450 Jahre - St. Martin Aystetten
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Grußwort des Pfarrers Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen Dankbar und stolz können wir auf unsere beiden Hinweis auf Gottes Gegenwart unter den Men- St. Martinskirchen in Aystetten blicken. Sie sind schen. Durch seine Form zeigt er wie ein Finger sichtbarer Ausdruck eines lebendigen Glaubens. in den Himmel. Auf der Spitze befindet sich ein Mit viel Liebe, Kraft und Geldmitteln wurden sie Kreuz. Es ist das Zeichen für Jesus den Gekreu- errichtet und durch die Jahrhunderte und Jahr- zigten und Auferstandenen, der Himmel und zehnte erhalten. Erde verbindet. Das Kirchengebäude hat mehrere Aufgaben. Das Kirchengebäude kann uns auch an ein bibli- sches Wort aus den Anfängen des Christentums Zunächst ist es ein wichtiger Versammlungs- erinnern. Im 1. Petrusbrief heißt es: „ Lasst euch raum für die Gemeinde. Hier kommen wir zu- als lebendige Steine zu einem geistigen Haus sammen, um auf Gottes Wort zu hören und aufbauen…“ (1 Petr. 2,5) Diese Aufforderung an unseren Glauben zu feiern. Besondere Bedeu- die christliche Gemeinde macht deutlich, was tung hat für uns die sonntägliche Eucharistiefei- die Kirche auszeichnet. Nicht die Christen sind er und die Feier der anderen Sakramente. Hier die Baumeister einer Gemeinde, sondern Jesus erfahren wir uns als Glaubensgemeinschaft, Christus selbst baut auf. Seiner Führung überlas- verbinden uns mit Gottes Gegenwart und wer- sen wir uns, wenn wir seinen Willen tun. Das ist den gestärkt für das Leben in unserem Alltag. die Berufung eines jeden Christen und der gan- zen christlichen Gemeinde: „Wer diese meine Das Kirchengebäude ist aber auch ohne Gottes- Worte hört und danach handelt, ist wie ein klu- dienstfeier eine Einladung, sich mit Gott zu ver- ger Mann, der sein Haus auf Fels baute“, (Mt binden. Tagsüber ist die neue St. Martinskirche 7,24) sagt Jesus am Ende der Bergpredigt. So geöffnet und jeder kann hier in Stille beten, eine bekommt die Gemeinschaft der Kirche einen Kerze entzünden oder auch ein Anliegen auf festen Halt. einem Gebetsblatt aufschreiben. Dreimal läuten am Tag die Glocken im Kirchturm. Das wird im Ich freue mich über die vielfältigen Feiern unse- Volksmund „Gebetläuten“ oder „Angelus“ ge- res Glaubens und hoffe, dass sich viele Men- nannt. Es ist eine hörbare Aufforderung, für eine schen in Aystetten an Gottes Gegenwart unter kurze Zeit inne zu halten und sich mit Gott zu uns erinnern. verbinden. Der Kirchturm selbst ist ein optischer 4
Ich bitte Gott um ein hörendes Herz und den Mut zum Handeln. So können wir zuversichtlich in dieses Jubiläumsjahr und in die Zukunft ge- hen. Gottes Segen wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Wolfgang Kretschmer 5
Grußwort der Kirchenverwaltung Ein Jubiläumsjahr in der Pfarrgemeinde St. Martin Vor 1700 Jahren wurde unser Patron der alten erstes eine Kindermette abgehalten werden, und neuen St. Martinskirche geboren. Vor 450 bevor Weihbischof Schmid am 3. Juni 1983 die Jahren wurde unsere alte St. Martinskirche der feierliche Einweihung vornahm. Seit dieser Zeit Überlieferung nach errichtet. 1961 veranlasste finden in den Sommermonaten Werktags- das Diözesanbauamt einen Wettbewerb, das gottesdienste, Maiandachten, Hochzeiten usw. Areal, das von Herrn Dietrich von Stetten für das darin statt. „neue Gemeindezentrum“ (Schule, Gemeinde- verwaltung, Turnhalle, Kirche mit Pfarrhof und Die neue St. Martins-Pfarrkirche, Pfarrhof und Jugendheim) zur Verfügung gestellt wurde, Jugendheim zusammen mit Gemeinde, Schule, aufzuplanen. Architekt Dreher aus Ulm gewann Kindergarten, Turnhalle, Bauhof und Feuerwehr den Wettbewerb. Nach der Primiz von Pfarrer bildeten eine Einheit. Am 6. Mai 1966 nahm Edmund Ernst begann das Bauvorhaben. 1966 Diözesanbischof Dr. Josef Stimpfle die Einwei- genau zum vierhundertsten Geburtstag des hung vor. Patrons, kam das Aus für die alte St. Martinskir- che. Schon bald zeigten sich jedoch Mängel, die ohne größere Eingriffe in die Bausubstanz nicht beho- Eine leergeräumte Kirche beheimatete Tauben. ben werden konnten. Die Überdeckung der Ei- An eine weitere Verwendung war nicht mehr zu sengeflechte in den Betonteilen war zu gering, denken. Erst im Jahre 1977 besann man sich, die die Fassaden aus Fertigelementen verfinsterten denkmalgeschützte „alte St. Martinskirche“ den Kircheninnenraum und bei Regen leiteten einer weiteren Verwendung zuzuführen. Mit diese das Wasser durch die Fugen in die Kirche. einem großen finanziellen Aufwand begann man Schon 1976 war die Beleuchtung erneuert wor- im gleichen Jahr mit der Sanierung. Mauerwerk, den, 1980 musste die Luftheizung ersetzt wer- Dach, Turm mit Uhr, Innenraum, Stuckarbeiten, den. 1989 war dann die Totalsanierung der Malerarbeiten, Figuren, Altäre, Kreuzweg, Kan- kirchlichen Bauwerke fällig. Unsere neue St. zel, Bestuhlung. All dies musste grundlegend Martinskirche bekam 25 Jahre nach der Einwei- bearbeitet werden. Nachdem die Orgel voll- hung einen völlig anderen Charakter, dank des kommen zerlegt und maßgebliche Pfeifen er- Künstlers Pater Benedict Schmitz und des ver- neuert wurden, kam dazu ein neuer Volksaltar antwortlichen Architekten Ulrich Reitmayer. und ein Ambo. Als nun die Außenanlagen herge- Diözesanbischof Dr. Josef Stimpfle verglich die richtet waren, konnte an Weihnachten 1982 als Erneuerung mit den Worten „nach jedem Kar- 6
freitag kommt ein Ostern“. Auch unser Pfarr- zentrum mit Pfarrbüro, Priesterwohnung, sowie Hausmeister- und Mesnerwohnung, ein kleines Apartment, Pfarrsaal, kleiner Saal mit Bierstube, vielen Nebenräumen, ausreichend Toiletten und eine Bücherei rundeten das Kirchenzentrum ab. Ein Dank gilt noch nachträglich den vielen eh- renamtlichen Helfern, die mit über 6000 Stun- den zur Realisierung beigetragen haben; nicht zu vergessen diejenigen, die großzügig mit Spenden die Erneuerung mitfinanziert haben. Einen Kirchenführer von beiden St. Martinskir- chen, mit allem, was irgendwie nachweisbar ermittelt werden konnte, finden Sie in dieser Jubiläumsschrift. Jetzt im Jahre 2016 dürfen wir feiern: 1700 Jah- re Heiliger Martin von Tour, 450 Jahre „alte St. Martinskirche“, 50 Jahre „neue St. Martinskir- che“, 25 Jahre erweitertes Pfarrzentrum mit Pfarrbücherei. Wir laden Sie ein, mit der ganzen Dorfgemein- schaft dieses Jubiläum mit seinen verschieden- artigen Veranstaltungen zu feiern. Für die Kirchenverwaltung Max Rindle Kirchenpfleger 7
