20 Jahre Jugendbauhütte NRW-Rheinland - In Trägerschaft der - ijgd NRW
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Die Jugendbauhütten sind ein Jugend- bildungsprojekt im Bereich Handwerk und Denkmalpflege unter dem Dach der Deut- schen Stiftung Denkmalschutz. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist die größte private Initiative für Denk- malpflege in Deutschland. Sie setzt sich seit 1985 kreativ, fachlich fundiert und unabhängig für den Erhalt bedrohter Bau- denkmale ein. Ihr ganzheitlicher Ansatz ist einzigartig und reicht von der Notfall-Rettung gefährdeter Denkmale, pädagogischen Schul- und Jugendprogrammen bis hin zur bundes- weiten Aktion Tag des offenen Denkmals®. Rund 600 Projekte fördert die Stiftung jähr- lich, vor allem dank der aktiven Mithilfe und Spenden von über 200.000 Förderern. Ins- gesamt konnte die Deutsche Stiftung Denk- malschutz bereits über 6.000 Denkmale mit mehr als einer halben Milliarde Euro in ganz Deutschland unterstützen. Doch immer noch sind zahlreiche einzigartige Baudenk- male in Deutschland akut bedroht. Wir bauen auf Kultur – machen Sie mit! Mehr Informationen auf www.denkmalschutz.de und www.jugendbauhuetten.de Spendenkonto Jugendbauhütten IBAN: DE75 3804 0007 0305 5555 05 BIC: COBA DE FF XXX • Commerzbank AG Wasserschloß Raesfeld
I N H A LT Die jungen Menschen beeindrucken mich immer wieder aufs Neue mit Ihrem Engagement und Ihren Fähigkei- ten. Sie schärfen auch unseren Blick auf die Arbeit der Denkmalpflege mit ihren Fragen und Anliegen. Und alle Freiwilligen, die ich bisher im LVR-Amt für Denkmal- pflege erleben durfte, sind einfach unglaublich interes- sierte und sympathische Menschen, die nach dem Jahr im Amt sehr selbstbewusst ihren eigenen Weg gehen. Dr. Andrea Pufke Leiterin des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland 2001- 2021 20 Jahre Jugendbauhütte NRW-Rheinland Grußworte, Beiträge, Erinnerungen - Dr. Andrea Pufke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 - Dr. Ursula Schirmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 - Elly Bijloos und Torsten Weil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 - Prof. Dr. Udo Mainzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Interview mit Eva Wissing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Jugendbauhütten - Fakten, Fragen, Antworten . . . . . . . . . . . . 8 Internationale Jugendgemeinschaftsdienste . . . . . . . . . . . . . 10 Deutsche Stiftung Denkmalschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Zeitstrahl Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 10- und 15-jähriges Jubiläum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Die Mauern von Nideggen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Christian Kiesow – Persönliche Erinnerungen . . . . . . . . . . . . 18 Ortskuratorien und die Jugendbauhütte . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Die Rettung der Wolske-Stühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Einsatzstelle Landesarchiv Duisburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Stiftung Industriedenkmalpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 UNESCO-Welterbe Zollverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Alte Dreherei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Raum 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Restaurierung des Gartenpavillons „La Folie“ . . . . . . . . . . . . . 32 Wenn Frisuren Säulenordnungen erklären . . . . . . . . . . . . . . . 35 Einsatzstelle Dombauhütte Xanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Die Lohmühle in Duisburg–Baerl nimmt Wind auf . . . . . . . . 38 Eine internationale Berufslaufbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Mail aus der Mongolei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Freiwillige 2020/21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Standorte aller Jugendbauhütten / Impressum . . . . . . . . . . 46 So können Sie helfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Zur besseren Lesbarkeit werden personenbezogene Bezeichnungen, die sich zugleich auf alle Geschlechter beziehen, generell nur in der im Deutschen üblichen männlichen Form angeführt. 3
20 JAHRE JUGENDBAUHÜTTE NRW-RHEINLAND „Das beste Jahr meines Lebens“ „Das beste Jahr meines Lebens“– diese knappe Bilanz Epochen und Grenzen hinweg mit dem gemeinsamen eines Freiwilligen ist gleichzeitig das größte Lob. Für kulturellen Erbe zu beschäftigen und Verantwortung für die Verantwortlichen der Deutschen Stiftung Denkmal- die Weitergabe der Denkmale als unschätzbarem Wis- schutz und ihres Partners, den Internationalen Gemein- sensspeicher für die nächste Generation zu übernehmen. schaftsdiensten (ijgd), die 1999 die Grundlagen für die Scheinbar verstaubte Denkmale erfahren eine völlig neue Jugendbauhütten erarbeiteten, standen fundierte Überle- Wertschätzung für die Zukunft. Unsere „Jugendbauhütt- gungen zur nachhaltigen Vermittlung vom Wert unserer ler“ werden dadurch zu einem Teil dieser Geschichte, ein Kulturdenkmale, pädagogische Konzepte und Strategien Glied in der Kette, die Vergangenheit mit Zukunft ver- der Persönlichkeitsbildung junger Menschen, die Wert- bindet, und nehmen diese Erfahrung mit auf ihren weite- schätzung handwerklicher Leistungen oder Möglichkei- ren Lebensweg. ten des internationalen Austauschs im Mittelpunkt der Damit ist das Projekt Jugendbauhütten zu einer der er- Überlegungen. Dass ein Jahr in einer Jugendbauhütte folgreichsten Initiativen der Deutschen Stiftung Denk- junge Menschen für ihre gebaute Umwelt einfach begeis- malschutz geworden. Als private Stiftung setzt diese sich tern kann, zählt seither zu den beglückenden Erfahrung dank ihrer privaten Spender und der Lotterie Glücks- aller Beteiligten. Der Erfolg der ersten Jugendbauhütte Spirale bundesweit für den Erhalt und die Pflege von in Quedlinburg stieß schnell auf Interesse auch in Nord- Denkmalen ein. Eine nachhaltige Wirkung erhält dieses rhein-Westfalen. Der Gründung einer Jugendbauhütte bürgerschaftliche Engagement durch die Projekte der Be- 2001 im Rheinland folgte 2007 eine zweite in Westfalen. wusstseinsbildung, die – wie die Jugendbauhütten – die Inzwischen sind die Jugendbauhütten mit 16 Standorten Flamme an die nächste Generation weitergeben. eine der großen Erfolgsgeschichten der Deutschen Stif- tung Denkmalschutz. Dr. Ursula Schirmer Ein Jahr in der Denkmalpflege ermöglicht jungen Men- Pressesprecherin und Abteilungsleiterin Bewusstseins- schen, ihre eigenen Fähigkeiten zu erproben, sich über bildung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz „Die Zeit verwandelt uns nicht, sie entfaltet uns nur“ Diese Worte des Schweizer Architekten Max Rudolf Fisch sind für unsere Jugendbauhütte(n) in Nordrhein-Westfalen zutreffend. 2001 wurde am Niederrhein die „Jugendbauhütte Rhein- berg-Raesfeld“ mit Sitz in Rheinberg gegründet, wo sie erfolgreich startete. Der Zuspruch für und das Interesse an dem Projekt Jugendbauhütte sind in NRW stetig ge- wachsen – jährlich bewerben sich über 150 junge Men- schen auf aktuell 47 Plätze. Das hat 2007 zur Gründung einer weiteren Jugendbauhütte in NRW mit Sitz in Soest geführt. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW fördert den Denkmal- schutz und die Denkmalpflege in vielen verschiedenen Bereichen. Unsere Freude und unser Dank gilt dem Um- Lehmstampfen beim Seminar in Raesfeld 2009 stand, dass beide Jugendbauhütten durch das Land NRW 4
