3/20 Titelstory Klimawandel und Wasserwirtschaft Mit Sonnenwärme Klärschlamm trocknen - Emschergenossenschaft
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3 /20 Titelstory Klimawandel und Wasserwirtschaft Mit Sonnenwärme Klärschlamm trocknen Wie zufrieden lebt man an der Emscher?
2 WASSERSTANDPUNKT 3 Editorial Schwerpunktthema Klimawandel und Wasserwirtschaft 4 Extremwetter im 4 Emscher-Lippe-Raum 8 Interview mit Maude Barlow 10 Die Seseke Programm Kurzmeldungen/ 14 IT-Sicherheit Lebendige Lippe News 30 Aue in Sicht! 42 Dr. Frank Dudda: Mein Lieblings- 15 Interview mit Dr. Emanuel Grün platz an der Emscher 43 Eröffnung Blaues Klassenzimmer 16 Klima-Anpassungsprojekte in Haltern EGLV-Thema 43 Nabu-Kooperation 18 Standpunkt: Ludger Wilde 34 Nachhaltige Gewerbegebiete 20 Müllverbrennung Oberhausen Städtebau 36 Sozialraumanalyse entlang Emscher-Umbau der Emscher 24 Renaturierungsstart der Boye 26 Umbau-Stand in Bochum: Forschung und Hüller Bach, Entwicklung Wattenscheider Bach 38 Klärschlammtrocknung mit Sonnenenergie 38 24
EDITORIAL 3 „In Zeiten des Klimawandels steht die Wasserwirtschaft vor neuen Herausforderungen. Deshalb brauchen wir eine nationale Wasserstrategie!“ Prof. Dr. Uli Paetzel Foto Klaus Baumers die Verfügbarkeit von Wasser ist in Deutschland eine Selbstverständlich- keit. Knappheit wie in Südeuropa war in unseren Breiten praktisch un- priorisieren können. Emschergenos- unsere Branche in Zeiten des Klima- bekannt. Diese Wahrnehmung hat senschaft und Lippeverband sind in wandels beschäftigen. Darüber hinaus sich seit dem Dürresommer 2018 stark diesen Prozess direkt und über unsere berichten wir von unseren Renaturie- gewandelt. Fehlende Niederschläge Interessenverbände eingebunden. rungsprojekten in Essen, Bochum und ließen Böden austrocknen, setzten Werne und stellen Ihnen Ergebnisse Wälder unter Trockenstress und erste Ein besonderer Schwerpunkt liegt für einer Sozialraumanalyse des Emscher- Gemeinden haben im Hochsommer uns – neben der Verbesserung der gebiets vor. Engpässe bei den Wasserreserven Reinigungsverfahren, dem Schutz angemeldet. von Flora und Fauna an den Gewäs- Besonders freuen wir uns, dass Maude sern und der Digitalisierung unserer Barlow uns ein Interview gegeben Beispiele, die verdeutlichen, dass die Prozesse – bei der Frage der Klimafol-hat. Die bekannte Bürgerrechts- und Herausforderungen an die Bewirt- genanpassung in den Städten. Wasseraktivistin tritt seit vielen Jahren schaftung unserer Wasserressourcen für das Menschenrecht auf Wasser ein. steigen werden. Vor diesem Hinter- Im Projekt „Klimaresiliente Region mit Sie ist Trägerin des alternativen Nobel- grund führte das Bundesumweltminis- internationaler Strahlkraft“, das wir im preises, berät Politik und Nicht-Re- terium gemeinsam mit Akteuren aus Rahmen der Ruhr-Konferenz gemein- gierungsorganisationen und bietet uns Naturschutzverbänden, Landwirtschaft, sam mit dem Landesumweltministe- noch einmal einen breiten Blick auf die Pharmaindustrie und Wasserwirtschaft rium, den Revier-Kommunen, weiteren kommenden Herausforderungen bei einen nationalen Wasserdialog durch Wasserverbänden und dem NABU der Sicherung der Ressource Wasser. mit dem Ziel, eine Wasserstrategie für NRW entwickelt haben, werden wir die nächsten Jahrzehnte vorzubereiten. Maßnahmen wie Gründächer, Fassa- Wir wünschen Ihnen, wie immer, viel denbegrünungen, Flächenentsiege- Freude bei der Lektüre. Im Fokus standen dabei Fragen, wie lungen oder Baumrigolen finanziell wir die Wasserressourcen effektiver fördern und umsetzen. So sorgen wir Mit besten Grüßen und einem nutzen können, wie wir sie vor Ver- für mehr Schutz bei Starkregen und für herzlichen Glückauf! schmutzung schützen, wie wir sicher- ein besseres Mikroklima im Quartier. stellen, dass das Wasser auch dort zur Verfügung steht, wo es gebraucht Mit dieser Ausgabe möchten wir Ihnen wird und wie wir Nutzungskonflikte somit einige Aspekte vorstellen, die Prof. Dr. Uli Paetzel
5 wwetter EGLV.de c her- Trockenheit und Dürre gepaart mit Überflutungen Text Angela Pfister | Foto Andreas Fritsche Trockenheit, Dürre und Starkregen Während in einem Stadtteil Straßen und Keller unter Was- ser standen, setzte sich nur wenige Kilometer entfernt die sind derzeit in aller Munde. Obschon Trockenheit fort. Dieser Gegensatz ist in den Sommermo- scheinbar gegensätzlich, schließen naten nicht ungewöhnlich, da Starkregenereignisse häufig sie sich nicht aus. Gerade der August sehr lokal auftreten. Demgegenüber außergewöhnlich ist jedoch die Kombination mit ausgeprägter Trockenheit, die 2020 hat die ganze Bandbreite von sich schon im dritten Jahr in Folge einstellte. extremen Wetterlagen in den Einzugs- gebieten von Emscher und Lippe noch Emschergenossenschaft und Lippeverband erfassen seit mehr als hundert Jahren den Niederschlag und weitere einmal deutlich vor Augen geführt. Klimaparameter. Dieser langjährige Datenschatz ermög- licht erst Trendanalysen sowie Untersuchungen zur Zu- nahme von Starkregenereignissen. So lässt sich beispiels- weise feststellen, dass die mittlere Anzahl von Starkregen seit 1931 von 3,5 Ereignissen pro Jahr auf 4,5 Ereignisse pro Jahr gestiegen ist. Oder, dass die mittlere Jahrestem- peratur in unserer Region in den hinter uns liegenden rund hundert Jahren deutlich zugenommen hat und zwar um 1,6 Grad Celsius. Zudem wurden die zehn wärmsten Jahre in den vergangenen 20 Jahren registriert. Ein detaillierter Vergleich der letzten drei Jahre zeigt be- sonders außergewöhnliche Entwicklungen.
6 WASSERSTANDPUNKT Schwerpunktthema Die Emscher-Mündung in den Rhein bei Dinslaken/Voerde – oben bei Niedrigwasser, im unteren Bild sind bei Hochwasser linksrheinisch weite Gebiete überschwemmt, die künftige, noch nicht angeschlossene Emscher-Mündung (rechts) erscheint als „See“.
