Hernsteiner - IN BALANCE BLEIBEN - Hernstein Institut für Management und ...

 
WEITER LESEN
Hernsteiner - IN BALANCE BLEIBEN - Hernstein Institut für Management und ...
hernsteiner
1/2021   Schwerpunkt: Gesundheit

{                    IN BALANCE
                     BLEIBEN
Hernsteiner - IN BALANCE BLEIBEN - Hernstein Institut für Management und ...
ET
                         IT         U
                                EN T M

                                                                        SIE SIND VERRÜCKT?
                     E
                 R           LL
                           E
                         B
          B
          R

                 E
     VE

                                                                        GROSSARTIG!
              R
             T
 W E IT

          IS

                              Gibt es in Ihrem
                              Team „Rebellinnen“                        „Here’s to the crazy ones. The misfits. The rebels.“ Diese
 S O

                                                                        Worte leiten Apples legendären „Think different“-Werbespot
                              bzw. „Rebellen“?                          ein. Und sie bringen die Philosophie von Steve Jobs zum
                                                                        Ausdruck: Als er Ende der 1990er-Jahre ins Unternehmen
                                                                        zurückkehrte, soll er gesagt haben: „Die Verrückten haben

                                                         4%
                                                                        die Anstalt übernommen.“ Der Rest ist Geschichte. Eine
                                                                        Erfolgsgeschichte.

59 %
ja
                                                         keine Angabe   Hat diese moderne Heldensaga irgendetwas mit der Realität
                                                                        in österreichischen und deutschen Unternehmen zu tun? Ein
                                                                        bisschen schon, zeigt eine Umfrage des Hernstein Manage-

                                         36 %
                                                                        ment Reports. Sie definierte „Rebellinnen“ bzw. „Rebellen“
                                                                        als „Mitarbeitende mit stark ausgeprägter Meinung, die
                                                                        diese offen vertreten“. Das Ergebnis, kurz zusammengefasst:
                                         nein                           Besagte Kolleginnen und Kollegen können zwar ein wenig
                                                                        mühsam sein. Aber tendenziell profitiert das Unternehmen
                                                                        von ihrer ehrlichen Kritik und den ungewöhnlichen Ideen.

                                         5%
                                                                        Querulant oder Impulsgeber? Fantast oder Visionär? Genie
   Glauben Sie, dass                                                    oder Wahnsinn? Eine feine Linie markiert die Grenze und
                                                                        ein Urteil ist – wenn überhaupt – oft nur mit zeitlichem
 „Rebellinnen“ bzw.                      Viel leichter                  Abstand möglich. Bei Steve Jobs ist die Sache wohl klar.

                                         23 %
  „Rebellen“ leichter                                                   Immerhin hat er nicht nur sein Unternehmen revolutioniert,
                                                                        sondern unseren digitalen Lifestyle entscheidend geprägt.
      oder schwerer                                                     Wie heißt es im Werbespot: „Die Menschen, die verrückt
  Karriere machen?                       Etwas leichter                 genug sind zu glauben, dass sie die Welt verändern können,

                                         20 %
                                                                        sind diejenigen, die es tun werden.“

                                         Kein Unterschied

                                         34 %
                                         Etwas schwerer

                                         13 %
                                         Viel schwerer
                                                                        Quelle: Hernstein Management Report
                                                                        Seit 23 Jahren erhebt der Hernstein Management Report jährlich
                                                                        ein Stimmungs- und Meinungsbild unter Führungskräften im
                                                                        deutschsprachigen Raum. Online-Befragung durch Triple M Matzka

                                         5%
                                                                        Markt- und Meinungsforschung. Befragungszeitraum: Mai 2020,
                                                                        Sample: 1.548 Personen. Aufgrund kaufmännischer Rundungen können
                                                                        Prozentwerte zwischen 99 % und 101 % auftreten. Bitte beachten
                                                                        Sie, dass die Befragung in der ersten Mai-Hälfte 2020 stattfand, also
                                                                        während des Covid-19-Shutdowns.
                                         Keine Angabe                   Mehr Infos unter: www.hernstein.at/hmr

     2 hernsteiner 1/2021
Hernsteiner - IN BALANCE BLEIBEN - Hernstein Institut für Management und ...
N G ,
                          I  NU
                        E         R KU N G

                                                                                               61 %
                      M       WI
                            E
                        IG
                   E
                 K
               T
               R
             L
            A
         PÄ
         ST

                                    Wirken sich „Rebellinnen“
Z W I ES

                                    und „Rebellen“ positiv oder                                der männlichen Führungskräfte
                                    negativ aus?                                               sehen positive Auswirkungen von
                                                                                               Rebellentum auf die Arbeits­ergebnisse,
                                                                                               aber nur 53 % der weiblichen.

                      57 %                             auf die Arbeits­
                                                         ergebnisse         30 %                                                      IF
                                                                                                                                          TE
                                                                                                                                             N D E

                                                                                                                                             SC H ÄT ZT

                      49 %                                                  29 %
                                                                                                                                    T
                                                                                                                                E
                                                                                                                                  S       GE
                                                                                                                                        T
                                                          auf die                                                                     R
                                                                                                                                    E

                                                                                                                                  H
                                                                                                                                U
                                                     Unternehmens­ziele

                                                                                                                              W
                                                                                                                              R
                      46 %                                                  44 %
                                                                                                                          UN

                                                                                                                            N
                                                                                                                   W E R DE
                                                        auf das Team
                                                                                                                                          Würden Sie Ihre
                                                                                                                                          „Rebellinnen“
                                                                                                                                          und „Rebellen“
                                                                                                                                          vermissen?

                                                                                                                                           19 %
                                    ON
                                V            „ R E B EL
                          E             ND              LE
                      L             U                        N
                                “
                            I
                          E

                                                                 “
                        N
                       T

                     E
                  CH

                                                                                                                                            Sehr vermissen
                   N

                                                                                                                                           45 %
              LIN
              N A
            L
 B Z W.
      E B E
  „ R

                                         Andere Ansichten/Blickwinkel        Unruhe/Störung
     R-

                                                                                                                                            Eher vermissen

                                                                                                                                           19 %
                                                                     27 %    26 %
          O
             V

                                                     Ehrlichkeit/Kritik      Demotivierend/Schlechte Stimmung
                                                                     23 %    23 %
                          Unkonventionelle Ideen/Innovationen                Anstrengend/Schwierig im Umgang
                                                                     18 %    18 %                                                           Weniger vermissen

                                                                                                                                           15 %
                                             Hinterfragen wird angeregt      Diskussionen/Auseinandersetzungen
                                                                     14 %    15 %
                                          Ansporn/Motivation für alle        Zeitintensiv, verzögernd/Bremst aus
                                                                     14 %    14 %                                                           Gar nicht vermissen

                                                                                                                                                                  3
Hernsteiner - IN BALANCE BLEIBEN - Hernstein Institut für Management und ...
Inhalt
               6       KU R Z M E L D U N G E N

                                                                             {
                       Renovierung Schloss Hernstein / Health
                       Report / Tipp: Förderungen / Unternehmens­
                       kultur-Jam / Buchtipp: Business-Roman

               7       L E A D E R S H I P - H AC K S
                       So entsteht Atmosphäre

               8       K A N N         DA S   W E G ?
                       Frühjahrsputz mit Marie Kondo

               24      „ DA S        G E H I R N     I S T
                       E I N     S OZ I A LO R GA N “
                       Führung und Emotion
                                                                             1 0   S C H W E R P U N K T :
                                                                                   G E S U N D H E I T

               2 6     E I N     S T E C K E N P F E R D
                                                                                   Die Kunst des Gleichgewichts.
                       M I T     2     H Ä N D E N                                 Die Härte weicher Fakten
                       Brückenbauer und „Head of Transformation“:
                       Thomas Nix von F/List
                                                                                   und das Hilfreiche an
                                                                                   Ängsten. Neue Mittel gegen
                                                                                   eine Volkskrankheit. Und jede
               2 8     S O     S C H R E I B E       I C H   M I C H               Menge Pausentipps
                       I N     D E N     F LOW
                       Selbsterfahrung: Isabelle Maurer über Freewriting

               2 9     I H R E       N ÄC H S T E N      T R A I N I N G S
                       Gesund führen und Emotionen ernst nehmen

               3 0     D E R     S E N F      G E H T    N I C H T
                       I N     D I E    T U B E    Z U R Ü C K
                       Der „Agile Leadership Explorer“ bereitet
                       auf die Post-Corona-Welt vor

4 hernsteiner 1/2021
Hernsteiner - IN BALANCE BLEIBEN - Hernstein Institut für Management und ...
E D I TO R I A L

