360 Vorsorge Governance - Willis Towers Watson

Die Seite wird erstellt Christopher Hartmann
 
WEITER LESEN
360 Vorsorge Governance - Willis Towers Watson
360°Vorsorge
Governance

Verhältnis Pensionskasse – Arbeitgeber

Governance im Anlagebereich

IKS als Führungsinstrument

Governance und Regulierung

Governance in 1e-Stiftungen

Überlegungen zum technischen Zinssatz

Ausgabe 1 – 2020
360 Vorsorge Governance - Willis Towers Watson
360°Vorsorge
Governance

Inhalt
Editorial...................................................................................................................................................................... 3

Am Puls......................................................................................................................................................................4

         Wie Schweizer Pensionskassen und ihre Sponsoren
         interagieren – aus Sicht der Governance................................................................4

         Investment-Governance................................................................................................................7

         Das interne Kontrollsystem
         als effektives Führungsinstrument..................................................................................11

Recht & Regulierung............................................................................................................................... 14

         Zunahme der Regulierungsdichte – Einschränkung der
         unternehmerischen Gestaltungsfreiheit oder Gewinn an
         Sicherheit?................................................................................................................................................ 14

         Governance nach Mass: Wie sehen gute
         Entscheidungsstrukturen für (Sammel-)Stiftungen aus?................. 18

         1e-Stiftung und Governance ...............................................................................................21

Aktuarielles & Bilanzierung........................................................................................................... 23

         FRP 4: Grundsätze für die Wahl des
         technischen Zinssatzes............................................................................................................ 23

News & Trends.............................................................................................................................................. 26

         SLI Pension Benchmarking Report 2019............................................................. 26

Events.......................................................................................................................................................................27

         Accounting Training Seminar.............................................................................................27
360 Vorsorge Governance - Willis Towers Watson
Editorial

Editorial
«… Wie konnte das passieren? Da hat die Governance versagt.» Diese
oder ähnliche Aussagen sind die Regel, wenn in einer Pensionskasse et-
was schiefläuft. Dabei wird heutzutage gerne das Schlagwort ­Governance
verwendet, welches dann u. a. das interne Kontrollsystem, die Aufbau-
und Ablauforganisation und die Entscheidungsprozesse einschliesst.

Governance ist somit zunächst durchweg positiv, soll sie doch zu mehr
Transparenz und Verlässlichkeit führen. Zu bedenken ist aber immer auch
der Aufwand, den Governance mit sich bringt, insbesondere auch bei
regulatorischen Vorgaben. Kosten-Nutzen-Abwägungen führen schnell
zu dem Schluss, dass Governance angemessen sein und das Risikoprofil
einer Pensionskasse berücksichtigen muss. Würden für alle die gleichen
Anforderungen angesetzt werden, wären kleine Kassen mit einfachen
Strukturen schnell überfordert und grosse, komplexere Kassen oder
Sammelstiftungen nicht ausreichend strukturiert.

In der vorliegenden Ausgabe von 360°Vorsorge nähern wir uns der Frage,
wie eine gute und adäquate Governance für autonome Pensionskassen
und Sammelstiftungen aussieht. Dabei wird es insbesondere um Aspekte
des Geschäftsbetriebs und der Kapitalanlage gehen. Auch regulatorische
Aspekte, welche zunehmend Governance-Themen verbindlich aus­
definieren, werden untersucht.

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre.

Stephan Wildner
Director of Retirement Services Switzerland

                                                                          360°Vorsorge – Februar 2020   3
360 Vorsorge Governance - Willis Towers Watson
Am Puls

Wie Schweizer Pensionskassen
und ihre Sponsoren interagieren –
aus Sicht der Governance
Es ist wichtig, dass sowohl die Pensionskasse als auch          aktion erforderlich oder empfohlen ist. Wenn beide Parteien
ihre Sponsoren die eigenen Governance-Anforderungen             in Bezug auf diese Punkte klare Verhältnisse schaffen und
ordnungsgemäss erfüllen. Genauso wichtig ist es, eine           eine offene und stetige Kommunikation pflegen, profitieren
gemeinsame Auffassung über die geteilten Rollen und             sie kontinuierlich und müssen nicht ad hoc Mehraufwand
Verantwortungen zu pflegen, im Rahmen derer eine Inter-         leisten, wenn es die Umstände erfordern (Abb. 1).

Abb. 1: Aufgabenzuweisung

                                              Aufgabenzuweisung nach Position und Organisation

                                             Unternehmen                                 Pensionskasse
                                             Buchhaltung /
                                                                          Stiftungsrat      Verwaltung        Anlage­
                                  Finanzen    Rechnungs­      HR
                                                                               PK              PK            ausschuss
                                                legung
Ursprüngliche
Leistungen und
PK (oder neue)
Plangestaltung
Durchführung
Vermögensanlage
Monitoring
Finanzierung

   Genehmigung               Einfluss

4   willistowerswatson.ch
360 Vorsorge Governance - Willis Towers Watson
Am Puls

Rollen und Verantwortung der Parteien                            Alternativ kann es regelmässige Informationssitzungen
                                                                 geben, bspw. nach jeder Stiftungsratssitzung. Diese Kommu-
Die obenstehende Übersicht liefert eine Zusammenfassung
                                                                 nikation hilft, das gemeinsame Verständnis zu stärken, und
der wichtigsten Rollen und Verantwortlichkeiten der Akteu-
                                                                 so können beide Seiten aus dem zusätz­lichen Wissen Nutzen
re eines Unternehmens und einer Pensionskasse. Hervorzu-
                                                                 ziehen. Die frühe Einbindung des HR-­Departements in Kom-
heben ist, dass die Einrichtung einer Pensionskasse (oder
                                                                 munikationspläne zu Pensions­fragen kann bspw. die Effizienz
die Wahl der Sammelstiftung, welcher man beitreten kann),
                                                                 und Wirkung der Mitglie­derkommunikation verbessern.
ihre Ausgestaltung und ihre Leistungen in der Verantwor-
tung des Unternehmens liegen. Das Unternehmen gibt die
Verantwortung (und Macht) für die laufenden Entscheide           Was kann schiefgehen?
in Bezug auf die Sammelstiftung jedoch dann in grössten          Typische Konfliktsituationen
Teilen an den Stiftungsrat (oder die Vorsorgekommission) ab.
                                                                 Es gibt einige wenige typische Situationen, die zu Konflik-
                                                                 ten führen können (und zwar auch dann, wenn bewährte
Bei den meisten laufenden Themen kann das Unterneh-
                                                                 Vorgehensweisen befolgt werden). Diese sind zum Beispiel:
men (bestenfalls) Einfluss auf den Stiftungsrat nehmen.
Dieser Einfluss kann potenziell über die vom Unternehmen
                                                                 ƒ Unternehmenstransaktionen / M&A-Aktivitäten
ernannten Vertreter ausgeübt werden. Diese haben jedoch
in ihrer Funktion als Stiftungsratsmitglieder in erster Linie    ƒ Wunsch des Unternehmens, Kosten oder Risiken der
eine treuhänderische Verantwortung gegenüber der Pen-              Pensionskasse zu reduzieren (einschliesslich Kosten und
sionskasse und ihren Mitgliedern, sodass die Einflussnah-          Risiken im Rahmen von Cash-Transaktionen und/oder
me des Unternehmens über sie nicht immer funktioniert.             firmeneigener Rechnungslegung)
Zudem erfordern nur wenige Entscheide des Stiftungs-             ƒ Änderungen der Pensionskasse, welche die Rechnungs-
rats eine formelle Genehmigung durch das Unternehmen.              legungszahlen des Unternehmens nachteilig beeinflussen,
Ein typisches und bedeutendes Beispiel für ein solches             ohne dass dies beabsichtigt war
Erfordernis ist, dass das Unternehmen Änderungen der             ƒ Aktiver Ausschluss des Unternehmens durch die Pensions-
Vorsorgepläne genehmigen muss, die zu einem Anstieg                kasse aus den Diskussionen sowie der Zusammenarbeit
der zukünftigen Beiträge des Unternehmens führen.                  mit der Pensionskasse
                                                                 ƒ Unzulässige Einflussnahme des Unternehmens auf den
Governance-Organisation – bewährte Verfahren                       Stiftungsrat oder Dominanz des Unternehmens im Stif-
Das Unternehmen und seine Pensionskasse sind untrenn-              tungsrat
bar miteinander verbunden, da sie in gewissem Masse
ohne einander nicht existieren können: Einerseits hat die        Schwierige Situationen kommen oft im Zusammenhang
Pensionskasse ohne das Unternehmen keine Existenz-               mit Unternehmenstransaktionen wie Fusionen, Übernah-
grundlage (ausser als reine Rentnerkasse). Andererseits ist      men, Spin-offs und Devestitionen vor. Als Folge solcher
das Unternehmen gesetzlich verpflichtet, seine Angestell-        Transaktionen kann es sein, dass die Mitgliederstruktur der
ten bei einer Pensionskasse zu versichern. Aufgrund dieser       Pensionskassen ungünstig ist (z. B. plötzliche Alterung des
gegenseitigen Abhängigkeit ist ein partnerschaftliches und       Versichertenbestandes oder Anstieg des Rentneranteils
gemeinschaftliches Verhältnis im Interesse beider Parteien.      an den Vorsorgeverpflichtungen). In solchen M&A-Situa-
                                                                 tionen können Vertreter des Unternehmens Kenntnis von
Aufgrund der Schwierigkeit des Unternehmens, die Arbeit-         zukünftigen Entwicklungen erlangen, welche eine negative
gebervertreter für die Vertretung der Unternehmensinter-         Auswirkung auf die Pensionskasse haben werden, was sie
essen zu nutzen (was mit der rechtlichen Verantwortung, im       dem ganzen Stiftungsrat jedoch zu diesem Zeitpunkt noch
Interesse der Pensionskasse und der Versicherten zu han-         nicht mitteilen können. In solchen Fällen ist es überaus
deln, im Widerspruch stehen kann), wird empfohlen, andere        wichtig, bewusst zwischen den verschiedenen Rollen, die
bedeutende Unternehmensvertreter (die nicht im Stiftungs-        eine Person möglicherweise einnehmen kann, zu unter-
rat vertreten sind) in die Beziehung mit dem Stiftungsrat ein-   scheiden und sie separat wahrzunehmen. Wenn zwischen
zubinden. Wir stellen fest, dass immer mehr Pensionskassen       dem Unternehmen und dem Stiftungsrat ein regelmässiger
solche Arbeitgebervertreter als Gäste zu ihren Sitzungen         Dialog stattfindet und Verständnis herrscht, kann dies be-
einladen oder dass Unternehmen darum bitten, an diesen           deuten, dass beide Seiten aus ihrer jeweiligen Perspektive
Sitzungen vertreten zu sein, bspw. durch Vertreter aus dem       gut auf solche Transaktionen vorbereitet sind.
Finanz- oder HR-Departement.