EGLV.de 7 1,6 °C Zunahme der mittleren Jahrestemperatur in den letzten hundert Jahren 41 °C Höhepunkt der Hitzewelle des Jahres 2018 am 25. Juli 3,5 4,5 Anstieg extremer Starkregen-Ereignisse pro Jahr seit 1931 In 2018 begann eine der längsten und gewaltigsten Hitze- Das Jahr 2020 begann zunächst überdurchschnittlich perioden kombiniert mit einer der größten Trockenhei- nass, mit Hochwasser an Emscher und Lippe im Februar. ten der deutschen Klimageschichte. Die Konsequenzen Jedoch pünktlich zum April stellte sich wieder eine Tro- daraus auf Ökonomie, Ökologie und Gesundheit sind ckenperiode ein. Diesmal zeigt sich das Wetter im August vielschichtig und hinlänglich bekannt. extrem wechselhaft mit heftigen Unwettern im Zeitraum vom 9. bis 17. August. Charakteristisch war dabei eine ex- Ab April stellte sich eine außergewöhnliche Trockenheit trem lokale Bildung und wenig Verlagerung von Gewitter- ein, die erst im September ihr Ende fand. Den Höhepunkt zellen. Dies führte zu sehr hohen Niederschlagsmengen bildete der Juli – mit nur 14 mm Niederschlag und 322 in kurzer Zeit und lokalen Überflutungen z. B. in Essen, Sonnenscheinstunden der trockenste und sonnenschein- Hamm und Dortmund, begleitet von heißen Temperatu- reichste Monat überhaupt seit Aufzeichnungsbeginn im ren, die teilweise 36 Grad überschritten. Jahr 1891. Die entsprechend flächendeckende Dürre bleibt sicher vielen in Erinnerung. All diese Entwicklungen können die sondergesetzlichen Wasserwirtschaftsverbände nur dank ihres langjährigen Solche Entwicklungen setzten sich in 2019 eindrucks- Messnetzes bzw. darauf basierenden Datenschatzes voll fort. Analog zum Vorjahr begann ab April eine Phase analysieren – ergänzt um fundierte Auswertungen des ausgeprägter Trockenheit, die von hohen Temperaturen radargemessenen flächenhaften Niederschlags. begleitet war und zu einer weiteren Dürreperiode führte. Der Juni ging als wärmster Juni seit Aufzeichnungsbeginn in die Annalen ein. Der Höhepunkt der Hitzewelle wurde im Juli erreicht, am 25.7. wurden an den Messstationen Ansprechpartnerin: Angela Pfister Abteilungsleiterin Wasserwirtschaft Maximaltemperaturen über 41° C gemessen. Pfister.angela@eglv.de
8 WASSERSTANDPUNKT Schwerpunktthema Interview mit Maude Barlow, kanadische Umweltaktivistin und Publizistin Autor Alexander Knickmeier Illustration Julian Rentsch In Zeiten der Corona-Pandemie beginnen wir hier in Deutschland erneut die Rolle des Staates für die Wirtschaft zu diskutieren. Seit vielen Jahren kämpfen Sie gegen die Privatisierung von Wasser. Warum? Maude Barlow: Eine wassersichere und wassergerechte Zukunft hängt von unserer Annahme ab, dass Was- ser ein Menschenrecht ist und eine Frage der Gerechtigkeit und nicht der Nächstenliebe; dass Wasser ein gemeinsames Erbe und öffentliche Daseinsvorsorge ist und daher der Zugang zu Wasser nicht von privaten, gewinnorientierten Interessen ent- schieden werden darf; dass Wasser Rechte hat, die über seinen Dienst am In 2010 erkannte die Generalver- Welche Schritte sind das? Menschen hinausgehen und für das sammlung der Vereinten Nationen Mehr als vier Dutzend Länder haben Ökosystem und andere Lebewesen das Menschenrecht auf Wasser inzwischen entweder das Recht auf respektiert und geschützt werden und sanitäre Einrichtungen an. Wasser in ihren Verfassungen ver- müssen; und dass Wasser keine Quel- Was wurde seitdem verändert? ankert oder das Recht in die nationale le von Konflikten und Spaltungen Die Anerkennung des Menschen- Gesetzgebung aufgenommen. Die ist, sondern ein Geschenk der Natur, rechts auf Wasser durch die Ver- Verpflichtung, das Menschenrecht auf um uns zu lehren, wie wir lernen kön- einten Nationen hat zwar das Leben Wasser zu achten, wird jedoch sowohl nen, leichter auf dem Planeten und von Menschen und den Zugang zu durch den Mangel an von den Regie- in Harmonie miteinander zu leben. Wasser und sanitären Einrichtungen rungen bereitgestellten Mitteln als nicht sofort verändert, Regierungen auch durch die Verschmutzung und und Hilfsorganisationen haben jedoch das Missmanagement der Wasserres- begonnen, wichtige Schritte zu unter- sourcen des Planeten stark unter- nehmen. graben. Alle Menschenrechte auf der
EGLV.de 9 „Während wir mit aller Kraft gegen COVID-19 kämpfen, müssen wir dringend auch Wassereinzugsgebiete schützen und wiederherstellen und allen Menschen Zugang zu sauberem, öffentlich bereitge- stelltem Wasser gewähren.“ Maude Barlow Welt werden kein sauberes Wasser trophale Überschwemmungen. Auch und warmem Wasser waschen können. sichern, wo es keines gibt. Während unser aktiver, kollektiver Wassermiss- Drei Viertel der Haushalte sowie fast wir mit aller Kraft gegen COVID-19 brauch ist eine Hauptursache für die die Hälfte der Gesundheitseinrichtun- kämpfen, müssen wir dringend auch wachsende Wasserkrise der Welt, gen in Entwicklungsländern haben Wassereinzugsgebiete schützen und und dies ist sogar beim Klimawan- vor Ort keinen Zugang zu sauberem wiederherstellen und allen Menschen del von entscheidender Bedeutung. Wasser. Die Wohltätigkeitsorganisation Zugang zu sauberem, öffentlich Gemeinden, die aufgrund von Armut, WaterAid sagt, dass die Coronavirus- bereitgestelltem Wasser gewähren. Ungleichheit und Diskriminierung Pandemie die Verwundbarkeit von Das World Resources Institute schätzt, bereits ohne sauberes Wasser leben, Menschen ohne Zugang zu Wasser dass es nur ein Prozent des globalen sind jetzt einer weiteren Gefahr aus- aufdeckt und warnt davor, dass wir uns BIP kosten würde, in die Infrastruktur gesetzt, da lokale Wasserquellen aus- vor der Zukunft in Afrika und Teilen zu investieren, die erforderlich ist, um trocknen oder für gewinnorientierte Asiens fürchten sollten. bis 2030 sauberes Wasser für alle Zwecke beansprucht werden. bereitzustellen. Können Sie das an einem konkreten Glauben Sie, dass die Corona-Pan- Beispiel darstellen? Welchen Einfluss wird der Klima- demie die Art und Weise verändern Achtzig Prozent der sieben Millio- wandel auf die Art und Weise haben, wird, wie wir über die Rolle des nen Einwohner von Dharavi, Asiens wie wir unsere Wasserressourcen Staates bei der Wasserversorgung größtem städtischen Slum im indischen nutzen? und Abwasserentsorgung sprechen Mumbai haben kein fließendes Wasser. Die vom Menschen verursachten werden? Menschenrechtsgruppen berichten, Treibhausgas-Emissionen haben den Sehen wir uns die Pandemie näher dass 36 Millionen Menschen in Mexiko Wasserkreislauf und die natürlichen an. Laut Gesundheitsexperten ist keinen regelmäßigen Zugang zu Wasserspeichersysteme beeinflusst, eines der wichtigsten Dinge, die wir Wasser haben. Die Menschen im Slum und wir verändern das Klima um alle tun können, um die Ausbreitung von Kibera in Kenia teilen sich eine uns herum und heizen die Welt auf. des Coronavirus zu stoppen, unsere Grubenlatrine mit bis zu 150 anderen. Wir verschmutzen, erschöpfen, stau- Hände häufig und gut mit Seife und Hier kann nur durch staatliche bzw. en, überextrahieren und leiten die heißem Wasser zu waschen und öffentliche Dienste der Städte und Wassersysteme des Planeten um. Wir unsere Umgebung sauber zu halten. Kommunen Abhilfe geschaffen verändern Landschaften und lokale Aber mehr als die Hälfte der Welt- werden. Und diese Notwendigkeit Wasserkreisläufe, schaffen an einigen bevölkerung hat keinen Zugang zu wird gerade durch die Pandemie Orten Wüsten und an anderen katas- einem Ort, an dem sie sich mit Seife deutlicher.