                                                                                   AUFBLÜHEN,
                                                                                   ABER WIE?
                                                                                   Die Phase des Social Distancing hat Spuren in der Gesellschaft
                                                                                   hinterlassen. Wir haben trotz massiver Umstellungen, trotz
                                                                                   Stress, Druck und Ängsten überraschend lange funktioniert.
                                                                                   Und nun? Sowohl Körper als auch Geist machen sich bemerkbar,
                                                                                   fordern wieder eine gesunde Mischung aus Anspannung und
                                                                                   Entspannung ein. Das Bewusstsein für den Wert von Gesundheit ist
                                                                                   gestiegen. Wir sehen, dass physische und psychische Beschwerden
                                                                                   zugenommen haben. Immer mehr leiden an Angstzuständen oder
                                                                                   auch Depressionen. Andere spüren zumindest „ein Gefühl des
                                                                                   Blah“, wie der ­Organisationspsychologe Adam Grant in der „New
                                                                                   York Times“ schreibt: „Languishing“ sei ein Gefühl der Stagnation
                                                                                   und der Leere. Man ist nicht wirklich krank, aber eben auch nicht
                                                                                   gesund. Jedenfalls weit von „Flourishing“ entfernt, dem Aufblühen,
                                                                                   wie der Psychologe Corey Keyes den Zustand von hoher mentaler
                                                                                   Gesundheit und geringer Krankheit nennt.
                                           Die Redaktion des Hernsteiners:
                                           Michaela Kreitmayer, Leiterin
                                           Hernstein Institut (oben),              Wie sehr wir uns das jetzt wünschen: Aufblühen! Das klingt
                                           und Sibylle Wachter-Benedikt,
                                                                                   gut – aber eben gerade sehr anstrengend. Leider. Wichtig ist
                                           Gesamtredaktion
                                                                                   es, in uns hineinzuhorchen. Und Stück für Stück unser Leben
                                                                                   zusammenzusetzen. Die Wunden und die Narben, die uns die
                                                                                   Pandemie zugefügt hat, brauchen wir dabei nicht unter den
                                                                                   Teppich zu kehren. Sie sind Teil unserer Geschichte und damit
                                                                                   unserer Zukunft. Wie bei Kintsugi, der japanischen Methode,
                                                                                   um zerbrochene Keramikschalen zu reparieren. Bruchstellen
I M P R E S S U M                                                                  werden mit feinem Pulvergold geklebt und bleiben damit sichtbar.
Hernsteiner – Fachzeitschrift für Management- und Leadership-
Entwicklung Herausgeber, Medieninhaber und Redaktion: Hernstein
                                                                                   Der Makel wird hervorgehoben. Gerade das schafft eine ganz
Institut für Management und Leadership der Wirtschaftskammer                       neue Art von Schönheit.
Wien, Währinger Gürtel 97, 1180 Wien, T: +43/1/514 50-5600,
hernstein@hernstein.at, www.hernstein.at Copyright: alle Rechte bei
Hernstein Institut für Management und Leadership der Wirtschafts­
kammer Wien. Redaktion: Mag. (FH) Michaela Kreitmayer (Leitung                     Quellen
Hernstein Institut), Sibylle Wachter-Benedikt, BSc (Gesamt­redaktion),             Adam Grant (5. 5. 2021): „There’s a Name for the Blah You’re Feeling: It’s Called Languishing“.
Mag. Gerhard Mészáros, MA. Corporate Publishing: Egger & Lerch,                    New York Times
1030 Wien (Artdirektion und Layout: Anika Reissner, Sabine Peter).                 https://www.nytimes.com/2021/04/19/well/mind/covid-mental-health-languishing.html
Fotos/Illustrationen: Philipp Tomsich (S. 5, 11, 28), Dodo Kresse (S. 7),
Manfred Haas (S. 8), Christian Koschar (S. 15), Laurent Ziegler (S. 17),           Keyes, C. L. (2002): „The mental health continuum: From languishing to flourishing in life“.
Reinhard Lang (S. 18, 23), Teamgeist/Thomas Müller (S. 21), Hannes                 Journal of Health and Social Behavior, 207-222.
Horngacher (S. 25), F. List GmbH/Clemens Schneider (S. 27), Alexander
Pauly (S. 31); Shutterstock: Viorel Sima (S. 1, 10, 22, 23), Photoongraphy
(S. 1, 10, 20), Julianna Million (S. 1), ESB Basic (S. 12), GalinaZi (S. 12, 13,
14), fpdress (S. 12, 15), Eric Isselee (S. 16), Prokhorovich (S. 19), Polina
Tomtosova (S. 19), KSIVA (S. 19), asiandelight (S. 19), Best dog photo (S.
20), Sentavio (S. 24). Hersteller: Druckerei Berger, 3580 Horn.
Offenlegung der Eigentumsver­hältnisse nach dem Mediengesetz:
Hernstein Institut für Management und Leadership der Wirtschafts­
kammer Wien, Währinger Gürtel 97, 1180 Wien. Der Hernsteiner
erscheint 2-mal pro Jahr. Der Inhalt der Beiträge spiegelt die Meinung
der Autorinnen und Autoren wider, deckt sich aber nicht unbedingt
mit der Meinung des Herausgebers.

                                                                                                                                                                                     5
Hernsteiner - IN BALANCE BLEIBEN - Hernstein Institut für Management und ...
Kurzmeldungen
                         SCHLOSS HERNSTEIN
                         ­RENOVIERT DEN GESAMTEN
                          GÄSTEBEREICH

ELDUNGE
                         Schloss Hernstein ist ein historisches
                         Schmuckstück mit einem modernen Gäste­
                         anbau inmitten der Schwarzföhrenwälder
                         von Hernstein. Es kann auf eine lange           MOMENTS THAT MATTER
                         Historie zurückblicken: Das Gebäude hat sich
                         von einem Jagdschloss der Habsburger zu         Unter diesem Motto ist der Corporate
                         einem der Top-Seminarhotels in Österreich       ­Culture Jam am 22. und 23. September 2021
                         entwickelt – und es geht weiter. Unter dem       im Gabrium in Maria Enzersdorf geplant.
                         Motto „Raus aus dem Dornröschenschlaf“           Thema der Keynotes, Best-Practice-Sessions
                         sollen die Umgebung und die Geschichte           und Workshops ist die Unternehmens­
                         mehr ins Hotel eingebunden und der Gäste-        kultur – heute aufgrund der vermehrt
                         und Gastronomiebereich für jede und jeden        ­virtuellen Zusammenarbeit wichtiger
                         geöffnet werden. Daher wird das Haus für          denn je. Tauchen Sie hier in das genaue
                         umfassende Renovierungsarbeiten von Juli          ­Programm ein:
 KURZ
                         2021 bis voraussichtlich Anfang nächsten        www.corporate-culture-jam.at
                         Jahres geschlossen.
                         www.schloss-hernstein.at

                                                                         BUCHTIPP: WELTREISE
                                                                         PER ­BUSINESS-ROMAN
                         HEALTH REPORT
                         DES ZUKUNFTSINSTITUTS                           Die Autorin Whitney Breer möchte mit
                                                                         ihrem neuen Roman den Leserinnen und
                         Laut Zukunftsinstitut wird es wohl keinen       Lesern dabei helfen, die „menschliche Seite“
                         weiteren Health Report geben, der so relevant   der Führung schätzen zu lernen. So nimmt
                         sein wird wie der vorliegende für das Jahr      Sie die Protagonistin Kathleen mit auf ihre
                         2022. Denn die Covid-19-Pandemie hat den        Weltreise zu Leadership Excellence. Bevor
                         Megatrend Gesundheit ins Zentrum gerückt        Kathleen, eine ambitionierte, aber wenig
                         und alles auf den Kopf gestellt – und Report-   empathische Führungskraft, die Leitung
                         Autorin und Gesundheitsexpertin Corinna         des Familienunternehmens anvertraut
                         Mühlhausen demütig werden lassen. Der           bekommt, schickt ihr Vater sie auf eine
                         Health Report dient all jenen, die sich mit     Reise um die Welt. Es ist eine Reise, die
                         der Gesundheit von Körper, Geist und Seele      sie in Etappen nach Indien, Neuseeland,
                         beschäftigen, als Orientierung und Grundlage    Schweden, Brasilien und zurück in die
                         für Zukunftsentscheidungen.                     USA führt. Dort erfährt Kathleen mithilfe
                         http://bit.ly/health_report_zukunftsinstitut    der Einsichten und Erfahrungswerte ihrer
                                                                         internationalen Sparringspartner viel über
                                                                         sich selbst und über das Geheimnis echter
                                                                         Leadership Excellence. Jedem Kapitel folgt
                         UNSER TIPP:                                     eine ausführliche Business-Reflexion, um
                         FÖRDERUNG HOLEN                                 das Gelesene zu verinnerlichen.
                                                                         Whitney Breer: Führung beginnt bei dir.
                         Machen Sie sich schlau und holen Sie sich       Eine Weltreise zu Leadership Excellence.
                         eine Weiterbildungsförderung. Auch für          Ein Businessroman. Gabal Verlag, 2020
                         Führungskräfte gibt es Optionen. Hier
                         finden Sie genauere Informationen dazu:
                         www.hernstein.at/ueber-hernstein/services/

  6 hernsteiner 1/2021
Hernsteiner - IN BALANCE BLEIBEN - Hernstein Institut für Management und ...
Leadership-Hacks

SO ENTSTEHT
ATMOSPHÄRE
Tipps für mehr Resonanz in virtuellen Meetings                              mit Metaphern lösen. Erzählen Sie sinnvolle
H E I N Z   P E T E R   WA L L N E R                                        Geschichten und unterstützen Sie mit einfachen
                                                                            ­Visualisierungen. Oder Sie schicken dem Team
                                                                             einmal Unterlagen, Schokolade und andere kleine
                                                                             Goodies vorab mit der Post. Das haptische Arbeiten
                   Der virtuelle Raum bietet uns Menschen weniger            macht Spaß und bietet Abwechslung. Nutzen Sie
                   Optionen für die soziale Interaktion, als wir sie         Breakout-­Rooms auch für Pausen und den infor-
                   in Präsenzmeetings vorfinden. Aber sind digitale          mellen Austausch. Am Ende des Meetings kann eine
                   Treffen daher nur eine Notlösung? Wer mit dieser          kurze Plauderei Wunder gegen soziale Isolation
                   Haltung die virtuelle Welt betritt, kann sich             bewirken.
                   seiner Enttäuschung sicher sein. Mit etwas Übung
                   wird ein virtuelles Meeting ein konstruktiver            3. Klettergerüste anbieten
                   Kommunikationsraum mit sozialer Resonanz.                Verzichten Sie auf zu viele Regeln für „betreutes
                                                                            Sprechen“ oder „Malen nach Zahlen“. Geben Sie
                   Der virtuelle Raum gibt sein volles Potenzial nur        lieber Denkanstöße oder andere Hilfestellungen,
                   preis, wenn im ersten Schritt Energie eingebracht        um Kreativität und soziale Resonanz zu schaffen.
                   wird. Das heißt: Wir müssen den Raum erkunden,           Ähnlich wie eine Kletterrose brauchen Menschen für
                   vermessen und mit geeigneten Mitteln ausgestalten.       ihre Entwicklung nur Gerüste. Den Aufstieg schaffen
                   Wer sein Präsenzkonzept schablonenhaft in den            sie alleine. Ein Paradebeispiel für dieses Scaffolding-­
                   virtuellen Raum überträgt, scheitert an seiner eige-     Prinzip (das englische Wort „scaffold“ bedeutet
                   nen Trägheit und Ideenlosigkeit, nicht an fehlenden      „­Gerüst“) sind Canvas-Methoden. Mural und Co
                   Möglichkeiten.                                           bieten optimale Möglichkeiten.