Grußwort des Pfarrgemeinderates Ein Ort und zwei Jubiläen 1566 – das rätselhafte Alter ist die Aystetter Kirche aber älter als der römi- Das Jahr 1566 war für die katholische Kirche von sche Katechismus! weitreichender Bedeutung, denn in diesem Jahr erschien eines ihrer wichtigsten Bücher: Der 1966 – auf in die Moderne! Catechismus Romanus. Dieser römische Kate- Auch das Jahr 1966 hat für Katholiken sehr viel chismus umfasste im Grunde die gesamte ka- mit Büchern zu tun. In diesem Jahr hob nämlich tholische Glaubens- und Sittenlehre, weshalb die römische Kurie den „Index der verbotenen sich auch viele Päpste über die Jahrhunderte Bücher“ auf. Erst vier Jahre zuvor wurde das hinweg immer wieder auf ihn berufen haben. Verzeichnis nochmals aktualisiert und umfasste Papst Johannes Paul II. nannte ihn sogar „ein zuletzt rund 6.000 Bücher, deren Lektüre für Werk ersten Ranges“. Katholiken als schwere Sünde galt. Beim Lesen Dieselbe Jahreszahl steht auch über dem Zif- einiger dieser Schriften drohte die Inquisition fernblatt der Uhr am Turm der alten St. Martins- sogar mit der Exkommunikation. kirche in Aystetten. Mit dem Katechismus hat Die Abschaffung des Index kam nicht ganz zufäl- die Inschrift aber wohl genau so viel – oder bes- lig. Fast zur selben Zeit endete nämlich das ser gesagt: genau so wenig – zu tun, wie mit Zweite Vatikanische Konzil. Dieses hatte sich dem Baujahr der Kirche. Das Datum am Turm explizit zu den modernen Kommunikationsme- bezeichnet wohl eher das Jahr, in dem die Uhr dien geäußert. Gleich in seiner Eröffnungsrede an dem Sattelturm angebracht wurde. Immerhin unterstrich der Papst beispielsweise die Not- kann davon ausgegangen werden, dass die Kir- wendigkeit einer Aktualisierung dogmatischer che selbst deutlich älter ist. Beispielsweise da- Grundsätze und eine verstärkte Orientierung auf tieren Kunsthistoriker einige Teile des Kirchen- die Bedürfnisse der Gegenwart. baus noch in das 15. Jahrhundert. Dafür spricht Diese neuen Perspektiven mussten freilich auch auch die erste urkundliche Erwähnung Aystet- im nachkonziliaren Kirchenbau aufgegriffen und tens im Jahr 1428, die interessanterweise von umgesetzt werden, denn durch die 1964 einset- einem Pfarrer stammt. Und wo es einen Pfarrer zende Liturgiereform erfasste die neue Auf- gibt, ist meist auch eine Kirche! Es kann also mit bruchstimmung nun auch die katholische Kunst großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen und Architektur. So änderte sich nicht nur der werden, dass es schon lange vor dem Jahr 1566 Bildschmuck in den Kirchen, auch die liturgi- eine Kirche in Aystetten gab. Wann diese gebaut schen Handlungen nahmen anderen Raum ein: wurde, ist bis heute aber unbekannt. Jedenfalls 8
Aus der Kanzel wurde der Ambo, aus dem Hoch- In der alten Kirche werden aktuell vor allem der Volksaltar. Maiandachten, manchmal auch Hochzeiten ge- Die im Jahr 1966 neu gebaute St. Martinskirche feiert. Das eigentliche Kirchenleben findet indes in Aystetten ist daher ein schönes Beispiel für im neuen Gotteshaus statt, denn gleich daneben das frühe Stadium dieser Entwicklung: Sie ist wurde auch das Pfarrzentrum gebaut, das sich modern gestaltet, dabei aber durchaus noch zum Treff- und Mittelpunkt zahlreicher Gruppie- zurückhaltend. Nicht alle Elemente des späte- rungen (Kirchenchor, Krabbelgruppe, Pfarrge- ren, oft auch nüchtern-funktionalen Kirchen- meinderat, Kreativkreis, Theatergruppe etc.) baus wurden hier realisiert. Das Gotteshaus ist entwickelt hat. Mit Dankbarkeit können wir auf gleichsam eine architektonische Brücke zwi- beide Kirche schauen und uns immer wieder schen der alten und der neuen Zeit, denn auch sagen: Sie sind eben mehr als nur Gebäude, in in Aystetten selbst hatte sich zwischenzeitlich denen man sich sonntags für eine Stunde trifft. viel geändert. Nach dem Zweiten Weltkrieg Anlässlich beider Jubiläen laden wir Sie zu einem wuchs die Einwohnerzahl rasch an. Ausgebomb- festlichen Kirchenjahr ein, das wir mit besonde- te Augsburger sowie Flüchtlinge aus dem Suden- ren Konzerten, mit frommen Bittgängen, fröhli- tenland und aus Schlesien fanden hier eine neue chen Festen, mit stillen Andachten, mit gemein- Heimat. Dadurch stieg die Bevölkerungszahl von samen Speisen, mit festlichen Gottesdiensten rund 500 Einwohnern vor dem Krieg auf über und mit vielen weiteren Veranstaltungen bege- 1.000 nach dem Krieg, wodurch die alte Kirche hen wollen. Ob Besinnung, Gebet, Geselligkeit freilich bald zu klein war, um allen Gläubigen oder Kunst – der Veranstaltungskalender zum Platz zu bieten. Jubiläumsjahr 2016 bietet sicherlich für jeden etwas! 2016 – ein doppelter Grund zu feiern! Heute gibt es zwei Kirchen in Aystetten: Die alte Für den Pfarrgemeinderat und die neue St. Martinskirche. Mehr als 400 Dr. Markus Hilpert Jahre liegen zwischen beiden und deshalb muss- ten beide auch teils mehrmals renoviert, umge- baut und restauriert werden. 9
Die alte St. Martin geweihte Pfarrkirche in Aystetten - Kurzfassung - In seinem Ausblick „Planungen für das Festjahr auf Hochtouren“ im Pfarrbrief „Advent/Weihnachten 2015“ kündigte Markus Hilpert eine von mir recherchierte und verfasste Chronik der alten Pfarrkirche an. Ihr Text liegt in der Pfarrbücherei zur Einsichtnahme auf, wird aber, mit Fotos, als zweiter Teil der Fest- schrift veröffentlicht. Da er auch wegen der Quellenangaben umfangreich ist, folgt nachstehend eine Kurzfassung. Hans Peter Schmatz Aystetten dürfte von den Augsburger Bischöfen von Ottmarshausen her, von wo auch die alte Straße an den Ort heranführte, gegründet wor- den sein. Dazu passt auch das Martinspatrozi- nium, denn die Bischöfe verehrten den Heiligen als Standespatron. Das Giltbuch des Bischofs von Augsburg verzeichnet schon 1428 neben dem Schlossgut und acht Bauern auch einen Pfarrer. 1493 beginnt dann mit Georg Vogt als erstem namentlich genannten Pfarrer die offizi- elle Liste aller in Aystetten je tätig gewesenen Seelsorger. Das Gotteshaus – an der Einmündung der Kirch- gasse in die Hauptsraße gelegen – wurde im Kern im späten 15. Jahrhundert errichtet. Die auf dem Kirchturm modern aufgemalte Zahl 1566 dürfte sich auf den Neubau der beiden obersten Turmgeschosse beziehen. Die St.-Martins-Kirche wurde mehrmals verän- dert: 1730 verlängerte man sie um ca. 5 m nach Westen und erhöhte sie; die Fenster wurden 10