10 WASSERSTANDPUNKT Schwerpunktthema Die Seseke – ein Fluss wird wieder zur Lebensader Hundert Jahre offener Abwasserlauf – jetzt hat sich die Seseke nach der Renaturierung zur lebendigen Flusslandschaft mit über 350 Arten entwickelt Text Anne-Kathrin Lappe | Foto Kirsten Neumann, Ute Jäger Wenn Leni im Kamener Seseke-Park Lippeverbandes, aus. Vier moderne Kläranlagen und rund spielt und die Füße ins Wasser hält, 73 Kilometer geschlossene Abwasserkanäle schafften eine neue abwassertechnische Infrastruktur im Einzugsge- hat die Vierjährige nicht mehr selbst biet. Erfolgreicher Abschluss: 2014. erlebt, dass die Seseke noch vor Abwechslungsreiche Ufergestaltung 20 Jahren eine „Köttelbecke“ war. Heute, nur sechs Jahre später, hat sich die Seseke zu Ein Jahrhundert lang diente der Fluss einem lebendigen Gewässer entwickelt. Ein „Zurück zum als offener Abwassersammler für Ursprung des Flusses“ konnte es nicht geben – das war allen Beteiligten von Beginn an klar. Zu gravierend die ein 315 Quadratkilometer großes Ein- Einschnitte, die der Bergbau hinterlassen hat. Zu nah die zugsgebiet im Kreis Unna. Bebauung, die mittlerweile an den Fluss gerückt ist. Doch was möglich war, wurde umgesetzt: Die Seseke fließt heu- te geschwungen und nur noch flach eingeschnitten der Bergsenkungen erlaubten keine unterirdische Abwas- Lippe entgegen. Unterschiedlich breite Ersatzauen und serfortleitung und so formte man den rund 32 Kilometer abwechslungsreiche Ufergestaltung bieten Möglichkeiten langen Fluss zu einem schnurgeraden, mit Betonsohlscha- für die eigendynamische Entwicklung. len ausgekleideten offenen Schmutzwasserlauf. Auenbe- reiche fielen trocken, hohe Deiche sorgten für Schutz vor Und tatsächlich, die Wiederbesiedlung der ehemaligen Überflutungen. biologischen Todeszone beginnt sehr schnell. Robuste Pionierarten erobern sich den Fluss bereits in den ersten „Nach dem Bergbau-Ende beschloss man 1986 das Jahren zurück. Spezialisierte Arten wie der Eisvogel fol- Seseke-Programm zum Umbau der Flusslandschaft. Dann gen, nachdem sich vielfältige Gewässerstrukturen entwi- setzte der Lippeverband es als eines der ersten öko- ckelt haben. Das Monitoring nach dem Umbau der Seseke logisch-infrastrukturellen Großprojekte in Deutschland zeigt: Mit rund 350 Tier- und Pflanzenarten ist der Umbau um“, führt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender des ein Gewinn für Biodiversität und Gewässerqualität.
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12 WASSERSTANDPUNKT Schwerpunktthema Michael Prill, Fischereiberater im Kreis Unna, erfasst im September 2020 in der Mündung der Körne in die Seseke den Fischbestand durch Elektrobefischung (Siehe S. 11). Die auf diese Weise leicht betäubten Fische werden bestimmt und vermessen, bevor sie wieder in die Freiheit entlassen werden. Aal, Döbel, Flussbarsch oder Dreistachliger Stichling sind Hochwassermanagement nur einige Beispiele für bereits dokumentierte Arten. Doch der Umbau der Seseke bewirkt noch mehr: Die Auch eine Besatzaktion mit Larven der seltenen Quappe Hochwassergefahr durch Überflutungen aus der Seseke führte zum Erfolg, wie Sichtungen ausgewachsener und ihren Nebenläufen ist bedeutend zurückgegangen. Quappen in der Seseke belegen. Zum einen hat der Lippeverband zahlreiche Regen- und Hochwasserrückhaltebecken gebaut. Sie verhindern hohe Mittlerweile sogar ein Fischereigewässer Abflussspitzen nach Starkregen. Über diese Maßnahmen Die Seseke und auch ihr Zufluss Körne haben in Abschnit- des technischen Hochwasserschutzes hinaus dämpfen na- ten sogar wieder eine Bedeutung als Fischereigewäs- turnahe Gewässerstrukturen mögliche Hochwasserwellen. ser. Im Kreis Unna unterhält der Angelsportverein 1946 Durch gut bewachsene Gewässerauen fließt Wasser nicht Kamen e.V. für eine Strecke die Hegeverpflichtung und mehr so schnell ab. So konnte der Hochwasserabfluss um unterstützt die Fischereiaufsicht. Kaum zu glauben war rund ein Drittel reduziert werden. Diese Reduktion des es für Michael Prill, als er 2019 eine erste Forelle in der Hochwasserabflusses ist zugleich auch eine Klimaanpas- Seseke fand. Michael Prill ist nicht nur Gewässerwart im sungsmaßnahme – denn Starkregen werden in Zukunft Angelverein, sondern auch Fischereiberater des Kreises eher noch zunehmen. Durch ein resilientes System – und Unna. Regelmäßig führt er mit seinen Vereinskollegen das ist die Seseke nun – reduziert sich das Hochwasser- Elektrobefischungen durch, um die Entwicklung des Ge- Risiko für die Städte. wässersystems im Blick zu behalten. Die Ergebnisse sind immer wieder erstaunlich! „Dass wieder Fische und sogar Wie deutlich Städtebau und Wasserwirtschaft voneinan- Forellen in der Seseke leben könnten, hätte ich in meinen der profitieren können, zeigt der Seseke-Park in Kamen. kühnsten Träumen nicht erwartet. Vor 15 Jahren war die Innenstadtnah hat die Stadt auf etwa zwei Kilometern Seseke noch eine trübe Kloake, ein totes Gewässer – Länge einen Naherholungsort am Fluss für alle Generatio- kaum zu glauben, wie toll sich der Fluss entwickelt hat“, nen geschaffen. Bildungsangebote für Kinder, Parkfeste, so Michael Prill. barrierefreie Aufenthaltsbereiche, Freizeit und Sportanla-
EGLV.de 13 Info Von Bönen bis Lünen hat der Lippeverband einen Fuß- und Fahrradweg angelegt, der dazu einlädt, die Landschaft rund um die Seseke zu erkunden. Der Seseke-Weg bietet eine direkte Verbindung zwischen Bönen über Kamen und Bergkamen bis zur Mündung in die Lippe in Bis 2010 war die Seseke ein geradliniger, mit Betonschalen tech- nisch ausgebauter Fluss. Heute ist sie ein abwechslungsreiches, Lünen. Dort ist der Seseke-Weg zudem mit der naturnahes Gewässer. Römer-Lippe-Route verknüpft. Entlang der rund 25 Kilometer langen Strecke laden Rastplätze zum Verweilen ein. Zahlreiche Kunstwerke ent- lang des Weges, die im Rahmen des Projektes „Über Wasser gehen“ entstanden sind, lassen die gen – die Menschen nehmen den Fluss heute wieder als Tour zu einem ganz besonderen Erlebnis werden. Lebensader und Mittelpunkt ihrer Stadt wahr. Auch Leni. Die Route stellt eine wichtige neue Städteverbin- Zusammen mit den „Seseke-Kindern“, einem NRW-För- dung dar und bietet damit auch die Möglichkeit derprojekt, entdeckte sie ein halbes Jahr lang den Fluss umweltfreundlicher, zukunftsorientierter Mobilität. aus nächster Nähe. Zwar hat sie nicht mehr selbst erlebt, www.seseke-weg.de wie schmutzig die Seseke einmal war, aber sie weiß nun, wie wertvoll das Ökosystem Wasser ist.