                   1. Mit einer Geste der Einladung beginnen                Weitere Tipps
                   Soziale Resonanz ist ein Emergenz-Phänomen.                     Leaderinnen und Leader sitzen nicht, sie
                   Was als Atmosphäre wahrgenommen wird, kann               ­stehen. So kommt mehr Energie über die Leitung.
                   nicht erzeugt werden, es kann nur entstehen. Der                Sprechen Sie die Teilnehmenden mit Namen an.
                   Plan und die Struktur sind nur ein Bein, auf dem ein            Blicken Sie häufig in die Kamera.
                   gutes Meeting „laufen kann“. Es ist der emergente               Die richtige Technik an allen Leitungsenden
                   Teil, alles, was aus der Interaktion spontan ent-         ist selbstverständlich. Keine Ausreden mehr.
                   steht, der Menschen das Gefühl gibt, sich in einem              Und hören Sie auf, Menschen mit Text auf
                   ­kreativen Raum aufzuhalten. Statt immer alles            ­Powerpoint zu langweilen.
                    steuern zu wollen, ist es besser, einfach hinzuhören,
                    den Dialog zu fördern und allen Teilnehmenden
                    Einfluss­möglichkeiten zu bieten. Geben Sie stets
                    allen das Gefühl, eingeladen und willkommen zu                                              D R . H E I N Z P E T E R
                                                                                                                WA L L N E R , C MC
                    sein. Auch jenen, die ständig schlecht gelaunt oder
                    chronisch unsichtbar sind.                                                                  studierte an der TU Graz
                                                                                                                Verfahrenstechnik und forschte
                   2. Sinnliches und soziales Erleben fördern                                                   in Kanada über nachhaltiges
                                                                                                                Wirtschaften. Heute ist er
                   Arbeiten Sie mit Bildern, die Gefühle wecken und
                                                                                                                Führungskräfte­trainer, Change-
                   Assoziationen erzeugen. Lassen Sie Menschen                                                  und Strategieberater, Buchautor
                   ­Situationen über Bilder beschreiben und P
                                                            ­ robleme                                           und Vortragender.

                                                                                                                                              7
Hernsteiner - IN BALANCE BLEIBEN - Hernstein Institut für Management und ...
KANN DAS WEG?                                                                                 So gehen Sie vor
                                                                                              Sie können die Bestandsaufnahme auf 4 unter-
                                                                                              schiedlichen Ebenen durchführen. Jede kann ein-
                                                                                              zeln betrachtet werden, Sie können aber auch alle 4
                                                                                              hintereinander durchlaufen. Definieren Sie zunächst
Ein bisschen Marie Kondo tut auch Ihrem
                                                                                              die Ebene, die Sie mit Ihrem Team u  ­ ntersuchen
Team gut! Denn für einen Frühjahrsputz in
                                                                                              möchten. Erklären Sie dann den Nutzen, den die
Sachen Abläufe und Gewohnheiten ist immer                                                     Reflexion dieser Ebene haben kann. Sie moderieren
die richtige Jahreszeit.                                                                      den Prozess, jemand aus dem Team hält die Antwor-
C H R I S T I N E   MÖ S S L E R                                                              ten schriftlich fest, zum Beispiel auf einem Flipchart
                                                                                              oder auch online.

                                                                                              Alles ist im Fluss(diagramm)
                                   Ist es Ihnen auch so gegangen? In Zeiten von               Orientieren Sie sich am Flussdiagramm (siehe
                                   Homeoffice, Homeschooling und dadurch                      Abbildung) und starten Sie ganz oben. Beantworten
                                   24/7-­Home-Entertainment konnte es durchaus                Sie die Fragen nacheinander gemeinsam mit Ihrem
                                   passieren, dass man sein Heim wieder mal g    ­ enauer     Team. Ich empfehle, zunächst Ihre Mitarbeiterinnen
                                   in Augenschein nahm. Und feststellte, wie viel             und Mitarbeiter um Feedback bzw. Statements zu
                                   ­Nützliches neben weniger Nützlichem in den                bitten, bevor Sie als Führungskraft Ihre Perspektive
                                    ­Regalen steht. Gleichzeitig liebe ich das Gefühl, alte   ergänzen.
                                     Teile aus dem Kleiderschrank zu entfernen, über-
WIR WERDEN                           flüssigen Ballast zu entsorgen und damit wieder Luft     1. Ebene: Unser Tagesgeschäft

WIEDER TEMPO                         und Raum für Neues zu schaffen. Dieses Ausmisten         Im Fokus: Die fachliche/inhaltliche Arbeit im
                                     hat etwas Befreiendes.                                   Team, im Besonderen die pandemiebedingten
AUFNEHMEN. DA
                                                                                              ­Veränderungen der vergangenen Monate
WÄRE ES DOCH
                                   Auch im Berufsalltag sollten wir uns gelegentlich           Nutzen: Wir erkennen, was wir geleistet haben.
SCHADE, WENN
                                   an Marie Kondo, der Bestsellerautorin und Expertin          Gleichzeitig reduzieren wir Ballast, also ­Abläufe,
WIR UNSERE                         für richtiges Aufräumen, ein Beispiel nehmen. Ich           „die immer schon so waren“, aber nicht mehr
KRÄFTE FÜR                         möchte Ihnen daher ein Tool vorstellen, mit dem             ­alltagstauglich sind.
NICHT MEHR                         Sie und Ihr Team sich auf einen Streifzug durch
NOTWENDIGES                        Ihren Berufsalltag begeben können. Auf die Suche
VERSCHWENDEN.                      nach Abläufen, Prozessen und Gewohnheiten, die
                                   nicht mehr gebraucht werden und die man daher
                                   zurücklassen sollte – oder die wahre Fundstücke                                  C H R I S T I N E
                                   darstellen, die es verdienen, bewusst beibehalten zu                            ­M Ö S S L E R , M B A
                                   werden. Das bewusste Reflektieren dieser „Fund­
                                                                                                                    coacht Führungskräfte und
                                   stücke“ stärkt zudem Zusammengehörigkeitsgefühl,                                 leitet Leadership-­Workshops.
                                   Vertrauen, Motivation und Engagement. Dies trägt                                 Mediatorin sowie Expertin für die
                                   gerade in unsicheren Zeiten maßgeblich zur Mit­                                  Förderung von Commitment in
                                                                                                                   ­Organisationen. Über 20 ­Jahre
                                   arbeiterbindung bei.
                                                                                                                    Berufserfahrung, lange im
                                                                                                                    Bereich Personalmanagement.
                                   Eines steht fest: Wir können und werden wieder                                   Postgraduales Studium
                                   Tempo aufnehmen. Da wäre es doch schade, wenn                                    mit Schwerpunkt Strategic
                                                                                                                    Management & Organizational
                                   wir unsere Kräfte für nicht mehr Notwendiges
                                                                                                                    Change. Referentin an der
                                   verschwenden oder Sinnvolles unbeachtet liegen                                   FH Wien und der Alpen-Adria-
                                   lassen.                                                                          Universität Klagenfurt.

8 hernsteiner 1/2021
Hernsteiner - IN BALANCE BLEIBEN - Hernstein Institut für Management und ...
Insights

A B L ÄU F E ,   G E WO H N H E I T E N ,         P ROZ E S S E

       Was funktioniert                             Was funktioniert
             gut?                                   (noch) nicht gut?

                                                                                     3. Unsere Zusammenarbeit im Team
                             Brauchen wir es                                         Im Fokus: Die teaminterne Zusammenarbeit,
                                 (noch)?
                                                                                     ­losgelöst von fachlichen und inhaltlichen Fragen
                                                                                      Nutzen: Wir erkennen, wo es in der teaminternen
                                                                                      Zusammenarbeit unter Umständen Handlungs­bedarf
    Ja, brauchen wir (noch)                        Nein. Brauchen wir
                                                                                      gibt. Gleichzeitig sehen wir, dass wir die Vergangen-
   und nehmen wir bewusst                            nicht mehr und
       mit in die Zukunft.                         lassen wir zurück.                 heit gut bewältigt haben und uns als Team nichts so
                                                                                      schnell aus der Fassung bringen kann.

