alle RSI-Plattformen für
stimmt aber immer die grundlegende Ausrich-      die aktuelle Situation ideal.
tung der Software.
                                                 Im Folgenden finden Sie die vier Hauptszenari-
b) Alle RSI-Plattformen wurden vor der aktu-     en inklusive ihrer Variationen.
ellen Covid-19-Pandemie programmiert. Somit

Szenario 1

Szenario 1a entspricht der aktuellen Covid-19-Situation. Alle TeilnehmerInnen und Dolmetsche-
rInnen sitzen an unterschiedlichen Orten (Homeoffice). Bei Variante 1b sitzen jeweils die Dolmet-
scherInnen einer Kabine zusammen, bei Variante 1c sitzen alle DolmetscherInnen am selben Ort,
auch „Hub“ oder „Studio“ genannt.

Szenario 2

Bei Szenario 2a befinden sich alle TeilnehmerInnen am selben Ort, alle DolmetscherInnen sitzen
an unterschiedlichen Orten, wobei die Unterschiede zwischen 2a, 2b und 2c analog zu den Un-
terschieden der Szenarien 1a, 1b und 1c sind. Szenario 2c ist vielen DolmetscherInnen bereits
bekannt: Die TeilnehmerInnen sitzen im Konferenzsaal, die DolmetscherInnen im Nebenraum mit
Monitoren für die Bildübertragung. Beim Einsatz von RSI-Plattformen können die DolmetscherIn-
nen auch in einem anderen Land sitzen.
14   UNIVERSITAS   Mitteilungsblatt 2/20

                   Szenario 3

                   In Szenario 3 sitzen alle TeilnehmerInnen und DolmetscherInnen am selben Ort. Die RSI-Plattform
                   ersetzt die herkömmliche Infrarot-Technologie. Diese Konstellation war historisch gesehen der
                   Ausgangspunkt für die Entwicklung vieler Plattformen.

                   Szenario 4

                   Bei den Szenarien 4a–c sitzen die TeilnehmerInnen in Gruppen an unterschiedlichen Orten (z. B.
                   verschiedenen Firmenstandorten). Die DolmetscherInnen befinden sich analog zu den Szenarien 1
                   und 2 an unterschiedlichen Orten.

                   II.4. Internetverbindung                            Smartphones für den Notfall). Sitzen die Kolle-
                                                                       gInnen gemeinsam im selben Homeoffice, gibt
                   Die Szenarien veranschaulichen eindeutig: Die       es je nach Betrachtungsweise nur mehr 2–3 In-
                   technischen Anforderungen an RSI-Plattformen        ternetverbindungen (1 kabelgebundene + 1–2
                   variieren bezüglich der Übertragung und des         LTE über die Smartphones). Sollten beiden Kol-
                   Managements der Daten stark. Es muss uns klar       legInnen unterschiedliche Mobilfunk-Anbieter
                   sein, dass sich die Interessen der Plattformen      nutzen, sind beide Geräte, da sie sich ja am
                   (möglichste breite Verteilung des Ausfallsrisikos   selben Ort befinden, in der gleichen Funkzel-
                   und damit der DolmetscherInnen) und legitime        le eingebucht, was automatisch die Ausfallsi-
                   Forderungen unseres Berufsstandes (möglichst        cherheit reduziert. Haben beide KollegInnen
                   als Kabine bzw. als Team gemeinsam arbeiten)        einen Vertrag mit demselben Mobilfunk-An-
                   widersprechen. Sitzen nämlich die Dolmetsche-       bieter, gibt es definitiv nur 2 Internetverbin-
                   rInnen einer „Kabine“ getrennt voneinander im       dungen. RSI-Plattform-Betreiber wollen aber
                   eigenen Homeoffice, so bestehen 4 Internetver-      maximale Ausfallsicherheit.
                   bindungen (2 kabelgebundene + 2 LTE über die
UNIVERSITAS       Mitteilungsblatt 2/20                            15

