2019 SPENDEN BERICHT - Alles zum Spendenverhalten und -aufkommen in Österreich auf einen Blick - Fundraising ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
1 Vorwort 2010 präsentierte der Fundraising Ver- für das Österreichische Spendengütesiegel, das 36 der band Austria seinen ersten Spendenbe- 50 größten Organisationen führen. Der massive Aufwand richt. Seither ist das Redaktionsteam bei der automatischen Weiterleitung der Daten der Spen- bemüht, den Leser*innen spannende Informationen und der*innen hat den Organisationen leider nur mehr Arbeit Eckdaten zum österreichischen Spendenwesen zu liefern. und Kosten gebracht. Die abgesetzten Spenden sind Die heute zugrunde liegende Datenmenge ermöglicht nicht gestiegen und bleiben auf dem Niveau der Vor- uns einen breiten Blick und eine internationale Einord- jahre. Rund 1 Mio. Menschen machten 2018 ca. 215 Mio. € nung des österreichischen Spendenwesens. Die vielzi- geltend. Jeder dritte Spendeneuro wird damit abgesetzt. tierten Spendenweltmeister*innen sind wir in den ver- gangenen zehn Jahren nicht geworden. Aber: Das Eine, besonders die Jugend ansprechende Aktion ist der österreichische Spendenwesen hat sich kontinuierlich #GivingTuesday – 2019 weltweit am 3. Dezember. Dieser weiter entwickelt. Die österreichische Bevölkerung spen- findet nach vereinzelten Aktionen in den Vorjahren 2019 det so viel wie noch nie. Gingen wir im ersten Spenden- – koordiniert vom Fundraising Verband – in Österreich bericht von einem Spendenvolumen von 350 Mio. € nun in einem größeren und breiteren Rahmen statt. (2008) aus, hat sich die Summe seither verdoppelt. Weltweit setzen über 50.000 Unternehmen und Organi- sationen an diesem Tag Aktionen, die zum Spenden 2019 wird sich mit voraussichtlich 700 Mio. € abermals motivieren sollen. Ob Geld- oder Zeitspende, jedes ein Spendenrekord einstellen. Gründe sind die steigende gemeinnützige Engagement ist willkommen. Starten Sie Höhe der Durchschnittsspenden, die erweiterten Fund- gemeinsam mit Freund*innen und Familie Ihre Spenden- raisingmaßnahmen des Kultur- und Hochschulsektors aktion und seien Sie mit dabei! sowie steigende Testamentsspenden. Das Wachstum beträgt rund 2 %, hat aber nur einige Gewinner. Kleinere Einrichtungen verlieren gegenüber größeren ganz klar. Die bürokratischen Anforderungen der DSGVO und der Spendenweiterleitung bei der steuerlichen Absetzbarkeit Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! kosten Zeit und Ressourcen. Österreich ist ein sicheres Spendenland, die Gebarung der meisten relevanten Spendenorganisationen wird von Wirtschaftsprüfer*innen kontrolliert. So lassen von den 150 größten Einrichtungen nur sechs nicht ihren Jahres- abschluss prüfen. Von den 700 Millionen € Gesamtauf- kommen sind rund 94 % oder 658 Mio. spendenbegüns- Dr. Günther Lutschinger tigt. 42 Mio. oder 6 % verteilen sich auf nicht begünstigte Geschäftsführer Fundraising Verband Austria Zwecke wie Tierschutz, Bildung oder Sport. Ähnliches gilt Dachverband der Spendenorganisationen
2 Inhalt 3 Spenden auf einen Blick – so spendet Österreich 4 Entwicklung des Spendens in Österreich 5 So spenden die Bundesländer 6 Spendenverhalten und -motive 7 Interview: Spenden und die Neurowissenschaft 8 Spenden im internationalen Vergleich 9 Internationale Wertestudie – das ist den Österreicher*innen wichtig 10 Crowdfunding in the US and Europe 11 Spendenabsetzbarkeit: 35 Millionen Euro mehr für Bildungsprojekte? 12 #GivingTuesday – der internationale Tag des Gebens 2019 in Österreich 14 Die Zukunft des Gebens: Next Generation 16 Interview: Was bewegt die Jugend? 17 Entwicklungen und Trends im Freiwilligenwesen 18 Bedeutung der Spendenbegünstigung wächst 20 Gemeinnützigkeit ist kein Selbstläufer – was der gemeinnützige Sektor für eine gute Zukunft benötigt 21 Österreichisches Spendengütesiegel: Spendensicherheit garantiert! 22 Die 100 größten NPOs 2018 24 10 Tipps zum Spenden Executive Summary Since 2010 the Austrian Fundraising Association publishes Particularly strong motifs for donating are the knowledge the annual National Donation Report – for the 10th time in of what an organization stands for and the purposefulness 2019. The report aims to focus on trends in donation of the donation. Sympathy with the organization and behavior and philanthropy. In 2018 Austrians donated 685 concern with the plight of others are also strong reasons million € – 25 million more than in 2017. Despite a weaker for giving. growth rate of 2,2 %, donations will reach 700 million € in 2019, a new all-time high in Austria. According to the donors, approximately 64 % of all Austrians give charitably. Once again, the comparison of While the largest 50 charity organizations increased on federal states shows a change in the ranking: this time, average, medium-sized NPOs recorded a disproportionately Vienna is in the lead at donor participation with 71 %. strong growth of 7 %. Smaller associations could not keep Salzburg, Tyrol, and Vorarlberg take the top place with up and were mostly affected by stagnation. As a result of 124 € in terms of the amount donated on average. the tax-deductibility of donations and the General Data Protection Regulation, the demanding requirements are Meanwhile, one million Austrians are using the advantages likely to have harmed this development, as well as a lack of of the tax deduction. Almost every third Euro donated is fundraising investments. Overall, donations to universities, deducted from income tax. bequests, and permanent donations continue to grow. Especially universities show an outstanding growth of 14 %. In addition to their monetary donations, the Austrians also engage in voluntary activities. Approximately 3,5 million The Austrian donors’ preferences are child support, people or 46 % of over 15-year olds are active on a animals, national emergency relief and homeless people. voluntary and unpaid basis.