                                                Ergibt sich ein Handlungs-           4. Die persönliche Ebene – Menschen vor den ­Vorhang
    Wie gelingt es uns und
    was ist dabei hilfreich?                     bedarf daraus? Wenn ja,             Im Fokus: Auf der vierten Ebene betrachten wir die
                                                wer ­kümmert sich darum?             einzelnen Menschen. Dafür orientieren wir uns nicht
                                               Bis wann? Follow-up-Termin
                                                                                     am Flussdiagramm, sondern stellen nur eine Frage:
                                                                                     Welche Stärken und Kompetenzen hat jedes einzelne
      Was erreichen wir
                                                                                     Teammitglied?
           damit?
                                                                                     Nutzen: Auf dieser Ebene geht es darum, zu s­ püren,
                                                                                     dass man ein wertvoller Teil des Teams ist und
                                                                                     als ­solches gebraucht und geschätzt wird.
  Gibt es einen Handlungs­                                                           Vorgehensweise: Jedes Teammitglied schreibt für
     bedarf? Wenn ja, wer
    kümmert sich darum?
                                                                                     jedes andere Teammitglied Antworten auf folgen-
 Bis wann? Follow-up-Termin                                                          de Fragen auf ein Kärtchen oder in ein Online-­
                                                                                     Dokument:
                                                                                           Das schätze ich ganz besonders an dir …
      Wenn wir das jetzt                                                                   Das habe ich im Vorjahr vermehrt an dir
     so sehen: Was ist die                                                           ­wahrgenommen …
      Haupterkenntnis?
                                                                                           Eine Kompetenz, die ich an dir beobachtet
                                                                                      habe …
                                                                                           Du hast wesentlich dazu beigetragen, dass …
                                                                                           Damit bereicherst du unser Team enorm …
                               2. Die Zusammenarbeit mit internen
                               Schnittstellen – das große Ganze                      Dann stellen Sie eine Auswahl an positiven Zu-
                               Im Fokus: Die Zusammenarbeit mit anderen              schreibungen aller Teammitglieder zusammen und
                               ­Abteilungen des Unternehmens                         platzieren diese so, dass sie von allen regelmäßig
                                Nutzen: Wir erkennen, welche internen Schnitt-       gesehen werden kann – sei es im Büro oder als Teil
                                stellen zu optimieren sind und wovon wir mehr        der Team-Jour-fixe-Präsentation. Hilfreich dabei sind
                                brauchen (oder auch weniger). Wie von einem          Online-Tools wie zum Beispiel w ­ ww.wortwolken.com.
                                ­Aussichtsturm aus wagen wir den Blick auf die       Durch das „Gesehen-Werden“ und die damit verbun-
                                 gesamte Organisation. Dadurch wird deutlich, dass   dene Wertschätzung werden Loyalität, Motivation,
                                 wir alle Teile des „Uhrwerks“ brauchen, damit wir   Zusammenhalt und Engagement gefördert – und
                                 funktionieren.                                      damit der Klebstoff, der das Team zusammenhält.

                                                                                                                                         9
Hernsteiner - IN BALANCE BLEIBEN - Hernstein Institut für Management und ...
12     W I E D E R       AU F S T E H E N
       Praktische Tools für mehr Gesundheit

16     „ I N    D E R    K R I S E     W U R D E N   S O F T     FAC T S
       Z U     H A R D    FAC T S “
       Experten-Interview mit Bardia Monshi: Gemeinschaft ist
       wichtiger als der Cholesterinspiegel

                                                                        {
18     N E U E    M I T T E L    G E G E N     E I N E
       ­V O L K S K R A N K H E I T
       Über den Tellerrand: Ein Nasenspray gibt Depressiven Hoffnung

19     PAU S E !
       Erfahrungsschatz: So tanken Sie in der Pause Energie

20     D E R     A N G S T     D E N    S C H R E C K E N      N E H M E N
       Im Brennpunkt: Warum sich Führungskräfte ihre Sorgen
       ehrlich eingestehen sollten
                                                                             Was macht denn
                                                                             dieser Igel da?
                                                                             Das erklären wir auf
                                                                             der letzten Seite.

22     Z I TAT E R ÄT S E L

23     D I E    KÜ C H E     BAU T       S I C H   N I C H T
       VO N      S E L B S T
       Florian Streb über Mitarbeiterkommunikation

10 hernsteiner 1/2021
L E I TA R T I K E L
                                                                                                                                    Gesundheit

                                               GESUND BLEIBEN

11 %
                                               Am Beginn der Coronapandemie hatte ich mein Höchstgewicht erreicht.
                                               Ich wollte etwas verändern. Ich wusste auch, wozu ich nicht bereit war,
                                               nämlich mich zu kasteien oder auf meine heiß geliebten Süßig­keiten
                                               zu verzichten. Ich wollte etwas verändern, was nachhaltig bleibt, das
                                               heißt, eine Ernährungsumstellung erschien mir praktikabel. Ich suchte
                                               Rat bei einer Ernährungsexpertin.
der Österreicherinnen und
Österreicher über 14 Jahren
fühlen sich laut einer Umfrage                 Folgende Aspekte integriere ich seither in meinen Führungsalltag:
im August 2020 akut burn-out­                       30 ml Wasser pro kg Körpergewicht über den Tag verteilt trinken
gefährdet. 68 % sind fallweise                      Und wenn der Tag noch so stressig ist – eine Mittagspause bewusst
von psychischen oder mentalen
                                               machen und vorleben
Problemen betroffen.*
                                                    Durch eine ausgewogene Nahrung den Körper mit allen Nähr­
                                               stoffen versorgen

54 %
                                                    Genussmittel wie Süßes oder Knabbergebäck nicht zwischendurch
                                               aus Langeweile, Freude oder Frust essen, sondern gleich nach der
                                               Mahlzeit bewusst genießen
                                                    Essenspausen einlegen, damit die Zellen Zeit haben, sich zu
                                               regenerieren; ich persönlich esse 3-mal täglich und dazwischen nichts
                                                                                                                         Mag. (FH) Michaela
                                                                                                                         Kreitmayer
der Menschen in Österreich                     Auch bei der Bewegung machte ich einen Schritt nach dem anderen           ist Leiterin des
leben zurzeit bewusst gesund.                  in die richtige Richtung. Im Führungsalltag reiht sich oft ein Termin     Hernstein Instituts.
Frauen achten mit 59 % stärker                 nahtlos an den nächsten. Irgendwann meldete sich mein Rücken, weil
auf einen gesunden Lebensstil
                                               die Bewegung dazwischen einfach fehlte. Jetzt sitze ich abwechselnd
als Männer (48 %).*
                                               auf einem Gymnastikball, stehe zwischendurch auf und strecke mich;
                                               ein paar Bewegungen können auch im Sitzen während eines Meetings

9%
                                               gut integriert werden. Sooft es geht, versuche ich aktiv zu sitzen
                                               (aufrecht und nicht in mich zusammengesunken), und damit ist schon
                                               einiges getan. Ansonsten noch Bewegung in den Alltag integrieren:
                                               Häufig sind nur minimale Anpassungen notwendig, wie z. B. Stufen statt
                                               Aufzug oder zu Fuß statt Auto.

                                               Veränderungen gelingen langfristig oft nur mit der Haltung
der Kinder haben einer
deutschen Umfrage zufolge                      der Eigenverantwortung
während der Coronapandemie                          Ja und Nein zu sich und anderen sagen und danach handeln –
zugenommen. Bei den Eltern                     nicht Ja sagen und wie Nein handeln und umgekehrt
waren es sogar 27 %.**
                                                    MMM – das tägliche 30-minütige Meeting mit mir organisieren,
                                               um den Überblick zu behalten, um zu reflektieren, um aufzuarbeiten,
                                               um im Kopf aufzuräumen
                                                    Jährlich an einer Gesunden-Untersuchung teilnehmen und an den
Quelle: *Allianz Gesundheitsbarometer
2020. Befragt wurden 1.000
                                               Problemfeldern konsequent dranbleiben
Österreicherinnen und Österreicher über 14          Arbeitstage nicht komplett verplanen, sondern Terminlücken
Jahren. https://www.market.at/newsroom/
allianz-gesundheitsbarometer-2020/             lassen, um flexibel agieren zu können
**Koletzko, B. u. a.: „Lifestyle and Body           Zwischendurch bewusst atmen – am besten länger aus- als einatmen
Weight Consequences of the Covid-19
Pandemic in Children: Increasing Disparity”.        Zwischen 6 und 8 Stunden schlafen
In: Annals of Nutrition and Metabolism,
Juni 2021. https://www.karger.com/Article/
FullText/514186                                Wie sieht Ihre gesunde Liste aus?

                                                                                                                                                11
12 hernsteiner 1/2021
Gesundheit

Eine Kraftquelle im
Rücken, ein klares
Ziel vor Augen: Das
erhöht den Resilienz-
Quotienten.

                        WIEDER AUFSTEHEN
                        Diese Tools helfen Führungskräften, bei sich und ihrem Team
                        Gesundheit und Resilienz zu fördern
                        M A RG I T   W E I N GA S T

                        „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen            keit positiv aus. Denn jede Führungskraft hat eine
                        körperlichen, geistigen und sozialen Wohlerge-           starke Vorbildwirkung. Böse Stimmen behaupten
                        hens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder         gar: „Jede Führungskraft hat den Krankenstand im
                        ­Gebrechen.“ So steht es in der Verfassung der           Team, den sie verdient.“
                         Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 1948.
                         Nach über einem Jahr Pandemie scheint jedoch            Das gesunde Quartett
                         die nüchterne Definition von Friedrich Nietzsche        Ich möchte Ihnen im Folgenden einige Tools
                         passender. Der deutsche Philosoph sagte angeblich:      ­vor­stellen, mit denen Sie sowohl bei sich selbst als
                         „Gesundheit ist dasjenige Maß an Krankheit, das es       auch in Ihrem Team für mehr Gesundheit s­ orgen
                         mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäfti-         können. Zunächst das traditionelle Quartett
                         gungen nachzugehen.“                                     von Bewegung, Ernährung, Psychohygiene und
                                                                                  ­Entspannung (­siehe Grafik auf Seite 14): Diese
                        Das erinnert an die gängige Praxis in vielen Unter-        ­Scorecard hilft dabei, die einzelnen Einflussfaktoren
                        nehmen. Hier wird Krankheit oft mit Krankenstand            auf die Gesundheit zu prüfen. Dies kann wiederum
                        gleichgesetzt. Dabei sticht in der jüngeren Vergan-         zu kleinen Veränderungen im Alltag inspirieren,
                        genheit vor allem eine Entwicklung ins Auge: die            die die Lebensqualität erhöhen.
                        Zunahme von Fehlzeiten aufgrund psychischer
                        Belastungen. Sandwich-Führungskräfte, also Ma-           So steigern Sie den Resilienz-Quotienten
                        nager auf unteren und mittleren Hierarchieebenen,        Viele Unternehmen haben Resilienz-Initiativen
                        sind davon besonders stark betroffen. Sie leiden         gestartet, um die Widerstandskraft ihrer Mitarbei-
                        an Burn-out, Depression oder Angst- und Panik­           terinnen und Mitarbeiter gegen psychische Belas-
                        attacken. Alles deutet darauf hin, dass die Covid-19-­   tungen zu erhöhen und ihre psychische Gesundheit
                        Pandemie die psychischen Probleme noch verschärft        zu erhalten. Resilienz ist die Kraft, nach Krisen und
                        hat. Das betriebliche Gesundheitsmanagement lässt        Krankheiten wieder aufzustehen. Ein verwandtes
                        sich schon lange nicht mehr auf den kostenlosen          Konzept ist Antifragilität. Wenn jemand anti­fragil
                        Obstkorb reduzieren. Zukunftsorientierte Führungs-       ist, wird er durch Krisen sogar stärker. Im Ideal­fall
                        kräfte haben verstanden, dass sie eine Verantwor-        wächst man an der Herausforderung, p     ­ rofitiert von
                        tung für die Gesundheit ihres Teams tragen. Der          Aha-Erlebnissen, entwickelt neue Fähigkeiten und
                        erste Schritt dabei ist gesunde Selbstführung. Diese     steigert seinen Selbstwert. Gesundheit, Resilienz
                        wirkt sich nicht nur auf die eigene Leistungsfähig-      und Antifragilität entstehen nicht von heute auf