GRUSSWORTE gefördert werden. Zudem unterstützt auch der Fachbe- reich Regionale Kulturarbeit des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) das Projekt Jugendbauhütte NRW- Rheinland. Jugendbauhütten sind ein Projekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Trägerschaft der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste Die ijgd bietet jungen engagierten Menschen aus aller Welt Raum zur Begegnung in Form außerschulischer Bildungsarbeit im Rahmen von Freiwilligendiensten. Wir sehen die Freiwilligkeit als Grundvoraussetzung für eine gelungene Begegnung und nachhaltiges Lernen. Die Freiwilligendienste sind ein „Lernraum“, in dem Jugend- liche sich selbstorganisiert ausprobieren und die eigenen Mauerreparatur Schloss Senden Grenzen und Möglichkeiten entdecken können. Sie er- fahren auf den Seminaren „Gemeinschaft“ und Vielfalt als Normalität. Dort werden Werte wie Gerechtigkeit, Gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz Antirassismus oder Antidiskriminierung gelebt, und Be- blicken wir, die ijgd, auf eine sehr konstruktive und kre- wusstseinsbildung im Bereich von ökologischem Han- ative Kooperation von mehr als 20 Jahr zurück. deln sowie dem Umgang mit politischen Themen geübt. Dankend erinnern wir uns an Dr. Norbert Heinen, der die Oder um es mit Worten von Walter Gropius (Gründer des Kooperation zwischen DSD und ijgd auf einen guten Bauhauses) zu sagen: Weg gebracht hat. Er konnte Silke Strauch, unsere ehe- malige ijgd-Kollegin und erste Jugendbauhüttenleiterin „Wir müssen der Jugend mehr Gelegenheit überhaupt, als Nachfolgerin gewinnen. Wir danken Silke geben, während ihrer Ausbildungszeit per- Strauch und ihrem Team ganz herzlich für die wertvolle sönliche Erfahrungen zu machen. Nur wenn Zusammenarbeit. wir sie selbst Tatsachen finden lassen, kann An dieser Stelle gilt unser Dankeschön den ca. 440 Frei- Wissen zur Weisheit werden.“ willigen dieser Jugendbauhütte, sie haben sich mit schein- Seit Fridays for Future erleben wir, dass für die Freiwil- bar Altem auseinandergesetzt und für die Gegenwart ligen Nachhaltigkeit immer wichtiger wird. Sie erkennen wieder zum Leben erweckt. das Potential für den gesamten Baubereich und hier im Speziellen für die Denkmalpflege. Dabei geht sowohl Danke auch an unser Team „Jugendbauhütte NRW-Rhein- darum, Gebäude für die Nachwelt zu erhalten und nicht land“ Uwe Steinberger und Petra Zaar. einfach abzureißen, aber ebenso auch um den Einsatz nachhaltiger Baustoffe und Bauverfahren. Immer mehr Alle die, die mit ihren Spenden und ihrer Förderung unse- Jugendliche suchen auch nach beruflichen Perspektiven re „Jugendbauhütte NRW-Rheinland“ unterstützen, sagen im Bereich des ökologischen und nachhaltigen Bauens wir von Herzen Dankeschön! und Sanierens. Auf das sich die „Jugendbauhütte NRW-Rheinland“ wei- Die „Jugendbauhütte NRW-Rheinland“ hat die Industrie- tere 20 Jahre entfalten möge. denkmalpflege als Schwerpunkt. Um die Industriekultur aufarbeiten zu können, ist der Erhaltung von Industrie- Elly Bijloos anlagen von zentraler Bedeutung, sie sind gebaute Zeug- komm. Geschäftsführerin ijgd – Geschäftsstelle Bonn nisse der Industrialisierung in NRW. Dies gemeinsam mit jungen Menschen zu tun, ist uns ein Anliegen. Diese Torsten Weil Orte einer neuen Nutzung zuzuführen, bei der Nachhal- für den Regionalvorstand ijgd Geschäftsstelle Bonn tigkeit, Freiwilligkeit und partizipative Selbstorganisati- on Themen sind, sehen wir als unsere Aufgabe. 5
20 JAHRE JUGENDBAUHÜTTE NRW-RHEINLAND Die Anfänge der Jugendbauhütte im Rheinland Die Akademie des Handwerks auf Schloss Raesfeld Am Anfang war das Wort: ein Telefonat, das ich im Jahr kam Bewegung in die Aktivitäten. Zudem gelang es mir 2000 als damaliger Landeskonservator für das Rhein- aus meiner Tätigkeit im Beirat der Akademie des Hand- land mit dem Geschäftsführer der Jugendbauhütten der werks/Europäisches Zentrum für Denkmalpflege auf Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Dr. Norbert Heinen Schloss Raesfeld (Westfalen) deren Leiter, Werner Storz, führte, der mir durch sein gleichzeitiges Ehrenamt als als Kooperationspartner für das Projekt zu gewinnen. Vorsitzender des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege Damit war gleichzeitig die Voraussetzung für eine Ein- und Landschaftsschutz bestens bekannt war. Ihn wollte beziehung Westfalens in das Vorhaben geschaffen. ich dafür begeistern, auch im Rheinland eine Jugendbau- Nachfolgende intensive Verhandlungen mit zuständigen hütte einzurichten. Triebfeder für mein Ansinnen war die Ministerien beim Bund und in NRW sowie den beiden Erkenntnis, dass es nach Eröffnung der ersten Jugendbau- Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe hütte am 1. September 1999 in Quedlinburg unbedingt zur Klärung der erforderlichen Finanzierung mündeten geboten erschien, eine solche ebenfalls im Rheinland ein- unter Beteiligung der Internationalen Jugendgemein- zurichten angesichts seiner hohen Bevölkerungszahl wie schaftsdienste/Landesverein NRW, denen die Betriebs- seines umfänglichen Denkmälerbestandes. führung oblag, schließlich am 1. September 2001 in die Einrichtung der Jugendbauhütte Rheinberg/Raesfeld. Rückenwind erfuhr dieses Anliegen durch die spontane Diese wurde im Rahmen eines Empfangs des Vorsitzen- Bereitschaft der seinerzeitigen Kulturamtsleiterin von den der Deutschen Stiftung Denkmalschutz Professor Rheinberg, Vera Thuleweit, der auch die dortige Untere Dr. Gottfried Kiesow am 30. Januar 2002 in der Alten Denkmalbehörde unterstand, mit ihrer Stadt bei dem Kellnerei in Rheinberg der Öffentlichkeit vorgestellt. Vorhaben mitzumachen. Zur Unterstützung kam es dann Bei dieser Veranstaltung durfte ich in einem Grußwort mit ihr zu einem Treffen bei Christiane Underberg, noch einmal die Sinnhaftigkeit des Projektes darlegen: Geschäftsführerin des gleichnamigen Unternehmens in Rheinberg. Sie war nicht nur als mögliche Sponsorin • Es kann