3 Spenden auf einen Blick So spenden die Österreicher*innen 78 € 113 € 212 € spendet die Bevölkerung gibt jeder*r Spender*in pro Jahr ist die Höhe der steuerlich geltend pro Einwohner*in. im Schnitt. gemachten Durchschnittsspende. 700 Mio. € 215 Mio. € werden die an Zuwendungen werden Österreicher*innen im Jahr steuerlich abgesetzt – das ist 2019 insgesamt spenden. jeder dritte Spendeneuro. 64 % der Bevölkerung engagieren sich durch Spenden. 71 % 124 € geben Spender*innen in der Wiener*innen spenden – am meisten Salzburg, Tirol und Vorarlberg im Bundesländervergleich. – am meisten im Bundesländervergleich. USA, Myanmar & Neuseeland 46 Mrd. € 8 Mal so viele Spenden werden in den waren in den vergangenen zehn werden europaweit jährlich USA jährlich gesammelt wie in Jahren die spendenfreudigsten gegeben. allen europäischen Länder der Welt. Ländern zusammen. Erlagscheine sind der Transparenz, wofür eine Organisation Kinder, Tiere, Katastrophenhilfe und beliebteste Zahlungsweg. eintritt und die Sicherheit, dass die Obdachlose sind die beliebtesten Spende zweckgerichtet ankommt, sind Spendenzwecke in Österreich. die stärksten Motive zu Geben. So spenden Österreichs Unternehmen spendende Unternehmen Spendenhöhe pro Unternehmen bis 9 Mitarbeiter*innen 170.792 1.490 € 10 bis 49 Mitarbeiter*innen 27.297 5.799 € 50 bis 249 Mitarbeiter*innen 4.600 16.793 € über 249 Mitarbeiter*innen 1.012 75.690 €
4 Entwicklung des Spendens 2018 unterstützten die Österreicher*innen gemeinnützige Hilfsprojekte mit 685 Mio. €, 2019 werden 700 Mio. € erwartet. Spenden an Universitäten, Testaments- und Dauerspenden steigen. Spendenaufkommen Österreich Rückblick 2013-2019 in Mio. € Nach der Auswertung von rund 380 Jahresabschlüssen, 660 685 700 625 640 -berichten und Umfragen belief sich das Spendenauf- 550 570 kommen 2018 auf 685 Mio. €, rund 25 Mio. € oder 3,8 % +2,2 % mehr als 2017. Damit wurde die ursprüngliche Vorher- +3,8 % sage klar übertroffen. Während die Spenden der 50 größten Spendenorganisationen durchschnittlich stie- gen, verzeichneten die 51-100 größten ein stärkeres 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Wachstum von 7 %. Kleinere Vereine konnten damit Quelle: Erhebung Fundraising Verband Austria nicht mithalten. Sie verzeichneten teilweise Rückgänge, wofür die hohen Auflagen der Spendenabsetzbarkeit Ausblick 2019 und der Datenschutzgrundverordnung ebenso mitver- Für 2019 kann mit einem Spendenwachstum von 2 % antwortlich sein könnten, wie fehlende Fundraisingin- gerechnet werden. Damit steigt das Aufkommen erst- vestitionen. Besonders stechen die Universitäten her- mals auf 700 Mio. € an. Die Zahl der Spendenorganisa vor, die ein starkes Wachstum von 14 % aufweisen. tionen, die mit hauptamtlichen Mitarbeiter*innen arbei- Erstmals findet sich unter den Top 100 auch eine Spor- ten, nimmt ebenso zu, wie die Internationalisierung. torganisation. Neben einer stärkeren Professionalisie- Österreichische NPOs beginnen zunehmend auch in rung des Fundraisings haben auch eine steigende Zahl Nachbarstaaten mit Fundraisingaktivitäten, während an Organisationen, neue Zielgruppen und neue Techno- gleichzeitig internationale Einrichtungen sich in Öster- logien zum Wachstum beigetragen. reich ansiedeln. Auch finden sich zunehmend Universi- täten und Kultureinrichtungen unter den Top 150. Einen Nicht in den Berechnungen enthalten sind Kunstschen- wesentlichen Beitrag zum jährlichen Spendenaufkom- kungen. So weist das Belvedere 2018 79 Mio. € an men liefern Dauerspender*innen und Pat*innen. Schenkungen aus den Jahren 2000-2018 auf, die – nach Neuerdings entfalten Zustiftungen von NPO- und uni- neuen Vorgaben – nun in die Bilanz aufgenommen wur- versitätseigenen Stiftungen genauso positive Wirkun- den. Ebenso nicht enthalten ist die Schenkung der gen wie Testamentsspenden. Die 150 größten NPOs Sammlung Essl an die Albertina im Wert von rund weisen 60 % mehr Stiftungszuwendungen auf, testa- 85 Mio. €. mentarische Zuwendungen stiegen um 5 % an. Spendenindex 2017-2019 Spendenindex – das Jahr im Rückblick 250 Der Spendenindex wird monatlich aus den Spendeneingän- 2019 gen von 31 Organisationen gebildet. Er ist damit ein reprä- 200 2018 sentativer Indikator für Spendentrends. Insgesamt entwi- 2017 ckelte sich das Spendenjahr 2019 kontinuierlich mit 150 wenigen Ausnahmen knapp über dem Niveau des Vorjah- res. In der ersten Jahreshälfte stechen der März und April besonders hervor. Die Sammlungen rund um die verhee- 100 rende Naturkatastrophe in Mosambik wirkten sich auf die Index-Bereiche Humanitäre und Internationale Hilfe massiv 50 aus. Das vierte Quartal wird entscheiden, wie das Spen- denjahr ausgeht. Es sind die wichtigsten Monate für spen- 0 denwerbende Organisationen, rund 25 % aller Spenden Jän. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. gehen in dieser Zeit ein. Quelle: Direct Mind
5 So spenden die Bundesländer In Wien spenden mit 71 % die meisten Menschen. Salzburg, Tirol und Vorarlberg sind mit einer Spendenhöhe von 124€ am spendabelsten. So spendet Österreich Wien 71 % Spendenzweck Österreich spenden Kinder, Tiere ~99€ 64 % Spendenzweck OÖ pro Spender*in spenden Kinder, Tiere 67 % Spendenzweck ~113€ spenden Kinder, Tiere pro Spender*in ~119€ NÖ, Bgld pro Spender*in 57 % Spendenzweck spenden Kinder, Tiere ~113€ Sbg, T, V pro Spender*in 66 % Spendenzweck Stmk, Ktn spenden Kinder, Katastrophen hilfe, Tiere 59 % Spendenzweck ~124€ spenden Kinder, Tiere pro Spender*in ~100€ pro Spender*in So spendet Österreich: Durchschnittsspende, Spendenbeteiligung und -themen Quelle: Public Opinion GmbH/Institut f. Sozialforschung Linz; Spendenmarktbefragung 2018 N ach eigenen Angaben haben 2018 rund 64 % Bemerkenswert ist, dass der Prozentanteil der regel- der Österreicher*innen ab 16 Jahre gespen- mäßigen Spender*innen in Salzburg, Tirol und Vorarl- det. Damit hat sich der Anteil gegenüber dem berg von 33 % auf 19 % zurückgeht. Die Niederöster- Vorjahr um 4 % erhöht. Bereits das dritte Jahr reicher*innen und Burgenländer*innen spenden mit in Folge geben Spender*innen durchschnittlich 113 € rund 30 % besonders regelmäßig, gefolgt von Ober- für einen guten Zweck. Männer spenden rund 122 €, österreich (27 %). Wien bildet mit rund 14 % das Frauen 106 €. Am spendenfreudigsten erweist sich Schlusslicht und tendiert mehr zum situativen/anlass- dieses Mal die Altersgruppe der über 60-Jährigen mit bezogenen Spenden (73 %). durchschnittlich 119 €. Im Bundesländervergleich sind Kinder und Tiere weiter- Im Bundesländervergleich belegen Salzburg, Tirol und hin die beliebtesten Spendenthemen. Der Zuspruch zu Vorarlberg hinsichtlich der Spendenhöhe mit rund Kinderhilfe ist in Oberösterreich mit 18 % (gesamt 33 %) 124 € den Spitzenplatz, gefolgt von Oberösterreich mit und in Wien mit 14 % (gesamt 30 %) besonders gestie- 119 € pro Spender*in. Das Schlusslicht bildet Wien mit gen. Am zweitbeliebtesten ist in allen Bundesländern rund 99 € pro Spender*in. Allerdings findet man in die Tierhilfe. Dies gilt besonders in Wien (29 %) und Wien mit 71 % die meisten Spender*innen. Salzburg, Tirol und Vorarlberg (23 %).