                                                                                                                                        13
morgen. Der Weg zu einem höheren „Resili-                  Selbstwirksamkeit
                               enz-Quotienten“ führt über regelmäßige Reflexion                Was hilft Ihnen dabei, im eigenen Leben Regie
                               und gezielte Übungen. Folgende 5 Aspekte sind die          zu führen statt Opfer zu sein?
                               wichtigsten Resilienzfaktoren und damit „Freunde                Machen Sie sich Ihre Werte bewusst und sagen
JEDE FÜHRUNGS­                 der Gesundheit“. Beantworten Sie die zugehörigen           Sie auch dort Nein, wo Sie nur ein „Jein“ verspüren.
KRAFT IST FÜR                  Fragen – und achten Sie darauf, was die Impulse
MITARBEITENDE                  bei Ihnen auslösen:                                        Lösungs- und Zukunftsorientierung
ENTWEDER EINE                                                                                   Wie gelingt es Ihnen und Ihrem Team, aus
RESSOURCE ODER                 Akzeptanz                                                  ­endlos wirkenden Problem-Trancen auszusteigen?
                                    Was waren schwierige Situationen in Ihrem                   Wenn Sie das nächste Mal vor einer schwie-
EIN STRESSOR.
                               Leben? Und was haben Sie daraus gelernt?                    rigen Entscheidung stehen, suchen Sie nach einer
                                    „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht zu             dritten Option („Wie könnte es denn noch gehen?“),
                               ­ändern ist.“                                               um das Lösungsdenken anzukurbeln.

                               Vertrauen                                                  Netzwerke und Humor
                                    Sind Sie eher optimistisch oder pessimistisch?             Wann und mit wem haben Sie zuletzt
                               Und was haben Sie von Ihrer Haltung?                       herzhaft gelacht?
                                    Gehen Sie einen Tag lang mal als „Possibilist“             Pflegen Sie Ihre Freundschaften, sowohl
                               durchs Leben, soll heißen: Sehen Sie Möglichkei-           ­persönliche als auch berufliche, mit kleinen Über­
Diese Gesundheits­             ten statt Hindernisse.                                      raschungen, an denen Sie sich auch erfreuen.
scorecard lehnt sich
an das BEEP-Modell
von Lisa Tomaschek-
Habrina an.

                         Die weltbeste Medizin                                             Vitalstoffreiche Ernährung
                       ist und bleibt Bewegung.                                          und Genuss beim Essen fördern
                                                                                                   körperliche
                       Welcher Sport ist für Sie ideal
                   und in welchem Ausmaß, damit Sie mit
                                                                                             und geistige Leistung.
                          Freude dranbleiben und
                     das Training entsprechend wirkt?                                Wie essen Sie was, wann und in welcher Qualität?

       Psychohygiene hilft, sich von gedanklichem                                Entspannung in gesundheits­förderlicher
            Ballast zu befreien, der in engem                                      Form wie Spazierengehen, ein Hobby
          Zusammenhang mit vielen Leiden des                                         pflegen, Musikhören etc. ist dem
                      Körpers steht.                                             Feierabend-­Alkohol oder dem exzessiven
                                                                                       Medienkonsum vorzuziehen.
                    Wann haben Sie zuletzt gelacht?
            Welche sozialen Kontakte und gemeinschaftlichen
                                                                                     Was lässt Sie gut und leicht im Alltag entspannen?
                         Runden tun Ihnen gut?
                                                                                             Wie viel und wie gut schlafen Sie?

14 hernsteiner 1/2021
Gesundheit

                                         D R .   M A RG I T   W E I N GA S T

                                         ist Coach und Trainerin für Resilienz und Burn-out-Prävention.
                                         Sie verantwortete viele Jahre die Personalentwicklung in
                                         Konzernen, wo sie neben Führungs- und High-Potential-
                                         Programmen auch das „Great Place to Work“-Projekt leitete.
                                         In ihren Trainings und Workshops setzt sie auf Ansätze zur
                                         ganzheitlichen Entwicklung und kombiniert daher Körper- mit
                                         Mentalübungen.

Sind Sie eine Ressource?                                                              Grundlegend: Grundbedürfnisse
Jede Führungskraft ist für Mitarbeitende ­entweder     L I T E R AT U R               Anders formuliert: Gesunde Führung muss darauf
eine Ressource oder ein Stressor – auch dann, wenn                                    achten, dass die emotionalen Grundbedürfnisse
die Arbeit im Homeoffice stattfindet. Wer eine         Lisa Tomaschek-Habrina:        von Menschen befriedigt werden. So verweist die
                                                       Der Fleiß und sein Preis.
Ressource sein möchte, kann sich an den Prinzipien                                    ­neurobiologische Forschung von Klaus Grawe und
                                                       Erfolg ohne Stress und
der Salutogenese orientieren. Diese erforscht die      Burnout. Origo Publishing,      Samuel Epstein auf 5 zentrale Bedürfnisse und gibt
Frage, wie Gesundheit entsteht. Im Zentrum stehen      2011                            damit Hinweise, wie man sich als gesundheits­
dabei folgende 3 Aspekte, die auch ein gesundheits­                                    bewusste Führungskraft verhalten sollte:
                                                       Anne Katrin Matyssek:
orientierter Führungsstil berücksichtigt:                                                  Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle:
                                                       Gesund führen – sich und
      Verstehbarkeit: Menschen wollen verstehen,       andere. Books on Demand,       ­Vermitteln Sie Purpose und Werte. Geben Sie
warum sie was tun und lassen sollen.                   2020                           ­Feedback.
      Handhabbarkeit: Menschen brauchen das                                               Bedürfnis nach Bindung: Fördern Sie Zusam-
                                                       Katharina Maehrlein:
­Gefühl, Prozesse beeinflussen und Aufgaben                                           menhalt – auch im Remote-Team – durch Zwischen-
                                                       Erfolgreich führen mit
 ­bewältigen zu können.                                Resilienz. Wie Sie sich und    durch-Gespräche und positive Signale bei gelunge-
      Sinn: Menschen wollen in Entscheidungen          Ihre Mannschaft gelassen       nem Zusammenspiel. Benennen und forcieren Sie
  und Handlungsweisen einen Sinn erkennen.             durch Druck und Krisen         Teamstärken.
                                                       steuern. Gabal, 2015
                                                                                           Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und

                                                       Jutta Heller: Resilienz:       ­Selbstwertschutz: Loben Sie gute Arbeit in unter-
                                                       7 Schlüssel für mehr           schiedlichen Formen. Stoppen Sie Mobbing und
                                                       innere Stärke. Gräfe           ähnliche Dynamiken.
                                                       und Unzer, 2013
                                                                                           Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlust­

                                                       Bertelsmann Stiftung:          vermeidung: Filtern Sie den Druck, den Sie als
                                                       Führung, Gesundheit            Führungskraft empfinden, und leiten Sie Aufträge
                                                       und Resilienz. 2013            wohlproportioniert weiter. Vermitteln Sie Kritik in
                                                                                      angemessener Form, klar sachbezogen und ohne
                                                       S. Gregersen, S. Vincent-­
                                                       Höper und A. Nienhaus:         persönliche Abwertungen.
                                                       Führung und Gesundheit.             Bedürfnis nach Kohärenz/Stimmigkeit:
                                                       Welchen Einfluss               ­Vermitteln Sie die Sinnhaftigkeit der Arbeit, indem
                                                       haben Führungskräfte
                                                                                      Sie das größere Ganze erkennbar machen. Seien
                                                       auf die Gesundheit
                                                       der Mitarbeiter? In:           Sie transparent und nachvollziehbar bei Ihren Ent-
                                                       Österreichisches Forum         scheidungen und Anweisungen.
                                                       Arbeitsmedizin 01/13,
                                                       S. 28–39, 2013
                                                                                      Wozu das alles? Weil Gesundheit vielleicht nicht
                                                                                      alles ist, wie schon Arthur Schopenhauer bemerkte:
                                                                                      „Aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“