wesentlich dazu beitragen, die gesellschaftli- angefragt, sondern vor allem in ihrer Position als Vorsit- che Akzeptanz von Denkmalschutz und Denkmal- zende des Xantener Dombauvereins und der damit ver- pflege zu stärken, bundenen Funktion als Personalvorgesetzte der Dom- • Jugendliche erhalten so im wahrsten Sinne des Wortes bauhütte, die sich wegen ihrer Nachbarschaft zu Rhein- einen „begreifbaren“ Zugang zu Zeugnissen von berg als Einsatzstelle für eine Jugendbauhütte geradezu Kunst und Kultur, anbot. Nach einem weiteren Gedankenaustausch mit • Jugendliche können zudem einen positiven Impuls Christiane Underberg und Dr. Norbert Heinen in Xanten bekommen für die Entscheidung bei ihrer Berufswahl, • bei Jugendlichen, die außerdem als Multiplikatoren wirken können, wird ein Gespür für den Umgang mit Rheinberg, erster Bürositz der Jugendbauhütte Ressourcen geweckt und NRW-Rheinland • Denkmäler werden durch den Einsatz der Jugendli- chen erhalten und gepflegt. Längst hat der hohe Zuspruch von Jugendlichen, die im Rahmen eines Freiwilligen Jahres in der Denkmalpflege (FJD) in der Jugendbauhütte Rheinland arbeiten, bewie- sen, wie sehr die ersten Schritte im Jahr 2000 in die richtige Richtung führen sollten. Prof. Dr. Udo Mainzer Landeskonservator für das Rheinland a. D. 6
Geschenk für die Freiwilligen Interview mit der ersten Leiterin der Jugendbau- hütte Eva Wissing. Sie hat das Projekt bis Mitte 2007 begleitet. Was waren ihre persönlichen Highlights? Die Seminare in Raesfeld: beeindruckende Kulisse, tolle Handwerker, der Geist und Feinsinn der Restaurato- ren im Handwerk gemischt mit der Bodenständigkeit des Handwerks. Mehrere Jahrgänge waren mit Norbert Then in der Schmiede, die Arbeit mit Eisen und Feuer beeindruckte die Freiwilligen besonders, Norbert war auch als Typ mit Leib und Seele bei den Freiwilligen, er hat uns auch einmal abends in seine Schmiede eingela- den, das „Kunstklärwerk “, und uns seine Wirkstätte gezeigt. Auch der Austausch nach Frankreich und die Begegnung mit den französischen Lehrlingen und deren Meistern war sehr spannend. Schon die vorbereitenden Besuche in Nancy und Vorbesprechungen mit den dorti- gen Lehrern machte viele kleine kulturelle Unterschiede „Historische“ Seminarbilder: Zeche Zollverein (Dezember deutlich. Schade war, dass der angedachte Retourbesuch 2001); Teilnehmer des Stuck & Holz-Seminar (April 2003) zum Seminar in Raesfeld nicht stattfinden konnte. Wobei: eine kleine Gruppe verbrachte privat ein Wochenende in Schubert sehr von der Idee der Jugendbauhütte begeistert Köln, dort trafen sich dann einige Freiwillige der Jugend- war. Im Zyklus 04-05 haben wir sogar das Abschlussse- bauhütte und die Franzosen in einem Kölner Brauhaus. minar in Xanten durchgeführt, große Teile des Programms Was finden Sie bemerkenswert? wurde zusammen mit der Dombauhütte entwickelt. Besonders spannend fand ich die Industriedenkmalpflege, Aber auch der archäologische Park hat den Freiwilligen die sich als Schwerpunkt der Jugendbauhütte im Rhein- tolle Einblicke in aktuelle Grabungen ermöglicht. land herausbildete. Die Verbindung von Architekturstilen Welche Entwicklung haben Sie festgestellt? und harter Arbeit, die in vielen Zechen und Industrie- Als große Entwicklung empfand ich die Entstehung und bauten ganz nah beisammen war. Bei der Erkundung die Idee der Jugendbauhütte Soest (heute NRW-Westfa- mit den Freiwilligen wurde sowohl über Maloche, len), dadurch wurde das Ganze ja nochmal verdoppelt. Industrialisierung und Wandel viel diskutiert und auch Auch die Einbindung internationaler Freiwilliger fand philosophiert. ich eine schöne Entwicklung. Auch die Möglichkeit mit den Jugendlichen in Raesfeld übernachten zu können, Welche Möglichkeiten bietet die Jugendbauhütte fand ich toll und ermöglichte ein entspannteres Eintau- den Freiwilligen? chen in das Seminargeschehen. Die ersten beiden Jahre Ich finde es ein großes Geschenk für die Freiwilligen, in mussten wir auf zum Teil nicht ganz nahgelegene Über- tollen Handwerksbetrieben mitzuarbeiten, Geschichte zu nachtungshäuser ausweichen, was auch immer mit Rei- erfahren und somit viel besser zu verstehen. Auch die sezeit verbunden war. Handwerkskunst schätzen zu lernen, dies zeitgleich ein- gebunden in einer Gruppe Gleichgesinnter zu erleben, hat Eva Wissing für viele dieses Jahr zu einem Besonderen werden lassen. Erste Leiterin der Jugendbauhütte NRW-Rheinland (bis 2007) Welcher Einsatzstelle waren Sie besonders begeistert? Ich fand sehr viele Einsatzstellen großartig. Während der Das Interview führte Marlene Schuler ganzen Zeit habe ich die Xantener Dombauhütte als sehr Sprecherin der Jugendbauhütte NRW-Rheinland unterstützend und mittragend empfunden, da Johannes Zyklus 2020/21 7
20 JAHRE JUGENDBAUHÜTTE NRW-RHEINLAND Aus der Welt der Jugendbauhütten Fakten, Fragen, Antworten Wie viele Was ist das Freiwillige gab es Ziel von dem in dem Zeitraum Freiwilligenjahr? von 1999 bis heute? Die Freiwilligen bekommen einen unverbindlichen Einblick 5069, davon 406 aus in denkmalbezogene Berufe dem Ausland und haben sehr viel Zeit, sich beruflich zu orientieren. Muss man sich für ein komplettes Jahr verpflichten? Nein, man kann auf 6 Monate verkürzen oder auf 18 Monate verlängern. Allerdings ist ein ganzes Jahr Teilnehmer und Mitarbeiter der Jugendbauhütten gewünscht. beim Sachsen-Anhalt-Tag 2019 in Quedlinburg. Wie läuft ein Der Begriff Freiwilligenjahr ab? „Jugendbauhütte“ Man arbeitet in seiner ist beim Deutschen Einsatzstelle, wo man sich hin Patent- und Marken- beworben hat. Es gibt 6 Seminare amt geschützt in dem Jahr, wo man sich mit anderen Freiwilligen aus- tauschen kann und Kontakte knüpfen kann. 8
FA K T E N , F R AG E N , A N T W O RT E N Wie bewirbt man sich für ein FSJ bei den Jugendbauhütten? Nach Eingang der Onlinebewerbung wird der Interessent bzw. die Interessentin zu einer Informations- veranstaltung eingeladen, die dem gegenseitigen Kennenlernen dient und aufkommende Fragen bezüg- Es gibt lich des Freiwilligendienstes beantworten soll. Im 16 Jugendbauhütten Anschluss erhält der Bewerber den Einsatzstellenkatalog in 13 Bundesländern. und bewirbt sich bei den Wunscheinsatzstellen, wo noch einmal ein Bewerbungsgespräch und eventuell ein Termin zum Probearbeiten vereinbart wird. Die Arbeitsvereinbarung für das Freiwillige Soziale Jahr in der Denkmalpflege wird zwischen dem Freiwilligen, der Jugendbauhütte und der Einsatzstelle geschlossen. Es gibt einen Verein von Bekommt man ehemaligen Jugendbau- eine Unterkunft gestellt? hüttlern, den „Wissens- Eine Unterkunft muss vermittlung in der Denkmal- grundsätzlich selbst gesucht werden. pflege e.V.“, gegründet Es gibt an den Einsatzstellen aber oft von sächsischen günstige Unterkünfte. Teilweise besteht Ehemaligen. die Möglichkeit, in den eigenen Häusern der Jugendbauhütte vor Ort zu wohnen. Die Jugendbauhüttenleiter helfen bei der Unterkunftssuche 75% der gerne weiter. Freiwilligen bleiben nach ihrem Freiwilligendienst dem Denkmalschutz verbunden. Mehr Informationen: www.jugendbauhuetten.de 9