6 Spendenverhalten und -motive der Österreicher*innen Kinder, Tiere und die Soforthilfe bei Katastrophen sind die beliebtesten Spendenziele der Österreicher*innen. Weiterhin wird am meisten über Erlagscheine gespendet. U nverändert gegenüber dem Vorjahr zeigt sich Rund 21 % (+3 %) der Befragten spenden systematisch/ das Ranking der Top-Spendenziele. An erster regelmäßig, das heißt, sie reservieren einen bestimm- Stelle finden sich Kinder, gefolgt von Tieren und ten Betrag für wohltätige Zwecke. 61 % spenden hinge- Katastrophenhilfe im Inland. Der Bereich Kinder gen anlassbezogen (z.B. bei Katastrophen). 18 % der ist leicht gestiegen (+4 %). Spenden für sozial Ausge- Spender*innen geben sowohl anlassbezogen als auch grenzte verzeichnen seit 2006 mit wenigen Ausnahmen regelmäßig. Diese Gruppe findet man vergleichsweise stete Zuwächse und liegen nun bei 13 %. Frauen erwei- stärker im ländlichen Raum und bei mittleren Netto sen sich – hinsichtlich der Bandbreite – als spenden- haushaltseinkommen. Im Langzeitvergleich (2000-2018) freudiger. Sie geben mehr für Kinder, Tiere oder Kirchen/ zeigt sich, dass der Anteil der systematisch/regelmäßi- religiöse Vereinigungen. Bei Männern überwiegen dage- gen Spender*innen langsam zugenommen und jener der gen Katastrophenhilfe im Inland, Sport, Kunst/Kultur/ situativen abgenommen hat. Freizeit sowie Parteien/Bürgerinitiativen. Männer leh- nen es auch häufiger ab zu spenden. Im Altersgruppen- In den vergangenen 12 Monaten haben nach eigenen vergleich heben sich über 60-Jährige positiv ab. Sie kon- Angaben rund 64 % der Österreicher*innen ab 16 Jahre zentrieren sich auf Themen wie Kinder, Katastrophen- gespendet. Damit hat sich der Anteil um 4 % erhöht und hilfe im Inland und behinderte Menschen. liegt momentan wiederum beim Stand von 2015. 36 % Als häufigste Spendenform tritt die Beteiligung an der Befragten bezeichnen sich als Nichtspender*innen. einer Altkleidersammlung in Erscheinung (38 %). Rund 17 % (+5 %) der Befragten spendeten in den vergange- Die Beweggründe für das Spenden sind vielfältiger nen 12 Monaten Sachgegenstände und 14 % Blut. Natur und nicht auf einzelne Motive reduzierbar. Oft ist Frauen, Ältere und Höhergebildete beteiligen sich es ein ganzes Bündel von Motiven, das Menschen besonders an Altkleidersammlungen. bewegt, mildtätig zu wirken. Besonders starke Motive Bei Geldspenden führt unverändert die Erlagschein- sind etwa das Wissen, wofür eine Organisation eintritt spende mit rund 22 % das Ranking an. Besonders und die Sicherheit über die Zweckgerichtetheit der beliebt ist diese Spendenform bei Frauen sowie bei über Spende. Neben der Sympathie mit der jeweiligen Orga- 60-Jährigen. 16 % spendeten bei Sammlungen in der nisation wirken sich vor allem die Betroffenheit mit der Kirche und 14 % an der Wohnungstür. Lose etc. waren in Not anderer und sogenannte Einzelschicksale auf die den letzten Jahren eher rückläufig, stießen jedoch 2018 Motivation aus. Solidarität mit den Armen und Schwa- auf vermehrten Zuspruch (+5 %). Auch Straßensamm- chen ist für rund 55 % der Befragten ein Motiv, Mitleid lungen konnten leicht zulegen (+3 %). für 47%. 43 % spenden, weil sie es sich leisten können. Die beliebtesten Spendenthemen der Österreicher*innen 27 % 22 % Kinder Tiere 16 % Katastrophenhilfe im Inland 14 % Obdachlose, Bettler*innen 13Sozial % Benachteiligte Quelle: Public Opinion GmbH/Institut für Sozialforschung Linz; österr. Bevölkerung ab 16 Jahre, face-to-face, N=1008, 2018
7 Interview Spenden und die Neurowissenschaft Philippe Tobler, MD, Ph.D Associate Professor of Neuroeconomics and Social Neuroscience, Universität Zürich Welche psychologischen bzw. neuronalen Was genau passiert im Gehirn beim Geben für den Erklärungen gibt es dafür, dass Menschen für guten Zweck oder bei einer guten Tat? gemeinnützige Zwecke spenden? Es gibt in der Mitte und im unteren Teil des Gehirns ent- Besonders aus der Perspektive der Ökonomik ist es wicklungsgeschichtlich alte Regionen, welche beson- erklärungsbedürftig, dass Leute spenden. Der «homo ders dann aktiv sind, wenn wir Belohnung erhalten und oeconomicus», der nur auf den Eigennutz bedacht ist, wenn diese größer als erwartet ist. Dieser Unterschied behält lieber alles Geld. Die modernere Verhaltensöko- zwischen erwarteter und tatsächlicher Belohnung wird nomik und die Psychologie haben mehrere Erklärungs- «Vorhersagefehler» genannt und von Lerntheorien in ansätze dafür entwickelt, dass Menschen spenden. Bei- der Psychologie und der künstlichen Intelligenz spiele sind das Bedürfnis, anderen in Not zu helfen, die benutzt, um die Erwartungen der Realität anzupassen. Aversion gegen Ungleichheit in der Verteilung von Reich- Die Hirnregionen, welche Belohnung und Belohnungs- tum, die einfühlende Anteilnahme am Schicksal anderer, vorhersagefehler verarbeiten, sind auch beim Geben für das positive Gefühl, Gutes zu tun oder richtig zu handeln, einen guten Zweck aktiv und erlauben es uns zu lernen, die Verbesserung des eigenen Rufes und die Vermeidung dass Geben Glücksgefühle auslöst. von Schuldgefühlen. 2,3 Mio. Österreicher*innen engagieren sich Spender*innen- und empfänger*innenspezifische, indi- ehrenamtlich. Was motiviert sie? viduelle und situationsbezogene Faktoren spielen auch Hier würde ich davon ausgehen, dass mehrere Beweg- eine Rolle. Zum Beispiel helfen wir Leuten, die uns ähn- gründe eine Rolle spielen. Neben dem Zusammenge lich und nah sind tendenziell stärker als Leuten, mit hörigkeitsgefühl denke ich ähnlich wie beim Spenden an denen wir wenig gemeinsam haben. Frauen spenden das Bedürfnis, anderen in Not zu helfen, die einfühlende öfter, Männer größere Beträge. In Situationen, in denen Anteilnahme am Schicksal anderer, das positive Gefühl, andere viel spenden, oder in denen wir uns beobachtet Gutes zu tun oder richtig zu handeln und die Verbesse- fühlen, spenden wir tendenziell mehr als in Situationen, rung des eigenen Rufes. in denen andere wenig spenden und wir uns unbe obachtet fühlen. Was bewegt junge Menschen, sich gemeinnützig zu engagieren? Inwieweit kann das persönliche Glücksgefühl durch Menschen helfen umso mehr, je näher sie den Hilfe- eine „gute Tat“ wissenschaftlich nachgewiesen werden? empfänger*innen stehen. Die Hilfsbereitschaft nimmt Unsere Forschung hat gezeigt, dass es eine Verbindung also mit der sozialen Distanz ab. Es gibt Hinweise dar- zwischen Glücksgefühl und Großzügigkeit im Gehirn auf, dass junge Menschen zumindest bei hypotheti- gibt. Wir haben eine Hirnregion gefunden, die beson- schen Spendenentscheidungen weniger von der sozia- ders dann aktiv ist, wenn man sich großzügig statt len Distanz beeinflusst sind als Ältere. Das heißt, eigennützig verhält. Und diese Region kommuniziert Jüngere scheinen in solchen Situationen eher bereit zu mit Regionen, deren Aktivität die Stärke des Glücksge- sein, Fremden zu helfen. Zudem scheinen für jüngere fühls wiedergibt. Die Stärke der Kommunikation zwi- Menschen negative Emotionen wie Bestürzung, Beun- schen den beiden Regionen variiert mit dem Grad der ruhigung und Traurigkeit gegenüber Notleidenden individuellen Großzügigkeit. motivierender zu sein.