14 WASSERSTANDPUNKT Schwerpunktthema Gut gewappnet gegen cyber- angriffe Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) erfüllen als Körperschaften des öffentlichen Rechts die hoheit- EGLV haben liche Aufgabe der Gebietsentwässerung und Abwasser- entsorgung im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge. IT-Sicherheitsstandard Die verlässliche und nachhaltige Erbringung der dafür maßgeblich mitentwickelt erforderlichen Dienstleistungen hat höchste Priorität. EGLV gehören zur sogenannten Kritischen Infrastruktur in Text Ilias Abawi Deutschland (KRITIS) und unterliegen somit der Kritis- Verordnung (KRITIS-VO) des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Der Bund hat im Rahmen des BSI-Gesetzes und der KRITIS-Verordnung eindeutige Vorgaben für die Betreiber Kritischer Infrastrukturen erlassen: IT-Systeme und -Kom- ponenten, bei denen ein Cyberangriff oder sonstige Störungen dazu führen, dass die Erbringung der kritischen Dienstleistung eingeschränkt oder gar unterbunden wird, sind auf dem Stand der Technik zu halten. Die Einhaltung dieser Anforderung muss alle zwei Jahre gegenüber dem BSI nachgewiesen werden.
EGLV.de 15 Interview mit Dr. Emanuel Grün, Technik-Vorstand von Emschergenossenschaft und Lippeverband Illustration Julian Rentsch Was unternehmen EGLV für die IT- Sicherheit der Abwasserentsorgung? Wir haben die Möglichkeit frühzeitig genutzt, um die Mindestanforderun- gen in Bezug auf den Stand der Tech- nik durch einen vom BSI als geeignet anzuerkennenden „Branchenspezi- fischen Sicherheitsstandard“ - kurz: B3S - zu definieren. EGLV haben den scanner. Die Beschäftigten von EGLV Auch ein Ausfall der Abwasserreini- B3S WA maßgeblich mitentwickelt werden in unregelmäßigen Abständen gung könnte zu Hygieneproblemen in und stehen in kontinuierlichem Aus- immer wieder für die IT-Security sensi- der Region führen. Wichtig: EGLV ha- tausch mit dem BSI. Der Sicherheits- bilisiert – unregelmäßig unter anderem ben für den Fall des Ausfalls zentraler standard enthält sowohl Maßnahmen- deshalb, um keine Gewohnheit ein- Komponenten oder einzelner Kompo- vorgaben für alle Betreiber, mithin treten zu lassen! nenten Rückfallebenen berücksichtigt, Basismaßnahmen, die jedes Unter- die im Zweifel automatisch greifen. nehmen umsetzen sollte, als auch Gezielte Angriffe auf EGLV sind jedoch Unabhängig davon ist bei allen unter- zusätzliche Maßnahmen, die Betreiber bislang noch nicht aufgetreten, sie sind nehmenskritischen Anlagen im Notfall Kritischer Infrastrukturen umsetzen aber grundsätzlich zu erwarten. Dieser ein Vor-Ort-Handbetrieb möglich. müssen, um den Stand der Technik zu Angriffsvektor ist grundsätzlich auch erreichen. für die gesamte Abwasserwirtschaft Ist aus Ihrer Sicht darüber hinaus eine nicht auszuschließen. Gemeinschaft- Regulierung Kritischer Infrastrukturen Kam es bereits zu Hackerangriffen liche Lösungen sind hier hilfreich. nötig? bei EGLV? Deshalb hat zum Beispiel das NRW- Mit dem Instrument der KRITIS-VO Unsere hochwertigen Firewall-Syste- Umweltministerium im August das und den existierenden branchenspezi- me zeigen seit Jahren zunehmende Kompetenzzentrum Digitale Wasser- fischen Sicherheitsstandards ist die Angriffszahlen, zuletzt rund 24.000 wirtschaft gegründet, in dem Emscher- Abwasserbranche aus unserer Sicht Angriffe in 2019. Aufwändige Syste- genossenschaft und Lippeverband gut aufgestellt. Inwiefern eine Anpas- me prüfen zum Beispiel eingehende Gründungsmitglieder sind. sung von Schwellenwerten sinnvoll E-Mails und stufen diese hinsicht- ist, ist gegebenenfalls zu diskutieren. lich ihres Schadenspotenzials ein. Welche Auswirkungen hätte ein EGLV sind hier bereits einen anderen Gleichzeitig laufen weiterhin auf allen Hackerangriff? Weg gegangen, indem grundsätzlich Systemen zentral verwaltete und ak- Der Hochwasserschutz könnte aus- für alle Anlagen der gleiche Anspruch tualisierte End-Point-Protection-Viren- gehebelt bzw. sabotiert werden. gestellt wird.
16 WASSERSTANDPUNKT Schwerpunktthema Die Region für den Klimawandel stärken Zahlreiche Projekte wurden im Rah- und Bürogebäudedächern (rund 11.000 Quadratmeter men der Zukunftsinitiative „Wasser ableitende Fläche). Ein gelungenes Projekt, das verdeut- licht, wie die Region durch die Integration des Regenwas- in der Stadt von morgen“ umgesetzt. sermanagements an den Klimawandel angepasst werden Von den Maßnahmen im Emscher- kann. Gebiet können nun die Partner des Straßenentwässerung in Herten Ruhr-Konferenz-Projekts „Klimaresi- Bis 2040 sollen 25 Prozent der versiegelten Fläche in liente Region mit internationaler der Region abgekoppelt und die Verdunstungsrate um 10 Prozentpunkte gesteigert werden. Dabei bringen auch Strahlkraft“ profitieren und die Region Maßnahmen, die auf den ersten Blick klein erscheinen, gemeinsam stärken. Emschergenossenschaft und Lippeverband näher ans Ziel. Das Straßenentwässerungssystem auf der Jäger- straße in Herten wirkt eher unscheinbar, hat aber einen Text Celina Winter | Foto Rupert Oberhäuser, Diethelm Wulfert großen Effekt: Durch die Reaktivierung des alten, noch in Teilen erhaltenen Grabensystems können die Straßenab- Bergbausiedlung „Stemmersberg“ in Oberhausen flüsse zum Teil versickern und zum Teil in das angrenzen- Ein gelungenes Beispiel ist die alte Bergbausiedlung de Waldgebiet abgegeben werden. Rund 8.350 Quadrat- „Stemmersberg“ in Oberhausen: Im Zuge der Sanierung meter Straßenfläche konnten abgekoppelt werden. der über 100 Jahre alten Gebäude wurde der Klimawan- del direkt mitgedacht und eine neue Regenwasserbewirt- Gemeinsam die Region stärken schaftung umgesetzt. Auf 13.325 Quadratmetern – rund Ob kleine oder große Maßnahmen: Jede ist wichtig, um die Hälfte der gesamten Fläche – wird das Regenwasser die Region an den Klimawandel anzupassen. Emscherge- seitdem durch viele verschiedene Maßnahmen dem na- nossenschaft und Lippeverband können zusammen mit türlichen Wasserkreislauf zugeführt. dem Land NRW, den Städten und Wasserwirtschaftsver- bänden von den schon umgesetzten Maßnahmen der Zu- Universitätsviertel – Grüne Mitte Essen kunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ lernen Bei neuen Projekten muss das Thema „Klimawandel“ von und die Region im Rahmen des Ruhr-Konferenz-Projekts vornherein eingeplant werden, wie beispielsweise bei „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ dem Bau des Stadtquartiers „Universitätsviertel – Grüne stärken. Mitte Essen“ im Norden der Essener City. Die Maßnahme zeigt, dass eine ausgeklügelte Regenwasserbewirtschaf- tung nicht nur Mehrwerteffekte für unser Klima hat: Kern- stück des Projekts ist nämlich ein circa vier Hektar großer öffentlicher Park, in dem zwei große Wasserbecken im Sommer für einen angenehmen Kühlungseffekt sorgen Ansprechpartner: Andreas Giga und zum Verweilen einladen. Gespeist werden die Seen Leiter ZI-Service-Organisation über das anfallende Niederschlagswasser von den Wohn- giga.andreas@eglv.de
Das neue Uni-Viertel in Essen und die Umgestaltungen in der Stemmersberg-Siedlung in Oberhausen sind gelungene Beispiele für Klima-Anpassungsmaßnahmen.