                                                                                                     360°Vorsorge – Februar 2020   5
360 Vorsorge Governance - Willis Towers Watson
Am Puls

Die Pensionskasse kann auch aufgrund von statutarischen
Deckungslücken zum Dealbreaker werden. Eine solche
                                                                Kommunikation ist wichtig!
Deckungslücke (als Folge einer Unternehmenstransaktion)
kann zu Verhandlungen zwischen der Pensionskasse und            Unabhängig von der Art der gewählten Pensions-
dem Unternehmen führen, die potenzielle Mittelzuflüsse zur      kasse ist es im Interesse aller Parteien, das bewährte
Folge haben. Oft liegt es zwar auch im Interesse des Unter-     Verfahren der offenen, gegenseitigen Kommunikation
nehmens, für die eigenen Angestellten über eine kapitalstar-    zwischen dem Unternehmen und der Pensionskasse
ke und stabile Pensionskasse zu verfügen. Trotzdem können       (und/oder der Vorsorgekommission) zu pflegen.
die Meinungen über die einzuschiessenden Beträge stark
variieren, je nachdem, welche Rolle und Perspektive man
einnimmt. Der Stiftungsrat hat bei laufenden Entscheidun-
gen über die Pensionskasse die Entscheidungsgewalt und
kann sich bei ihrer Ausübung auf das Gesetz stützen. Wenn                         Adam Casey
der Stiftungsrat jedoch in der Praxis das Unternehmen vor-                        Director
sätzlich ausgrenzt und die Interessen des Unternehmens                            Fellow of Institute of Actuaries of Australia

nicht respektiert, kann dies zu einem Konflikt mit dem Unter-                     adam.casey@willistowerswatson.com
nehmen führen. Im schlimmsten Fall wird das Unternehmen                           +41 43 488 44 41

nach einer anderen Pensionskasse Ausschau halten.

Wenn jedoch andererseits das Unternehmen den Stiftungs-
rat unzulässig beeinflusst oder gar dominiert, sehen sich
beide einem verstärkten Haftungsrisiko ausgesetzt: der
Stiftungsrat, weil er seinen Pflichten nicht nachgekommen       Samuel Neukomm
                                                                Director
ist, und das Unternehmen, weil es faktisch als Körperschaft
                                                                Pensionsversicherungs-Experte SKPE
der Pensionskasse handelte.
                                                                samuel.neukomm@willistowerswatson.com
                                                                +41 43 488 44 29
Kommentar Sammelstiftungen
Beim Anschluss an eine Sammelstiftung statt an eine
firmeneigene Pensionskasse ist die Interaktion zwischen
Unternehmen und Pensionskasse im Allgemeinen einge-
schränkter oder durch die Struktur der Sammelstiftung vor-
definiert. Wenn das Unternehmen im Extremfall an eine voll
versicherte Lösung angeschlossen ist, ist die sogenannte
Vorsorgekommission nur für formelle jährliche Zustimmun-
gen zuständig. Bei halbautonomen Sammelstiftungen, bei
denen bestimmte Planrisiken (üblicherweise Investitions-
und Langlebigkeitsrisiken) für die einzelnen Anschlüsse
festgelegt werden, ist die Lage aber ähnlich wie für die
oben beschriebenen firmeneigenen Pensionskassen.

Bei einem Anschluss des Unternehmens an eine Sammel-
stiftung ist ein Wechsel der Pensionskasse wahrschein-
licher als bei einem Anschluss des Unternehmens an eine
firmeneigene Pensionskasse. Wenn sich ein Unternehmen
eine neue Pensionskasse sucht und sich für diese ent-
scheidet, kann es wieder Teil des Entscheidungsprozes-
ses werden (obgleich ein Wechsel bestimmten rechtlichen
Anforderungen hinsichtlich der Einwilligungen der Ange-
stellten unterliegt).

6   willistowerswatson.ch
Am Puls

Investment-Governance

Ein zu guter Deal, um wahr zu sein?                              ƒ Sie wissen genau, was sie gut können und – was ebenso
                                                                   wichtig ist – was sie weniger gut können.
Was würden Sie denken, wenn Ihnen jemand eine kosten-
günstige Investition anbieten würde, die die Performance         ƒ Mit diesen Schritten können sie selbstbewusst Strategien
Ihres Fonds mit wenig Risiko um bis zu 1 Prozent pro Jahr          beschliessen, die mehr Raffinesse und Geduld erfordern.
erhöhen könnte? Zu gut, um wahr zu sein? Was wäre, wenn
man Ihnen sagen würde, dass die führenden Anleger der            Umgekehrt neigen Anleger, die nicht in diese guten Go-
Welt alle die gleiche Investition getätigt haben und dass die    vernanceattribute investieren, zu Inkonsistenz. Ihre Ziele
Kapazität für weitere Anleger fast unbeschränkt ist? Haben       verändern sich laufend. Sie übersehen Warnsignale. Sie
wir Ihr Interesse geweckt? Dann lesen Sie weiter. Die besten     suchen häufig den Erfolg, indem sie vergangenen Renditen
institutionellen Anleger der Welt zeichnen sich alle durch ein   nachjagen. Wenn es hart auf hart kommt, verlieren sie oft
Merkmal aus: Sie legen alle viel Wert auf ihre Governance.       die Nerven und verfallen in Schuldzuweisung.