8 Spenden im Finnland 94,20 € Norwegen 154,14 € internationalen Schweden Vergleich 113,93 € Großbritannien Russland 256,96 € 13,86 € Irland 81,63 € Niederlande Deutschland 137,95 € 90,36 € Tschechien 33,99 € Österreich Spendenaufkommen pro Frankreich Schweiz 77,66 € Einwohner*in in Europa 115,87 € 195,55 € Ungarn 28,83 € Slowenien 78,26 € Bulgarien 25,96 € Spanien 38,32 € Italien 112,14 € Quelle: Erhebung Fundraising Verband Austria Je nach Gesellschaftsordnung, Wirtschaftsleistung und religiöser Ausrichtung nimmt das Spendenverhalten der Menschen in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Formen an. Seit Jahren sind die USA in mehrerlei Hinsicht Spitzenreiter beim Geben. R egelmäßig befassen sich nationale und interna- Spendenfreudigste Länder: tionale Forschungsstudien mit den Themen USA vor Myanmar und Neuseeland Spendenbereitschaft und Freiwilligenengage- Die Vereinigten Staaten von Amerika waren in dieser ment. Bereits seit 2010 erscheint die weltweite Zeit das beim Geben großzügigste Land, gefolgt von Vergleichsstudie „World Giving Index“ der britischen Myanmar und Neuseeland. Während der Trend in den Organisation „CAF – Charities Aid Foundation“. Diese USA und anderen Top-10-Ländern nach unten zeigt, hat untersucht gemeinnütziges Engagement in drei Kate- sich Indonesien als einzige der führenden Nationen gorien: „Geld spenden“, „einem Fremden helfen“ und wesentlich verbessert. Neuseeland ist wiederum das „sich ehrenamtlich engagieren“. Im Oktober 2019 einzige Land, das sich in allen drei untersuchten Kate- erschien die Jubiläumsedition. Diese beleuchtet die gorien in den Top-10 bewegt und damit das stabilste wichtigsten weltweiten Trends beim Geben der vergan- Spendenverhalten aufweist. Am anderen Ende der genen zehn Jahre. Skala liegt China an der letzten Stelle aller 126 Länder.
9 Das bestplatzierteste europäische Land ist Irland auf wohl. Zum Vergleich: In ganz Europa liegt das Gesamt Platz fünf. Österreich ist auf Platz 15 knapp hinter der spendenaufkommen bei jährlich 46 Mrd. €. Bei 512 Mio. Schweiz (Platz 13) und vor Deutschland (Platz 18). Bürger*innen ergibt das eine Pro-Kopf-Spende von knapp 90 €. 53 % des europäischen Gesamtaufkom- Geben hat viele Gesichter mens entstammt laut der Studie „Giving in Europe“ Pri- In der Kategorie „einem Fremden helfen“ liegt weltweit vatpersonen. Liberia vor Sierra Leone und den USA an erster Stelle. 81 % der Bevölkerung Myanmars spenden Geld, womit Große Unterschiede innerhalb Europas der südostasiatische Staat hier an erster Stelle liegt. Das Spendenverhalten ist in den einzelnen europäi- Schlusslicht ist Georgien, wo nur 6 % Geld spenden. schen Ländern sehr unterschiedlich. Um das Spenden- Nummer eins beim ehrenamtlichen Engagement ist Sri volumen zu vergleichen, ist es sinnvoll, das Gesamt Lanka, China liegt an der letzten Stelle. Die weltweit aufkommen pro Einwohner*in (Spender*innen und von den meisten Menschen praktizierte Form des Nichtspender*innen) zu betrachten. Mit einem Aufkom- Gebens ist die, einem Fremden zu helfen. 48,3 % der men von 257 € pro Einwohner*in sind die Brit*innen Menschen in den untersuchten Ländern haben dies in Europameister*innen beim Spenden, gefolgt von der den vergangenen zehn Jahren getan, was mehr als 2,5 Schweiz mit 196 € und Norwegen mit 154 €. Österreich Mrd. Menschen entspricht. liegt mit 78 € im europäischen Mittelfeld, hinter Deutschland mit 90 €. Im Vergleich zu Deutschland und USA: Achtfaches Spendenvolumen der Schweiz weist Österreich allerdings seit 2008 ein im Vergleich zu Gesamteuropa hohes Wachstum auf. Auch im Vorjahr führten die Vereinigten Staaten von Amerika das internationale Ranking der spendenfreu- Wie eine aktuelle RegioData-Studie zeigt, liegt die digsten Länder bei Geldspenden an. 427,7 Mrd. US-Dol- Schweiz mit Konsumausgaben pro Person und Jahr lar, oder umgerechnet 362,5 Mrd. € haben die Amerika- von 35.000 € an erster Stelle in Europa. In Österreich ner*innen 2018 gespendet – pro Kopf sind das 1.107 € sind es 22.700 € und der siebente Rang, knapp vor für gemeinnützige Zwecke inklusive Zuwendungen an Deutschland auf Platz acht. Davon entfallen hierzu- Kirchen (327,35 Mio. Einwohner*innen). Erstmals seit lande etwa 21 % auf Wohnen, 17 % auf Ernährung und 50 Jahren stammen weniger als 70 % der Gesamtspen- 6 % auf Kleidung. Während bei den Schweizer*innen den von Einzelpersonen (68 %). Mit 18 % bzw. 75,86 durchschnittlich 0,56 % und bei den Deutschen 0,41 % Mrd. US-Dollar (64,29 Mrd. €) leisten dafür Stiftungen der Konsumausgaben Spenden sind, geben die Öster- in den USA einen wachsenden Beitrag für das Gemein- reicher*innen 0,34 % pro Jahr dafür aus. Internationale Drittel der Österreicher*innen mit ihrem Leben sehr Wertestudie zufrieden – der höchste Wert seit Beginn der Erhebung und eine wesentliche Verbesserung der Stimmungs- lage gegenüber der letzten Befragung 2008. Das ist den Österreicher*innen wichtig Bei der Frage nach den wichtigsten gesellschaftlichen Werten, führt „Humanismus“ (Hilfsbereitschaft, Wohl- Europäische Identität und Solidarität, so lautete das ergehen anderer, treue Freunde) mit 90 % Zustimmung übergreifende Thema der letzten Europäischen Werte- die Wertung an. studie (2018), die von einem europaweiten Forschungs- netzwerk erhoben wird. 47 Staaten der EU und angren- Zum Vergleich: „Macht“ als handlungsbestimmender zender Regionen nehmen daran teil. Die Studie Wert ist lediglich 45 % der Befragten wichtig. Wie eine thematisiert insbesondere Werte und Einstellungen der wünschenswerte Zukunft aussehen soll, beantwor- Menschen zu den Lebensbereichen Arbeit, Familie, Reli- teten auffällig viele Menschen mit Antworten, die auf gion und Politik. Im Rahmen des Projekts werden Werte- das Allgemeinwohl abzielen: Für 77 % ist in der Zukunft haltungen in den Ländern regelmäßig verglichen. „Bildung für alle“ besonders wichtig, für 75 % ist Umweltschutz ein zentrales Thema. Sehr viele Österrei- Die vom österreichischen „Forschungsverbund Interdis- cher*innen zweifeln zurzeit am gesellschaftlichen ziplinäre Werteforschung“ 2018 erhobenen Daten Zusammenhalt – 77 % denken, dass sich die Menschen geben Einblick in das soziale Gefüge hierzulande. Wie nicht ausreichend um ihre Mitmenschen kümmern. die Forschungsergebnisse zeigen, sind aktuell zwei www.werteforschung.at