18 WASSERSTANDPUNKT Schwerpunktthema Illustration Julian Rentsch „Mein Ziel ist, eine umweltgerechte und klima- resiliente Stadtentwicklung voranzutreiben …“ Ludger Wilde Dezernent für Umwelt, Planen und Wohnen der Stadt Dortmund
EGLV.de 19 Standpunkt von Ludger Wilde Dortmund – eine Stadt in einer die Maßnahmen allgemein in Politik und Gesellschaft klimaresilienten Region breiten Rückhalt. Unsere Stadtentwässerung betreibt und unterhält ein 2.000 Kilometer langes, weit verzweigtes Entwässerungs- Klimawandel wird in den unterschiedlichsten Ausprägun- netz, welches Abwasser den Kläranlagen der Wasser- gen deutlich und betrifft Siedlungsräume besonders verbände zuleitet. Das Niederschlagswasser wird dabei, hart. Überschwemmungen und Hitzestress sind nur zwei soweit möglich, dem natürlichen Wasserkreislauf zu- von zahlreichen Folgen. Um dem zu begegnen, müssen geführt. Dazu gibt es im Stadtgebiet Versickerungs- und geeignete Anpassungsmöglichkeiten gefunden werden. Rückhaltebecken mit einer Flächengröße von 33 Hektar. Durch vielfältige Maßnahmen setzt sich die Stadt Ohne besonderen Blick auf den Klimawandel wurden Dortmund dafür ein, die Widerstandsfähigkeit der Stadt in Dortmund bereits in den 1990er-Jahren Maßnahmen gegenüber Starkregenereignissen zu stärken. initiiert, die sich noch heute positiv auf das Stadtklima auswirken. Hierzu zählen die im Rahmen der Internationa- Eine aktuelle Planung ist das Städtebauliche Entwicklungs- len Bauausstellung Emscherpark etablierten Grünzüge F konzept für den Hochschul-, Wissenschafts- und Technolo- und G, ferner das Projekt zur stadtweiten Regenwasser- giecampus in Dortmund. Um Aspekte einer vorsorgenden versickerung, die heute im Landeswassergesetz festge- Siedlungswasserwirtschaft bereits früh in die Planung schrieben ist und die Umgestaltung des Emscher-Systems integrieren zu können, wurde ein Entwässerungskonzept einschließlich des Phoenix-Sees. erarbeitet. Es definiert Maßnahmen zur Rückhaltung von Niederschlagswasser und gibt Hinweise zur Gestaltung für Aber kontinuierlich müssen die bereits vorhandenen Maß- Dachbegrünung, Rückhaltung und Versickerung, Reten- nahmen fortgeführt und ergänzt werden. So entwickelt tionsmulden und offene Ableitungsrinnen. Mit der Umset- die Koordinierungsstelle Klimaschutz/Klimaanpassung der zung der Maßnahmen wird im Plangebiet ein wesentlicher Stadt Dortmund analog zum Handlungsprogramm Klima- Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung geleistet. Luft 2030 Strategien zur Anpassung an den Klimawandel. Dabei wird auf die Mitwirkung der unterschiedlichsten Und auch mit der Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt Akteure gesetzt und Bürgerinnen und Bürger frühzeitig von morgen“ verfolgen Emschergenossenschaft und einbezogen. Lippeverband mit ihren Mitglieds-Kommunen eine nachhal- tige Regenwasserbewirtschaftung in enger Verknüpfung Zudem arbeiten wir daran, dass Dachbegrünungen mit städtebaulicher Entwicklung. Diese wurde im Zuge als stadtökologischer Beitrag Normalität werden. In der Ruhr-Konferenz durch die „Klimaresiliente Region Dortmund enthalten daher die Bebauungspläne für neue mit internationaler Strahlkraft“ auf weitere Wasserver- Baugebiete eine Festsetzung zur Dachbegrünung für bände und Kommunen ausgedehnt und trägt wesentlich Flachdächer oder flachgeneigte Dächer, da dies aus Grün- dazu bei, den Herausforderungen des Klimawandels den des Naturschutzes, Klimaschutzes zur Verbesserung besser zu begegnen. Die Initiative ist ein Bekenntnis zu der Stadtgestalt oder der Luftqualität erforderlich ist. einem gemeinsamen Engagement für eine zukunftsfähige und nachhaltige Stadtentwicklung in der Region. Im Rahmen einer Überplanung von bestehenden Ge- bieten mit sogenannten Hitzeinseln wurden die bereits Mein Ziel ist, eine umweltgerechte und klimaresiliente existierenden Bebauungspläne mit Gründachfestset- Stadtentwicklung voranzutreiben und in allen neuen zungen ergänzt. Nach anfänglichen Diskussionen finden Planungen und Strategien konsequent mitzudenken.
