50 Jahre Abwasserverband Marburg - EFFIZIENTE ZUSAMMENARBEIT FÜR DEN GEWÄSSERSCHUTZ
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VERBAND MARBURG ABWASSERVERBAND MARBURG C.-Schönstadt C.-Schwarzenborn EFFIZIENTE ZUSAMMENARBEIT FÜR DEN GEWÄSSERSCHUTZ Verbandsplan anABWASSERVERBAND MARBURG C.-Reddehausen C.-Schönstadt C.-Schwarzenborn 50 Jahre Abwasserverband Marburg 001Verbandsplan C.-Bürgeln C.-Reddehausen Stand Januar 2001 C.-Bernsdorf C.-Bürgeln Kirchhain- Lahn C.-Bernsdorf Betziesdorf Lahn (AAK) Kirchhain- Ohm Betziesdorf M.-Michelbach Cölbe Ohm (AAK) M.-Ginseldorf M.-Michelbach M.-Wehrda Cölbe N M.-Wehrda M.-Ginseldorf N -Dilschhausen r se M.-Bauerbach MARBURG as M.-Dilschhausen M.-Dagobertshausen rW r se KA Ohetal M.-Bauerbach MARBURG as se M.-Dagobertshausen rW äu (Stadt M.-Wershausen nh se Gladenbach) M.-Marbach El äu M.-Wehrshausen M.-Ortenberg M.-Schröck nh M.-Elnhausen M.-Marbach El M.-Ortenberg M.-Schröck M.-Elnhausen Oh e esselbrunn M.-Weidenhausen X/2 M.-Kaffweg X/1 W.-Nesselbrunn M.-Neuhöfe M.-Weidenhausen X/2 M.-Moischt M.-Kaffweg X/1 M.-Neuhöfe M.-Moischt M.-Stadtwald M.-Stadtwald M.-Hermershausen M.-Hermershausen M.-West M.-Haddams- M.-West usen hausen M.-Haddams- W.-Weiershausen Lahn hausen M.-Cyriaxweimar M.-Cyriaxweimar Lahn M.-Cappel Al M.-Cappel Al lna Allna M.-Gisselberg lna Allna M.-Gisselberg M.-Nieder- M.-Nieder- W.-Allna Allna W.-AllnaM.-KA Unteres Allnatal M.-KA Unteres Allnatalweimar weimar Weimar Weimar M.-GKA Cappel M.-GKA Cappel W.-Kehna W.-Kehna W.-Wenkbach W.-Wenkbach M.-Ronhausen M.-Ronhausen W.-Argen- W.-Argen- hn stein hn stein La W.-Niederwalgern W.-Niederwalgern La W.-Wolfshausen W.-Wolfshausen W.-Stedebach W.-Stedebach W.-Roth W.-Roth LEGENDE LEGENDE Abkürzungen Abkürzungen M Marburg M Marburg C Cölbe C Cölbe W Weimar W Weimar vorhandene Verbandsanlagen vorhandene Verbandsanlagen örtliche Anlagen örtliche Anlagen Sammler Sammler Schmutzwasserdruckleitung Regenüberlauf Schmutzwasserdruckleitung Regenüberlauf Pumpwerk (PW) Pumpwerk (PW) Regenüberlaufbecken Regenüberlaufbecken mit PW Regenüberlaufbecken Regenrückhaltebecken Regenüberlaufbecken mit PW Vollbiologische Kläranlage Regenrückhaltebecken Vollbiologische Kläranlage
50 JAHRE ABWASSERVERBAND MARBURG INHALTSVERZEICHNIS Verbandsplan ............................................................................ 2 Grußworte Regierungspräsident Dr. Lars Witteck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Landrätin Kirsten Fründt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Verbandsvorsteher Bürgermeister Dr. Franz Kahle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Geschäftsführer Rainer Kühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Historie Historischer Exkurs der Abwasserableitung und -behandlung . . . . . . . . . . 11 Kanalisation und Kläranlage in Marburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Gründungsgeschichte des Abwasserverband Marburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Verbandsvorstand und Verbandsversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Abwasserverband Marburg Kläranlage Marburg-Cappel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Der Reinigungsprozess Mechanische Reinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Biologische Reinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Schlammbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Energieerzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Abwasserverband Marburg – Weitere Verbandsanlagen Kläranlage Marburg-Ginseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Kläranlage Cölbe-Reddehausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Kläranlage Marburg-Bauerbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Kläranlage Cölbe-Bürgeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kläranlage »Unteres-Allnatal«, Marburg-Haddamshausen . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kläranlage Marburg-Schröck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kläranlage Cölbe-Schönstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Kläranlage Weimar-Kehna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Kläranlage Weimar-Stedebach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Kläranlage Weimar-Roth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Kläranlage Cölbe- Schwarzenborn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Verschiedene Regenüberlaufbecken und Pumpwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Das Team vom Abwasserverband Marburg Impressum Immer im Einsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Herausgeber Abwasserverband Marburg Aufgabenbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 »Berühmtester Mitarbeiter« der Kläranlage Cappel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Konzept und Text Stadtwerke Marburg GmbH Ausbildung »Fachkraft für Abwassertechnik« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Gestaltung Layout, Satz, Illustrationen und Diagramme – Beatrice Alberti, mail@alberti-design.de Fotos Volker Schönheit, AVM Stadtwerke Marburg GmbH Neue Herausforderungen Bild auf dieser Seite: ©hydro/Wikimedia Commons Anthropogene Spurenstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Bilder Seite 11: Phosphor-Elimination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Oben: ©Francesco Lerteri/Centro Richerche Speleo Archeologiche – Sotterranei di Roma; Erneuerung Kläranlage »Unteres Allnatal«, Haddamshausen . . . . . . . . . . . 42 Mitte: ©debstheleo/Despositphotos.com; Unten: ©alessandro0770/Despositphotos.com; Bilder Seite 12: Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde (LAGIS) Umwelt- und Klimaschutz Seite 12/13 Hintergrund Pergament: ©RoyStudio/Despositphotos.com Energieeffizienz – Wieviel Energie braucht Gewässerschutz . . . . . . . . . . . . . 43 Bilder Seite 40: links: ©jg_79/photocase.de; rechts: ©thomasfuer/photocase.de Lebensraum Kläranlage – Natur aus zweiter Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Druck Druckhaus Marburg GmbH Gedruckt auf FSC Papier Juli 2014 5