Was ist Governance?                                              Verfügen Sie über Mechanismen, die
                                                                 sicherstellen, dass Ihre Organisation Wert
Für diese versierten Anleger umfasst Governance alle Per-        schafft statt vernichtet?
sonen und Prozesse, die eine Organisation für das Erreichen
ihres Ziels einsetzt.                                            Wenn es so einfach ist, warum wenden es
                                                                 dann nicht alle an?
                                                                 Es ist keine Kostenfrage: Die finanziellen Kosten für die Neu-
Kaum zu glauben!                                                 ausrichtung der Governance sind relativ gering im Verhältnis
Die Anleger nehmen immer öfter eine Stellungnahme zur            zu anderen Entscheiden, die Pensionskassen routinemässig
Governance in ihre Investment Beliefs auf, wie:                  treffen. Es gibt vielfältige Gründe, die sich aber oft auf die
                                                                 Angst vor Veränderungen, kombiniert mit der Überschätzung
ƒ Für den Erfolg sind eine hochstehende Governance               der bestehenden Governance, reduzieren lassen.
  sowie Entscheidungsfindung massgebend.
                                                                 Gut kann mehrere Formen annehmen
ƒ Trotz Anerkennung des Stellenwerts von Governance              Ein nützlicher Ansatz ist die Auseinandersetzung mit dem
  erhält das Thema oft wenig weitere Aufmerksamkeit.             Governancebudget Ihrer Organisation. Entweder lenkt Ihre
                                                                 Governancekapazität die Ausgestaltung Ihrer Anlagen – oder
Wie wollen Sie zeigen, dass Ihnen Governance                     umgekehrt. Wenn Ihr Budget tief ist, müssen Sie entweder
wichtig ist?                                                     über eine einfache Strategie verfügen oder sie an jemanden
                                                                 auslagern, der ein höheres Governancebudget bieten kann.
Einfluss der Qualität der Governance auf die Rendite
Investieren ist eine hart umkämpfte Tätigkeit, und die
cleversten Anleger profitieren von den Schwächen ihrer           Passt Ihr Governancebudget zu Ihrer Strategie?
Konkurrenten. Ihr Verlust ist mein Gewinn. Aber wenn das         Ein guter Governanceansatz mit 12 Faktoren
so ist, wie gewinnen dann die Sieger?                            Die folgende Tabelle fasst die Merkmale zusammen, die
                                                                 Willis Towers Watson bei der Governancequalität einer Or-
ƒ Sie stellen Spitzenentscheidungsträger ein und geben           ganisation berücksichtigt. 25 oder mehr uneingeschränkte
  ihnen die Möglichkeit, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.     «Jas» bedeuten, dass die Governance ziemlich fit ist. 15 oder
ƒ Bei ihrer Entscheidungsfindung sind sie sehr diszipliniert.    weniger weisen darauf hin, dass Sie von ausführlichen Arbei-
  Sie führen konsistente und kohärente Abläufe für die Ent-      ten an der Effizienz der Governance profitieren würden.
  scheidungsfindung ein, die den menschlichen Schwächen
  entgegenwirken.
ƒ Sie lernen laufend dazu und streben nach Verbesserung
  in dem, was sie tun.

                                                                                                       360°Vorsorge – Februar 2020   7
Am Puls

Die 12-Faktoren Checkliste
1. Klarer Auftrag: Verfügen Sie über einen klaren organisato-   7. Anlageteam: Sind Sie für ein hochqualifiziertes, aus-
    rischen Plan? Wird er von einem entsprechenden Business-         reichend grosses Anlageteam attraktiv? Verfügt dieses
    plan unterstützt? Stehen die wichtigen Akteure dahinter?         über klar definierte Verantwortungen und ist es auf Ihre
                                                                     organisatorischen Ziele ausgerichtet?
2. Effektive Zeitnutzung: Wird mit Klarheit delegiert? Kon-
    zentriert sich der Anlageausschuss auf strategische Ent-     8. Kompetenzen Stiftungsrat: Verfügt Ihr Stiftungsrat über
    scheide und überlässt die operativen dem Management?             Mitglieder mit fundiertem Hintergrund im Finanzwesen
    Beherrschen strategische Fragen (wie die Governance)             oder in der Vermögensanlage, die das Managementden-
    die Tagesordnung?                                                ken effizient hinterfragen und leiten können? Besteht eine
                                                                     vertrauensvolle Beziehung zwischen Stiftungsrat und
3. Leadership: Können sich die Führungskräfte der Orga-             Management?
    nisation effizient auf die verschiedenen Fertigkeiten und
    Stile in der Organisation konzentrieren? Haben sie guten     9. Vergütung: Können Sie ein Mitarbeiter-Wertversprechen
    Kontakt mit den Akteuren? Üben sie ihre Rolle mit Leiden-        bieten, das die höchstqualifizierten Personen anzieht?
    schaft und Tatkraft aus?                                         Verfügen Sie über eine erfolgsorientierte Leistungsver-
                                                                     gütung? Wird sie aufgeschoben, um nachhaltige Perfor-
4. Beliefs: Verfügen Sie über ausgereifte Investment Beliefs?      mance zu belohnen?
   Sind der Anlageausschuss und das Management darauf
   ausgerichtet? Werden die Beliefs bei der Entscheidungs-       10. Wettbewerbspositionierung: Kennen Sie die Wettbe-
   findung mit einbezogen?                                            werbsstärken und -schwächen Ihrer Organisation? Ist
                                                                      Ihre Strategie darauf ausgerichtet? Können Sie über die
5. Risikomanagement: Verfügen Sie über eine klare Stel-              Qualität Ihres Anlageteams und Anlagemodells Mehr-
    lungnahme zur Risikobereitschaft? Verfügen Sie über               wert schaffen?
    einen strukturierten Prozess für die Zuteilung auf ver-
    schiedene Risikofaktoren in Ihrem Portfolio?                 11. In Echtzeit ausführen: Können Sie, wenn erforderlich,
                                                                      Entscheide in Echtzeit treffen? Können Sie das Beste
6. Managerselektion: Verfügen Sie über klare Richtlinien             aus dem Zeithorizont machen, der Ihrer Organisation
    für die Einstellung und Entlassung von Vermögensver-              zur Verfügung steht?
    waltern? Wird dabei der Fokus mehr vorausschauend auf
    organisatorische Elemente als auf vergangene Perfor-         12. Lernfähigkeit: Verfügen Sie über eine Organisations-
    mance gelegt?                                                     kultur, die danach strebt, sich laufend zu verbessern?
                                                                      Verfügen Sie über Abläufe, um aus vergangenen Ent-
                                                                     scheiden zu lernen? Netzwerken Sie mit Fachkollegen,
                                                                     um zu erfahren, wie sie vorgehen?

Einige konkrete Beobachtungen                                    Hier besteht die Herausforderung klar darin, die Governan-
zu Schweizer PK-Anlagepraktiken                                  cestruktur zu finden, die zum Hauptziel passt, das in der
                                                                 Lieferung der geforderten Rendite zum niedrigsten Risiko
Beispiel 1 – Ein effizientes Portfolio erfordert Monitoring      besteht. Behalten Sie unter Berücksichtigung der Kenntnis-
Die meisten Anlageausschüsse Schweizer Pensionskas-
                                                                 se und Fertigkeiten der für die Investition verantwortlichen
sen treffen sich vierteljährlich, was für ein einfaches, meist
                                                                 Personen möglichst viel intern und suchen Sie zusätzliche
passives Portfolio ausreicht. Je komplexer dieses jedoch
                                                                 Unterstützung für Aufgaben, die besondere Fertigkeiten
ist, bspw. mit aktivem Management in weniger liquiden Be-
                                                                 von ausserhalb der Organisation erfordern (Abb. 2).
reichen, umso mehr steigt der Kontrollbedarf, der rasch die
verfügbaren Ressourcen übersteigen kann. Die folgende
Grafik veranschaulicht diesen Punkt durch den Vergleich
eines «kostenorientierten» (Low Governance) mit einem
«effizienzorientierten» (High Governance) Portfolio (Abb. 1).

8   willistowerswatson.ch
Am Puls

 Abb. 1: Vergleich von zwei Portfolios mit den gleichen erforderlichen Renditen
 Diversifizierung innerhalb der Segmente Aktien, Kredit und Alternativen

 0%                 20 %             40 %             60 %        80 %        100 %

 Low Governance Portfolio
                            35 % 5 %               20 % 5 % 5 %               30 %                   Kostenorientiert
                                                                                        passiv          –             –            –
 High Governance Portfolio
          15 % 5 % 5 %       10 %    10 %      10 %        10 %     20 %   10 % 5 %                 Effizienzorientiert
                                                                                                     Smart
                                                                                        passiv                      aktiv       illiquid
n Aktien Schweiz und Industrieländer                                                                 Beta
n Aktien Schwellenländer
n Börsennotierte Infrastrukturtitel                                                      ƒ   Beide Portfolios zielen auf die glei-
n Obligationen Schweiz                                                                       chen erforderlichen Renditen ab.
n Obligationen Welt                                                                      ƒ   Hohe Governance Portfolio er-
n High Yield, Emerging Debt                                                                  fordert grössere Anstrengungen,
                                                                                             aber das Risiko ist um ~ 40 %
n Loans, Direct Lending, ABS, verbrieft
                                                                                             reduziert.
n Immobilien
n Alternative Beta
n Infrastruktur
 Quelle: WTW GAM Model, 30.9.2019.