Die Ausfallsicherheit betrifft alle technischen    DolmetscherInnen und TeilnehmerInnen erhal-
Geräte und speziell die Internetverbindung,        ten dann das Bild über die VK-Plattform, der
den Strom und den Computer. Die Verwendung         Ton läuft aber für alle TeilnehmerInnen über
eines Notebooks gewährt dank der eingebau-         das Add-on, welches ganz normales Simultan-
ten Batterie eine gewisse Sicherheit gegen         dolmetschen ermöglicht. Der Vorteil: Audio-
Stromausfall. Wird ein Standgerät verwendet,       Streams benötigen sehr wenig Bandbreite und
sollte dieses zusammen mit dem Internetmo-         die Streams für Video und Audio sind getrennt.
dem mit einer unterbrechungsfreien Stromver-       Der Nachteil: Die Synchronizität der beiden
sorgung (USV)7 gesichert werden. Gegen einen       Streams ist nicht immer gegeben, da der Audio-
Computerausfall kann man sich nur mit einem        Stream Vorrang hat.
zweiten Gerät absichern. Beide Geräte müssen
dabei am exakt gleichen Softwarestand sein.        Fazit: Solche Lösungen müssen gut durchdacht
Fast alle RSI-Plattformen ermöglichen es auch,     sein und funktionieren, ungeachtet der Teilneh-
im Notfall über das Handy zu dolmetschen. Na-      merInnenanzahl, nur mit einer technisch ver-
türlich meist nur mit Ton und ohne Bild. Jede      sierten ModeratorIn.
DolmetscherIn muss für sich entscheiden, wie
viel Aufwand sie für die Ausfallsicherheit be-     III.    Gesundheitliche Aspekte
treiben will.
                                                   III.1. Belastungen
Wird die Hub-/Studio-Lösung gewählt, liegt die
Verantwortung für das reibungslose Funktionie-     Mit vermehrtem Technikeinsatz ist auch erhöh-
ren der Technik bei der BetreiberIn des Hubs/      tes Stressempfinden verbunden. Dolmetschwis-
Studios. Ein Beispiel für einen gut ausgestatte-   senschaftliche Studien von Barbara Moser-Mer-
ten Hub findet sich im Bericht von Ivana Havel-    cer9 haben gezeigt, dass DolmetscherInnen bei
ka in dieser Ausgabe.                              RSI-Einsätzen höheren physischen und psycho-
                                                   logischen Belastungen als bei einem Simultan-
II.5. „Coronanotfälle“:                            einsatz vor Ort ausgesetzt sind. Körperliche
Simultandolmetschung über „normale“                Beschwerden wie Nacken- und Rückenschmer-
Videokonferenzplattformen                          zen sowie eine Überbeanspruchung der Augen
                                                   durch die ständige Konzentration auf den Bild-
Bei Simultaneinsätzen, die coronabedingt auf       schirm wurden angeführt. Die unfreiwillige Ein-
dafür ursprünglich nicht ausgelegten VK-Platt-     schränkung der Sicht auf den kaum beeinfluss-
formen8 stattfinden, gilt besondere Vorsicht.      baren Kamerablickwinkel und die verminderten      7
                                                                                                          Siehe auch: https://de.wikipedia.org/
Bei Meetings dieser Art sind normalerweise         auditiven Informationen führen nicht nur zu       wiki/Unterbrechungsfreie_Stromversorgung
alle Beteiligten an verschiedenen Orten (siehe     höherem Stress und früherer Ermüdung, son-        Die Größe der Batterie hängt dabei vom