10 Gastbeitrag Crowdfunding in the US and Europe Claire van Teunenbroek, MSc Research Associate, Faculty of Social Sciences, Sociology, Vrije Universiteit Amsterdam Crowdfunding as an online fundraising mechanism Besides the games section, other sections also builds on a large group of individuals each donating a witnessed an increase in funding. small amount. In exchange for their donation, donors can receive a reward, which range from acknow In Europe, philanthropic crowdfunding does not seem ledgements on the developed product to free tickets for to have found their crowd just yet, with negative a show. A donor can also opt to donate without developments in 2016 and 2017. In 2018 the nominal receiving a reward. Crowdfunding platforms act as an growth decreased to the same level as in 2013 . Today, online marketplace for people (private or professionals) the most mature European crowdfunding markets are who seek funding for a specific project, mediating the UK, France, Germany, and the Netherlands. The UK between ideas and donations. is dominating the European crowdfunding landscape in terms of market volume per capita. However, since 2015 In recent years, crowdfunding markets have the popularity is decreasing. The French crowdfunding experienced a severe growth. However, this was mostly market also witnessed a decrease, namely of 2 % in the among non-philanthropic platforms. Worldwide, past year, collecting a total of 81.5 million €. France philanthropic crowdfunding has raised about 5.5 billion $, houses two of the largest European crowdfunding which accounts for about 15 % of the total amount platforms: Ulule (raising 109 million € before 2019) and raised through crowdfunding. Platforms in the United KissKissBankBank (raising 83 million € before 2019). States, Asia, and Europe are good for 99 % of the global crowdfunding activity. Worldwide, the most popular German crowdfunding platforms suffer from com crowdfunding category covers projects related to petitors from the US. One of the most popular platforms healthcare: 27 % of the projects worldwide were among the Germans is the US based platform Patreon. intended to cover medical expenses. Contrary to the earlier mentioned European marketers, Dutch platforms are witnessing an increasing The US, in comparison with Europe, has the largest popularity. Compared to the year before, the total percentage of crowdfunding projects that focus on amount raised through crowdfunding grew with about projects with a philanthropic nature: about 18 % of the 16 % in 2018. The Dutch prefer to fund arts-oriented country’s total amount raised through crowdfunding projects; the largest Dutch crowdfunding platform is comes from philanthropic crowdfunding. The American Voordekunst. The Austrian crowdfunding market is still crowdfunding field is notable by their love to fund small, but it is growing from a small niche to a more videogames. In 2018, the American-based platform serious alternative financial system. In sum, Kickstarter reported that donors donated a stunning crowdfunding is popular but not per se a growing 200.9 million $ to the Games category in 2018, which industry in every region. In Europe, crowdfunding was an increase of 18 % compared to the earlier year. struggles to mirror the success of the US. „Im Infineon-Konzern verbinden wir gesellschaftliche Verantwortung mit unternehmerischem Erfolg. Soziales und gesellschaftliches Engagement ist bei uns Teil eines größeren Konzepts. Wir sind von der Wichtigkeit und Notwendigkeit überzeugt – eine Verantwortung, die nicht nur Politik und Unternehmen, sondern jeder Einzelne von uns wahrnehmen sollte.“ Dr. Sabine Herlitschka Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG
11 Gastbeitrag 35 Millionen Euro mehr für Bildungsprojekte? Studie zeigt Potenzial bei Ausweitung der Spendenabsetzbarkeit. Ruth Williams, MSc Generalsekretärin Verband für gemeinnütziges Stiften Bildung geht uns alle an. Gerade in diesem Bereich ist abführen, was in den meisten europäischen Ländern, jeder Euro, den wir heute investieren, ein Gewinn für wie zum Beispiel Deutschland, Italien oder der Schweiz, die Zukunft. Ein Drittel aller Philanthrop*innen und Stif- nicht der Fall ist. Dort sind Bildungsspenden steuerbe- tungen in Österreich engagiert sich im Bildungsbereich günstigt, was den Spendensektor Bildung in jenen Län- mit viel Herzblut. dern stark beflügelt. Eine steuerliche Begünstigung würde auch hierzulande mehr Spenden und Stiftungszu- Allein letztes Jahr sind mehrere spannende Initiativen wendungen mobilisieren und damit äußerst positive gegründet worden. Darunter die Sinnbildungsstiftung, Auswirkungen auf das Bildungssystem mit sich bringen. eine Substiftung der staatlichen Innovationsstiftung für Bildung, die gerade gemeinsam mit Ashoka das Projekt Das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria rechnet in „Bildünger“ auf den Weg gebracht hat. Oder die von der der Studie „Fiskalische Effekte von Maßnahmen zur Berndorf Privatstiftung und der B&C Privatstiftung Förderung von Gemeinnützigkeit“ mit rund 35 Mio. € an gegründete MEGA Bildungsstiftung. zusätzlichen Spenden und Stiftungszuwendungen jähr- lich, die durch die Spendenbegünstigung für Bildung Gemeinnützig aktive Stiftungen leisten einen wichtigen möglich wären. Dem würde ein Steuerausfall von ledig- Beitrag für in- und ausländische Bildungsprojekte. Sie lich 10-15 Mio. € gegenüberstehen. sind wichtige Akteure bei Lösungen für soziale Heraus- forderungen. Bildung soll natürlich weiterhin Verant- Bildung weist zusätzlich eine besonders hohe soziale wortung des Staates bleiben. Stiftungen können aber Ertragsrate auf. Eine Simulation im Rahmen der Studie mit den staatlichen Strukturen kooperieren und so zeigt, dass die öffentliche Hand von Bildung per Saldo wertvolle Impulse setzen und dazu beitragen, beste- profitiert: Höhere Arbeitsmarktpartizipation und niedri- hende Lücken zu schließen. Durch die bestehenden gere Arbeitslosigkeit erhöhen die Einnahmen aus Sozi- rechtlichen Rahmenbedingungen wird ihr Engagement alversicherungsbeiträgen, Lohn- und Einkommen jedoch in Österreich massiv eingeschränkt. steuerabgaben sowie Konsumabgaben. Ausschlaggebend ist die derzeit fehlende Spenden Um Österreich zukunftsfit zu machen, braucht es mehr absetzbarkeit für Bildung. So müssen gemeinnützig Investitionen in Bildung. Mit einer Ausweitung der aktive Privatstiftungen bei der Förderung von Bildungs- Spendenabsetzbarkeit auf Bildung und eine Kapital projekten in Österreich weiterhin Kapitalertragssteuer ertragsteuer-Befreiung könnte das geschehen. „Mehr als 80 Prozent der Unternehmen in Österreich setzen sich mit Geld, Know-how und persönlichem Engagement für gemeinnützige Zwecke in Bereichen wie Soziales, Umwelt, Kultur oder Bildung ein. Damit leisten sie Jahr für Jahr einen wichtigen Beitrag zu gesellschaft- lichem Zusammenhalt und stärken den Solidaritäts gedanken. Diese Aktivitäten sind eine wesentliche Inves tition in unsere Gesellschaft und damit in die Zukunft unseres Wirtschafts- und Lebensstandorts.“ Mag. Christoph Neumayer Generalsekretär der Industriellenvereinigung