GRUSSWORT GRUSSWORT Regierungspräsident Dr. Lars Witteck Landrätin Kirsten Fründt Liebe Leserinnen und Leser, Der Abwasserverband Marburg wird 50! Sie halten die aktuelle Festschrift des Abwasserverbandes Marburg in den Der Zusammenschluss der Universitätsstadt Marburg mit den beiden Nach Händen – eine Sonderausgabe für einen ganz besonderen Anlass: Der Abwas- bargemeinden Cölbe und Weimar bzw. deren ehemals selbstständigen serverband Marburg feiert in diesen Tagen sein 50-jähriges Bestehen, zu Ortsgemeinden im Abwasserverband Marburg ist ein früher Beleg für eine dem ich auf diesem Wege sehr herzlich gratuliere. erfolgreiche interkommunale Zusammenarbeit. Der Abwasserverband Marburg wurde im Jahr 1964 mit dem Ziel gegründet, Die Sicherstellung der Siedlungsentwässerung sowie die Reinigung der die wichtigen Aufgaben des Gewässerschutzes gemeinsam in einer die Abwässer war zur Gründungszeit des Verbandes ohne Zweifel eine »Herkules kommunalen Grenzen überschreitenden Zusammenarbeit wahrzunehmen. aufgabe«, die man gemeinsam in der Struktur eines Verbandes nach dem Er hat damit in Sachen Gewässerschutz einen ganz neuen und besonders Wasserverbandsgesetz angehen und bewältigen wollte. wichtigen Schritt gewagt, denn keine der beteiligten Gemeinden hatte zu die- sem Zeitpunkt eine eigene Kläranlage. Selbst die Stadt Marburg verfügte Zur Verbesserung der Wasserqualität in der »Lahn« und ihren Nebengewäs- nur über eine kleine und völlig unzureichende mechanische Anlage, sodass sern realisierte der Abwasserverband Marburg – auch mit finanzieller Unter- Abwasser teils ungeklärt, teil nur mechanisch gereinigt in die Lahn einge- stützung des Landes Hessen –eine heute unverzichtbare Infrastruktur des leitet werden musste. technischen Umweltschutzes. Durch die Gründung des Abwasserverbandes Marburg ist es gelungen diese Der Verband hat sich immer wieder durch frühzeitige Umsetzung neuer Problematik in beispielhafter und vorbildlicher Art und Weise zu lösen und technischer Lösungen, wie zum Beispiel der ersten belüfteten Teichkläranlage damit die Gewässerqualität entscheidend zu verbessern. in Hessen oder anderer spezieller Technologien zur Abwasserbehandlung, als sehr innovativ ausgezeichnet. 50 Jahre Abwasserverband Marburg stehen somit für fünf Jahrzehnte vorbild liche und den heutigen Anforderungen entsprechende Abwasserreinigung Heute betreibt er 12 Kläranlagen, 33 Regenüberlaufbecken, 16 Abwasser- sowie für engagierte, sachorientierte und zielgerichtete kommunale Zusam- pumpwerke und 56 Kilometer Abwasserkanäle. Kernstück der Abwasserreini- menarbeit im Dienste des Umweltschutzes. In den vergangenen Jahren gung ist dabei die zentrale Kläranlage Marburg-Cappel, die für 155.000 Ein- hat sich durch diese Aktivitäten ein hervorragendes System mit einer zentra wohnergleichwerte ausgelegt ist. len vollbiologischen Kläranlage Cappel sowie weiteren elf vollbiologischen Kläranlagen gebildet. Es wurde bewusst und zukunftsweisend in den Gewäs- Die vorliegende Broschüre stellt die Entwicklung des Verbandes und seine serschutz investiert, sodass die Region im Bereich Abwasser heute bestens Aufgabenstellung von der Gründung bis zum heutigen Tage in kompakter und aufgestellt ist – dabei wurde auch das besonders wichtige Feld der Energie interessanter Form dar. effizienz stetig weiterentwickelt und vorangebracht. Für die in den zurückliegenden Jahrzehnten geleistete erfolgreiche Arbeit des Hierfür gebührt dem Abwasserverband Marburg mein größter Respekt und Verbandes, seiner Gremien und Geschäftsführung zur Sicherstellung einer ich darf allen Verantwortlichen versichern, dass meine Behörde Sie auch in zeitgemäßen und umweltschonenden Abwasserbeseitigung im Bereich der der Zukunft sehr gern bei Ihrer Arbeit unterstützen wird – in diesem Zusam- drei Mitgliedskommunen möchte ich im Namen des Kreisausschusses des menhang ganz herzlichen Dank für die bisherige wirklich hervorragende Landkreises Marburg-Biedenkopf, aber auch ganz persönlich allen Beteiligten Zusammenarbeit. herzlich danken. Ich gratuliere dem Abwasserverband Marburg nochmals sehr herzlich zu sei- Die Kreisverwaltung Marburg-Biedenkopf hat den Abwasserverband Marburg nem Jubiläum und wünsche ihm für die Zukunft eine erfolgreiche Fortführung als untere Wasserbehörde und Verbandsaufsicht immer konstruktiv, rechtlich seiner Arbeit. und fachlich beratend, begleitet. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Ihr Dr. Lars Witteck Glück auf! Regierungspräsident Kirsten Fründt Landrätin 6 | 50 JAHRE AV MARBURG GRUSSWORT GRUSSWORT 50 JAHRE AV MARBURG | 7
GRUSSWORT GRUSSWORT Verbandsvorsteher Geschäftsführer Rainer Kühne Bürgermeister Dr. Franz Kahle Liebe Leserinnen und Leser, Liebe Leserinnen und Leser, mit der Gründung des Abwasserverbandes Marburg im Mai 1964 haben die seit 50 Jahren besteht nunmehr der Abwasserverband Marburg (AVM). Es Verantwortlichen eine äußerst weitsichtige und zukunftsorientierte Entscheidung waren seinerzeit die Gemeinden Cappel, Cölbe, Gisselberg, Niederweimar und getroffen. Wehrda sowie die Universitätsstadt Marburg, die 1964 die Zusammenarbeit besiegelten. Nach der Gebietsreform in den 70er Jahren setzen heute Cölbe, Die Notwendigkeit eines wirksamen Gewässerschutzes wurde bereits früh Weimar und die Stadt Marburg diese interkommunale Arbeit erfolgreich fort. erkannt. Ab Mitte der sechziger Jahre hat der Abwasserverband Sammler, Regen- überlaufbecken, Pumpwerke und die in 1966 in Betrieb gegangene Gruppen- Mit Jahresbeginn 2009 wurde der Stadtwerke Marburg GmbH die Geschäfts- kläranlage Marburg-Cappel gebaut. Bis heute haben sich die Anlagen auf dem führung des Marburger Abwasserverbandes übertragen. Dieser Schulterschluss Gebiet der drei Mitglieder der Stadt Marburg, der Gemeinde Cölbe und der macht Sinn. Für die Bürgerinnen und Bürger heißt das, dass alle Sparten unter Gemeinde Weimar auf 12 Kläranlagen, 16 Abwasserpumpwerke, 33 Überlaufbe einem Dach vereint sind und dank der Synergieeffekte öffentliche Mittel effizient cken und 56 km Abwassersammler mit einem Anlagevermögen von rund eingesetzt werden. 