                                                       W E B S E I T E

                                                       www.klausgrawefoundation.com

                                                                                                                                           15
„IN DER KRISE
WURDEN SOFT FACTS
ZU HARD FACTS“                                                                              Was hat zu der größeren Belastung geführt?
                                                                                            Ein Umstand, der Menschen extrem belastet, ist
                                                                                            Monotonie. Die Arbeit im Homeoffice war sehr
                                                                                            gleichförmig, ein bisschen wie im Film „Und täglich
Experten-Interview mit Bardia Monshi: Das Gefühl
                                                                                            grüßt das Murmeltier“. Wenn man dreimal am Tag
sozialer Verbundenheit beeinflusst die Gesundheit                                           die gleiche Speise isst, entsteht eine wahn­sinnige
stärker als der Cholesterinspiegel. Wenn es fehlt,                                          Übersättigung. Dazu kam die Gemengelage aus
bricht auch die Leistungsfähigkeit ein.                                                     Homeoffice, den Kindern im Homeschooling, dem
I N T E RV I E W :   G E R H A R D   M É S Z Á RO S                                         ebenfalls daheim arbeitenden Partner bzw. der Part-
                                                                                            nerin – da war zu viel in einem Raum. Das bringt
                                                                                            auch persönliche Sollbruchstellen zutage. Wenn es
                                                                                            vorher Probleme in der Partnerschaft gab, so ­haben
                                     Sie sind unter anderem Experte für psychische          die sich verschärft. Wer vorher psychisch bereits
                                     ­Belastungen am Arbeitsplatz. Wie hat sich die         stark belastet war, ist jetzt ins Burn-out oder in einen
                                      Pandemie in dieser Hinsicht ausgewirkt?               Nervenzusammenbruch gerutscht.
                                      Bardia Monshi: Jede Krise, und daher auch die
                                      ­Pandemie, bringt wie ein Vergrößerungsglas           Wie können Unternehmen auf so eine
                                       Sollbruchstellen zum Vorschein. So sind in vielen    ­Situation ­reagieren?
                                       ­Unternehmen Ungleichgewichte in der Arbeitsbelas-    Der wichtigste Faktor, um gut durch eine Krise
                                        tung deutlich geworden. Manche Mitarbeiterinnen      zu kommen, ist die gute Bindung der Mitarbei-
                                        und Mitarbeiter waren extrem überlastet, andere –    terinnen und Mitarbeiter an ihre Teams und ihre
                                        etwa im Vertrieb oder im Veranstaltungsbereich –     Unternehmen. Das Gefühl von Wertschätzung und
                                        waren unterfordert.                                  Verbundenheit ermöglicht die Zusammenarbeit
                                                                                             über die ­Distanz hinweg. Es ist auch das wichtigste
                                                                                             Mittel gegen Stress. Denn der Entzug sozialer Nähe
                                                                                             macht krank, schwächt das Immunsystem, redu-
                                                                                             ziert die Lebensdauer. Die soziale Eingebundenheit
                                                                                             beeinflusst die Gesundheit stärker als der Choles-
                                                                                             terinspiegel. Nicht ohne Grund ist Einzelhaft eine
                                                                                             besonders schlimme Form der Bestrafung. Wenn
                                                                                             im Homeoffice das Gefühl der Gemeinschaft fehlt,
                                                                                             bricht die Leistungsfähigkeit völlig ein. Das Problem
                                                                                             ist jedoch: Die Vorbereitung auf eine Krise findet
                                                                                             immer vorher statt. Nur wer schon früher auf eine
                                                                                             Kultur der Wertschätzung im Unternehmen geachtet
                                                                                             hat, kann auch in einer Pandemie authentisch mit-
                                                                                             einander im Dialog bleiben. In der Krise wurden die
                                                                                             Soft Facts zu Hard Facts, wurden also entscheidend
                                                                                             für den Erfolg von Teams und Unternehmen.

16 hernsteiner 1/2021
Gesundheit

                                                           D R .   BA R D I A   MO N S H I

                                                           ist Gründer des Instituts für Vitalpsychologie,
                                                           Speaker, Trainer, Coach und Autor. Zudem
                                                           unterrichtet der promovierte Psychologe unter
                                                           anderem an der Universität Wien und der
                                                           Donau-Universität Krems.

                                                                         Für das Jahr 2020 zeichnet sich trotz Pandemie
                                                                         ein deutlicher Rückgang der Krankenstände ab.
                                                                         Wie erklären Sie sich das?
                                                                         Das könnte daran liegen, dass durch die zahlreichen
                                                                         Hygienemaßnahmen andere Infektionskrankhei-
                                                                         ten – etwa grippale Infekte – zurückgegangen sind.
                                                                         Ich vermute aber auch, dass im Homeoffice viele
                                                                         trotz Krankheit gearbeitet haben, da sie ohnehin da-
                                                                         heim waren. Eine Rolle könnte auch gespielt haben,
                                                                         dass viele Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes
                                                                         hatten. Das reduziert für gewöhnlich die Kranken-
                                                                         standstage.

„DAS HYBRIDE      Zumindest für die nächste Krise sollte man also        In Zukunft könnten viel mehr Menschen als vor der
     ARBEITEN     auf eine Kultur der Wertschätzung im Unternehmen       Pandemie zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten.
       IST EINE   achten. Wie kann das gelingen?                         Was bedeutet das für die psychische Gesundheit?
                  Viele assoziieren mit Wertschätzung, dass man          Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in so
RIESENCHANCE
                  nett miteinander umgehen sollte. Darum geht es         einer Situation stärker gefordert, sich selbst zu füh-
     FÜR MEHR
                  aber nicht so sehr. Man fühlt sich viel mehr wertge-   ren – Entscheidungen zu treffen, wann und wie sie
   PSYCHISCHE
                  schätzt, wenn man bemerkt, dass man wirksam ist,       arbeiten. Auf der anderen Seite sind Organisationen
 GESUNDHEIT.“     dass man ein wichtiger Teil der Gruppe ist. Die For-   gefordert, die notwendigen Freiräume zu ermögli-
                  mel lautet: Wertschätzung durch Wertschöpfung.         chen und nicht auf dümmlichen, starren Mustern zu
                  Wenn die Belegschaft in einem Unternehmen das          bestehen. Sogenannte weiche Faktoren wie sozial
                  Gefühl hat, dass es an Wertschätzung mangelt, sollte   und emotional intelligente Führung werden noch
                  man also die Frage stellen: Warum haben wir aus        wichtiger. Insgesamt sehe ich im hybriden Arbeiten
                  dem Blick verloren, welche Aufgabe wir gemeinsam       eine Riesenchance für mehr psychische Gesundheit.
                  zu bewältigen haben? Diese gemeinsame Aufgabe          Denn die Wiederholung des Immergleichen belastet
                  bringt wichtige Nebenwirkungen hervor, nämlich         uns. Menschen brauchen das Wechselspiel!
                  die Gefühle von Selbstwirksamkeit und sozialer Ver-
                  bundenheit. Und das sind die 2 wichtigsten Faktoren
                  sowohl für psychische Resilienz als auch für hohe
                  Leistungsfähigkeit in Teams.

                                                                                                                             17
NEUE MITTEL                                                                              M AG . G E R H A R D
                                                                                         M É S Z Á RO S , M A

GEGEN EINE                                                                               entwickelt Content-
                                                                                         Strategien für Unter-

VOLKSKRANKHEIT                                                                           nehmen. Der studierte
                                                                                         Volkswirt und gelernte
                                                                                         Journalist schrieb u. a. für
                                                                                         „Die Presse“, „Der Standard“
                                                                                         und „Business Punk“.
Über den Tellerrand: Die Behandlung von
Depressionen erlebt einen Paradigmenwechsel.
Das könnte vielen Menschen ein besseres
Leben ermöglichen.                                                                       „Ungewöhnliche, traumartige Vorstellungen“
G E R H A R D   M É S Z Á RO S                                                           Ist die Behandlung mit Rauschzuständen verbun-
                                                                                         den? „Die möglichen Nebenwirkungen umfassen
                                                                                         eine gewisse Sedierung, die auch als angenehm
                                 Depression ist mittlerweile die Volkskrankheit          erlebt werden kann, sowie Dissoziationen wie
                                 Nummer eins, sagt Siegfried Kasper, emeritierter        etwa ungewöhnliche, traumartige Vorstellungen“,
                                 Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie         so Kasper. „Hoffentlich können wir diese Neben-
                                 und Psychotherapie an der MedUni Wien. Umso             wirkungen in Zukunft verringern. Es ist auf jeden
                                 wichtiger sind effektive Behandlungsmethoden. Die       Fall wichtig, die Patientinnen und Patienten im
FÜR DIE                          gute Nachricht: Hier ist gerade viel in Bewegung.       Vorfeld darüber aufzuklären.“ Sind die dissoziati-
BEHANDLUNGS-                     Forscherinnen und Forscher haben in den vergan-         ven Nebenwirkungen nicht auch erstrebenswert?
RESISTENTE                       genen Jahren begonnen, sogenannte halluzinogene         „Die wenigsten sagen, dass sie Spaß machen“,
DEPRESSION                       Substanzen intensiv zu erforschen. „Dies stellt         meint der Psychiater.
MUSS MAN                         einen Paradigmenwechsel dar, vergleichbar mit der
                                 Einführung von SSRI-Antidepressiva wie Prozac           Auf das Potenzial des Wirkstoffes wurde man
ANDERE NEURO-
                                 vor rund 30 Jahren“, sagt Kasper. Diese verbesser-      übrigens aufmerksam, weil er in der Anästhesie
TRANSMITTER-
                                 ten zwar die Behandlung von Depression, bei rund        verwendet wird: „Chirurgen haben bemerkt,
SYSTEME                          30 Prozent der Patienten blieben sie jedoch wirkungs-   dass die Patienten nach der Operation irgendwie
ANSPRECHEN.                      los. Für diese behandlungsresistente Depression         lustiger als vorher waren.“ Eine weitere Substanz,
                                 benötigt man zusätzliche Methoden, die andere           die derzeit intensiv erforscht wird, ist das in
                                 Neurotransmittersysteme ansprechen.                     einigen Pilzarten vorkommende Psilocybin. Die
                                                                                         bisherigen Resultate lassen auch Geldgeberinnen
                                 Bereits seit 2019 ist Ketamin in den USA und der        und Geldgeber aufhorchen. Vergangenen September
                                 EU zur Behandlung von Depressionen zugelassen.          ging die erste Biotech-Firma, die eine Psilocybin-
                                 Das Halluzinogen wird als Nasenspray verabreicht.       Therapie entwickelt, an die Börse. Mittlerweile ist
                                 „Allerdings nur unter Aufsicht eines Arztes, um         die britische Compass Pathways über eine Milliarde
                                 jegliche Suchtgefahr auszuschließen“, sagt Kasper.      US-Dollar wert.
                                 In Österreich würden derzeit Preisverhandlungen
                                 zwischen Pharmaindustrie und Krankenkassen
                                 stattfinden.