12 Der internationale Tag des Gebens 2019 in Österreich 2012 fand der erste GivingTuesday in den USA statt. Seitdem hat sich der Tag des Gebens zu einem internationalen Phänomen entwickelt. Millionen Menschen auf der ganzen Welt kommen zusammen, um am GivingTuesday das Geben zu feiern – am 3. Dezember 2019 das erste Mal auch in Österreich. Am 3. Dezember dreht sich auch in Österreich alles um das Geben. I nitiiert wurde der Tag von der amerikanischen Orga- Arbeit frei. Hilfsorganisationen auf der ganzen Welt nisation „92nd Street Y“ und der „United Nations nutzen den GivingTuesday, um neue Unterstützer*in- Foundation“ als Gegenbewegung zur Cyber Week. nen anzusprechen. Schulen veranstalten Spendenläufe Der in dieser Woche stattfindende BlackFriday und und Geschäfte verkaufen spezielle Produkte, deren der CyberMonday geben mit Rabattaktionen den Start- Erlöse Hilfsprojekten zugutekommen. Regeln für eine schuss für das Vorweihnachtsgeschäft im Handel. Beim Teilnahme am GivingTuesday gibt es keine. Der Erfolg GivingTuesday, der immer am Dienstag nach dieser lebt vielmehr von kreativen Ideen und Aktionen, die Woche stattfindet, dreht sich hingegen alles darum, zu dann in den sozialen Netzwerken unter #GivingTues- geben und Gutes zu tun. Egal ob Zeit, Geld oder einfach dayAT geteilt werden. nur ein Lächeln. Bewegung für soziales Engagement Privatpersonen, Unternehmen und NPOs breitet sich weltweit aus – alle können sich beteiligen Der GivingTuesday wird 2019 bereits in über 100 Ländern Die Möglichkeiten, sich zu engagieren, sind vielfältig: zelebriert. Das Engagement der involvierten Länder bzw. Privatpersonen spenden ihre Zeit, sammeln Geld oder deren Organisationen und Unternehmen nimmt ganz Sachspenden, Firmen rufen Spendenaktionen ins Leben unterschiedliche Formen an. 2018 wurden in Nairobi oder stellen ihre Mitarbeiter*innen für ehrenamtliche freundliche Botschaften, sogenannte „Acts of Kindness“,
13 von Menschen jeden Alters auf kleine Steine geschrieben Der GivingTuesday in Zahlen und dann in der ganzen Stadt verteilt – die „Nairobi Laut aktueller Studie von marketagent.com bewerten rocks“-Aktion wurde als Botschaft der Hoffnung und knapp 57 % die Idee hinter dem GivingTuesday sehr Inspiration für andere bekannt. In der Ukraine wurde der positiv. Bei den 14-19-jährigen liegt der Wert sogar bei internationale Tag des Gebens sogar in allen 24 Regio- 72 %, von denen 44 % auch sofort mitmachen würden. nen zum offiziellen Feiertag erklärt. 58 % der Befragten möchten sich am GivingTuesday für Breites Interesse in Österreich Kinder, 45 % für sozial Benachteiligte und 42 % für Tiere 2019 findet der GivingTuesday, nach vereinzelten Aktio- einsetzen. Dass man/frau den Black Friday und Cyber nen in den Vorjahren, erstmals in einem größeren kon- Monday kritisch hinterfragen sollte, finden 58,3 % der zertierten Rahmen statt. Bereits über 75 NPOs und Österreicher*innen. 54,3 % möchten den beiden Kon- Unternehmen machen dieses Jahr österreichweit mit. sumtagen bewusst entgegenwirken. Beachtliche 41 % Dass der Tag des Gebens erstmalig unter dem Ehren- können sich vorstellen, einen Teil des am Black Friday schutz von Bundespräsident Dr. Alexander Van der Bel- gesparten Geldes an Hilfsprojekte weiterzugeben und len und Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein steht, so benachteiligten Menschen zu helfen. unterstreicht das große öffentliche Interesse. Die Bandbreite an Spenden- und Freiwilligenaktionen am Auf der Website www.giving-tuesday.at können sich 3. Dezember ist in Österreich groß, hier ein kleiner Aus- Interessierte an einer bereits bestehenden Aktion schnitt: beteiligen oder ihre eigene Aktion einreichen und sich so kostenlos als Partner*in registrieren. • SOS-Kinderdorf startet am GivingTuesday eine 24h-Online-Spendenaktion. Der gesamte Erlös aller Spenden am GivingTuesday wird für den Bau eines neuen Zuhauses für Kinder im SOS-Kinderdorf Imst verwendet. Zusätzlich verdoppeln Unterneh- menspartner*innen die eingehenden Spenden. • Das Umfrageinstitut „marketagent.com“ belohnt Umfrageteilnehmer*innen mit Prämien. Diese kön- nen unter anderem in Form von Spenden weiter gegeben werden. Das Institut verdoppelt bis zum #GivingTuesday die Spenden, die über die Market agent-Tauschbörse an Amnesty International getä- tigt werden. • ADRA Österreich ruft auf, die Petition „Every Child. Everywhere. In School“ zu unterstützen. Ziel ist, bis 2020 eine Millionen Unterschriften zu sammeln, „Ob beim Schutz der Umwelt, bei der Hilfe damit führende Staats- und Regierungschef*innen Notleidender oder bei der Pflege kranker Maßnahmen ergreifen, um allen Kindern auf der Welt, das Recht auf Schulbildung zu ermöglichen. und bedürftiger Menschen, gemeinnützige Organisationen leisten einen unverzichtba- • Die ROTE NASEN Clowndoctors bieten ein #Giving- ren Beitrag für unsere Gesellschaft. Durch Tuesday Package an. Um 10€ erhalten Unterstüt- das finanzielle und freiwillige Engagement zer*innen eine rote Schaumstoffnase und ein Arm- der Österreicher*innen können sie diesen band. So unterstützen sie die Arbeit des Vereins bei wichtigen Aufgaben langfristig nachkommen kranken und humorbedürftigen Menschen. und damit unser aller Leben ungemein berei- • Der Verein „Balance – Leben ohne Barrieren“ lädt chern. Jeden Tag und ganz besonders am zum Adventzauber in seine Einrichtung „Sonnenhof“ #GivingTuesday, dem weltweiten Tag des ein. Ziel ist, die dort arbeitenden Nutzer*innen bei Gebens.“ Punsch und weihnachtlichen Leckereien kennenzu- Bundespräsident Dr. Alexander Van der Bellen lernen. Der 3.12. ist übrigens auch der internationale Tag der Menschen mit Behinderung.