I N T E R N AT I O N A L E J U G E N D G E M E I N S C H A F T S D I E N S T E Internationale Jugend- gemeinschaftsdienste (ijgd) Die ijgd sind ein unabhängiger, gemeinnütziger Verein und Bedeutung von Kulturerbe unterstützen den Lern- der internationalen Jugendarbeit, anerkannter freier Trä- prozess. Mehr als 5000 Jugendliche haben bisher in den ger der Jugendhilfe und eine der größten und ältesten Jugendbauhütten ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert Workcamp-Organisationen in Deutschland. und ihre Begeisterung für den Denkmalschutz entdeckt. Im Jahr 1949 wurden die ijgd in Hannover gegründet. 16 Jugendbauhütten gibt es deutschlandweit. Schüler organisierten nach dem Zweiten Weltkrieg die ersten Workcamps, um den Wiederaufbau zu unterstüt- Die ijgd arbeiten mit Menschen aller Altersgruppen. Im zen, Feindbilder durch internationale Kontakte abzubau- Fokus stehen jedoch junge Menschen zwischen 16 und 26 en und nach neuen, demokratischen Visionen für eine Jahren. Die Freiwilligen erhalten in den verschiedenen friedliche Zukunft zu suchen. Was klein in Hannover Programmen die Möglichkeit kreativ zu sein, solidarisch begann hat sich zu einer länderübergreifenden gemein- zu handeln und Eigenverantwortung zu übernehmen. Die nützigen Fachorganisation entwickelt. ijgd schaffen so Räume, in denen Menschen die Möglich- Die ijgd bestehen heute aus 14 Landesvereinen und einem keit haben, ihre eigenen Potenziale und Kompetenzen zu Bundesverein. In sechs Geschäftsstellen mit zwölf Regi- entdecken und auszuprobieren. onalbüros arbeiten rund 250 hauptamtliche Mitarbeiter. Die Ziele und das Konzept der ijgd-Projekte werden von Sie organisieren kurz-, mittel- und langfristige Freiwilli- acht Arbeitsgrundsätzen getragen. Diese sind: Ökologi- gendienste im In- und Ausland. Die Tätigkeitsfelder lie- sches Lernen, Freiwilligkeit, Selbstorganisation, soziales gen unter anderen in den Bereichen Soziales, Ökologie, Lernen, interkulturelles Lernen, Geschlechtergerechtigkeit, Demokratie und Denkmalpflege. Antirassismus/Antidiskriminierung und politische Bildung. Mehr Informationen: www.ijgd.de Das FSJ in der Denkmalpflege wird von den ijgd seit mehr als 20 Jahren in den Jugendbauhütten organisiert. Für dieses deutschlandweit einmalige Projekt kooperie- ren die ijgd mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Innerhalb eines Jahres lernen junge Menschen zwischen 16 und 26 Jahren Handwerkstechniken und wenden diese an. Für viele ist dies der Startpunkt einer Laufbahn ins Handwerk. Seminare zu Materialkunde, Denkmalpflege Freiwillige der ijgd in Aktion - Impressionen aus den Seminaren 10
DEUTSCHE STIFTUNG DENKMALSCHUTZ Einsatz der Jugendbauhütte Hessen-Marburg in der Siedlung Loheland Deutsche Stiftung Denkmalschutz Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist die größte pri- be macht Schule“, und die Jugendbauhütten. Während vate Initiative für Denkmalpflege in Deutschland. Seit „denkmal aktiv“ Schulen angeregt, Themen der Denk- ihrer Gründung 1985 setzt sie sich unter der Schirmherr- malpflege in den Unterricht zu integrieren, können jun- schaft des Bundespräsidenten fachlich fundiert, kreativ ge Menschen in den Jugendbauhütten ein Freiwilliges und unabhängig für den Erhalt bedrohter Baudenkmale Soziales Jahr in der Denkmalpflege absolvieren. In dem ein. Sie fördert bundesweit den Erhalt von Denkmalen durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz initiierten aller Gattungen. Die Hilfe kommt kleinen und großen und finanzierten Projekt sind die Teilnehmer in allen Denkmalen zugute – von der archäologischen Grabung Bereichen der praktischen Denkmalpflege tätig und „be- über kleine Dorfkirchen bis zur denkmalgeschützten In- greifen“ Denkmalpflege im wahrsten Sinne des Wortes. dustrieanlage. Ihr Fachwissen und die Erfahrungen in Denkmaltheorie Möglich wird diese Arbeit durch das große bürgerschaft- und -praxis gibt die Stiftung in ihrer DenkmalAkademie liche Engagement, von dem die Deutsche Stiftung Denk- aktiv weiter. In ihrem sechsmal jährlich erscheinenden malschutz getragen wird, denn sie finanziert ihre Arbeit Magazin Monumente sowie in dessen Online-Ausgabe vor allem aus privaten Zuwendungen wie Spenden, Zu- berichtet sie über ihre Arbeit, aktuelle Denkmaldebat- stiftungen und Erbschaften sowie den Erträgen der Lot- ten und erzählt die Geschichten hinter der Geschichte terie GlücksSpirale, deren Destinatär die Stiftung ist. der Denkmale und ihrer Eigentümer. Der ganzheitliche Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz versteht ihre Ar- Anspruch der Deutschen Stiftung Denkmalschutz reicht beit für den Denkmalerhalt als umfassende und generati- von der Notfall-Rettung gefährdeter Denkmale, pädago- onenübergreifende Aufgabe. Ihre breite Aufstellung ist in gischen Schul- und Jugendprogrammen bis hin zur bun- Deutschland einzigartig. desweiten Aktion Tag des offenen Denkmals®. Durch Mehr Informationen: www.denkmalschutz.de eine breite Presse- und Öffentlichkeitsarbeit informiert die Stiftung über alle Aktivitäten. Denn nur wer um die Notwendigkeit und Probleme des Denkmalschutzes weiß, entwickelt ein Bewusstsein für die wertvolle Ar- beit der Denkmalpflege kann für eine aktive Mitarbeit gewonnen werden. Junge Menschen für das Kulturerbe und den Denkmal- schutz zu begeistern, dieses Ziel verfolgen gleich zwei Projekte: die Schulaktion „denkmal aktiv – Kulturer- 11