vergrößert und eine neue Sakristei angebaut. Klosters Hl. Kreuz in Augsburg von 1567 bis Erneuerungen in den Jahren 1783 und 1853 1572. folgte 1911/1912 eine Generalsanierung: neuer Hochaltar; gewölbte (statt der bisher flachen) Mitte des 18. Jahrhunderts waren über 50% der Kirchenschiffdecke; Stuck im Langhaus und über Feuerstätten des heutigen Landkreises im Besitz dem Chorbogen; Trockenlegung; Erhöhung der der Geistlichkeit, rund die Hälfte in Händen von Emporen; neue Orgel. Auch von 1977 bis 1980 Hochstift und Domkapitel. Zu Hl. Kreuz gehörte erfolgte eine Generalinstandsetzung, weshalb Aystetten nur von 1560 bis 1582. Viel länger die Jahreszahl 1977 auf der Ostseite des Kirch- übten (evangelische) Patrizier aus Augsburg die turms erscheint. 2008 kam eine weitere Reno- niedere Gerichtsbarkeit aus, die den Ort vom vierung (Dachstuhl) hinzu. Bischof als Lehen erhalten hatten, zuletzt, seit 1858, die Familie v. Stetten. Sie waren Patro- natsherren, ohne ausdrückliche Pflicht, zur Bau- Der Chorraum last der Kirche beizutragen. Patronatsrechte bestehen heute nur mehr als „Ehrenrechte“. Der Aufbau des reichhaltig geformten neubaro- cken Hochaltars von 1912 stammt von Carl Port, Links vom Hochaltar führt eine Türe in den Turm Augsburg, der ihn in Fichten- und Lindenholz und in den dem Patronatsherrn vorbehaltenen schuf. Prof. Gebhard Fugel aus München malte Andachtsraum im linken Obergeschoss des Cho- das Altarbild. Es stellt den römischen Gardeoffi- res. Der Beichtstuhl gegenüber dem Eingang zur zier Martinus hoch zu Ross dar, der mit seinem Sakristei wurde wohl um 1880 geschaffen. Schwert seinen roten Umhang zerteilt, um ihn einem im Schnee frierenden Bettler zu geben Der Stuck und die Deckenbilder sind älter als das (siehe zu seinem Lebensweg den Anhang 1). Altarbild: sie stammen ursprünglich aus der Zeit Gebhard Fugel (1863 – 1939) gehörte der künst- um 1725/30. Im Hauptdeckenbild sieht man lerischen Reformbewegung der Nazarener an, Christus, dessen Herz sichtbar ist, einen Lahmen die sich 1809 in Wien gebildet hatte. Diese woll- heilend. Im nördlichen Medaillon beschneidet ten im Rückgriff auf das christliche Mittelalter ein Engel mit einer Sichel den Zweig eines Wein- der Kunst eine neue Gefühlsinnigkeit, verbun- stocks; auf dem linken Arm des Engels hält eine den mit religiöser Gewissheit, geben. Schlange ihr Maul geöffnet und schaut zu. Da- runter steht: „Ramos lacrimatur ademptos“ – er Der Taufstein aus Sandstein rechts vom Hochal- beweint (man beweint) die geraubten (hinge- tar wurde um 1570 geschaffen; sein hölzerner rafften) Zweige (Baumfrüchte). Der Text be- Deckel stammt aus dem 18. Jahrhundert. Am schreibt wohl die Trauer, wenn eine Rebe vom Beckenrand befinden sich das Abtwappen mit Weinstock, Jesus Christus, getrennt wird. Das Herz und Kreuz, die Buchstaben G. F. und die südliche Medaillon ist mit der Schrift „Concussio Jahreszahl 1571. Georg Faiglin war Probst des firmat“ (eine Erschütterung macht stark) verse- 11
hen und zeigt einen Engel, der stark auf einen gestiftet von der Freiwilligen Feuerwehr. Die Baum bläst. Das Medaillon möchte also den gefassten Holzfiguren des hl. Sebastian (links) Betrachter darin bestärken, in einer Erschütte- und des hl. Laurentius (rechts) stammen aus rung eine Stärkung durch Gottes Geist zu sehen: dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts (siehe der Baum erhält nach dem Sturm wieder seine zu den Lebensbeschreibungen den Anhang 2). Gestalt und wächst weiter. Die Figur „St. Josef rettet das Kind“ links im Chorbogen ist eine 1940 von dem Bildhauer Die beiden Glasbilder in den Fenstern zeigen Josef Konrad, Reichholzried, hergestellte und links die hl. Maria und rechts den hl. Josef, 1887 von Franz Hartmann, Buchloe, gefasste Kopie einer Statue im Besitz des Pfarrers von Diessen am Ammersee. Anton Bamberg, Pfarrer in Ay- stetten von 1921 bis 1944, ließ sie auf eigene Kosten für seine Kirche anfertigen. Die Pietà rechts im Chorbogen stammt aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der frei stehende Altar, vom ortsansässigen Schreiner Karl Seitz angefertigt und vom Kir- chenmaler Georg Schunter aus Augsburg ver- goldet, wurde im Rahmen der Renovierung von 1977 aufgestellt. Der Ambo wurde erst später (1984) vom Adelsrieder Bildhauer Hans Malzer geschaffen. Die auf ihm dargestellten Symbole Anker (Hoffnung), flammendes Herz (Liebe) und Waage mit Schwert (Gerechtigkeit) sind allge- mein bekannt. „Taube – Kreuz – Hand“ deuten auf den Hl. Geist, Jesus sowie Gott, den Schöp- fer, hin. Kette und Stundenglas könnten für Ge- duld in der Bedrängnis stehen (vgl. Röm 5,3), Tunika und Löwe für das Siegesgewand nach dem Martyrium, Buch und Schlange für die Ver- suchungen bei der Verkündigung.
Das Langhaus Glocken der neuen Pfarrkirche hängt, durch diese Immaculata zu ersetzen. Gehen wir nun ins Langhaus mit seinen drei Fensterachsen und den beiden Seitenaltären, Weshalb auf der „Männerseite“ der hl. Antonius die um 1870/80 entstanden: von Padua den Betern vor Augen gestellt wird? Der linke Seitenaltar zeigt die hl. Maria Immacu- Vielleicht wegen seiner Volkstümlichkeit. Er war lata, der rechte den hl. Antonius von Padua. einer der größten Wundertäter. Als er einmal Neu/Otten schreiben in ihrem Buch „Landkreis bei einem Bekannten übernachtete, bemerkte Augsburg“ aus dem Jahre 1970 beide Altarbil- dieser gegen Mitternacht im Zimmer des Heili- der, die „wohl um 1853“ entstanden sind, dem gen ein ungemein helles Licht. Er trat hinzu und vielbeschäftigten Maler Andreas Merkle (1822 – sah Antonius betend und vor ihm ein wunder- 1896) aus Hammel zu, der von 1844/45 bis schönes Kind, das, auf einem Buch stehend, die 1847/48 die Augsburger Kunstschule besuchte Hände nach dem Heiligen ausstreckte und ihn und zu den Nazarenern zählt. liebkoste. Nachdem Antonius noch lange gebe- tet hatte, verschwand das Kind. Antonius verbot “Maria ohne Makel“ (lat. Immaculata) geht zu- dem Freund, das Gesehene zu erzählen. Doch rück auf Lk 1,28. „Im Laufe der Jahrhunderte nach Antonius’ Tod gab der Freund sein Erlebnis wurde sich die Kirche bewusst, dass Maria von unter Eid bekannt (siehe mehr zu seiner Le- Gott ‚mit Gnade erfüllt’ (Lk 1,28), schon bei ihrer bensbeschreibung den Anhang 3). Empfängnis erlöst worden ist. Das bekennt das Dogma von der unbefleckten Empfängnis, das In jedem der beiden Seitenaltäre sind, unterhalb 1854 von Papst Pius IX. verkündigt wurde: ‚…. des Bildes, zwei rechteckige Reliquienkästchen dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Au- eingelassen. In jedem sehen wir in der Mitte ein genblick ihrer Empfängnis durch die einzigartige ovales Wachsmedaillon, das agnus dei (Lamm Gnade und Bevorzugung des allmächtigen Got- Gottes) genannt wird. Die kunstvollen filigranen tes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, Arbeiten rundum das agnus dei wurden offen- des Erlösers des Menschengeschlechtes, von sichtlich von Klosterschwestern verfertigt. Jedes jeglichem Makel der Urschuld unversehrt be- Kästchen enthält oben und unten ein weißes wahrt wurde’“ (Katechismus der Katholischen Schriftband, auf dem – von links nach rechts – Kirche, Nr. 491). verzeichnet sind: Vielleicht war dieses Dogma auch ein Grund „S.SEVERINI.M“, „S.VICTORI.M“, „TRANQULLI“, dafür, 1911 auf der „Frauenseite“ des Langhau- „S.AUXILI.M“, „S.URBAN.M“, „S.MODESTI.M“, ses das bisherige Bild der Muttergottes mit dem „S.RELIQULAE.M“ und „S.CANDIDI.M“. Jesuskind, das jetzt im Andachtsraum unter den 13