14 Die Zukunft des Gebens: Next Generation Unsere Welt entwickelt sich in beruflichen wie privaten Sphären rasend schnell. So wie die meisten Lebensbereiche sieht sich auch der gemeinnützige Sektor mit vielfältigen Veränderungen konfrontiert. Um Spender*innen und Helfer*innen auch in Zukunft zu erreichen, sind Spendenorganisationen jetzt gefordert, sich aktiv mit der nächsten Generation und deren Kommunikationskanälen zu befassen. Clevere Algorithmen, die uns die Welt auf Basis unse- breites gemeinnütziges Engagement und eine ebenso rer Datenspuren zurechtlegen, die bestmögliche „Ver- breite Spendenbereitschaft bauen zu können, müssen wertung“ unseres Lebens in Form von Likes und Follo- NPOs und Vereine neue tragfähige Beteiligungsfor- wern, die zunehmend individualisierte Gestaltungs- men finden. Doch was bewegt die nächste Generation möglichkeit der Lebenswirklichkeit oder die Fragmen- an Freiwilligen und Spender*innen? tierung von Gesellschaftsgefüge und Identität durch Digitalisierung und Globalisierung – dies sind nur Das „richtige“ Image ausschlaggebend einige Beispiele für die umfassende Veränderung Laut einer Studie des Instituts für Jugendkulturfor- unserer Alltagswelt. Berufsleben, Haushalt, Mobilität, schung geht der Trend unter heutigen Jugendlichen Medizin, Zahlungsverkehr und viele andere Bereiche zu projektbezogenen Kurzzeit-Engagements. Dies werden in Zukunft ein völlig anderes Erscheinungs- liegt daran, dass junge Menschen andere Erwartun- bild haben als heute. Dementsprechend verändert gen an Freiwilligenarbeit haben als Ältere. Sie tendie- sich auch das Freiwilligenwesen. Um weiterhin auf ein ren zu offeneren Organisationsformen und flexibleren Angeboten, wo projektorientiert mitgearbeitet wer- den kann. Zum Engagement motiviert sie weniger eine weltanschauliche Überzeugung, sondern eher das Streben nach pragmatischen Problemlösungen, sowie ein frisches und junges Image der Organisatio- nen. Denn nur mit dem richtigen Image kann das Engagement im Gleichaltrigen-Umfeld auch „herge- zeigt“ werden. Zugrunde liegt diesem neuen Engage- ment-Typus ein verstärktes Output-orientiertes Den- ken, das Effizienz im Umgang mit Zeit und das Erreichen von Ergebnissen in den Mittelpunkt stellt. Dementsprechend müssen NPOs Formate für poten- zielle junge Ehrenamtliche anbieten, die einen raschen Einstieg und einen schnell sichtbaren Erfolg ermögli- chen, aber auch ein „attraktives“ Image vermitteln. Die „youngCaritas“ setzt zum Beispiel hier an und bin- det bereits seit Jahren mit großem Erfolg Jugendliche in die Projekte der Caritas ein. „Sozialer Zusammenhalt und Solidarität sind zentrale Werte unserer Gesellschaft. Das Netz als neuer Ort sozialen Es freut mich daher sehr, dass auch Engagements zahlreiche österreichische Organisatio- Besonders das Leben junger Menschen hat sich in den nen Teil der internationalen Bewegung vergangenen Jahren zunehmend in die Onlinewelt mit des Giving Tuesdays sind.“ ihren Social-Media-Kanälen verlagert. Damit hat sich der Online-Bereich als ein neuer Ort etabliert, an dem Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein zum einen gespendet, zum anderen aber auch sozia- les Engagement selbst stattfinden kann. Die App „Let‘s Act“ verbindet beispielsweise Menschen, die
15 sich gerne engagieren möchten, mit gemeinnützigen als der wichtigste Spendenkanal der Zukunft gese- Organisationen und ihren konkreten sozialen Projek- hen. Bei den Spendenerträgen liegen jene aus dem ten. 400 Organisationen und 25.000 Freiwillige sind Online-Bereich derzeit noch im unteren Bereich: Ein auf der deutschen Plattform seit dem Start im Herbst Großteil der NPOs (40,65 %) gibt an, dass Online-Spen- 2018 bereits aktiv. Die App „Moving Twice“ setzt auf den derzeit 1-4 % am Gesamtspendenvolumen aus- Unternehmenskooperationen: User*innen können in machen. 12,3 % der Organisationen erreichen bereits der App ein Projekt auswählen, das sie unterstützen ein Volumen von über 16 % am Gesamtaufkommen. möchten. Mit jedem gelaufenen Kilometer der Doch der Zukunftstrend ist eindeutig: 44 % der 1.400 User*innen wird dieses Projekt unterstützt. Unter- untersuchten Organisationen aus Deutschland, Öster- nehmen sponsern und finanzieren den erlaufenen reich und der Schweiz nennen Online-Spenden als Betrag. Das Spektrum reicht von Baumpflanzungen wichtigsten Zukunftsbereich, dicht gefolgt von Unter- gegen den Klimawandel bis hin zu Schulprojekten in nehmensspenden. 68 % sind bereits im Online-Fund- Entwicklungsländern. raising aktiv – ein deutlicher Anstieg in den vergange- nen Jahren. Für 80 % sind Facebook und der „ShareTheMeal“ setzt auf ein ähnliches Prinzip. Die Newsletter die wichtigsten Sprachrohre. gemeinnützige App vom World Food Programme der Vereinten Nationen bietet die Möglichkeit zur unkom- Interessante Einblicke in die Bedeutung des Internets plizierten Mikrospende: Mit nur wenigen Klicks auf für das Spenden insbesondere bei jungen Menschen dem Smartphone können 40 Cent gespendet und gibt auch die Studie der Marktforschungsagentur damit ein hungerndes Kind für einen Tag ernährt wer- Marketagent.com. Dieser zufolge geben die 14-29-jäh- den. 46 Mio. Mahlzeiten wurden so ermöglicht. rigen in Österreich besonders häufig Geld Bettler*in- nen (38,7 %). An zweiter Stelle liegt allerdings bereits Beliebt sind zurzeit auch Charity-Videostreams. So das Spenden via Online-Banking mit 29,7 %. 25,2 % bietet etwa das Portal betterplace.org eine Plattform spenden über die Website der Organisation, 12,6 % auf mit kostenlosen Tools und echten Spendenbescheini- Spenden-/Crowdfunding-Plattformen. Nur 14,4 % der gungen, auf der Video-Streams auf gemeinnützige Jugendlichen greifen zum Erlagschein und 7,2 % nut- Anliegen aufmerksam machen. zen eine Einzugsermächtigung. Neben innovativen Online-Spendentools, mit denen insbesondere junge Menschen involviert und für gemeinnützige Anliegen sensibilisiert werden, findet So spendet die Jugend auch freiwillige Hilfeleistung zunehmend in der virtuel- len Welt statt. Unterstützung und Beratung bei Cyber- mobbing, Hilfe bei Sicherheitseinstellungen auf Social Mittels Online-Banking 29,7 % Media oder ein Live-Chat für Suchtkranke – all das Bettler*in etwas gegeben 38,7 % kann als moderne Form des Freiwilligenengagements in einer globalisierten Welt verstanden werden. Haussammlungen an der Wohnungstüre 21,6 % Die Initiative „Jugend hackt“ verbindet unter dem Motto „Mit Code die Welt verbessern“ die Förderung Sammlung in der Kirche/ 27,0 % einer religiösen Stätte des Umgangs von Jugendlichen mit Programmiertech- nologien mit dem Streben nach digitalen Lösungen zur Spende über Verbesserung der Gesellschaft. Gemeinsam mit ehren- Einzugsermächtigung 7,2 % amtlichen Mentor*innen haben die Teilnehmer*innen Mit Erlagschein bereits Apps zum Bikesharing oder zur Planung von einbezahlt 14,4 % barrierefreien Zugverbindungen entwickelt. Über Website der Organisation 25,2 % Online-Fundraising wichtigster Kanal der Zukunft Auf Spenden- bzw. Crowdfunding-Plattform 12,6 % Mit den modernen Formen und Wegen des Gebens, müssen NPOs auch neue Kanäle abseits des klassi- Sonstiges 12,6 % schen Spendenbriefs bedienen, um Spender*innen zu erreichen. Laut aktueller Altruja-Studie wird Quelle: Marketagent.com; Detailauswertung österr. Bevölkerung Online-Fundraising 2019 von Organisationen erstmals zwischen 14 und 29 Jahre, Online-Interviews, Gesamtstudie N=1006, 2019