40 Mio Y erweitert. In den Zeiten von Energiewende und Klimaschutz eröffnen sich aber auch ganz Während in der Vergangenheit der Schwerpunkt der Tätigkeiten auf der Optimie- andere Perspektiven der innovativen Zusammenarbeit, insbesondere im Ener- rung der Reinigungsleistung von einzelnen Kläranlagen lag, wurde in den letz- giebereich. Klärschlämme und Faulgase sind heute ebenso begehrte Rohstoffe ten Jahren auch die Energieeffizienz betrachtet. Hierbei konnten außerordentliche zur Energieerzeugung wie hochkalorische Bioabfälle aus den grünen Tonnen. Erfolge erzielt werden, die auch überregional Beachtung fanden. Finanziell ha- Eine besondere Rolle spielt dabei der »Methanothermobacter marburgensis«, ein ben sich diese Maßnahmen für die Verbandsmitglieder dahingehend gerechnet, seinerzeit von Marburger Wissenschaftlern um Rudolph Thauer im Klärschlamm dass die Beiträge nicht nur über mehrere Jahre stabil blieben, sondern im letz- der Marburger Faultürme entdecktes Multitalent zur Methanerzeugung. Schon ten Jahr sogar gesenkt werden konnten. seit 1989 produziert dieser fleißige Geselle ganz »nebenbei« den Brennstoff zur Strom- und Wärmeerzeugung für das Blockheizkraftwerk auf der Marburger Ein Jubiläum sollte aber auch Anlass sein, sich bei den Mitarbeitern, der Ge Kläranlage. Es sind genau diese innovativen Nischenlösungen und dezentralen schäftsführung und bei den Verbandsgremien für die gute Arbeit zu bedanken. Stromerzeugungsanlagen, die uns auf dem Weg zur Energiewende zum Erfolg verhelfen. Ich bin zuversichtlich, dass der Abwasserverband Marburg auch in den nächsten Jahren seine erfolgreiche Arbeit fortsetzt und die anstehenden neuen Auf- 50 Jahre Abwasserverband Marburg sind eine lange Zeit und ein Grund zum gaben meistert. Feiern. Ein halbes Jahrhundert haben die Anlagen und Infrastrukturen des AVM ihren Beitrag zum Gemeinwohl und zum Gewässerschutz geleistet. Und insbe- Ihr Franz Kahle sondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können mit Stolz auf ihre zuverläs sige und gute Arbeit zurückblicken. Dafür bedanke ich mich an dieser Stelle sehr herzlich. Wie im richtigen Leben sind 50 Jahre jedoch kein wirkliches Alter und manche Dinge entstehen grade dann, wenn nach langer Aufbauarbeit das Grundgerüst auf solider Basis steht. Schon heute können wir uns vorstellen, dass »Methanothermobacter marburgensis« großes Potential hat. Der Mikro- organismus kann aus Wasserstoff und Kohlendioxid Methan katalysieren und könnte eine wichtige Rolle spielen, um Wasserstoff zu speichern. Es bleibt also nach wie vor spannend und viel zu entdecken. In diesem Sinne gratuliere ich dem AVM zum 50. Geburtstag und darf als Ge- schäftsführer der Stadtwerke Marburg und des Marburger Abwasserverbandes deutlich aussprechen: Es gibt viel zu tun – packen wir es an. Herzlichst Ihr Rainer Kühne 8 | 50 JAHRE AV MARBURG GRUSSWORT GRUSSWORT 50 JAHRE AV MARBURG | 9
HISTORIE Historischer Exkurs Abwasserableitung und -behandlung Die ältesten bekannten Kanalisationen stammen aus dem Euph- rattal und dem Tal des Indus im heutigen Pakistan. Babylon ver- fügte bereits über ein gut ausgebautes Kanalsystem. Ebenfalls in Babylon wurden unter König Hammurabi (1728 bis 1686 v. Chr.) die ersten Wassergesetze verfasst. Die ältesten Kanäle in Jeru- salem stammen aus der Zeit von König David (ca. 1055 v. Chr.). Auch im alten Griechenland gab es bereits große Kanalisations- anlagen wie z. B. in Milet, Olympia und Athen. Bei den Athenern kannte man bereits Abwasserverrieselungsanlagen auf Riesel- feldern als eine erste Art der Abwasserreinigung. Die Römer leiteten mit ihren Aquädukten (Wasserleitungen) Trinkwasser über weite Entfernungen in die Städte. Sie hatten aber auch bereits funktionierende Abwasserableitungssysteme. Bei der verwendeten Schwemmkanalisation handelte es sich meist um offene Gerinne. Wegen des hohen Bauaufwandes wa- ren Abwasserrohre selten. Die bekannteste römische Kanalisation ist die Cloaca-Maxima in Rom, die zum Teil heute noch existiert. Der Rest einer unter irdischen römischen Abwasserkanalisation ist in der Kölner Alt- stadt noch heute begehbar. Im Mittelalter ging das Wissen um die hygienische Bedeutung einer geordneten Abwasserentsor gung weitestgehend verloren. Hier dienten zahlreiche Stadtgrä- ben der Wasserver- und -entsorgung. Im Mittelalter benutzten die Menschen den »Donnerbalken«. In mittelalterlichen Städten oft anzutreffen waren so genann- te Erkerlatrinen und öffentliche Abtritte auf Brücken. Die vor- handenen Straßen waren eng und ungepflastert. Abfälle und Kot versetzten sie in einen schlimmen Zustand. Da das direkte Betreten der Straßen unter diesen Umständen nicht möglich war, benutzte man zum Laufen Springsteine und Holzzapfen. Die Nachttopfentleerung erfolgte direkt aus dem Fenster auf die Straße. Zur damaligen Zeit verwendeten die Bürger häufig Bach- und Flusswasser in ihren Küchen. Da die Wasserläufe gleichzeitig die Abfälle aufnahmen, förderte dies das Auftreten von Krankheiten. Cholera und Pest forderten das Leben von Tausenden von Menschen. 10 | 50 JAHRE AV MARBURG HISTORIE 50 JAHRE AV MARBURG | 11
HISTORIE Kanalisation und Kläranlage in Marburg Auszugsweise und verkürzt aus dem »Bericht über die Verwal- tung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Stadt Allgemein Kanalisation Kläranlage Marburg für die Zeit vom 1. April 1893 bis 31. März 1898« Im Mai 1893 berichtete der Oberbürgermeister Ludwig Bei der Erstellung der Kanalisation hatte Lindley das so- Aufgrund des Berichtes der Sielbaukommission entsandte Schüler an die Regierung, dass die Stadt eine Trinkwas- genannte kombinierte System d. h. die Abführung des der Stadtrat eine Deputation nach Wiesbaden. Dort wur- serleitung mit Hochreservoir auf dem Schlossberg errichtet Schmutz- und Meteorwassers (Regenwassers) in denselben de ein vom Ingenieur H. Riensch aufgestellter Rechen be- hat. Die Bevölkerung könne nun mit 120-130 Liter Trink- Röhren vorgesehen. In Teilbereichen wie z. Bsp. im Ketz- sichtigt, welcher durch maschinellen Betrieb die Abwässer wasser/Kopf versorgt werden. Hiermit war die erste Bedin- erbachgebiet wurde umprojektiert und das Meteorwasser in von groben Verunreinigungen reinigte. gung einer »Schwemmkanalisation« erfüllt. den Ketzerbach eingeleitet, da man Einsprüche der medizi- nischen Fakultät gegen Notauslässe des kombinierten Sys- Die Anlage gefiel und der Ingenieur Riensch wurde aufge- Das Kanalisationsprojekt war durch Stadtbaurat Lindley tems in den Ketzerbach berücksichtigte. fordert, einen Entwurf für die Reinigung in Marburg einzu- in Frankfurt gefertigt. Es sah die Einführung (Einleitung) reichen. Vorgesehen war ein Grobrechen, ein Mittelrechen der gesamten Abwässer, die Fäkalien eingeschlossen in die Das auch in Marburg in Teilbereichen wesentlich ältere und ein Feinsieb mit 1,5 mm weiten Öffnungen. Zwischen Lahn vor. Kanäle vorhanden waren, ergab sich beim Bau der neuen Grob- und Mittelrechen war ein Sandfang mit Bagger- Kanalisation. »Im gesundheitlichen Interesse musste eine werk angeordnet. Nach der Vorreinigung durchfließen die Nach den in Preußen bestehenden Grundsätzen für die Ein- unvorhergesehene Anzahl von zum Teil recht großen und Abwässer zwei Sedimentationsbecken von 20 m Länge, führung von Fäkalien in Gewässer, war eine chemische Rei- alten Kanälen aus den Straßen entfernt werden, welche im 3,00 m Breite und 1,50 m Tiefe mit einer Geschwindigkeit nigung oder Filtration vorzusehen. Darauf wurde Prof. Laufe der Jahrhunderte in der Stadt angelegt wurden.