 Abb. 2: Willis Towers Watson’s Auswertung Governance
 Verglichen mit einem Referenzportfolio kann Governance entweder Mehrwert oder Entwertung bewirken,
 je nach anfänglichem Risikobudget.

                                                                                         AAA                Global best practice

                                                                                          AA                 Starke Governance

                                                                                             A

                                                                                         BBB
Rendite

                                                                                                             Starke Governance
                                                                                          BB

                                                                                             B

                                                                                         CCC

                                                                                          CC           Schwache Governance

                                                                                             C

                                            Risikobudget

          Mehrwert
          Referenzportfolio
          Entwertung

                                                                                                            360°Vorsorge – Februar 2020    9
Am Puls

Beispiel 2 – Gründe, einen Vermögensverwalter                           Abb. 3: Wie lange wird Underperformance toleriert,
zu ersetzen                                                             bis nach einem Ersatz gesucht wird?
Pensionskassen reagieren oft zu heftig und entlassen Ver-
                                                                        0%            10 %          20 %         30 %         40 %         50 %
mögensverwalter für schlechte kurzfristige Performance.
Dies ist jedoch oft die falsche Entscheidung (Abb. 3).                  1 Jahr
                                                                                                                            40 %
Häufig wird ein Vermögensverwalter nur aufgrund von
enttäuschender (und oft kurzfristiger) vergangener Perfor-              2 Jahre
mance ersetzt. Allerdings ist die vergangene Performance                                                                                 49 %
ein schlechter Gradmesser für zukünftige Renditen. Deshalb
ist es wichtig, dass die Gründe für eine Underperformance               3 Jahre
analysiert werden, und zwar mit Blick auf die Abläufe und                         11 %
Personen, damit eine gut begründete Einschätzung des zu-
künftigen Renditepotenzials vorgenommen werden kann.                    Quelle: Erhebung Financial Times/State Street Global Advisors,
                                                                        Oktober 2016.

Beispiel 3 – Dinge richtig machen –
oder die richtigen Dinge tun?
Gerne können wir Pensionskassen bei der Wahl der richti-
gen Themen und deren Planung für 2020 unterstützen, in-
                                                                        Abb. 4: Low vs. High Governance
dem wir eine kostenlose Businessplanvorlage bereitstellen.
Selbstverständlich ist ein effizienteres Sitzungsmanagement                                    5%
nicht die einzige Zutat für den Governance-Erfolg, aber es
ist für die meisten Pensionskassen der beste und einfachs-
te Startpunkt.
                                                                             25 %

                                                                                                Low ­
                                                                                                                           50 %
                                                                                             Governance
     Jérôme Franconville
     Head Investment Services (Schweiz)

     jerome.franconville@willistowerswatson.com
     +41 21 321 68 04
                                                                                  20 %

                                                                                    18 %
                             Michael Valentine
                             Investment Consultant
                                                                                                                        34 %
                             michael.valentine@willistowerswatson.com
                             +41 43 488 44 10
                                                                                                High ­
                                                                                             Governance
                                                                         22 %

                                                                                                        26 %

                                                                        n Obligationen
                                                                        n Aktien
                                                                        n Immobilien
                                                                        n Andere Anlagen

10   willistowerswatson.ch
Am Puls

Das interne Kontrollsystem
als effektives Führungsinstrument
In der Verordnung über die berufliche Alters‑, Hinterlas-        Risiken erkennen und bewerten
senen‑ und Invalidenvorsorge (BVV 2) wird unter anderem
                                                                 Bei einem Risikofrüherkennungssystem steht, wie der Name
festgehalten, dass die Revisionsstelle bei der Prüfung der
                                                                 es schon vermuten lässt, die frühzeitige Identifizierung von
Organisation und Geschäftsführung der Vorsorgeeinrich-
                                                                 Risiken und deren Ursachen im Vordergrund. Denn erst mit
tung auch bestätigt, dass eine der Grösse und Komplexität
                                                                 dem Wissen über die möglichen Ursachen eines Risikos
angemessene interne Kontrolle existiert. Nähere Definitio-
                                                                 können Massnahmen ergriffen werden, um die möglichen
nen, wie diese interne Kontrolle auszugestalten ist, liefert
                                                                 Gefahren zu reduzieren oder die Folgen aus den erkannten
die Gesetzgebung nicht. In der Praxis ist die Nutzung eines
                                                                 Risiken beherrschbar zu machen. Welche Risiken Sie im
sogenannten internen Kontrollsystems (IKS) die geläufigste
                                                                 Rahmen Ihres internen Kontrollsystems kontrollieren sollten
Umsetzung einer solchen internen Kontrolle. Doch was be-
                                                                 und wie diese einzuordnen sind, kann pauschal nicht beant-
deutet das genau?
                                                                 wortet werden. Wirft man allerdings einen Blick auf unser
                                                                 Nachbarland Deutschland, ergeben sich aus den aufsichts-
Sinn und Zweck des internen Kontrollsystems                      rechtlichen Mindestanforderungen an das Risikomanage-
Das interne Kontrollsystem in der beruflichen Vorsorge ist       ment (MaRisk VA) folgende Risikokategorien:
ein Risikofrüherkennungssystem. Es soll den Stiftungsrat bei
der Erreichung der operativen Ziele sowie bei der Einhaltung
                                                                 ƒ Versicherungstechnische Risiken
von Gesetzen und Richtlinien als auch generell im Risiko-        ƒ Konzentrationsrisiken
management unterstützen. Oftmals variieren die Interpreta-       ƒ Kapitalanlagenrisiken
tionen und Umsetzungen hierzu aufgrund der mangelnden
                                                                 ƒ Strategische Risiken
Konkretisierung in der Gesetzgebung. So kann es schnell
passieren, dass man bei der Erstellung eines solchen Instru-     ƒ Operationelle Risiken
ments überfordert ist oder dass bereits bestehende Kontroll-     ƒ Reputationsrisiken
systeme nicht weiter aktualisiert werden.
                                                                 Eine Orientierung an bestehenden Systemen ist sinnvoll,
Das kann dazu führen, dass gewisse Faktoren unkontrolliert       aber nur begrenzt hilfreich. Die Risikokontrolle an sich ist
und entsprechende Risiken unerkannt bleiben oder bereits         sehr individuell. Deshalb empfehlen wir, bei der Erstellung
implementierte Kontrollen in der Zwischenzeit hinfällig ge-      des IKS sämtliche Prozesse zu durchleuchten und diese auf
worden sind, aber dennoch jedes Jahr wieder durchgeführt         ihre jeweiligen Risiken zu analysieren. Dieses Vorgehen sollte
werden. Solche Fehlerquellen mindern den Mehrwert dieses         danach regelmässig wiederholt werden, damit Ihr Kontroll-
Instruments. Schafft man es, diese zu beheben, führt das zur     system sich mit der Vorsorgeeinrichtung mitentwickelt und
Ersparnis von Kosten und Zeit einerseits sowie zu einer effek-   so möglichst aktuell bleibt.
tiven Kontrolle von Risiken andererseits. Mit diesem Artikel
möchten wir Ihnen wichtige Kernelemente eines internen           Sind die potenziellen Risiken erst einmal bekannt, ist es
Kontrollsystems aufzeigen, damit Sie die zuvor beschriebe-       vorteilhaft, diese hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlich-
nen Problemstellungen vermeiden und das IKS als effektives       keiten einerseits und möglichen Auswirkungen andererseits
Hilfsmittel und Führungsinstrument nutzen können.                zu bewerten. Dadurch erkennt man, welche Risiken stärker
                                                                 kontrolliert werden müssen und welche weniger. So können
                                                                 die verfügbaren Kontrollressourcen optimal eingesetzt wer-
                                                                 den. Typischerweise erfolgt eine solche Beurteilung mit Hilfe
                                                                 einer Risikomatrix. Auch hier ist die regelmässige Wiederho-
                                                                 lung des Vorganges empfehlenswert, um effektive Kontrollen
                                                                 zu ermöglichen und die Wahrscheinlichkeit zu verringern,
                                                                 dass überflüssige Kontrollen erfolgen (Abb. 1).