Szenario 1a oben). Die Audio- und Videoqua-        dern können auch ganz allgemein ein Gefühl        Stromverbrauch der zu sichernden Geräte

lität ist oft nicht ausreichend für die Zwecke     des Kontrollverlusts auslösen.                    und der Dauer der erwünschten Überbrü-
                                                                                                     ckungszeit ab.
der Simultandolmetschung und je nach Anzahl
                                                                                                     8
                                                                                                          z. B. Skype, Zoom, Webex etc.
der am Meeting beteiligten Personen kann es zu     Negativ auf Wohlbefinden und Leistung wir-
                                                                                                     9
                                                                                                         Barbara Moser-Mercer. "Remote
chaotischen Situationen kommen, wenn etwa          ken sich auch Störfaktoren wie ein mangelhaf-
                                                                                                     interpreting: Assessment of human factors
mehrere Personen gleichzeitig sprechen wollen      ter, unergonomischer Bildschirmarbeitsplatz,
                                                                                                     and performance parameters". aiic.net
und keine Mikrofondisziplin herrscht.              Lärm- oder Lichtquellen und vor allem störan-
                                                                                                     May 19, 2003. Accessed April 24, 2020.
                                                   fällige Hard- und Software aus. Der kognitive     
Einige dieser VK-Plattformen besitzen nur sehr     Stress erhöht sich ebenfalls durch das Erfor-     10
                                                                                                          Ähnliches gilt in eingeschränkter
rudimentäre Dolmetschfunktionalitäten. Daher       dernis, während des Dolmetschens verschie-        Form für alle TeilnehmerInnen einer
gilt es, die sich daraus ergebenden Einschrän-     dene Informationsquellen auf dem Bildschirm       Videokonferenz, was nur bestätigt,
kungen (z. B. in Bezug auf Kanalwechsel oder       (RednerIn, Präsentation, Dolmetschkonsole,        worauf KonferenzdolmetscherInnen im
Relais) zu beachten. Dafür besitzen diese Platt-   Chatfenster für Kommunikation mit Technik/        Zusammenhang mit Ferndolmetschen schon
formen Programmierschnittstellen, über die         TeamkollegInnen) zu überblicken und zu be-        seit langer Zeit hingewiesen haben. Siehe
Drittsysteme mit den VK-Plattformen kommuni-       dienen. Unsicherheit im Umgang mit der Tech-      auch diesen Artikel aus DerStandard vom
zieren können. Simultandolmetschplattformen        nik belastet zusätzlich.10 Der internationale     10.4.2020: https://www.derstandard.at/

aus der Telefoniewelt, also reine Audioplatt-      Konferenzdolmetscherverband AIIC trägt dem        story/2000116676251/der-affe-im-home-

formen, tun genau das. Sie können als Add-on       erhöhten Stress bei RSI-Einsätzen durch die       office-und-sein-problem-mit-der-webcam,
                                                                                                     Zugriff: 26.4.2020
zu den VK-Plattformen verwendet werden. Die        Empfehlung Rechnung, die Einsatzdauer anzu-
16                   UNIVERSITAS              Mitteilungsblatt 2/20

                                               passen und gegebenenfalls die Teamstärke zu           IV. Rechtliche Aspekte
                                               erhöhen.11
                                                                                                     Für die Einhaltung grundlegender gesetzlicher
                                               Der gewohnte fachliche Austausch mit der Kol-         Bestimmungen ist bei RSI-Lösungen gleich
                                               legIn in der Kabine als hilfreiche Unterstützung      wie bei jeglicher anderen translatorischen Tä-
                                               während des Dolmetschens oder generell im ge-         tigkeit zu sorgen. Datenschutz und Vertrau-
                                               samten Team als wichtige fachliche und soziale        lichkeit müssen in direkten Vereinbarungen
                                               Komponente sollte auch bei RSI-Einsätzen er-          mit der KundIn geregelt werden. Im Sinne der
                                               halten werden. Das geht allerdings nur in Form        EU-Datenschutzgrundverordnung sollte die Dol-
                                               eines Hubs oder Studios (Szenarien 1c, 2c, 4c).       metscherIn eine Datenschutzerklärung von der
                                               Siehe dazu auch den Bericht von Ivana Havelka         KundIn unterzeichnen lassen. Die KundIn wie-
                                               in dieser Ausgabe.                                    derum wird die Unterfertigung einer Geheim-
                                                                                                     haltungsvereinbarung von der DolmetscherIn
                                               Weiterführende Informationen können auch im           verlangen. Es empfiehlt sich, eine derartige
                                               Beitrag von Ivana Havelka zu den Grundsätzen          Vereinbarung genau zu studieren und allfälli-
                                               der videovermittelten Dolmetschsituation nach-        ge Bestimmungen, beispielsweise betreffend
                                               gelesen werden, welcher in der aktuellen Ausgabe      verschlüsselte E-Mail-Übertragung, ernst zu
                                               des Mitteilungsblattes des ÖVGD enthalten ist.        nehmen. Als besonders problematisch erscheint
                                               Bei Interesse kann die digitale Version des Mittei-   uns in dieser Hinsicht der direkte Zugriff auf die
                                               lungsblattes unter office@gerichtsdolmetscher.at      verwendeten Endgeräte der DolmetscherInnen
                                               angefordert werden.                                   durch einige RSI-Plattformen.