18 hernsteiner 1/2021
20 x die Arme
                                                            kreisen
                                                                                                                 Gesundheit

          einen guten                                                                         Blumen
         Kaffee trinken                                                                       pflücken

                                                                         tanzen!                                     Sonne tanken

                                       eine Runde um
                                      den Häuserblock
   einen                                  spazieren
Happy-Song                                                                      bewusst
  hören                                                                       10 x ein- und
                                                                               ausatmen                        am Zitaterätsel
                                                                                                                (auf Seite 22)
                                                                                                                 teilnehmen

                                              mit einem netten
                der Katze
                                            Menschen telefonieren
             beim Schnurren
                                                  und dabei
                zuhören
                                                herumgehen
                                                                                                    1 x Sonnengruß
                                                                                                         (Yoga)

                                                PAUSE!                                  ein kühles
                                                                                      Fußbad, um die
                                                                                     Füße zu beleben
     das Mittag-
  essen genussvoll
                              Erfahrungsschatz: Wir brauchen Mini-Oasen                                        dem
       kochen
                                 der Ruhe, um leistungsfähig zu bleiben.                                 Vogelgezwitscher
                                                                                                            lauschen
                              Das Team des Hernstein Instituts verrät hier
                              einige Ideen, wie man in einer Pause Energie
                                              tanken kann.

                                                                                    einen
      mit dem Hund                                                             Waldspaziergang
       eine Runde                                                                  machen
     spazieren gehen                    aufstehen und
                                       durchstrecken –
                                      Dehnungsübungen
                                           machen

                                                                                 meditatives
                                                                               Geschirrwaschen
                                                                                  per Hand
                                                                                                                     Eis essen

                                                          Tee trinken

                                Power-Nap
                              zwischen 15 und
                               20 Minuten –                                                         eine Mozart-
                               wirkt Wunder!                                                       Sonate auf dem
      Augenübungen zur                                                                             Klavier spielen
     Entspannung machen

                                                                                                                                 19
Warum haben wir es derzeit mit besonders
                                                                                              vielen Emotionen zu tun?

DER ANGST DEN
                                                                                              Jede Krise ist ein Verlusterlebnis. Momentan
                                                                                              schwebt über vielen Aspekten unseres Lebens ein
                                                                                              riesengroßes Fragezeichen. Wie geht es mit meiner

SCHRECKEN NEHMEN                                                                              Gesundheit, mit meinem Arbeitsplatz weiter? Durch
                                                                                              das Homeoffice hat sich die Rolle der Führungskraft
                                                                                              verändert, sie hat Kontrolle und damit auch Macht
                                                                                              eingebüßt. Und wir haben viele kleine Gewohn-
Im Brennpunkt: In einer Krise sind negative                                                   heiten verloren, zum Beispiel einander die Hand
Emotionen ganz normal. Führungskräfte sollten                                                 zu geben. Unser ausgeglichenes Leben ist ein Stück
                                                                                              weit dahin. Der Verlust an Struktur, Sicherheit
sich ihre Ängste und Sorgen ehrlich eingestehen,
                                                                                              und Selbstbestimmung führt zu Angst. Außerdem
empfiehlt Ingeborg Latzl-Ewald.
                                                                                              befinden sich mittlerweile viele Menschen in einem
I N T E RV I E W :   G E R H A R D   M É S Z Á RO S
                                                                                              chronischen Erschöpfungszustand. Man spricht
                                                                                              nicht umsonst von „Zoom-Fatigue“. Mit seinen
                                                                                              Kolleginnen und Kollegen nur per Bildschirm zu
                                                                                              kommunizieren ist – auch durch den Mangel an
                                                                                              nonverbaler Kommunikation und den fehlenden
                                                                                              Blickkontakt – sehr anstrengend. Uns fehlen die
                                                                                              kleinen Übergangsrituale wie der Wechsel des
                                     Sie unterstützen Führungskräfte unter anderem            Raums nach einer Besprechung, die informelle
                                     als Coach. Mit welchen Anliegen und Problemen            Nachbesprechung mit dem Kollegen oder die zufäl-
                                     waren Sie in den vergangenen Monaten vornehmlich         ligen Begegnungen auf dem Flur.
                                     konfrontiert?
                                     Ingeborg Latzl-Ewald: Ein gemeinsamer Nenner ist,
                                     dass momentan alle besonders viele und intensive
„NEGATIVE                            Emotionen erleben. Gleichzeitig gibt es rund um Ge-
 EMOTIONEN                           fühle immer noch eine Art Tabu. Das gilt besonders
                                     für Führungskräfte. Viele müssen von ihrem Rollen-
 HELFEN UNS,
                                     verständnis her stark, allwissend, quasi perfekt sein.
 DIE RICHTIGEN
                                     Die Abwehrhaltung zeigt sich aber auch im privaten
 FRAGEN ZU                           Bereich. Wenn uns jemand von negativen Emotio-
 STELLEN.“                           nen erzählt, tendieren wir dazu, sofort Ratschläge
                                     zu geben, das Problem lösen zu wollen – anstatt ein-
                                     fach mal aufmerksam zuzuhören. Manchmal wollen
                                     Menschen keine Lösung, sondern eine Umarmung.
                                     Oder zumindest ein bisschen Aufmerksamkeit.

20 hernsteiner 1/2021
Gesundheit

                                                                     nach Sicherheit, Zugehörigkeit oder Unabhängig-
                                                                     keit. Wie kann ich diese Bedürfnisse befriedigen?
                                                                     Was kann ich tun, damit es sowohl mir als auch
                                                                     dem Team besser geht? Wenn man Emotionen aus
                                                                     dieser Perspektive betrachtet, sind sie wertvolle
M AG .   I N G E B O R G    L AT Z L - E WA L D                      Helfer. Sie laden uns dazu ein, Dinge zu ändern. Die
                                                                     Gefahr ist, dass man die Emotionen nicht wahr-
arbeitet als Unternehmensberaterin,
Erwachsenenbildnerin, Coach, Trainerin                               nimmt, sondern verdrängt. Und gerade deshalb
sowie als Universitätslehrbeauftragte. Sie ist                       in ihnen hängen bleibt. Wir müssen der Angst den
studierte Kommunikationswissenschaftlerin                            Schrecken nehmen.
sowie psychologische Beraterin (nach
deutschem Recht). Fortbildungen unter
anderem in gewaltfreier Kommunikation und                            Wie kann ich meine Leistungsfähigkeit trotz
klientenzentriertem Coaching.                                        chronischer Erschöpfung aufrechterhalten?
                                                                     Kleine Pausen, ein Espresso zwischendurch, in der
                                                                     Mittagspause an die frische Luft gehen: Wir brau-
                                                                     chen solche Mini-Oasen der Ruhe. Man kann auch
                                                                     im Video-Meeting mal sagen, wenn man keinen so
                                                                     guten Tag hat. Ich höre von vielen Führungskräften,
                                                                     dass sie sehr einsam sind. Diese Einsamkeit – und
                                                                     die damit verbundene Traurigkeit – kann man
               Wie soll man mit negativen Emotionen umgehen?         durchbrechen, wenn man sich nahbarer macht.
               Führungskräfte agieren meist problemfokussiert.
               Wenn plötzlich das gesamte Team ins Homeoffice        Ist es nicht riskant, wenn ich als Führungskraft
               übersiedelt, sehen sie die praktischen Probleme       Gefühle zeige? Werde ich dann noch ernst genommen?
               und suchen nach Lösungen dafür. Das ist natürlich     Der erste Schritt ist in jedem Fall, dass ich mir
               sinnvoll. Aber wenn ich meine Leistungsfähigkeit      meiner eigenen Gefühle bewusst werde. Ob ich sie
               aufrechterhalten will, muss ich auch auf meine        dann auch gegenüber meinen Mitmenschen zum
               psychische Gesundheit achten. Und dafür muss ich      Ausdruck bringe, ist eine zweite Frage. Manchmal
               mir bewusst werden, welche Emotionen überhaupt        kann es in der Tat sinnvoll sein, ein starkes Image zu
               da sind. Das Motto lautet: Name it to tame it. Wenn   pflegen. Mein Rat: Überlegen Sie, wie wahrschein-
               ich etwas benenne, dann kann ich damit besser um-     lich welche Reaktion der Mitarbeiterinnen und
               gehen. Bemerke ich zum Beispiel, dass ich Angst vor   Mitarbeiter ist. Wichtig ist, dass Sie sich bewusst für
               dem Verlust des Arbeitsplatzes habe, kann ich mir     ein Verhalten entscheiden. Allein dadurch wird es
               überlegen, wie wahrscheinlich das wirklich ist.       Ihnen besser gehen.