« von 10 mm/Sekunde. Über Pumpvorrichtungen wurde der Fränkel beauftragt zu untersuchen, in welchem Maße die Schlamm in außer halb befindliche Schlammbecken ge- Lahn im Stande sei, die aus der Stadt zugeführten Schmutz- pumpt. Die Schmutzwassermenge betrug 50 l /Sekunde. stoffe zum Verschwinden zu bringen. Am 28. August 1896 wurde der Bau der Kläranlage begon- nen und am 10. Juni 1897 war die Inbetriebnahme. Die Das auf Grund umfangreicher Untersuchungen der Profes- Baukosten betrugen 90.000 Mark. soren Fränkel und Dietrich erstattete Gutachten ergab, »dass gegen eine widerrufliche Genehmigung der Einführung al- Der »Sandfang« lieferte 150 m3 Schlamm im Jahr. Aus ler städtischen Abwässer, einschließlich Fäkalien hygienische den Sedimentationsbecken wurden im Jahr rund 600 m³ Bedenken nicht geltend zu machen seien, wenn die Stadt die Schlamm gefördert und die Rechenanlage lieferte etwa augenfälligen Verunreinigungen mechanisch entfernen und 120 m³ »reinen Düngstoff«. Der Schlamm und die von den den Schlamm in Sedimentationsbecken sich absetzen lasse«. Rechen gelieferten Stoffe fanden damals willige Abneh- mer. Den größten Teil konnte die Stadt selbst für eigene Die chemische Reinigung hätte der Stadt große Betriebskos Ökonomie und Gartenwirtschaft gut gebrauchen. Die Ein- ten auferlegt, eine Verrieselungsanlage war bei den hiesi- nahmen für verkauften Schlamm beliefen sich vom 1. Okto Verlegung der Kanalisation in der Kugelgasse 1895–1899 gen Bodenverhältnissen ausgeschlossen. ber 1897 bis zum 1. Oktober 1898 auf rund 150 Mark. Die zu lösenden Aufgaben der Stadt mit einer von Mai 1885 bis Mai 1895 von 12.614 auf 15.500 gewachsenen Ein- wohnerzahl würde eine erhebliche finanzielle Kraft in An- spruch nehmen. Man ging davon aus, dass die Einführung Heute kostet die Entsorgung und Verwertung der anfallenden der Abfallstoffe einer gesunden einwandfreien Stadt in die Stoffe (Sandfanggut, Klärschlamm und Rechengut) mehrere Flüsse lange nicht die Gefahren in sich birgt, welche eine 100.000 Euro im Jahr. nicht kanalisierte Stadt mit einer Anzahl von Seuchenher- den sonst dem Unterlieger bringt. Die Erfolge der Abwasserreinigung und -ableitung wurden sei- nerzeit an den Todesfällen pro 1.000 Einwohner und Jahr ge- Außerdem war man der Meinung: »Die viel besprochene messen. Diese sanken von 22,2 im Jahr 1893 über 12,9 in 1895 Frage der Verunreinigung deutscher Flüsse und Ströme auf 10,2 im Jahr 1898. In der Kölnischen Zeitung von 1898 war durch die Städte ist häufig unnötig aufgebauscht worden.« eine Vergleichstabelle für den Monat Oktober aufgeführt, die Das man hier irrte, zeigten die nächsten Jahre und Jahr- Marburg als zur Zeit wohl gesündeste Stadt im Reich und auch zehnte. im Vergleich mit ausländischen Metropolen ausweist. Die ursprünglichen rund 20 Kilometer Kanalnetz sind mittler- weile auf weit über 400 Kilometer angewachsen. Kanalarbeiten in Marburg 1930–1939 Historische Entwurfszeichnungen der Kläranlage Marburg ca. aus dem Jahr 1896 12 | 50 JAHRE AV MARBURG HISTORIE HISTORIE 50 JAHRE AV MARBURG | 13
HISTORIE HISTORIE – ABWASSERVERBAND MARBURG IM JUNI 2014 Gründungsgeschichte des Abwasserverbandes Marburg Verbandsvorstand und Verbandsversammlung Bis zum Ende der 50er Jahre verfügte die Stadt Marburg nur seldorf, Reddehausen, eine Vielzahl von Regenüberlaufbauwer über eine völlig unzureichende mechanische Kläranlage an der ken und Pumpwerken zusätzlich errichtet worden, sowie die südlichen Gemarkungsgrenze. Unterhalb der Einleitstelle war die Stadteile Ronhausen und Bortshausen an die Kläranlage Mar- Lahn stark belastet. Der Bau einer mechanisch-biologischen burg angeschlossen. Kläranlage war dringend erforderlich geworden. Auch wurde bereits Anfang der 80er Jahre die ersten Erweite- Auch die Gemeinden Cappel, Cölbe, Gisselberg, Niederweimar rungen an der Kläranlage Marburg vorgenommen, da die Anla- und Wehrda waren durch die Ausweisung von Baugebieten ge hydraulisch überlastet war und die Reinigungsleistung nicht stark expandiert. Die Gemeinden leiteten Ihre Abwässer unge- mehr ausreichte. Hierbei wurden unter anderem die Belebung klärt in die Lahn ein. Dies war für die Verantwortlichen Anlass und die Nachklärung erweitert sowie Investitionen im Bereich zu prüfen, ob es zweckmäßig sei jeweils einzelne Kläranlagen Schlammbehandlung, Faulgasnutzung und Rechengut getätigt. zu errichten oder das Abwasser in einer gemeinsamen Grup- penkläranlage zu reinigen. Das Abwasserentsorgungskonzept In den 80er Jahren begann die gezielte Phosphorelimination mit dem Bau einer Gruppenkläranlage mit Sammlern, Regen- durch eine chemische Fällung mit Eisensalzen. Ab 1989 wurde überlaufbecken und Pumpwerken fand die Zustimmung der ein Teil des in der Kläranlage benötigten elektrischen Stromes Stadt Marburg, der beteiligten Gemeinden und der Wasserbe- mit Hilfe eines Blockheizkraftwerkes aus Klärgas gewonnen. hörden und führte am 25.05.1964 zur Gründung des Abwas- serverbandes Marburg. Gründungsmitglieder waren die Stadt Von 1997 bis 2001 fanden die letzten größeren Umbau- und Marburg und die Gemeinden Cölbe, Gisselberg, Marbach, Nie- Erweiterungsarbeiten auf der Kläranlage Marburg statt. Die derweimar und Wehrda. Verschärfung der Einleitwerte und die geforderte Stickstoffeli- mination machten diese Arbeiten notwendig. Als erster Schritt erfolgte der Anschluss von Cölbe nach Wehrda über ein Pumpwerk. Von Wehrda wurde das Abwasser über Bis heute kamen noch die Kläranlagen Schwarzenborn, Kehna einen Hauptsammler zur neuen Kläranlage Marburg abgelei- und Stedebach zum Verband. Die Teichkläranlagen Schönstadt, tet. Die Gemeinden Niederweimar und Gisselberg waren über Bürgeln, Schröck, Bauerbach und Roth sind im Rahmen von Pumpwerke und Druckleitungen direkt an die neue, in 1966 in grundhaften Erneuerungen inzwischen zu Belebtschlammanla Betrieb genommene Kläranlage