                                               III.2. Gehörschutz                                    Ein weiterer Punkt, dem vor allem bei RSI-Lö-
                                                                                                     sungen erhöhte Relevanz zukommt, ist die Wah-
                                               Ein wichtiger gesundheitlicher Aspekt des Dol-        rung des Urheberrechts/geistigen Eigentums.
                                               metschens über eine RSI- oder andere Video-/          Durch das grundlegende Problem der Aufnahme
                                               Audioplattform betrifft den Schutz des Gehörs.        und wiederholten Zugänglichkeit der Dolmet-
                                               Moderne ISO-kompatible Dolmetschkonsolen              schung durch die Veröffentlichung im Internet
                                               beinhalten einen Schalldruckbegrenzer, der            (z. B. Livestream einer Hauptversammlung) se-
                                               überlaute Signale verhindert. Fehlt ein sol-          hen sich DolmetscherInnen ohnehin stärkerer
                                               cher Schutz, könnten extrem laute Töne oder           Kritik und Kontrolle betreffend ihre Dolmetsch-
                                               Rückkopplungsgeräusche das Gehör empfindlich          leistung ausgesetzt. Aus diesem Grund sollte
                                               schädigen. Ein sogenannter akustischer Schock         unbedingt ein Haftungsausschluss (Disclaimer)
                                               kann im schlimmsten Fall auch zu einem dauer-         vereinbart und an sichtbarer Stelle veröffent-
                                               haften Hörverlust führen.                             licht werden, in dem sinngemäß darauf hinge-
                                                                                                     wiesen wird, dass eine Dolmetschung per Video
                                               Die AIIC hat sechs RSI-Plattformen auf ver-           und Audio dazu dient, mündliche Kommunika-
                                               schiedene technische Aspekte hin getestet12           tion zu erleichtern und kein Wortprotokoll bzw.
                                               und die Kriterien für den Gehörschutz wurden          keine wortgetreue Übersetzung des Gesagten
                                               von keiner Plattform erfüllt.                         darstellt und die DolmetscherIn diesbezüglich
                                                                                                     keine Haftung übernimmt.
                                               Für RSI-Einsätze muss also die Empfehlung lau-
                                               ten, selbst für entsprechenden Gehörschutz zu         Aus diesem Grund sollte die Frage nach der
11
     Siehe auch: https://aiic.net/page/8848/
                                               sorgen. Da der Computer hier als Dolmetsch-           beabsichtigten Verwendung der Dolmetschung
Leitlinien der AIIC für das Ferndolmet-
                                               konsole dient, muss der Schutz auch da anset-         proaktiv gestellt werden und gegebenenfalls
schen, hier Fußnote 4, sowie Newsletter
                                               zen. Entweder man verwendet ein Headset, das          ein höheres Honorar zur Abgeltung der Verwer-
der AIIC Taskforce for Distance Interpret-
ing: https://aiic.net/page/8998/tfdi-
                                               mit einer Gehörschutzfunktion ausgestattet            tungsrechte verlangt werden.
newsletter-issue-1/lang/1 (accessed
                                               ist, oder man greift auf die Hilfe eines soge-
11 May 2020)                                   nannten Limiters13, der zwischen Kopfhörer            Ein wichtiger Bestandteil ist letztendlich auch
12
     Siehe auch: https://aiic.net/page/8831/   und Computer eingebaut wird, zurück. Der              die Haftungsfrage, die unbedingt vertraglich
technical-study-rsi-systems/lang/32            Schalldruck wird dabei in den meisten Fäl-            geregelt sein sollte. Es ist ratsam, mit der Kun-
13
     Siehe auch: https://aiic.net/page/8848/   len auf Werte zwischen 110-118 dB begrenzt.           dIn/PlattformanbieterIn die Unterzeichnung
Leitlinien der AIIC für das Ferndolmet-                                                              eines Haftungsausschlusses zu vereinbaren.
schen, hier Fußnote 11                                                                               Dieser sollte die DolmetscherIn von jeglicher
UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 2/20                        17