20 WASSERSTANDPUNKT Schwerpunktthema Den Worten folgen Taten Emschergenossenschaft setzt gemeinsam mit Partnern in der Region Projekte zur Klimafolgen-Anpassung um Text Ilias Abawi | Foto Klaus Baumers, Jörg Saborowski Illustration Oliver Hasselluhn Elvis Presley, der King of Rock ʼnʼ Roll, sollen in den kommenden zehn Jahren in die Klimaprojek- brachte es auf den Punkt: „A little te im Ruhrgebiet investiert werden. less conversation, a little more action Zwei größere Maßnahmen befinden sich bereits in der please!“ Im Klartext: Statt Worten Umsetzung: Im Juni erfolgte zunächst der Startschuss für eine Fassaden- und Dachbegrünung auf der Gemein- sollten Taten erfolgen! schafts-Müll-Verbrennungsanlage Niederrhein (GMVA) in Oberhausen-Lirich. Im September schließlich startete das Dachbegrünungsprojekt bei der Energieversorgung Ein Appell, den sich auch die Politik zu Herzen nehmen Oberhausen AG (evo). Mit den beiden von der Emscher- sollte. Viel ist geredet worden über den Klimawandel und genossenschaft unterstützten Projekten wird der „Klima- die Klimafolgen-Anpassung. Medienwirksame Aufnahmen resilienten Region mit internationaler Strahlkraft“ Leben der Kanzlerin im Gespräch mit „hochrangigen Klimafach- eingehaucht. Die Begrünung von Dächern und Fassaden leuten“ wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer sind trägt dazu bei, den Abfluss in die Kanalisation zu reduzie- nett, aber was folgt den Worten und Versprechungen? ren und die Verdunstung zu steigern. Den ganz großen Wurf in der Klimaanpassung ist die Bun- desregierung nach wie vor schuldig geblieben. Auf einigen bestehenden Gebäuden der GMVA mit Flach- dächern wird aktuell eine Extensiv-Begrünung realisiert. Wir in Nordrhein-Westfalen dagegen belassen es nicht Als eine weitere Maßnahme werden auf dem Gelände bei Worten, sondern lassen längst Taten sprechen. Seit- zwei Fassaden (Süd- und Westseite) begrünt. Insgesamt dem die Ruhr-Konferenz vor einem Jahr das Programm wird eine rund 300 Quadratmeter große Wandfläche be- „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ auf grünt, um ein Biotop zu schaffen. Bei der evo werden die den Weg gebracht hat, ist viel passiert: Über 100 Projekte Dachflächen des Kraftwerksmaschinenhauses begrünt. befinden sich in der Vorbereitung, rund 250 Millionen Euro Das Gebäude bietet eine Fläche zur extensiven Dachbe-
EGLV.de 21 grünung von rund 1.470 Quadratmetern. Hinzu kommt das Dach der sogenannten Feuerlöschstation. Die Fläche für die Begrünung beträgt hier ca. 58 Quadratmeter. Im Fokus des Projekts „Klimaresiliente Region mit interna- tionaler Strahlkraft“ stehen Maßnahmen, die alle dem Ziel dienen, bis 2040 mindestens 25 Prozent der befestigten Flächen vom Kanalnetz abzukoppeln und den Verduns- tungsgrad bis 2040 um zehn Prozentpunkte in der Region zu erhöhen. Die Emschergenossenschaft setzt damit fort, was bereits seit 2004 erfolgreich mit Kooperationen wie der „Zukunftsvereinbarung Regenwasser“ sowie Auf dem Luftbild noch eine Animation: begrünte der Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ Dach- und Fassadenflächen der Müllverbrennungsanlage in Oberhausen. begonnen wurde – auch hier arbeiteten das Land, die Unten: Einweihung des Klimaprojekts mit Kommunen sowie die Emschergenossenschaft zusam- NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser. men. Das Vorhaben ist mittlerweile deutlich ausgedehnt worden: Mit dabei ist nun auch der Lippeverband, der mit der Emschergenossenschaft unter einem Dach arbeitet. Darüber hinaus werden auch der Ruhrverband, die Links- niederrheinische Entwässerungs-Genossenschaft, der Niersverband, der Regionalverband Ruhr sowie alle Ruhr- gebietsstädte eingebunden. Ansprechpartner: Andreas Giga Leiter ZI-Service-Organisation Gemeinsam lassen die Partner nun Taten sprechen! giga.andreas@eglv.de
Emscher-Umbau wasser macht an stadt- grenzen nicht Halt Ein Großprojekt wie das Generationenvorhaben Emscher-Umbau geht vielleicht auch nur deshalb so geräuschlos über die Bühne, weil es federführend von einer zentralen Organisation – von der Emschergenossenschaft – gesteuert wird. Teilmaßnahmen wie die Boye-Renaturierung in Bottrop, Gladbeck und Essen oder der Umbau des Hüller Bachs in Bochum, Herne und Gelsenkirchen zeigen, dass der Emscher-Umbau nicht nur technisch, sondern vor allem auch planerisch eine große Herausforderung ist…
24 WASSERSTANDPUNKT Emscher-Umbau
EGLV.de 25 Renaturierung der Boye nimmt Fahrt auf Nebenlauf der Emscher verläuft mitsamt seinen Zuflüssen auf drei Stadtgebieten Ansprechpartner: Hans-Peter Strux Gebietsmanager Emscher-Mitte strux.hans-peter@eglv.de Text Ilias Abawi | Fotos Rupert Oberhäuser Das Boye-Gewässersystem ist ein hervorragendes Bei- Vor knapp einem Jahr hat die Emschergenossenschaft spiel dafür, wie wichtig eine interkommunale Zusammen- bereits gemeinsam mit den Städten Bottrop und Glad- arbeit – gebündelt und koordiniert unter einem Dach – in beck die renaturierte Trasse der Boye im Pelkumer Feld dieser Region ist. Wasser macht an Stadtgrenzen nicht westlich der B 224 geflutet. Nichts erinnert mehr an die Halt. Dies gilt uneingeschränkt auch für die Boye, die als einstige Köttelbecke. Keine trist-grauen Betonsohlschalen, der Grenzfluss zwischen den Emscher-Städten Bottrop die das Gewässerbett wie ein Korsett fesseln. Kein offen und Gladbeck fließt und auf ihren letzten Metern sogar fließendes Abwasser. Stattdessen: klares Wasser in einem Essener Stadtgebiet tangiert. Dies gilt umso mehr auch für sauberen Fluss, an dessen grünen Ufern sich die Natur die vielen Nebengewässer der Boye: Der Kirchschemms- den Raum recht schnell zurückerobert. Ihren geraden Ver- bach und der Vorthbach münden hier aus Bottrop kom- lauf hat die Boye an dieser Stelle verlassen und schlängelt mend, während der Hahnenbach, der Haarbach, der Natt- sich nun entfesselt durch ihre neue Aue. „Hier hatten wir bach und der Wittringer Mühlenbach auf Gladbecker Seite den Platz, um der Boye mehr Raum zu verschaffen – hier mittlerweile in idyllisch begrünten Kurven in Richtung des kriegt sie mit dem neuen Lauf nicht nur sprichwörtlich die Vorfluters fließen. Kurve“, sagt Projektleiter Harry Tiedtke. Die Zuflüsse der Boye sind bereits seit vielen Jahren vom Es ist auch ein kleiner Vorgeschmack auf die weiteren Abwasser befreit und renaturiert. Als federführender Was- Arbeiten, die nun im September begonnen haben: Die serverband hat die Emschergenossenschaft im Rahmen Revitalisierung der einstigen Köttelbecke setzt sich im ihres Generationenprojekts Emscher-Umbau die Arbeiten weiteren Verlauf der Strecke auf einer Länge von insge- in enger Abstimmung mit den anliegenden Kommunen samt 3,7 Kilometern auf den Gebieten der Städte Glad- sowie den zuständigen Ämtern und Behörden koordiniert, beck, Bottrop und Essen fort. Die Arbeiten der Emscher- geplant und umgesetzt. Allein in den Kanalbau entlang genossenschaft in diesem Bauabschnitt werden Ende des Boye-Gewässers sind auf einer Länge von rund acht 2022 abgeschlossen sein. Die Natur und das Leben – Kilometern knapp 80 Millionen Euro investiert worden. sie kehren wieder an und vor allem in die Boye zurück! Weitere 22 Millionen Euro investiert die Emschergenos- Die stringente Umsetzung der anspruchsvollen und senschaft insgesamt in die Renaturierung der Boye – die- komplexen Boye-Planung ist dabei in erster Linie der se nimmt gerade nicht nur Fahrt auf, sondern kann auch genossenschaftlichen Organisationsstruktur der Wasser- schon einiges an Erfolgen vorweisen! wirtschaft in unserer Region zu verdanken.
26 WASSERSTANDPUNKT Emscher-Umbau Das neue Paradies: Der Dorneburger Mühlenbach hat sich nach der Renaturierung hervorragend entwickelt.