mit einer Ausbaugröße von gen umgebaut. Auch die ersten Regenüberlaufbecken sind auf- 100.000 Einwohnergleichwerten angeschlossen. grund altersbedingter Schäden saniert. Durch die Gebietsreform Mitte der 70er Jahre verminderte sich Der Verband besitzt derzeit 12 Kläranlagen, 33 Regenüberlauf- die Anzahl der Mitglieder auf die Stadt Marburg und die Gemein- becken, 16 Pumpwerke und 56 Kilometer Sammler. den Cölbe und Weimar. Durch die Übernahme von gemeinde- Von links nach rechts: eigenen Abwasseranlagen war der Abwasserverband ab 1976 Nachdem der Abwasserverband von seiner Gründung 1964 bis Eigentümer und Betreiber der Kläranlagen in Schröck, Michel- zum 31.12.2008 durch den Zweckverband Mittelhessische Was- Bürgermeister Peter Eidam (Gemeinde Weimar) – stellv. Verbandsvorsteher bach, Schönstadt, Bürgeln, Wenkbach und Roth. serwerke in Gießen betreut wurde, liegt die Geschäftsführung seit dem 01.01.2009 bei der Stadtwerke Marburg GmbH. Mitglied der Gemeindevertretung Matthias Happel (Gemeinde Weimar) Zehn Jahre später waren durch den Bau von weiteren gemeind- lichen Abwasseranlagen noch die Kläranlagen Bauerbach, Gin- Mitglied der Gemeindevertretung Peter Jacobs (Gemeinde Cölbe) Rainer Kühne (Stadtwerke Marburg) – Geschäftsführer Feierstunde mit symbolischer Schlüsselübergabe Baudirektor Jürgen Rausch (Stadt Marburg) von links nach rechts: Geschäftsführer Rainer Kühne Bürgermeister Dr. Franz Kahle (Stadt Marburg) – Verbandsvorsteher Bürgermeister Volker Carle Bürgermeister Volker Muth Uwe Erdel (Stadtwerke Marburg) – Betriebsleiter Vorstandsvorsitzende Dr. Kerstin Weinbach Wolfgang Kummer Alexander Schurz (Stadtwerke Marburg) – stellv. Geschäftsführer Thomas Bothe Franz-Josef Fuchs Stephan Kohl (Kommunalaufsicht Landkreis Marburg-Biedenkopf) stellv. Geschäftsführerin Monika Kötter Lothar Goldbach Auf dem Foto fehlt: Bürgermeister Volker Carle (Gemeinde Cölbe) 14 | 50 JAHRE AV MARBURG GRÜNDUNGSGESCHICHTE VERBANDSVORSTAND UND VERBANDSVERSAMMLUNG 50 JAHRE AV MARBURG | 15
ABWASSERVERBAND MARBURG Kläranlage Marburg-Cappel Die Kläranlage Marburg-Cappel ist die größte Kläranlage beim AVM und eine der 10 größten Kläranlagen in Hessen. Ausbaugröße der Anlage: 155.000 Einwohnerwerte Belastung der Anlage: rd. 125.000 Einwohnerwerte Jahresabwassermenge: rd. 9.700.000 m³ Jahresschmutzwassermenge: rd. 7.400.000 m³ Trockenwetterzulauf: 25.000 m³/d Qmax.: 864 l/s Mittlere Zulaufkonzentrationen BSB5: 215,0 mg/l CSB: 440,0 mg/l N ges.: 32,0 mg/l Pges.: 6,4 mg/l 16 | 50 JAHRE AV MARBURG KLÄRANLAGE MARBURG-CAPPEL 50 JAHRE AV MARBURG | 17
Der Reinigungsprozess Zulaufpumpwerk Rechenanlage Sand- und Fettfang Vorklärbecken Belebungsbecken Nachklärbecken Biofilter Ablauf Voreindicker ÜSE Faultürme Nacheindicker MECHANISCHE REINIGUNG DER REINIGUNGSPROZESS Mechanische Reinigung Zulaufpumpwerk Vorklärbecken Förderschnecken heben das zufließende Abwasser um ca. 5 m In der Vorklärung fließt das Abwasser so langsam, dass sich die noch mitgeführ- an, sodass es im freien Gefälle bis in die Nachklärbecken ge- ten festen Stoffe absetzen können. Es entsteht zum ersten Mal im Klärprozess langt. Die Förderschnecken werden durch 2 Schneckenpumpen Klärschlamm, der zur weiteren Behandlung abgepumpt wird. Der mechanische mit je 500 l/s und 2 Schneckenpumpen mit je 400 l/s ange- Teil ist damit beendet, rund 30 % der organischen Verschmutzung ist entfernt. trieben. Hierzu gibt es 2 Rechteckbecken die über ein Nutzungsvolumen von insgesamt 1.450 m³ verfügen. Rechenanlage Die Rechenstäbe der zwei Grobrechen mit einem Abstand von 40 mm und der zwei Feinrechen mit einem Abstand von 3 mm halten Störstoffe wie z. B. Hygieneartikel, Papier und Speiseres- te zurück. Das Rechengut wird gewaschen und gepresst in Con- tainern zu einer Deponie oder Verbrennungsanlage abgefahren. Der Feststoffgehalt des Rechengutes beträgt gewaschen und gepresst 38 %. 4 Sand- und Fettfang Sand von Straßen und Baustellen würde sich im Klärwerk an ungünstigen Stellen absetzen oder Pumpen und Rohrleitungen zerstören. Deshalb entnimmt man ihn in speziell ausgebildeten Becken. Dabei lassen sich auch Öle und Fette zurückhalten. Auf der Kläranlage sind 2 belüftete Langsandfänge mit Fettkam- mern in Betrieb. Die Durchflusszeit liegt bei einem Nutzungs- volumen von 480 m3 zwischen 9 und 16 Minuten. 4 18 | 50 JAHRE AV MARBURG MECHANISCHE REINIGUNG MECHANISCHE REINIGUNG 50 JAHRE AV MARBURG | 19
Zulaufpumpwerk Rechenanlage Sand- und Fettfang Vorklärbecken Belebungsbecken Nachklärbecken Biofilter Ablauf Voreindicker ÜSE Faultürme Nacheindicker BIOLOGISCHE REINIGUNG DER REINIGUNGSPROZESS Biologische Reinigung Belebungsbecken trifikation betrieben. Das Gesamtvolumen einschließlich anoxi- Biofilter Ablauf Das mechanisch behandelte Abwasser enthält noch fein ver- scher Verteilerrinne beträgt 11.000 m³. Die Durchflusszeit liegt Da die vorhandenen Belebungs- und Nachklärbecken in Marburg Das gereinigte Abwasser passiert vor der Einleitung in die teilte oder gelöste Stoffe. Man kann sie drei Gruppen chemi- bei Trockenwetter bei 6,5 h und bei Regenwetter bei 3,5 h. die geforderte Reinigungsleistung nicht immer erbringen kön- Lahn eine automatische Analysenstation. Ständig gemessen scher Stoffe zuordnen: Verbindungen des Kohlenstoffs, des Den benötigten Sauerstoff liefern die Gebläsestationen 1 und nen, ist ein äußerst kompakter und höchst leistungsfähiger Bio- und aufgezeichnet werden die Durchflussmenge sowie CSB, Stickstoffs und des Phosphors. Die biologische Reinigung nutzt 2. Hier sorgen 3 Drehkolbengebläse und 3 Turboverdichter für filter nachgeschaltet. In zwei Filterstufen erfolgt eine Restnitrifi- Ammonium, Nitrat und Phosphat. Ein automatischer Proben- gezielt die Fähigkeit von Bakterien und anderen Mikroorganis- eine Gesamtansaugleistung von rund 30.000 Nm³/h. kation und -denitrifikation. Außerdem wird bei Bedarf weiterer nehmer sammelt Proben für das Betriebslabor. Die gegenüber men, die drei Gruppen so umzuwandeln, dass sie entweder Phosphor entfernt und die letzten Schwebstoffe zurückgehalten. der Aufsichtsbehörde erklärten Überwachungswerte sind: als Stoffwechselprodukte aus dem Abwasser ausgasen oder in CSB: 30mg/l, Nges.: 13mg/l, NH4N: 5mg/l, Pges.: 0,64mgl. 6 Bakterienzellenmasse aufgenommen und mit dieser aus dem Nachklärbecken Zum Biofilter gehören eine Nitrit- und Deni-Stufe, bestehend aus Abwasser entfernt werden können. Die Kunst