                                                                                                      360°Vorsorge – Februar 2020   11
Am Puls

    Abb. 1: Risikomatrix

                              100 %

                              90 %

                              80 %

                              70 %
Eintrittswahrscheinlichkeit

                              60 %

                              50 %

                              40 %

                              30 %

                              20 %

                               10 %

                                0%

                                      gering                        akzeptabel                           kritisch                        katastrophal
                                                                                 Schadensausmass

                                      n Hoher Kontrollaufwand
                                      n Mittlerer Kontrollaufwand
                                      n Geringer Kontrollaufwand

    Kontrollmechanismen:                                                              Definieren Sie die Periodizität der jeweiligen Massnahmen
    Periodizität und Zuständigkeiten definieren                                       und führen Sie auf den implementierten Kontrollhilfen das
                                                                                      Datum der zuletzt erfolgten Kontrolle auf. Dies vereinfacht
    Neben Risikobeschreibung und -bewertung sollte auch                               die Selbstkontrolle. Letztlich sollte zu jedem Risiko und des-
    festgehalten werden, welche Massnahmen gegen diese                                sen Massnahme(n) unbedingt auch eine dafür zuständige
    Risiken getroffen oder wie diese kontrolliert werden. Oft-                        Person definiert werden. Je konkreter, desto besser.
    mals wird hierbei auf Protokolle und Sitzungen verwiesen,
    was die Kontrolle erschwert, weil die einzelnen Komponen-
    ten zusammengesucht werden müssen. Es bietet sich an,                             Gefahrentabelle als zentrales Element
    die Massnahmen mittels Listen, Grafiken oder Ähnlichem                            Führt man nun die zuvor erwähnten Elemente in einer Über-
    direkt in das Kontrollsystem zu integrieren. Dadurch sind                         sicht zusammen, ergibt sich eine Gefahrentabelle für die
    sämtliche Informationen zentral einsehbar. Eine Bewertung                         Vorsorgeeinrichtung. Es ist auf einen Blick zu erkennen, wel-
    der vorgesehenen Massnahme, ähnlich wie beim Risiko,                              che Risiken bestehen, wie sich diese auf die Vorsorgeein-
    kann optional ebenfalls geführt werden.                                           richtung auswirken können, welche Massnahmen getroffen
                                                                                      werden und wie oft diese von welcher Person durchzuführen
                                                                                      sind. Ein mögliches Beispiel einer solchen Gefahrentabelle
                                                                                      anhand der Kontrolle von Zeichnungsberechtigungen könnte
                                                                                      wie folgt aussehen (Abb. 2).

    12                         willistowerswatson.ch
Am Puls

Abb. 2: Gefahrentabelle

 Kontroll­           Ziel der          Beurteilung des   Mass­­-                                Kontroll­             letzte
                                                                           Zuständigkeit
 gegenstand          Kontrolle         Risikos           nahme                                  frequenz              Kontrolle
 Zeichnungsbe-       Verhinderung      Mittleres         Liste «Zeich-     Geschäfts­           Jährlich              16.10.2019
 rechtigungen bei    von ungültigen    Risikomass        nungsberechti-    führung
 Handelsregister     Verträgen                           gungen» führen
 und Banken
                     Machtmiss-                          Stichproben bei
 Kollektive Zeich-   brauch durch                        unterzeichneten
 nungsberechti-      eine Einzelper-                     Dokumenten
 gungen              son verhindern

Fazit
                                                                                        Virginie Morand
Die hier aufgeführten Elemente sind als Orientie-                                       Aktuar SAV
                                                                                        Associate
rungshilfe zu verstehen und bilden keine abschlies-
sende Aufzählung. Versuchen Sie Ihr IKS kritisch zu                                     virginie.morand@willistowerswatson.com
                                                                                        +41 21 321 68 17
betrachten und es als Arbeitsinstrument zu verste-
hen. Es soll so ausgestaltet werden, dass ein konkre-
ter Mehrwert daraus entsteht. Ein gutes, passendes
IKS kann über die Einhaltung einer regulatorischen
Vorschrift hinaus als effektives Kontroll- und Füh-
rungsinstrument eingesetzt werden. Klare Defini-
tionen und regelmässige Kontrollen sind essenziell.                  Nico Fiore
                                                                     Pension Fund Management
Bei Unsicherheiten lohnt es sich, den Austausch mit
einem unabhängigen Anbieter zu suchen. Wir stehen                    nico.fiore@willistowerswatson.com
                                                                     +41 43 488 44 06
sehr gerne zur Verfügung und unterstützen Sie bei
der Erstellung oder Überarbeitung Ihres internen
Kontrollsystems.

Das Wichtigste in Kürze
Das IKS ist als Arbeitsinstrument zu verstehen und
soll so ausgestaltet werden, dass ein konkreter
Mehrwert daraus entsteht. Es soll den Stiftungsrat
bei der Erreichung der operativen Ziele sowie bei
der Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien als
auch generell im Risikomanagement unterstützen.
Betrachten Sie Ihr IKS kritisch und versuchen Sie,
es so aktuell und individuell wie möglich zu halten.
So stellen Sie sicher, dass Ihr IKS einen wichtigen
Beitrag in der Governance leistet.

                                                                                                            360°Vorsorge – Februar 2020   13
Recht & Regulierung

Zunahme der Regulierungsdichte – Ein-
schränkung der unternehmerischen Gestal-
tungsfreiheit oder Gewinn an Sicherheit?
Die Regulierungsdichte hat in den letzten Jahren im Vor-      Freiheit belassen werden, welche insbesondere auch
sorgebereich massiv zugenommen. Dies einerseits durch         erforderlich ist, um sich erfolgreich und individuell an ver-
immer häufigere und detailliertere Rechtserlasse im Umfeld    änderte Umstände anpassen zu können. Diese Spielräume
der Vorsorgeeinrichtungen selber und andererseits auch        wurden bisher in einem unternehmerischen Sinne rege für
in anderen Rechtsbereichen mit starken Auswirkungen auf       situations­gerechte und ökonomisch sinnvolle Lösungen ge-
die berufliche Vorsorge. Einige neue Regulierungsschritte     nutzt. Davon haben häufig Arbeitgeber und Versicherte glei-
haben jedoch auch die Flexibilität der Vorsorgeeinrichtun-    chermassen profitiert. Die Vorsorgeeinrichtungen können
gen erhöht.                                                   dabei die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf
                                                              ihre Situation bezogen mit dem Erlass massgeschneiderter
                                                              Reglemente berücksichtigen.
(Historischer) Grundgehalt der Regulierung im
Vorsorgebereich
                                                              In anderen Systemen in Europa liegt eine höhere Konzent-
Das System der beruflichen Vorsorge basiert historisch eher   ration der Vorsorgeeinrichtungen vor. Einhergehend damit
auf Prinzipien und Grundsätzen (Regelung im OR, Prinzipien    liegt auch eine höhere Professionalisierung und Regulierung
der Angemessenheit, Kollektivität, Gleichbehandlung und       der beruflichen Vorsorge vor. So sieht das EU-Recht bspw.
Planmässigkeit sowie Versicherungsprinzip) als auf Detail-    unabhängige Schlüsselfunktionen im Governance-­Bereich
regelungen.                                                   vor, nämlich eine Risikomanagementfunktion, eine interne
                                                              Revisionsfunktion und eine versicherungsmathematische
Dieses grundsätzlich prinzipienbasierte System lässt somit    Funktion (siehe dazu: Schilter/Heiniger, in: Schweizer Perso-
traditionell sowohl Gestaltungs- und Ermessensspielräume      nalvorsorge 07-2019, S. 102).
für die Vorsorgeeinrichtungen zu als auch für die Rechts-
anwendung seitens der Behörden und Gerichte. Somit kann
den einzelnen Vorsorgeeinrichtungen die unternehmerische