Es ist erstaunlich, dass das Archivgut der letzten Jahre 1802 berichtet: offensichtlich von einer beiden Jahrhunderte und die Literatur über die kleinen Orgel, die von der „Vorbühne“ (Empore) Kirche diese Reliquien mit keinem Wort erwäh- ins Chörle – in den dem Patronatsherrn vorbe- nen. Aus allgemeinen Dar- haltene Gebetsraum im Chor links stellungen kann jedoch geschlos- oben - verbracht wurde. 1845 und sen werden, dass sie aus dem 1911 erhält die Kirche eine neue 17./18. Jahrhundert stammen. Orgel. Aus finanziellen Gründen konnte sie erst 1951 umgebaut, Die Kanzel stammt aus der zwei- renoviert und mit einem neuen ten Hälfte des 19. Jahrhunderts, einmanualigen Spieltisch versehen ebenso das Gestühl. Wohl ein- werden. Wie 1911 wollte man hundert Jahre älter sind die dem Kirchenchor dort oben mehr Kreuzwegstationen: Ölbilder auf Platz einräumen. 1982 wurde die Leinwand. Die Kreuzwegstatio- „unbrauchbar gewordene“ Orgel nen wurden vom Privatier Anton für insgesamt 34.902 DM erneu- Schwarz beschafft und von einem ert; sie erhielt einen neuen Spiel- Pater des Kapuzinerhospizes St. tisch. Zu den Kosten trug Wolf v. Sebastian in Augsburg am Stetten mit einer sehr hohen 19.10.1885 geweiht und mit den Spende bei. Er bat, dass das In- betreffenden Ablässen versehen. strument die Bezeichnung „Aystetter Bauernorgel“ erhält – offensichtlich Ausdrucksstark sind die gefassten Holzfiguren: deswegen, weil die beiden in Aystetten damals links vorne der hl. Johannes Nepomuk, rechts noch tätigen Landwirte dazu spendeten. vorne der hl. Franz Xaver (beide Mitte des 18. Jahrhunderts), links hinten der hl. Georg und rechts hinten der hl. Rochus (beide erstes Drittel Der Kirchturm des 18. Jahrhunderts) sowie auf der rechten Seite unter dem großen Vortragskreuz (aus dem Der Kirchturm mit seinen sechs Geschossen zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts) die weist eine auffallend plastische Blendgliederung schmerzhafte Muttergottes und der hl. Johan- auf, wie sie sonst in weitem Umkreis nicht vor- nes Evangelist (beide erstes Drittel des 18. kommt, sondern eher aus dem Verbreitungsge- Jahrhunderts). (Zu den Lebensbeschreibungen biet der Landshuter Backsteingotik bekannt ist. dieser Heiligen siehe Anhang 4.) Sein unterer Teil ist spätgotisch, die beiden obe- ren Geschosse entstanden um 1566. Im zweiten Bevor wir uns nach außen begeben noch ein mit viertem Geschoss sehen wir schmale Recht- Blick auf die Doppelempore. In den Akten des eckfenster und auf allen Seiten je drei Pfarrarchivs wird von einer Orgel erstmals im wandhohe Blendfelder mit – von unten nach 14
oben – Spitzbogen-, gedrücktem Rundbogen- flasche überträgt nunmehr den Viertelstunden- und Kielbogenschluss. Im fünften Geschoss fin- schlag. den wir nach Osten die modern aufgemalten In der Außenwand des Chores fällt ein Epitaph Jahreszahlen 1566 und 1977 sowie einen kräfti- aus dem Jahre 1618 auf, eine große Solnhofener gen Rundbogenfries mit Kreuzenden. Das Glo- Platte in geohrtem Sandsteinrahmen mit Wap- ckengeschoss ist wie in Adelsried mit einem pen. Ihre lange Inschrift bezieht sich auf Johann Würfelfries verziert. Die Giebelfelder sind durch Jakob Fleckhaimer, der in Diensten des Erzher- vertikale Mauerbänder und Horizontalgesims zogs Albrecht von Österreich stand und am unterteilt. Die beiden Giebel selbst sind belebt 6.7.1611 in Brüssel starb. Von 1615 bis 1693 durch je vier quadratische fialenartige Aufsätze waren Max von Fleckhaimer, Patrizier und Pro- mit Schwalbenschwanzzinnen. Bemerkenswert testant, sowie seine Nachkommen Grundherren sind unter dem Satteldach das gekehlte Traufge- von Aystetten. sims und die Blendgliederung, die in Schwaben in dieser Form ganz selten ist. Der ursprünglich um die Kirche herum gelegene Die Firstenden des Satteldaches ziert je ein Friedhof wurde 1925 aufgelassen, weil die Ge- Doppelkreuz. Sollte St. Martin ein Partikel des meinde westlich der Frühlingsstraße einen neu- Kreuzes Christi beherbergen? Wohl nicht. Denn en anlegte. darüber gäbe es sicher Nachrichten. Außerdem wurden Doppelkreuze (Scheyererkreuze) seit dem 17. Jahrhundert als Schutzkreuze auf Kirch- Aus der Zeit nach 1966 türmen angebracht. (Weihe der neuen Pfarrkirche) Vom Kirchturm klingt nur mehr eine Glocke. Es 1966 wurde die neue große St.-Martins-Kirche ist die Maria-Anna-Glocke von 1925. Am geweiht. Am 7.5.1966, dem Tag vor ihrer Weihe, 9.12.1950 wurde in Lauingen eine neue Martins- feierte Bischof Dr. Josef Stimpfle mit Pfarrer Glocke gegossen; eine zweite, gebrauchte, Glo- Otto Riedl in der alten Kirche eine Vigilfeier, in cke konnte erworben werden – die neue Herz- der Abschied genommen wurde. Jesu-Glocke. Diese beiden neuen Glocken wur- den in die neue St.-Martins-Kirche überführt. In der Folgezeit sahen Gemeinde und Kirchen- Die Maria-Anna-Glocke überträgt den Stunden- verwaltung angesichts des heruntergekomme- schlag der Turmuhr. Diese stiftete 1910 Sebas- nen Zustands des Gotteshauses und auch der tian Wiedemann der Gemeinde. Es ist ein kom- hohen noch bestehenden Verpflichtungen aus pliziertes mechanisches Werk, das bis 2013 von dem Bau des neuen Pfarrzentrums keine andere dem Aystetter Hermann Wäckerle sachverstän- Lösung als den Abbruch der alten Pfarrkirche ‒ dig betreut wurde (siehe die Erinnerungstafel an wie dies in Ottmarshausen geschehen war. Doch der Ostseite des Turms). Eine leere Sauerstoff- das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, 15
das Diözesanbauamt und Bezirksheimatpfleger feiert. Dazwischen, am 5.6.1983, war der Fest- Dr. Frei plädierten für einen Erhalt des Bau- gottesdienst mit Weihbischof Schmid zum Ab- denkmals. Am 1.10.1973 war das bayerische schluss der Renovierung. Denkmalschutzgesetz in Kraft getreten. Pfarrer Otto Riedl schreibt in den „Mitteilungen für die Wegen Erkrankung von Pfarrer Otto Riedl fan- Pfarrgemeinde St. Martin Aystetten“ im Som- den dann keine Gottesdienste mehr statt. Erst mer 1977: „Da uns das ‚Landesamt’ seit Jahren als am 6.11.1983 Pater Hans-Roman Staudt kam drängt, die alte Kirche vor dem Verfall zu retten, – und auch nach seinem krankheitsbedingten müssen wir nun in den sauren Apfel beißen, ob Weggang – , wurden in den Sommerhalbjahren wir wollen oder nicht. Es wäre ja auch schade, (1. Mai bis 30. September) ab 1984 regelmäßig wenn das alte Kirchlein langsam vor unseren Gottesdienste und Maiandachten, aber auch Augen sterben müsste“. Werktagsmessen und Vorabendmessen am Samstag, in der Kirche gefeiert. Auch während Bei der Renovierung wurde das Missions-Kreuz der Umgestaltung der neuen Pfarrkirche von von der Außenwand der Kirche weggenommen 1989 bis 13.5.1990 fanden die Gottesdienste in und frei aufgestellt. Die Kirchenbänke wurden der alten Kirche statt. 