der Abwasser- Die Bakterien und Mikroorganismen verlassen die Belebungs- je 9 Filterkammern mit der Größe 10,12x2,88 m und einer Ober- technik versteht es, unter der Vielzahl im Abwasser lebender becken als Schlammflocke zusammen mit dem gereinigten fläche von 29 m². Die NH4-N Spitzenfracht beträgt bei Trocken Bakterienarten einen Selektionsdruck auszuüben. Sie fördert Abwasser. In den Nachklärbecken setzen sie sich als Schlamm wetter 36 kg/h und bei Regenwetter 49 kg/h. Die NO3-N Spit- die benötigten Bakterien in ihrer Lebensfähigkeit und Vermeh- nach unten ab. Dieser Schlamm wird in die Belebungsbecken zenfracht 35 kg/h bei Trocken- und bei Regenwetter 60 kg/h. rung und zwingt sie, an der richtigen Stelle die verlangte Leis- zurückgepumpt oder als Überschussschlamm in den Schlamm- tung zu erbringen. pfad weitergeleitet. Die technische Ausrüstung besteht aus: 9 Zulaufpumpen mit ei- Die Belebungsbecken bestehen deshalb aus einer Vielzahl von Auf der Kläranlage gibt es 2 Rundbecken mit einem Durchmes ner Leistung von 440 m³/h; 4 Prozessluftgebläsen für die Nitri- Kammern mit und ohne Belüftungseinrichtungen, Rührwerken ser von 27 m und einem Nutzvolumen von 3.318 m³, 1 Rundbe Stufe mit einer Leistung von 1500 Nm³/h; 2 Spülluftgebläsen oder Pumpen. Messeinrichtungen für Sauerstoff, Nitrat oder cken mit einem Durchmesser von 39 m und einem Nutzvolu- mit einer Leistung von 2.200 Nm³/h, 4 Spülwasserpumpen mit Ammonium in Verbindung mit einem Prozessleitsystem sind men von 3.210 m³ und 1 Rundbecken mit einem Durchmesser einer Leistung von 730 Nm³/h; einem Spülwasserbecken mit die Voraussetzungen für eine maximale Leistung der bioche- von 39 m und einem Nutzvolumen von 5.529 m³. Das Gesamt- einem Volumen von 550 m³; einem Schrägplattenklärer für das mischen Prozesse bei geringstmöglichem Energieeinsatz. nutzungsvolumen der 4 Nachklärbecken beträgt 12.057 m³. Die Spülwasser mit einem Volumen von 100 m³; einer Methanol Becken 1 und 2 werden mit vorgeschalteter Denitrifikation und Durchflusszeit liegt bei Trockenwetter bei 6,9 h und bei Regen- dosierung mit einem Tankvolumen von 40 m³ und einem Pro- Becken 3 bis 6 als Umlaufbecken mit intermittierender Deni- wetter bei 3,9 h. 6 zesswasserbecken mit einem Volumen von 320 m³. 6 6 20 | 50 JAHRE AV MARBURG BIOLOGISCHE REINIGUNG
Zulaufpumpwerk Rechenanlage Sand- und Fettfang Vorklärbecken Belebungsbecken Nachklärbecken Biofilter Ablauf Voreindicker ÜSE Faultürme Nacheindicker SCHLAMMBEHANDLUNG DER REINIGUNGSPROZESS SCHLAMMBEHANDLUNG Voreindicker Faultürme Der Klärschlamm aus den Vorklärbecken besteht aus 4 % Fest- Die Klärschlämme enthalten organische Stoffe, die unter Luft- stoffen und 96 % Wasser. Im Voreindicker lassen sich die Fest- abschluss durch Faulbakterien zu Säuren und anschließend zu stoffe durch Absetzen auf 5 % erhöhen, das Volumen reduziert Kohlendioxid, Methan und Wasser umgewandelt werden kön- sich dabei immerhin um ein Fünftel. Der Voreindicker hat einen nen. Dies geschieht in den Faultürmen bei ca. 39° C und einer Durchmesser von 12 m, eine Wassertiefe von 4,49 m und ein Nut- Verweildauer von 30 Tagen. Auf der Kläranlage gibt es 2 Faul- zungsvolumen von 475 m³. Zur Ausstattung gehören ein Krähl- türme mit einem Durchmesser von 14,30 m und einem Nut- werk, ein automatischer Trübwasserabzug, einer Kunststoffab- zungsvolumen von je 3.000 m³. 4 deckung und einer Abluftabsaugung. Nacheindicker Bei der Schlammfaulung entsteht aus Feststoffen Faulgas, der Klärschlamm ist deshalb danach »dünner« als vorher. Er wird unter Rühren auf 6 % Feststoffgehalt eingedickt. Sein Volumen halbiert sich dabei. Auf der Kläranlage gibt es 2 Nacheindicker mit einem Durchmesser von 10 m und einem Nutzungsvolu- men von je 254 m³. Überschussschlammeindicker (ÜSE) 5 Aus der biologischen Reinigung (Belebungsbecken und Biofil- ter) müssen täglich bis zu 1.000 m³ Überschussschlamm aus- geschleust werden. Mit zwei rotierenden Siebtrommeln lässt sich das Volumen auf rund 100 m³ mit bis zu 6 % Feststoffen verringern. Die Beschickungsmenge des Schlammeindickers be- trägt 35 m³/h. Die Trockensubstanz im Eingang beträgt 0,6 % und die Trockensubstanz im Ausgang 6 %. 22 | 50 JAHRE AV MARBURG SCHLAMMBEHANDLUNG SCHLAMMBEHANDLUNG 50 JAHRE AV MARBURG | 23
Belebungsbecken Nachklärbecken Biofilter Ablauf Voreindicker ÜSE Faultürme Nacheindicker Entwässerung Klärschlammsilo Gasbehälter BHKW SCHLAMMBEHANDLUNG UND ENERGIEERZEUGUNG DER REINIGUNGSPROZESS DER REINIGUNGSPROZESS SCHLAMMBEHANDLUNG ENERGIEERZEUGUNG Klärschlammverladesilo Gasbehälter Die Abholung des Klärschlamms erfolgt durch Sattelzüge, die Das Faulgas aus den Faultürmen ist ein hochwertiger Energie- mit dem Klärschlammverladesilo beladen werden. Dieses wird träger. Der Gasbehälter dient der Zwischenspeicherung. Auf der aus der Kammerfilterpresse über horizontal und vertikal för- Kläranlage befindet sich ein druckloser Gasbehälter mit Kunst- dernde Trogkettenförderer beschickt. Das Speichervolumen des stoffblase. Er hat ein Volumen von 2.500 m³. Der Gasanfall be- Silos beträgt 100 t. trägt 2.550 m³/d. Schlammentwässerung Blockheizkraftwerk Nach der Einmischung von Konditionierungsmitteln gibt der Die Verwertung des Klärgases erfolgt in 2 Blockheizkraftwerken Klärschlamm unter hohem Druck in einer Kammerfilterpresse (BHKW). Mit dem neuen BHKW aus 2012 werden mittlerweile bis weiteres Wasser ab. Hierbei reduziert sich sein Volumen auf zu 80 % des benötigten Stroms auf der Kläranlage durch Strom- rund ein Zehntel. Seine Konsistenz wird »erdig«. Er tritt seinen generatoren selbst erzeugt. Weg zur Verwertung in der Verbrennung an. Die Beschickungs- menge beträgt 220 m³/h, die Austragsmenge 24 m³/h und der Leistung des BHKW neu: Trockensubstanzgehalt im Austrag 28–35 %. Elektrische Leistung 250 kW Thermische Leistung 255 kW Leistung des BHKW alt: Elektrische Leistung 120 kW Thermische Leistung 170 kW Der Betrieb der BHKW dient auch zur Notstromversorgung der Kläranlage. 24 | 50 JAHRE AV MARBURG SCHLAMMBEHANDLUNG ENERGIEERZEUGUNG 50 JAHRE AV MARBURG | 25