16 Interview Was bewegt die Jugend? Ass.-Prof. Dr. Janet Kleber, B.A.,M.Sc. Institut für Psychologie, Universität Klagenfurt Warum betätigen sich die Menschen offensichtlich altrigen (sogenannte Peer Groups) ausschlaggebend, gerne gemeinsam ehrenamtlich? da die Jugendlichen oftmals selbst noch nach ihrer Es ist ein Grundbedürfnis des Menschen sozialen Grup- sozialen Identität suchen. Man könnte daher sagen, pen anzugehören. Wir suchen uns dafür meist Gruppen, dass die Sozialisierung zu prosozialem Verhalten eine die ähnliche Überzeugungen und Einstellungen wie wir wichtige Rolle spielt. Wenn die Eltern sich ehrenamtlich selbst haben. Gruppen können aber auch als Informati- betätigen oder auch nur mit den Kindern über ehren- onsquelle dienen. Gemeinsam mit anderen Personen amtliche Tätigkeiten und Spendenverhalten sprechen, ehrenamtlich tätig zu sein, kann daher besonders posi- erhöht dies auch die Motivation der Kinder, sich ent- tiv empfunden werden, da dies die eigenen Werte sprechend prosozial zu verhalten. Mit steigendem bestärkt und ein Gruppengefühl entsteht. Jugendalter nimmt dann der Einfluss der Gleichaltrigen zu (und der Einfluss der Eltern ab), sodass diese maß- Ehrenamtliche Tätigkeiten, wie z.B. Spendenakquise für geblich bestimmen, ob sich Jugendliche ehrenamtlich eine karitative Organisation, erfordern, dass viele Men- betätigen. Die Fridays for Future Initiativen sowie die schen mithelfen. Durch gemeinsames Engagement Extinction Rebellion Bewegungen sind aktuelle Bei- kann das Ziel oft schneller erreicht werden und jede*r spiele dafür, welchen Einfluss die Gleichaltrigen haben Einzelne kann ein stärkeres Gefühl von Effektivität sei- können. nes/ihres Handelns entwickeln. Die Forschung hat gezeigt, dass besonders kurz vor der Zielerreichung Was muss ein Ehrenamt heute „bieten“, um Jugendli- Menschen hochmotiviert sind zu helfen. Umgekehrt che erfolgreich anzusprechen? kann ein fehlendes Gefühl von Effektivität einer der Hier müsste man zwischen intrinsischer und extrinsi- Gründe sein, sich nicht zu engagieren. Die eigene Tätig- scher Motivation unterscheiden. Um Jugendliche intrin- keit wird dann lediglich als „ein Tropfen auf dem heißen sisch zu motivieren, spielt der Inhalt des Ehrenamtes Stein“ empfunden. eine große Rolle – gerade die Passung zu den eigenen Werten und die Möglichkeit, dass man was bewirken Was bewegt die nächste Generation an Freiwilligen? kann, sind hierbei wichtig. Selbstverwirklichung und die Welche Faktoren sind für Jugendliche dabei aus- Gelegenheit seine Fähigkeiten (besonders auch die schlaggebend im Vergleich zu Erwachsenen bzw. eigenen Stärken) erfolgreich einzusetzen, können älteren Menschen? zusätzlich motivierend wirken und auch langfristig Der Wunsch, etwas Gutes zu tun und dadurch einen positive Konsequenzen für die Jugendlichen haben (z.B. kleinen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, stellt eine mehr Erfolg in der Schule, weniger Problemverhalten, grundlegende Motivation für ehrenamtliche Tätigkeiten mehr Selbstbewusstsein). Extrinsische Motivatoren für dar. Dieser Wunsch lässt sich über alle Generationen ehrenamtliche Tätigkeiten beinhalten dagegen auch die hinweg finden. Neben diesem altruistischen Motiv gibt Außendarstellung und Anerkennung durch andere Per- es aber natürlich auch egoistische Motive. Hierbei kann sonen. So ist es möglich, dass Jugendliche ehrenamt- die Anerkennung anderer Personen oder auch der Nut- lich tätig sind, um dadurch ihren Lebenslauf zu verbes- zen des Ehrenamtes für das zukünftige Leben eine sern oder um Beziehungen aufzubauen und Kontakte Rolle spielen. Oftmals kann man beide Motivationen zu knüpfen, die eventuell zukünftig von Vorteil für die als Ursache für die ehrenamtliche Tätigkeit ausmachen. eigene Karriere sein können. Daher sollte ein Ehrenamt Gerade für Jugendliche ist aber neben den inneren je nach Motivationslage intrinsische oder extrinsische Motiven, auch das Verhalten ihrer Eltern und der Gleich- Faktoren ansprechen.
17 Entwicklungen und Trends im Freiwilligenwesen Kleines Land mit großem Herz: Ob bei der Freiwilligen Feuerwehr, im Rettungswesen oder beim Einsatz für den Tierschutz – ganze 46 Prozent der über 15-Jährigen setzen sich hierzulande in ihrer Freizeit für den guten Zweck ein. Aktuell sehen sich jedoch viele Freiwilligenorganisationen mit der Schwierigkeit konfrontiert, neue Helfer*innen für zukünftige Herausforderungen zu gewinnen. Gleichzeitig tun sich neue Chancen auf. I m internationalen Vergleich zeichnet sich Österreichs willigen zunehmend in einer digitalen Welt lebt, haben Bevölkerung durch eine hohe Bereitschaft zu freiwil- sich die meisten Online-Lösungen für die Gewinnung ligem Engagement aus. 2,3 Mio. Menschen engagie- und Vermittlung von Freiwilligen mangels Aktivität der ren sich formell in Vereinen und Organisationen. 3,5 User*innen oder langfristiger Finanzierungsmodelle Mio. sind es, wenn informelle Freiwilligenarbeit wie nicht durchgesetzt. Außerhalb Österreichs stellt man Nachbarschaftshilfe zugerechnet wird. Nach Schätzun- fest: Erfolgreiche Online-Plattformen sind meist an der gen des Sozialministeriums leisten Österreichs Freiwil- Schnittstelle zwischen Freiwilligenorganisationen und lige damit wöchentlich 14 Millionen Arbeitsstunden. Unternehmen im Bereich Corporate Volunteering ange- Eine substantielle Bereicherung für alle gesellschaftli- siedelt. Eine ähnliche Entwicklung hierzulande ist wahr- chen Bereiche. Aktuelle Entwicklungen bringen für Frei- scheinlich. willigenorganisationen jedoch neue Herausforderun- gen, aber auch Chancen mit sich. Corporate Volunteering im Vormarsch Sowohl Unternehmen als auch Organisationen erken- Freiwilligenwesen im Wandel nen zunehmend die vielfältigen positiven Nebeneffekte Immer häufiger betonen NPOs, dass es zunehmend von Corporate Volunteering, dem ehrenamtlichen schwieriger werde, aktive Engagierte langfristig zu bin- Engagement von Unternehmen über Zeitspenden. So den. Gleichzeitig sei die Suche nach neuen Freiwilligen entstehen immer mehr derartige Kooperationen. generell aufwändiger geworden. Diese bevorzugen ver- Bereits 36 % der österreichischen Unternehmen gehen mehrt unverbindliche oder zeitlich begrenzte Formen Corporate Volunteering-Partnerschaften ein. Dabei des Engagements mit geringerer Verpflichtung bzw. beschränken sich die Motive längst nicht mehr auf Verantwortung. Problematisch wird dies für Organisati- Imagebildung und Marketing. Die mit Abstand häufigste onen und Vereine beispielsweise bei der langfristigen Einsatzform betrieblicher Freiwilligenprogramme ist Planung. Ebenso leidet die Effizienz der NPOs, wenn sie der Aktionstag, wenngleich strategisch ausgerichtete die Zuverlässigkeit ihrer Freiwilligen nicht mehr voraus- Projekte eine größere Wirkung entfalten und für NPOs setzen können. Setzt sich dieser Trend fort, bedarf es leichter umzusetzen sind. mehr hauptamtlicher Mitarbeiter*innen. Die damit ver- bundenen höheren Personalkosten würden Organisati- Motive für Corporate Volunteering onen in ihrer Existenz bedrohen. Auch die zunehmende Mitarbeiter*innenbindung Bürokratisierung von freiwilligem Engagement stellt ein und -zufriedenheit 60 % Hemmnis für die Hilfsbereitschaft potenzieller Freiwilli- Teambuilding 57% ger dar, insbesondere da Autonomie und Gestaltungs- Imagepflege/Marketing 55 % spielräume zunehmend an Bedeutung gewinnen. Personalentwicklung 52 % Employer Branding 38 % Wie viel Digitalisierung braucht freiwilli- Philantropische Gesinnung der Führungsebene 25 % ges Engagement? Kenntnis neuer Märkte/ Innovationsimpulse 17 % Während die Digitalisierung im Freiwilligenwesen in Deutschland und der Schweiz teilweise recht weit vor- Teil der Konzernstrategie 14% angeschritten ist, ist die Entwicklung hierzulande noch Quelle: Public Opinion GmbH/Institut für Sozialforschung Linz; österr. Unternehmen, Online-Umfrage, N=157 (Unternehmen, welche bereits im in den Anfängen. Obwohl die neue Generation an Frei- CV aktiv sind dies zukünftig sein möchten), 2018
Sie können auch lesen