14   willistowerswatson.ch
Recht & Regulierung

    Abb. 1: Zunehmende Regulierungsdichte
    Regel- statt grundsatzbasierte Überwachung
                                                                                                                                                                  BVG-
                                                                                                                                                                 Reform*
                                                                                                                    Struktur-
                                                                                                                                                           FIDLEG/
                                                                                                                     reform
                                                                                                                                                            FINIG
                                                                             BVG, BVV2                          FZG,                                                    DSG
                                                                                                               Anpas-          1e-Plan-
                                                                              (Einkaufs­                                       Revision
                                                                          beschränkung)                        sungen
                                                                                                    BVV2
                                                                                           Teilliquidation

                    400                                              ZGB, BVG, FZG,         1. BVG­
                                                                                            Revision

                                                                                                                               Revision Scheidungsrecht
                                                                 BVV2 (Ehescheidung,
   Anzahl Artikel

                                                                  Anlagevorschriften)
                                                                                           ATSG
                                                     BVV 1
                                                     BVV 2              FZG
                                                                        WEF
                                                    BVG

                           ZGB
                           OR               OR
                    100

                      5
                      2
                            1955

                                            1972

                                                       1985
                                                    1986/87

                                                                        1995

                                                                                    2000

                                                                                            2003
                                                                                            2005

                                                                                                        2009

                                                                                                                        2010

                                                                                                                                                          2017

                                                                                                                                                                 2020
                                                                 Jahr
                          * In Vernehmlassung.

Überblick über die wichtigen                                   Um derartige Missbrauchsfälle zu verhindern und Sicherheit
Regulierungsschritte                                           zu schaffen, haben im letzten Jahrzehnt einige Reformen zu
                                                               einer stärkeren Regulierung geführt. Es ist dabei stets abzu-
In den letzten Jahren wurden immer mehr und immer              wägen zwischen den Kosten und dem Nutzen der einzelnen
detailliertere Gesetze, Verordnungen und Regulierungen im      Regulierungen für das Rechtssystem. So hat insbesondere
Bereich der beruflichen Vorsorge erlassen. Einerseits wurde    die Strukturreform ab 2011 die Bestimmungen betreffend
in letzter Zeit durch grössere Regulierungsvorhaben wie die    Governance und Transparenz im BVG verschärft und zu
Strukturreform als 2. BVG-Revision und durch Regulierungs-     einer Stärkung der Aufsicht und Kontrolle über die Vorsor-
schritte im Bereich Finanzmarkt und Datenschutz Sicherheit     geeinrichtungen geführt. Es sollen insbesondere Interes-
durch neue detaillierte Regelungen geschaffen – und den-       senkonflikte vermieden und die Verantwortlichkeiten klar
noch ist mit der Reform der beruflichen Vorsorge, die Ende     geregelt werden. Dabei ist eine Annäherung an andere,
2019 in die Vernehmlassung geschickt worden ist, bereits       stärker regulierte Rechtsbereiche wie die Regulierung der
die dritte, grössere BVG-Reform im Gange – andererseits        Aktiengesellschaft und die Regulierung von Banken zu be-
sind durch neue Regulierungsschritte wie die Einführung        obachten. So konnten griffigere Governance-Bestimmungen
der neuen Gesetzgebung zu den sog. «1e-­Plänen» 2017 die       für einen sehr bedeutenden und kapitalintensiven Rechtsbe-
unternehmerische Gestaltungsfreiheit und Flexibilisierung      reich – es werden insgesamt ca. CHF 1’000 Mia. an Gutha-
auch erhöht worden.                                            ben von Versicherten verwaltet – geschaffen werden.

Fälle wie «First Swiss Pension Fund», wo unter der Ägide des
Stiftungsrats Vorsorgegelder in der Höhe von CHF 34 Millio-
nen unrechtmässig verwendet worden sind, haben gezeigt,
dass die Governance- und Risikokontrollbestimmungen
teilweise verbessert werden sollten, aber auch die Rechts-
anwendung und -durchsetzung bestehender Vorschriften
verbessert werden können.

                                                                                                               360°Vorsorge – Februar 2020                                15
Recht & Regulierung

Auch die kürzlich in starkem Ausmass zunehmende Regu-
lierung in anderen Rechtsbereichen wirkt sich aus. So ist im
                                                               Fazit: Auswirkungen der zunehmenden
Bereich der Finanzdienstleistungen allgemein eine Tendenz
                                                               Regulierungsdichte
zu einer einheitlichen Regulierung für alle Anbieter («same
level playfield») zu beobachten. Die neuen Gesetze im Be-      Es sollte bloss reguliert werden, wo nötig zur Ge-
reich der Finanzmarktregulierung (FIDLEG und FINIG mit         währleistung der Sicherheit, aber so wenig ein-
Inkrafttreten per 1. Januar 2020) lösen u. a. umfassende       schränkend wie möglich. In letzter Zeit werden
neue Bewilligungs-, Verhaltens- und Informationspflichten      jedoch immer detailliertere und umfassendere
für Vermögensverwalter und Anlageberater aus. Auch im          Regulierungen (oft aufgrund eines Fehlverhaltens
Datenschutzbereich sind umfassende Anpassungen im              einzelner oder einiger weniger Akteure) erlassen.
Gange. Das sich noch im parlamentarischen Beratungs-           Dabei wird der Ermessensspielraum aller Vorsor-
prozess befindende neue Datenschutzgesetz soll sektor-         geeinrichtungen, der Aufsichtsbehörden und von
übergreifend die Mitbestimmungsrechte der betroffenen          Gerichten insbesondere im Governance-­Bereich
Personen stärken und Transparenz schaffen. Diese beiden        stärker eingeschränkt. Neben der dadurch ver-
Gesetzgebungsvorhaben sind dabei sehr umfassend im             mehrt eingeschränkten unternehmerischen Gestal-
Detaillierungsgrad und angelehnt an ähnliche, neuere Regu-     tungsfreiheit wird andererseits (hoffentlich) auch
lierungen in der Europäischen Union (nämlich MiFiD II und      die Sicherheit erhöht, indem klare Regelungen
EU-Datenschutz-Grundverordnung).                               geschaffen werden.

In anderen Bereichen der beruflichen Vorsorge, d. h. ins-      Verglichen mit anderen Rechtsgebieten wie bspw.
besondere im Finanzierungs- und Leistungsbereich, hat der      der Finanzmarktregulierung und auch verglichen
Gesetzgeber jedoch bewusst und mit steigender Tendenz          mit der Situation in den umliegenden europäischen
auf die Eigenverantwortung der Vorsorgeeinrichtungen           Ländern besteht allerdings nach wie vor ein relativ
und eine Flexibilisierung gesetzt sowie einen höheren Ge-      grosser Gestaltungsspielraum. Für Vorsorgeeinrich-
staltungsspielraum geschaffen. 2017 wurde nämlich durch        tungen bedeutet dies, dass immer noch erhebliche
eine Gesetzesrevision die Einführung von «1e-Plänen» für       Freiräume bestehen, die im Sinne der Versicherten
diejenigen Pensionskassen erleichtert, welche den Ver­         auch aktiv eingesetzt werden sollten. So können
sicherten die Wahl ihrer eigenen Anlagestrategie für Lohn-     die einzelnen Vorsorgeeinrichtungen nach wie vor
anteile über CHF 127’980 ermöglichen wollen.                   massgeschneiderte Reglementsbestimmungen um-
                                                               setzen und den Versicherten viele Wahlmöglichkei-
Gerade durch die aktive Wahl der Parameter der einzelnen       ten (wie Beitragshöhe, Umwandlungssätze, Risiko-
Vorsorgepläne wie Anlagestrategie, Umwandlungssätze,           versicherung, Anlagestrategien, Weiterversicherung
Beitragssätze, Rentenalter oder Rücktrittsregeln können        ab Alter 58 u. a.) offerieren.
die einzelnen Vorsorgeeinrichtungen für ihre Situation und
ihren Bestand passende, individuelle Lösungen finden. Die      Es stellt sich weiter die Frage, ob die zunehmende
Tendenz der aktiven Einflussnahme von Vorsorgeeinrich-         Regulierungsdichte das Ende des Schweizer Miliz-
tungen und Firmen zur Verbesserung der Vorsorgelösun-          systems einläutet. Insbesondere werden kleinere
gen ist dabei eher steigend. Es kann gleichzeitig das Risiko   Vorsorgeeinrichtungen in gewissen Bereichen
minimiert als auch die Performance verbessert werden.          (Finanzmarktregulierung, Datenschutz) vermehrt auf
                                                               professionelle Beratungsdienstleistungen angewie-
                                                               sen sein, um sämtliche regulatorische Anforderun-
                                                               gen nach wie vor einhalten zu können. Die zuneh-
                                                               mende Regulierung ist damit ein weiterer Faktor,
                                                               der zu einer Verteuerung und letzten Endes auch
                                                               zu einer stärkeren Konzentration und Professiona­
                                                               lisierung des Schweizer Vorsorgesystems führt. Dies
                                                               bedeutet unseres Erachtens aber noch nicht das
                                                               Ende des Milizsystems.