               Welche Chance verbirgt sich in der Krise?
               Die Aufgabe von Führungskräften besteht darin, für
               Weiterentwicklung zu sorgen. Das gelingt, indem
               man die richtigen Fragen stellt. Und genau dabei
               helfen negative Emotionen. Hinter ihnen verstecken
               sich Bedürfnisse, hinter Angst etwa das Bedürfnis

                                                                                                                                       21
„
WER HAT’S GESAGT?
Jemanden anrufen, raten, googeln
                                                                                   Nicht was wir
                                                                                   erleben, sondern wie
                                                                                   wir empfinden,
                                                                                   was wir erleben,
                                                                                   macht unser
                                                                                   Schicksal aus.
                                                                                    2a_ Marie von Ebner-Eschenbach, österreichische Schriftstellerin
                                                                                    2b_ Siddhartha Gautama, Begründer des Buddhismus
                                                                                    2c_ Stefan Sagmeister, österreichischer Designer
oder es gar selbst wissen – alles ist erlaubt.

Unter allen richtigen Antworten verlosen wir 3 OPTO-Online-
Potenzialanalysen. Der Persönlichkeitsfragebogen misst
auf Basis des Big-Five-Modells die wichtigsten Dimensionen
der Persönlichkeit für Leistung und beruflichen Erfolg.
Geben Sie Ihre Tipps bis spätestens 16. August 2021 ab:
                                                                                   Gesundheit bekommt
www.hernstein.at/gewinnspiel                                                       man nicht im Handel,
                                                                                   sondern durch
Viel Glück!

Die richtigen Antworten der letzten Ausgabe: 1b, 2c, 3a, 4a.
Die Gewinner der letzten Ausgabe sind: Christoph Gappmaier,                        den Lebenswandel.
Amt der Salzburger Landesregierung, Nicole Mülleder,
Delacon Biotechnik, und Sonja Perdacher, Mazda Austria.                             3a_ Götz Werner, deutscher Unternehmer
Wir gratulieren herzlich!                                                           3b_ Monica Weinzettl, österreichische Schauspielerin
                                                                                    3c_ Sebastian Kneipp, deutscher Priester und Naturheilkundler

Glücklich sein hängt
vor allem von der
Gesundheit ab.
                                                                                   Ein großer
    1a_ Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie                               Teil der Sorge
                                                                                   besteht aus
    1b_ George William Curtis, US-amerikanischer Schriftsteller
    1c_ Trude Herr, deutsche Schlagersängerin

An diesem Gewinnspiel teilnahmeberechtigt sind alle, die bis zum 16.8.2021 am
Gewinnspiel teilnehmen. Unter allen Teilnehmenden werden insgesamt 3 Gewinne-      unbegründeter
                                                                                   Furcht.
rinnen oder Gewinner mittels Ziehung unter Ausschluss des Rechtswegs ermittelt.
Sie werden unter der von ihnen angegebenen Adresse persönlich über den Gewinn
verständigt. Die Daten der Gewinnerinnen bzw. der Gewinner werden zu diesem
Zweck, nach Maßgabe unserer Datenschutzrichtlinien, gespeichert und verarbeitet.
Die Bekanntgabe der Gewinnerinnen oder Gewinner erfolgt ohne Gewähr. Der Gewinn
ist vom Umtausch ausgeschlossen. Der Gewinn ist nicht auf Dritte übertragbar.
                                                                                    4a_ Simone de Beauvoir, französische Schriftstellerin
Die Barauszahlung des Gewinns ist ausgeschlossen. Auf den Gewinn gibt es keinen
Gewährleistungs- oder Garantieanspruch. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.           4b_ Carl Andreas Hilty, Schweizer Staatsrechtler
Über dieses Gewinnspiel kann kein Schriftverkehr geführt werden.                    4c_ Kieran Setiya, US-amerikanischer Philosoph

22 hernsteiner 1/2021
M I TA R B E I T E R KOM M U N I K AT I O N

                        DIE KÜCHE BAUT SICH
                        NICHT VON SELBST
                        Haben Sie Ihr Team schon einmal gefragt, welchen Raum im
                        Büro es am meisten vermisst, wenn es im Homeoffice arbeitet?
                        Vielleicht den persönlichen Arbeitsplatz? Oder den Meetingraum,
                        wo man durch Mimik und Gestik so viel mehr erfährt als nur das
                        Ausgesprochene? Oder gar das Stiegenhaus, weil die Bewegung
                        zwischendurch fehlt?

                        Für meine Kolleginnen und Kollegen und mich ist die Antwort
M AG . ( F H )
                        ziemlich eindeutig: Es ist die Teeküche. Ob man zu zweit auf
F LO R I A N
S T R E B               einen Kaffee geht und seinen Ärger über ein mühsames Projekt
                        loswird oder in der Gruppe beim Mittagessen sitzt und vom
ist stellvertretender   Urlaub erzählt: Fast immer kommt man ein wenig glücklicher
Leiter der Corporate-
                        und entspannter heraus, als man hineingegangen ist. Die Küche
Publishing-Agentur
Egger & Lerch in        ist der Ort, wo das Gemeinschaftsgefühl entsteht.
Wien.
                        Sicherlich sind wir nicht die Einzigen, denen es so geht. Aber
                        was tun, wenn die Leute nicht in die Küche können? Dann muss
                        die Küche zu den Leuten kommen. Wir haben sie zum Beispiel
                        in unseren virtuellen Kalender verfrachtet: Jeden Mittwoch um
                        11:30 Uhr ist da „Pause“ eingetragen, eine Videokonferenz ohne
                        Agenda; wer will, schaut rein. Das ist freilich kein adäquater
                        Ersatz, aber ein kleiner Baustein, der zumindest ein paar der
                        verlorenen sozialen Kontakte zurückgibt. Auch ein reales Treffen
                        im Park kann so ein Baustein sein, eine gemeinsame Wanderung,
                        ein virtuelles Sommerfest.

                        Wenn Sie jetzt sagen: „Feiern per Videocall, das kann doch
                        keinen Spaß machen!“, sind Sie sicher nicht allein. Nicht jeder
                        ­Baustein passt für jedes Team. Für die Ersatz-Küche gibt es keinen
                         allgemein­gültigen Bauplan. Aber eines steht fest: Sie zu schaffen
                         ist eine Führungsaufgabe. Wie auch die echte Teeküche baut sie
                         sich nicht von selbst.

                                                                                         23
„DAS GEHIRN IST
             EIN SOZIALORGAN“
                                                                                        Wir erleben eine Jahrhundertpandemie, die das
                                                                                        Arbeitsleben vieler Menschen auf den Kopf gestellt
              Im Gespräch: Der Pandemiestress kann
                                                                                        hat. Wie reagiert das limbische System auf eine
              wichtige Gehirnzentren wie Verstand und
                                                                                        ­solche ­Ausnahmesituation?
              Kreativität beeinträchtigen, sagt Hannes                                   Eine solche Situation – Unsicherheit, wie es
              Horngacher. Führen braucht mehr denn je                                    weiter­geht, Veränderung der bisherigen Routinen,
              eine emotionale Ebene.                                                     Organisation des Homeoffice bin hin zur Nutzung
               I N T E RV I E W :   G E R H A R D   M É S Z Á RO S                       vieler neuer Tools – erzeugt Stress und vielfach
                                                                                         auch Angst. Dieser Stress hat auch Auswirkungen
                                                                                         auf den Organismus, er wird in Alarmbereitschaft
                                                                                         versetzt. In der Folge werden wichtige Gehirnzent-
                                                                                         ren wie Verstand und Kreativität heruntergefahren,
                                                                                         die Motivation sinkt.

                                Sie beschäftigen sich als Berater und Coach seit über   Kann Angst nicht auch notwendige Veränderungen
                                20 Jahren mit gehirngerechtem Führen. Hat die           anstoßen?
                                neurowissenschaftliche Forschung seither neue Ein­      Angst funktioniert als Motivator sogar richtig groß-
                                sichten gebracht, die im Management und Leadership      artig. Denn die Angst, zum Beispiel vor drastischen
                                bestimmte Vorgehensweisen nahelegen?                    Strafen, spricht sehr alte, tief sitzende Gehirnareale
„ANGST                          Hannes Horngacher: Seit gefühlt ewigen Zeiten           an. Das motiviert klarerweise zur Veränderung –
 FUNKTIONIERT                   ­wissen wir grundsätzlich schon, dass es in der         wir verändern unser Verhalten, um unangenehme
ALS MOTIVATOR                    ­Kommunikation eine Sach- und eine Beziehungs­         Erfahrungen zu vermeiden. Allerdings hat diese
 RICHTIG                          ebene gibt. Aber heute kann man viel genauer          Art der Veränderung einen großen Nachteil: Je
                                  ­belegen, dass Emotionen in ganz wesentlicher Weise   ausgeprägter der Stress und die Angst, desto stärker
 GROSSARTIG.“
                                   die Motivation und Entscheidungen beeinflussen.      werden Leistungsfähigkeit und Kreativität beein-
                                   Das limbische System – jener Teil des Gehirns, in    trächtigt.
                                   dem Emotionen verarbeitet werden – hat eine zent-
                                   rale Bedeutung für das Führen von Mitarbeiterinnen   In manchen Unternehmen befindet sich die Belegschaft
                                   und Mitarbeitern. In der Kommunikation ist die       seit über einem Jahr im Homeoffice. Gewöhnt sich das
                                   emotionale Ebene wesentlich. Pointiert ausgedrückt   Gehirn irgendwann an die neue Situation?
                                   ist eine Information ohne Emotion für das Gehirn     Ja, das ist ganz generell eine Möglichkeit, um Verän-
                                   wertlos.                                             derungen durchzuführen: Indem wir Menschen vor
                                                                                        vollendete Tatsachen stellen. Nach einer gewissen
                                                                                        Zeit stellt sich durch die ständige Wiederholung eine
                                                                                        Gewöhnung ein. Man denkt sich: Aha, das ist halt
                                                                                        die neue Realität. Tatsächlich sehen ja viele auch
                                                                                        Vorteile im Homeoffice: Man kann unter Umständen
                                                                                        fokussierter arbeiten, Meetings laufen kürzer und
                                                                                        effizienter ab. Allerdings freuen sich die Menschen

24 hernsteiner 1/2021
Sie können auch lesen