EGLV.de 27 Ansprechpartner: Björn Bauckhage Gebietsmanager Emscher-Ost bauckhage.bjoern@eglv.de Eine Herausforderung – in jeder Hinsicht Umbau des Hüller Bach-Systems in Bochum, Herne und Gelsenkirchen Text Ilias Abawi | Foto Rupert Oberhäuser Ein Paradebeispiel für grenzüberschreitende Zuständig- in den drei genannten Städten. Den Anfang macht der keiten und Kooperationen ist auch das Hüller Bach- bereits abwasserfreie Marbach, der südlich der Autobahn System in den Städten Bochum, Herne und Gelsenkirchen. A40 etwa ab der Bochumer Innenstadt in der Zuständig- Es ist das größte Nebenlaufgebiet der Emscher und für keit der Emschergenossenschaft liegt. In seinem weiteren die Abwasserfreiheit im zentralen Fluss des Ruhrgebietes Verlauf nimmt er nördlich der A40 den bereits komplett von essenzieller Bedeutung. Denn: Wenn die neuen renaturierten Hofsteder Bach auf – hier beginnt der Hüller unterirdischen Kanäle entlang des Hüller Bach-Systems im Bach! Aus Bochum-Wattenscheid kommend fließen auch kommenden Frühjahr an den großen Abwasserkanal Em- der Ahbach, der Kabeisemannsbach und der Goldham- scher angeschlossen werden, steuern sie pro Sekunde (!) mer Bach in den Hüller Bach. Dabei bleibt es nicht: In 3.454 Liter Schmutzwasser bei. Eine stolze Menge, die Bochum entspringt der Dorneburger Mühlenbach, der dann nicht mehr offen in die Emscher eingeleitet wird und wiederum durch Herne und Wanne-Eickel fließt und an somit erst die Voraussetzungen für die spätere Renaturie- der Grenze zu Gelsenkirchen in den Hüller Bach mündet. rung des Flusses schafft. Nördlich des ZOOM, in Gelsenkirchen-Bismarck, erreicht der Hüller Bach schließlich die Emscher. Die sogenannte Entflechtung des Hüller Bach-Systems ist nicht nur technisch inmitten eng bebauter Stadtteile eine Wer diesem komplexen Geflecht bereits beim Lesen große Herausforderung. Auch die Planung der Maßnahme kaum folgen konnte, stelle sich nur einmal vor, dass ohne erfordert einiges an Abstimmungen, u. a. mit den Ämtern die Emschergenossenschaft jede Stadt separat ihre und Behörden der drei anliegenden Kommunen Bochum, Abstimmungen mit den anderen Kommunen und den Be- Herne und Gelsenkirchen – von den Absprachen mit den zirksregierungen vornehmen müsste… zwei ebenfalls zuständigen Bezirksregierungen Arnsberg (für Bochum und Herne) sowie Münster (für Gelsenkirchen) Obwohl, einen Moment mal – das hatten wir doch bereits: einmal ganz zu schweigen. Das komplexe Geflecht In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchten verdeutlicht die Bedeutung von zentralen öffentlich-recht- die Emscher-Anrainer zunächst isoliert für sich, die Ab- lichen Strukturen wie der Emschergenossenschaft, die wasser-Misere in den Griff zu bekommen. Alle Versuche sich als Non-Profit-Unternehmen städteübergreifend scheiterten jedoch, denn Wasser macht eben nicht an um die Wasserwirtschaft kümmert – von Holzwickede bis Stadtgrenzen Halt. Das Kirchturmdenken stoppte 1899 Dinslaken. erst der preußische Staat und zwang die Kommunen zur Zusammenarbeit – es war die Geburtsstunde der Um dieses Geflecht zu verstehen, lohnt sich ein Blick Emschergenossenschaft und ein großer Schritt für die auf die nicht weniger komplexen Verläufe der Gewässer Entwicklung der Region.
alles Programm Lebendige Lippe fliesst Nordrhein-Westfalen ist ein Land der Gewässer: Doch viele der 50.000 Kilometer Bäche und Flüsse im Land bieten noch zu wenig Lebensraum für Tiere und Pflanzen. An der Lippe ändert sich dies gerade. Als nächstes wird im Programm „Lebendige Lippe“ der Bereich Werne/Lünen renaturiert. Rochus- kapelle Übergangs- bauwerk Oberbodenabtrag Verfüllung Altverlauf
Lippeaue-Wehr „Schlagt“ Verfüllung Altverlauf Umbau Umgehungsgerinne Kläranlage Werne Ablaufgraben Kläranlage Neuanlage Lippe Werne Laufverlegung Horne Lippe: Neuanlage Lippe Sohlanhebung, Aufwei- Rieselfelder tung und Ufergestaltung Umgestaltung Mündung Beverbach Verfüllung Altverlauf Oberboden- Pumpwerk abtrag Bergkamen-Rünthe Teilverfüllung Altverlauf Foto Andreas Fritsche
30 WASSERSTANDPUNKT Programm Lebendige Lippe Je abwechslungsreicher ein Fluss ist, umso mehr Tiere siedeln sich an – sie können Anzeiger für gute Gewässerqualität sein. Sand, Steine, Holz oder Wasserpflanzen bieten ihnen vielfältige Lebensräume.
EGLV.de 31 Ansprechpartner: Jochen Bauer Projektleitung Werne/Lünen bauer.jochen@eglv.de Die gebänderte Prachtlibelle hat auffällig gemusterte Flügel und erreicht Geschwindigkeiten von 15 Metern pro Sekunde. Aue in Sicht! Lebendige Lippe: Renaturierung zwischen Werne und Lünen Text Anne-Kathrin Lappe | Foto Andreas Fritsche Illustrationen Eberhard Reimann, Oliver Hasselluhn Die biologische Vielfalt unseres verlängerungen, das Anlegen von Auen und das Anheben der Gewässersohle setzt der Wasserverband die EU-weit Planeten geht in beispielloser geltende Wasserrahmenrichtlinie um. Geschwindigkeit zurück. Dabei ist das Gefüge zerbrechlich: Stirbt nur eine „All unsere Maßnahmen dienen einem Zweck: Die Lippe soll lebendiger werden. Mit der Renaturierung stellen wir Pflanzenart aus, wirkt sich das auf die langfristig intakte Fluss-Auen-Ökosysteme wieder her gesamte folgende Nahrungskette aus. oder verbessern sie“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstands- vorsitzender des Lippeverbandes. Dem Ökosystem Wasser fällt dabei als strukturreichem Lebensraum eine Lippe wird 1,2 Kilometer länger besondere Stellung zu. Die ersten Planungen zur Neugestaltung durch den Lippe- verband umfassen das Gebiet zwischen der Rochus- kapelle und dem Lippeaue-Wehr „Schlagt“. Dieser Bereich ist aktuell etwa 3,5 Kilometer lang – durch die Laufver- Diesen Lebensraum zu schaffen und zu schützen ist Ziel längerung könnte die Lippe hier nach Abschluss der Bau- des Programms „Lebendige Lippe“, das der Lippeverband arbeiten rund 1.200 Meter länger sein als bisher! Neue im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen umsetzt. Kurven im Flussverlauf schaffen mehr Auenbereiche, in Zwischen Werne, Bergkamen und Lünen sind gleich denen sich das Wasser kontrolliert ausbreiten darf. So mehrere Maßnahmen am Gewässer geplant, die neue könnten langfristig Hochwasserspitzen in anderen Berei- Lebensräume für Pflanzen und Tiere schaffen. Durch Lauf- chen abgemildert werden.