1979 von ihrer blauen Farbe befreit, d.h. in mü- hevoller Arbeit von Freiwilligen abgelaugt. Da Über den Sommer hin versammelt sich in ihr nur die gut erhaltenen Bänke wieder eingebaut gern eine kleine Schar von Betenden zu Gottes- wurden, entstanden die jetzt ungewöhnlich diensten an Werktagen und Maiandachten. großen Abstände zwischen den Bänken. Es folg- Auch zu Hochzeiten kommen gelegentlich Aus- ten weitere Arbeitseinsätze. Nach über 13 Jah- wärtige. Vielleicht blicken Besucher auch heute ren Leerstand feierte Aystetten am 24.12.1979 zu den Heiligenfiguren auf und spüren, wie nah in dem noch nicht ganz fertig gestellten Gottes- Gott den Menschen – auch ihnen – ist. haus die Kindermette. Die Wiederherstellung Die Spendenbereitschaft in dem kleinen Aystet- der Heiligenfiguren ermöglichten Aystetter ten war immer groß. Das bezeugen die Ortspfar- durch großzügige Spenden. Aber die Renovie- rer in ihren Berichten. Diese Opferbereitschaft rung war noch nicht abgeschlossen. Zugänglich darf nicht versiegen. Denn es stehen weitere war die Kirche erst im Oktober 1980. Am Arbeiten an: Als erste die Entfernung des Holz- 23.5.1982 berichtet dann der Pfarrbrief von wurms. einer Maiandacht mit dem Aystetter Dreig’sang, am 24.10.1982 fand eine festliche Feier zur Or- 19.11.2015 gelweihe statt. Die nächsten hl. Messen wurden erst am 4.4.1983 (unter Mitwirkung der Jugend- blaskapelle) und dann am 9.7.1983 (die Pfälzer Kindermesse mit Orffschen Instrumenten) ge- 16
Anhang 1: ne. Anfangs begegnete der Bischof heftiger Ge- genwehr: mit Schwert und Dolch drangen die Achtzehn Jahre alt war der junge Offizier aus wütenden Bauern auf ihn ein. Doch Furcht und dem ungarischen Sabaria, als er um das Jahr 335 Hass wandelten sich allmählich in Vertrauen und vor den Toren der französischen Stadt Amiens Liebe, als das einfache Landvolk sah, mit wel- seinen Mantel mit dem Bettler teilte. Sein Vater cher Sorge sich Martin seiner annahm. Er mach- war Heide und hatte sich bis zum Tribunen te den Bedrückungen durch Gaugrafen und heraufgedient. In Pavia hatte der junge Martin Fronvögte ein Ende und verhinderte die Ausfüh- aber das Christentum kennen gelernt. Er war zu rung schwerer Strafen, die auf geringe Vergehen den Fahnen einberufen, vereidigt und nach Gal- gesetzt waren. Am 11. November 401 ereilte ihn lien beordert worden. Schon in jungen Jahren auf einer Visitationsreise der Tod. stieg er zum Offizier auf, hielt sich aber abseits von üblen Vergnügungen der Soldaten. In der Anhang 2: Nacht, die seiner Liebestat folgte, erschien ihm Christus, angetan mit dem halben Mantel, und Der hl. Sebastian war nach der Legende Be- sprach zu den ihn begleitenden Engeln: „Marti- fehlshaber der Leibwache des römischen Kaisers nus, der noch Taufbewerber ist, hat mich mit Diokletian. Weil er in dieser Stellung seinen diesem Mantel bekleidet.“ So von Gott ausge- christlichen Mitbrüdern viel helfen konnte, ver- zeichnet blieb Martin aus Freundschaft mit sei- barg er zunächst seinen Glauben; doch als die nem Vorgesetzten noch zwei Jahre im Dienst Brüder Markus und Marcellinus wegen ihres und ließ sich dann taufen. Seine Mutter gewann Glaubens zum Tode verurteilt wurden, sprach er er in Ungarn für die Frohe Botschaft leicht, nicht ihnen vor Gericht Mut zu, was ihm den Vorwurf aber seinen Vater, der ihm Fahnenflucht vor- der Untreue und des Verrats gegenüber dem warf. Martin kämpfte dann gegen den Arianis- Kaiser eintrug. Er verteidigte sich mit Ruhe, die mus, musste aber schließlich fliehen und rettete Christen seien die besten Staatsbürger, doch der sich auf eine einsame Insel vor Genua. Fünf Jah- Kaiser befahl, ihn durch Bogenschützen töten zu re später baute er mit Gleichgesinnten unweit lassen. Aber es war noch Leben in ihm. Eine der Stadt Poitiers das erste abendländische fromme Frau namens Irene, Witwe eines Pa- Kloster (Ligugé). Der Ruf von seiner Heiligkeit lastbeamten, pflegt ihn, bis er, wieder gesund, und einigen Wundern, die er gewirkt hatte, dem Kaiser entgegentritt und ihm sein Unrecht drang nach Tours und das Volk wählte ihn zum und die Wahrheit des Christentums vor Augen Bischof. Auch hier wohnte er in einem Kloster, hält. Dieser befielt, ihn mit Knüppeln zu erschla- das der Mittelpunkt seiner Bekehrungsfahrten gen. Das war im Jahre 288. wurde. Das Christentum war noch stark vom Der hl. Laurentius war von Papst Sixtus als „ers- Aberglauben durchsetzt. Überall standen im ter Diakon“ damit betraut, das Kirchengut zu Lande noch die Götzentempel und heiligen Hai- verwalten und für die Armen zu sorgen. Am Tag, 17
nach dem der greise Papst in einer Katakombe kommnen. Zum Prediger geboren missionierte von Rom überrascht und mit dem Schwert getö- er in Italien, Frankreich und Spanien. Ungeheu- tet worden war, ergriffen die Häscher auch Lau- re, der Zahl nach kaum abschätzbare Massen – rentius. Vom Richter nach den vermeintlich sa- man spricht von dreißigtausend – zogen in der genhaften Schätzen der Kirche befragt erbat Nacht vor Sonn- und Feiertagen nach Padua; alle sich der Diakon eine Frist. Nach drei Tagen er- wollten ihn hören. Er wandte sich gegen Wu- schien er mit einer zerlumpten, ausgehungerten cher, Ausbeutung und Plünderung, so dass das Schar von Krüppeln, Greisen und Bettlern vor Volk wieder aufatmen konnte und sich der sozi- dem Richter. Aufgebracht wollte der Richter alpolitische Erfolg des Predigers als Schrittma- Laurentius nunmehr um seinen Glauben brin- cher seines religiösen Wirkens erwies. Die damit gen, doch dieser blieb standhaft. Auf dem eiser- verbundenen Anstrengungen gingen über seine nen Rost, unter dem ein Holzkohlenfeuer ent- Kräfte: Am 13. Juni 1231 starb er, nur 36 Jahre facht wurde, sprach er nach einer Weile heiter alt. zu dem Richter, er könne ihn jetzt auf die ande- re Seite wenden lassen – und später, er könne Anhang 4: jetzt von dem genug gebratenen Fleisch essen. Der hl. Johannes Nepomuk, um 1345 in Pomuk, Mehrere Senatoren trugen angesichts dieses einem böhmischen Städtchen im Kreis Pilsen, Glaubens den Leichnam auf ihren Schultern weg geboren, war in Prag Generalvikar des Erzbi- und sorgten für ein Begräbnis; das war am schofs. Als gefragter Prediger verfocht er die 10.08.258. Rechte der Armen gegen ihre Unterdrücker, den Adel und die Beamten. Diese hetzten König Anhang 3: Wenzel IV. gegen den Priester auf. Eines Tages Im Alter von 15 Jahren trat der Portugiese in flüchtete das Domkapitel aus Prag