20 JAHRE JUGENDBAUHÜTTE NRW-RHEINLAND Eine Zeitreise Jugendbauhütte NRW-Rheinland Vorphase: 2007: 2009/2010: Zur Gründung einer Jugendbauhütte in G ründung der neuen Jugendbauhütte in F reiwillige bauen die „Venus von Nordrhein- Westfalen fanden vorbereitende Soest führt zur Abgabe der Einsatzstellen Raesfeld“ (2 Meter hohe moder- Gespräche zwischen Prof. Dr. Mainzer im Bereich Westfalen. Die Jugendbauhütte ne Statue aus verschiedenen, (damaliger Landeskonservator NRW), Duisburg-Raesfeld ist weiterhin zuständig auf den Seminaren geschaffenen Dr. Norbert Heinen (DSD) und für die Gebiete Niederrhein, Ruhrgebiet Elementen). Christiane Underberg statt. und das Rheinland. 2001-2002: 2006 – 2015 D er erste Jahrgang startet mit 12 Teilneh- 2010: mern in seinen Freiwilligendienst. Teilweise Gemeinsamer finanzielle Absicherung durch Kooperation Aktionsstand mit Gemeinsame Ausstellung im mit der Bundesagentur für Arbeit. dem Ortskuratorium Rahmen der Aktionen zu Essen Düsseldorf beim Kulturhauptstadt 2010. Das OK 2005: Bücherbummel Essen zeigt die Ausstellung „Der In- auf der Kö dustrie ihre Kathedralen“ und die kontinuierliche Jugendbauhütte präsentiert die Förderung Venus von Raesfeld auf Zollverein. durch den LVR. 2005/2006: 2008: E rster europäischer Freiwilli- J ugendmesse von Aktion Mensch gendienst startet (Ausrichtung „Respect our Future“. Gemeinsamer von regional zu international: Stuck-Aktionsstand der Jugendbauhütte Einsatz eines Freiwilligen in den Görlitz und Mühlhausen im Landschafts- Niederlanden). park Nord in Duisburg. 2004/2005: k ontinuierliche Förderung durch das Land NRW und Auszeichnung der UN- Gemeinsames Austauschprogramm ESCO als nachhaltiges UN- Dekadeprojekt mit der französischen Berufsschule CAF. „Jugendbauhütten“. 2003/2004: B ürostandort nach Duisburg verlegt: 2010/2011: Fortführung als Jugendbauhütte 10-jähriges Jubiläum mit Ehema- Duisburg- Raesfeld. ligen-Treffen auf Schloss Raesfeld im Kötterhaus. Auch ehemalige internationale Freiwillige reisen an. Sept 2001: G ründung der Jugendbauhütte Rheinberg/Raesfeld Sitz in Rheinberg. 12
2001- ZEITSTRAHL HISTORIE 2021 Ein Fenster aus Nowosibirsk Foto: Roman Petrushin Yulia, 27 Jahre alt Freiwillige der Jugendbauhütte NRW-Rheinland „Es gibt ein Sprichwort in Russland: ‚Das Brot steht über Allem.’ Diese Idee ist jedoch in vielen Kulturen der Welt verbreitet.“ Der Blick durch Nachbars Fenster Yulia aus Nowosibirsk, Russland Хлеб всему голова – Das Brot steht über Allem Wer bin ich? Ich heiße Yulia und bin 27 Jahre alt. Ich habe einen vielfälti- gen ethnischen Hintergrund, da meine Mutter Russin und mein Vater Koreaner ist. In einer Mischkultur aufzuwachsen, weckte wahrscheinlich mein Interesse an Kultur insgesamt. Nach fünf Jahren Soziokulturellen Studien an der Universi- tät Nowosibirsk in Russland reiste ich nach Deutschland, um einen Master in Denkmalpflege zu machen. Nach meinem Abschluss mache ich jetzt einen internationalen Bundes- freiwilligendienst und arbeite in der Archäologischen Zone Köln, weil ich mehr praktische Erfahrungen sammeln will. Ich will das Erbe bewahren, indem ich etwas dafür tue. Mein Thema: Es gibt Hunderte von Brotsorten auf der Welt. Der Beginn der Brote reicht bis in die Antike zurück, als die Menschen gerade mit der Entwicklung der Landwirtschaft begonnen haben. Jeder Laib, den wir in der modernen Zeit am Tisch essen, verbindet uns mit der jahrtausendealten Geschichte. Oft als selbstverständlich betrachtet, erinnert es uns an ein faszinierendes Erbe und die Traditionen jedes Landes. Wenn wir es backen, teilen und behalten wir diese Tradition. Brot als Kernprodukt unserer Kulturen bestimmt in seiner gan- zen Vielfalt die soziale Struktur, die Verteilung der Arbeits- kräfte und natürlich die Architektur. Ich persönlich finde zum Beispiel erstaunlich, wie die Getreidesilos in Russland und in Deutschland aufgebaut sind und wie sie sich unter- scheiden und übereinstimmen. Obwohl Backweisen, Rezep- te und Brotsorten unterschiedlich sein können, finde ich es interessant, in verschiedenen Kulturen solche Gemeinsam- keiten zu finden. Die architektonische Struktur von Silos inspiriert Ingenieure dazu, industrielle Elemente in neuen Gebäuden einzuset- zen. Noch wichtiger ist, dass aufgegebene Silos und Spei- cher für neue Zwecke wiederverwendet werden können. Durch die Möglichkeit der Schaffung von neuen kulturellen Räumen, Museen und Archiven bewahren die Architekten die Geschichte und geben sie an die nächste Generation weiter. Vision/Wünsche für den Denkmalschutz Mit der raschen Entwicklung unserer Gesellschaften, neuen archäologischen Erkenntnissen aus der Vergangenheit und aufkommenden zeitgenössischen Phänomenen möchte ich die wunderbaren Dinge und Ideen, die wir in der ge- samten Menschheitsgeschichte gewonnen und entdeckt haben, nicht verlieren. Ich bin sicher, dass das Denkmal- schutz-Team die deutsche Bau- und Kulturgeschichte wei- terhin bewahren und so zur Erhaltung des globalen Erbes beitragen wird. Ausstellung 2012: 2017: „Mein Erbe- dein Erbe. Der Blick Die Ausstellung der Jugendbauhüt- B eginn der Zusammenarbeit Getreidesilo in Nowosibirsk; Russisches Brot Fotos: Slava Stepanov (Getreidesilo); Dmitry Makeev (Russisches Brot), Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0 durch Nachbars ten wird in der Stadtbibliothek in mit der Beethovenhalle Bonn. Fenster“ Neuss gezeigt. Illustration: Ute Ickler Silos im Oldenburger Nordhafen und ein Korb mit deutschen Brötchen Foto: Joachim Kohler Bremen, (Oldenburger Nordhafen) Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0; 3268zauber (Brötchen) Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 2014: 2018: Die geplante Zusammenlegung mit der Jugend- g emeinsames Seminarprojekt mit dem LVR - Amt bauhütte Soest kann im Rahmen der Sparpläne für Denkmalpflege im Rheinland „Stadt, Land, Burg“ abgewendet werden, jedoch kommt es im Rahmen anlässlich des europäischen „Kulturerbejahres“ dieser Umstrukturierung zur Beendigung der (ECHY) in Nideggen. Kooperation mit der Akademie des Handwerks Ausstellung „junge Hände für alte Wände im auf Schloss Raesfeld. Stadthaus Bonn“ und Projektpräsentation der restaurierten Objekte aus der Beethovenhalle. Bundesweite Eröffnung Tag des offenen Denkmals® 2015: in Köln mit Ausstellung der Jugendbauhütten und der Sonderausstellung „Mein Erbe- dein Erbe. U mzug in die Der Blick durch Nachbars Fenster“ mit Einbindung ijgd– Geschäftsstelle Bonn. von vielen Ehemaligen. 2016: U mbenennung in Jugendbauhütte NRW– Rheinland. 15- jähriges Jubiläum mit den 2019: Jugendbauhütten Wismar und Hessen-Marburg. Fachseminar auf Zollverein: „100 Jahre Bauhaus im Westen- die 2015/2016: Welt neu denken“. Besuch einer Fachgruppe aus Ningbo (China). Ingenieurinnen und Ingenieure informieren sich über die Möglichkeiten junge Menschen für den Denkmalschutz 2020: zu begeistern. D as Jahresthema der DSD „Nachhaltigkeit“ wird 2014/2015: auf den Seminaren theoretisch und praktisch umgesetzt (Verknüpfung von traditionellem Z unehmende Projektarbeit auf den Handwerk mit ökologischem Handeln; selbst Brot Seminaren (Seminare bei der Stiftung backen; etc.). Zollverein, dem Haus der Vereine- Alte gemeinsame Infoveranstaltung zu den Dreherei Mülheim an der Ruhr und viele Jugendbauhütten mit dem Ortskuratorium einzelne Projekte kommen hinzu). Bonn-Rhein/Sieg in der VHS Bonn. Gemeinsamer Aktionsstand mit der Dombauhütte 2012/2013: Xanten auf der Landesgartenschau in Kamp- Lintfort. D oppelter Abiturjahrgang führt zu über 100 Bewerbern. Neue Einsatzstellen im hand- werklichen Bereich (Maler, Steinmetz, Maurer, Zukunftswerkstatt rund um das Tischler, Schreiner) kommen hinzu. Thema Nachhaltigkeit 13