Haftung für technische Probleme mit der einge-       möglichst gründlich zu informieren. Einige ein-
henden und ausgehenden Übertragung von Bild          schlägige Links finden Sie in den Anmerkungen
und Ton, der Ausfallsicherheit der Systeme oder      zu diesem Artikel.
einem allfälligen Datenverlust freistellen.14 Ein
derartiger Haftungsausschluss sollte generell        In einem so neuen und noch nicht wirklich gere-
beachtet werden, ist aber für „Feuerwehreinsät-      gelten Bereich müssen wir alle Eigenverantwort-
ze“ während der Coronakrise essenziell, sofern       lichkeit zeigen, nicht nur was unsere eigene Aus-
ein RSI-Einsatz zur Gänze ohne TontechnikerIn        stattung betrifft, sondern auch wenn es darum
geplant ist.                                         geht, unbedarfte AuftraggeberInnen über die
                                                     Möglichkeiten und Grenzen der neuen Techno-
V. Schlussbemerkungen                                logien aufzuklären. Vermehrtes Dolmetschen im
                                                     Remotemodus ist unter derzeitigen Bedingun-
Welche Schlüsse zieht man als einzelne Kon-          gen belastender als gewohnte Präsenzeinsätze.
ferenzdolmetscherIn nun aus all diesen Aspek-        Dem sollte auch Rechnung getragen werden:
ten? Auch wenn sie uns vielleicht nicht begeis-      z. B. durch vertraglich vereinbarte Mehrpausen,
tern, die neuen technischen Entwicklungen            angepasste Honorargestaltung, die Einbezie-
werden nicht verschwinden, ganz im Gegenteil.        hung (und Weiterverrechnung) von nicht-dol-
Momentane Beschränkungen der Reise- und              metschenden AssistentInnen als Unterstützung
Versammlungsfreiheit und die in den nächsten         in Technikfragen oder bei der Durchführung der
Jahren zu erwartenden Sparkurse von Unter-           zusätzlichen Aufgaben am Bildschirm während
nehmen und öffentlichen Stellen werden wohl          des Dolmetschens im Homeoffice, Verkürzung
beschleunigend wirken. Für manche von uns            der täglichen Arbeitszeit bzw. Vergrößerung von
können sich dadurch möglicherweise auch neue         Teams, wo dies angezeigt erscheint, um nur ei-
Einsatzmöglichkeiten und Märkte erschließen.         nige Punkte zu nennen.

All jenen, die sich darauf einlassen – ob freiwil-
lig oder nolens volens – muss man raten, sich

 Die Taskforce RSI besteht aus Claudia Fischer-Ballia, Ivana Havelka, Thomas Musyl,
 Franz Pöchhacker und Susanne Watzek.