16   willistowerswatson.ch
Recht & Regulierung

Ausblick
Es ist zu erwarten, dass die zunehmende Konzentration, Professionalisierung und Orientierung an EU-Recht auch
im Schweizer Vorsorgerecht eher zu einer weiteren Verschärfung von Governance-Bestimmungen führen wird.
Es könnten in Anlehnung an die EU-rechtliche Entwicklung neue professionelle Funktionen wie eine eigenständige
Risikomanagementfunktion geschaffen werden. Solche Anforderungen würden mit Sicherheit weitere Pensions-
kassen zur Aufgabe zwingen und in Sammelstiftungen treiben.

Auf der anderen Seite ist, insbesondere auch im Hinblick auf das aktuelle Umfeld, zu erwarten, dass die bereits be-
stehenden unternehmerischen Gestaltungsräume künftig noch besser genutzt werden, insbesondere auch von
Sammelstiftungen.

Ein Unternehmen kann bereits heute die berufliche Vorsorge im Rahmen der Rekrutierung von Mitarbeitern besser
vermarkten und mit einer guten Lösung punkten. Oder es können für die Mitarbeiter attraktivere Einkaufsmöglich-
keiten geschaffen werden, um die berufliche Vorsorge optimaler aufzubauen sowie im Rahmen der zulässigen
Spielräume steuerliche Vorteile zu ermöglichen. Dies würde über eine Wahl einer entsprechenden Vorsorge­lösung
umgesetzt – beziehungsweise auf der Ebene der Vorsorgeeinrichtung, indem der Stiftungsrat die Strategie und
massgeschneiderte Konzepte detaillierter definiert (vgl. Art. 51a BVG).

Die Gesetzgebung im Bereich der beruflichen Vorsorge soll auch künftig weiter flexibilisiert werden. So sollen bspw.
im Rahmen der anstehenden EL-Reform Massnahmen eingeführt werden, damit ältere Arbeitslose ab Alter 58 –
bzw. bereits ab Alter 55, falls reglementarisch vorgesehen – verlangen können, die Vorsorgeversicherung weiterzu-
führen, wenn der Arbeitgeber kündigt.

                       Christian Heiniger
                       Pensionsversicherungs-Experte SKPE

                       christian.heiniger@willistowerswatson.com
                       +41 43 488 44 04

Patric Füglistaller
lic. iur., Legal Consultant Retirement

patric.fueglistaller@willistowerswatson.com
+41 43 488 44 57

                                                                                                360°Vorsorge – Februar 2020   17
Recht & Regulierung

Governance nach Mass:
Wie sehen gute Entscheidungsstrukturen
für (Sammel-)Stiftungen aus?

Agency-Theorie als Ausgangslage                                    Agent-Konflikte und demzufolge auf Governance-Anforde-
                                                                   rungen: Kleine, autonome Kassen mit einem Vermögen von
Die Governance-Diskussion in Pensionskassen hat ihren Ur-
                                                                   deutlich unter CHF 1 Mrd. weisen ein anderes Risikoprofil auf
sprung in der sog. Agency-Theorie. Immer dort, wo Vertreter
                                                                   als eine große Pensionskasse oder gar eine Sammelstiftung.
(Agenten) Geschäfte von anderen (Prinzipalen) besorgen,
besteht ein potenzieller Interessenkonflikt (Prinzipal-Agent-      Bei der Governance ist daher der Grundsatz der Propor-
Konflikt). Typischerweise sehen sich einzelne Versicherte          tionalität zu beachten. Governance erhöht die Transparenz
(Prinzipale) Pensionskassen (Agenten) gegenüber, die aus           und ist oft mit einer Dokumentation und Öffentlichkeit ver-
deren Sicht über Informationsvorteile verfügen und langlau-        bunden, was zu erheblichem Aufwand führen kann. Würden
fende, komplexe Produkte anbieten (Abb. 1).                        nun gleiche Governance-Anforderungen für sehr kleine und
                                                                   sehr große Pensionskassen formuliert, würden diese erstere
Um solche Konflikte zu lösen, gibt es neben externen
                                                                   überfordern und letztere unterfordern.
Ansätzen (Verbraucherschutzregelungen, Aufsicht) auch
Maßnahmen der Pensionskassen selbst, um das Vertrauen
der Versicherten zu stärken. Die Governance zählt hierzu,          Besonderheiten einer Sammelstiftung
selbst wenn sie mitunter auch durch Aufsichtsbehörden              Sammelstiftungen weisen gegenüber einer klassischen fir-
oder Revisionsstellen eingefordert wird. Mit einer guten           meneigenen Vorsorgeeinrichtung gewisse Unterschiede auf.
Governance kann mithin ein klassisches Prinzipal-Agent-            Sie haben insbesondere unterschiedliche Geschäftsmodelle
Problem abgeschwächt werden.                                       und strukturell oft zusätzliche Organisationsebenen. Dies
                                                                   kann zu unterschiedlichen Prinzipal-Agent-Konflikten und
Eine gute Governance, verstanden als Steuerungs- und
                                                                   dazu führen, dass die Interessen der Destinatäre (Prinzipale)
Führungsstrukturen, muss sicherstellen, dass Entscheidun-
                                                                   nicht immer bestmöglich gewahrt werden. Zudem funktio-
gen im Sinne der Versicherten getroffen und als Nebenbe-
                                                                   niert und agiert eine Sammelstiftung mit einer Vielzahl von
dingung die Interessen des Plan-Sponsors gewahrt werden.
                                                                   verschiedenen angeschlossenen Arbeitgebern eigenständig.
Offensichtlich haben die Größe und die Komplexität der
Pensionskasse erheblichen Einfluss auf mögliche Prinzipal-

Abb. 1: Agency-Theorie

                                                      beauftragt

              Prinzipal                                                                       Agent
         (Nutzen­maximierung)
                                                  Vertrag                               (Nutzen­maximierung)
                                                                                                                       Informations­
                                                                                                                        asymmetrie