10 20 JAHRE JUGENDBAUHÜTTE NRW-RHEINLAND 2011 feierten wir -jähriges Jugendbauhütte Duisburg/Raesfeld Am 28. April fand ab 14 Uhr die 10-jährige Geburtstags- aktuelle und ehemalige Freiwillige über ihren Freiwilli- feier der Jugendbauhütte Duisburg/Raesfeld im Kötter- gendienst, darunter auch Katalin Pataki, die 2008/2009 haus von Schloss Raesfeld statt. Beim Festakt sprachen einen Europäischen Freiwilligendienst absolviert hat Dr. Rosemarie Wilcken (Vorsitzende der DSD), Bürger- und extra für die Veranstaltung aus Ungarn angereist ist. meister Grotendorst (Raesfeld), Dr. Ulrich Stevens Weitere ehemalige Freiwillige reisten aus der Schweiz (komm. Landeskonservator Rheinland), Eckard Zurheide und aus Luxemburg an. Insgesamt nahmen ca. 90 Perso- (Akademie des Handwerks) u.a.. Anschließend fand die nen an der Veranstaltung teil. Scheckübergabe in Höhe von 20.000 Euro durch die Provinzialstiftung an den Jugendbauhüttenverein statt. Beim abendlichen Grillfest mit Livemusik herrschte eine sehr kommunikative Stimmung zwischen allen In der folgenden Podiumsdiskussion berichteten Vertre- Beteiligten. Das gemeinsame Frühstück am nächsten terinnen und Vertreter aus den Einsatzstellen und den morgen mit den über 30 Übernachtungsgästen war auch Ortskuratorien der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sehr lecker, sodass alle gutgelaunt gegen 12 Uhr am über ihre Zusammenarbeit mit der Jugendbauhütte und Sonntag aufbrachen. Auszüge aus dem Gästebuch: Herzlichen Glückwunsch, endlich wieder in Raesfeld!!! Wann ist denn das nächste Jubiläum? Alles Gute von Nicole, Anna Lena und Christin (2007/2008) Danke ijgd für ein wunderbares Jahr und wunderbare Erinnerungen und vor allem Danke für die wunderbaren verrückten Menschen von denen zu wenig hier sind. Sophia Lückmann Herzlichen Glückwunsch zum 10 jährigen Geburtstag. Rosemarie Wilcken Und es hat nicht geregnet! Petra Ich je vais bien et toi aujourdui c’est le jubilee de ijgd a raesfelda bientot. Jessica de france aus Frankreich Es war sehr gut, ich freue mich sehr beim Jubiläum zu sein, es ist tatsächlich toll die Erinnerungen wieder aufleben zu lassen. Vielen Dank für die Einladung und die tolle Organisation. Freue mich auf das Fest in 20 Jahren. Verena Geffe 10-Jähriges Jubiläum:Freiwilligentreff und Grillfest 14
15 Gemeinsame 15 Jahre Jubiläumsfeier mit den Jugendbauhütten Wismar und Hessen-Marburg 2016 sind es schon stolze Jahre Ab jetzt Jugendbauhütte NRW-Rheinland Zusammen mit den Jugendbauhütten Hessen-Marburg Im Rahmen einer Podiumsdiskussion unter dem Motto und Wismar feierten wir vom 10. bis zum 12. Juni unser „Junge Hände für alte Wände“ tauschten sich hier die 15-jähriges Jubiläum im Stadtwald in Marburg. Einge- Besucher mit Dr. Wolfgang Illert, Dr. Andrea Pufke, bettet in ein großes Ehemaligentreffen fand ein Festakt Landeskonservatorin Rheinland, Petra Held, Holger statt, der von Dr. Wolfgang Illert, Vorstand der Deut- Lüders, Restaurator in unserer Einsatzstelle Museen schen Stiftung Denkmalschutz, eröffnet wurde. Im An- Burg Altena und Johanna Michels, ehemalige Teilneh- schluss lobten Marburgs Bürgermeister Dr. Franz Kahle merin unserer Jugendbauhütte, über die gesellschaftli- und Dr. Petra Naumann vom Hessenpark die gute Zu- che Relevanz des Programms aus. Am Nachmittag sammenarbeit mit der Stiftung und den ijgd. Petra Held, konnten die Besucher an unterschiedlichen Aktionsstän- Landesgeschäftsführerin ijgd Mecklenburg-Vorpom- den Balken behauen, sich an Vergoldungen versuchen, mern, betonte in ihrer Rede die positiven Effekte des erste Erfahrungen an der fußbetriebenen Wippdrechsel- Freiwilligendienstes in der Denkmalpflege für die Teil- bank sammeln und Stuck- und Schmiedearbeiten ken- nehmenden. nenlernen. 15
20 JAHRE JUGENDBAUHÜTTE NRW-RHEINLAND Arbeiten in der alten Kupferschmiede in Essen 16
PROJEKT NIDEGGEN Stadt – Land – Burg, eine Projektwoche als Initialzündung Die Mauern von Nideggen Vieles lässt sich planen, nicht aber die noch immer wir- die Mauern von Nideggen mit signalroten Schildern zu kende Strahlkraft eines Projektes, das nun drei Jahre versehen: Von mir erforscht! Stadt – Land – Burg: Die zurückliegt: „Stadt – Land – Burg. Die Mauern von Mauern von Nideggen. Dieses Projekt hat die langjährige Nideggen“ hat uns Denkmalpfleger des LVR-Amtes für Partnerschaft zwischen dem LVR-ADR und der Jugend- Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) nicht nur bauhütte NRW-Rheinland in einer sehr vitalen Art bestä- Bestätigung gegeben, sondern auch große Lust am Wei- tigt und nachhaltig aufstrahlen lassen: Junge Menschen termachen. Die Zusammenarbeit mit den FSJ‘lern der für den Erhalt des kulturellen Erbes zu sensibilisieren, Jugendbauhütte, den Schulklassen sowie den lokalen mit ihnen die Faszination historischer Bauten, alter Hand- und überregionalen Partnern hat neue Perspektiven in werkstechniken und Bauweisen zu teilen und sie so zu der Vermittlung aufgezeigt. aktiver Unterstützung des gesellschaftlichen Anliegens Im April 2018 trafen wir die „Freiwilligen“ in Nideggen von Denkmalschutz und Denkmalpflege zu begeistern: zur Vorbereitung der Projektwoche im Europäischen Das wirkt in die Zukunft und macht enormen Spaß! Kulturerbejahr: An der Seite der Mitarbeiter des Fach- Dr. Kristin Dohmen, amtes erprobten sie die Denkmal-Rallyes, reflektierten Sachgebietsleiterin Bauforschung, die Fragestellungen und die Methoden der Vermittlung LVR - Amt für Denkmalpflege im Rheinland als künftige Paten für die Schülergruppen. In gemeinsa- men Feedbackrunden entstanden neue und kreative Ideen, die in die große Projektwoche vom 14.-18. Mai 2018 einflossen. Was sich alles an den Mauern von Nideggen entdecken lässt, konnten die Schüler der Klas- sen 3-9 in ihrer Projektwoche aktiv erkunden – angelei- tet und begleitet von den FSJ‘lern, die im Zentrum der Detektiv-Rallye auf Denkmalvermittlung standen. Die Begeisterung, mit der der Burg Nideggen die Schüler auf Spurensuche vor der eigenen Haustür für Grundschüler gingen, war bereits während der Projektwoche eine der Klassen 3-4. Bestätigung für alle Beteiligten. Bestandteil des Projek- Ein FSJ‘ler begleitet tes war eine offene Ideenwerkstatt zur Gestaltung der und betreut als Pate gemeinsamen Feier des letzten Tages am 18. Mai 2018. fünf Schüler. Die FSJ‘ler besuchten die Schulklassen zur Nachberei- tung der Rallyes im Unterricht und standen als Paten bei der äußerst kreativen inhaltlichen Auf bereitung der Ergebnisse zur Seite. Sie selbst gestalteten Plakate zum Europäischen Kulturerbejahr 2018 und bereicherten den Festakt mit Statements zum eigenen Engagement im Pro- jekt. Und es war ihre Idee und ihr Werk, für die Schüler Bauhütte an der Burgmauer Nideggen für Sekundarschüler Ideenwerkstatt Abschlussfeier: der Klasse 9. Ein Stück Mauer FSJ‘ler schmücken für die Schul- wird saniert, Anleitung der klassen die Stadt Nideggen mit Steinmetzarbeiten von LVR- signalroten Schildern: Von mir ADR-Restaurator C. Schaab erforscht! 17