32 WASSERSTANDPUNKT Programm Lebendige Lippe Der Mittellauf der Lippe bietet viel Potenzial für Renaturierungsmaßnahmen. Erhöhte Flusssohle bietet Vorteile für Flora und Fauna Info Auf Höhe der Rochuskapelle soll die Flusssohle der Lippe angehoben werden. Ein neu angelegtes Übergangs- bauwerk, ähnlicher einer Fischtreppe, wird dann den Programm „Lebendige Lippe“ Übergang zwischen den verschiedenen Sohlhöhen regeln. Der Lippeverband übernimmt neben der allgemeinen Auch für die Horne ist eine Umgestaltung vorgesehen: Pflicht der Gewässerunterhaltung auch die Umsetzung Der Nebenlauf soll einen naturnahen Anschluss an die der Wasserrahmenrichtlinie an der Lippe. Hierzu hat der Lippeverband im Auftrag des Landes NRW das Lippe erhalten. Programm „Lebendige Lippe“ für seinen Zuständig- keitsbereich aufgelegt. Für das Landesgewässer Renaturierung könnte Ende 2023 beginnen Lippe werden zu 100 Prozent Landesmittel eingesetzt. Die Planung zu diesem ersten Abschnitt soll Ende 2020 bei der Bezirksregierung Arnsberg eingereicht werden. Kann die Bauausführung dann – nach Erteilung der Genehmigung – in der zweiten Jahreshälfte 2023 begin- nen, dauern die Arbeiten zur Renaturierung der Lippe rund zwei Jahre.
EGLV.de 33 Interview mit Jennifer Schäfer-Sack, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwirtschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen Warum sind Renaturierungsprojekte Was ist dabei aus Ihrer Sicht die Das Landeswassergesetz wird für die Gewässer in NRW so wichtig? größte Herausforderung? aktuell novelliert. Was darf dabei Nordrhein-Westfalen ist mit über nicht außer Acht gelassen werden? 50.000 km Bächen und Flüssen ein Zeit, Flächenverfügbarkeit und Geld Es gibt viele Herausforderungen bei Land der Gewässer. Als Ökosysteme – von allem haben wir zu wenig. der Umsetzung der Wasserrahmen- bieten sie wertvollen Lebensraum, Ökologische Verbesserungen der richtlinie, die von unterschiedlichen der unseren Schutz verdienen. Leider Gewässer können nur umgesetzt Interessenslagen zwischen Landwirt- sind – und das vor allem durch den werden, wenn den Wasserwirt- schaft, Kommunen oder Naturschutz- menschlichen Einfluss – die meisten schaftsverbänden Flächen zur Ver- verbänden geprägt sind. Das hemmt Bäche und Flüsse in unserer Region fügung stehen. Anders können keine die fristgerechte Umsetzung. Vor nicht annähernd so naturnah, wie sie Randbefestigungen entfernt und allem in NRW ist aber nach wie vor die sein sollten. Das müssen wir ändern wertvolle Auenbereiche geschaffen fehlende Verfügbarkeit von Flächen und unsere Gewässer wieder in werden. Die Umsetzungsprozesse der entscheidende Punkt. Aus diesem einen guten Zustand versetzen. selbst sind häufig von langwierigen Grund kann eine Streichung des Planungs- und Genehmigungsver- gesetzlich verankerten Vorkaufrechts fahren geprägt, die über Jahre an- im Landeswassergesetz, wie derzeit dauern. Wenn man bedenkt, dass im Rahmen der Novelle vom Umwelt- die Zielerreichung bereits im Jahre ministerium vorgeschlagen, nicht 2027 zu erfolgen hat, müssen wir nachvollzogen werden. Im Sinne des hier gemeinsam aufs Tempo drücken Gewässer- und Artenschutzes sollte und Lösungen finden. zudem die Gewässerrandstreifenrege- lung nicht aufgegeben werden. Der Name ist Programm: Die Krawattenköcherfliege erinnert nach der Landung an einen kleinen, schwarzen Schlips.
34 WASSERSTANDPUNKT Position EGLV Wirtschaftlich stark, ökologisch sinnvoll Text Alexander Knickmeier Dennoch besteht auch weiterhin eine Wachstumslücke zu Boom-Regionen wie München oder Berlin. Zentraler Nachdem das Ruhrgebiet lange Zeit Engpass für die Ansiedlung neuer Unternehmen ist die Verfügbarkeit von Flächen. So hat sich die Gesamtgröße in seiner wirtschaftlichen Entwick- der planerisch gesicherten Flächenpotenziale im Ruhr- lung hinter vergleichbaren Regionen gebiet zwischen 2012 und 2017 um rund 740 Hektar bzw. in Deutschland zurückgeblieben rund 27 Prozent verringert, sodass hier perspektivisch eine Knappheit zu befürchten ist. war, konnte die Region in den letzten Jahren aufholen. Mittlerweile liegt Neben dem Thema Altlasten, die aufwendige Sanierungs- das Ruhrgebiet zum Beispiel in den maßnahmen nötig machen, sind zu erwartende Anwoh- nerproteste und Probleme des Artenschutzes zentrale Bereichen Wirtschafts- und Beschäftig- Hürden. Um diese Gegensätze zwischen ökonomischer tenwachstum über dem Landes- und ökologischer Notwendigkeit sowie gesellschaftlicher und Bundesschnitt. Akzeptanz aufzulösen, ist ein neues Planungsverständnis bei der Flächenentwicklung notwendig. Unter dem Stichwort „Nachhaltige Gewerbegebiete“ wird daher seit einigen Jahren ein breites Bündel an Instrumen- ten für die Gestaltung von Neuansiedlungen diskutiert.
EGLV.de 35 Zentraler Engpass für die Ansiedlung neuer Unternehmen ist die Verfügbarkeit von Flächen. für die Gestaltung von Neuansiedlungen wird zum Beispiel Verdichtung empfohlen So wird zum Beispiel Verdichtung empfohlen und ins- es, den negativen Einfluss auf den lokalen Wasser- besondere von einer eingeschossigen Bauweise, wie haushalt durch zusätzliche Versiegelungen möglichst sie insbesondere für die Logistikbranche charakteris- gering zu halten und zusätzliche Verdunstungsmöglich- tisch ist, abgeraten. Eine mehrgeschossige Passivbau- keiten zu schaffen, die das lokale Mikroklima abküh- weise schont den Flächenverbrauch und erhöht die len. Dazu gehören dann Maßnahmen für die ortsnahe Wertschöpfungspotenziale auf den ausgewiesenen Regenwasserversickerung, der Bau von Gründächern, Gebieten. Befürchtungen, neue Gewerbeflächen hätten das Pflanzen von Bäumen, die nachhaltige Gestaltung einen besonders negativen Einfluss auf die Entwicklung von Verkehrsflächen und Parkplätzen zum Beispiel mit der Biodiversität, soll mit einer Strategie für mehr Arten- Rasengittersteinen. vielfalt entgegengewirkt werden. Dazu gehören bei- spielsweise notwendige Ausgleichs- und Ersatzmaßnah- In der Gesamtschau der Maßnahmen zeigt sich somit: men vor Ort, die extensive Pflege der Grünflächen, der Ökologische und nachhaltige Gewerbegebiete sind Verzicht auf Düngemittel und Pestizide, begrünte Lärm- möglich, entsprechende Konzepte lange vorhanden. oder Sichtschutzmauern an den Grundstücksgrenzen als Angesichts der absehbaren Folgen des Klimawandels, Trittsteinbiotope, der Bau von Artenschutzhäusern und des wirtschaftlichen Rückstands des Ruhrgebiets und ein Beleuchtungskonzept, das Insekten möglichst wenig der schwindenden Akzeptanz neuer Bauvorhaben in gefährdet. der Bevölkerung gilt es, diese Konzepte hier in unserer Region endlich in die breite Umsetzung zu bringen. Darüber hinaus kommt dem Thema Wasser eine be- Die Entwicklung der Steinkohle-Kraftwerksflächen sondere Bedeutung zu. In Zeiten des Klimawandels gilt böten dazu eine passende Gelegenheit.
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