vor den un- den Orden der Augustinerchorherren ein, wo er beherrschten Drohungen des Königs. Als es auf sich zu einem tüchtigen Prediger heranbildete. seinen Befehl zurückkam, wurden einige Dom- Als er aber dann die Leichname von fünf Fran- herren auf Befehl des Königs verhaftet, einige ziskanern sah, die in Afrika den Martyrertod gefoltert, Johannes vom König eigenhändig mit fanden, wollte er unbedingt dort als Franziska- brennenden Pechfackeln gequält. Anschließend ner missionieren. Aufgrund einer Krankheit wurde er am 20.3.1393 gefesselt und geknebelt musste er zurückkehren; sein Schiff verschlug es von der Prager Brücke in die Moldau geworfen. aber nach Italien. In einem entlegenen Kloster Die vielhundertjährige Tradition, nach der Jo- bei Bologna fand der Kranke Aufnahme, wo er hannes umgebracht wurde, weil er das Beicht- demütig ein strenges Leben führte. In einer Not- geheimnis nicht verriet, hat große Wahrschein- situation zeigte sich sein Predigertalent und er lichkeit für sich; denn er war der Beichtvater der konnte seine theologische Ausbildung vervoll- Königin. Seine Zunge ist unverwest. 18
Der Spanier Franz Xaver, ein Baske, wurde 1506 Ehren. Als der Kaiser erfuhr, dass sein Feld- auf dem Schloss Xavier bei Pamplona geboren. oberster Christ ist, versuchte er, ihn durch glän- Als Student war er in Paris Stubengenosse des zende Versprechungen sowie Marterungen zum lahmen spanischen Hauptmanns Ignatius von Abfall von seinem Glauben zu bewegen, jedoch Loyola. Er folgte dessen Ruf und wurde Priester. ohne Erfolg. Georg wurde mit anderen Glau- In Oberitalien sammelte er auf öffentlichen Plät- bensgenossen enthauptet, wahrscheinlich zu zen Kinder um sich und predigte zu ihnen in Diospolis in Palästina. Er zählt zu den 14 Nothel- einem Kauderwelsch aus Italienisch, Französisch fern. und Baskisch. In Lissabon verkündete er das Evangelium im Hafenviertel, in Gefängnissen Der hl. Rochus wurde in Montpellier, Frankreich, sowie den Beamten. Dann fuhr er nach Goa in geboren. Nach dem Tode seiner gottesfürchti- Indien und später zu den Molukken, den „Inseln gen Eltern verkaufte er seine Güter und pilgerte des Gottvertrauens“, wie er sie nannte. Unter nach Rom. In der Toskana wütete die Pest. So unendlichen Mühen und Schwierigkeiten pre- unterbrach er seine Pilgerfahrt und pflegte die digte er dort das Wort Gottes. In Japan traten Kranken. Er heilte sie durch das Zeichen des nach knapp zwei Jahren großer Entbehrungen Kreuzes. In Piacenza wurde er selbst von der nur zweitausend Menschen zum Christentum Pest ergriffen und zog sich in ein Waldstück über. Auf der Reise nach China ereilte ihn am zurück. Dort versorgte ihn der Hund eines Jägers 3.12.1552 der Tod. mit Brot, bis der Jäger selbst nachsah und sich von Rochus unterweisen ließ. Wieder genesen Der hl. Georg gelangte unter dem römischen und nach Frankreich zurückgekehrt starb er dort Kaiser Diokletian in Kappadokien, Kleinasien, fast unerkannt 1327. wegen seiner Tapferkeit zu hohen militärischen 20
Die neue St. Martinskirche Die Einwohnerzahl Aystettens stieg in den Jah- bedarfsgerecht aufzuplanen. Warum? Die Ge- ren 1950-1960 sehr stark an, somit kamen auch meinde war finanziell nicht in der Lage, die Auf- viele Katholiken nach Aystetten. Die alte St. gabe zu stemmen - Planung und Bau. Architekt Martinskirche reichte für die Kirchenbesucher Philipp Dreher aus Ulm wurde von einer Jury nicht mehr aus. Pfarrer und Kirchenverwaltung zum Gewinner erwählt. Im Juni 1963 feierte überlegten verschiedene Szenerien, um dem Edmund Ernst auf dem zukünftigen Kirchenge- Abhilfe schaffen zu können. Die Erweiterung der Kirche unter Hinzunahme des Bergmeiergrund- stückes, sowie ein Neubau neben dem alten Pfarrhof (Rosenwirth Grundstück) zerschlugen sich. Pfarrer Otto Riedl schreibt „bei einem Spa- ziergang traf ich Herrn Dietrich von Stetten. Dieser erklärte mir, dass sein Sohn Wolf von Stetten das Patronat übernommen habe und sich ebenfalls Gedanken gemacht habe, wie der Bedarf Kirche und Gemeinde, Schule gelöst werden könnte.“ Der ehemalige Lustgarten, den der einstige Schlossbesitzer - Christoph von Münch - zwischen Bäckergasse und Schloss an- legen ließ“, komme in Frage. In der Zwischenzeit Bau der Dachkonstruktion. Rechts ist die Sakristei zu erkennen. diente das Gelände als Ziegelei und nach dem Krieg wurden Baracken aufgestellt. Schon Bi- schof Dr. Freundorfer sicherte dem Ortspfarrer lände seine erste Messe. Er ist bisher der einzige seine Unterstützung für einen Kirchenneubau Primiziant Aystettens. Am 05.05.1964 konnte zu. Am 2. Juli 1961 wurde dafür ein Kirchenbau- Pfarrer Otto Riedl feierlich unter Anwesenheit verein gegründet. 166 Mitglieder leisteten einen vieler Ehrengäste den Spatenstich vornehmen. Grundstock für das ehrgeizige Projekt. Das Diö- Schlag auf Schlag ging es vorwärts. Am 15. No- zesanbauamt wurde tätig und lud 5 Architekten vember 1964, am Festtag des Hl. Martins, des zu einem Wettbewerb ein, das gesamte Areal zukünftigen Patrons, nahmen Domkapitular für die Bedürfnisse Kirche und Gemeinde (Kirche Johann Baptist Rigel und Ortspfarrer Otto Riedl - Pfarrhof und Jugendheim - Gemeinde Schule mit symbolischen Hammerschlägen die feierli- Turnhalle Feuerwehr und Gemeindeverwaltung) che Grundsteinlegung vor. Unter den Gästen 21
waren unter vielen anderen Monsignore Adal- te von Aystetten. Diözesanbischof Dr. Josef bert Stoll, der damals für die Finanzen zuständig Stimpfle weihte die „neue St. Martinskirche“, war, MdL Helmschrott, Landrat Dr. Fritz Wiesen- bevor er sich mit einer Vigilfeier am 7. Mai 1966 thal, Patronatsherr Wolf von Stetten, Bürger- von der seit 400 Jahren bestehenden „alten St. meister Josef Mörtl. Eine Urkunde bestätigt, dass am 15. November 1964, im zweiten Jahr des Pontifikates von Papst Paul VI. und im zwei- ten Bischofsjahr von Dr. Josef Stimpfle Otto Riedl Pfarrer von Aystetten war, die Weihe statt- fand. Das Schriftstück wurde zusammen mit einer Urkunde der Gemeinde und Briefmarken von der Krönung Papst Paul dem VI und seiner Pilgerreise nach Palästina, außerdem mit derzei- tigen gültigen Briefmarken und Münzen der Bundesrepublik in eine Kupferkapsel gelegt und in den Grundstein eingelassen. Am 19.12.1965 kamen die Glocken, St. Michael, hl. Maria und Herz Jesu. Die Glocke St. Martin wurde von der alten Kirche abgenommen. Dort erklang sie be- reits seit 1950. Von Generalvikar Monsignore Achter wurden alle Glocken feierlich geweiht und der Bestimmung übergeben. Die Glocken wurden in Erding mit der Zusammensetzung von 78 % Kupfer und 22 % Zinn gegossen. 17 Zentner wiegt die St. Michaelsglocke, sie dient in erster Linie als Totenglocke, die Zehn-Zentner-Marien- Glocke dient als Angelusglocke, Zehn Zentner schwer ist auch die Martinsglocke. Sie wird als B-Glocke bezeichnet. Die 210 Kilogramm schwe- Außenansicht vor der Umgestaltung re Herz-Jesu-Glocke erinnert an die Herz-Jesu Bruderschaft, die in Aystetten schon seit 200 Martinskirche“ feierlich verabschiedete. In sei- Jahren bestand. Es war die dritte Glockenweihe ner Predigt nannte er das neue Gotteshaus „als in Aystetten seit 1925, bedingt durch die beiden Sinnbild des Guten und gleichzeitig als Sinnbild Weltkriege. Es mussten jeweils die Glocken zum des himmlischen Jerusalem“, Gott möge die Einschmelzen abgegeben werden. Am 8. Mai Gemeinde lohnen, dass sie so ein schönes Got- war nun der Höhepunkt in der Kirchengeschich- teshaus erbauen ließ. Die Gesamtkosten belie- 22