ABWASSERVERBAND MARBURG Weitere Verbandsanlagen Kläranlage MARBURG-HADDAMSHAUSEN (Unteres Allnatal) Teichkläranlage (belüftet) – Umbau zur Belebtschlammanlage (geplant ab 2014) Kläranlage Kläranlage Kläranlage Ausbaugröße: 4990 EW MARBURG-GINSELDORF CÖLBE-REDDEHAUSEN CÖLBE-BÜRGELN Angeschlossene Orte: Teichkläranlage (belüftet) Teichkläranlage (belüftet) Belebtschlammanlage mit Biocos-Klärsystem Haddamshausen, Hermershausen, Allna, Weiershausen, Ausbaugröße: 1200 EW Ausbaugröße: 500 EW Ausbaugröße: 3200 EW Cyriaxweimar, Stadtwald, Neuhöfe, Elnhausen, Dagoberts- Angeschlossene Ortschaft: Ginseldorf Angeschlossene Ortschaft: Reddehausen Angeschlossene Orte: Bürgeln, Betziesdorf, Bernsdorf hausen, Dilschhausen, Wehrshausen Kläranlage Kläranlage MARBURG-SCHRÖCK MARBURG-BAUERBACH Belebtschlammanlage im SBR-Verfahren Belebtschlammanlage mit Aufstauoxidationsgraben (Sequencing Batch Reactor) Ausbaugröße: 2200 EW Ausbaugröße: 4900 EW Angeschlossene Ortschaft: Bauerbach Angeschlossene Orte: Schröck, Moischt 26 | 50 JAHRE AV MARBURG VERBANDSANLAGEN VERBANDSANLAGEN 50 JAHRE AV MARBURG | 27
ABWASSERVERBAND MARBURG Weitere Verbandsanlagen Kläranlage Kläranlage Kläranlage Kläranlage CÖLBE-SCHÖNSTADT WEIMAR-KEHNA WEIMAR-STEDEBACH WEIMAR-ROTH Belebtschlammanlage mit Kombibecken Teichkläranlage (unbelüftet) Teichkläranlage (unbelüftet) Belebtschlammanlage als Aufstauoxidationsgraben Ausbaugröße: 4000 EW Ausbaugröße: 100 EW Ausbaugröße: 50 EW Ausbaugröße: 2200 EW Angeschlossene Ortschaft: Schönstadt Angeschlossene Ortschaft: Kehna Angeschlossene Ortschaft: Stedebach Angeschlossene Orte: Roth, Argenstein, Wolfshausen Kläranlage CÖLBE-SCHWARZENBORN Teichkläranlage (belüftet) Ausbaugröße: 150 EW Angeschlossene Ortschaft: Schwarzenborn 28 | 50 JAHRE AV MARBURG VERBANDSANLAGEN VERBANDSANLAGEN 50 JAHRE AV MARBURG | 29
ABWASSERVERBAND MARBURG Regenüberlaufbecken und Pumpwerke RÜB/PW Michelbach 4 Beckenvolumen 300m3 Pumpleistung: 35 l/s Angeschlossene Einwohner und Einwohnergleichwerte (E+EGW): rd. 9.600 Max. Überlaufwassermenge 500 l/s RÜB ORTENBERG 6 RÜB/PW CÖLBE Beckenvolumen 1.420 m3 Beckenvolumen 824 m 3 Qab: 160 l/s Pumpleistung: 42 l/s Angeschlossene Einwohner und Angeschlossene Einwohner und Einwohnergleichwerte (E+EGW): Einwohnergleichwerte (E+EGW): rd. 3600 rd. 5200 (Direkteinzugsgebiet) Max. Überlaufwassermenge 2.658 l/s Max. Überlaufwassermenge 5.683 l/s 30 | 50 JAHRE AV MARBURG REGENÜBERLAUFBECKEN UND PUMPWERKE REGENÜBERLAUFBECKEN UND PUMPWERKE 50 JAHRE AV MARBURG | 31
ABWASSERVERBAND MARBURG ABWASSERVERBAND MARBURG Regenüberlaufbecken und Pumpwerke Ergebnisse die sich messen und sehen lassen RÜB WEST Beckenvolumen: 1.446 m3 Qab: 250 l/s Angeschlossene Einwohner und Einwohnergleichwerte (E+EGW): rd. 10.100 (Direkteinzugsgebiet) Max. Überlaufwassermenge 3.968 l/s 32 | 50 JAHRE AV MARBURG REGENÜBERLAUFBECKEN UND PUMPWERKE 50 JAHRE AV MARBURG | 33
DAS TEAM VOM ABWASSERVERBAND MARBURG DAS TEAM VOM ABWASSERVERBAND MARBURG Immer im Einsatz Aufgabenbereiche Als Anlagenverantwortliche sorgen ein Elektro- und ein Abwassermeister für einen reibungslosen Anlagenbetrieb. Der Abwasserverband Marburg beschäftigt um die 20 Mitarbeiter unterschiedlicher Berufsgruppen. Im Labor führen die Mitarbeiter die von den Behörden vorgeschriebenen Analysen und Messungen durch, um die Einhaltung der geforderten Überwachungswerte sicherzustellen. 34 | 50 JAHRE AV MARBURG DAS TEAM VOM AVM DAS TEAM VOM AVM 50 JAHRE AV MARBURG | 35
DAS TEAM VOM ABWASSERVERBAND MARBURG Aufgabenbereiche Bei der Abwasserreinigung sind eine Vielzahl von Maschinen und Aggregaten im Einsatz. Diese werden von den Schlossern gewartet und instandgesetzt. Die Anlagetechnik muss in den Schaltwarten oder abgesetzt über PC ständig gesteuert und überwacht werden. Außentrupps und Pumpenwerker kontrollieren regelmäßig die einzelnen Kläranlagen, Pumpwerke und Regenüberlaufbecken. Die Elektrofachkräfte sind für den Bau, die Unterhaltung und Instandsetzung der Elektroanlagen zuständig. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Erstellung von Steuerungen und die Programmierung der Technik. 36 | 50 JAHRE AV MARBURG DAS TEAM VOM AVM DAS TEAM VOM AVM 50 JAHRE AV MARBURG | 37
DAS TEAM VOM ABWASSERVERBAND MARBURG AUSBILDUNG Aufgabenbereiche Fachkraft für Abwassertechnik WAS Was macht man in diesem Beruf? Fachkräfte für Abwassertechnik überwachen, steuern und do- kumentieren die Abläufe in Entwässerungsnetzen sowie bei der Abwasser- und Klärschlammbehandlung in kommunalen und industriellen Kläranlagen. Sie kontrollieren automatisierte Anlagen und Maschinen an Leitständen. Bei Normabweichungen ergreifen sie sofort die notwendigen Korrekturmaßnahmen. In Kläranlagen überwachen Fachkräfte für Abwassertechnik die Aufbereitung des Wassers in der mechanischen, biologischen und chemischen Aufbereitungsstufe. Außerdem analysieren sie Abwasser und Klärschlammproben, dokumentieren die Ergeb- nisse, werten sie aus und nutzen die gewonnenen Erkenntnisse zur Prozessoptimierung. Sie überwachen Kanalnetze und Ein- leiter. Rohrleitungssysteme, Schächte und andere Anlagenteile inspizieren, reinigen und warten sie. Als sogenannte »elektro technisch befähigte Personen« können sie auch elektrische In- stallationen ausführen und reparieren. Die auf allen Anlagen vorhandenen Grünflächen und Gehölze bedürfen der Pflege. WO Wo arbeitet man? Fachkräfte für Abwassertechnik arbeiten hauptsächlich • in der Abwasserwirtschaft, z. B. in kommunalen und industri ellen Kläranlagen • in der öffentlichen Verwaltung, z. B. bei Abwasserverbänden Der anfallende Schlamm • in Wirtschaftsbetrieben mit eigener Abwasserreinigung wird in der Schlammentwässerung gepresst Sie sind in Abwasserreinigungsanlagen, Laboren, aber auch im und geht anschließend in die Verwertung. Freien, z. B. an Faultürmen, Klär-, Absetz- und Belebungsbecken tätig. Beim Betrieb von Entwässerungssystemen haben sie in Pumpwerken bzw. in der Kanalisation an Rohren und Samm- lern zu tun. WIE Worauf kommt es an? Sorgfalt ist bei der Analyse von Wasser- und Klärschlammproben unabdinglich, um Fehler zu vermeiden, die Menschen und Um- Unsere weltberühmten kleinen Mitarbeiter welt gefährden könnten. Das Durchführen von Schutzmaßnah- men, z. B. bei Auftreten zu hoher Schadstoffkonzentrationen, erfordert Verantwortungsbewusstsein. Weltberühmt, zumindest unter Mikrobiologen, Für das Verständnis der Vorgänge in Abwasseranlagen bilden ist der 1978 im Klärschlamm des Faulturms umfassende Kenntnisse in Biologie und Chemie eine gute Basis. der Kläranlage Marburg entdeckte Kenntnisse in Mathematik sind notwendig, um den Sauerstoff- „Methanothermobacter marburgensis“. bedarf in den Klärbecken zu berechnen. Beim Ausführen von Re- paraturen an den Anlagen ist Erfahrung in Werken und Technik Dieser Mitarbeiter hilft mit, dass aus dem Klärschlamm von Vorteil. Faulgas entsteht, welches dann durch das Blockheizkraftwerk Rechtlich ist keine bestimmte Schulbildung vorgeschrieben. In der (BHKW) den auf der Kläranlage benötigten Strom liefert. Praxis stellen der öffentliche Dienst und Industriebetriebe über- wiegend Auszubildende mit mittlerem Bildungsabschluss ein. 300 mm 38 | 50 JAHRE AV MARBURG DAS TEAM VOM AVM AUSBILDUNG 50 JAHRE AV MARBURG | 39