Während eines Steinseminares auf Schloss Raesfeld gestalteten die Freiwilligen eine Venusfigur, die im Garten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ihren Platz fand. Christian Kiesow, Fachreferent der Deutschen Stiftung Denkmalschutz Persönliche Erinnerungen Christian Kiesow ist seit 2009 Teil des Teams aufgestellt wurde. Diese Aufbauaktion war das Tages- Jugendbauhütten der Deutschen Stiftung Denk- thema in der Stiftung, selbst der damalige Geschäfts- malschutz. Als Architekt und Tischler unterstützt führer Dr. Wolfgang Illert ließ es sich nicht entgehen, er seitdem die Arbeit der Jugendbauhütten, wie wir zu dritt die Figur aufbauten. Dort wurde sie im insbesondere während der Seminare. März im Rahmen der Jahrestagung der Jugendbauhütten von meinem Vater, Prof. Dr. Gottfried Kiesow, einge- Den frühesten Kontakt mit der Jugendbauhütte NRW- weiht. Rheinland – damals hieß sie noch Jugendbauhütte Duis- burg – hatte ich im Januar 2010. Ich bin von dem 2015 habe ich erstmals als Referent mit der Jugendbau- damaligen Jugendbauhüttenleiter Laurent Godfrin nach hütte NRW-Rheinland gearbeitet. Mein erster Einsatz Raesfeld eingeladen worden, wo ich zum ersten Mal die war in der alten Dreherei in Mülheim a. d. R , wo wir Steinfigur Venus in der Werkstatt gesehen habe. Sie ent- Toilettentrennwände mit Türen einbauten. 2016 habe ich stand im Rahmen der Seminararbeit der Jugendbauhüt- erstmalig auch auf der Zeche Zollverein als Referent te, wobei die Teilnehmer die Skulptur selbst entwarfen gearbeitet – eine beeindruckende Industrieanlage! Seit- und ihre Bestandteile unter der Anleitung von Fachleu- dem bin ich mehrmals im Jahr bei den Seminaren der ten selbst erstellten. Die Venus habe ich am 31.Mai 2010 Jugendbauhütte NRW-Rheinland an den unterschied- von Raesfeld zu der Zeche Zollverein in Essen in dem lichsten Seminarorten aktiv. Dazu gehörte auch die Res- damaligen stiftungseigenen Ford Transit gebracht. Der taurierung des Gartenpavillons La Folie in Düsseldorf- Wagen lag wegen der schweren Teile „etwas“ tiefer. Kaiserswerth, die leider durch die Pandemie stark be- Gemeinsam haben Laurent Godfrin, zwei weitere Teil- einträchtigt wurde. Mit einem Schlag mussten lang vor- nehmer und ich die Figur aufgebaut, wobei sie wegen aus geplante Seminare abgesagt oder verschoben werden. ihres Gewichtes genau über einem Stahlträger stehen Und wenn wir uns zu den Veranstaltungen trafen, ge- musste Die drei letzten Teile waren am schwierigsten schah das unter den Corona Bedingungen. Ein Zusam- aufzubauen, da die Venus doch ein wenig wackelte und mensein beschränkte sich nur auf das Arbeiten am wir immer Abstand gehalten haben, weil die schwersten Objekt mit Abstand und im kleinen Kreis, maximal die Teile weit oben waren. halbe Gruppe. Dennoch haben wir Spaß an dem Garten- pavillon in Düsseldorf-Kaiserswerth gehabt, der am Ende Nach der Ausstellung kam die Figur nach Romrod, wo wieder schön anzusehen war. sie ein Jahr aufbewahrt wurde, bevor sie 2011 in Bonn im Garten der ehemaligen Bayerischen Landesvertretung, Christian Kiesow, dem Hauptsitz der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Fachreferent der Deutschen Stiftung Denkmalschutz 18
O R T S K U R ATO R I E N U N D D I E J U G E N D B A U H Ü T T E Ortskuratorien und die Jugendbauhütte Die Ortskuratoren: Wenn Ehrenamt auf Freiwilligendienst trifft, treffen oft auch verschiedene Generationen aufeinander, Menschen die trotz des großen Altersunterschieds mit der Begeis- terung für den Denkmalschutz ein gemeinsames Thema haben, das sie verbindet. Ob auf Seminarbesuchen, bei gemeinsam organisierten Ausstellungen oder Aktionen zum Tag des offenen Denkmals®: die Ortskuratorien der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sind schon lange be- Essen geisterte Unterstützer der Jugendbauhütte NRW-Rheinland. Schon im Jahr 2006 etablierte sich gemeinsam mit dem Ortskuratorium Düsseldorf der Deutschen Stif- tung Denkmalschutz eine Aktion, die bis ins Jahr 2015 ein regelmäßiger Teil des Jugendbauhüttenjahres der Jugendbauhütte NRW-Rheinland werden sollte. Jährlich Düsseldorf / Essen / Meerbusch nahmen die Freiwilligen der Jugendbauhütte und die Mit- glieder des Ortskuratoriums am Bücherbummel auf der Kö in Düsseldorf teil. Auch das Ortskuratorium Essen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ist schon seit frühen Zeiten der Jugend- bauhütte ein starker Partner an der Seite der Freiwilligen. Vor allem die gemeinsam durchgeführte Ausstellung Sonderausstellung mit Ortskuratorium Bonn „Der Industrie ihre Kathedralen“, die 2010 auf der Zeche Zollverein eröffnet wurde und zu der die Jugendbauhütte ihre „Venus von Raesfeld“ beisteuerte, bleibt unverges- sen. Die Verbindung zur Ortskuratorium konnte auch nach der Neugründung 2019 aufrechterhalten werden. Im Jahr 2012 unterstützte das Ortskuratorium Neuss der Deutschen Stiftung Denkmalschutz eine Ausstel- Köln lung zu den Jugendbauhütten in der Stadtbibliothek in Neuss, in 2013 begann dann auch die Zusammenarbeit mit dem Ortskuratorium Meerbusch der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Den Startschuss für eine sehr enge Zusammenarbeit gab die erste Begegnung mit dem Ortskuratorium Bonn/ Rhein-Sieg der Deutschen Stiftung Denkmalschutz im Bonn Jahr 2017. Bis heute finden regelmäßige Treffen von Jugendbauhütte und Ortskuratorium statt. Gemeinsam wurden viele Aktionen, wie zum Beispiel 2018 die Prä- sentation der Jugendbauhüttenausstellung mit einem Sonderteil zur Restaurierung der Wolske-Stühle aus der Bonner Beethovenhalle im Bonner Stadthaus, durchge- führt. Essen 19