fen sich auf 1,5 Millionen DM, bedenkt man, und einer gestalteten Altarwand zusätzliche dass damals die Regiestunde mit 4,00 DM (2,00 Akzente. Es kam nicht nur das Element Farbe in €) berechnet wurden, heute mit ca. 55,00 – den Raum - vor allem wurden Schwerpunkte 60,00 €. In die Altarplatte wurden die Reliquie gesetzt, die beispielsweise den Altarbereich mit der urchristlichen Märtyrerjungfrau Christina dem Taufort in deutlich erkennbare Beziehung und des Märtyrers Carolus Lwanga von Uganda bringt. Das gilt auch für die beiden Fenster im eingemauert. Die Vorstellungen ein blendfreies Altarraum, die ihrerseits miteinander korres- durchflutetes Gotteshaus zu bekommen erfüll- pondieren und ebenso für das Mosaik der Al- ten sich nicht. Alsbald wurden die Dreieckfens- tarwand und der Gestaltung der Empore- ter im Ostgiebel verblendet. Die Beleuchtung brüstung und es gilt für die Abfolge der Apoka- war allgemein zu dunkel, die Luftheizung er- lypse-Themen in den Fenstern der Unterkirche. wärmte kaum die Bankreihen, so dass nachge- Nehmen Sie sich Zeit zum Betrachten und Ver- bessert werden musste. Als sich Bauschäden stehen der künstlerischen Aussage in unserer St. ankündigten, (die Eisenüberdeckung der tra- Martinskirche. genden Betonteile war zu gering, die vielen Fu- gen der Dreiecke ließen bei Regen das Wasser in Im linken Fenster des Altarraumes wird für alle den Innenraum) beschloss die Kirchenverwal- Bildgestaltungen innerhalb der Kirche ein An- tung nach 24 Jahren eine Totalsanierung. Bene- fang gesetzt. Wenn wir die Hl. Schrift auf ihrer dict Schmitz, der den künstlerischen Entwurf ersten Seite öffnen – an den Urbeginn zurück- kreierte und Ulrich Reitmayer, der für die Bau- gehen – lesen wir den ersten Satz: „Im Anfang substanz verantwortlich zeichnete, wurden tä- schuf Gott Himmel und Erde, die Erde war aber tig. Die mit einem Kostenaufwand von 2,3 Milli- wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut, und onen DM sanierte Kirche konnte Bischof Dr. Gottes Geist schwebte über dem Wasser.“ (Gen Josef Stimpfle genau 24 Jahre nach der Erstein- 1,1;2) Von einem Anfang ist die Rede - dem An- weihung erneut den Aystetter Katholiken mit fang schlechthin - in dem alles offen ist, kein den Worten „nach jedem Karfreitag kommt ein Leben, keine Gestalten. Wüst und wirr und dun- Ostern“ als gelungene Sanierung einweihen. kel, das sind die Kennzeichen für den Urzustand. Zufälligerweise hatte Benedict Schmitz das in Über dieser lieblos-finsteren Masse der Urflut der damaligen Predigt erwähnte „himmlische schwebt der Geist Gottes. Diese wenigen Worte Jerusalem“ als Kirchenfenster gewählt. Frater geben allem, was nun folgt die Richtung. Das Benedict Schmitz legte in der Festschrift zur Sichtbarwerden des Gottes-Geistes ist wie ein erneuten Einweihung der Martinskirche seine Hauch von Hoffnung über der Dunkelheit - die Gestaltungsgedanken dar. „Glücklicherweise Wasser teilen sich, Bergspitzen tauchen auf, ein konnte die Grundform der Architektur erhalten Geburtsvorgang setzt ein, die Schöpfung will in werden. Es ergaben sich aber durch die Einfü- das sich ausbreitende Licht heraufsteigen. Was gung von Fenstern, eines neuen Altarraumes soll das angesichts physikalischer Erkenntnisse 23
vom Beginn der sichtbaren Welt? Mit der Physik vom Thron Gottes und des Lammes aus. Zwi- hat das Bild nichts zu tun - wohl aber damit, schen der Straße der Stadt und dem Strom, hü- dass wir erkennen: alles Leben verdankt sich ben und drüben, stehen Bäume des Lebens. einem Schöpferwillen, verdankt sich einer Liebe, Zwölf mal tragen sie die Früchte, jeden Monat das das Leben ruft, erweckt einen Sinn, es befä- einmal; Und die Blätter der Bäume dienen zur higt selber zur Liebe zu werden. Unser jeweils Heilung der Völker.“ (Geh. Offb. 21.1-5;22.1;2) eigenes Leben ist ausgesprochen, das ebenso einmal von Gott heraufgerufen wurde, das in seinem Fortgang immer wieder von der Finster- nis des Zweifels in der Sinnlehre bedeckt ist - über dem aber dennoch der Geist Gottes schwebt. Das Schweben von mächtigen Schwin- gen, die sich über den Geburtsvorgang ausfalten und auffordern zu einer immer neuen Geburt. Im rechten Fenster des Altarraumes werden wir auf die letzten Seiten der Hl. Schrift verwiesen - einem Text aus der geheimen Offenbarung. Dieser Text berichtet vom Ende der geschaffe- „Dann sah ich einen neuen Himmel und eine nen Welt, das zu einem Anfang wird: Erde, Meer neue Erde; denn der erste Himmel und die erste sind nicht mehr – etwas neues erscheint, nicht Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht als Korrektur des Führens, sondern als eine Voll- mehr. Ich sah die hl. Stadt, das neue Jerusalem, endung. Das einmal aus der Finsternis gerufene von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sinkt nicht zurück ins nichts – es wird hinüberge- sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren führt in die endgültige Reife eines ewigen Le- Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute bens. Aber auch hier wie am Anfang: Es wird Stimme vom Himmel her rufen: Seht die Woh- geschenkt! Von Gott her nähert sich die neue nung Gottes unter den Menschen! Er wird in Welt - er ist selbst das Geschenk, das sich mit- ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk teilt im Bild der Stadt. Eine Knospe öffnet sich - sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird eine überreife Frucht für das was deren Inneres alle Tränen von ihren Augen abwischen; der Tod leuchtende Kristallkörper zeigen, Hausformen, wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, die einladen. Und Bäume erscheinen, die nicht keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergan- immer nur stets grün sind, sondern auch als gen. Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich wirksame Medizin dienen. Hier kommen die mache alles neu! Und er zeigte mir einen Strom, Bilder an die Grenze des Aussagbaren für das das Wasser des Lebens, klar wie Kristall; er geht was Gott schenken will. Zwischen diesen beiden 24