                                                                                                         14
                                                                                                              Siehe auch: https://aiic.net/page/8848/
                                                                                                         leitlinien-der-aiic-fur-das-ferndolmetschen/
                                                                                                         lang/32 (abgerufen am 11.5.2020)
18           UNIVERSITAS                          Mitteilungsblatt 2/20

                                                                           KONFERENZDOLMETSCHEN ON AIR –
                                                                           HUBS ALS KNOTENPUNKTE DES
                                                                           RSI-DOLMETSCHENS
                                                                           Ivana Havelka

                                                                           J
                                                                                     ahrzehntelang waren Konferenzdol-        mindest in der bisher üblichen Ausführungsart
                                                                                     metschende in ihrer Leistungserbrin-     deutlich erschwert. Großes Umdenken wird nun
                                                                                     gung vom Standort der Konferenzbe-       allseits gefordert. Dabei kann die Digitalisie-
                                                                                     teiligten abhängig. Diese Prämisse       rung einen großen Beitrag bei der Gestaltung
                                                                           verliert jedoch zunehmend ihre Gültigkeit und      neuer Dolmetschformen leisten.
©  John Michael Oliver

                                                                           angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen
                                                                           der letzten Jahrzehnte sowie der allgemeinen       Als eine mögliche Alternative für das Dolmet-
                                                                           Situation durch die aktuelle Pandemie wird der     schen vor Ort können Software-Plattformen für
                                                                           Ruf nach Lösungen aus der Ferne lauter.            das Remote Simultaneous Interpreting (RSI)
                                                                                                                              eingesetzt werden. Hierbei wird das Dolmet-
                         Ivana Havelka forscht und                         Dolmetschen ist grundsätzlich als Kommu-           schen aus der Ferne und oftmals aus dem ei-
                         lehrt im Bereich des technik-                     nikationsleistung, die zwecks Verständigung        genen Arbeitsbereich im Wohnungsverband
                         gestützten Dolmetschens an                        erbracht wird, als eine Sprachdienstleistung       ausgeführt. Jedoch ist es nicht allen Konfe-
                         der Universität Wien und der                      zu definieren. Nicht selten ist für einen Kon-     rendolmetschenden möglich von zu Hause zu
                         Université de Neuchâtel.                          ferenzdolmetschauftrag auch eine längere An-       arbeiten, da das häusliche Umfeld nicht die Be-
                                                                           reise zum Einsatzort notwendig. Manchmal fällt     stimmungen zu Datenschutz und Datensicher-
                                                                           sogar für einen kurzen, einstündigen Einsatz       heit erfüllt.
                                                                           am Konferenzort die An-und Abreise unverhält-
                                                                           nismäßig länger und kostenintensiver als der       Eine geeignete Lösung für das Konferenzdol-
                                                                           eigentliche Dolmetscheinsatz aus. Der Standort     metschen aus der Ferne stellen sogenannte Dol-
                                                                           der Leistungserbringung von Konferenzdolmet-       metsch-Hubs dar. Ein solcher Dolmetsch-Hub,
                                                                           schenden wurde daher immer öfter außerhalb         betrieben vom Unternehmen Neumann&Müller,
                                                                           der eigentlichen Konferenzräume oder Plenar-       wurde 2019 in Deutschland gegründet. Die
                                                                           säle verlegt. Angetrieben u. a. durch allgemeine   Ton- und Lichtexperten für Konferenzausstat-
                                                                           wirtschaftliche Entwicklungen wurde die Scho-      tung gründeten in der Nähe von Stuttgart den
                                                                           nung von finanziellen, räumlichen aber auch        plattformunabhängigen RSI-Hub mit festen
                                                                           zeitlichen Ressourcen auf Seiten der Kundinnen     Dolmetschkabinen. Der RSI-Hub in Neuhausen
                                                                           und Kunden zunehmend prioritär behandelt.          bietet permanente und temporäre Dolmetschka-
                                                                                                                              binen an. Die Technik sowie das dazugehörige
                                                                           Aktuell haben die Maßnahmen zur Verhinderung       Personal sind Teil des Dienstleistungskonzepts.
                                                                           der Ausbreitung von Covid-19 einen Präzedenz-      Mit umfassender technischer Unterstützung kön-
                                                                           fall geschaffen, welcher die Arbeitsweise von      nen Konferenzdolmetschende aus der Ferne tätig
                                                                           Dolmetschenden vollkommen umstellt oder zu-        werden. Dabei werden die Bestimmungen des
                                                         © Ivana Havelka
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