                                                       leistet

18   willistowerswatson.ch
Recht & Regulierung

Anders als bei einer autonomen (Firmen-)Pensionskas-            Kernelemente einer guten Governance
se ist der Arbeitgeber typischerweise weniger engagiert
                                                                Governance wird verstanden als Gesamtheit der auf das
oder eingebunden. Die Interessen der Verwaltung und der
                                                                nachhaltige Stiftungsinteresse ausgerichteten Grundsätze,
Destinatäre können deshalb stärker divergieren. Gerade
                                                                die unter Wahrung von Entscheidungsfähigkeit und Effi-
bei komplexeren, mehrstufigen Organisationsstrukturen
                                                                zienz Transparenz und ein ausgewogenes Verhältnis von
besteht dieses Risiko. Die Destinatäre sind in den Führungs-
                                                                Führung und Kontrolle anstreben. Die Kernelemente sind
gremien mitunter nicht vertreten, und die Informationsasym-
                                                                daher (Abb. 2):
metrie verschärft sich. Prinzipal-Agent-Konflikte sind daher
in solchen Konstellationen akzentuiert. Insgesamt nimmt die
                                                                ƒ eine klare Organisations- und Führungsstruktur: Fest-
Bedeutung von Sammelstiftungen im gesamten Vorsorge-
                                                                  legung von Gremien, klare Regelung der jeweiligen
system zu, was die Relevanz, dieser Thematik betont:
                                                                  Zuständigkeiten, Kompetenzen und Verantwortlichkei-
                                                                  ten, konsequente Trennung von operativen und Über-
ƒ In den letzten Jahren ist die Anzahl an autonomen Pen-
                                                                  wachungsfunktionen, ausgerichtet an den Risiken der
  sionskassen zurückgegangen, während sich Anzahl und
                                                                  Pensionskasse;
  Grösse der Sammelstiftungen erhöht haben. Heute sind
  bereits rund 70 Prozent der Vorsorgeversicherten in einer     ƒ geeignete Governance-Mechanismen, wie bspw. risiko-
  Sammel- oder Gemeinschaftsstiftung versichert. Der              basierte interne Kontrollen und Massnahmen (IKS), um
  Trend ist zunehmend.                                            die Einhaltung von Führungs- und operativen Prozessen
                                                                  im Hinblick auf die definierten Ziele sicherzustellen, an-
ƒ Aufgrund der Grösse gewisser Sammelstiftungen besteht
                                                                  gepasst an die Grösse und Komplexität der Vorsorgeein-
  im Falle eines Ausfalls ein erhebliches Schadenspotenzial.
                                                                  richtung, sowie die Implementierung von Verhaltens- und
  Solche Einrichtungen sind systemrelevant und gewisser-
                                                                  Interessenkonflikts-Regelungen und einer angemesse-
  massen «too big to fail».
                                                                  nen Berichterstattung zwischen den einzelnen Führungs-
Es stellt sich daher die Frage, ob die Sammelstiftungen           gremien;
einer strengeren Regulierung zu unterstellen sind. Die          ƒ Transparenz und Offenlegung: Informations- und Rechen-
Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV)              schaftspflichten gegenüber Destinatären, Arbeitgebern,
plant, in naher Zukunft eine Weisung zu Risikoverteilung und      Aufsicht, Revision, PK-Experte, wobei die Informationen
Governance in Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen              klar, angemessen und zeitnah erfolgen sollen.
zu erlassen.
                                                                Die Massnahmen sind auf das Interesse der Destinatäre
Es ist offensichtlich, dass die Governance gerade einer         auszurichten, wobei die Interessen weiterer Stakeholder
Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtung ein wesentlicher          wie z. B. Arbeitgeber ebenfalls zu berücksichtigen sind.
Faktor in der Führung und Kontrolle darstellt. Mit einer        Sie sollen zudem angemessen und effizient sein, also die
guten Governance kann ein wichtiger Beitrag geleistet           Entscheidungsfähigkeit aufrechterhalten, wirksam und mit
werden, um die Prinzipal-Agent-Konflikte zu kontrollieren       angemessenem Aufwand und Kosten verbunden sein.
und die Interessen der Destinatäre zu schützen. Kontrolle
und Sanktionierung ergänzen die Governance-Massnah-
men in der Durchführung, ohne sie bleiben die Vorschrif-
ten zahnlos. Mitunter braucht es bei Sammeleinrichtungen            Abb. 2: Kernelemente einer Pension Fund Governance
besondere Massnahmen, um umfassende Organisations-
und Kontrollstrukturen und eine ausreichende Transpa-                Reglemente,                                    PK-Experte
renz sicherzustellen.                                                Statuten
                                                                                        Organi­
Den von der OAK BV in ihrem Weisungsentwurf vom 31. Okto-                            sation und    Transparenz
ber 2018 eingeschlagenen Weg erachten wir jedoch nicht als                           Führungs­     und Offen­
                                                                                       struktur    legung
zielführend. Davon abgesehen, dass fraglich ist, ob der OAK
BV für die geplante Regelung überhaupt eine Regelungs-                             Interesse der   Governance-
kompetenz zukommt, erachten wir die geplanten Vorgaben                               Destinatäre   Instrumente
mindestens teilweise als überschiessend, zu detailliert und                          und Arbeit­
in die gesetzlich geregelten Verantwortlichkeiten eingreifend                              geber
(vgl. dazu unsere Stellungnahme vom 14. Januar 2019 im
Rahmen der Anhörung zum Weisungsentwurf).                            Aufsicht                                          Revision

                                                                                                    360°Vorsorge – Februar 2020   19
Recht & Regulierung

One size does not fit all                                     Unser Lösungsansatz bei (Sammel-)Stiftungen
Governance-Themen gibt es in allen Prinzipal-Agent-Situa-     Das Thema «Governance» könnte bei (Sammel-)Stiftungen
tionen. In verschiedenen Bereichen gibt es dazu besondere     zielführend wie folgt angegangen werden:
Regulierungen, einerseits im Sinne einer Selbstregulierung,
andererseits auch im Sinne von aufsichtsrechtlichen Vor-      ƒ Vorgabe, dass Organisations- und Führungsstruktur,
schriften.                                                      Zuständigkeiten, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
                                                                auf allen Ebenen reglementarisch festzulegen sind. Ins-
Beispiele einer funktionierenden Selbstregulierung sind         besondere auch, auf welcher Ebene welche Entscheidun-
etwa die Richtlinie Corporate Governance der Schweizer          gen getroffen und welche Risiken getragen werden.
Börse für börsenkotierte Gesellschaften sowie der swiss       ƒ Auferlegung von zusätzlichen Reporting-Pflichten, z. B.
code of best practise for corporate governance des Ver-         im Rahmen eines Governance-Berichts im Anhang der
bandes der Schweizer Unternehmen Economiesuisse, der            Jahresrechnung, in welchem das oberste Organ die Ein-
auch vom Schweizer Pensionskassenverband ASIP mit-              haltung gewisser gesetzlicher und reglementarischer
getragen wird. Sie folgen einem «comply or explain»-An-         Vorschriften bestätigt oder Abweichungen davon offen-
satz, d. h., Abweichungen von den Empfehlungen müssen           legt, erläutert und begründet («comply or explain»). Das
erläutert und begründet werden. Aufsichtsrechtlich ist das      oberste Organ wäre, wie für die Jahresrechnung, für
Rundschreiben 2017/1 «Corporate Governance – Banken»            den Governance-Bericht verantwortlich, wobei es sich
der FINMA zu erwähnen, welches die Anforderungen an             bei der Erstellung des Berichts auf Hilfspersonen oder
die Corporate Governance, das Risikomanagement, das             Sachverständige abstützen könnte, bspw. Geschäftsfüh-
interne Kontrollsystem und die interne Revision bei Banken      rer, Investment Controller, PK-Experte oder Berater. Die
regelt. Im Bereich von Vorsorgeeinrichtungen sind die           Revisionsstelle und die Aufsichtsbehörde könnten den
«OECD Guidelines For Pension Fund Governance» von be-           Governance-Bericht im Rahmen der jährlichen Bericht-
sonderem Interesse, die IORP-II-Richtlinie der EU, welche       erstattung prüfen und falls erforderlich Massnahmen
ebenfalls Governance-Bestimmungen enthält, und in der           einleiten.
Schweiz die ASIP-Charta und Fachrichtlinien, welche für
Mitglieder des ASIP gelten.                                   Grundsätzlich sind solche zusätzlichen Pflichten vom Ge-
                                                              setzgeber anzuordnen, der in Abwägung von Kosten und
Diese Regularien zeichnen sich dadurch aus, dass sie den      Nutzen auch definieren müsste, welche Vorsorgeeinrichtun-
einzelnen Institutionen Raum lassen, auf ihre Situation       gen diesen Pflichten unterstehen sollen, und angemessene
zugeschnittene Lösungen zu implementieren. Unterschied-       Massgeblichkeitsschwellen festlegen könnte. Wenn die
liche Konstellationen rufen nach Differenzierung. Regulie-    (Sammel-)Einrichtungen gute Governance-Standards selbst
rung sollte daher möglichst immer prinzipienbasiert sein      umsetzen oder eine Selbstregulierung der Branche erfolgen
und keine detaillierten Anwendungsvorschriften enthalten.     würde, könnten überschiessende regulatorische Vorgaben
Auf diese Weise bleibt Raum für Lösungen im Einzelfall, die   mitunter vermieden werden.
den unterschiedlichen Konstellationen, Geschäftsmodellen
und den damit verbundenen Risiken angepasst sind und die      Alternativ oder zusätzlich könnte der Gesetzgeber auch
im Laufe der Zeit auch an geänderte Umstände angepasst        erwägen, Sammeleinrichtungen zu verpflichten, vom PK-
werden können.                                                Experten oder der Revisionsstelle gewisse zusätzliche
                                                              Prüfungen durchführen und Bestätigungen / Empfehlungen
                                                              abgeben zu lassen. In diesem Zusammenhang wären auch
                                                              die erforderliche Häufigkeit und Tiefe dieser Prüfungen und
                                                              Bestätigungen festzulegen.

20   willistowerswatson.ch
Sie können auch lesen