Die Freiwilligen bei der digitalen Schadenskartierung Seminare zur Bestandsaufnahme und Restaurierung der Siegfried Wolske-Bestuhlung der Beethovenhalle Bonn Die Rettung der Wolske-Stühle Das Restaurierungsatelier Conservation Pool aus Alten- Projekthintergund kirchen (Westerwald) ist auf Befunduntersuchung, Kon- Mit Sanierung der Beethovenhalle Bonn kam die Frage servierung und Restaurierung von Holz und modernen nach Verbleib, Zustand, eventueller Restaurierung und Materialien in der Denkmalpflege spezialisiert. Seit Nutzung der originalen Bestuhlung auf. 2016 begleiteten wir sechs Freiwillige auf ihrem Weg in Der Architekt der Beethovenhalle Bonn, Siegfried den Beruf. Nicht ohne Stolz können wir sagen, dass alle Wolske, entwarf in Zusammenarbeit mit der Firma nach dem Einblick in die praktische Denkmalpflege ent- Mauser die Erstbestuhlung des Großen Saals. Von den weder einen handwerklichen, künstlerischen oder restau- 1959 fertiggestellten Stühlen wurden etwa 2100 Stühle ratorischen Berufsweg eingeschlagen haben. Durch die im Saal und 400 Stühle auf der Empore aufgestellt. Laut Ausrichtung mehrerer praktischer Fachseminare in unse- Vermerk wurden diese 1973 teilweise neu gepolstert. rem Atelier bekamen wir zusätzlich die Gelegenheit, Weitere Hinweise zu Überarbeitungen sind nicht bekannt. Freiwillige aus anderen Einsatzstellen kennenzulernen. Die nicht stapelbare Erstbestuhlung schränkte die Nut- Wir konnten mit mehreren Jahrgängen an einem konkre- zung der Beethovenhalle als Mehrzweckhalle stark ein. ten Denkmalpflegeprojekt arbeiten und dabei die Dyna- Wurde keine Bestuhlung bei einer Veranstaltung mik und Vielfalt der Seminargruppen erleben. Unsere gebraucht, musste die komplette Saalbestuhlung durch Zeit als Einsatzstelle begann direkt mit der Planung eines eine Parkettluke gereicht werden und 1 zu 1 in einem gemeinsamen Projektes mit der Jugendbauhütte NRW- Raum unter dem Großen Saal wieder aufgebaut werden. Rheinland. Bildungsreferent Uwe Steinberger konnte als Deshalb wurden die Stühle 1985 ausrangiert und da die Projektpartner die Bundesstadt Bonn gewinnen. Im Rah- Stühle schon relativ früh das Haus verlassen haben, ste- men von zwei Seminaren sollte die Bestands- und hen die Stühle bislang nicht unter Denkmalschutz. Dies Zustandsaufnahme, sowie erste Restaurierungen an den soll sich allerdings im Rahmen der Sanierung der Beet- noch erhaltenen 20 Originalstühlen der Beethovenhalle hovenhalle und Rückführung der originalen Bestuhlung Bonn durchgeführt werden. Mit Beginn des Projektes ändern. wurden vom städtischen Gebäudemanagement immer mehr Originalstühle im Stadtgebiet ausfindig gemacht. Erwartungen und Ziele So wurden aus anfänglich 20 Stühlen, 2017 bereits 34 Die Idee, ein Seminar direkt mit einem echten Restau- Stühle und 2018 schließlich 69 Stühle. Dadurch wuchs rierungsprojekt zu verbinden, ist eine große Chance für das Projekt zu einer mehrjährigen Zusammenarbeit mit die Freiwilligen. Auch für das Unternehmen gibt es einen insgesamt 5 Seminaren verteilt über drei Freiwilligen- Mehrwert. Mal abgesehen von der Beauftragung und jahrgänge (2017-2019). dem Imagegewinn, stellt dies eine gute Gelegenheit dar, 20
DIE RETTUNG DER WOLSKE-STÜHLE um potentiellen Nachwuchs für das Berufsfeld zu entierte, soziale und handwerkliche Kompetenzen der gewinnen und auch um gesellschaftliche Verantwortung Freiwilligen gefördert. Außerdem muss man als Restau- als Unternehmen zu übernehmen. Trotzdem birgt die rator genau abwägen, welche tatsächlichen Restaurie- Konstellation auch große Herausforderungen. Die Ein- rungsschritte überhaupt ungelernten Freiwilligen über- satzstelle als gewinnorientiertes Unternehmen bewegt tragen werden können. Dabei gilt stets ein Höchstmaß an sich dabei im Spannungsfeld zwischen den Ansprüchen Vorsicht und Schutz der einzigartigen Kulturgüter. Dies der Auftraggeber, der IJGD mit eigenen pädagogischen wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Interessen und den Bedürfnissen der Freiwilligen. So Gerade deshalb war es uns wichtig, die Freiwilligen von ergibt sich eine spannende Gemengelage, in der es gilt, Anfang an deutlich für die notwendige Verantwortung alle Akteure möglichst transparent mit einzubeziehen. im Umgang mit Kulturgut zu sensibilisieren. Dadurch Damit solch ein Seminar für alle Beteiligte zum Erfolg konnten auch einzelne Arbeitsschritte unter Anleitung führt, ist es wichtig, im Vorfeld die Erwartungen klar zu an den Originalen durchgeführt werden. Alle Jahrgänge definieren und deutlich zu kommunizieren. haben diese Herausforderung vorbildlich gemeistert und die ihnen anvertrauten Stühle mit der größten Umsicht Wir wurden von der Bundesstadt Bonn mit der Planung dokumentiert und bearbeitet haben. und Durchführung der praktischen Seminare beauf- tragt. Ziel war es, dass die Freiwilligen unter unserer Im Folgenden möchten wir noch ein paar Gelingensfak- Anleitung erste Erkenntnisse zum Bestand und dem toren für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbe- Zustand der Wolske-Stühle erfassen und im zweiten reitung der Seminare aufzeigen. Schritt von Laien bewältigbare Restaurierungsmaßnah- men ausführen. Der Auftraggeberin war von Beginn an Vorbereitung klar, dass aufgrund der fehlenden fachlichen Ausbil- Die Erfassung und Restaurierung der 69 nahezu identi- dung, sowie des zeitlichen beschränkten Rahmens keine schen Stühle von vielen Freiwilligen über mehrere Jahre komplett fertig restaurierten Stühle zu erwarten sein hinweg erforderte besondere logistische Voraussetzun- werden. Vielmehr sollte mit der Women- und Manpower gen. Neben ausreichend großen Räumlichkeiten mit der Freiwilligen wichtige Vorarbeit für ein abschließen- mehreren Arbeitsstationen für die Gruppenarbeit und des Konzept und die Kostenschätzung der restlicher gemeinsame Pausen, musste die fachspezifische und Restaurierungsmaßnahmen geleistet werden. technische Ausstattung für 23 Personen beschafft wer- den. Deshalb haben wir im Vorfeld einen Restauratoren- Seitens der IJGD und der Freiwilligen sollte das Seminar koffer zusammengestellt, der die gebräuchlichsten nicht nur praktische Erfahrungen in der Restaurierung Materialien und Kleinwerkzeuge der Restaurierung ent- vermitteln, sondern auch die Kompetenzen und das hält. Die IJGD hat hiervon insgesamt 6 Stück ange- gesellschaftliche Engagement der jungen Erwachsenen schafft. Christian Kiesow von den Jugendbauhütten der fördern. Als Seminarleitung schafft man diesen Spagat Deutschen Stiftung Denkmalschutz integrierte die Kof- zwischen einem verwertbaren Projektergebnis und der fer in ein Systainersystem für weitere Restaurierungs- Vermittlung von Kompetenzen, indem man prozessori- projekte. Darüber hinaus wurde das Projekt vom Kreis- entierte Arbeit an einem echten Restaurierungsprojekt in medienzentrum Altenkirchen durch Leihgabe von 20 den Fokus rückt. So werden automatisch handlungsori- Tablets und einer Präsentationseinheit unterstützt. Esther Nickel, Diplom-Restauratorin „Die Zusammenarbeit mit der ijgd hat dem Pro- jekt „Denkmalgerechte Sanierung Beethovenhal- le Bonn“ die Chance eröffnet, auch Ausstattung zu erforschen und für kommende Generationen als Anschauungsmaterial zu retten, die ursprüng- lich nicht Bestandteil des Eintragungsumfanges war. Und nebenbei habe ich noch einmal neu sehen gelernt – Lasurfarben und Textilien – und mich dadurch sehr bereichert gefühlt.“ Katrin Bisping, Stadtkonservatorin der Stadt Bonn 21
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