Glasfenstern mit ihren Hinweisen auf Anfang Auferstehung am Ostermorgen - eine Liebe die und Vollendung steht der Altar. Er macht sicht- sich nicht zurückhält, die alles einsetzt bis zur und erfahrbar, was die Verwandlung vom Zeit- Hingabe des Lebens. Diese Hingabe trägt als lich-Sterbenden ins Vollendet-Ewige meint. Brot Keim die Auferstehung in sich. Im Natursteinbild und Wein werden herbeigebracht – und werden offenbart sich das neue Leben wie ein heftiger verwandelt uns zurückgegeben, verwandelt in Aufbruch, wie die Kräfte eines gewaltigen Früh- den, der allein uns verwandeln kann. Die Altar- lings, wie eine Bewegung, die sich nach allen platte ist vom ersten Altar der Kirche, die beiden Seiten ausbreitet, wie „Wasserfälle“ aus Licht, Stützen sind so geformt, dass sie unseren Blick die nach außen strömen. Tod und Auferstehung nach innen führen, hin zu einer schmalen Öff- als ein sich gegenseitig bedingender Vorgang, nung, einer Schwelle, eines Durchgangs. Der wie wir nach der Wandlung in der Messfeier zentrale Ort der Kirche scheint geöffnet, durch- sprechen: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir lässig, in der Wandlung – einer Wandlung, die und deine Auferstehung preisen wir, bis du den Menschen erfassen will und die wir in ganz kommst in Herrlichkeit.“ Auf den Frühling, den kleinen Schritten erleben, schmerzhaft und be- Aufbruch des Lebens, verweisen auch die Fens- freiend zugleich. In der Achse der Altaröffnung tergestaltungen im Kirchenschiff. Immer neue steht der Tabernakel – gleichsam als Ziel eines Variationen des einen Themas: Das Gottesreich Weges, in Zusammenhang mit dem Kreuz. Im will ankommen, es will uns bewegen, antreiben, Tabernakel erscheint wiederum die Hausform. neu werden lassen – das Leben als Anfang des Christi Gegenwart im irdischen Haus kann ein ewigen Lebens. Der Altarbereich und seine eu- Hinweis sein auf das Wohnen-dürfen des Men- charistische Feier haben ein Pendant in der Ge- schen bei Gott in den unzerstörbaren, himmli- staltung der Orgelempore. Wieder als Natur- schen Wohnungen. Als ein Echo auf die Giebel- steinmosaik wird auf den Patron der Kirche, den form des Daches weist im Altar, Tabernakel und hl. Martin, verwiesen. Was wir als Danksagung Ambo eine Goldspur nach unten. In der Korres- gefeiert und als Gabe von Gott erhalten haben, pondenz von Anfang und Vollendung in den will weitergegeben werden in der Realität des Fenstern steht ebenso wie der Altar die große Alltags. Dem Hilfesuchenden, dem Kranken, Giebelwand. Der grandiose Reichtum des Natur- dem Nackten begegnen wir überall. Christus steins aus allen Erdteilen gibt uns einen Hinweis spricht davon, dass er selber dieser Bettler ist, auf die Vielzahl an Einzelteilen, die sich zusam- der uns anspricht. Im Mosaik drängt die Mantel- menfügen lassen und im Zusammenkommen ein teilung als fortlaufende Bewegung nach rechts neues Ganzes bilden. Menschen lassen sich fin- und links. So kann das Tun der Liebe nicht zur den, sammeln und bilden im Miteinander des Ruhe kommen - es sucht und findet seinen Weg Glaubens eine Gemeinde. Das Kreuz - von Guido und im Teilen wird der Gebende zum Beschenk- Martini - bildet die Mitte der Wandgestaltung. ten. Wenn der Gottesdienstbesucher oder Be- Es schildert uns den Karfreitag und zugleich die trachter die Kirche verlassen und zurückkehren 25
in ihr Lebensumfeld, stehen ihnen in der Bewe- kommt zum Ausdruck, daß dieser Lohn eigent- gung nach Westen, (Abend - Sonnenuntergang) lich Christus selber ist. Wer mit ihm seinen Weg das große Giebelfenster vor Augen. Eine riesige geht, darf vertrauen, aus dem Tod hinüberge- Sternfigur entfaltet sich, deren Licht hinabfließt führt zu werden in die Lebens- und Tischge- in den Bereich der Taufe, wo es sich zur offenen meinschaft mit Gott. Die Zeichen in den Fens- Kreisform ausbildet. Nochmals ein Verweis auf tern der Unterkirche variieren diese Gemein- Christus, der als Morgenstern im Westen steht, schaft mit Gott und lassen zugleich erkennen, als „Licht des Abends“ wenn wir aus dem Leben wie unzulänglich und arm unsere Bilder sind, gehen. Die Frage „was bleibt?“, sucht eine Ant- wenn sie versuchen, das Geheimnis Gott auszu- wort in jenem Stern, der im Osterlob (Oster- drücken. nacht) ausgesprochen wird, wenn es vom Licht der Osterkerze heißt, dass es leuchte, bis der Zur gleichen Zeit wurde auch die Umgestaltung, Morgenstern erscheint, jener Morgenstern, der Erweiterung des Pfarrzentrums vorgenommen, in Ewigkeit nicht untergeht. Die in der Taufe das auch aus dem Jahre 1965 stammte wie die zwischen Gott und Mensch geschaffene Verbin- neue Kirche. Das Pfarrhaus bekam neben dem dung vollendet sich auf einem langen Weg und Pfarrbüro eine Wohnung für Pfarrer und Haus- wird zu einem Weg ins Licht - einer Bewegung, hälterin, eine Hausmeister-Mesnerwohnung und die in einen geöffneten Stern hineinführt. Im ein kleines Appartement. Der Pfarrsaal erhielt Altarbereich der Unterkirche fand eine bemer- einen anderen Zugang. Die Anwohner der Adal- kenswerte Plastik des leidenden Christus - eben- bert-Stoll-Straße waren bei Veranstaltungen falls von Guido Martini - Aufstellung. Sie reicht häufig in ihrer Ruhe gestört, sodass es sinnvoll vom Fußboden bis zur Decke, die emporgereck- war, den Zugang über den Martinsplatz zu wäh- ten Arme lassen bereits den Übergang ahnen len. Der Diözesanbischof schrieb in seinem vom Leiden zum Sterben in die Auferstehung. Grußwort „Das Pfarrzentrum bietet nun vielfäl- Dieser Christus, der Erstgeborene von den To- tige Möglichkeiten und Chancen, Erfahrungen ten, der die Gemeinde wie Sterne in seiner rech- im Glauben zu vertiefen und zu leben, mit ten Hand hält, wendet sich in der geheimen Gruppen im Pfarrleben, Verbänden, offenen Offenbarung in sieben Sendschreiben an seine Angeboten und Zielgruppenangeboten“. Im Gemeinden. Diese Briefe beschreiben den Stand gleichen Jahr konnte das umgestaltete Pfarr- der jeweiligen Gemeinde, loben ihren Eifer und zentrum von Pronotar Georg Beis eingeweiht decken ihre Schwächen auf. Am Schluss eines werden. Ein Jahr später wurde die erste Büche- jeden Briefes wird den Adressaten der Lohn für rei Aystettens in Betrieb genommen. die Treue und Standhaftigkeit versprochen. In Max Rindle immer neuen Bildern - Frucht vom Baum des Kirchenpfleger Lebens - Morgenstern - Weißes Kleid etc. - 26
Impressum: Herausgeber: Katholische Kirchenstiftung St. Martin, Aystetten, Gregor-Mendel-Str. 1, 86356 Neusäß. Redaktion: Pfarrgemeinderat Aystetten Layout: Thomas Apitzsch Auflage: 1500 Exemplare
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