NEUE HERAUSFORDERUNGEN NEUE HERAUSFORDERUNGEN ANTHROPOGENE SPURENSTOFFE PHOSPHOR-ELIMINATION Ertüchtigung von Kläranlagen ab 1.000 Einwohnerwerten zur verbesserten Phosphor-Elimination Anthropogene Spurenstoffe im Wasserkreislauf sind künstlich die sinnvollste Lösung sollte daher in jedem Einzelfall unter Be- Nach § 7 Hessisches Wassergesetz – aufbauend auf der Europäi- Projekt hergestellte chemische Verbindungen, die auf Grund verfeiner- rücksichtigung ökonomischer und ökologischer Kriterien trans- schen Wasserrahmenrichtlinie WRRL – sind die oberirdischen Ge- Um dem Ziel des guten Gewässerzustandes näher zu kommen, ter Analysetechniken in der aquatischen Umwelt und im Trink- parent für alle Beteiligten getroffen werden. wässer so zu bewirtschaften, dass ein guter ökologischer und wurde vom Hessischen Ministerium für Umwelt, ländlichen wasser nachweisbar sind. Zu den anthropogenen Spurenstoffen chemischer Zustand nach § 25 a des Wasserhaushaltsgesetzes Raum und Verbraucherschutz das Projekt »Ertüchtigung von zählen insbesondere die Inhaltstoffe bestimmter Human- und Ziel muss es sein, die Verwendung potentiell umwelt- und trink- erreicht wird. Kläranlagen ab 1.000 EW zur verbesserten Phosphor-Elimina- Veterinärpharmaka, Körperpflegemittel, Pflanzenschutzmittel, In- wasserrelevanter Stoffe so zu regeln, dass ein problematisches tion« ins Leben gerufen, mit dem die Fachhochschule Gießen- dustriechemikalien, Nahrungsmittelinhaltsstoffe etc. . Auftreten von Schadstoffen (z. B. PFT) in der Umwelt minimiert Im Entwurf des Maßnahmenprogramms zur Umsetzung der Friedberg beauftragt wurde. wird. Dabei ist der gesamte Lebenszyklus, insbesondere auch Wasserrahmenrichtlinie in Hessen wird die Reduzierung der Problematisch sind anthropogene Spurenstoffe vor allem dann, die Entsorgung der Produkte zu betrachten. Nährstoffbelastung der Gewässer aus Kläranlagen und diffusen Die hierfür notwendigen Maßnahmen auf den Kläranlagen wenn sie schwer abbaubar und gleichzeitig gut wasserlöslich Quellen als eine der fünf wichtigen Wasserbewirtschaftungs- werden in einer Arbeitshilfe exemplarisch für den Bereich des sind und von ihnen eine ökotoxikologische oder humantoxikolo- Priorität sollte die Vermeidung des Eintrages von Spurenstoffen fragen beschrieben, um diesen angestrebten Gewässerzustand RP Gießen beschrieben. Diese Arbeitshilfe ist Bestandteil eines gische Gefährdung ausgehen kann. Anthropogene Spurenstoffe in den Wasserkreislauf haben, die sich nach der Bewertung als zu erreichen. regionalen Umsetzungskonzeptes der Wasserrahmenrichtlinie gelangen u. a. über menschliche Aktivitäten und Ausscheidungen umweltgefährdend bzw. trinkwasserrelevant erwiesen haben. das den Verwaltungsvollzug in diesem Aufgabenbereich mög- in das häusliche Abwasser und schließlich über Kläranlagenab- Verminderungsstrategien können sowohl beim produzierenden Eine Zusammenstellung der Phosphor-Eintragspfade in Hessen lichst konkret und praxisnah unterstützt und einen sachgerech- läufe in die Oberflächengewässer. Industriebetrieb als auch beim Anwender der Produkte ansetzen. im Entwurf des Maßnahmenprogramms zeigt, dass ca. 50 % des ten und einheitlichen Vollzug in Hessen gewährleistet. Neben in die Gewässer eingetragenen Phosphors aus kommunalen den grundsätzlichen verfahrenstechnischen Fragestellungen ist Kläranlagen stammt. Damit stellen diese Punkt-Einträge das auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis einzelner Maßnahmen zu größte Potenzial zur Verminderung des Nährstoffeintrages dar. betrachten. Die erforderlichen Gegenmaßnahmen setzen in vielen Fällen eine Sachverhaltsaufklärung mit Bilanzierung der Stoffströme aus diffusen und punktförmigen Quellen einschließlich der Wechselwirkungen Sediment – Wasser voraus. Dies bezieht sich prioritär auf die Belastung durch den Nährstoff Phosphat, da eine hohe Phosphat-Nährstoffbelastung eine hohe Trophie be- wirkt, so dass das Güteziel nicht erreicht werden kann. Im Fall der gemeinsamen Ableitung von Schmutz- und Nieder- Die kommunale Abwasserreinigung kann ergänzend dort wir- schlagswasser (Mischwasserkanalisation) können auch Misch- ken, wo andere Vermeidungs- bzw. Verminderungsstrategien wasserentlastungen bei starken Regenfällen zur Belastung bei- nicht ausreichen. Durch die Modifikation bestehender Reini- tragen. Weitere Eintragspfade stellen industrielle Einleiter, die gungsstufen oder zusätzlicher Reinigungsstufen z. B. Ozonung, Stoffe produzieren oder im Produktionsprozess einsetzen sowie Aktivkohleadsorbtion können bestimmte anthropogene Spuren- die Landwirtschaft dar. stoffe im Kläranlagenablauf reduziert werden. Im Gegensatz zu den punktförmigen Kläranlageneinleitungen Maßnahmen zur Entfernung von relevanten Substanzen erfor- sind die Einträge aus Landwirtschaft, von Verkehrsflächen so- dern Investitionen und einen hohen Betriebsaufwand (Energie-, wie vielfältigen Mischwassereinleitungen als diffus zu bezeich- Stoff- und Personalkosten), die sich auf die Abwassergebühren nen. Von diffusen Einträgen ist neben Oberflächengewässern auswirken. auch das Grundwasser betroffen. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann die Relevanz der in Ge- Notwendige Maßnahmen können entweder beim Produzenten, wässern gemessenen Stoffkonzentrationen im Hinblick auf ihre dem Direkt- oder Indirekteinleiter, der Landwirtschaft, der Trink- potentielle öko- und humantoxische Wirkung noch nicht klar wasseraufbereitung oder der Abwasseranlage ansetzen. Die eingeschätzt werden. Um geeignete Maßnahmen ergreifen zu EG-Wasserrahmenrichtlinie gibt vor, dass die effizienteste Maß- können, ist die ganzheitliche Betrachtung des Wasserkreislau- nahmenkombination anzuwenden ist. Die Entscheidung über fes und des Verbleibs der Reaktionsprodukte erforderlich. 40 | 50 JAHRE AV MARBURG ANTHROPOGENE SPURENSTOFFE 50 JAHRE AV MARBURG | 41
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